Parlamentskorrespondenz Nr. 1368 vom 29.11.2022

Finanzausschuss diskutiert Inflationsentwicklung

Neues Wertpapierfirmengesetz soll Aufsichtsrahmen für Wertpapierfirmen schaffen

Wien (PK) – Der Finanzausschuss nahm heute den ersten Bericht zur Inflationsentwicklung zum Anlass, um eine Debatte über die im Oktober auf 11,0 % gestiegene Inflation abzuhalten. Die im März 2022 eingerichtete Expert:innengruppe zur Beobachtung und Analyse der Inflationsentwicklung kam in dem Bericht zum Schluss, dass der Anteil jener, die sich die Befriedigung von Grundbedürfnissen nicht leisten können, weiterhin ansteigen werde. Während die Vertreter:innen der Oppositionsparteien von veralteten Zahlen des im Juni veröffentlichten Berichts sprachen, sahen die Abgeordneten von ÖVP und Grünen den Bericht als gute Basis für die getroffenen Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung. Finanzminister Brunner kündigte die Vorlage eines Nachfolgeberichts durch die Expert:innen in den nächsten Tagen an.

Zudem sprach sich der Finanzausschuss mit breiter Mehrheit für ein neues Wertpapierfirmengesetz aus, das einen Aufsichtsrahmen für Wertpapierfirmen schaffen soll. Vertagt wurden mehrere Oppositionsforderungen zu stärkeren Präventionsmaßnahmen beim Glücksspiel, Lösungen zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung, zur Pendlerpauschale und zu einer Steuerreform.

Inflationsbericht zur Entwicklung der Teuerung und möglichen Gegenmaßnahmen

Dem Nationalrat liegt erstmals ein Bericht zur Inflationsentwicklung vor, der im Finanzausschuss mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde. Die Expert:innen aus rund 20 Institutionen, insbesondere Vertreter:innen von Bundesministerien, Interessensvertretungen und unabhängigen Expert:innen-Organisationen, haben 105 Vorschläge zur Bekämpfung der Inflation eingebracht, diskutiert und kommentiert. Der Bericht zeigt zudem erste Einschätzungen zur Entwicklung der Teuerung sowie zu potenziellen Gegenmaßnahmen (III-681 d.B.).

Im Vordergrund der vorgenommenen Bewertung stand die Beurteilung der sozialen Treffsicherheit der Maßnahmen, unter der Prämisse, dass Menschen mit geringen Einkommen und fehlenden Ersparnissen besonders stark von den Auswirkungen der Teuerung betroffen sind. Auch die fiskalische Nachhaltigkeit wurde dabei berücksichtigt. Die meisten Vorschläge betreffen einkommensstützende Maßnahmen für private Haushalte, beispielsweise die Erhöhung oder Wertanpassung von Sozial- und Familienleistungen sowie die Abschaffung der kalten Progression. Die Vorschläge haben keine Bindungswirkung. Sie sollen der Politik als weitere Entscheidungsgrundlage dienen.

Die Vertreter:innen der Oppositionsparteien begrüßten zwar die Erstellung des Berichts, kritisierten jedoch die für sie zu späte Diskussion im Finanzausschuss. Es sei schade, dass es zu keinem Update des bereits im Juni erschienen Berichts gekommen sei, sagte etwa Hubert Fuchs (FPÖ). In vielen Punkten sei der Bericht zudem nicht aussagekräftig, da etwa als Gegenmaßnahme zur Teuerung unverständlicherweise die Einführung von Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuern zur Standortstärkung empfohlen worden sei. Fuchs Fraktionskollege Gerhard Kaniak sprach von "veralteten Zahlen", die Situation habe sich gegenüber der Veröffentlichung im Juni "dramatisch verschärft". Neben der Abschaffung der kalten Progression vermisste Kaniak "tatsächliche steuerliche Entlastungsmaßnahmen".

Selma Yildirim (SPÖ) bewertete die Auseinandersetzung mit den "Pros und Contras von Maßnahmen" positiv, der Zeitpunkt der Auseinandersetzung komme aber zu spät, noch dazu sei damals die Inflation niedriger gewesen. Yildirim kritisierte zudem die fehlende Breitenwirkung der Maßnahmen. So seien etwa 300.000 Kinder in Österreich armutsgefährdet.

Für Karin Doppelbauer (NEOS) braucht es zielgerichtete und treffsicherere Unterstützungsleistungen. Sie teile die Einschätzung vieler Ökonom:innen, dass man Inflation nicht "wegfördern" könne. Die NEOS-Mandatarin zeigte sich verwundert, dass die "teilweise" Abschaffung der kalten Progression als Anti-Teuerungsmaßnahme bezeichnet werde. Dazu brauche es eine rückwirkende Abschaffung ab 2022. Die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung hätten offensichtlich keine Auswirkung auf die Teuerung gehabt, da diese seitens der Gewerkschaften keinen Eingang in die Kollektivvertragsverhandlungen gefunden haben, argumentierte Michael Bernhard (NEOS).

