Parlamentskorrespondenz Nr. 287 vom 20.03.2024

Nationalrat beendet Sitzungstag mit Diskussion über verschiedene Bürgeranliegen

Gesetzesnovelle zur Leerstandsabgabe einstimmig an den Verfassungsausschuss zurückverwiesen

Wien (PK) – Mit einer Diskussion über drei Volksbegehren und einen Bericht des Petitionsausschusses hat der Nationalrat seinen heutigen Sitzungstag beendet. Unter anderem ging es dabei wieder einmal um die Corona-Politik der Regierung, aber auch um Haftstrafen für Klimakleber:innen, die Bezahlung von Pflegepersonal und verschiedene Verkehrsthemen. Inhaltliche Beschlüsse wurden von den Abgeordneten nicht gefasst, über die drei im Jänner eingelangten Volksbegehren werden nun die zuständigen Ausschüsse weiterberaten. Wie geplant hat der Nationalrat außerdem eine von den Koalitionsparteien beantragte Verfassungsnovelle zum Thema Leerstandsabgabe an den Verfassungsausschuss zurückverwiesen.

Volksbegehren "Impfpflichtgesetz abschaffen"

Das COVID-19-Impfpflichtgesetz ist zwar schon längst abgeschafft, ein von Robert Marschall initiiertes und von 101.393 Personen unterstütztes Volksbegehren hat aber genau das zum Ziel. Auch dürfe es zu keiner Wiedereinführung der Impfpflicht etwa mittels des WHO-Pandemievertrags, einer EU-Verordnung oder eines neuen Epidemiegesetzes kommen, mahnen die Unterzeichner:innen. Die Frage, ob sich jemand impfen lasse oder nicht, muss ihnen zufolge jedem selbst überlassen bleiben, jedweder Impfzwang sei kategorisch abzulehnen. Insbesondere für Kinder unter 18 Jahren wird ein Impfverbot gefordert.

Nach einer emotionalen ersten Debatte wurde das Volksbegehren dem Gesundheitsausschuss zur weiteren Beratung zugewiesen, wobei insbesondere die Wortmeldung von FPÖ-Abgeordnetem Gerald Hauser für Aufregung sorgte. Er sprach von "erschreckenden Zahlen", was Todesfälle und schwere Nebenwirkungen von COVID-19-Impfungen betrifft, und berief sich dabei auf einen Bericht des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) sowie von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) veröffentlichte Zahlen. Demnach sind ihm zufolge bis Ende 2021 3.238 Meldungen in Österreich über schwerwiegende Nebenwirkungen bis hin zu Todesfällen eingegangen. Hauser schloss sich in diesem Sinn der Feststellung im Volksbegehren an, dass eine Impfpflicht unangemessen sei, Menschenleben gefährde und gegen die Grundrechte verstoße. Zudem wies er darauf hin, dass die FPÖ seinerzeit die einzige Partei gewesen sei, die geschlossen gegen das Impfpflichtgesetz gestimmt habe.

Heftigen Widerspruch erntete Hauser unter anderem von Grün-Abgeordnetem Ralph Schallmeiner und ÖVP-Abgeordnetem Christian Stocker. Das Volksbegehren argumentiere kontrafaktisch, jeden einzelnen der zehn Punkte könne man widerlegen, sagte Schallmeiner. Hauser verabsäume es zudem, die Zahlen in Relation zu stellen: Bei 21 Millionen verabreichten Impfungen gegen COVID-19 in Österreich und 2.310 Anträgen nach dem Impfschadengesetz lande man bei einer Quote von 0,1 Prozent bei schwerwiegenden Nebenwirkungen, rechnete er vor. Für Stocker ist klar, dass die COVID-19-Impfung unzählige Leben gerettet und viele Menschen geschützt hat.

Schallmeiner und Stocker warfen der FPÖ vor, mit unbewiesenen Behauptungen die Gesundheit von Menschen zu gefährden. Mittlerweile glaubten viele, dass die Masern-Impfung schädlich sei, auch würden viele Eltern ihre Kinder nicht mehr gegen Keuchhusten impfen lassen, machte Schallmeiner geltend. Ähnliches gelte für die HPV-Impfung.

Auch die Abgeordneten Verena Nussbaum (SPÖ), Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) und Fiona Fiedler (NEOS) zeigten sich über die zunehmende Impfmüdigkeit besorgt, wobei sie nicht nur auf den alarmierenden Anstieg von Masernfällen, sondern auch auf den Tod eines Babys in Graz an Keuchhusten verwiesen. Impfen schütze nicht nur einen selbst, sondern auch die Mitmenschen und sei damit ein Akt der Solidarität, sagte Nussbaum. Laut Bogner-Strauß retten Impfungen weltweit 4,5 Millionen Leben pro Jahr, zudem würden sie das Gesundheitssystem und Krankenhäuser entlasten und Krankenstandstage reduzieren. Allein die COVID-19-Impfung habe 1,4 Mio. Menschenleben gerettet, 25.000 in Österreich.

