Parlamentskorrespondenz Nr. 1153 vom 08.11.2023

Sozialausschuss: Nachtschwerarbeits-Beitrag soll weiter eingefroren werden

Opposition übt heftige Kritik an Vertagung ihrer Anträge

Wien (PK) – Eine Initiative der Koalitionsparteien, laut der der Nachtschwerarbeits-Beitrag weiter eingefroren werden soll, passierte heute den Sozialausschuss. Der Beitrag, den Arbeitgeber:innen für Beschäftigte entrichten müssen, die Nachtschwerarbeit leisten, soll demnach weiterhin bei 3,8 % der Beitragsgrundlage zur Sozialversicherung bleiben.

Sämtliche Anträge der Opposition, etwa zum Arbeitslosengeld, Aushilfskräften in der Gastronomie und Lehrstellen bei KMU, wurden von den Koalitionsparteien vertagt. Das löste großen Unmut bei den Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS aus.

Dagmar Belakowitsch (FPÖ) sprach von "Arbeitsverweigerung" der Regierung. Peter Wurm (FPÖ) warf der Koalition vor, die Vertagungen mit "fadenscheinigen Ausreden" zu begründen. Der Sozialausschuss werde damit zu einer "Faschingsveranstaltung" und sinnlos. Wurm wollte daher den Antrag stellen, den Ausschuss aufzulösen bzw. bis zu Neuwahlen auszusetzen. Mit den Worten "Vorsicht, Vorsicht, Vorsicht" entgegnete SPÖ-Abgeordneter Alois Stöger. Er könne zwar den Unmut über das Vorgehen der Regierungsparteien nachvollziehen. Eine "Ausschaltung des Parlaments oder auch von Teilen seiner Aufgaben" sei aber etwas, das man in Österreich mit Blick auf die Geschichte auf keinen Fall wolle. Er ersuchte seinen Kollegen daher, den Antrag zurückzuziehen, woraufhin Ausschussvorsitzender Josef Muchitsch (SPÖ) darauf hinwies, dass die Geschäftsordnung des Nationalrats die Abstimmung über einen solchen Antrag gar nicht ermögliche. Auch ihm würden die zahlreichen Vertagungsanträge "persönlich sehr weh tun", sagte Muchitsch. Das Schlimmste wäre aber, die Arbeit des Ausschusses nicht fortzusetzen. Wurm nahm den Hinweis auf die Geschäftsordnung zur Kenntnis und meinte, er hätte den Antrag andernfalls zurückgezogen. Es sei aber wichtig, dass die Debatte an die Öffentlichkeit gelange, so der Abgeordnete. Dem Vorwurf der "fadenscheinigen Argumente" verwehrte sich von Seiten der ÖVP Michael Hammer. Die Opposition setze immer wieder dieselben Anträge auf die Tagesordnung und solle sich daher nicht wundern, wenn es immer zum selben Ergebnis komme, meinte er.

Nachtschwerarbeits-Beitrag bleibt bei 3,8 %

Beschäftigte, die über einen längeren Zeitraum hinweg Nachtschwerarbeit leisten, haben Anspruch auf Sonderruhegeld. Dieses ermöglicht es ihnen, schon vor Erreichen anderer Frühpensionsarten in den Ruhestand zu treten. Mitfinanziert wird diese Pensionsleistung durch den Nachtschwerarbeits-Beitrag, den Arbeitgeber:innen für Beschäftigte entrichten müssen, die Nachtschwerarbeit leisten. Nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen hätte dieser Beitrag im Jahr 2024 auf 5,2 % der Beitragsgrundlage zur Sozialversicherung angehoben werden müssen. Gemäß einem Gesetzesantrag der Koalitionsparteien (3654/A), der den Ausschuss mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen passierte, soll die vorgesehene Erhöhung aber neuerlich sistiert werden und der Beitrag weiterhin bei 3,8 % der Bemessungsgrundlage bleiben. Damit entgehen der Pensionsversicherung den Erläuterungen zufolge Einnahmen in der Höhe von rund 22,1 Mio. €, was Mehraufwendungen für den Bund in gleicher Höhe zur Folge hat.

