Parlamentskorrespondenz Nr. 638 vom 07.06.2023

Bundesrat gibt grünes Licht für Unterstützung für Sozialhilfe-Haushalte

Lebhafte Debatte über Blockade bei Energieeffizienzgesetz

Wien (PK) – Zur Unterstützung von Sozialhilfe-Haushalten soll es für jedes Kind bis Ende 2024 zusätzlich 60 € im Monat geben. Der Bundesrat segnete das Paket in seiner heutigen Sitzung ab. Bis Ende 2023 sollen zudem Sozialhilfe-Bezieher:innen monatlich 60 € bekommen. Diese und weitere geplante Unterstützungen sind Teil eines Gesetzespakets der Bundesregierung zur Bekämpfung von Kinderarmut. Das Paket biete Treffsicherheit, unterstrich Sozialminister Johannes Rauch. Der Kritik, es handle sich nur um einen Teil des Gesamtpakets, hielt Rauch entgehen, dass der zweiter Teil noch vor dem Sommer beschlossen werden soll.

Die letzte parlamentarische Hürde nahm auch das adaptierte Energieeffizienzgesetz, das nun keine Verpflichtung zum Energiesparen für die Bundesländer mehr vorsieht. Weitere Beschlüsse betrafen Stromkostenzuschüsse für die Industrie und die unentgeltliche Weitergabe bzw. die Entsorgung von Lebensmitteln. Bundesministerin Leonore Gewessler nutzte die Debatte, um dafür zu werben, Lebensmittel zu spenden, statt sie wegzuwerfen Es sei nicht nur im Sinne des Klimaschutzes, sondern auch moralische und ethische Aufgabe, Lebensmittel statt zu entsorgen an die Menschen zu bringen. Transparenz durch Berichte sei wichtig, um mehr Anreize zum Spenden zu setzen, argumentierte sie.

Änderungen segnete die Länderkammer auch bei Verhältnismäßigkeitsprüfungen und Klubfinanzierung ab. Keine Mehrheit gab es für die im Rahmen der Sitzung eingebrachten Oppositionsanträge sowie für FPÖ-Vorschläge zur Vermeidung von Medikamentenengpässen.

60 Euro Teuerungsausgleich für Kinder

Der Bundesrat gab grünes Licht für weitere Unterstützungen von Sozialhilfe-Haushalten im Rahmen des Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichsgesetzes. Personen, die Sozialhilfe oder Mindestsicherung beziehen, erhalten von Juli 2023 bis Dezember 2023 einen monatlichen Zuschlag von 60 Euro. Zusätzlich werden für jedes Kind, das in einem Sozialhilfe- oder Mindestsicherungshaushalt lebt, von Juli 2023 bis Dezember 2024 monatlich 60 Euro gewährt. Damit soll insbesondere Kinderarmut begegnet werden. Auch für Projekte im Bereich der gemeinnützigen und kostenlosen Lebensmittelweitergabe sind zusätzliche Mittel vorgesehen.

Jedes fünfte Kind in Österreich sei von Kinderarmut betroffen, betonte Daniela Gruber-Pruner (SPÖ/W). Enttäuscht äußerte sie sich, da mit zeitlich begrenzten Sonderzahlungen anstelle von strukturellen Hilfen gearbeitet werde. Die Bundesrätin anerkannte, dass gestern im Familienausschuss der Kreis der Bezugsgruppen ausgeweitet wurde und nun Mindestsicherungsbezieher:innen, Sozialhilfebezieher:innen, Arbeitslose, Bezieher:innen von Notstandshilfe und Mindestpension ebenso wie Alleinverdiener:innen und Alleinerzieher:innen mit einem monatlichen Einkommen unter 2.000 € die Sonderzahlung erhalten. Ein Wehrmutstropfen bleibe jedoch: Dies gelte nicht für das Schulstartgeld. Von der Bundesregierung forderte Gruber-Pruner ein Eingreifen in die Preise.

Am Beispiel von "Kartoffeltagen", setzte sich Simone Jagl (Grüne/N) für Kinder aus finanziell schwachen Familien ein. Finanzielle Not in Familien führe immer zu sozialer Ausgrenzung, argumentierte sie für Maßnahmen zur Verringerung von Familienarmut. Für die Grünen sei klar, jede Person, die Hilfe brauche, soll diese bekommen. Durch die Valorisierung der Sozialleistungen habe es eine zusätzliche Erhöhung für Familien gegeben, so Jagl.

Österreich liege bei Sachleistungen für Familien im internationalen Vergleich deutlich zurück, informierte Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) und warb für ein warmes gesundes Mittagessen an Schulen, wie dies für Wiener Schulen beschlossen wurde. Er plädierte für den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, um allen Kindern die gleichen Chancen zu ermöglichen.

