Stenographisches Protokoll

702. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 6. November 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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702. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 6. November 2003

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 6. November 2003: 9.04 – 20.23 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers zur Regierungsumbildung gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR

2. Punkt: Erklärung des Vizekanzlers zur Regierungsumbildung gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR

3. Punkt: Wahl eines Schriftführers und eines Ordners für den Rest des 2. Halb­jahres 2003

4. Punkt: Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüber­schreitende Luftverunreinigung betreffend Schwermetalle samt Erklärungen

5. Punkt: Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2001 (Grüner Bericht 2001)

6. Punkt: Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2003 gemäß § 9 LWG

7. Punkt: Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2002 (Grüner Be­richt 2002)

8. Punkt: Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2004 gemäß § 9 LWG

9. Punkt: Zusatzprotokoll zum Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenz­überschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften oder Behörden

10. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Ständigen Sekre­tariat des Übereinkommens zum Schutz der Alpen über dessen Amtssitz

11. Punkt: Übereinkommen über die Privilegien und Immunitäten des Internationalen Strafgerichtshofs samt Erklärung

12. Punkt: Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsüber­einkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung gebietsübergreifender Fischbestände und weit wandernder Fischbe­stände – Erklärungen

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz geändert wird


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14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Seilbahnen erlassen wird (Seilbahngesetz 2003-SeilbG 2003) und mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird

15. Punkt: Protokoll vom 3. Juni 1999 betreffend die Änderung des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 (Protokoll 1999) samt Erklärung der Republik Österreich

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2003), das Bundesbetreuungsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasyl­se­nat und das Meldegesetz geändert werden

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Rechts-Über­leitungsgesetz und das Finanz-Verfassungsgesetz 1948 geändert, ein Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 2004 erlassen, das Verlautbarungsgesetz 1985 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert und einige Bundesverfassungsgesetze, Bundesgesetze und in Bundesgesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen aufge­ho­ben werden (Kundmachungsreformgesetz 2004)

18. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungs­ge­richtshofes für die Jahre 2001 und 2002

19. Punkt: Wahl von Ausschüssen

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Tiroler Landtages betreffend Wahl von Mitglie­dern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat .................................................................................................................. 9

Schreiben der Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat ............................................................................... 10

Angelobung der Bundesräte Hans Ager, Mag. Bernhard Baier, Christine Fröhlich, Dr. Erich Gumplmaier, Gottfried Kneifel, Eva Konrad, Johann Kraml, Helmut Kritzinger, Dr. Ruperta Lichtenecker, Ewald Lindinger, Wolf­gang Schimböck, Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg, Werner Stadler, Fer­dinand Tiefnig, Helmut Wiesenegg und Franz Wolfinger .................... 11

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Verzicht eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates ................................................................................................................... 12

3. Punkt: Wahl eines Schriftführers und eines Ordners für den Rest des 2. Halb­jahres 2003                    74

Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 GO-BR betreffend Zustimmung des Bundesrates zum Zusam­men­schluss als Fraktion – Annahme ............................  75, 75

Sitzungsunterbrechung ............................................................................................. 163

19. Punkt: Wahl von Ausschüssen ............................................................................. 172


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Personalien

Krankmeldung .................................................................................................................. 9

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend Enthebung des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumenten­schutz Vizekanzler Mag. Herbert Haupt vom Amt als Vizekanzler sowie Ernen­nung von Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Hubert Gorbach zum Vizekanzler durch den Bundespräsidenten ........................................... 13

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 13

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 14

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 14

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers zur Regierungsumbildung gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR             ............................................................................................................................... 14

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................................... 15

2. Punkt: Erklärung des Vizekanzlers zur Regierungsumbildung gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR                   14

Vizekanzler Hubert Gorbach ....................................................................................... 21

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 37 Abs. 5 GO-BR ....................... 15

Redner:

Albrecht Konecny .................................................................................................  27, 66

Ludwig Bieringer ...................................................................................................  32, 69

Stefan Schennach .................................................................................................  35, 67

Dr. Peter Böhm ......................................................................................................  38, 65

Harald Reisenberger .................................................................................................... 40

Mag. Harald Himmer .................................................................................................... 44

Manfred Gruber ............................................................................................................ 46

Mag. John Gudenus ..................................................................................................... 51

Wolfgang Schimböck .................................................................................................. 54

Gottfried Kneifel ........................................................................................................... 57

Christoph Hagen .......................................................................................................... 60

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann ............................................................................ 62

Vizekanzler Hubert Gorbach ....................................................................................... 70

Entschließungsantrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Transitverkehr durch Österreich – Annahme (E 187-BR/03) .....................................................................................................................  65, 74

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend das Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüber­schrei-


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tende Luftverunreinigung betreffend Schwermetalle samt Erklärungen (134 d.B. und 239 d.B. sowie 6873/BR d.B.) .......... 75

Berichterstatter: Ing. Franz Gruber .............................................................................. 75

Redner:

Ilse Giesinger ................................................................................................................ 76

Günther Kaltenbacher ................................................................................................. 77

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 77

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem Beschluss des Nationalrates ge­mäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen und 3. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Ab­satz 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 78

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2001 (Grü­ner Bericht 2001) (III-240-BR/2002 d.B. sowie 6874/BR d.B.) ................................................................................ 79

Berichterstatter: Dr. Vincenz Liechtenstein ................................................................ 79

6. Punkt: Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2003 gemäß § 9 LWG (III-241-BR/2002 d.B. sowie 6875/BR d.B.) ........................................ 79

Berichterstatter: Dr. Vincenz Liechtenstein ................................................................ 79

7. Punkt: Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2002 (Grü­ner Bericht 2002) (III-250-BR/2003 d.B. sowie 6876/BR d.B.) ................................................................................ 79

Berichterstatter: Dr. Vincenz Liechtenstein ................................................................ 79

8. Punkt: Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2004 gemäß § 9 LWG (III-251-BR/2003 d.B. sowie 6877/BR d.B.) ........................................ 79

Berichterstatter: Dr. Vincenz Liechtenstein ................................................................ 79

Redner:

Ing. Franz Gruber ......................................................................................................... 80

Johann Kraml ............................................................................................................... 82

Mag. John Gudenus ..................................................................................................... 85

Stefan Schennach ........................................................................................................ 87

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ........................................................................ 90

Ing. Hermann Haller ..................................................................................................... 94

Helmut Wiesenegg ....................................................................................................... 95

Paul Fasching ............................................................................................................... 97

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, den Bericht zur Kennt­nis zu nehmen             ............................................................................................................................. 101

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, den Bericht zur Kennt­nis zu nehmen             ............................................................................................................................. 101

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, den Bericht zur Kennt­nis zu nehmen             ............................................................................................................................. 101


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Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, den Bericht zur Kennt­nis zu nehmen             ............................................................................................................................. 101

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend das Zu­satzprotokoll zum Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenzüber­schrei­tende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften oder Behörden (129 d.B. und 226 d.B. sowie 6878/BR d.B.)                       101

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer ....................................................................... 102

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend ein Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und dem Ständigen Sekretariat des Übereinkommens zum Schutz der Alpen über dessen Amtssitz (177 d.B. und 227 d.B. sowie 6879/BR d.B.) ................................... 102

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer ....................................................................... 102

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend ein Übereinkommen über die Privilegien und Immunitäten des Internationalen Straf­gerichtshofs samt Erklärung (199 d.B. und 228 d.B. sowie 6880/BR d.B.) .................................................................................................... 102

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer ....................................................................... 102

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend ein Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsüberein­kom­mens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung gebietsübergreifender Fischbestände und weit wandernder Fischbestände – Erklärungen (223 d.B. sowie 6881/BR d.B.) .................................... 102

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer ....................................................................... 102

Redner:

Helmut Kritzinger ....................................................................................................... 103

Johanna Schicker ....................................................................................................... 105

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann .......................................................................... 106

Stefan Schennach ...................................................................................................... 107

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, 1. gegen den vor­lie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 108

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 108

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 109

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 109


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Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2003 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz geändert wird (203 d.B. und 245 d.B. sowie 6882/BR d.B.) .......... 110

Berichterstatter: Ing. Gerd Klamt ............................................................................... 110

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Seilbahnen erlassen wird (Seil­bahngesetz 2003-SeilbG 2003) und mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geän­dert wird (204 d.B. und 246 d.B. sowie 6883/BR d.B.)                         110

Berichterstatter: Ing. Gerd Klamt ............................................................................... 110

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2003 betreffend das Protokoll vom 3. Juni 1999 betreffend die Änderung des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 (Protokoll 1999) samt Erklärung der Republik Österreich (46 d.B. und 247 d.B. sowie 6884/BR d.B.) ............................................................................................................... 110

