Parlamentskorrespondenz Nr. 758 vom 28.06.2023
Justizausschuss: ÖVP und Grüne stimmen für Ausweitungen im Korruptionsstrafrecht
Wien (PK) - Die geltenden Regelungen zur Korruptionsbekämpfung etwa im Hinblick auf künftige Amtsträger:innen, die bisher nicht von der Strafbarkeit im Korruptionsstrafrecht erfasst sind, scheinen einer Regierungsvorlage der Justizministerin zufolge nicht mehr ausreichend. Entsprechende neue Bestimmungen passierten den Justizausschuss heute mit den Stimmen von ÖVP und Grünen. Mit der Regierungsvorlage der Justizministerin soll die Strafbarkeit der Bestechlichkeit und der Bestechung auf Personen im Fall einer künftigen Amtsträgereigenschaft erweitert werden. Erreicht werden soll, dass nicht nur die aufrechte Amtsträgerschaft, sondern bereits die Positionierung als Person, die in Zukunft ein solches Amt bekleiden würde, eine Verantwortlichkeit im korruptionsstrafrechtlichen Kontext auslöst. Eingeführt werden soll unter anderem auch ein Straftatbestand "Mandatskauf" sowie eine Aberkennungsmöglichkeit eines Mandats oder Amts. Die Definition des/der "Kandat:in für ein Amt" wurde in der Debatte unter anderem auch innerhalb der Koalition, seitens der ÖVP, kritisiert. Justizministerin Alma Zadić meinte, sie sei bis zum Plenum gerne bereit, gemeinsam noch eine bessere Formulierung zu finden.
Für eine Regierungsvorlage zur deutlichen Erhöhung der Strafrahmens bei Cybercrime-Delikten gaben die Abgeordneten im Ausschuss mit den Stimmen aller Fraktionen außer der NEOS grünes Licht.
Ausweitungen im Korruptionsstrafrecht
Mit den Änderung des Korruptionsstrafrechts (2098 d.B.) soll laut Erläuterungen künftig etwa eine Freiheitsstrafe bis zu 10 bzw. 15 Jahren bei sämtlichen Korruptionsdelikten des öffentlichen Bereichs drohen, wenn der Wert des erzielten Vorteils 300.000 € übersteigt. Bis Ende 2027 ist eine Evaluierung für die neuen Regelungen vorgesehen. Bei der Erweiterung der Strafbarkeit auf Kandidat:innen für ein Amt ist demnach Kandidat:in für ein Amt jede:r, der bzw. die sich in einem Wahlkampf, einem Bewerbungs- oder Auswahlverfahren oder ähnlichem zu einer Funktion als Amtsträger, als oberstes Vollzugsorgan des Bundes oder eines Bundeslandes oder als Organ zur Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung befindet, sofern die Erlangung der Funktion "nicht gänzlich unwahrscheinlich" ist.
Unter dem Schlagwort "Mandatskauf" wird laut Vorlage die Zuwendung eines Entgelts an Parteiverantwortliche verstanden, die nur zu dem Zweck erfolgt, einer bestimmten Person ein entsprechendes Mandat zu verschaffen. Die Erläuterungen weisen dazu etwa auf medial kolportierte Vorwürfe gegen Ex-Abgeordnete sowie bezüglich eines Verkaufs eines Nationalrats-Mandats an ausländische Geschäftsleute hin.
Vorgesehen werden sollen damit Strafbarkeiten einerseits für Verantwortliche einer wahlwerbenden Partei, die für die Einflussnahme auf die Zuteilung eines Mandats für sich oder einen Dritten ein Entgelt fordern, annehmen oder sich versprechen lassen. Andererseits zielt die Regelung auf Personen ab, die einem Verantwortlichen einer wahlwerbenden Partei für die Einflussnahme auf die Zuteilung eines Mandats ein Entgelt für sich selbst oder einen Dritten anbieten, versprechen oder gewähren. Zur Bestrafung soll es jedoch nur kommen, wenn es tatsächlich zur Angelobung bzw. zur Einnahme des Sitzes gekommen ist, so die Erläuterungen. Klargestellt werden soll auch, dass die Regelung nur auf Wahlen zum Nationalrat, zu einem Landtag oder zum Europäischen Parlament anwendbar ist.
