Parlamentskorrespondenz Nr. 44 vom 18.01.2023

Sicherheitsbericht 2021: Innenminister Karner und Justizministerin Zadić geben Auskunft über Kriminalitätsentwicklung im Innenausschuss

Abgeordnete debattieren Aktionsplan gegen Deepfakes

Wien (PK) – Innenminister Gerhard Karner und Justizministerin Alma Zadić standen heute den Abgeordneten des Innenausschusses zur Behandlung des Sicherheitsberichts 2021 zur Verfügung. Wie dieser zeigt, hat sich der rückläufige Trend der vergangenen Jahre bei der Kriminalität auch 2021 fortgesetzt und durch die zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie gesetzten Maßnahmen noch verstärkt. Während die Zahlen zu klassischen Delikten wie Einbrüchen, Autodiebstählen oder Gewalttaten sanken, waren etwa in den Bereichen Wirtschafts- und insbesondere Internetkriminalität Zuwächse zu verzeichnen.

Besonders interessierten sich die Abgeordneten für die Auskünfte Innenminister Karners über den Personalmangel bei der Exekutive, die Bekämpfung der Cyber-Kriminalität und – aus aktuellem Anlass - das Vorgehen gegen Kindesmissbrauch bzw. dessen digitale Darstellung. Zu letztem wurde auch Justizministerin Zadić befragt. Sie informierte die Mandatar:innen zudem über die Vorgehensweisen der Staatsanwaltschaften, insbesondere der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Ebenfalls auf der Tagesordnung stand der unter Federführung des Innenministeriums erstellte Aktionsplan zum Umgang mit Deepfakes. Beide Berichte wurden einstimmig im Ausschuss enderledigt.

Sicherheitsbericht 2021: Erneut niedrigste Zahl an Gesamtanzeigen seit Beginn der elektronischen Datenerfassung

Die polizeiliche Kriminalstatistik zeigt für 2021 einen Rückgang der Gesamtanzeigen um 5,3 % auf 410.957, was zum zweiten Mal in Folge den niedrigsten Wert seit Beginn der elektronischen Datenerfassung im Jahr 2001 darstellt, wie im Sicherheitsbericht 2021 ausgeführt wird (III-771 d.B.). Zugleich konnte die Aufklärungsquote um 1,1 Prozentpunkte auf 55,3 % gesteigert werden, womit sie das fünfte Jahr in Serie bei über 50 % liegt und 2021 einen neuen Höchststand erreicht hat.

Aufgrund einer veränderten Lebenswirklichkeit der Bevölkerung durch die Pandemie, hat sich die Kriminalität stark in den virtuellen Raum verlagert, wo 2021 ein "enormer Anstieg" um 28,6 % zu verzeichnen ist, wie Karner berichtet. Fast die Hälfte der im Internet begangenen Verbrechen entfällt auf Betrugsdelikte. Allerdings stieg in diesem Bereich auch die Aufklärungsquote "dank konsequenter Ermittlungsarbeit" um 3,4 Prozentpunkte. Bei der Wirtschafts- und Finanzkriminalität gab es im gleichen Zeitraum ein Plus von 3,8 %. Positiv ausgewirkt hat sich die Pandemie bzw. die zu ihrer Bekämpfung gesetzten Maßnahmen auf die Eigentumsdelikte mit einem Rückgang um 20.000 Anzeigen auf nunmehr 108.613. Nach einem Abfall im ersten Pandemiejahr ist die Gewaltkriminalität 2021 um 0,6 % auf 67.441 Anzeigen wieder geringfügig angestiegen.

Weiters werden der Anstieg der Asylantragszahlen um 170 % im Vergleich zum Vorjahr, im Bereich des Extremismus etwa die Instrumentalisierung von COVID-19-Maßnahme-Protesten durch die rechte Szene sowie Entwicklungen im Straßenverkehr thematisiert. Teil des Sicherheitsberichts 2021 ist auch der Bericht über die Tätigkeiten der Strafjustiz.

Karner sieht Cyber-Kriminalität als "besondere Herausforderung"

Im Ausschuss lobte Innenminister Karner die "exzellente Arbeit" der Exekutive, die vor allem für die Erhöhung der Aufklärungsquote verantwortlich sei. Erfreut zeigte er sich auch über die beschlossene Aufstockung des Sicherheitsbudgets für 2023, die vor allem bei der personellen Aufrüstung notwendig sein werde.

