Parlamentskorrespondenz Nr. 70 vom 31.01.2024

Nationalrat diskutiert Rechnungshofberichte zu Pensionssystem, Sozialversicherungen, COVID-19-Impf- und Teststrategie

Rechnungshof sieht Handbedarf bei Absicherung der Pensionen und bei Transparenz von Beschaffungen

Wien (PK) – Umfassend diskutiert wurden in der heutigen Nationalratssitzung Prüfberichte des Rechnungshofs, die einstimmig zur Kenntnis genommen wurden. Das Prüforgan des Nationalrats untersuchte unter anderem die Nachhaltigkeit der Finanzierung des Pensionssystems und wie sich die finanzielle Lage der Sozialversicherungsträger nach der 2018 beschlossenen Fusion entwickelt hat. Weiters befasste er sich mit der Beschaffung von COVID-19-Impfstoffen. Ebenfalls durchleuchtet wurde die Durchführung der Sanierungsarbeiten am Bürogebäude der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Mehrere Prüfungen unternahm der Rechnungshofs auch zu Fragen der Land- und Forstwirtschaft. So wurden etwa die Maßnahmen zum Schutz des Waldes vor den Auswirkungen des Klimawandels bewertet. Weitere Berichte betrafen die Gebarung der Bundesforste und Fragen der Schutzwaldbewirtschaftung. Auch COVID-19-Förderungen der Agrarmarkt Austria (AMA), die Sicherheit der Lebensmittelversorgung in Österreich sowie die Tätigkeiten der Lawinen- und Wildbachverbauung und der Gewässeraufsicht in einzelnen Bundesländern fanden die Aufmerksamkeit des Rechnungshofs.

Die Sitzung endete mit der Abstimmung über 18 Fristsetzungsanträge der NEOS, die keine Mehrheit fanden.

Rechnungshof bewertet Nachhaltigkeit des Pensionssystems

Laut Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker steht das österreichische Pensionssystem vor großen Herausforderungen. Angesichts steigender Lebenserwartung und sinkender Geburtenraten gelte es, ein angemessenes Leistungsniveau für Pensionist:innen zu wahren, dabei aber leistbare Beiträge der Erwerbstätigen sowie eine vertretbare Belastung des Bundeshaushalts sicherzustellen. Wieweit dies im Gefolge der Pensionsreform der Jahre 2003 und 2004 gelungen sei, sei ebenso Gegenstand einer Prüfung des Rechnungshofs gewesen wie die Frage der mittel- und langfristigen Nachhaltigkeit des Pensionssystems.

Lukas Brandweiner (ÖVP) entnahm dem Bericht, dass das bestehende Pensionssystem langfristig eine gute Basis für eine angemessene Pensionsvorsorge darstelle, angesichts einer nach wie vor steigenden Lebenserwartung stehe es aber vor Herausforderungen. Daher brauche es ein starkes staatliches Pensionssystem, das um eine gestärkte betriebliche und private Pensionsvorsorge ergänzt werden müsse.

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch betonte, dass das österreichische Pensionssystem insgesamt "zukunftsfit" sei, was auch der Rechnungshofbericht bestätige. In einem Entschließungsantrag setzte Muchitsch sich für Maßnahmen ein, die aus seiner Sicht die Pensionen absichern würden, ohne dass eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters notwendig sei. Dazu gehört für ihn eine Personaloffensive in den Bereichen Gesundheit, Kinderbildung und Pflege, eine korrekte Erfassung und Entlohnung von Arbeitsstunden sowie bessere Rahmenbedingungen für ein gesundes Arbeiten bis zum Pensionsantritt. Das faktische Pensionsantrittsalter solle mit Anreizen erhöht werden. Auch gelte es, Frauen aus der "Teilzeitfalle" zu holen. Der Antrag fand keine Mehrheit.

NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker wies darauf hin, dass der Rechnungshof festgestellt habe, dass die Leitung der Alterssicherungskommission derzeit nicht besetzt sei, was die Arbeit der Kommission beeinträchtige. Er forderte in einem Entschließungsantrag daher, die Position umgehend zu besetzen. Der Kommission fehle es auch an Expert:innen, etwa für Versicherungsmathematik. Die Frage der langfristigen Finanzierung des Systems werde nicht angegangen. In einem weiteren Entschließungsantrag trat er daher für eine automatische Abbildung der Entwicklung der Lebenserwartung im Pensionssystem ein, wie sie auch der Rechnungshof empfehle. Beide Anträge wurden abgelehnt.