Geregelt werden soll außerdem, dass auch Personen aus dem Familienkreis des Amtsträgers bzw. der Amtsträgerin oder des Schiedsrichters bzw. der Schiedsrichterin auf die Verwendung der Vorteile für gemeinnützige Zwecke keinen bestimmenden Einfluss ausüben dürfen.
Ergänzend zu den vorgeschlagenen Änderungen im Strafgesetzbuch sollen auch die Bestimmungen zur Wählbarkeit in der Nationalrats-Wahlordnung und in der Europawahlordnung verschärft werden. Damit soll in Zukunft einem Mitglied oder eine:r Präsident:in des Nationalrats, einem Mitglied oder eine:r (Vize-)Präsident:in des Bundesrats oder eines Landtags, einem österreichischen Mitglied des Europäischen Parlaments, eine:r Rechnungshofpräsident:in, einem Mitglied der Volksanwaltschaft, dem/der Bundespräsident:in, einem Mitglied der Bundesregierung, einem Staatssekretär bzw. einer Staatssekretärin oder einem Mitglied einer Landesregierung vom Verfassungsgerichtshof auf Antrag des jeweils zur Kontrolle berufenen Vertretungskörpers das Mandat bzw. das Amt aberkannt werden können. Voraussetzung dafür ist, dass er oder sie während der Amtsführung die Wählbarkeit verliert, weil er oder sie rechtskräftig zu einer sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe wegen der Delikte Bestechlichkeit, Vorteilsannahme, Vorteilsannahme zur Beeinflussung, Bestechung, Vorteilszuwendung oder Vorteilszuwendung zur Beeinflussung verurteilt wird.
Außerdem wird in der Vorlage im Verbandsverantwortlichkeitsgesetz etwa die Deckelung der Höhe eines Tagessatzes für Straftaten angehoben. Diese Erhöhung bedeute, dass die maximal mögliche Geldbuße hier künftig 5,4 Mio. € (180 Tagessätze à 30.000 Euro) betragen soll. Mit der Vorlage mitbeschlossen wurde ein Abänderungsantrag der Koalitionsparteien zur Richtigstellung von redaktionellen Versehen.
Justizministerin Zadić betonte, Korruptionsbekämpfung sei ihr ein wichtiges Anliegen. Die Lücken, die heute im Korruptionsstrafrecht geschlossen werden sollen, betreffen den Mandatskauf. Zudem sollen die Regeln auch für jene gelten, die sich um ein Amt bewerben oder auf eine Wahlliste setzen lassen.
Agnes Sirkka Prammer (Grüne) sieht mit der Vorlage nunmehr Lücken abgedeckt, die, "Stichwort Ibiza", tatsächlich stattgefunden hätten. Anregungen aus der Begutachtung seien mitaufgenommen worden.
Die Definition des/der "Kandat:in für ein Amt" wurde jedoch in der Debatte auch innerhalb der Koalition kritisiert. So meinte Christian Stocker seitens der ÖVP, dass er zwar die Intention der Korruptionsbekämpfung teile und daher für die Vorlage stimme, beim "Kandidatenbegriff" sei jedoch die Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zu wenig eingearbeitet worden.
Noch kritischer sieht das etwa Selma Yildirim (SPÖ), die in der vorliegenden Version eher einen Rückschritt zum Erstentwurf ortet. Das Gesetz werde daher den Ansprüchen nicht gerecht, die man sich selbst gestellt habe. Harald Stefan (FPÖ) hielt Prammer entgegen, das Stichwort "Ibiza" an erste Stelle zu stellen, sei nicht nachvollziehbar, und wies diesbezüglich auf Freisprüche hin. Für ihn sind die Bestimmungen in der Vorlage teilweise zu unpräzise, wo Eindeutigkeit aber - gerade im Strafrecht - wichtig sei.