Auf die von Reinhold Einwallner (SPÖ), David Stögmüller (Grüne) und Stephanie Krisper (NEOS) aufgeworfene Frage der Cyber-Kriminalität, sprach Karner von einer "besonderen Herausforderung", die sowohl personelle als auch technische Weiterentwicklungen notwendig mache. Bisher sei die Expertise bei der Polizei zu dieser Thematik "eher zufällig" durch das persönliche Engagement von Beamt:innen entstanden, doch dürfe dieses wachsende Deliktsfeld "nicht dem Zufall überlassen werden". Es brauche einen strukturellen Ansatz, den Karner etwa in der Kriminaldienstreform sah. Die Personalgewinnung geht laut einem Experten des Ressorts eher schleppend voran, was vor allem an der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage liege. Bisher seien lediglich 18 Sonderverträge abgeschlossen worden. Es sei auch nötig das Bestandspersonal der Exekutive miteinzubeziehen, um speziell die geringere Aufklärungsquote bei der Cyber-Kriminalität anzuheben.

Auch generell sei die Personalsituation bei der Exekutive eher angespannt wie Reinhold Einwallner und Philip Kucher (SPÖ) erfragten. Es sei Teil des Regierungsprogramms, hier deutlich aufzustocken, führte  Karner dazu aus. Mit 140 € netto mehr im ersten Ausbildungsjahr und 200 € im zweiten sowie Maßnahmen zur Steigerung der Zufriedenheit sollten dementsprechende Anreize  geschaffen werden, so der Innenminister.

Die von ÖVP-Mandatar Hermann Gahr (ÖVP) angesprochene "Operation Fox" zu Bekämpfung der Schlepper-Kriminalität bewertete Karner positiv, da es dadurch gelungen sei, zahlreiche Schlepper bereits auf ungarischem Staatsgebiet "dingfest zu machen". Zusammen mit anderen Maßnahmen habe die Operation bereits zu geringeren Aufgriffszahlen in Österreich geführt, was sich jedoch im vorliegenden Sicherheitsbericht noch nicht niederschlage. 2021 sei noch ein Anstieg von 34 % im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen gewesen.

Entscheidend bei der Bekämpfung illegaler Migration sei es, diese Personen schnell wieder zurückzuführen, damit in deren Herkunftsländern auch andere von einem Einreiseversuch abgehalten werden. Dafür wurden auch neue Rückführungsabkommen etwa mit Indien und Nigeria abgeschlossen, wie Karner auf Hannes Amesbauer (FPÖ) und Andreas Minnich (ÖVP) antwortete.

Aus aktuellem Anlass und auf Nachfrage von Sabine Schatz (SPÖ), Reinhold Einwallner (SPÖ) und Faika El-Nagashi (Grüne) sprach Innenminister Karner auch die Thematik des Kindesmissbrauchs bzw. dessen digitaler Darstellung an. Im Rahmen der Kriminaldienstreform werde ein eigener Fachbereich für Sexualdelikte geschaffen, der eng verzahnt mit dem Online-Bereich arbeite. Künftig werde man hier aufgrund der Quantität des Datenmaterials stärker mit Künstlicher Intelligenz operieren müssen, so Karner.

Zudem interessierten sich die Abgeordneten für den Rechtsextremismusbericht, den Umgang mit nicht definitivgestellten Polizist:innen im Falle von Dienstunfähigkeit, den Menschenhandel und Hasskriminalität.

Justizministerin Zadić über Staatsanwaltschaften, sexualisierte Gewalt an Kindern und Umweltkriminalität

Zur sexualisierten Gewalt gegen Kinder äußerte sich auch Justizministerin Alma Zadić und sprach sich für eine Anpassung des Strafrahmens und vorbeugende Kinderschutzkonzepte in allen Einrichtungen, die mit Kindern arbeiten, aus, wie Sabine Schatz (SPÖ) erfragte. Die Verurteilungsquote in diesem Bereich sei bereits beträchtlich gestiegen, gab eine Expertin des Ressorts Auskunft. Dies führte sie auf eine verbesserte Beweissicherung, eine dahingehende Richtlinie zur Strafverfolgung im sozialen Nahraum und die verstärkte Zusammenarbeit mit Opferschutzeinrichtungen zurück. Laut Zadić hätten auch die Gewaltambulanzen einen zentralen Stellenwert für die Beweissicherung und damit die Strafverfolgung.

Wolfgang Gerstl (ÖVP), Johanna Jachs (ÖVP), Philipp Schrangl (FPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS) interessierten sich für die Verfahrensweisen der Staatsanwaltschaften insbesondere der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). 84,5 % der Verfahren wegen Amts- und Korruptionsdelikten würden ohne Urteil oder Auflagen für die Beschuldigten beendet, zeigte Gerstl auf.