Markus Koza (Grüne) sagte, aus seiner Sicht stelle der Bericht des Rechnungshofs zum Pensionssystem einen Appell an die Politik dar, Grundprämissen festzulegen, was das Pensionssystem leisten solle. Die einfachen Lösungen, die die NEOS aus dem Bericht ableiten und in ihren Anträgen vorlegen würden, würden der Komplexität der Fragestellung jedenfalls nicht gerecht. So bedeute eine Anhebung des Pensionsalters nicht automatisch, dass das System leichter finanzierbar sei. Wer länger arbeite, erwerbe auch höhere Leistungsansprüche, gab Koza zu bedenken.

Rechnungshof: Finanzielle Wirkung der Reform der Sozialversicherungsträger blieb unter Erwartungen

In einem weiteren Bericht habe sich der Rechnungshof der 2018 vom Gesetzgeber beschlossenen Fusion der Sozialversicherungsträger gewidmet, führte Rechnungshofpräsidentin Kraker aus. Prüfungsziele seien die Beurteilung der angestrebten Reduktion des Verwaltungsaufwands und die Fortschritte in der Harmonisierung von Leistungen und der organisatorischen Integration gewesen. Zudem sei der Rechnungshof auf die finanzielle Lage der fusionierten Sozialversicherungsträger eingegangen, unter besonderer Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie.

Die Verbreiterung der Risikogemeinschaft und das Ziel, die Handlungsfähigkeit der Sozialversicherungsträger zu erhöhen sowie Synergien zu nutzen, seien grundsätzlich positiv zu beurteilen, resümierte Kraker. Das Vorhaben einer Einsparung von einer Milliarde Euro sei jedoch nicht ausreichend begründet worden, um es der Steuerung der Sozialversicherungsträger zugrunde zu legen. Da die tatsächliche Entwicklung des Verwaltungsaufwands nicht den Prognosen gemäß Sozialversicherungs-Organisationsgesetz (SV-OG) entspreche, empfehle der Rechnungshof, sich realistische Ziele zu setzen bzw. die Ziele zu adaptieren.

Für SPÖ-Abgeordnete Karin Greiner offenbart der Rechnungshofbericht "eine weitere Mogelpackung der Bundesregierung". Die Zusammenlegung habe letztlich nur ein geringeres Leistungsangebot und mehr Kosten für Patient:innen gebracht. In einem Entschließungsantrag, der jedoch keine Mehrheit fand, forderte sie, die Patientenmilliarde zur Realität zu machen, um Patient:innen bessere Leistungen und eine Termingarantie für ärztliche Untersuchungen bieten zu können. Auch Michael Seemayer (SPÖ) sah fragwürdige Vorgänge rund um die "Kassenzerschlagung", die von der türkis-blauen Bundesregierung vorgenommen worden sei. Die SPÖ fordere daher die Rückkehr zu einer echten Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger.

Aus Sicht von Gerhard Kaniak (FPÖ) hat es das Gesundheitsministerium unter Führung der SPÖ versäumt, die Einsparpotenziale der so genannten Patientenmilliarde zu heben. In dieselbe Kerbe schlug auch Christian Lausch (FPÖ). Unter den Gesundheitsministern, die SPÖ und Grüne gestellt hätten, sei verabsäumt worden, die Reform voranzutreiben. Ein Faktor für die Überlastung des Sozialsystems sei die illegale Zuwanderung, argumentierte er. Er brachte einen Entschließungsantrag ein, der unter anderem forderte, dass volle Sozialleistungen erst nach fünf Jahren legalen Aufenthalts gewährt werden sollten und abgelehnt wurde.

David Stögmüller (Grüne) hielt hingegen die türkis-blaue Bundesregierung für die fehlenden Einsparungen für verantwortlich. Der "wahre Skandal der Patientenmilliarde" sei die fehlende Transparenz in der Umsetzung der Fusion. Diese Vorgänge seien nach wie vor aufklärungsbedürftig. Auch sein Fraktionskollege Ralph Schallmeiner sah fragwürdige Vorgänge rund um die Fusion, die für ihn eine mangelhafte Führung des Gesundheitsressorts unter FPÖ-Ministerin Beate Hartinger-Klein belegen.