Um wieder mehr Menschen zu Impfungen zu motivieren, schlugen sowohl Nussbaum als auch Fiedler vor, endlich Impfungen in Apotheken zu ermöglichen. Die Corona-Pandemie sollte nach Meinung von Fiedler hingegen "abgehakt werden". Es seien Fehler gemacht worden, stimmte sie den Kritiker:innen zu, man habe aber nach dem damaligen Wissensstand gehandelt. Hinterher schlauer zu sein, sei "billig".

FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak wies die Kritik an der FPÖ zurück. Seine Partei für die zunehmende Impfmüdigkeit verantwortlich zu machen, sei eine "Verdrehung der Fakten", sagte er. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Einführung der Impfpflicht, die Impfbereitschaft der Menschen negativ beeinflussen werde. Diese habe die Gesellschaft gespalten und die Impfskepsis befeuert. Zwänge seien kontraproduktiv, ist Kaniak überzeugt.

"COVID-Strafen-Rückzahlungsvolksbegehren"

Im Verfassungsausschuss weiterberaten werden die Abgeordneten über ein weiteres von Robert Marschall initiiertes Volksbegehren, das die Rückzahlung sämtlicher Corona-Strafen fordert und die Hürde von 100.000 Unterschriften zur Behandlung im Nationalrat ebenfalls nur knapp übersprungen hat. Nach Ansicht der 101.652 Unterzeichner:innen haben die Behörden "zigtausende" Strafen zu Unrecht verhängt; zurückgezahlt bzw. erlassen habe man aber nur diejenigen, die von den Betroffenen erfolgreich angefochten wurden.

In der Begründung des Volksbegehrens äußern die Initiator:innen des Volksbegehrens massive Zweifel an der Gefährlichkeit des Coronavirus. COVID-19 sei "manchmal nur eine Grippekrankheit" oder verlaufe gar ohne Symptome und sei mit einer Mortalitätsrate von 0,3 % "eigentlich unerheblich", argumentieren sie. In diesem Sinn hat die Politik in ihren Augen zu Unrecht "Angst und Schrecken verbreitet", mit massiven negativen Folgen für die Bevölkerung. Auch von einem möglichen "Korruptionskarusell" und Richterwillkür ist im Volksbegehren die Rede.

An dieser Begründung stießen sich unter anderem die Abgeordneten Selma Yildirim (SPÖ) und Agnes Sirkka Prammer (Grüne). Zu Beginn der Pandemie hätten Behörden zum Teil tatsächlich Strafen ohne entsprechende rechtliche Grundlage verhängt und sie wolle das Corona-Krisenmanagement der Regierung angesichts "vieler Fehlentscheidungen" auch nicht schönreden, sagte Yildirim, es sei aber "brandgefährlich", den Rechtstaat und öffentliche Institutionen insgesamt in Frage zu stellen und zu diffamieren. Zudem warf sie den Initiator:innen des Volksbegehrens vor, den Nationalsozialismus zu verharmlosen.

Auch Grünen-Abgeordnete Prammer sprach von einer "haarsträubenden Begründung", wiewohl sie für das Anliegen des Volksbegehrens Verständnis zeigte. Es gehe um das Streben nach Gerechtigkeit, über das man diskutieren sollte, meinte sie.

Seitens der ÖVP erinnerte Irene Neumann-Hartberger daran, dass nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie innerhalb kürzester Zeit Schutzmaßnahmen beschlossen werden mussten. Die Regierung habe Verantwortung übernommen und nach bestem Wissen und Gewissen nach dem damaligen Wissensstand gehandelt. Dem Initiator des Volksbegehrens warf Neumann-Hartberger mit Hinweis auf weitere von ihm initiierte Volksbegehren vor, offenbar ein einträgliches "Geschäftsmodell" für sich entdeckt zu haben, wobei sie festhielt, dass nur 1,6 % der Wahlberechtigten das vorliegende Begehren unterstützt hätten.

Gerald Hauser (FPÖ) hielt den anderen Parteien erneut vor, Fakten in Bezug auf Impfschäden zu ignorieren. Zudem ortet er "ein erschreckendes Demokratieverständnis" im Parlament.

Volksbegehren "Gerechtigkeit den Pflegekräften!"

Von einer Gruppe um René Kališ und Marcus Hohenecker initiiert wurde ein von 131.921 Personen unterschriebenes Volksbegehren, das unter dem Titel "Gerechtigkeit den Pflegekräften!" erheblich mehr Geld für aktive Pflegekräfte einfordert. Auch insgesamt sollen die Budgetmittel für den Pflegebereich aufgestockt werden, um Personalnot zu lindern bzw. hintanzuhalten. Viele hätten es als zutiefst ungerecht empfunden, dass die Reaktion auf die besondere Belastung von Pflegekräften während der Corona-Pandemie vorrangig Anerkennung und Applaus gewesen sei, wird die Initiative begründet.