Viele der im Bericht vorgeschlagenen Entlastungsmaßnahmen seien von der Bundesregierung bereits umgesetzt worden, unterstrichen Andreas Ottenschläger (ÖVP) und Jakob Schwarz (Grüne). Dazu zähle etwa die Abschaffung der kalten Progression, der Klimabonus, die Senkung der Einkommens- und Lohntarife sowie die Valorisierung der Sozial- und Familienleistungen. Für Schwarz handelt es sich beim "Gesamtpaket der Regierung", um eine "gute Mischung" aus einkommensstärkenden und preissenkenden Maßnahmen. Was die Inflationssenkungsmaßnahmen betrifft, hat man laut Ottenschläger als Nationalstaat jedoch begrenzte Möglichkeiten. Um die Preise zu stabilisieren, geht der ÖVP-Mandatar von weiteren Zinsschritten der EZB aus.

Die im Bericht festgehaltenen Vorschläge hätten die Basis für das dritte Entlastungspaket gebildet, betonte auch Finanzminister Magnus Brunner im Ausschuss. Laut Brunner soll der Folgebericht der Expert:innen in den nächsten Tagen eintreffen und wird nach einer Behandlung im Ministerrat an das Parlament weitergeleitet. Grundsätzlich habe man sich bei der Auswahl der Entlastungsmaßnahmen immer die Frage gestellt, was preisdämpfend und was womöglich preistreibend wirken werde. Zudem sei die Treffsicherheit und Administrierbarkeit im Zentrum gestanden. Auch für den Finanzminister ist die Inflationsbekämpfung vorrangig eine Aufgabe der Zentralbanken. Von staatlicher Seite habe man etwa im Energiebereich abfedernde Maßnahmen gesetzt, so der Finanzminister.

Neues Wertpapierfirmengesetz soll Aufsichtsrahmen für Wertpapierfirmen schaffen

Ein neues Wertpapierfirmengesetz (WPFG) soll einen Aufsichtsrahmen für Wertpapierfirmen schaffen. Dafür sprachen sich heute ÖVP, FPÖ, Grüne und NEOS mehrheitlich aus. Im Gesetzesentwurf werden die unterschiedlichen Risikoprofile von Wertpapierfirmen bewertet und abgestufte Aufsichtsvorschriften, die auf die spezifischen Risiken von Wertpapierfirmen zugeschnitten sind, festgelegt. Darüber hinaus wird der Tätigkeitenkatalog von Wertpapierfirmen ausgeweitet (1757 d.B.). Unter anderem sind Bestimmungen zu Befugnissen der FMA, zu Anfangskapital und Liquidität, zur Beurteilung der Angemessenheit des internen Kapitals, zur internen Risikobewertung, zum Überprüfungs- und Bewertungsverfahren und zur Beaufsichtigung von Wertpapierfirmengruppen enthalten. Von kleinen und nicht-verflochtenen Wertpapierfirmen sind gewisse Mindeststandards einzuhalten, da von diesen Unternehmen keine oder nur minimale Gefahr für die Finanzmarktstabilität ausgeht, heißt es in den Erläuterungen. Der Gesetzesentwurf basiert auf einer europäischen Verordnung und soll mit 1. Februar 2023 in Kraft treten.

Durch die Umsetzung der EU-Verordnung würde man eine einheitliche Regelung für den Umgang mit Wertpapierfirmen in Europa schaffen, erklärte Elisabeth Götze (Grüne). Diese sei gut für den österreichischen Markt und die Anleger:innen. Man habe die von der FMA in der Begutachtung geäußerten Bedenken aufgenommen.

Was die vom Finanzminister geforderte KESt-Abschaffung auf Wertpapiere betrifft, hielt Brunner gegenüber Hubert Fuchs (FPÖ) fest, dass diese sowie eine Behaltefrist im Regierungsprogramm vereinbart seien. Man stehe dazu aktuell in Verhandlungen mit dem Koalitionspartner. Ein genauer Umsetzungszeitraum könne noch nicht genannt werden.

