Parlamentskorrespondenz Nr. 774 vom 29.06.2023

Petitionsausschuss diskutiert Initiativen zum Flugwetterdienst, zum Gesundheitssystem sowie zur Friedens- und Neutralitätspolitik

Abgeordnete diskutieren mit Experten über ausgewählte Petitionen

Wien PK) – Im ersten Teil des heutigen Petitionsausschusses fand zu den von den Fraktionen ausgewählten Initiativen ein Austausch mit Experten statt. Das betrifft die Petitionen zum Erhalt des Flugwetterdienstes am Flughafen Innsbruck, zur Stärkung des Gesundheitssystems sowie zu einer aktiven Rolle Österreichs in Bezug auf Friedensverhandlungen und einen Waffenstillstand in Russlands Krieg gegen die Ukraine.

Petition zum Erhalt des Flugwetterdienstes am Flughafen Innsbruck

Die von Abgeordnetem Hermann Gahr (ÖVP) überreichte "Petition zum Erhalt des Flugwetterdienstes am Flughafen Innsbruck" (94/PET) stellt sich gegen die geplante Schließung des Flugwetterdienstes Innsbruck und tritt für eine langfristige Sicherung der dadurch gefährdeten Arbeitsplätze ein. Zudem wird eine umfassende Sicherheitsanalyse zu den Auswirkungen der von Expert:innen durchaus kritisch gesehenen Schließungen der Flugwetterdienste in ganz Österreich gefordert. Es brauche die Meteorolog:innen vor Ort, die die relevanten Parameter wie Sicht, Bewölkung und Bodenwind als auch mögliche Wetterumschwünge richtig erfassen und für die Lots:innen und Pilot:innen adäquat aufbereiten können, heißt es in der Petition.

Der in den Ausschuss als Auskunftsperson geladene ehemalige Fluglotse Matthias Promegger sprach von hohen Sicherheitsmängeln und einer "gravierenden Schwachstelle", wenn künftig das Erfassen der Wetterdaten nicht mehr durch Expert:innen sondern von Automaten vorgenommen werde. Die automatischen Systeme hätten vor allem bei Schlechtwetter eine hohe Fehlerquote, weshalb der Mensch nicht ersetzbar sei. Besonders betroffen wären aufgrund ihrer geographischen Lage die Flughäfen Innsbruck und Salzburg, die bei vermehrten Fehlermeldungen auch wirtschaftlichen Schaden erleiden könnten, so Promegger. Man müsse sich darauf verlassen können, dass die Austro Control auch "bei Nacht und Nebel" die Flugsicherheit in Österreich garantiere.

Wenn es Sicherheitsbedenken gebe, könnten Menschen nicht durch Automaten ersetzt werden, pflichtete Hermann Gahr (ÖVP) dem Experten bei. Gegenüber Gahr und Nikolaus Prinz (ebenfalls ÖVP) gab Promegger an, dass die automatisierten Systeme bis jetzt nicht, wie in der Luftfahrt üblich, zertifiziert seien. Es müssten Gerichte klären, ob etwa vereiste Kameras oder Sensorenfehler für die Garantie der Flugsicherheit ausreichen. Zur Frage von Ausschussvorsitzenden Michael Bernhard (NEOS), ob bei der Entscheidung zur Zentralisierung ausreichend auf Expert:innen gehört wurde, kritisierte die Auskunftsperson, dass keine Vertreter:innen der Bundesländer miteingebunden oder Warnungen des Betriebsrats aufgenommen wurden.

Der Ausschuss beschloss einstimmig, die Petition zur weiteren Behandlung dem Verkehrsausschuss zuzuweisen.

Petition zur Stärkung des Gesundheitssystems

"Für ein starkes Gesundheitssystem. ÖVP Wahlkampfschmäh Patientenmilliarde abhaken. Gesundheitssystem nachhaltig stärken." (109/PET), unter diesem Titel hat SPÖ-Mandatar Rudolf Silvan eine Petition vorgelegt, die darauf abzielt, das öffentliche Gesundheitssystem nachhaltig zu stärken. Es werden mehrere Forderungen an die Regierung herangetragen, etwa Maßnahmen gegen den Ärztemangel, ein flächendeckender Ausbau der medizinischen Primärversorgung, ein Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen oder einheitliche Hebesätze für alle versicherten Pensionist:innen. Die im Jahr 2018 vom ehemaligen Bundeskanzler Kurz präsentierte "Patientenmilliarde" im Zuge der Kassenfusion wird von den Unterstützer:innen als "Wahlkampfschmäh" und "leeres Versprechen" kritisiert.

Die österreichische Sozialversicherung stehe für ein starkes öffentliches Gesundheitswesen, in dem allen Menschen gemäß ihres Einkommens beitragen sollen, betonte Andreas Huss, stellvertretender Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Es sei Tradition im österreichischen Gesundheitssystem, dass Gesunde für Kranke oder Junge für Alte einstünden. Diese stabilen Rahmenbedingungen seien aber durch die Pandemie und durch die Fusion der Krankenkassen ins Wanken geraten. So werde die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) in den ersten fünf Jahren nach der Zusammenlegung ein negatives Ergebnis haben, wodurch für die von den Politiker:innen versprochenen Leistungen "keine Luft" mehr da sei. Für Huss ist es daher "dringend an der Zeit" das bestehende System zu hinterfragen, ohne jedoch das "Rad der Zeit" zurückzudrehen. So sei unter anderem das System zu ärztelastig, zu viele Behandlungen würden immer noch in den Krankenhäusern stattfinden. Zudem brauche es mehr Maßnahmen zur Gesundheitsprävention, 500 zusätzliche Stellen in der Primärversorgung, psychosoziale Versorgungszentren für Kinder und Erwachsene sowie einen einheitlichen Leistungskatalog für alle Patient:innen.

