Parlamentskorrespondenz Nr. 754 vom 28.06.2023

Sozialausschuss schickt geplante Änderungen bei Elternkarenz in Begutachtung

Einstimmigkeit für Rechtsanspruch auf Freistellung zur Begleitung von Kindern bei Rehaaufenthalten

Wien (PK) – Die jüngst von der Koalition vorgeschlagene Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige wurde heute vom Sozialausschuss in eine Ausschussbegutachtung geschickt. Konkret sind unter anderem zwei unübertragbare Monate Karenz pro Elternteil, eine Verdoppelung des Familienzeitbonus, eine Erweiterung der Pflegefreistellung und ein Diskriminierungsschutz im Gleichbehandlungsgesetz geplant. Diverse Stellen werden nun um ihre Stellungnahmen ersucht. Es handle sich um ein umfangreiches Paket, betonte Arbeitsminister Martin Kocher, der eine Begutachtung befürwortete.

Einstimmig auf den Weg brachte der Ausschuss einen Rechtsanspruch auf Freistellung für Arbeitnehmer:innen zur Begleitung ihres Kindes bei stationären Rehaaufenthalten. Auch ein Koalitionsantrag, mit dem erreicht werden soll, dass Anträge auf Vergütung des Entgelts bei Sonderbetreuungszeit weiterhin von Gebühren befreit sind, passierte den Sozialausschuss. Ein SPÖ-Antrag für einen Rechtsanspruch auf Rehabilitationsfreistellung gilt als miterledigt.

Vertagt wurden eine Initiative der Freiheitlichen gegen die Abschaffung der geblockten Alterszeit sowie ein Entschließungsantrag der NEOS für eine Beschränkung der Bildungskarenz.

Ausschussbegutachtung zu Koalitionsantrag zu Elternkarenz, Familienzeitbonus und Pflegefreistellung

Über 40 Organisationen werden dezidiert eingeladen, bis 2. August 2023 ihre Stellungnahmen zum Koalitionsantrag zur Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (3478/A)

abzugeben. Das hat der Sozialausschuss einstimmig beschlossen. Bis dahin wurden die Beratungen zum Antrag vertagt.

Konkret werden diverse Ministerien, die Bundesländer, die Sozialpartner sowie andere Stellen wie der Dachverband der Sozialversicherungsträger und Familienorganisationen um Stellungnahmen ersucht. Im Rahmen einer Ausschussbegutachtung können Ausschüsse Stellungnahmen von diversen Stellen einholen. Ungeachtet dessen besteht für alle interessierten Bürger:innen und Institutionen auch die Möglichkeit, den Gesetzentwurf – wie alle anderen Gesetzesvorhaben – im Webportal des Parlaments zu kommentieren.

Der Antrag von ÖVP und Grünen sieht zur gerechteren Aufteilung von Betreuungs- und Pflegeaufgaben zwischen Männern und Frauen unter andrem vor, dass künftig mindestens zwei Monate der Karenzzeit von jedem Elternteil zu leisten sind. Nur dann soll der Anspruch auf die vollen 24 Monate Karenz bestehen. Geht nur ein Elternteil - etwa die Mutter - in Karenz, verkürzt sich die Dauer auf 22 Monate. Ziel der EU-Richtlinie, die Änderungen im Mutterschutzgesetz 1979 (MSchG) und im Väterkarenzgesetz (VKG) erfordert, ist die Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen. Eine Ausnahme gibt es für Alleinerziehende: Sie können nach wie vor bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres ihres Kindes in Karenz gehen.

Der Familienzeitbonus, also jene finanzielle Unterstützung für Väter, die sich direkt nach der Geburt der Familie widmen, soll künftig 47,82 € pro Tag betragen und damit verdoppelt werden. Damit will man mehr Vätern die Familienzeit ermöglichen. Um mehr Flexibilität möglich zu machen, soll die Dauer der Familienzeit einmalig geändert werden können.

Änderungen sind in Umsetzung der EU-Richtlinie auch bei der Pflegefreistellung geplant. Künftig können Personen auch dann zur Pflege naher Angehöriger freigestellt werden, wenn diese nicht in einem gemeinsamen Haushalt mit ihnen leben. Außerdem soll es eine Freistellung zur Pflege von Personen im gemeinsamen Haushalt geben, auch wenn diese keine Angehörigen sind. Für Teilzeitarbeit oder eine Freistellung zur Begleitung schwersterkrankter Kinder soll ebenfalls die Voraussetzung eines gemeinsamen Haushalts entfallen.

