Parlamentskorrespondenz Nr. 1368 vom 07.12.2023

Sozialausschuss: Breite Mehrheit für Aufstockung des Pflegefonds

Auch Bund-Länder-Vereinbarung zur 24-Stunden-Betreuung wird aktualisiert

Wien (PK) – Der Sozialausschuss des Nationalrats hat heute grünes Licht für die im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen vereinbarte Aufstockung des Pflegefonds gegeben. Mit 1,1 Mrd. € sollen im kommenden Jahr mehr als doppelt so viel Mittel über den Fonds für den Pflegebereich zur Verfügung stehen wie heuer. Danach ist eine Valorisierung vorgesehen. Damit wollen die Regierungsparteien unter anderem eine Fortführung des in den Jahren 2022 und 2023 gewährten Gehaltsbonus für Pflegekräfte und des Ausbildungszuschusses für Pflegeausbildungen in der Höhe von 600 € sicherstellen. Außerdem können künftig auch die Kosten für "Community Nursing" aus Mitteln des Pflegefonds abgedeckt werden.

Neben den Koalitionsparteien stimmten auch SPÖ und FPÖ dem Gesetzentwurf zu. Es sei grundsätzlich gut, dass es mehr Geld für den Pflegebereich geben werde, auch wenn strukturelle Probleme damit nicht gelöst würden, argumentierten sie. Kritik kommt hingegen von den NEOS: Sie bezweifeln, dass das Geld an der richtigen Stelle ankommt und fordern eine umfassende Kostenanalyse der Pflege.

Mit der gleichen Mehrheit hat auch eine Bund-Länder-Vereinbarung zur 24-Stunden-Betreuung den Ausschuss passiert. Sie sieht unter anderem vor, den bestehenden Förderschlüssel – 60 % der Kosten trägt der Bund, 40 % übernehmen die Länder – für die Finanzausgleichsperiode 2024 bis 2028 fortzuschreiben und die Förderbeträge an die geltenden Richtlinien des Sozialministeriums anzupassen. Die Oppositionsparteien forderten unter anderem einen erleichterten Zugang für Pflegekräfte zur Schwerarbeitspension und die Schaffung eines Berufsbilds für die 24-Stunden-Betreuung, konnten sich mit entsprechenden Initiativen aber nicht durchsetzen. Diese wurden vertagt bzw. abgelehnt.

Pflegefonds wird auf 1,1 Mrd. € aufgestockt und jährlich valorisiert

Konkret wird der Pflegefonds im Jahr 2024 von derzeit 455,6 Mio. € auf 1,1 Mrd. € aufgestockt und ab 2025 nach einer bestimmten Formel – Mittelfristprognose des Wifo plus zwei Prozentpunkte – valorisiert. Damit werden 2025 1,155 Mrd. €, 2026 1,207 Mrd. €, 2027 1.259 Mrd. € und 2028 1,313 Mrd. € zur Verfügung stehen, wobei der Bund wie schon bisher zwei Drittel der Mittel aufbringen wird, während Länder und Gemeinden das verbleibende Drittel (im Verhältnis der ihnen zustehenden Ertragsanteile am Finanzausgleich) beisteuern. Die Gesamtdotierung des Pflegefonds für die Finanzausgleichsperiode 2024 bis 2028 erhöht sich somit auf 6,034 Mrd. €.

Darüber hinaus sieht die Regierungsvorlage (2303 d.B.) ergänzende Vorgaben für die Länder vor, um die Ziele des Pflegefondsgesetzes – u.a. eine verbesserte Versorgung pflegebedürftiger Menschen in Österreich und die Verfügbarkeit leistbarer Pflege-Dienstleistungen – zu erreichen. So sind die Länder künftig auch dazu angehalten, das Angebot an mobilen Betreuungs- und Pflegediensten, teilstationärer Tagesbetreuung, alternativen Wohnformen und an Kurzzeitpflege in stationären Einrichtungen zu sichern bzw. zu steigern. Das Gleiche gilt für die Zahl der Ausbildungsplätze. Überdies wird der Zielwert für den Richtversorgungsgrad, der im Wesentlichen den Anteil der stationär bzw. mobil betreuten pflegebedürftigen Personen an der Gesamtzahl der Pflegegeldbezieher:innen misst, für die Jahre 2024 bis 2028 von 60 % auf 62,5 % erhöht.

