Parlamentskorrespondenz Nr. 568 vom 24.05.2023

Außenpolitische Initiativen zielen auf Waffenstillstand im Sudan und Fortsetzung der Unterstützung für Tunesien ab

Novellen zum Geschäftsordnungs- und Klubfinanzierungsgesetz in Dritter Lesung beschlossen

Wien (PK) – Mit der Behandlung von zwei außenpolitischen Initiativen setzte der Nationalrat heute seine Beratungen fort. In den von den Regierungsfraktionen eingebrachten Entschließungsanträgen sprachen sich ÖVP und Grüne für die sofortige Einstellung der bewaffneten Auseinandersetzungen im Sudan sowie für die weitere Unterstützung Tunesiens bei der Bewältigung seiner sozioökonomischen und demokratiepolitischen Herausforderungen aus. Im Hinblick auf den Sudan werden die politisch Verantwortlichen aufgefordert, sich gemeinsam mit den EU-Partnern und den Vereinten Nationen für ein sofortiges Ende der Kämpfe und die Einleitung eines Prozesses zur Etablierung demokratischer Strukturen im Land einzusetzen. Zudem geht es ÖVP und Grüne in dem Antrag, der nur von der FPÖ nicht mitgetragen wurde, um einen umfassenden Schutz der Zivilbevölkerung, der zivilen Infrastruktur sowie um humanitäre Hilfe sowohl vor Ort als auch in den angrenzenden Nachbarländern.

Keine Zustimmung von Seiten der Opposition erhielt der Antrag der Regierungsfraktionen, in dem für die weitere Unterstützung vor allem der tunesischen Bevölkerung durch die der EU zur Verfügung stehenden Finanzierungsinstrumente plädiert wird. Dies umfasse unter anderem die Kooperation mit Tunesien bei der Umsetzung wichtiger struktureller rechtsstaatlicher Reformen sowie beim Abbau der hohen Schuldenquote. Die Vertreter:innen von SPÖ und NEOS kritisierten etwa, dass sich Tunesien – bis vor Kurzem noch ein Vorzeigeland des Arabischen Frühlings – nunmehr auf dem Weg in Richtung Diktatur befinde, was im Antrag jedoch nicht klar zum Ausdruck gebracht werde.

Ausweitung der Verhältnismäßigkeitsprüfung von Gesetzesvorhaben und Einrichtung eines Klubregisters

Bereits in der letzten Plenarwoche standen jene vier Gesetzesentwürfe auf der Tagesordnung, die heute in Dritter Lesung einhellig beschlossen wurden. Dabei geht es zum einen um eine Ausweitung der sogenannten Verhältnismäßigkeitsprüfung von Gesetzesvorhaben, die Berufsreglementierungen zum Inhalt haben. Künftig sollen auch Anträge von Abgeordneten und Ausschussanträge, die derartige Regulierungen zum Inhalt haben, darauf geprüft werden, welche Auswirkungen sie auf den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr in der EU haben und ob es nicht andere, weniger einschränkende Alternativen gäbe. Damit sollen unter anderem das Grundrecht auf Berufsfreiheit abgesichert und eine Diskriminierung von Bürger:innen anderer EU-Länder vermieden werden. Derzeit gilt diese von der EU vorgegebene Verpflichtung nur für Regierungsvorlagen. Zum anderen ist geplant, ein öffentlich einsehbares Klubregister einzurichten, das die Namen der parlamentarischen Klubs sowie die für diese vertretungsbefugten Personen enthält. Einstimmig angenommen wurden auch die damit zusammenhängenden Änderungen der Geschäftsordnung des Nationalrats (GOG), die ebenfalls auf Fünf-Parteien-Anträgen beruhten. Dass über die Anträge erst jetzt endgültig abgestimmt wird, liegt daran, dass bei GOG-Novellen zwischen Zweiter und Dritter Lesung mindestens 24 Stunden liegen müssen.

