Parlamentskorrespondenz Nr. 345 vom 10.04.2024

Gemeinden sollen mehr Möglichkeit für Geschwindigkeitsbeschränkungen und -kontrollen erhalten

Verkehrsausschuss spricht sich für entsprechende Änderungen der Straßenverkehrsordnung aus

Wien (PK) – Der Verkehrsausschuss hat heute eine Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) auf den Weg gebracht. Zentrales Anliegen der 35. StVO-Novelle sind weitere Maßnahmen gegen überhöhte Geschwindigkeiten im Straßenverkehr, vor allem im Ortsgebiet. Gemeinden sollen daher in "Bereichen mit besonderem Schutzbedürfnis" leichter als bisher Geschwindigkeitsbeschränkungen verhängen können. Das meint etwa das Umfeld von Schulen, Kindergärten, Freizeiteinrichtungen, Krankenhäuser und Senioreneinrichtungen. Auch sollen Gemeinden die entsprechende Handhabe zu punktuellen Geschwindigkeitsmessungen auf Gemeindestraßen erhalten, um die Durchsetzung der Geschwindigkeitsbeschränkung zu sichern. Verkehrsministerin Leonore Gewessler argumentierte im Verkehrsausschuss, dass den Gemeinden künftig viel Verwaltungsaufwand erspart bleibe. In der Regel werde keine umständliche Begutachtungen mehr notwendig sein, um geschwindigkeitsbeschränkende Maßnahmen umsetzen zu können.

Aus Sicht von ÖVP und Grünen wird mit den Regelungen einem langjährigen Wunsch der Gemeinden Rechnung getragen. Für SPÖ und NEOS gehen die Änderungen zwar in die richtige Richtung, sie befürchten aber nach wie vor zu viel Aufwand für Gutachten und mangelnde Rechtssicherheit. Die FPÖ-Abgeordneten sprachen sich ebenfalls gegen die Novelle aus, da sie aus ihrer Sicht nur kleine Verbesserungen bringe, aber mit einzelnen Formulierungen vor allem neue Unsicherheiten schaffe.

Anträge von SPÖ und NEOS, die eine erleichterte Handhabung von Geschwindigkeitsbeschränkungen im Ortsgebiet forderten, wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen mehrheitlich vertagt. Auch ein Antrag der FPÖ, in dem sie von der Verkehrsministerin eine Zusicherung fordert, dass Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht flächendeckend verhängt werden können, wurde vertagt.

Geschwindigkeitsbeschränkung im Ortgebiet sollen erleichtert werden

Die 35. StVO-Novelle wurde mit einem Initiativantrag von den Abgeordneten von ÖVP und Grünen vorgelegt (3975/A). Der Verkehrssprecher der Grünen, Hermann Weratschnig sowie ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger sprachen sich im Ausschuss für die Novelle aus, die aus ihrer Sicht zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beiträgt. Länder und Gemeinden werde es dadurch wesentlich erleichtert, Geschwindigkeitsbeschränkungen im Ortsgebiet festzulegen und deren effektive Kontrolle zu garantieren, befanden die beiden Verkehrssprecher. Ottenschläger wies darauf hin, dass allein auf Gemeindestraßen jährlich etwa 80 Verkehrstote zu beklagen seien. Die gesetzliche Definition von Zonen mit besonderem Schutzbedürfnis gebe den Gemeinden mehr Entscheidungsmöglichkeiten und erlaube eine deutliche Vereinfachung des Verfahrens für die Gemeinden. Diesen Punkt unterstrich auch Abgeordnete Ulrike Böker (Grüne). Auch kleinere Gemeinden erhielten nun die Möglichkeit, Geschwindigkeitsbeschränkungen ohne großen Aufwand umzusetzen.

Aus Sicht von Weratschnig ist es auch wichtig, dass nun alle Gemeinden die Möglichkeit zu punktuellen Geschwindigkeitsmessungen auf Gemeindestraßen mittels Radarboxen oder anderen Geräten zur automationsunterstützten Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung erhalten. Auch ÖVP-Abgeordneter Christoph Stark begrüßte diese Regelung. Sie werde kein "Freibrief" für Gemeinden sein, willkürliche Radarkontrollen durchzuführen, betonte er. Vielmehr reagiere die Novelle damit auf die Sorgen, die viele Bürger:innen wegen überhöhter Geschwindigkeiten im Ortsgebiet hätten.

Aus den weiteren Punkten der Novelle hob Grünen-Verkehrssprecher Weratschnig die Möglichkeit hervor, Ampelschaltungen so zu gestalten, dass der Zufluss zu stark befahrenen Straßen geregelt wird. Damit sei etwa der Verzicht auf Grünblinken der Ampel an bestimmten Kreuzungen oder Zufahrten möglich. Das habe sich in Pilotversuchen bei der Vermeidung von Staus bewährt, führte Weratschnig aus. Ottenschläger betonte, dass das Grünblinken nicht generell abgeschafft werde. Positiv seien auch Erleichterungen für Straßenerhalter bei der Abwicklung von kurz dauernden Baustellen.