Für diverse Karenzen oder Freistellungen sollen eine schriftliche Begründung durch den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin bei Ablehnung sowie ein Motivkündigungsschutz eingeführt werden. Bei Kündigungen kann eine Begründung verlangt werden. Außerdem sollen Verjährungs- und Verfallsfristen für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit der Novelle bis zwei Wochen nach Ende der Abwesenheit gehemmt werden, um den Arbeitnehmer:innen nach ihrer Rückkehr mehr Zeit zu geben, Ansprüche geltend zu machen.

Im Gleichbehandlungsgesetz soll ein Diskriminierungsverbot bei Elternkarenz, Pflegefreistellung und anderen Freistellungen aus familiären Gründen eingeführt werden, auch wenn der Diskriminierungsgrund Geschlecht nicht vorliegt. Damit werden die Gleichbehandlungsanwaltschaft und die Gleichbehandlungskommission für derartige Fälle von Diskriminierung zuständig.

Koalition erhofft sich mehr Väterbeteiligung

In Umsetzung der EU-Richtlinie wolle man mit dem Gesetz mehr Anreize für die Väterbeteiligung setzen, erläuterte Tanja Graf (ÖVP). Weil das Paket mehrere Punkte beinhalte, sei eine Ausschussbegutachtung sinnvoll. Es sollen sämtliche Meinungen eingeholt werden, um das Eine oder Andere in der Praxis noch besser umzusetzen als derzeit vorgesehen, betonte Graf. Auch Arbeitsminister Martin Kocher befürwortete aufgrund des umfangreichen Pakets die Begutachtung.

Ihr sei wichtig, dass mehr Väter in Karenz gehen, sagte Barbara Neßler (Grüne). Die Erfahrung hätte gezeigt, dass der Papamonat zu wenig in Anspruch genommen wird. Damit es nicht am Finanziellen scheitere, soll zusätzlich zu den zwei Monaten unübertragbarer Karenz der Familienbonus verdoppelt werden. Neßler betonte, dass die Höhe des Kinderbetreuungsgeldes von der Änderung nicht betroffen sei. Bei kürzerer Dauer der Karenz würde nämlich ein höherer Tagsatz ausbezahlt werden. Insgesamt hätte ihre Fraktion gerne mehr Änderungen umgesetzt, sei aber glücklich mit dem Kompromiss, so die Abgeordnete, die ankündigte, dass die Vorlage nach der Ausschussbegutachtung im Herbst ins Plenum geschickt werden soll.

Gerald Loacker (NEOS) begrüßte, dass Karenzzeiten zwischen beiden Eltern aufgeteilt werden sollen. In der Umsetzung fand er aber manches schwierig. So kritisierte er etwa, dass mit der Begründungspflicht bei einer Kündigung "en passant" die bestehenden Grundregeln bei Kündigungen geändert werden. Auch die Ausnahmeregelung für Alleinerzieher:innen bemängelte er. Schließlich müssten dann die Arbeitgeber:innen zur Überprüfung Nachforschungen über das Privatleben ihrer Angestellten machen. Diese Punkte solle man sich bis zum Herbst noch einmal überlegen, appellierte er an die Koalition.

Kritik kam auch von Verena Nussbaum (SPÖ). Sie bezweifle, dass mehr Männer zur Karenz motiviert werden, wenn man Frauen zwei Monate ihrer Karenz streiche. Damit würden bloß Frauen bestraft, deren Partner nicht in Karenz gehen wollen. Wie Loacker sah auch Nussbaum kritisch, dass Kündigungen künftig begründet werden müssen. Insgesamt sah sie "keinen großen Wurf" für mehr Väterbeteiligung.

Rechtsanspruch auf Freistellung zur Begleitung von Kindern bei Reha

Neu eingeführt werden soll der Anspruch für Arbeitnehmer:innen, bis zu vier Wochen pro Jahr freigestellt zu werden, um ihr Kind bei einem Rehaaufenthalt zu begleiten. Im Ausschuss brachten alle Parteien dafür einen gemeinsamen Abänderungsantrag und einen Ausschussantrag ein, die einstimmig angenommen wurden.