Johann Singer (ÖVP) meinte, der Rechnungshof weise völlig zu Recht auf einige Punkte hin, in der die Umsetzung der Fusion mangelhaft geblieben sei. Darüber dürfe aber nicht vergessen werden, dass es auch positive Effekte gebe, wie Leistungsharmonisierungen und –ausweitungen oder Einsparungen in der Verwaltung. Auch die COVID-19-Pandemie hätte die neu aufgestellten Sozialversicherungen gut bewältigt.

COVID-19-Impfstoffbeschaffung: Rechnungshof hält verbesserte Kosten-Nutzenrechnung für nötig

Mit politischen Entscheidungen im Kontext der Corona-Pandemie habe sich der Rechnungshof auf Verlangen der SPÖ befasst, führte Kraker gegenüber den Abgeordneten aus. Dabei sei es um die Impfstoffbeschaffung sowie die Durchführung von bevölkerungsweiten COVID-19-Tests gehandelt. Bei der Impfstoffbeschaffung komme der Rechnungshof zum Schluss, dass eine aktenmäßig dokumentierte Bedarfsberechnung auf Basis nachvollziehbarer Annahmen und eine klare Regelung der Zuständigkeiten notwendig. Was die Durchführung bevölkerungsweiter COVID-19-Tests betrifft, konstatierte der Rechnungshof, dass Österreich beim Pandemiemanagement im internationalen Vergleich stark auf Tests gesetzt habe. Der Rechnungshof ermittelte für alle COVID-19-Tests insgesamt Kosten von mindestens 5,2 Mrd. € bis Ende 2022.

Gerhard Kaniak (FPÖ) kritisierte die hohen Kosten für die Impfstoffbeschaffung. Als diese nachgefragt worden seien, habe die Bundesregierung zu wenig, als die Nachfrage eingebrochen sei, zu viel bestellt, sodass viele Impfdosen vernichtet werden müssten. Daraus allein sei eine halbe Milliarde Schaden entstanden. Noch mehr Geld sei laut Rechnungshof für sinnlose COVID-19-Test "verpulvert" worden.

Aus Sicht von Hermann Gahr (ÖVP) bestätigen die Berichte des Rechnungshofs, dass die Pandemie insgesamt gut bewältigt wurde. Allerdings müsse man Lehren für die Bewältigung künftiger Krisen ziehen.

Für Ralph Schallmeiner (Grüne) machen die Berichte des Rechnungshofs unter anderem deutlich, dass eine bessere zentrale Steuerung von Maßnahmen der Pandemiebekämpfung notwendig ist. Die gewonnenen Erkenntnisse würden in ein neues Epidemiegesetz einfließen, versicherte er.

Die hohe Testrate in Österreich habe sich nicht positiv auf die Todesrate während der Pandemie ausgewirkt, kritisierte SPÖ-Abgeordnete Ruth Becher. Unter dem Strich bleibe das Fazit, dass die COVID-19-Maßnahmen der Bundesregierung in erster Linie eine Vermögensumverteilung von Arm zu Reich bewirkt hätten.

Rechnungshofberichte zu Bundesforsten, AMA, Wildbach- und Lawinenverbauung sowie Gewässeraufsicht

Mehrere Prüfungen des Rechnungshofs befassten sich mit Aspekten der Land- und Forstwirtschaft, bei denen ein wirtschaftliches bzw. ein Förderinteresse des Bundes besteht. Debattiert wurde über drei Berichte des Rechnungshofs, die die Waldbewirtschaftung betreffen. So nahm das Prüforgan des Nationalrats die Liegenschaftsverwaltung der Österreichischen Bundesforste AG unter die Lupe und berichtete über seine Follow-up-Überprüfung zur Schutzwaldbewirtschaftung bei der Österreichischen Bundesforste AG.

Der Rechnungshof bewertete auch die Strategien und Maßnahmen, mit denen die Bundesregierung den Auswirkungen des Klimawandels auf den Wald begegnen will. In der Debatte brachte SPÖ-Abgeordnete Elisabeth Feichtinger einen Entschließungsantrag ein, in dem sie auf mehr Transparenz und konkretere Vorgaben bei der Vergabe von waldbezogenen Förderungen drängte. Der Antrag blieb in der Minderheit.