Mit dem Antrag werde sichergestellt, dass die ohnehin schon hohen Lohnnebenkosten nicht weiter steigen, betonte Tanja Graf (ÖVP). Gerald Loacker (NEOS) zufolge gehöre der Beitrag sehr wohl erhöht. Denn sonst subventioniere die Gemeinschaft der Steuerzahler:innen die gesundheitsschädliche Nachtschwerarbeit, für die eigentlich die Arbeitgeber:innen aufkommen müssten. Die Lohnnebenkosten sollten seiner Meinung nach an der richtigen Stelle reduziert werden.

Oppositionsanträge zu Klickarbeit und Arbeitslosengeld vertagt

Sämtliche Anträge der Opposition wurden im Ausschuss vertagt. Die Sozialdemokrat:innen machten etwa in einem Entschließungsantrag die prekäre Arbeitssituation von sogenannten Klickarbeiter:innen zum Thema (3653/A(E)). Es handelt sich dabei um Personen, die etwa Inhalte für KI-Anwendungen wie ChatGPT sichten und aussortieren. In Ländern des Globalen Südens würden diese Arbeitskräfte ausgebeutet und müssten teils traumatisierende Arbeiten bei sehr geringem Stundenlohn verrichten, wie Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) im Ausschuss darlegte. Das Übereinkommen 177 über Heimarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) würde auf internationaler Ebene eine Verbesserung der Situation dieser Menschen bringen, zeigte sie sich überzeugt. Sie wollen den Arbeitsminister und den Außenminister daher auffordern, das Abkommen zu ratifizieren und andere Staaten zu ermutigen, sich diesem Beispiel anzuschließen.

Erneut vertagt wurde die SPÖ-Forderung nach einem Maßnahmenpaket, das der Armuts- und Ausgrenzungsgefahr von arbeitslosen Menschen und deren Familien entgegenwirkt (2242/A(E)). Die Sozialdemokrat:innen sprechen sich für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 % des letzten Einkommens, eine jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes und eine Verdreifachung des Familienzuschlags aus. Die arbeitslosen Menschen seien die einzige Gruppe, die mit der Teuerung völlig alleine gelassen würden, warf Rainer Wimmer (SPÖ) der Regierung vor. Markus Koza (Grüne) und Klaus Fürlinger (ÖVP) wiesen das zurück. Man habe mit den Anti-Teuerungsmaßnahmen besonderes arbeitslose Menschen unterstützt, sagte Koza. Die Grünen seien außerdem für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und eine Valorisierung der Notstandshilfe, würden dafür aber momentan keine Mehrheit finden. Fürlinger hingegen sprach sich für ein degressives Arbeitslosengeld aus.

Aus Sicht der NEOS sind die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in Österreich zu hoch, wie sie in einem ebenfalls vertagten Entschließungsantrag monieren (3634/A(E)). Die Gründe dafür sieht NEOS-Mandatar Gerald Loacker unter anderem in der fehlenden zeitlichen Grenze für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sowie in der gestiegenen Mitarbeiter:innenzahl im Arbeitsmarktservice (AMS). Auch bei der "teuren Bildungskarenz" und der Finanzierung der geblockten Altersteilzeit sieht er Einsparungspotenziale. Die NEOS wollen den Arbeitsminister daher auffordern, Reformen umzusetzen, damit mittelfristig eine Senkung der Beiträge auf deutsches Niveau möglich wird.

"Und täglich grüßt das Murmeltier" meinte Bettina Zopf (ÖVP) angesichts der neuerlich auf der Tagesordnung stehenden Anträge und sprach sich für deren Vertagung aus. Ausschussobmann Josef Muchitsch (SPÖ) ersuchte die Abgeordneten, den in der Sitzung mehrmals gebrauchten Begriff der "Murmeltieranträge" zu unterlassen, insbesondere, wenn es um arbeitslose Menschen gehe. Auch Alois Stöger (SPÖ) sprach sich gegen eine derartige Beurteilung von anderen Anträgen aus. Wenn der Antrag der Koalition nicht passe, könne sie diesen ablehnen. Dann werde er im Plenum diskutiert und der parlamentarische Prozess wäre korrekt durchgeführt. Andernfalls seien vertagte Anträge erneut auf die Tagesordnung im Ausschuss zu setzen. "Murmeltiere können nichts dafür und sind furchtbar herzig zum Anschauen", sagte Gerald Loacker (NEOS) dazu. Das Problem sei der "Vollkasko-Staat", den man aufgebaut habe.