Berichterstatter: Ing. Gerd Klamt ............................................................................... 110

Redner:

Jürgen Weiss .............................................................................................................. 111

Johann Giefing ........................................................................................................... 112

Christoph Hagen ........................................................................................................ 113

Stefan Schennach ...................................................................................................... 113

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ..................................................................... 115

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 13, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 117

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 14, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 117

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 15, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 118

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2003), das Bundes­be­treu­ungsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat und das Meldegesetz geändert werden (120 d.B. und 253 und Zu 253 d.B. sowie 6870/BR d.B., 6871/BR d.B. und 6885/BR d.B.) ............................................... 118

Berichterstatter: Johann Höfinger .............................................................................. 118

Redner:

Reinhard Todt ............................................................................................................. 118

Dr. Franz-Eduard Kühnel .......................................................................................... 120

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 122

Christoph Hagen ........................................................................................................ 124

Bundesminister Dr. Ernst Strasser ................................................................  128, 151

Manfred Gruber (tatsächliche Berichtigung) .............................................................. 131

Johann Kraml ............................................................................................................. 132

Karl Bader ................................................................................................................... 135

Eva Konrad ................................................................................................................. 138

Ing. Gerd Klamt .......................................................................................................... 140

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 142


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Sissy Roth-Halvax ...................................................................................................... 145

Eva Konrad (tatsächliche Berichtigung) ..................................................................... 148

Stefan Schennach .............................................................................................  148, 157

Herta Wimmler ........................................................................................................... 154

Gottfried Kneifel ......................................................................................................... 155

Wolfgang Schimböck ................................................................................................ 158

Antrag der Bundesräte Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asyl­gesetz 1997 (AsylG-Novelle 2003), das Bundesbetreuungsgesetz, das Bundes­ge­setz über den unabhängigen Bundesasylsenat und das Meldegesetz geändert werden (120 d.B. und 253 und Zu 253 d.B. sowie 6870/BR d.B. und 6871/BR d.B.), gemäß §§ 20 Abs. 2 und 43 GO-BR einen Einspruch zu erhe­ben – Ablehnung  134, 159

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 159

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Rechts-Überlei­tungs­gesetz und das Finanz-Verfassungsgesetz 1948 geändert, ein Bundes­gesetz über das Bundesgesetzblatt 2004 erlassen, das Verlautbarungs­ge­setz 1985 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert und einige Bun­desverfassungsgesetze, Bundesgesetze und in Bundesgesetzen enthaltene Ver­fassungsbestimmungen aufgehoben werden (Kundmachungsreformgesetz 2004) (93 d.B. und 243 d.B. sowie 6872/BR d.B. und 6886/BR d.B.)      ............................................................................................................................. 160

Berichterstatter: Johann Höfinger .............................................................................. 160

Redner:

Dr. Andreas Schnider ................................................................................................ 160

Roswitha Bachner ...................................................................................................... 162

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ....................................................................... 162

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. die im gegen­ständlichen Beschluss des Nationalrates enthaltene Änderung der Artikel 34 und 35 B-VG gemäß Artikel 35 Absatz 4 B-VG anzunehmen (namentliche Abstim­mung) ........................................................................................................................... 164

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung .................................... 164

18. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfas­sungs­gerichtshofes für die Jahre 2001 und 2002, vorgelegt vom Bundeskanzler (III-252-BR/2003 d.B. sowie 6887/BR d.B.)             ............................................................................................................................. 165

Berichterstatter: Johann Höfinger .............................................................................. 165

Redner:

Herwig Hösele ............................................................................................................ 165

Reinhard Todt ............................................................................................................. 168

Dr. Peter Böhm ........................................................................................................... 169

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 170

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ....................................................................... 171

Annahme des Antrages des Berichterstatters, die Berichte zur Kenntnis zu neh­men                   172


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702. Sitzung / Seite 8

Eingebracht wurden

Bericht ........................................................................................................................... 14

III-253/BR: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2002

Anfragen der Bundesräte

Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Maßnahmen ge­gen den zunehmenden Flugverkehr über Vorarlberg (2122/J-BR/03)

Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Aktualität der Wohnsitzangabe im Grundbuch (2123/J-BR/03)

Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Verbesserungen bei den Untersuchungen im Rahmen des Mutter-Kind-Passes (2124/J-BR/03)

Anfragebeantwortungen

des Präsidenten des Bundesrates auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen (1939/AB-BR/03 zu 2116/J-BR/03)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen (1940/AB-BR/03 zu 2114/J-BR/03)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Klaus Gasteiger, Kolleginnen und Kollegen (1941/AB-BR/03 zu 2115/J-BR/03)

 



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702. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich eröffne die 702. Sitzung des Bun­desrates.

Das Amtliche Protokoll der 701. Sitzung des Bundesrates vom 9. Oktober 2003 ist auf­gelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet hat sich das Mitglied des Bundesrates Theodor Binna.

Einlauf

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eingelangt sind Schreiben des Präsi­denten des Tiroler Landtages und der Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.

 


Schriftführerin Ilse Giesinger: Ich verlese zuerst das Schreiben des Tiroler Land­tages.

„An die Parlamentsdirektion – Bundesratsdienst

Dr. Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

Betreff: Konstituierende Sitzung des Tiroler Landtages am 21. Oktober 2003; Wahl der Mitglieder und Ersatzmitglieder des Bundesrates

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Tiroler Landtag in seiner Sitzung vom 21. Ok­tober 2003 diese Wahl mit der verfassungsmäßigen Mehrheit durchgeführt hat.

Eine beurkundete Ausfertigung ist beigeschlossen.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Ing. Helmut Mader

Präsident des Tiroler Landtages

Wahlergebnis

Zu den Mitgliedern des Bundesrates beziehungsweise deren Ersatzmitgliedern werden gewählt:

Mitglieder:

1. Hans Ager, 6300 Itter HNr.5

2. Helmut Kritzinger, Adamgasse 5a, 6020 Innsbruck

3. Helmut Wiesenegg, Lutterottistraße 11, 6600 Reutte

4. Eva Konrad, Gänsleit 20, 6306 Söll

5. Christine Fröhlich, Oberdorf 32, 6611 Heiterwang

Ersatzmitglieder:

1. Klaus Lackner, St. Johanner-Straße 15, 6370 Kitzbühel


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702. Sitzung / Seite 10

2. Erwin Zangerl, Meilstraße 19, 6170 Zirl

3. Abg. Dipl.-Ing. Elisabeth Blanik, Drahtzuggasse 12, 9900 Lienz

4. Dr. Franz Klug, Sonnenstraße 32g, 6020 Innsbruck

5. Thomas Ziegler, Adamgasse 30/33, 6020 Innsbruck

Es wird beurkundet, dass der Tiroler Landtag diese Wahl in seiner Sitzung vom 21. Oktober 2003 mit der verfassungsmäßigen Mehrheit durchgeführt hat.

Der Landtagspräsident:

Prof. Ing. Helmut Mader”

Weiters ist ein Schreiben des Oberösterreichischen Landtages eingelangt, das ich nun zur Verlesung bringe:

„An die

Parlamentsdirektion

Dr. Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

Wahl von elf Vertretern des Landes Oberösterreich in den Bundesrat sowie die Wahl von elf Ersatzmitgliedern

Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Oberösterreichische Landtag hat am 23. Oktober 2003 gemäß Art. 35 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 und Art. 29 des Oö. Landes-Verfassungsgesetzes folgende elf Vertreter des Landes Oberösterreich und deren Ersatzmitglieder in den Bundesrat gewählt:

Mitglieder:

1. Stelle: Gottfried Kneifel, geb. 25.6.1948, Walderdorffstraße 1/3, 4470 Enns

2. Stelle: Johann Kraml, geb. 25.11.1951, Gartenstraße 6/7, 4150 Rohrbach

3. Stelle: Franz Wolfinger, geb. 19.12.1946, Bachweg 5, 4531 Kematen/Krems

4. Stelle: Werner Stadler, geb. 15.7.1957, Schulstraße 11, 4783 Wernstein

5. Stelle: Mag. Bernhard Baier, geb. 14.2.1975, Tegetthoffstraße 13, 4020 Linz

6. Stelle: Dr. Erich Gumplmaier, geb. 13.7.1947, Thürnau 72, 4062 Kirchberg-Thening

7. Stelle: Ferdinand Tiefnig, geb. 17.6.1965, Bitzlthal 5, 5133 Gilgenberg

8. Stelle: Ewald Lindinger, geb. 16.8.1956, Pyhrnstraße 33, 4563 Micheldorf

9. Stelle: Dr. Ruperta Lichtenecker, geb. 21.6.1965, Schillerstraße 38, 4020 Linz

10. Stelle: Dr. Georg Spiegelfeld, geb. 1.6.1957, Sigm. Spiegelfeldstraße 1, 4710 Schlüßlberg

11. Stelle: KR Wolfgang Schimböck, geb. 20.11.1953, Hirschgasse 16, 4020 Linz

Ersatzmitglieder:

1. Stelle: Gabriele Lackner-Strauß, geb. 12.2.1953, Hauptplatz 17, 4240 Freistadt

2. Stelle: Mag. Gertraud Jahn, geb. 13.1.1957, Blütenweg 22, 4310 Mauthausen

3. Stelle: Mag. Michael Hammer, geb. 3.6.1977, Winklingerstraße 12, 4203 Altenberg


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4. Stelle: Ing. Josef Öller, geb. 27.9.1949, Gerbereistraße 14, 5230 Mattighofen

5. Stelle: Martina Pühringer, geb. 17.11.1956, Buchenstraße 16, 4694 Ohlsdorf

6. Stelle: Gisela Peutlberger-Naderer, geb. 23.1.1959, Rath 8, 4531 Kematen/Krems

7. Stelle: Annemarie Brunner, geb. 9.7.1957, Niederzirking 50, 4312 Ried/Rdmk.

8. Stelle: Franz Hochegger, geb. 25.11.1953, Mühlwitraun 5, 4761 Enzenkirchen

9. Stelle: Franz Breiner, geb. 23.1.1952, Hainprechting 17, 4690 Redlham

10. Stelle: Dr. Manfred Asamer, geb. 10.5.1062, Aurachkirchen 5, 4812 Ohlsdorf

11. Stelle: Dr. Kordula Schmidt, geb. 16.8.1958, Neufelderstraße 45, 4033 Linz

Mit freundlichen Grüßen“

Angelobung

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die neuen beziehungsweise die wieder gewählten Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


Schriftführerin Ilse Giesinger: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

Hans Ager.

 


Bundesrat Hans Ager: Ich gelobe.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Präsident! Ich freue mich, Sie wieder hier im Bundesrat zu sehen, und darf Sie bitten, den Vorsitz zu übernehmen, da Sie nach der Gelöbnisformel wieder ganz offiziell hier im Hohen Hause anwesend sind. Alles Gute, Herr Präsident! (Allgemeiner Beifall.)

 


Präsident Hans Ager (den Vorsitz übernehmend): Ich ersuche um die Fortsetzung der Angelobung.

Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Giesinger leisten die nachstehend angeführten Bundesräte die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“:

Baier Bernhard, Mag.;

Fröhlich Christine;

Gumplmaier Erich, Dr.;

Kneifel Gottfried, Konrad Eva, Kraml Johann, Kritzinger Helmut;

Lichtenecker Ruperta, Dr., Lindinger Ewald;

Schimböck Wolfgang, Spiegelfeld-Schneeburg Georg, Dr., Stadler Werner;


Bundesrat
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Tiefnig Ferdinand;

Wiesenegg Helmut, Wolfinger Franz.

*****

(Die Bundesräte Mag. Bernhard Baier, Helmut Kritzinger, Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg und Ferdinand Tiefnig leisten die Angelobung mit den Worten „Ich ge­lobe, so wahr mir Gott helfe“.)

 


Präsident Hans Ager: Ich begrüße die neuen beziehungsweise wieder gewählten Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

*****

Einlauf

 


Präsident Hans Ager: Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Verzicht eines Ersatzmannes des Bundesrates. Ich er­suche die Frau Schriftführerin um dessen Verlesung.

 


Schriftführerin Ilse Giesinger:

„Herrn Präsidenten des Bundesrates

Hans Ager

Parlament

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass Herr Ing. Michael Chapo mich mittels beiliegendem Schreiben informiert hat, dass er mit sofortiger Wirkung auf die Berufung als Ersatz­mitglied des Bundesrates verzichtet.

Mit vorzüglicher Hochachtung“

Ich verlese nun das Schreiben von Ing. Michael Chapo:

„Herrn Landtagspräsidenten

Johann Hatzl

Rathaus

1082 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Hiermit gebe ich bekannt, dass ich auf mein Mandat als Ersatzmitglied des Bundes­rates mit sofortiger Wirksamkeit verzichte.

Ich ersuche um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen

Ing. Michael Chapo“

 


Präsident Hans Ager: Dies dient zur Kenntnis.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
702. Sitzung / Seite 13

Eingelangt ist ferner ein Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung und gleichzeitige Ernennung eines Mitgliedes der Bundesregierung.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

 


Schriftführerin Ilse Giesinger:

Dr. Wolfgang Schüssel, Bundeskanzler

An den

Präsidenten des Bundesrates

Hans Ager

Parlament

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 21. Oktober 2003, Zl. 300.000/005-BEV/03, gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfas­sungsgesetz den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsu­men­ten­schutz Vizekanzler Mag. Herbert Haupt vom Amt als Vizekanzler enthoben hat.

Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Ab­satz 1 Bundes-Verfassungsgesetz Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Tech­nologie Hubert Gorbach zum Vizekanzler ernannt.

Mit besten Grüßen

Wolfgang Schüssel“

 


Präsident Hans Ager: Dies dient zur Kenntnis.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Hans Ager: Eingelangt ist weiters ein Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretungen.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

 


Schriftführerin Ilse Giesinger:

„An den

Präsidenten des Bundesrates

Parlament

1017 Wien

Der Herr Bundespräsident hat am 30. Oktober 2003, Zl. 300.100/54-BEV/03, folgende Entschließung gefasst:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner inner­halb des Zeitraumes vom 1. bis 5. November sowie am 7. November 2003 die Bundes­ministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat und am 6. November 2003 den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen.


Bundesrat
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702. Sitzung / Seite 14

Für den Bundeskanzler

MR Dr. Wiesmüller“

 


Präsident Hans Ager: Dies dient ebenfalls zur Kenntnis.

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Hans Ager: Den eingelangten Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2002 habe ich dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zur weiteren geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zugewiesen.

Eingelangt sind auch Anfragebeantwortungen, 1939/AB bis 1941/AB, die den Anfra­ge­stellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heuti­gen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zu­gewiesen.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe diese Vorlagen, die Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Vizekanzlers sowie die Wahl eines Schriftführers und eines Ordners für den Rest des 2. Halbjahres 2003 und die Wahl von Ausschüssen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Hans Ager: Auf Grund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 5 bis 8, 9 bis 12 sowie 13 bis 15 der Ta­gesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Dies ist nicht der Fall.

Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

1. Punkt

Erklärung des Bundeskanzlers zur Regierungsumbildung gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR

2. Punkt

Erklärung des Vizekanzlers zur Regierungsumbildung gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR

 


Präsident Hans Ager: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Punkten 1 und 2, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.


Bundesrat
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Ich begrüße an dieser Stelle Herrn Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel und Herrn Vizekanzler Hubert Gorbach sehr herzlich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Bevor ich dem Herrn Bundeskanzler das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der GO-BR vorliegt, im Anschluss an die von Herrn Bundeskanzler und Herrn Vizekanzler abge­gebenen Erklärungen eine Debatte durchzuführen.

Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne weiteres statt­ge­ben.

Ich erteile nun dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe einer Erklärung zur Regierungs­umbildung das Wort.

 


9.18

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich darf die Umbildung der Bundesregierung hier kurz begründen und möchte darstellen, wie wir die neue Arbeit in dieser Legislaturperiode angehen werden.

Zunächst einmal ein herzliches Dankeschön an den ausgeschiedenen Vizekanzler Herbert Haupt. Er bleibt Minister für soziale Sicherheit, Generationen und Kon­sumen­tenschutz. Er hat im ersten Halbjahr sehr viele Reformen mit uns gemeinsam auf die Reise geschickt, und ich möchte ihm von dieser Stelle aus für die Arbeit in der Regie­rungskoordination, die er aus meiner Sicht ganz ausgezeichnet vorgenommen hat, sehr herzlich danken.

Ich möchte nun den neu eintretenden Vizekanzler und bisherigen Infrastrukturminister Hubert Gorbach hier vorstellen. Er ist ja kein Unbekannter, ist zwar relativ kurz in der Bundesregierung, und zwar seit dem Amtantritt dieser Bundesregierung in der XXII. Le­gislaturperiode, aber ein langjähriger Landespolitiker. Wir beide kennen uns noch aus der Zeit von vor etwa mehr als zehn Jahren, als ich Wirtschaftsminister war und er für die Bauangelegenheiten, für die Infrastruktur seines Bundeslandes verantwortlich war.