Neben dem Gehaltsbonus für Pflegekräfte und dem Ausbildungszuschuss für Pflegeausbildungen sollen künftig außerdem die Kosten für "Community Nursing" aus Mitteln des Pflegefonds abgedeckt werden. Zur Kompensation von Einnahmeausfällen der Länder aufgrund des im Jahr 2018 abgeschafften Pflegeregresses stellt der Bund weiterhin insgesamt 300 Mio. € pro Jahr bereit.

Weitere Punkte des Gesetzespakets betreffen die Einrichtung einer Pflege-Entwicklungs-Kommission im Sozialministerium unter Einbeziehung von Vertreterinnen der Länder und Gemeinden sowie die Integration der derzeit bei der Gesundheit Österreich (GÖG) angesiedelten Pflegeausbildungsdatenbank in die von der Statistik Austria im Auftrag des Sozialministeriums betriebene Pflegedienstleistungsdatenbank. Außerdem wird der Ausgabenpfad, der die jährliche Kostensteigerung bei den Pflegesachleistungen der Länder bislang mit 4,6 % begrenzte, aus dem Pflegefondsgesetz gestrichen. Bei der Abstimmung berücksichtigt wurde auch ein Abänderungsantrag, der jedoch lediglich formale Korrekturen enthält.

Bund-Länder-Vereinbarung zur 24-Stunden-Betreuung

Mit einer zweiten Regierungsvorlage (2313 d.B.) wird die Bund-Länder-Vereinbarung zur 24-Stunden-Betreuung aktualisiert. Gemäß den geltenden Richtlinien des Sozialministeriums liegen die Fördersätze derzeit bei monatlich 800 € im Falle einer Betreuung durch selbstständige 24-Stunden-Betreuer:innen und bei 1.600 € im Falle einer Anstellung der Betreuungskräfte. Neben der Fortschreibung des Förderschlüssels wird in der Vereinbarung außerdem berücksichtigt, dass Unterstützungsleistungen für die 24-Stunden-Betreuung unabhängig vom Vermögen der pflegebedürftigen Person gewährt werden.

ÖVP und Grüne: Pflegefonds hat sich bewährt

ÖVP-Klubobmann August Wöginger hob in der Debatte hervor, dass sich der Pflegefonds bewährt habe. Er hält es außerdem für "ein gutes Zeichen", dass es gelungen sei, auch für die nächste Finanzausgleichsperiode eine nachhaltige Pflegefinanzierung sicherzustellen. Die Regierungsparteien hätten in dieser Legislaturperiode im Pflegebereich einige Vorhaben auf den Weg gebracht, obwohl der Bund eigentlich gar nicht für die Pflege zuständig sei, betonte er. So handle es sich beim jährlichen Gehaltsbonus von rund 2.000 € brutto de facto fast um ein 15. Monatsgehalt für Pflegekräfte. Man dürfe nicht vergessen, dass vieles in der Pflege gut funktioniere, machte auch sein Fraktionskollege Ernst Gödl geltend.

Ausdrücklich als positiv wertete Wöginger, dass nach wie vor ein Großteil der Menschen zu Hause gepflegt wird. Das entspreche dem Wunsch der Betroffenen, bekräftigte er. Zudem koste jede stationäre Einrichtung ein Vielfaches der Betreuung zu Hause.