Andreas Kollross, Rudolf Silvan (beide SPÖ) sowie Maximilian Linder (FPÖ) fragten, in wie weit die im Rahmen der ÖGK-Fusionierung versprochene Leistungsharmonisierung für alle Versicherten stattgefunden habe. Bis dato seien nicht alle Leistungsunterschiede harmonisiert worden, informierte Andreas Huss. Für den ÖGK-Vertreter ist es unverständlich, dass es trotz gleicher Beiträge von allen Gruppen, immer noch unterschiedliche Leistungsniveaus gebe. Gegenüber Linder bezeichnete Huss die "ÖGK-Lösung" als "finanzielles Desaster" für die Sozialversicherung.

Die Petition wurde mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Petition fordert österreichischen Einsatz für Friedensverhandlungen

Von Christian Hafenecker (FPÖ) wurde eine Petition mit dem Titel "Aktive Friedens- und Neutralitätspolitik statt Kriegstreiberei" eingebracht, worin es um den aktiven Einsatz Österreichs für Friedensverhandlungen und einen Waffenstillstand in Russlands Krieg gegen die Ukraine geht (111/PET). Demnach sollte Österreich mit Wien als Verhandlungsort als Vermittler zwischen den Parteien agieren. Unter Verweis auf das Neutralitätsgesetz wird die Beteiligung der Bundesregierung an den EU-Makrofinanzhilfen für die Ukraine sowie die Durchfuhr von NATO-Ausrüstung durch Österreich als "Kriegstreiberei" kritisiert. Es sei dringend notwendig, den neutralen Status Österreichs wiederherzustellen, heißt es im Petitionstext.

Die Anliegen der Petition seien aus völker- und menschenrechtlicher Perspektive vorbehaltlos zu begrüßen, unterstrich Michael Geistlinger, außerordentlicher Universitätsprofessor für Völkerrecht an der Universität Salzburg. Es brauche "Stimmen für den Frieden", weshalb ein neutrales Österreich seinen Beitrag zur Konfliktlösung leisten solle. Die Republik habe sich 1955 verpflichtet, dauerhaft neutral zu sein. Für Geistlinger müssen sich andere Staaten darauf verlassen können. Im Fall des Krieges in der Ukraine handle es sich um einen international bewaffneten Konflikt, wobei das Neutralitätsrecht "blind" dazu sei, wer welchen Krieg begonnen habe. Die Neutralität dürfe zudem nicht durch die Mitgliedschaft Österreichs in einer regionalen Organisation beeinträchtigt werden, so der Experte in Bezug auf die Einbindung Österreichs in die EU. Österreich könne sich etwa ein Beispiel an den Friedensplänen Chinas oder an den von der Türkei vermittelten Vereinbarungen zwischen Russland und der Ukraine nehmen.

Russland sei in die Ukraine einmarschiert und nicht umgekehrt, betonte Nikolaus Prinz (ÖVP) gegenüber Geistlinger. Österreich unterstütze die ukrainische Zivilbevölkerung "massiv", was völkerrechtlich gedeckt sei. Das sah Robert Laimer (SPÖ) ähnlich. Kein einziger Euro aus Österreich würde in die militärische Ausrüstung der Ukraine fließen. Der SPÖ-Mandatar konnte kein Hindernis im Zusammenspiel der heimischen Neutralität mit der europäischen Solidarität erkennen. Österreich und die EU könne zum völkerrechtswidrigen Angriff Russlands nicht schweigen, es gelte die Ukraine weiter zu unterstützen, hielt Michael Bernhard (NEOS) fest.

Die Petition stelle außer Frage, dass es sich um einen völkerrechtswidrigen Angriff Russlands handle, erklärte Christian Ries (FPÖ). Der FPÖ-Mandatar interessierte sich für die Unterschiede der Neutralität in Österreich und der Schweiz.

Er wolle klarstellen, dass auch er den Angriff Russlands als völkerrechtswidrig erachte, stellte Michael Geistlinger klar. Humanitäre Hilfe sei im Rahmen der Neutralität "kein Problem", die Mittel würden aber für andere Zwecke verwendet werden. Was den Unterschied zur Neutralität der Schweiz betrifft, so sei diese eine "lockerere Angelegenheit". Wesentlicher Unterschied sei, dass die Neutralität in Österreich sowohl verfassungs- als auch völkerrechtlich verankert sei. Das Verhalten des ehemaligen Bundeskanzlers Bruno Kreisky könne als Vorbild dienen, wie sich Österreich trotz EU-Mitgliedschaft im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland verhalten solle, so der Völkerrechtler abschließend gegenüber FPÖ-Mandatar Christian Ries.

Der Ausschuss sprach sich für die Einholung einer Stellungnahme des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt aus. (Fortsetzung Petitionsausschuss) med