Ich kann nur eines sagen: In den ersten Monaten hat sich die Zusammenarbeit mit Hubert Gorbach sehr positiv angelassen. Er hat gleich mit vollen Akkorden in die euro­päischen und österreichischen Angelegenheiten eingreifen müssen. Vieles ist in Be­wegung gekommen. – Ich werde später noch im Detail darauf eingehen.

Was mir sehr gefallen hat, waren die Freude und der Schwung, mit welchen er in den ersten Wochen sein neues Amt als Vizekanzler angegangen ist. Das gibt Mut und das gibt Hoffnung, dass sich wirklich etwas zum Positiven für unser Land, für Österreich rührt.

Meine Damen und Herren! Nun zur Arbeit selbst: Wir haben Ihnen in den ersten acht Monaten ein gewaltiges Arbeitsprogramm vorgelegt. Ich weiß, dass das manchmal fast an die Grenzen der Belastbarkeit von Nationalrat und Bundesrat gegangen ist. Auf der anderen Seite frage ich: Was geschieht, wenn Länder innerhalb der Europäischen Union ihre Hausaufgaben nicht machen? – Man braucht nur über die Grenzen zu schauen, nach Deutschland, nach Frankreich oder in andere europäische Länder, dann sieht man, wie rasch ehemalige Vorzeigeländer in eine ziemliche problematische Situation gerutscht sind.

Nehmen wir nicht Deutschland, sondern Holland als Beispiel! Holland war vor drei Jahren das absolute Musterland in Europa – das so genannte Poldermodell.  Es hatte innerhalb der Europäischen Union ein erstklassiges Budget und die zweitbesten Ar­beitsmarktdaten. Siehe da: Innerhalb weniger Jahre hat sich das Bild total gedreht. Es


Bundesrat
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702. Sitzung / Seite 16

sind derzeit Not- und Krisenprogramme zu schnüren. Holland wird wahrscheinlich jetzt im Winter, also 2003 auf 2004, von Österreich überholt werden. Wir werden an die zweite Stelle Europas, was die besten Arbeitsmarktdaten und die niedrigsten Arbeits­losenraten betrifft, vorrücken.

Das ist jetzt kein Grund für Selbstlob, sondern es ist einfach eine Faktenfeststellung, dass die Drehung bei nicht vorgenommenen Reformen sehr schnell erlitten werden muss. Wohin das für den Bürger führt, das sieht man jetzt etwa in Deutschland, wo plötzlich massive Belastungen diskutiert werden. Die Pensionisten bekommen prak­tisch zwei Jahre lang keine Pensionsanpassung, keine Pensionserhöhung mehr. Die Re­formen im Gesundheitswesen führen zu Beitragserhöhungen, was wir in den letzten Jahren immer ausgeschlossen und verhindert haben. Das führt zu Diskussionen, dass für ältere Menschen oder für ganze Bevölkerungsgruppen bestimmte medizinische Leis­tungen gar nicht mehr angeboten werden können. Wir haben mit unserer Re­formarbeit versucht, einen solchen Weg von Österreich abzuhalten. Ich glaube, dass uns das auch ganz gut gelungen ist.

Trotz einer dreijährigen internationalen Konjunkturschwäche sind wir in der Situation, dass wir 2001 und 2002 ausgeglichene Budgets gehabt haben. In Zeiten, in welchen vier Länder den Stabilitätspakt verletzen, hat Österreich seine Verpflichtungen – ich meine jetzt nicht nicht gegenüber Europa, sondern gegenüber seinen Bürgern – ein­ge­halten, denn höhere Schulden bedeuten ganz einfach weniger Investitionen in die Zu­kunft oder letztlich mehr Belastungen.

Wir haben in diesen Sparzeiten dennoch ganz wichtige Akzente gesetzt. Ich darf hier nur erwähnen, dass die Bildungsbereiche, die Schulen und die Universitäten, so viel Geld wie noch nie in der Geschichte Österreichs zur Verfügung haben. Im kommenden Jahr werden dies 9 Milliarden € sein.

Wir haben für die Infrastruktur 50 Prozent mehr Geld aufgewendet, als dies in den Jah­ren vor 2000 der Fall war. Wir werden pro Jahr fast 2,5 Milliarden € in Schiene, Straße und in den Hochbau investieren.

Weiters haben wir ganz bewusst einen Akzent für die Familien gesetzt: Wir wenden rund 5 Milliarden € pro Jahr für die österreichischen Familien, für Kinder, für den Mut zu einer vernünftigen Familienpolitik auf. Ich glaube, dass dieses Geld ein gut ein­ge­setztes Geld für unsere Zukunft ist.

Ich weiß, dass es immer wieder einige kritische Bemerkungen dahin gehend gegeben hat, dass vor allem im ersten Halbjahr 2001 die Abgabenquote gestiegen ist, dass wir einen Teil der Sanierung über die Einnahmenseite gemacht haben. Das ist wahr, das ist aber auch so kommuniziert worden. Wir haben etwas mehr als die Hälfte der Ein­sparungsvolumina auf der Ausgabenseite erbracht, auch im Jahre 2001, aber es ist aber auch wahr, dass wir im Jahre 2001 einen Höhepunkt bei der Abgabenquote ge­habt haben. Wir steuern dem allerdings mit den Wachstums- und Konjunkturpaketen und mit der Steuerentlastung, die mit Jänner beginnt, deutlich entgegen.

Dazu darf ich Ihnen sagen, dass wir die Abgabenquote heuer bereits um etwa 2 Pro­zent gesenkt haben und dass im nächsten Jahr die Ausgabenquote 43,6 Prozent be­tragen wird. Das zeigt sehr deutlich, dass wir hauptsächlich auf der Ausgabenseite un­sere Sparanstrengungen unternommen haben. Die Ausgabenquote des Bundes wird von 1999 auf 2002 von 54,2 Prozent auf 51,3 Prozent sinken und heuer und nächstes Jahr bei 50 Prozent liegen. Wir werden wahrscheinlich im Jahre 2005 erstmals die 50-Pro­zent-Grenze der Ausgaben, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, unterschreiten.


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Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Impuls ist, indem wir den Bürgern mehr Frei­heit und auch mehr Einkommen belassen und trotzdem die Stabilität unserer Haus­halte nicht überfordern, meine Damen und Herren!

Ab Jänner 2004 beginnt die Steuerentlastung, und zwar erfolgt sie in zwei Etappen: Wir haben uns darauf geeinigt, dass am Beginn ein großer Schritt mit einer Netto­ent­lastung für die Lohn- und Einkommensbezieher im Bereich der Lohn- und Einkom­mensteuern in der Höhe von 1 Milliarde € bereits im Jänner des Jahres 2004 gemacht wird. Es werden ungefähr 2,5 Millionen Menschen in Österreich überhaupt keine Steu­ern mehr zahlen. Einkommen bis 14 500 € sind steuerfrei. Für die mittelständische Wirt­schaft ist es besonders wichtig, dass der 13. Umsatzsteuermonat entfällt, was eine absurde Konstruktion der Vergangenheit war. Wir halbieren praktisch den Steuersatz auf den nicht entnommenen Gewinn ab dem kommenden Jahr und wollen uns natür­lich auch über Forschung und Entwicklung zusätzlich weitere Impulse sichern.

Wir haben überdies jetzt schon eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die uns die Möglichkeit gibt, einen internationalen Steuervergleich zu machen, denn mit dem Betritt von zehn Kandidaten rund um Österreich zur Europäischen Union wird natürlich der Wettbewerb, und zwar auch der steuerliche Wettbewerb, härter werden. Es war eine Initiative von Hubert Gorbach, eine solche Standortbewertungsgruppe mit Wirtschaftsforschern, mit Experten einzurichten, die uns die Chance gibt, zu sehen, wo wir stehen, damit wir die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes nicht gefährden.

Wir werden Ihnen Ende Jänner 2004 die große Steuerentlastung, die dann am 1. Jän­ner 2005 voll in Kraft treten wird, darstellen und umfassend präsentieren. Sie soll eine Nettoentlastung in der Höhe von etwa 2,5 Milliarden € bringen. Es soll auch eine we­sent­liche Strukturänderung erfolgen: Abschaffung von einigen Bagatellsteuern, Re­duktion der Tarife, ein faires Steuersystem, mit dem sich die österreichischen Steuer­zahler auch besser identifizieren können. Ich glaube daher, dass wir mit dieser Entlas­tung auf der Einnahmenseite einen wichtigen Impuls für die Standortsicherung geben.