Kritik der FPÖ an zu niedrigen Fördersätzen für die 24-Stunden-Betreuung hielt Gödl entgegen, dass man zu den 800 € Förderung auch das Pflegegeld – mehr als 1.000 € bei Pflegestufe 5 – und die Pension hinzurechnen müsse. Zudem gebe es weitere Unterstützungen durch die Bundesländer. So könne man etwa in der Steiermark um eine Restkostenübernahme ansuchen.

Skeptisch stehen Wöginger und Gödl der Forderung der SPÖ nach Einbeziehung von Pflegekräften in die Schwerarbeitspension gegenüber, zumal dies Frauen aufgrund ihres niedrigeren Regelpensionsalters derzeit gar nichts bringen würde. Vorrangig müsse es sein, die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte zu verbessern, sind sich die beiden Abgeordneten einig. Beispielhaft nannte Gödl etwa eine Senkung der Wochenarbeitszeit.

Bedrana Ribo (Grüne) wies darauf hin, dass die Aufstockung des Pflegefonds auch ein Fortschreiben des Gehaltsbonus für Pflegekräfte und die Weiterführung von Community-Nurse-Projekten ermögliche. Zudem machte sie geltend, dass knapp eine halbe Million Menschen von der Förderung der 24-Stunden-Betreuung profitierten. Mit den höheren Fördersätzen soll ihr zufolge der hohen Inflation Rechnung getragen werden. Zu den Vorschlägen der NEOS merkte Ribo an, es dürfe nicht zu einer "Entprofessionalisierung" der Pflege kommen.

SPÖ fordert erleichterten Zugang von Pflegekräften zur Schwerarbeitspension

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch begründete die Zustimmung seiner Fraktion zur Novellierung des Pflegegeldgesetzes damit, dass es damit mehr Geld für den Pflegebereich gebe. Es reiche aber nicht, mehr Geld zur Verfügung zu stellen, es brauche nachhaltige Maßnahmen, um bestehende Probleme wie den Personalmangel und unterschiedliche Betreuungsschlüssel in stationären Pflegeeinrichtungen zu lösen, erklärte er. Zudem hält er es für nötig, das Angebot an mobilen Diensten maßgeblich zu erhöhen.

Die SPÖ pocht außerdem weiterhin auf einen erleichterten Zugang von Pflegekräften zur Schwerarbeitspension. So schlägt Christian Drobits unter anderem vor, in die erforderliche Mindestversicherungszeit von 540 Monaten auch Ausbildungszeiten für Pflege- und Sozialbetreuungsberufe einzurechnen (3633/A) und die Schwerarbeitsverordnung zu adaptieren (3632/A(E)). Die derzeitigen Regelungen seien realitätsfern, nicht einmal Pflegekräfte auf Intensivstationen mit regelmäßigen Nachtdiensten hätten nach den jetzigen Kriterien Anspruch auf eine Schwerarbeitspension. Drobits sieht außerdem nicht ein, dass zuletzt zwar Justizwachebeamt:innen in die Schwerarbeitsverordnung aufgenommen worden seien, Pflegekräften das aber verwehrt werde.

Auch FPÖ-Abgeordneter Peter Schmiedlechner hält eine Adaptierung der Schwerarbeits-Berufsliste  für dringend notwendig, wobei es ihm vor allem um den Zugang von Nebenerwerbslandwirt:innen zur Schwerarbeiterpension geht.

FPÖ vermisst Strukturreformen

Auch FPÖ-Abgeordneter Christian Ragger bewertete die Aufstockung des Pflegefonds als "gut und richtig". Mehr Geld reicht aus seiner Sicht aber nicht aus, es sei auch notwendig, sich die komplexen Strukturen im Pflegebereich anzuschauen. Man müsse die Länder "an die Kandare nehmen", um qualitative Reformen einzuleiten. Sonst werde das System nicht mehr finanzierbar sein. Auch nach Meinung seiner Parteikollegin Dagmar Belakowitsch hätte man, was strukturelle Reformen betrifft, "ein bisschen mehr machen können".