Konkret soll der Anspruch dann gelten, wenn einem Kind unter 14 Jahren von der Sozialversicherung ein stationärer Aufenthalt in einer Rehabilitationseinrichtung bewilligt wurde. Für die Dauer der Freistellung soll den Arbeitnehmer:innen Pflegekarenzgeld gebühren.

Die Freistellung kann zwischen den Elternteilen geteilt werden, aber nicht gleichzeitig in Anspruch genommen werden, außer wenn die Teilnahme beider Elternteile an der Rehamaßnahme therapeutisch notwendig ist. Die Arbeitnehmer:innen müssen die Freistellung melden. Es soll ein besonderer Kündigungsschutz gelten. In Kraft treten soll die Regelung mit 1. November 2023. Mit dem Ausschussantrag werden zudem die Regelungen im Landarbeitsgesetz 2021 nachvollzogen und Bestimmungen im Arbeitslosenversicherungsgesetz angepasst.

Alois Stöger (SPÖ) bedankte sich bei der Koalition für die Bereitschaft, das Thema Rehabilitationsfreistellung aufzunehmen. Politik sei das Bohren harter Bretter, sagte er mit Verweis auf seine langjährige Anstrengung in der Sache. Ein entsprechender Antrag der SPÖ (2127/A) wurde miterledigt. Rebecca Kirchbaumer (ÖVP) legte den Unterschied zwischen der nun auf den Weg gebrachten und der von den Sozialdemokrat:innen vorgeschlagenen Regelung dar: Im SPÖ-Antrag wäre vorgesehen gewesen, dass die Arbeitgeber:innen den Lohn während der Freistellung weiterhin bezahlen. Kirchbaumer sprach sich dagegen aus, dass die ganze Last von den Unternehmen getragen werden müsse. Daher werde das Entgelt nun mit dem Pflegekarenzgeld ersetzt.

Der Arbeitsminister begrüßte die Anträge. Es habe sich nämlich gezeigt, dass die bestehenden Freistellungsmöglichkeiten nicht immer ausreichen, wenn Eltern ihre Kinder bei einer Reha begleiten müssen.  

Grundlage für die Anträge zur Rehabilitationsfreistellung war ein ÖVP-Grünen-Antrag, mit dem die Anträge von Arbeitgeber:innen auf Vergütung des Entgelts von Mitarbeiter:innen in Sonderbetreuungszeit weiterhin von Stempelgebühren befreit werden sollen (3467/A). Die Regelung passierte den Ausschuss ebenfalls einstimmig. Durch die pandemiebedingte generelle Gebührenbefreiung waren bis Ende 2022 keine Gebühren zu entrichten. Um alle Verfahren zur Sonderbetreuungszeit gebührenrechtlich gleich zu behandeln, soll die Befreiung nun rückwirkend ab 1. Jänner 2023 verlängert werden. Sie gilt für alle Anträge aus der Sonderbetreuungszeit, die noch bis 7. Juli 2023 läuft. Der Bund ersetzt den Arbeitgeber:innen das Entgelt, das sie an ihre Mitarbeiter:innen in Sonderbetreuungszeit gezahlt haben, aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds. Für die Abwicklung ist die Buchhaltungsagentur zuständig.

Oppositionsanträge vertagt

Ihre Kritik am Vorhaben der Koalitionsparteien, die geblockte Altersteilzeit abzuschaffen, erneuerte die FPÖ. Beide Altersteilzeitmodelle hätten sich bewährt und seien sozialpartnerschaftlich akzeptiert, argumentieren die Freiheitlichen in ihrem Antrag (3110/A(E)).

Ein ebenfalls vertagter Entschließungsantrag der NEOS zielt auf eine Einschränkung der Bildungskarenz ab (3397/A(E)). Konkret fordern sie unter anderem höhere Mindestanforderungen für anerkannte Weiterbildungen, die verpflichtende Vorlage von Kursbesuchsbestätigungen und Erfolgsnachweisen, erweiterte Kontrollen und die Möglichkeit der Rückforderung von Weiterbildungsgeld bei Nicht-Erfüllung der Weiterbildungspflicht. (Fortsetzung Sozialausschuss) kar