Parallel dazu haben wir in den letzten Tagen bereits gemeinsam ein Wachstums­pa­ket 3 geschnürt, das, so glaube ich, auch von den Wirtschaftsforschern, von der Wirt­schaft selbst sehr positiv angenommen wurde. Wir haben gestern den ersten For­schungs- beziehungsweise Reformdialog in dieser Legislaturperiode gehabt. Wir ha­ben im Rahmen dessen umfassend präsentiert, was wir in diesem Bereich zusätzlich vorhaben. – Ich darf ganz unbescheiden sagen: Das ist wahrscheinlich für die For­schungs- und Science-Community der größte Sprung nach vorne, den es überhaupt gegeben hat. Ich sehe hier auch einige Teilnehmer des gestrigen Forschungsdialogs. Es gab in etwa 80 Teilnehmer, darunter vertreten waren alle Universitäten, die Aka­demie der Wissenschaften, alle Bundesländer, die Parlamentsparteien, die Sozialpart­ner und auch Wirtschaftsforscher.

Es hat überhaupt keine Kritik an der Tatsache gegeben, dass wir immerhin 1,2 Milliar­den € frisches, neues Geld in dieser Legislaturperiode für die Forschung und Entwick­lung ausgeben. Wir haben dazu ein, wie ich glaube, absolut revolutionäres, neues Or­ganisationskonzept auf den Tisch gelegt, nämlich eine Nationalstiftung, die mit 1,5 Mil­liarden € von der Notenbank und mit etwas mehr als der Hälfte, nämlich 1,8 Mil­liarden €, vom ERP-Fonds gespeist wird, sodass wir 3,3 Milliarden echtes Geld, gewid­met für die Zukunftsforschung in Österreich, zur Verfügung haben. Es wird immerhin jährlich 125 Millionen € für die Fonds, für die Universitäten, für die angewandte oder für die grundlagenbezogene Forschung geben.

Dazu haben wir einen Forschungsimpuls auf der Steuerseite gesetzt, den es in Öster­reich überhaupt noch nie gegeben hat. Es werden in Hinkunft Forschungsausgaben für volkswirtschaftlich wertvolle Produkte mit 35 Prozent und für alle anderen mit 25 Pro-


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702. Sitzung / Seite 18

zent oder alternativ mit einer Prämie von 8 Prozent absetzbar oder förderbar sein. Wir glauben, dass wir damit für die Wachstumsperspektive Österreichs, für die Wirtschaft und die Arbeitnehmer einen ganz wichtigen Impuls geben können.

Was haben wir in diesem Wachstumsprogramm noch vor? – Wir wollen vor allem die Möglichkeit der Grenzlandförderung verstärkt einsetzen. Wir haben bei einem genauen Screening gesehen – wir bekommen das jeden Monat geliefert –, was in den Bun­desländern für die Grenzregionen eingesetzt wird. Dabei hat sich herausgestellt, dass etwa die Hälfte der zugesagten Geldmittel – das sind für ganz Österreich immerhin 7 Milliarden € im ländlichen Raum und 6 Milliarden € für alle Strukturförderungen – noch nicht ausgeschöpft ist.

Da das mehrjährige Programme sind und wir annehmen, dass wir zwischen 1,25 Mil­liarden € und 1,5 Milliarden € für die Grenzregionen einsetzen können, wird das für uns gemeinsam mit den Bundesländern ein ganz besonderer Schwerpunkt sein, um die Voraussetzungen für den Beitritt optimal nutzbar zu machen.

Wir haben überdies in den letzten Wochen einen Gesundheitsreformdialog mit allen be­troffenen Ministern begonnen. – Du hast wieder über den Transit verhandelt, daher hat Herbert Haupt diesen Part federführend übernommen, und zwar gemeinsam mit Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat. Wir haben einen Reformdialog mit allen Sozialversicherungsträgern, mit den Sozialpartnern, mit allen politischen Parteien be­gonnen, bei welchem wir die Prinzipien einer Reform auf den Tisch gelegt haben: keine Beitragserhöhungen, aber Verwaltungseinsparungen, nichts, was die Versicherten in irgendeiner Weise in der Qualität der medizinischen Versorgung negativ berühren könnte, wohl aber klare Sparanstrengungen etwa bei den Medikamentenkosten oder in der inneren Organisation, Vermeidung der Verluste bei den Schnittstellen zwischen Spitälern, niedergelassenen Ärzten, Krankenkasse, Bundeskrankenanstaltenfonds et cetera.

Dieser Gesundheitsdialog ist erstmals in der Republik so geführt worden, das Modell hat sich auch sehr bewährt. Wir haben dort auch eine breite Unterstützung für unser Anliegen bekommen, vor allem konnte die Gesundheitsministerin ein sehr ambitiöses Reform- und Einsparpaket für Medikamentenpreise vorlegen. Zum ersten Mal haben die Pharmaindustrie, die Apotheken, der Großhandel freiwillig – allerdings nach ziem­lich harten Verhandlungen – zugestimmt. Insgesamt können wir mit den Maßnahmen, die wir schon in den Budgetbegleitgesetzen vor dem Sommer gesetzt haben, ein Ein­sparvolumen von etwa 400 Millionen € pro Jahr am Ende des Jahres 2006 sicher­stel­len. Das steigt langsam an, wird dann im Jahr 2006 eine Gesamtwirkung von rund 400 Millionen € jährlich haben.

Damit ist das Problem noch nicht zur Gänze beseitigt, ich sage das hier ganz offen, aber es ist wesentlich entschärft. Wir haben jetzt die Basis und sozusagen eine Atem­pause, um die nächsten organisatorischen und verwaltungstechnischen Änderungen und Reformen so vorzubereiten, dass wir auch in der Lage sind, das Gesamtthema für diese Legislaturperiode gut zu lösen.

Wir haben natürlich jetzt ein sehr aktuelles Thema zu behandeln, über das der zu­stän­dige Infrastrukturminister intensiver berichten wird, nämlich das Thema Transit; auch das will ich hier nicht verschweigen. Das ist ein nationales Thema, und zwar ein Thema für ganz Österreich. Ich sage das deswegen, weil wir von manchen EU-Ländern Schal­meientöne in der Vergangenheit gehört haben, wie: Passt auf, Ihr könnt durchaus eine Nachfolgeregelung haben, aber eben nicht für ganz Österreich, sondern nur für die Alpenrouten! Aber auch da soll das nicht nach dem Kostenmodell gehen, das wir uns vorgenommen haben.


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Wir haben diese Schalmeientöne nie hören wollen, denn wir stehen auf dem Stand­punkt: Das ist ein gesamtösterreichisches Thema, das etwa Niederösterreich, Wien oder Burgenland auf Grund der Erweiterung genauso betrifft wie Oberösterreich, Salz­burg, Tirol, Vorarlberg, Steiermark oder Kärnten, also alle Nord-Süd-Haupttransversal-Länder! Daher war es uns wichtig, diesbezüglich ganz Österreich im Auge zu behalten.

Was hat sich abgespielt? – Wir haben im Jahr 2001 massiven Druck gemacht, und zwar ich beim damaligen Europäischen Rat in Laeken, dass die Kommission einen Vorschlag für die neue Wegekostenrichtlinie und auch dem Rat einen Vorschlag vor­legen soll, wie eine Nachfolgeregelung für Österreich aussehen könnte. Das hat die Kommission gemacht. Sie hat Wort gehalten und wenige Tage nach dem Euro­pä­ischen Rat in Laeken einen sehr vernünftigen Vorschlag unterbreitet, mit dem wir gut hätten leben können.

Dann ist ein Jahr lang nichts geschehen. Die Verkehrsminister haben trotz der Bemü­hungen der Vorgänger von Hubert Gorbach blockiert. Sie haben einfach darauf ge­setzt, dass irgendwann einmal die Zeit schon knapp werden und das Thema sich durch Zeitablauf lösen würde.

Daraufhin habe ich in Kopenhagen mit ziemlich heftigen Methoden einen weiteren Druckversuch unternommen, damit der Rat bis Jahresende einen Vorschlag unter­breitet und den Vorschlag der Kommission annehmen möge und die Kommission im Früh­jahr 2003 eine neue Wegekostenrichtlinie vorlegt. Die Kommission hat ihr Wort gehalten und tatsächlich im Frühjahr dieses Jahres erstmals einen Entwurf für eine sol­che Wegekostenrichtlinie vorgelegt. Der Rat hat sein Wort nicht gehalten, und zwar bis zu dem berühmten Silvester-Kompromiss – dieser war keiner, weil nicht genügend Mi­nister dort waren, daher war das ganze Gremium nicht beschlussfähig, was eine ziem­liche Blamage, so würde ich einmal sagen, für die Disziplin innerhalb der Europäischen Union war.