Vor allem Kinder werden durch die Maßnahme gestützt, betonte Heike Eder (ÖVP/V), dennoch stimme die SPÖ nicht zu, ortete sie ein "Werteproblem" bei der SPÖ. Arlamovsky hielt sie entgegen, dass das Paket von Expert:innen, insbesondere vom Budgetdienst, gelobt wurde. Zudem passierte der zweite Teil des Pakets den Familienausschuss und komme vor dem Sommer, unterstrich Eder.

Klemens Kofler (FPÖ/N) bezeichnete das Gesetz als "Tropfen auf den heißen Stein". Übergewinne bei Unternehmen stehen Haushalten gegenüber, die sich den Strom nicht mehr leisten können, kritisierte er. "Dieses Gesetz ist das Armutszeugnis der Bundesregierung", hielt er fest und sprach über ein Versagen auf allen Ebenen.

Unentgeltliche Weitergabe und Entsorgung von Lebensmitteln

Der Lebensmittel-Handel soll künftig berichten, wie viele Lebensmittel entsorgt sowie unentgeltlich weiter gegeben wurden. In seiner Sitzung erhob der Bundesrat kein Veto gegen eine entsprechende Änderung des Abfallwirtschafts-Gesetzes 2002. Die Regelung zielt auf größere Unternehmen im Einzel- und Großhandel ab. Die Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz treffe uns täglich und sei essentiell für Umwelt und Klimatschutz, unterstrich Simone Jagl (Grüne/N). Sie verpflichte Betriebe ab einer gewisser Größe, Spendenmengen und Abfallmengen bekannt zu geben. Kleine Betriebe seien ausgenommen, betonte Jagl. Derzeit klagen Sozialmärkte über zu wenig Sachspenden im Vergleich zu den steigenden Kund:innen.

Zu dem Thema brachten die Bundesrät:innen zwei Anträge ein. Christian Fischer (SPÖ/N) setzte sich unter dem Titel "Schluss mit Teuerungsexzessen und Verschwendung von Lebensmitteln im Handel!" für ein Maßnahmenpaket ein. Darin forderte er ein Antidiskriminierungsgesetz bei Obst und Gemüse samt Abnahmepflicht des Handels, ein Konzept für die verpflichtende Abgabe von nicht mehr benötigten oder verkaufbaren Lebensmitteln sowie ein Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs.

Durch die Novelle werde kein Gramm Lebensmittel weniger verschwendet, kritisierte Michael Bernard (FPÖ/N), es werde maximal der Entsorgungsort verschoben. Daher trat Bernard mit einem Entschließungsantrag für die Verringerung der Lebensmittelverschwendung ein. Er pochte überdies auf Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofs. Darin geht es unter anderem um verpflichtende Lebensmittelspenden, eine nationale Koordinierungsstelle sowie eine Strategie zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung.

Lebensmittel seien kostbare, wertvolle Mittel fürs Leben, machte die SPÖ aufmerksam. Ein ungutes Gefühl hegte Silvester Gfrerer (ÖVP/S), da genießbare und unverdorbene Lebensmittel als Abfall behandelt würden. Das Wegwerfen von Lebensmittel widerspreche dem Klimaschutz, sorge für hohe zusätzliche Kosten und könne mit Blick auf die Teuerung und Inflation nicht akzeptiert werden.

Hitzige Debatte zu Energieeffizienzgesetz: ÖVP und SPÖ werfen einander Blockade vor

Nachdem das ursprüngliche Regierungsvorhaben zur Umsetzung der EU-Energieeffizienz-Richtlinie die notwendige Zweidrittelmehrheit verfehlt hat, wurde im Bundesrat nun das neu formulierte Energieeffizienzgesetz abgesegnet. Darin werden Richtwerte, aber keine Verpflichtungen für Länder vorgesehen. Konkret soll der Endenergieverbrauch bis zum Jahr 2030 um 650 Petajoule reduziert werden. Weitere Elemente betreffen Beratungsstellen für Bürger:innen und eine Koordinierungsstelle zur Bekämpfung von Energiearmut sowie die Sanierungsquote für Bundesgebäude von 3 %. Beide von den Bundesrät:innen eingebrachte Entschließungsanträge blieben in der Minderheit. Mangels Wortmeldung der Ministerin Leonore Gewessler ortete Christoph Steiner (FPÖ/T) Ignoranz der Bundesregierung.

Es handle sich um die abgespeckte Form des Energieeffizienzgesetztes, warf Stefan Schennach (SPÖ/W) der ÖVP Blockadehaltung vor. Geben und Nehmen hätten die Zustimmung der SPÖ zur erforderlichen Zweidrittelmehrheit gebracht. Schennach war überzeugt, die Regierung müsse endlich die Blockadehaltung im Kampf gegen die Teuerung aufgeben. In dem eingebrachten Entschließungsantrag forderte er ein umfassendes Inflationsdämpfungsgesetz mit Sofortmaßnahmen wie der Rücknahme der April-Erhöhung der Richtwertmieten sowie ein Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs.