Koalition schickt weitere Oppositionsanträge in Warteschleife

Die FPÖ tritt in einem Entschließungsantrag für ein Scheckmodell für die Beschäftigung von Aushilfskräften in der Gastronomie ein (3307/A(E)). Sie fordern von der Regierung eine Gesetzesvorlage ein, mit der eine Beschäftigung von Aushilfskräften in der Gastronomie zur Abdeckung von Spitzenzeiten in Form eines Scheckmodells analog zum derzeit bestehenden Dienstleistungsscheck ermöglicht wird, wie Peter Schmiedlechner und Dagmar Belakowitsch (beide FPÖ) im Ausschuss darlegten. Peter Wurm (FPÖ) hält dieses Modell für simpel und unbürokratisch. Markus Koza (Grüne), Gerald Loacker (NEOS) und Josef Muchitsch (SPÖ) hingegen konnten nicht nachvollziehen, warum es ein solches Modell brauche. Für derartige Arbeitsspitzen sehe das Arbeitsrecht das geringfügige Beschäftigungsverhältnis vor, betonte Koza. Der Antrag wurde vertagt.

Auch bei einem Vorschlag der NEOS für einen Lehrstellenbonus für KMU (3330/A(E)) sprachen sich die Abgeordneten mehrheitlich für eine Vertagung aus. Weil sich immer weniger KMU dafür entscheiden würden, Lehrlinge auszubilden, wollen die NEOS den Arbeitsminister ersuchen, die Basisförderung für Lehrbetriebe so umzubauen, dass KMU stärker gefördert werden. Konkret schlagen sie vor, dass fünf Lehrlinge pro Betrieb pro Jahr eine höhere Förderung erhalten. Über die betriebliche Lehrstellenförderung und ihre Treffsicherheit könne man zwar grundsätzlich diskutieren, sagte Arbeitsminister Martin Kocher. Eine Änderung müsse seiner Meinung nach aber über eine reine Bonus-Aktion für KMU hinausgehen. Derzeit gebe es mehr Lehrstellen als Suchende in fast allen Bundesländern, betonte er zudem.

Bereits im Juni 2022 hat die FPÖ unter dem Titel "Kostenlawine stoppen – Entlastung für Österreich" ein umfassendes Forderungspaket zur Bekämpfung der Teuerung vorgelegt. Von einer Halbierung bzw. Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und Treibstoffe über eine automatische Valorisierung des Arbeitslosengeldes bis hin zu einer deutlichen Senkung der Lohnnebenkosten und einer Abschaffung der CO2-Steuer reichten die verlangten Maßnahmen. Nun haben die Freiheitlichen den Antrag in leicht abgewandelter Form neu eingebracht (3550/A(E)). Ergänzt wurde der Forderungskatalog um die Abschaffung der geplanten ORF-Haushaltsabgabe, während die Forderung nach einem sofortigen Ende "der schikanösen und extrem teuren Corona-Politik" entfallen ist. Die Vertagung begründete Markus Koza (Grüne) damit, dass der Antrag bereits dreimal im Plenum debattiert und von allen Fraktionen außer den Freiheitlichen abgelehnt worden sei.

Corona-Sonderbetreuungszeit kostete bis Ende September 2ß23 rund 37,61 Mio. €

Mit den Stimmen von ÖVP und Grünen zur Kenntnis genommen wurde der Monatsbericht des Arbeitsministers über die Kosten für Sonderbetreuungszeit (III-1047 d.B.). Die Auszahlungen für das mit Beginn der Corona-Pandemie geschaffene Instrument für Eltern, deren Kinder coronabedingt zu Hause betreut werden müssen, betrugen mit Ende September 2023 rund 37,61 Mio. €. Offen waren zum Ende des dritten Quartals 2023 noch 9 Anträge aus Phase 7 und 14 Anträge aus Phase 8. (Schluss Sozialausschuss) kar