Gott sei Dank aber – da war schon Hubert Gorbach am Wort – ist dann im März ein Ratsbeschluss zustande gekommen, und zwar in etwa auf Basis dessen, was wir in Kopenhagen vorbereitet haben und was beim Silvester-Kompromiss vorgelegt wurde. So weit ist es auch gut gelaufen. Aber dann kam – das verstehe ich bis heute nicht – das Europäische Parlament und hat entgegen der Linie der Kommission, entgegen der Linie des Rates eine völlig andere Haltung eingenommen.

Ich will hier auch dazu sagen, dass mich das deswegen sehr enttäuscht hat, weil Österreich immer zu jenen Ländern gehört hat, die das Europäische Parlament in jeder Phase unterstützt haben. Wir hätten angenommen, dass gerade die direkt gewählten europäischen Volksvertreter mehr als vielleicht andere Institutionen näher an den Sorgen und Nöten der Bürger sind, wenn es um Gesundheitsschutz oder um Lebens­fragen eines Landes oder von bestimmten Regionen geht.

Der Caveri-Bericht im Juni im Parlament hat eigentlich das gesamte Gebäude der mühsam aufgebauten Verhandlungen zum Einsturz gebracht. Der Rat hat dann im COREPER  eine Verhandlungs- beziehungsweise Vermittlungsposition eingenommen, die für uns – ich sage das hier ganz offen – nicht annehmbar ist.

Wir haben gestern ein Gipfelgespräch mit den Bundesländern, auch mit der Op­position, mit allen vier Parteiführern gehabt, und dabei ist eine ganz klare einheitliche Linie herausgekommen. Wir werden einen solchen Kompromiss, der nach mensch­lichem Ermessen ungefähr zwischen der jetzigen COREPER-Position und dem Vor­schlag des Europäischen Parlaments liegt, nicht annehmen, weil das ein fauler Kom­promiss ist, und den werden wir nicht eingehen. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen sowie des Bundesrates Konecny.)


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Wir werden natürlich alles unternehmen, um in den nächsten zwei, drei Wochen auf der Basis von Kopenhagen eine Lösung zustande zu bringen, aber wir sollten auch realistisch mit der Möglichkeit rechnen, dass dies nicht denkbar sind, soweit wir die Spielregeln kennen. Daher ist jede Unterstützung für Hubert Gorbach angebracht, zu­gleich aber auch ein ganz klares Nein, und zwar von Seiten aller politischen Parteien – gestern war es so, und ich hoffe, dass es auch heute hier im Bundesrat von allen Bundesländern so kommen wird –, zu diesen Scheinkompromissen, die keine Lösung, sondern bestenfalls sündteure LKW-Zählsysteme sind, die nichts steuern können.

Das Zweite, das wir uns vorgenommen haben, ist, alle rechtlichen Möglichkeiten aus­zu­schöpfen und sie auch anzuwenden, und zwar mit klaren, entsprechenden Anträgen auf einstweilige Verfügungen.

Wir wollen drittens ein LKW-Kontrollsystem aufbauen. Dieses Kontrollsystem könnte über die ASFINAG laufen, die heute schon das Road-Pricing kontrolliert. Wir würden dann nächste Woche im Parlament einen Entwurf im Wachstumspaket mit einem ent­sprechenden Gesetzesänderungsvorschlag vorlegen.

Viertens würden wir ein Netzwerk mit allen Bundesländern aufbauen, damit wir die Möglichkeit wahrnehmen können, alles im gemeinsamen österreichischen wohlver­stan­denen Interesse vorzunehmen.

Ich hoffe, dass Sie heute mit dieser Linie einigermaßen konform gehen und uns auch hier und vor allem Hubert Gorbach den Rücken für die letzten Meter auf der Ver­hand­lungsstrecke stärken.

Wir haben noch ein weiteres Thema zu behandeln, das jetzt sehr stark im Vordergrund steht, das ist natürlich die Arbeit an der europäischen Verfassung, im Rahmen welcher wir auch einige sehr schwierige Entscheidungen zu treffen haben. Ich will auch nicht verhehlen, dass mir manche Vorschläge im Konventsentwurf, der prinzipiell okay ist und einen großen Sprung nach vorne bringt, nicht akzeptabel zu sein scheinen, wie etwas die Reduktion der Kommission auf 15 Mitglieder. Der Rest sollen dann quasi nicht stimmberechtigte Adabeis sein, die natürlich auch ein Büro und einen Dienst­wagen haben, aber eigentlich nichts zu reden haben. Das ist nicht meine Vorstellung von einer europäischen Mitarbeit. Ich möchte haben, dass jedes Land in jeder Insti­tution mit Sitz und Stimme vertreten ist – auch im Interesse der Gleichberechtigung und der Würde jedes Mitglieds. Es ist egal, ob das Land groß, mittel, klein oder winzig, ob wichtig oder weniger wichtig ist, nach meiner Überzeugung ist jeder wichtig im Eu­ropa von Morgen, und in diese Richtung wollen wir arbeiten.

Des Weiteren gibt es eine Reihe von inhaltlichen Fragen. Wir wollen unbedingt in der Frage der Daseinsvorsorge – das ist das, was die Gemeinden bei uns hauptsächlich machen, also Wasserversorgung oder bestimmte kommunale Dienstleistungen; das ist im Konvent sehr missverständlich geregelt – sicherstellen, dass die Prinzipien durch ein europäisches Gesetz – qualifizierte Mehrheit – geregelt werden können. Da kann man plötzlich sehr viel regeln, nämlich die Ausschreibung, das Verbot der Quer­sub­ventionierung und, und, und.

Wir wollen haben, dass jedenfalls das Prinzip unterstrichen wird, dass die nationale Identität und die Steuerbarkeit in dieser Frage durch das Subsidiaritätsprinzip der Union wirklich geschützt werden.

Weiters gibt es die Frage der inneren Sicherheit. Wir glauben nicht, dass man in der Frage der judiziellen Zusammenarbeit plötzlich auf die Einstimmigkeit verzichten kann oder gar überhaupt eine Gemeinschaftsregelung haben kann. Ich persönlich habe auch Zweifel, ob ein europäischer Staatsanwalt, gegen den ich im Prinzip, wenn er sich um Europa-Betrugsfälle kümmert, nichts habe, sinnvoll ist. Aber bei grenzüber­schrei-


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tenden Delikten möchte ich, muss ich sagen, keinen europäischen Staatsanwalt – wir haben ja nicht einmal ein europäisches Strafgesetzbuch, was soll denn dann da ein europäischer Staatsanwalt?

Das ist, glaube ich, ein sehr prinzipielles Thema, das im Konvent offensichtlich als weniger wichtig angesehen wurde. Ich sehe das als wichtig an.

Wir haben bei der militärischen Zusammenarbeit eine ziemlich ähnliche Haltung wie die Finnen, interessanterweise aber auch wie die Briten, nämlich, wir wollen nicht, dass ein closed shop, ein kleiner Club – und wir stehen am Anfang einer militärischen Zu­sammenarbeit – später einmal darüber entscheiden soll, wer dazukommen kann und wer nicht, sondern wenn, dann soll das gemeinsam innerhalb der Europäischen Union diskutiert werden, und zwar für jeden offen, transparent, nach klaren europäischen Prinzipien.

Ich weiß, dass das jetzt ein bisschen im Stakkato gewesen ist, aber ich habe versucht, eine gestraffte Darstellung der Arbeitsvorgabe und -vornahme, die wir uns zum Ziel ge­setzt haben, zu geben. Ich hoffe sehr auf eine gute Zusammenarbeit mit Hubert Gor­bach. Aus langjähriger Kenntnis weiß ich, von seiner Seite her wird es nicht fehlen – ich werde mich genauso bemühen. Lieber Hubert, Glück auf und auf eine gute Zusam­menarbeit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.41

 


Präsident Hans Ager: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Erklärung.

Nunmehr erteile ich Herrn Vizekanzler Hubert Gorbach zur Abgabe einer Erklärung zur Regierungsumbildung das Wort.

