Parlamentskorrespondenz Nr. 1177 vom 19.10.2022

Gewessler: Digitale Transformation des Verkehrssystems ist Herausforderung und Chance für Verkehrswende

Verkehrsausschuss debattiert Berichte zu Schienen-, Flug- und Straßenverkehr sowie Verkehrstelematik

Wien (PK) – Mit einer Reihe von Berichten, die eine große Bandbreite von Fragen des Verkehrssystems abdecken, befasste sich der Verkehrsausschuss in seiner heutigen Sitzung.

Der Verkehrstelematikbericht 2022 informiert über den Stand der Digitalisierung im Verkehrssystem und über aktuelle Entwicklungen. Verkehrsministerin Leonore Gewessler sieht in der digitalen Transformation des Verkehrssystems neben Herausforderungen auch eine große Chance zur Umsetzung der Verkehrswende.

Zum Eisenbahnverkehr lagen den Abgeordneten der Bericht über die Bestellungen gemeinwirtschaftlicher Leistungen auf der Schiene im Jahr 2019 und der Jahresbericht 2021 der Schienen-Control GmbH, der Regulierungsbehörde für den Eisenbahnmarkt, vor. Nach einem pandemiebedingten Einbruch zeigt sich hier wieder ein Wachstum. 2021 war Österreich wieder Nummer Eins in der EU bei den Bahnfahrer:innen, zeigte sich die Verkehrsministerin zufrieden.  

Über die Möglichkeiten von Kund:innen, ihre Passagier- und Fahrgastrechte durchzusetzen, gibt der Tätigkeitsbericht der Schlichtungsstelle apf Auskunft. Anstrengungen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit behandelt der Bericht über die technischen Unterwegskontrollen 2021. Weitere Berichte geben Auskunft über die Vollziehung des Flughafenentgeltegesetzes 2021 und über die Verwendung von COVID-19-Hilfsmitteln für Dekarbonisierungsprojekte in den Monaten April bis August 2022. Alle Berichte wurden einstimmig zur Kenntnis genommen.

Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2019: System der Verkehrsdiensteverträge wurde reformiert

Ein wesentliches Element der Verkehrspolitik des Bundes ist es, ein österreichweites Grundangebot im Schienenverkehr zu sichern. Im Personenverkehr erfolgen Bestellungen mittels Verkehrsdiensteverträgen, im Schienengüterverkehr erfolgen eigene Förderungen. Zuständig für die Leistungsbestellungen des Bundes ist die SCHIG mbH, die im Auftrag des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) agiert. Der von der SCHIG mBH vorgelegte Gemeinwirtschaftliche Leistungsbericht 2019 (III-543 d.B.) bot den Abgeordneten Gelegenheit, aktuelle Entwicklungen des Eisenbahnverkehrs anzusprechen. Verkehrsministerin Leonore Gewessler hob hervor, dass die ab Jahresende 2019 wirksam gewordene Organisationsreform bei den Bestellungen eine bessere Planung des Angebots erlaube. Bund und Länder definieren gemeinsam das Verkehrsangebot, legen den einzusetzenden Fuhrpark fest, geben die Qualitätsziele vor und nehmen gemeinsame Bestellungen vor.

Hermann Weratschnig (Grüne) wies auf die Wichtigkeit der Unterstützung des Güterverkehrs auf der Schiene hin, insbesondere die Rollende Landstraße, die Transitverkehr auf den Straßen reduziere. Gerhard Deimek (FPÖ) interessierte sich dafür, ob auch andere Angebote, wie der Einzelwagenverkehr, verstärkt gefördert werden sollen.

Die Verkehrsministerin erklärte, dass die Förderungen dem Rechtsrahmen der EU entsprechen müssen. Hier liege noch kein neuer Vorschlag vor, dieser werde aber in den nächsten Tagen erwartet. Sie gehe davon aus, dass Österreich damit seine Güterverkehrsförderungen wie geplant fortsetzen könne.

Klaus Köchl (SPÖ) zeigte sich besorgt, dass die aktuelle Teuerung zu einer Einschränkung bei den Leistungsbestellungen führen könnte. Aus seiner Sicht werde die Inflation im Budgetvoranschlag für 2023 nicht ausreichend abgebildet, "das geht sich nicht aus", meinte er.

Verkehrsministerin Gewessler betonte, dass es keine Einschränkungen der bestellten Fahrplankilometer geben werde, das Angebot werde kontinuierlich ausgebaut, etwa durch mehr Angebote bei Tagesrandzeiten und am Wochenende. Seitens des Ressorts wurde darauf hingewiesen, dass die Verkehrsdiensteverträge indexiert sind.