Staatsanwaltschaften müssten tätig werden, sobald eine Wahrscheinlichkeit von 51 % bestehe, dass eine Verurteilung erfolge, erklärte Zadić. Einige Verfahren seien auch durch Berichtspflichten verzögert worden. Diese seien aber erheblich reduziert worden, was zu wesentlichen Erleichterungen für die Staatsanwaltschaften geführt habe. Bei der von Schrangl angesprochenen Frage des Kostenersatzes, verwies Zadić auf die Staatsanwaltschaftsreform.

Zum Thema Umweltkriminalität wollte Georg Bürstmayr von den Grünen wissen, woher die niedrige Verurteilungsrate von höchstens 28 % rühre. Auch Zadić sah hier eine Diskrepanz bei der Verfolgung und Verurteilung. Diese würde zeigen, dass die Straftatbestände nicht mehr den gewünschten Effekt aufwiesen. Auf EU-Ratsebene habe man sich bereits auf eine Verschärfung des Strafrahmens und klarer definierte Tatbestände und Kriterien verständigt, was zu einer Steigerung der Verurteilung beitragen werde.

Weiters fragten die Abgeordneten die Ministerin nach der Effizienz des Whistleblower-Systems, die Strafverfolgung bei Hassverbrechen im Netz und nach möglichen Sonderstaatsanwaltschaften etwa für Cyber-Kriminalität und Terrorismus.

Interministerieller Aktionsplan gegen Deepfakes

Eine interministerielle Arbeitsgruppe bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundeskanzleramts, des Außen-, Justiz- und Verteidigungsressorts erstellte unter Federführung des Innenministeriums einen Aktionsplan zum Umgang mit Deepfakes (III-740 d.B.). Unter dem Begriff "Deepfake" werden verschiedene Formen der audiovisuellen Manipulation durch eine auf Künstlicher Intelligenz basierenden Technologie verstanden. Der Aktionsplan umreißt eine Strategie zur Bekämpfung der implizierten politischen, gesellschaftlichen und  wirtschaftlichen Risiken. Zu den sicherheitspolitischen Gefährdungen werden etwa Desinformationskampagnen gezählt, die zur Erosion des Vertrauens in staatliche Institutionen führen können. Diesen soll unter anderem mit einem effektiven Krisenmanagementmechanismus, Sensibilisierungsmaßnahmen für die Bevölkerung und der Entwicklung bzw. Beschaffung von Softwaretools zur Detektion von Deepfakes begegnet werden.

In rechtlicher Hinsicht sehen die Verfasser:innen keinen weiteren Regelungsbedarf, da der Rechtsbestand für entsprechende Szenarien ausreichend ausgestaltet sei. Sie geben jedoch zu bedenken, dass die bestehenden Gesetze angesichts einer "massenhaften, anonymen und nicht als Deepfakes offengelegten Verbreitung im Internet, praktisch schwer durchsetzbar" seien und empfehlen daher eine staatliche Intervention auf international möglichst breiter Basis. Auf technischem Gebiet wird im Aktionsplan ein "permanenter Wettlauf" zwischen der Herstellung und Verbreitung von Deepfakes und dem Erkennen und Gegensteuern konstatiert. Hier seien eine regelmäßige Weiterentwicklung der zur Erkennung eingesetzten Werkzeuge, die Forcierung der Zusammenarbeit mit Forschung und Entwicklung sowie der internationalen Kooperationen angezeigt.

Zudem führt der Aktionsplan bereits gesetzte Maßnahmen, etwa im Bereich der europäischen und interministeriellen Zusammenarbeit sowie der Forschung (Medienforensik) an und führt weitere Schritte wie Sensibilisierungsmaßnahmen und ein verbessertes Monitoring an. Auch Lösungsansätze für eine bessere Verifizierbarkeit von Onlineinhalten durch die User selbst sollen evaluiert werden.

Da Künstliche Intelligenz die Politik vor neue Herausforderungen stelle und die Digitalisierung mittlerweile alle Lebensbereiche erreiche, war die ministerienübergreifende Erarbeitung des Aktionsplans ein "langer Prozess", so Karner. Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP), Petra Tanzler (SPÖ), Georg Bürstmayr (Grüne) und Nikolaus Scherak (NEOS) äußerten sich zu den gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen dieser Technologie und fragten Innenminister Karner nach dessen Lösungsvorstellungen. Dieser verwies auf die Relevanz der Sensibilisierung insbesonders junger Menschen, die künftig vermehrt mit der Problematik konfrontiert sein würden. Denn Deepfakes könnten auch verstärkt den privaten Bereich treffen. Die Maßnahmen dagegen befänden sich – so wie die Technologie selbst – erst am Beginn, so Karner. (Schluss Innenausschuss) wit