 


9.42

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren Bun­desräte! Hohes Haus! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Liebe Gäste! Es war mir bisher leider nicht vergönnt, als Mitglied der österreichischen Bundesregierung hier bei Ihnen sein zu dürfen und zu sprechen. Ich war in diesem Raum – ehrlich zugegeben – bisher nur als Gast und Besucher von Wien, von der Bundeshauptstadt. Ich erinnere mich natürlich gerne daran, weil schon von der Schulzeit an der Bundesrat, die Länderver­sammlung etwas Besonderes für mich war. Das liegt vielleicht auch daran, dass man als Vorarlberger – etwas weiter weg von Wien – ein geborener, ein gelebter, ein prak­tizierender Föderalist ist. Da fühlt man sich dann in einer Länderversammlung, in einer Länderkammer naturgemäß schon sehr wohl.

Ich hoffe, dass es mir heute auch so ergeht und dass ich auch in Zukunft die Mög­lichkeit haben werde, hier zu sein (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), sowohl in meiner neuen Funktion als Vizekanzler der Republik Österreich als auch als Infra­strukturminister, der ein Ressort verwalten darf, das ein hohes Konfliktpotential in sich birgt, weshalb die Zusammenarbeit mit allen Instanzen, mit allen Parteien, mit Vertre­tern aller Interessengruppen sehr wichtig ist.

Es gibt einige Bereiche, die meines Erachtens parteipolitisch außer Streit gestellt gehö­ren. Ich bin deshalb sehr froh darüber – der Herr Bundeskanzler hat das schon sehr richtig gesagt –, dass es uns gestern gelungen ist, zum einen im Gespräch mit den Landeshauptleuten die Interessen unter einen Hut zu bringen und zum anderen in Gesprächen mit den Vertretern der Opposition, Dr. Gusenbauer und Dr. Van der Bel­len, klarzustellen, dass wir in der Transitfrage, die weit über die Grenzen Österreichs hinaus geht und alle Österreicher vital berührt und interessiert, einen Schulterschluss machen und rot-weiß-rot denken und agieren. Das stärkt mich natürlich jetzt in den letz­ten wichtigen Tagen, in denen ich in Brüssel bis zum Schluss versuchen werde,


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das, was ich versprochen habe und was gestern wieder Auftrag war, und zwar von den Landeshauptleuten und von Bundeskanzler Schüssel, zu erreichen, nämlich doch noch eine Übergangslösung zu erzielen, obwohl das nicht einfach sein wird.

Meine geschätzten Damen und Herren! Wir Freiheitlichen waren im Jahr 2000 erstmals nach langer Zeit wieder bereit, Regierungsverantwortung für dieses Land und seine Bür­ger zu übernehmen. Ich war damals schon im Verhandlungsteam und deshalb gut involviert in die programmatische Gestaltung der Regierungsperiode. Daher war ich auch nicht erfreut, dass diese Regierungsperiode früher als vorgesehen zu Ende gehen musste. Ich war dann auch im Verhandlungsteam für die nächste Regie­rungsperiode, und wir haben uns 2003 wieder dafür entschieden, mit der ÖVP ein ehrgeiziges und – das kann man sagen – Mut abverlangendes Programm für Öster­reich zu beschließen, gemeinsam umzusetzen und – das ist noch wichtiger –Punkt für Punkt abzuarbeiten. Ich denke, wir sind dabei gut unterwegs, wie wir auch vorher aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers gehört haben.

Es ist dies ein Reformprogramm, meine Damen und Herren, das notwendig ist, aber auch ein Reformprogramm, das immer wieder auf natürliche Widerstände stößt – das ist immer so: Dort, wo sich etwas verändert, gibt es, vielleicht nicht immer reflexartig, Widerstand, weil man mit der Situation, wie sie ist, gerade bei uns in Österreich sehr zufrieden sein kann und sich dann fragt: Wozu verändern?

Im Übrigen ist die österreichische Mentalität ja wirklich so: Alle sind für Reformen, es soll sich aber nichts verändern! – Ich spüre das auch in meinem Ressort sehr deutlich. Aber trotzdem hoffe ich, geschätzte Damen und Herren des Bundesrates, dass gerade Sie, die Sie die Ländervertreter sind, die Reformnotwendigkeit, zum Teil sogar ekla­tante Reformnotwendigkeit, erkennen und uns, die Bundesregierung, entsprechend unter­stützen.

Ich denke, wir haben Voraussetzungen, für dieses Land exzellente Rahmenbe­din­gun­gen für die wichtigen Punkte der Zukunft zu schaffen, Rahmenbedingungen, damit wir unseren Wirtschaftsstandort ausbauen und sichern können, damit wir uns im inter­na­tionalen Wettbewerb gut behaupten können, damit wir unsere Pensionen und – was noch wichtiger ist – die Pensionen unserer Kinder sichern können, damit wir jungen Menschen helfen können, ihre Lebensmodelle umzusetzen, sei es mit einer guten Aus­bildung – Stichwörter: Schulen, Universitäten, Lehrberufe –, sei es mit Förderungen für Familien oder durch die Schaffung von attraktiven Arbeitsplätzen.

Dazu darf ich ergänzend feststellen, dass es angesichts der Arbeitslosenentwicklung gut ist, dass wir ein Jugendbeschäftigungsprogramm machen. Wir werden diesbe­züg­lich in den nächsten Wochen einiges vorstellen können, das eben in die Richtung geht, dass insbesondere Jugendliche in unserem Land Arbeit haben. Ich glaube, es gibt nichts Schlimmeres, als wenn junge Menschen, die arbeiten wollen, keinen ihrer Aus­bildung, ihrem Können und Wollen adäquaten Arbeitsplatz finden. Deshalb haben wir ein Jugendbeschäftigungsprogramm zu einem Schwerpunkt unserer Arbeit in den nächsten Tagen und Wochen gemacht, um sicherzustellen, dass die arbeitswilligen jungen Menschen wirklich entsprechende Arbeit haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wichtig ist auch, dass wir in diesem Land sicher leben können. Wichtig ist weiters die Gesundheitsvorsorge – da steht ja eine nächste große Reform zur Debatte, das wird noch einiges an Diskussionsstoff liefern. Wir sind bereit, nicht nur für eine oder zwei Legislaturperioden, sondern für Generationen entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, sodass die Gesundheitsvorsorge in Österreich gesichert ist.

Kurz: Dieses Reformprogramm ist ein Garant für eine nachhaltig hohe Lebensqualität der Österreicherinnen und Österreicher.


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Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen sagen – man weiß es ohnehin –, dass ich immer zu diesem Modell einer bürgerlichen Regierung gestanden bin, aber nicht nur, weil ich selbst gut zehn Jahre Mitglied einer bürgerlichen Landesregierung sein durfte; dort als Juniorpartner, dem es aber doch gelungen ist, in den Bereichen Straßenbau, Hochbau, Abfallwirtschaft, Wasserwirtschaft in Vorarlberg Spuren zu hinterlassen und einen Beitrag dazu zu leisten, dass es heute dort so gut geht – Gott sei Dank!

Ein Vergleich hinkt immer, das weiß ich schon, aber mit etwas Stolz sage ich, dass die Grundlage dieses Wohlstandes und dieser positiven Entwicklung wahrscheinlich auch der sparsame Umgang mit Steuergeld, das Sparen zur richtigen Zeit ist. Deshalb wird der Vorarlberger Landtag demnächst zum 19. Mal en suite, also hintereinander, ein Budget mit einer Nettoneuverschuldung von null verabschieden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Deshalb bin ich auch überzeugt davon, dass der Konsolidierungs- und Stabilitätskurs der Bundesregierung, der nicht überall beliebt ist und nicht überall gut ankommt, der richtige Weg ist, insbesondere der richtige Weg, wenn wir nicht nur an heute, sondern vor allem an morgen und übermorgen denken. Einige werden noch viel später drauf­kommen, dass es richtig war, in diesen Zeiten, in denen man es sich hat leisten kön­nen, zu sparen und da und dort den Rotstift anzusetzen.