Auch Johannes Margreiter (NEOS) begrüßte die Intention des Gesetzes, allerdings schloss er sich Yildirim und Stefan insofern an, als der vorliegende Entwurf zahlreiche Mängel aufweise. Auch in Richtung von Stocker könne er nur unterstreichen, dass der Kandidatenbegriff "verunglückt" sei. Dass eine Strafe wegfalle, wenn das Amt nicht erreicht werde, widerspreche außerdem der Strafrechtslogik, so Margreiter.
Prammer meinte seitens der Grünen in Richtung von Yildirim, dass die begriffliche Anpassung von einer "Mandatszuteilung" auf eine "Angelobung" keinen Rückschritt darstelle, sondern darauf abziele, einen Begriff zu haben, der in allen Wahlordnungen vorkommt.
Justizministerin Zadić erörterte zu den Anmerkungen von Stocker, dass in der Koordinierung die Wortfolge zur Erlangung der Funktion mit "nicht gänzlich unwahrscheinlich" zustande gekommen sei. Sie sei bis zum Plenum gerne bereit, gemeinsam noch eine bessere Formulierung zu finden.
Erhöhung der Strafrahmen bei Cybercrime-Delikten
Dem "erhöhten sozialen Störwert" verschiedener bestehender Cybercrime-Delikte soll durch eine deutliche Erhöhung von Strafdrohungen Rechnung getragen werden, sieht eine aktuelle Regierungsvorlage von Justizministerin Zadić vor (2088 d.B.). Wer einen Computer hackt, dem sollen künftig bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe statt bisher sechs Monaten drohen. Bei Cyber-Angriffen auf kritische Infrastruktur erhöht sich der Rahmen auf bis zu drei Jahre bzw. im Rahmen einer kriminellen Vereinigung auf bis zu fünf Jahre.
Mit den vorliegenden Änderungen im Strafgesetzbuch ist darüber hinaus auch bei den Straftatbeständen zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen eine Anhebung der Strafdrohungen vorgesehen. Zudem sollen die Verletzung bzw. Auskundschaftung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen als Offizialdelikte ausgestaltet werden, um damit die geschädigte Person vom Kostenrisiko zu befreien, wenn sie die Strafverfolgung wünscht. Außerdem soll sie aufgrund der Sensibilität des Gegenstands darüber entscheiden können, ob gegebenenfalls überhaupt eine Strafverfolgung stattfinden soll. Angehoben werden soll auch die Strafdrohung zur Verletzung von Berufsgeheimnissen.
Damit einher gehe eine Verschiebung der Zuständigkeit für das Hauptverfahren vom Bezirksgericht zur Einzelrichterin bzw. zum Einzelrichter des Landesgerichts, was auch einen gewissen Bündelungseffekt sowie eine Erweiterung des Spektrums an Ermittlungsmaßnahmen mit sich bringen soll, so die Erläuterungen.
Auch im Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) wird für die Straftatbestände zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen eine deutliche Anhebung der Strafdrohungen vorgeschlagen, nämlich von bisher drei Monaten Freiheitsstrafe auf ein Jahr. Damit soll auch die Umsetzung von EU-Vorgaben verbessert werden. Auch hier sollen die Straftatbestände von Privatanklage- in Ermächtigungsdelikte umgewandelt werden. Zudem soll eine Zuständigkeit der Einzelrichterin bzw. des Einzelrichters des Landesgerichts für das Hauptverfahren verankert werden, um auch hier den erwähnten Bündelungseffekt zu erreichen.
Klaus Fürlinger (ÖVP) und Ulrike Fischer (Grüne) hoben etwa die Umwandlung der Straftatbestände im UWG in Ermächtigungsdelikte hervor. Sabine Schatz (SPÖ) sprach zwar ihre Zustimmung aus, ähnlich wie Johannes Margreiter (NEOS) meinte sie aber, dass eine Erhöhung des Strafrahmens alleine nicht ausreichen werde. Justizministerin Zadić wies dazu auf ergänzende Maßnahmen hin, die bereits gesetzt worden seien, etwa eine Aufstockung der Staatsanwaltschaften und die Einrichtung von Kompetenzstellen. (Fortsetzung Justizausschuss) mbu