ÖVP und Grüne für nachhaltigen Waffenstillstand im Sudan und weitere Hilfe für Tunesien

ÖVP und Grüne zeigten sich alarmiert über die bewaffneten Auseinandersetzungen im Sudan und riefen die Regierung dazu auf, sich im Verbund mit den EU-Partnern und den Vereinten Nationen für ein sofortiges Ende der Kämpfe im afrikanischen Land und einen politischen Prozess zur Etablierung demokratischer Strukturen einzusetzen. Am 15. April eskalierte der Machtkampf zwischen Armeechef Abdel Fattah Al-Burhan, Vorsitzender des übergangsweise regierenden Souveränen Rates, und den paramilitärischen Milizen unter der Führung von Mohammed Hamdan Dagalo, heißt es im Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen, der mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS angenommen wurde. Darunter würde vor allem die Zivilbevölkerung leiden. Bei einer weiteren militärischen Zuspitzung der Auseinandersetzungen könnte im Sudan ein Bürgerkrieg sowie eine weitere Ausdehnung auf die gesamte Region drohen, warnen die Antragsteller:innen.

In einem weiteren Vorstoß befassten sich ÖVP und Grüne mit der aktuellen Lage in Tunesien. Sie ersuchen Außenminister Alexander Schallenberg um eine gezielte und fortführende Unterstützung des Landes mit EU-Finanzierungsinstrumenten zur Bewältigung der zahlreichen Herausforderungen angesichts von Preissteigerungen, Versorgungsengpässen und einer hohen Schuldenquote. Es liege im Interesse Europas, dass demokratische Errungenschaften in Tunesien und verfassungsmäßig garantierte Rechte, Grund- und Menschenrechte sowie die Gewaltenteilung gewahrt bleiben, so die Antragsteller:innen Reinhold Lopatka (ÖVP), Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) und Nico Marchetti (ÖVP). Auch die Rolle Tunesiens für die EU im Bereich der Sicherheit, der Terrorismusbekämpfung sowie auf dem Gebiet der Migration wird im Entschließungsantrag hervorgehoben. So sollen sich Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher und Innenminister Gerhard Karner weiterhin dafür einsetzen, dass die Akquise von qualifizierten Arbeitskräften nach Österreich weiter ausgebaut und die Kooperation auf den Gebieten der legalen Zuwanderung, der irregulären Migration, der Rückführungen sowie bei der Unterbindung des Menschenhandels verstärkt werden. Außerdem sollten laut Entschließungsantrag die EU-Mittel zur Schaffung von Perspektiven vor Ort in Tunesien und der gesamten nordafrikanischen Region aus Sicht von ÖVP und Grünen aufgestockt werden. Der Antrag wurde von den Oppositionsparteien nicht unterstützt und somit mit den Stimmen der Regierungsfraktionen auf den Weg gebracht.

Trotz mehrerer Vereinbarungen zwischen den Konfliktparteien im Sudan, wurde die Waffenruhe nie eingehalten, zeigte Abgeordnete Eva Maria Holzleitner (SPÖ) auf. Nach mehr als einem Monat an kriegerischen Auseinandersetzungen seien bereits 25 Millionen Menschen von humanitärer Hilfe abhängig und über eine Million Menschen auf der Flucht. Es wäre daher wichtig, dass die EU vor allem die zivilen Kräfte im Sudan noch stärker unterstütze, um eine friedliche Lösung und eine Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen zu ermöglichen. Auch Österreich sollte eine aktivere Rolle einnehmen, betonte Holzleitner gegenüber Außenminister Schallenberg, und brachte einen diesbezüglichen Entschließungsantrag betreffend "Dauerhafter Waffenstillstand und Waffenembargo im Sudan" ein.

Petra Oberrauner sprach von einer bedenklichen Entwicklung in Tunesien, das derzeit einen "Frontalangriff auf seine demokratischen Institutionen" erlebe. Gleichzeitig würden sich die wirtschaftlichen Lebensbedingungen für die Bevölkerung zusehends verschlechtern. Da das Ende der Demokratie in Tunesien für Europa sehr negative Auswirkungen hätte, müsse mehr getan werden, forderte sie. Der Antrag von ÖVP und Grünen werde dem Anliegen jedoch nicht gerecht, da der autokratische Führungsstil des tunesischen Präsidenten und die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen nicht klar benannt würden. Stattdessen würden Maßnahmen gefordert, die auf EU-Ebenen ohnehin schon eingeleitet werden.