FPÖ-Abgeordneter Deimek wies auf den starken Anstieg der Fahrgastzahlen hin, der zu überfüllten Zügen führe. Er sprach auch das Problem der "ersten und letzten Meile" an, das gelöst werden müsse, um tatsächlich den Umstieg vom Auto auf die Bahn attraktiver zu machen.

Verkehrsministerin Gewessler sagte, die Entwicklung der Fahrgastzahlen sei an sich erfreulich. Das Problem der überfüllten Züge habe verschiedene Ursachen, wie das Nachholen von Reisen nach der Pandemie und die steigenden Spritpreise. Die ÖBB hätten intensiv daran gearbeitet, diese Probleme in den Griff zu bekommen, wie man es auch erwarten dürfe, damit Bahnfahren attraktiv bleibe, betonte die Ministerin. Die Lösung der Frage der "ersten und letzten Meile", also der Frage der Erreichbarkeit der Bahnhöfe, brauche man die Unterstützung der Länder.

Zur Evaluierung des Klimatickets, die von Martina Künsberg Sarre (NEOS) gefordert wurde, teilte Verkehrsministerin Gewessler mit, dass diese 2025 vorliegen solle. Sie werde wissenschaftlich begleitet, damit valide Daten vorgelegt und Aussagen getroffen werden können, wie das Ticket sich auf das Mobilitätsverhalten auswirkt.

Jahresbilanz der apf 2021: Zahl der Schlichtungen halbiert

Die Aufgabe der Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf) ist es, Fahr- und Fluggästen zu ihrem Recht zu verhelfen, ohne dass sich diese an ein Gericht wenden müssen. Laut dem Jahresbericht 2021 der Schlichtungsstelle gingen die Schlichtungsverfahren im zweiten Jahr aufgrund der COVID-19-Pandemie zwar deutlich zurück. Gleichzeitig habe die Schlichtungsstelle aber für Kund:innen von Verkehrsunternehmen, die sich an sie gewandt haben, auch im Berichtsjahr ein sehr respektables Ergebnis erzielen können, heißt es im Bericht der apf (III-632 d.B.).

Im Jahr 2021 gingen insgesamt 2.896 schriftliche Schlichtungsanträge und Anfragen bei der apf ein (2020: 5.977), davon 2.224 im Flugbereich (2020: 4.966), 626 im Bahnbereich (2020: 903), 38 im Busbereich (2020: 78) und acht im Schiffsbereich (2020: 30). Dies bedeutet eine Halbierung der Gesamtzahl. Etwa 40 Prozent aller Anträge und Anfragen an die apf wiesen einen Bezug zur COVID-19-Pandemie auf.

Auf die Fragen der Abgeordneten Alois Schroll (SPÖ), Franz Eßl (ÖVP) und Gerhard Deimek (FPÖ) nach den Hauptgründen für Beschwerden führte die Geschäftsführerin der Schienen-Control GmbH Maria-Theresia Röhsler aus, dass besonders im Flugverkehr Stornierungen aufgrund der Pandemie zu Beschwerden führten. Unterdessen sei hier aber eine Normalisierung festzustellen. Beschwerden bei der Bahn beträfen vor allem die ÖBB, da diese weiterhin rigoros bei falsch gebuchten oder zu spät stornierten Tickets vorgehen würden. Im Allgemeinen gelinge es aber, gute Lösungen zu finden. Die von Abgeordnetem Deimek angesprochenen Buchungsplattformen seien im Flugverkehr oft ein Problem, die viele Anbieter keine Verträge mit den Fluglinien hätten, weshalb die apf vor ihnen auch warne. Anders sei es hingegen im Bahnverkehr, die unterdessen entstandenen Buchungsplattformen würden auf Vertragsbasis mit den Bahnunternehmen arbeiten und damit insbesondere für den grenzüberschreitenden Zugverkehr eine gute Alternative für Ticketbestellungen bieten.

Jahresbericht der Schienen-Control GmbH: Eisenbahnmarkt zeigte 2021 deutliche Zeichen der Erholung

Über die Entwicklung des Bahnverkehrs im Jahr 2021 gibt der Jahresbericht der österreichischen Bahn-Regulierungsbehörde Auskunft (III-702 d.B.). Im Berichtsjahr waren die COVID-19-Pandemie und ihre Auswirkungen weiterhin ein zentrales Thema für den Eisenbahnmarkt, doch habe sich bereits eine spürbare Erholung gegenüber 2020 angebahnt, unterstrich die Geschäftsführerin der Schienen-Control GmbH Röhsler.