Skeptisch reagierten die Fraktionen der Opposition. Für Klaus Köchl (SPÖ) wird der Forderung nach Verwaltungsvereinfachungen für die Gemeinden noch immer nicht ausreichend entsprochen. Diese müssten nach wie vor Gutachten einholen, anstatt aus eigener Expertise entscheiden zu können, wo eine Geschwindigkeitsbeschränkung sinnvoll sei. Auch SPÖ-Abgeordnete Melanie Erasim meinte, man dürfe den Gemeinden "mehr zutrauen". Die Novelle bedeute nur eine halbherzige Regelung. Ausschussobmann Alois Stöger (SPÖ) resümierte, dass seine Fraktion der Novelle in der derzeitigen Form nicht zustimmen könne. Er hoffe, dass bis zur Beschlussfassung im Plenum noch Gespräche möglich sind, wie man sicherstellen könne, dass der Verwaltungsaufwand für die Gemeinden tatsächlich minimiert werde. Durch eine entsprechende Ausschussfeststellung hätte hier Klarheit geschaffen und den Forderungen seiner Fraktion entsprochen werden können. ÖVP und Grüne seien aber nicht dazu bereit gewesen.

Auch aus Sicht der NEOS bleiben nach wie vor zu viele Regelungen aufrecht, die unnötigen Verwaltungsaufwand bedeuten. Einige Formulierungen würden eher Rechtsunsicherheit schaffen, meinte NEOS-Verkehrssprecher Johannes Margreiter Er verstehe nicht, warum in die Verhängung einer Zone mit Geschwindigkeitsbeschränkungen ein derart umfangreicher Kreis von Interessensvertretungen einbezogen werden müsse. Auch sei aus seiner Sicht die Zuständigkeit für die Verhängung von Maßnahmen nun teilweise unklar.

Auch FPÖ-Verkehrssprecher Gerald Deimek meinte, trotz einzelner positiver Punkte könne seine Fraktion der Novelle nicht zustimmen. Zwar würden etwa Fahrzeuge der Rettung anderen Einsatzfahrzeugen gleichgestellt, was eine langjährige Forderung sei. Die Festlegung der "Zonen von besonderem Interesse" lasse aber zu viel Interpretationsspielraum und schaffe unnötige Unklarheiten. Aus seiner Sicht seien auch die Radarkontrollen nicht zufriedenstellend geregelt und würden Spielraum für "Autofahrerabzocke" lassen.

Gewessler: Gemeinden erhalten Wahlfreiheit, wo sie Maßnahmen setzen

Aus Sicht von Verkehrsministerin Leonore Gewessler erhalten die Gemeinden mit den neuen Regelungen größere Wahlfreiheit, wo sie Geschwindigkeitsbeschränkungen verhängen wollen. Sie könnten sich dabei auf ihre Kenntnisse der Situation vor Ort stützen. Dadurch, dass gesetzlich festgehalten werde, dass nur festgestellt werden müsse, dass die Maßnahme zur Erhöhung der Verkehrssicherheit "geeignet" sei, sei die Verhängung einer Geschwindigkeitsbeschränkung für die Behörde wesentlich einfacher möglich. Die bisher notwendige umfangreiche Begutachtung, die notwendig war, um festzustellen, ob die Maßnahme "erforderlich" sei, werde nun in den meisten Fällen entfallen, führte Gewessler aus. Damit entfalle viel Verwaltungsaufwand. Die Verkehrsministerin betonte auch, dass das Grünblinken von Ampeln nicht abgeschafft werde. Es könne aber entfallen, wo es für die Regelung des Verkehrsflusses sinnvoll sei. Die Zuständigkeiten für alle Maßnahmen würden sich aus der Systematik der StVO klar ableiten lassen, hielt Gewessler den Bedenken von Margreiter entgegen.

Anträge der Opposition zu Geschwindigkeitsbeschränkungen

Mit in Verhandlung stand der Antrag von SPÖ-Verkehrssprecher Alois Stöger, den Behörden eine bessere Handhabe zu geben, um 30km/h-Beschränkungen vor Schulen, Kindergärten und Horten verordnen zu können (2884/A). Ein vereinfachtes Verfahren zur Einführung von Zonen mit reduzierter Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet hat auch NEOS-Verkehrssprecher Johannes Margreiter in einem Antrag gefordert (2373/A(E)) Die beiden Forderungen wurden auf Antrag von Hermann Weratschnig mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

Ein Antrag von FPÖ-Abgeordnetem Christian Hafenecker, der auf eine Zusicherung der Verkehrsministerin abzielte, dass es keine "Autofahrerschikanen" durch eine allgemeine Beschränkung der Geschwindigkeiten im Ortsgebiet auf 30 km/h, auf Freilandstraßen auf 80 km/h und auf Autobahnen auf 100 km/h geben werde, wurde ebenfalls vertagt (2861/A(E)). (Schluss) sox