Sie wünsche sich ein starkes Europa, das in Sachen Demokratie, Grund- und Menschenrechte sowie nachhaltige Friedenspolitik die Führung in der globalen Weltordnung übernehme, erklärte Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne). Vor diesem Hintergrund seien auch die beiden Anträge zu beurteilen, die zudem unter dem Motto "Geht es Afrika gut, geht es Europa gut" stehen. Es müsse vor allem im Fall des Sudan verhindert werden, dass der Konflikt auf die gesamte Region überschwappe. Bei Tunesien stehe im Mittelpunkt, die hart erkämpften demokratischen Errungenschaften abzusichern.

Nico Marchetti (ÖVP) bezog sich in seiner Wortmeldung auf Tunesien, das sich derzeit in einer schwierigen Situation befinde. Neben demokratiepolitischen Rückschritten seien nun große finanzielle Probleme hinzugekommen, die eine positive Entwicklung extrem erschweren würden. Sollte es keine Einigung mit dem IWF geben, dann könnte Tunesien noch heuer zahlungsunfähig werden, gab Marchetti zu bedenken. Was den Sudan angeht, so sollte sich Österreich vor allem im Bereich der humanitären Hilfe und beim Schutz der zivilen Infrastruktur einbringen. Ebenso wie Abgeordneter Martin Engelberg (ÖVP) dankte er dem Außenressort für seine Bemühungen bei der Evakuierung von über 50 Auslandsösterreicher:innen aus dem Sudan. Damit der globale Süden wieder stärker in den Fokus rücke, arbeite das Ressort an einer Afrikastrategie, informierte Engelberg, der die wichtigsten Schwerpunkte skizzierte. Diese reichten von Bildungspartnerschaften bis hin zu Projekten im Rahmen der Grünen Transformation. Afrika und Europa müssten in vielen Fragen Hand in Hand gehen, urteilte Bettina Rausch (ÖVP), dies gelte insbesondere für die Migration und den Klimawandel. Dabei brauche es eine echte Partnerschaft und eine Kooperation auf Augenhöhe, meinte Alexander Melchior (ÖVP) .

Den beiden Anträgen wenig abgewinnen konnte FPÖ-Abgeordneter Martin Graf, da die Forderungen ins Leere gehen würden. Er nehme an, dass sich Außenminister Schallenberg ohnehin auf den verschiedensten Ebenen dafür einsetze, dass es zu einem Waffenstillstand im Sudan komme und die Zivilbevölkerung geschützt werde. Generell seien die Forderungen aus seiner Sicht "viel zu schwammig". Kritik übte Graf auch am freiwilligen Schuldenerlass Österreichs gegenüber dem Sudan in der Höhe von 1,2 Mrd. €, dem keinerlei Gegenleistung gegenüberstehen würde. Er habe schon immer davor gewarnt, in den Sudan zu investieren, weil dort eine "islamistische Militärdiktatur" agiere.

Henrike Brandstötter (NEOS) wies darauf hin, dass der afrikanische Kontinent von immer mehr Staaten entdeckt werde, wobei jedoch vor allem ökonomische Interessen im Vordergrund stehen würden. Gleichzeitig sei in vielen Ländern in Afrika ein Aufbruch zu spüren, es würden sowohl die Produktivität als auch die Einkommen steigen. Bei der von Österreich noch zu entwickelnden Afrikastrategie, auf die man nun schon sehr lange warten würde, müsste diese Entwicklung verstanden und daran angeknüpft werden. Die Geschichte zeige, dass der afrikanische Kontinent immer als Objekt behandelt wurde und nicht als Subjekt, beklagte Abgeordneter Helmut Brandstätter (NEOS) . Gleichzeitig müsse gegenüber diktatorischen Präsident:innen klar zum Ausdruck gebracht werden, dass es eine Kooperation nur bei Einhaltung von gewissen Mindeststandards geben könne. Bei der Abstimmung fand der Entschließungsantrag der SPÖ keine Mehrheit.

Im Anschluss fand noch eine weitere Sitzung des Nationalrates statt, die geschäftsordnungsmäßigen Mitteilungen und Zuweisungen diente. (Schluss) sue

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