Sowohl Kira Grünberg (ÖVP) als auch Bedrana Ribo (Grüne) wiesen in der Debatte auf die in den vergangenen Jahren gesetzten Maßnahmen im Bereich der Pflege hin. Die Bundesregierung habe nicht nur applaudiert, sondern einiges auf den Weg gebracht, sagte Ribo und verwies wie Grünberg auf die beiden Pflegereform-Pakete. Konkret nannten die beiden Abgeordneten etwa den Gehaltsbonus für Pflegekräfte, die Unterstützung bei der Ausbildung und die sechste Urlaubswoche ab dem 43. Lebensjahr. Allein das erste Pflegereformpaket habe 20 Maßnahmen mit einem Volumen von 1 Mrd. € umfasst, betonte Grünberg.

Alois Stöger (SPÖ) räumte ein, dass die Regierung "das eine oder andere probiert" hat, um die Situation im Pflegebereich zu verbessern. Seiner Ansicht nach braucht es aber weitere Schritte. So müsse man das Einkommen jener Menschen, die eine Pflegeausbildung machen, verbessern. Auch über Pflege als Schwerarbeit müsse diskutiert werden.

Die Milliarde sei gut, komme aber nicht bei allen an, machte Fiona Fiedler (NEOS) geltend. Viele Pflegekräfte seien "am Limit". Sie plädierte dafür, das Berufsbild aufzuwerten und Kompetenzen anzuerkennen.

Das Volksbegehren wurde schließlich dem Sozialausschuss zur weiteren Beratung zugewiesen.

Petitionen und Bürgerinitiativen

Noch vor der Ersten Lesung der drei Volksbegehren hat sich der Nationalrat mit mehreren Petitionen und Bürgerinitiativen befasst, über die der Petitionsausschusses einen gemeinsamen Bericht vorgelegt hat. Dabei ging es unter anderem um die Erleichterung grenzüberschreitender Rettungseinsätze, die Anwendung des Nachtschwerarbeitsgesetzes auf Notfall-Sanitäter:innen, die befürchtete Ausdünnung des Schienenverkehrs auf der Strecke Villach-Feldkirchen-Friesach-Bruck/Mur nach Eröffnung der Koralmbahn, die Sicherstellung des Schüler:innentransports im Bezirk Perg und die Verhinderung des Lkw-Parkplatzes Hausruck-Weibern in Oberösterreich. Außerdem wandten sich mehrere Bürger:innen gegen eine "verpflichtende Gendersprache". In Sachen Klimaschutz wurde auf der einen Seite die Verhängung von Haftstrafen für Klimakleber:innen gefordert, während sich eine andere Bürgerinitiative für einen generellen Stopp des Ausbaus von Bundesstraßen stark machte.

Mit der einstimmigen Kenntnisnahme des Berichts sind die Beratungen über diese Initiativen abgeschlossen. Drei weitere Petitionen bzw. Bürgerinitiativen wurden an die zuständigen Fachausschüsse weitergeleitet. So wird sich der Landwirtschaftsausschuss mit der Frage einer etwaigen Reaktivierung der Gailtalbahn für Schadholztransporte auseinandersetzen und der Sportausschuss über die Forderung nach einer gleichberechtigten Förderung von Frauen-Fußball verhandeln. Dem Familienausschuss zugewiesen wurde eine Bürgerinitiative, die eine Verbesserung der gesetzlichen Regelungen im Falle von Fehlgeburten zum Ziel hat.

Ein von FPÖ-Mandatar Christian Ries im Zuge der Debatte eingebrachter Entschließungsantrag fand keine Mehrheit. In Zusammenhang mit der Bürgerinitiative "Strafgesetz ändern: Haft für Klimakleber!" hatte er die Einführung eines neuen Straftatbestandes gefordert, um die Behinderung von Einsatzfahrzeugen und zu Hilfe eilenden Personen im Rahmen von Unfallgeschehen ahnden zu können. Laut Begründung soll der Straftatbestand auf Schaulustige ebenso abzielen, wie auf "Klimakleber".

Einhebung von Leerstandsabgaben soll erleichtert werden

Aufgrund einer bei der letzten Plenarsitzung beschlossenen Fristsetzung stand eine von den Koalitionsparteien beantragte Verfassungsnovelle auf der Tagesordnung. Um den Ländern die Einhebung einer Leerstandsabgabe oder von Zweitwohnsitzabgaben zu erleichtern, soll Artikel 11 der Bundesverfassung hinsichtlich des Kompetenztatbestands "Volkswohnungswesen" dahingehend geändert werden, dass "die Erhebung öffentlicher Abgaben zum Zweck der Vermeidung der Nicht- oder Mindernutzung" von Wohnungen ausdrücklich in die Hände der Länder gelegt wird. Ziel von ÖVP und Grünen ist es, mehr Wohnungen auf den Markt zu bringen.

Der Verfassungsausschuss hat sich am 6. März einhellig dafür ausgesprochen, den Gesetzentwurf einer Begutachtung zu unterziehen, und die Frist für die Abgabe einer Stellungnahme mit 3. April festgesetzt (siehe Parlamentskorrespondent Nr. 221/2024). Daher wurde der Gesetzentwurf heute ohne Debatte wieder in den Ausschuss rückverwiesen. Dieser Beschluss fiel ebenfalls einstimmig. (Schluss Nationalrat) gs/wit

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.