Dem Nationalrat lagen außerdem ein Bericht des Rechnungshofs vor, in dem über die Zweckmäßigkeit der Vorsorgemaßnahmen für Lebensmittel–Versorgungssicherheit bewertet wurden. FPÖ-Landwirtschaftssprecher Peter Schmiedlechner forderte in einem Entschließungsantrag, dass das in Verkehr bringen von Laborfleisch bis zum Ausschluss jedweder gesundheitlicher Bedenken gesetzlich untersagt werden solle. Auch dieser Antrag fand keine Mehrheit.

Das Prüforgan des Nationalrats befasste sich auch mit COVID-19-Förderungen, die durch die Agrarmarkt Austria abgewickelt wurden. Der Rechnungshof überprüfte weiters Organisation und Arbeitsweise der Wildbach- und Lawinenverbauung in Oberösterreich und der Steiermark sowie der Gewässeraufsicht in Kärnten und Oberösterreich.

Das " Projekt Haus der sozialen Sicherheit ", also Umbau, Erweiterung und Generalsanierung des Gebäudes des Dachverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger, war Inhalt einer weiteren Prüfung des Rechnungshofs. Erklärtes Ziel der Sanierung war die Schaffung eines modernen, nachhaltigen Bürogebäudes mit Vorbildwirkung. Auch die Auswirkungen der mit 1. Jänner 2020 in Kraft getretenen Strukturreform der Sozialversicherung auf das Bauvorhaben waren Teil der Prüfung.

18 Fristsetzungsanträge der NEOS abgelehnt

Am Ende seiner Sitzung stimmte der Nationalrat ohne Debatte über insgesamt 18 Fristsetzungsanträge der NEOS ab.

Eine der NEOS-Forderungen zielt auf eine Änderung der Geschäftsordnung des Nationalrats.

Weiters fordert die Fraktion Maßnahmen zur Gewaltprävention sowie eine unabhängige staatliche Koordinierungsstelle im Bundeskanzleramt zum Kampf gegen Femizide.

Im Sozialbereich wenden sich die NEOS gegen automatisches Pensionssplitting. Mit einer Ausgabenbremse und verbindlichen Tilgungsplänen sowie einem effizienten Förderwesen wollen sie die Staatsfinanzen in den Griff bekommen.

In Wirtschaftsfragen fordern die NEOS eine Verlängerung des Strompreiskosten-Ausgleichsgesetzes 2022, eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte, eine KESt-Befreiung für längerfristige Veranlagungen sowie für " kleine Sparer " und Änderungen des Einkommensteuergesetzes. Auch müssten im Steuer- und Abgabensystem mehr Aktivitätsanreize geschaffen und die Abgabenquote in Richtung 40 % gesenkt werden. Die NEOS sprechen sich zudem gegen eine Grunderwerbssteuer fürs erste Wohneigentum aus. Zudem müsse an Schulen mehr Wirtschafts- und Finanzbildung stattfinden.

Im Bereich Justiz treten sie für einen angemessenen Kostenersatz bei Freispruch im Strafverfahren ein.

Vier-Parteien-Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung des Nationalrats

Kurzfristig haben die Abgeordneten heute außerdem einen Vier-Parteien-Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung des Nationalrats formal einer Ersten Lesung unterzogen. Damit können die Beratungen über die von Ernst Gödl (ÖVP), Jörg Leichtfried (SPÖ), Werner Herbert (FPÖ) und Agnes Sirkka Prammer (Grüne) eingebrachte Initiative schneller starten. Anlass für die Novelle ist ein vor kurzem ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) durch Parlamente (bzw. im konkreten Fall durch einen Untersuchungsausschuss).

Bisher seien der Nationalrat und der Bundesrat davon ausgegangen, dass Datenverarbeitungen im Bereich der Gesetzgebung zwar vom Grundrecht auf Datenschutz erfasst sind, aber weder die DSGVO noch die übrigen Bestimmungen des Datenschutzgesetzes im Bereich der Gesetzgebung Anwendung finden, wird in den Erläuterungen festgehalten und damit die Notwendigkeit von Anpassungen der Geschäftsordnung begründet. Auch eine begleitende Verfassungsnovelle wurde bereits eingebracht. Die Verhandlungen über beide Gesetzentwürfe sind allerdings noch nicht abgeschlossen, es handelt sich lediglich um erste Entwürfe. (Schluss Nationalrat) sox/gs

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.