NEOS fordern stärkere Präventionsmaßnahmen beim Glücksspiel und Lösungen zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung

Niedrigere Höchsteinsätze und Höchstgewinne beim Glücksspiel würden den Unterhaltungswert in den Vordergrund stellen und existenzbedrohliche Verluste verringern, betonen die NEOS (129/A). Konkret soll der Höchsteinsatz in Automatensalons von 10 € auf 30 Cent pro Spiel reduziert und auch der Höchstgewinn gesetzlich von 10.000 € auf 3 € pro Spiel gesenkt werden. Bei Einzelautomaten würde dem Vorschlag entsprechend der Höchsteinsatz bei 20 € und der maximale Gewinn bei 2 € liegen. Neben einer längeren Abkühlphase regen die NEOS auch die Einführung einer höchstzulässigen Tagesspieldauer von drei Stunden an und wollen die Verluste pro Stunde auf höchstens 60 € (Automatensalons) bzw. 40 € (Einzelaufstellung) beschränken. Der Antrag wurde von ÖVP und Grünen vertagt.

Es gehe den NEOS um die Verringerung der Verluste sowie um die Stärkung des Spielerschutzes, unterstrich Karin Doppelbauer (NEOS). Bisher sei in dieser Richtung nichts passiert. Auch für Kai Jan Krainer (SPÖ) ist die Politik bei einem neuen Glücksspielgesetz "seit Jahren" säumig. Um einen Überblick über den Glücksspielmarkt in Österreich zu bekommen, schlug der SPÖ-Finanzsprecher eine dementsprechende Analyse durch den Budgetdienst des Parlaments vor, was von allen Fraktionen begrüßt wurde.

Er begrüße alle Maßnahmen für mehr Spielerschutz, erklärte Christoph Zarits (ÖVP). Man habe das Thema auf der Agenda. Es brauche dazu aber ein wissenschaftlich begründetes und koordiniertes Vorgehen. So hätten etwa neue Studien differenzierte Ergebnisse etwa zur Maximalspieldauer ergeben.

Zudem treten die NEOS gegen Lebensmittelverschwendung ein. Die Oppositionspartei sieht steuerliche Anreize für Lebensmittelspenden als mögliche Lösung an (2775/A(E)). Mittels Entschließungsantrag wollte sie die steuerliche Handhabung von betrieblichen Lebensmittelspenden an Sozialeinrichtungen verbessern. Darüber hinaus forderte sie weitere steuerliche Anreize zugunsten betrieblicher Lebensmittelspenden.

Karin Doppelbauer (NEOS) trat dafür ein, Lebensmittelverschwendung steuerlich entgegentreten. Auch ÖVP und Grüne sprachen sich gegen Lebensmittelverschwendung aus. Aus dem Finanzressort hieß es, dass Lebensmittelspenden nicht mit der Umsatzsteuer belastet werden.

Weitere Oppositionsanträge zu Pendlerpauschale und Steuerreform und Glücksspiel erneut vertagt

Neuerlich vertagt wurde ein FPÖ-Entschließungsantrag zum Thema Pendlerpauschale (387/A(E)). Die Freiheitlichen befürchten, dass unter dem Deckmantel der Ökologisierung eine Reduktion oder gänzliche Abschaffung des Pendlerpauschales geplant sei. Es herrsche große Unsicherheit unter den Pendler:innen, die aus beruflichen Umständen nicht auf ihr Auto verzichten könnten. Die FPÖ fordert daher die Bundesregierung dazu auf, weiterhin ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen.

Hubert Fuchs (FPÖ) fragte bei Finanzminister Magnus Brunner nach, ob es Pläne gebe, die mit Ende Juni 2023 auslaufende krisenbedingte Erhöhung des Pauschales in den Regelbetrieb überzuführen. Er gehe davon aus, dass die aktuelle Befristung Mitte nächsten Jahres auslaufe und man wieder zu den "normalen Werten" zurückkehren werde, antwortete der Finanzminister.

Ebenfalls erneut vertagt wurde ein Entschließungsantrag der Sozialdemokrat:innen, in dem sie für eine strukturelle Steuerreform, die über die reine Abgeltung der kalten Progression hinausgeht und den Steueranteil von den Steuern auf Arbeit hin zu jenen auf Einkommen aus Kapital und Millionärsvermögen verschiebt. So fordert die SPÖ unter anderem, die Lohn- und Einkommensteuern zu senken, den Familienbonus in die Familienbeihilfe zu integrieren und höhere Steuern auf Kapitaleinkünfte und sehr hohe Vermögen einzuheben (2459/A(E)).

Andreas Ottenschläger (ÖVP) betonte, dass Maßnahmen zur Senkung der Lohn- und Einkommensteuer gesetzt wurden und erklärte damit die Vertagung. Kai Jan Krainer (SPÖ) setzte sich für einen höheren Beitrag von Kapital und Vermögen ein, um die Steuern auf Arbeit ausreichend senken zu können. (Fortsetzung Finanzausschuss) med/gla