Über ursprünglich konkrete Pläne zur Reduktion von Energieverbrauch, sprach Isabella Kaltenegger (ÖVP/St). Mangels Zustimmung von SPÖ und FPÖ musste die Regierung Punkte aus dem Gesetzesentwurf nehmen, hielt auch sie Blockadehaltung vor. Sie kritisierte die Ablehnung des Gesetzes wegen einer "sinnlosen Aktion". Das wichtige Gesetz würde eine Zweidrittelmehrheit benötigen, sagte auch Adi Gross (Grüne/V) und warf ebenfalls der SPÖ Blockadehaltung vor. Die SPÖ blockiere die sozial-ökologische Wende und jahrelange harte Arbeit. Wichtige Rahmenbedingungen für die nächsten Jahre könnten nicht geschaffen werden, denn der Gasausstieg werde dringender denn je, mahnte er. Die Zielrichtung des Energieeffizienzgesetzes befürwortete Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W), er wies jedoch auf rechtliche Unsicherheiten hin.

"Die Freiheitlichen treten für Energiepolitik mit Hausverstand ein", unterstrich Michael Bernard (FPÖ/N). Er kritisierte daher den "totalitären Zugang von Klimaklebern", obwohl er den Ausbau von erneuerbaren Energien, insbesondere von Wasserkraft, befürworte. Bei Windkraft orte er zu hohe Zeiten ohne Windaufkommen. Mit Entschließungsanträgen forderte Bernard das Verbot von Benzin- und Dieselfahrzeugen aufzuhalten. Darüber hinaus trat er gegen Verschärfungen des Verbrennungsmotorverbots ein.

Strompreiskompensationen für die Industrie

Ebenfalls beschlossen wurde eine Strompreiskompensationen für die Industrie. Unternehmen in anspruchsberechtigten Sektoren oder Teilsektoren erhalten eine Förderung in Form von direkten Zuschüssen. Die Förderung umfasst einen Ausgleich der indirekten CO2-Kosten im Kalenderjahr 2022. Das Paket bringt Unternehmen eine Kompensation von 75 Prozent der indirekten CO2-Kosten.

Zum Strompreiskostenausgleichgesetz signalisierte Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) die Zustimmung der NEOS, sprach sich darüber hinaus dafür aus, dies langfristig zu beschließen. Auch die FPÖ war für das Stromkostenzuschussgesetz. Michael Bernard (FPÖ/N) trat mittels Entschließungsantrag für ein Recht auf Grundversorgung bei Energielieferanten in Österreich ein, fand dafür jedoch keine Mehrheit. Von zentraler Bedeutung ist für Bernard, dass die Tarife der Energiepreise, die Haushalten und Kleinunternehmern in Rechnung gestellt werden, auch tatsächlich den Bestimmungen des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes (EIWOG) bzw.

des § 124 Gaswirtschaftsgesetzes (GWG) entsprechen.

Einigkeit zu Änderungen bei Verhältnismäßigkeitsprüfungen und Klubfinanzierung

Auf Initiative aller im Parlament vertretenen Parteien wurden im Rahmen von gemeinsamen Anträgen Änderungen im Klubfinanzierungsgesetz und im Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz vorgenommen. Ohne Debatte passierten die Anträge den Bundesrat. Durch die Änderung des Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz sind bei neuen Berufsreglementierungen gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfungen künftig auch dann durchzuführen, wenn das betreffende Gesetzesvorhaben auf einem Initiativantrag von Abgeordneten, Gesetzesanträgen von Ausschüssen oder auf Initiativen des Bundesrats beruht. Gleiches gilt, wenn Regierungsvorlagen im Zuge der Ausschussberatungen abgeändert wurden. Mit der Änderung des Klubfinanzierungsgesetzes soll der Präsident bzw. die Präsidentin des Nationalrats ausdrücklich dazu verpflichtet werden, ein öffentlich einsehbares Verzeichnis zu führen, das die Namen der parlamentarischen Klubs sowie die für diese vertretungsbefugten Personen enthält.

Keine Mehrheit für FPÖ-Vorschläge zur Vermeidung von Medikamentenengpässen

Problematisch sah die FPÖ die aktuellen Engpässe in der Medikamentenversorgung. Es brauche daher kurz-, mittel- und langfristige Lösungsansätze. Die Freiheitlichen brachten dazu ein Maßnahmenpaket vor, das unter anderem Erleichterungen der Abgabe- und Verrechnungsbestimmungen für Apotheken, Evaluierung der österreichischen Arzneimittelpreise sowie die automatische Aufhebung des Höchstpreises bei versorgungsrelevanten Lieferengpässen umfasst. Der Antrag blieb im Rahmen einer namentlichen Abstimmung in der Minderheit. (Schluss Bundesrat) gla

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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