Im Schienenpersonenverkehr stieg 2021 vor allem aufgrund der Fahrgastzuwächse die Zahl der zurückgelegten Personenkilometer um gut 15%. Im Schienengüterverkehr wurden 2021 sowohl bei den gefahrenen Netto- und Bruttotonnenkilometern als auch bei den beförderten Nettotonnen Zuwachsraten im oberen einstelligen Bereich verzeichnet, hält der Bericht fest. Sowohl die Rail Cargo Austria als auch ihre Mitbewerber meldeten höhere Werte ein.

Auf Nachfrage von Franz Eßl (ÖVP) führte Röhsler aus, dass im Jahr 2021 61 Unternehmen berechtigt waren, Züge auf ÖBB-Strecken zu führen. Die Mitbewerber des ÖBB-Konzerns im Güterverkehr konnten dabei ihren Marktanteil deutlich steigern. Sie konnten damit ihren Anteil am Aufkommen auf knapp 40%, bei der Verkehrsleistung auf rund 37% erweitern.

Technische Unterwegskontrollen 2021 wieder verstärkt aufgenommen

Mit technischen Unterwegskontrollen werden nicht fahrtaugliche Nutzfahrzeuge im Straßenverkehr ausfindig gemacht. Nach einem durch die COVID-19-Pandemie bedingten merklichen Rückgang der Kontrollzahlen im Jahr 2020 wurden 2021 wieder deutlich mehr Einsatztage verzeichnet, wodurch auch mehr Kontrollen durchgeführt werden konnten, ist dem Bericht des Verkehrsministeriums zu den technischen Unterwegskontrollen für 2021 zu entnehmen (III-653 d.B.).

Laut EU-Vorgaben ist Österreich verpflichtet, jährlich eine Mindestanzahl von etwa 8.700 anfänglichen technischen Unterwegskontrollen durchzuführen. Tatsächlich werde diese Zahl jedes Jahr bei weitem überschritten, zeigte sich Verkehrsministerin Gewessler zufrieden. So gab es 2021 insgesamt 125.688 anfängliche Kontrollen (2020: 120.363). Davon wurden 22.156 Fahrzeuge einer gründlicheren technischen Unterwegskontrolle unterzogen (2020: 16.822), im Zuge derer mehr als 13.900 Fahrzeuge als nicht verkehrs- und betriebssicher eingestuft wurden. Die Kontrollen seien ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit, betonte die Ministerin.

Ein Vertreter des Ressorts hob die grundsätzliche Effizienz der technischen Unterwegskontrollen in Österreich hervor. Die Beamt:innen seien gut geschult, weshalb überwiegend Fahrzeuge mit tatsächlichen Mängeln angehalten würden. Da mehr Kontrollen bedeuten, dass auch mehr Fahrzeuge identifiziert werden können, sei es aber nicht möglich, direkte Rückschlüsse auf das gesamte Fahrzeugkollektiv zu ziehen, erfuhren die Abgeordneten Johann Singer (ÖVP) und Klaus Köchl (SPÖ), die wissen wollten, warum die Zahl der schadhaften Fahrzeuge auf Österreichs Straßen nach wie vor hoch sei.

Verkehrstelematikbericht 2022: Digitalisierung der Mobilität als Teil der Verkehrswende

Digitale Anwendungen zur Steuerung und Optimierung des Verkehrssystems werden unter dem Begriff "Verkehrstelematik" zusammengefasst. Ziel ist der Aufbau nachhaltiger "Intelligenter Verkehrssysteme" (IVS) bzw. "Intelligent Transport Systems" (ITS). Laut Verkehrsministerin Gewessler ist der Einsatz digitaler Technologien zentral für die angestrebte Verkehrswende. In Österreich bildet die ITS Austria die zentrale Plattform der österreichischen IVS-Akteure, unter denen auch die öffentliche Hand eine zentrale Rolle einnimmt. Über die Agentur AustriaTech bringt sich das Klimaschutzministerium in der ITS Austria ein. Der Verkehrstelematikbericht 2022 (III-695 d.B.) des Verkehrsressorts gibt Auskunft über den Stand intelligenter Verkehrssysteme im Jahr 2021 und einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen.

Österreich sei ein Vorreiter bei den IVS-Anwendungen und finde damit internationale Anerkennung. Die Digitalisierung biete die Chance, Verkehr besser zu planen, den Verkehrsfluss zu verbessern und damit auch den Schadstoffausstoß zu verringern.

ÖVP-Abgeordneter Christoph Stark erkundigte sich, wie das Verkehrsressort auf neue Entwicklungen, etwa im Bereich autonomes Fahren, vernetzte Fahrzeuge oder auf den Ausbau kleinräumiger Mobilitätsangebote in Gemeinden, den sogenannten Mikro-ÖV, reagiere.