Allgemein hob Belakowitsch die Leistung von pflegenden Angehörigen hervor. Was die 24-Stunden-Betreuung anlangt, machte Ragger geltend, dass auch mit der – grundsätzlich positiven – Erhöhung des Fördersatzes die anfallenden Kosten nicht abgegolten würden.

NEOS befürchten Kostenexplosion im Pflegebereich

Zahlreiche Kritikpunkte brachte Fiona Fiedler seitens der NEOS vor. Sie frage sich, ob das Geld aus dem Pflegefonds wirklich dort ankomme, wo es benötigt werde, sagte sie. Außerdem befürchtet sie, dass durch die Streichung des Ausgabenpfads die Kosten für die Pflege "explodieren werden". Auch die Aussagekraft des Versorgungsgrads wurde von ihr hinterfragt. Schließlich würden hier auch Personen mitgezählt, die von ihren Angehörigen gepflegt werden, zudem könne es zu Doppelzählungen kommen.

Um sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wieviel das Pflegesystem insgesamt kostet und wer dazu wieviel beisteuert, drängte Fiedler erneut auf eine umfassende Kostenanalyse der Pflege (2700/A(E)). Das sei für eine zukunftssichere Finanzplanung notwendig, bekräftigte sie, wobei sowohl öffentliche Leistungen als auch private Mittel erfasst werden müssten. Schließlich würden immerhin 40 Prozent der Pflegegeldbezieher:innen keine Pflegeleistungen zukaufen. Für NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker stellt sich die Frage, ob dieses Geld, für das die Steuerzahler:innen aufkommen, tatsächlich an pflegende Angehörige fließt, oder ob es vielleicht doch "dem Enkel für das Moped gegeben wird".

Neuerlich scharfe Kritik übte Loacker an der Abschaffung des Pflegeregresses. Da sei etwas "verbockt" worden, hielt er in Richtung ÖVP fest. Durch diesen Schritt habe man "die Menschen in die Heime getrieben" und ein Loch in das Budget gerissen. Alles was man jetzt tue, sei, "Pflaster zu picken".

Sozialminister Rauch sieht Pflegeentwicklungs-Kommission als wichtiges Steuerungsinstrument

Sozialminister Johannes Rauch zeigte sich darüber erfreut, dass der Gehaltsbonus für Pflegekräfte und der Ausbildungszuschuss künftig über den Pflegefonds finanziert werden. Damit hätten sich die Länder zur Mitfinanzierung der beiden Maßnahmen bekannt, unterstrich er. Zudem hob er die Einrichtung der Pflege-Entwicklungs-Kommission als politisches Steuerungsinstrument hervor. Die Kommission werde für den Pflegebereich das sein, was die Zielsteuerungs-Kommission für den Gesundheitsbereich sei. Es gehe darum, unterschiedliche Kriterien in den einzelnen Bundesländern einander anzunähern. Laut einer von Rauch präsentierten Aufstellung, werden derzeit 40 % der Pflegegeldbezieher:innen ausschließlich von Angehörigen gepflegt, 30 % von Angehörigen und mobilen Diensten gemeinsam, 20% stationär und 10% hätten eine 24-Stunden-Betreuung bzw. würden sich in Kurzzeitpflege befinden.

Bei der Abstimmung erhielt der NEOS-Antrag betreffend Kostenanalyse Pflege nur die Unterstützung der Opposition und blieb damit in der Minderheit. Vom Ausschuss vertagt wurden die beiden Anträge der SPÖ zur Schwerarbeitspension und ein weiterer NEOS-Antrag zur Schaffung eines Berufsbilds für die 24-Stunden-Betreuung (3202/A(E)). Ziel dieser Initiative ist es, die Arbeit von 24-Stunden-Betreuer:innen aufzuwerten. Miterledigt mit dem Beschluss des Pflegefondsgesetzes ist ein Antrag der NEOS (3681/A(E)), der unter anderem bundeseinheitliche Pflegekriterien zum Ziel hat. (Fortsetzung Sozialausschuss) gs