Bundesministerin Gewessler erklärte, das die Innovation im Bereich der vernetzten Fahrzeuge und des digital unterstützten Fahrens fortschreite. Der rechtliche Rahmen sei dafür stets angepasst worden und werde bei Bedarf auch weiter angepasst. Für die Organisation der Mikro-ÖV brauche man die Unterstützung der Länder und Gemeinden, unterstrich Gewessler. Die digitale Transformation der Mobilität sei ein wesentlicher Teil der Verkehrswende, die jetzt anstehe. Im September 2021 habe ihr Ressort begonnen, gemeinsam mit den Stakeholder:innen einen Aktionsplan für die digitale Transformation in der Mobilität auszuarbeiten. Der Aktionsplan soll 2023 vorgelegt werden. In Vorbereitung dazu sei bereits die Plattform ITS Austria neu aufgestellt worden, um die Interessen sowohl der österreichischen Verwaltung als auch der Forschungsakteur:innen stärker berücksichtigen zu können, teilte die Verkehrsministerin mit.

Melanie Erasim (SPÖ) appellierte an die Ressortleiterin, den "grundsätzlich sehr interessanten" Bericht in Zukunft besser lesbar zu machen. Konkret erkundigte sie sich nach der Bedeutung der Graphen-Integrationsplattform GIP. Joachim Schnabel (ÖVP) wollte wissen, wie die Wartung der Plattform erfolge.

Ein Experte des Ressorts erläuterte, dass die GIP eine Vielzahl von Verkehrsdaten unterschiedlicher Organisationen zusammenführt und damit ein flächendeckendes Angebot von hochwertigen Verkehrsservices und -informationen bietet. Die Wartung der Daten sei dezentral organisiert, sie erfolge laufend und anhand eines gemeinsamen Datenstandards. Damit werde sichergestellt, dass sie stets auf dem aktuellen Stand und austauschbar sind. Die GIP sei damit einzigartig in Europa und bilde die Basis für viele Anwendungen, wie die Verkehrsauskunft Österreich.

Flughafenentgelte von vier österreichischen Flughäfen für 2022 angehoben

Für Flughäfen, von denen aus Fluglinien internationalen Luftverkehr betreiben und auf denen mehr als 100.000 Passagiere jährlich befördert werden, erfolgt die jährliche Festlegung der Entgelte aufgrund der Bestimmungen des Flughafenentgeltegesetzes (FEG). Über die Vollziehung des FEG im Jahr 2021 gibt ein Bericht des Klimaschutzministeriums Auskunft (III-704 d.B.).

Verkehrsministerin Gewessler teilte den Abgeordneten mit, dass nach konsensual ablaufenden Konsultationsverfahren zwischen den Betriebsgesellschaften der Flughäfen und den Fluglinien eine Anhebung der Entgelte um 1,75%, für Salzburg, Innsbruck und Graz um 2,25% beantragt und genehmigt wurde. Die Flughäfen Linz und Klagenfurt hätten 2021 aufgrund der Pandemie den erforderlichen Schwellenwert nicht erreicht, die Gebühren seien daher nach der bestehenden Gebührenverordnung festgelegt worden, erfuhr Abgeordneter Köchl (SPÖ).

COVID-19-Mittel unterstützen Dekarbonisierungsprojekte

Der Verkehrsausschuss debattierte auch die Berichte des Klimaschutzministeriums über die Verwendung von Mitteln des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds im Verkehrsbereich für April 2022 (III-669 d.B.), Mai 2022 (III-678 d.B.), Juni 2022 (III-708 d.B.), Juli 2022 (III-734 d.B.) und August 2022 (III-757 d.B.). Aus Mitteln des Krisenbewältigungsfonds wurde die Forschungsförderung des KLIEN Klima-Konjunkturpakets 2020 zusätzlich mit 32 Mio. € dotiert, um Projekte zu fördern, die eine höhere Ressourceneffizienz, geringeren Energieverbrauch und CO2-Reduktion ermöglichen. Bis Ende August erfolgten Auszahlungen für das gesamte "KLIEN Klima-Konjunkturpaket 2020" von 11.200.159,00 €. Davon erhielten Projekte im Bereich "Vorzeigeregion Energie" bisher 6.870.110 €, für "Energieforschung" flossen insgesamt 4.330.049 €.

Auf die Frage von ÖVP-Abgeordnetem Joachim Schnabel nach Nachfolgeprojekten für das Programm Vorzeigeregion Energie teilte Gewessler mit, dass der Klimafonds derzeit daran arbeite, um den nächsten Call so gut wie möglich aufzusetzen. (Fortsetzung Verkehrsausschuss) sox