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir schon die Bemerkung, dass mich ein Ver­gleich mit dem benachbarten Ausland sehr sicher macht. Unabhängig davon, wie die politische Konstellation in Deutschland jetzt ist – man kennt sie ohnehin –, sollten wir Deutschland mit seiner jetzigen Entwicklung als warnendes Beispiel dafür hernehmen, wie wir es in Österreich nicht haben wollen und nicht provozieren sollten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir wissen, dass dort ein rentenpolitisches Chaos herrscht. Wir diskutieren Gott sei Dank darüber, welche Erhöhung wir uns leisten können – in Deutschland werden die Renten gekürzt, diskutiert man über eine Rekordneuverschuldung von 43 Milliarden €, meine Damen und Herren, wird die sozialpolitische Realität übergangen und ist man an einem Tiefpunkt in der Sozialpolitik angekommen. – All das wollen wir in Österreich nicht haben, und ich bin sehr überzeugt davon, dass diese Bundesregierung von ÖVP und FPÖ auf dem absolut richtigen Weg ist. Wir werden die Reformen, die wir uns vor­genommen haben, mit aller Konsequenz und – wo es notwendig ist – mit der erfor­der­lichen Härte, aber mit sozialer Verträglichkeit umsetzen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch ein paar Worte zu meiner Einstellung zur Europäischen Union sagen, und zwar auch deshalb, weil jetzt die EU immer wieder im Zusammenhang mit dem Transitvertrag in aller Munde ist. Der Transitvertrag wurde vor zehn Jahren abgeschlossen (Bundesrat Manfred Gruber: Gott sei Dank!), und da­mals, vor zehn Jahren, wurde meines Erachtens der wirkliche Fehler gemacht. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.) Ich werfe aber niemandem etwas vor, denn im Nachhinein ist man immer gescheiter.

Tatsache ist, meine Damen und Herren, dass man vor zehn Jahren davon ausge­gan­gen ist (Bundesrat Manfred Gruber: Vor 20 Jahren war auch noch irgendetwas!), dass dieser gute Transitvertrag mit dem Ökopunktesystem, das uns insbesondere umwelt­bezo­gen einiges gebracht hat – keine Frage –, zehn Jahre später durch europaweite Wegekostenrichtlinien ersetzt wird. Man hat darauf vertraut, weil das versprochen wurde, hat aber die Eventualität nicht berücksichtigt, was ist, wenn der Transitvertrag, der ein Ablaufdatum hat, wirklich abläuft, die Wegekostenrichtlinien jedoch noch nicht gelten.

Ich bin kein Jurist, aber es wäre wahrscheinlich ein Leichtes gewesen, ein, zwei Sätze hinzuzufügen dahin gehend, dass sich der Transitvertrag dann automatisch jeweils um


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ein Jahr verlängert. Wir bräuchten dann all diese Diskussionen nicht. Aber diese Even­tualität – meine Damen und Herren, ich muss das so sagen – hat man leider vergessen oder nicht berücksichtigt, und deshalb sind wir heute in einer schwierigen Situation.

Umso mehr freue ich mich, dass es den die Parteigrenzen überschreitenden Schul­terschluss in dieser Frage gibt, weil wir alles tun müssen, um unsere Bevölkerung vor den negativen Auswirkungen eines nicht mehr zumutbaren Transits zu schützen und diesen abzuwehren.

Wir werden, sollte es nicht mehr gelingen, eine taugliche Lösung mit der EU zu finden, innerstaatlich alle Maßnahmen, die es zu treffen gilt und die rechtlich möglich sind – natürlich innerhalb des EU-Rechts –, ergreifen. Ich kann Ihnen sagen, dass ich gleich gestern – Herr Bundeskanzler, auch dir darf ich das mitteilen – auf Grund der Bespre­chung mit den Landeshauptleuten und der Besprechung mit den Chefs der Oppo­si­tionsparteien und unserer Nachbesprechung noch bis 24 Uhr mit meinen Mitarbeitern alle Maßnahmen eingeleitet habe, die wir besprochen haben: dass die ASFINAG-Mitar­beiter ausgebildet werden, um die Kontrollen durchzuführen, dass geschaut wird, wo es Parkplätze gibt, bereits Pläne verlangt werden, um Kontrollen durchführen zu kön­nen, Infrastrukturen zu prüfen, um eventuell Beschränkungen vorzunehmen, zu prüfen, wie es rechtlich, juristisch mit Nachtfahrverboten ausschaut, und Ähnliches mehr.

Ich meine, es ist ein Gebot der Stunde oder die verdammte Pflicht eines österreichi­schen Politikers, jetzt der EU zu sagen: Wenn du uns nicht hilfst, dann greifen wir zu dem Mittel, das immer noch stimmt und da heißt: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott! – Wir werden uns zu helfen wissen, wir werden jedenfalls alles tun. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat schon gesagt, dass wir uns in einer Investitionsoffensive befinden. Ich habe zu Recht nach schwierigen Verhand­lun­gen mit dem Herrn Finanzminister das Jahr 2003 als das „Jahr des Straßenbaus“ aus­rufen können. Noch nie wurde so viel in den Ausbau des hochrangigen Straßennetzes in­vestiert. Wir investieren über die ASFINAG jährlich über 1 Milliarde € – für ein kleines Land wie Österreich mit einem bescheidenen hochrangigen Straßennetz im Vergleich zu den Nachbarländern Italien und Deutschland eine enorm hohe Summe. Diese Sum­me wird in den nächsten Jahren noch steigen, das wurde schon gesagt.

Ich bin deshalb als Infrastrukturminister sehr froh, dass der Straßenausbau gesichert ist, natürlich mit Maß und Ziel, insbesondere auch im Sinne der Erhöhung der Sicher­heit, etwa wenn es darum geht, an den neuralgischen Punkten Verbesserungen vorzu­nehmen, etwa in Kärnten, in der Steiermark, in Salzburg und in Tirol die einröhrigen Gegenverkehrstunnel in zweiröhrige umzubauen, mit vier Spuren, damit nicht nur der Verkehr dort flüssiger abgewickelt werden kann, sodass die Staus, über die wir wö­chen­tlich im Radio hören, insbesondere in der Urlaubszeit, der Vergangenheit ange­hören, sondern auch die Sicherheit erhöht werden kann.

Ich habe überhaupt, meine Damen und Herren, das Thema Sicherheit zu einem Schwerpunkt innerhalb meiner Verkehrspolitik als Bundesminister gemacht. Es gibt Arbeitsgruppen, die alles tun, beginnend bei der Reform des Führerscheins bis hin zum Ausbau und der Verbesserung der Infrastruktur, um schreckliche Unfälle und Todes­fälle zu vermeiden.

Das Ziel ist es, die Zahl der Verkehrstoten auf Österreichs Straßen – letztes Jahr wa­ren es 956 – bis zum Jahr 2010 um die Hälfte zu reduzieren.

Damit Sie einen Vergleich haben – Benchmarking ist ja heute in –: In den 15 EU-Staa­ten sterben jährlich 42 000 Menschen auf der Straße. Wenn man das auf den Tag um­rechnet, kommt man auf täglich 116 Menschen! Meine Damen und Herren! Wir neh-


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men die entsprechenden Zeitungsmeldungen relativ gelassen zur Kenntnis. Wenn ein Flugzeug abstürzt, ist das natürlich eine furchtbare Katastrophe, aber so gesehen pas­siert in Europa täglich ein Flugzeugabsturz!

Deshalb ist dieses Thema wichtig, und ich habe dessen Behandlung auch auf euro­päischer Ebene forciert. Zuletzt haben wir Verkehrsminister vor 14 Tagen in Verona dies­bezüglich eine Deklaration unterschrieben. Wir sind übereingekommen, dass wir uns jährlich dort treffen, um abzustimmen, wer im Bereich Sicherheitserhöhung was tut, um auszugleichen, um zu vergleichen und um etwas zu tun, um diese Zahl von 42 000 Toten zu reduzieren.

Ich bin froh darüber, meine Damen und Herren, dass ein sicheres Fortbewegungs­mit­tel, ein sicherer, umweltfreundlicher Verkehrsträger, nämlich die Schiene, die Bahn, ebenfalls entsprechend dotiert ist und derzeit umgebaut wird, nämlich so aufgestellt wird, dass sie international wettbewerbsfähig sein wird, dass sie ein modernes, ein dynamisches Unternehmen sein wird, das auch auf einem liberalisierten Markt be­stehen kann.

Ich muss das sagen, man kann es nicht oft genug sagen: Es haben sich die Verhält­nis­se geändert. Das Monopol, wenn Sie so wollen, ist vorbei. Die Staatsbahn ist von gestern – heute und morgen gilt es, in einem internationalen Wettbewerb zu bestehen!

Die österreichische Bundesregierung und ich als Verkehrsminister und Eigentümer­ver­treter möchten, dass die österreichische Bahn den steigenden, den wachsenden Markt nützt, zusätzliche Marktanteile gewinnt und im Wettbewerb ordentlich mitmischt. Wir möchten, dass die Arbeitsplätze sicher sind, dass das Kundenservice und die Kun­denfreundlichkeit noch höher werden – damit meine ich: nicht nur gegenüber dem einzelnen Bahnfahrer, sondern auch gegenüber der Wirtschaft und der Industrie.

Stichwort: Verlagerung von Gütern von der Straße auf die Schiene – das kann man nicht nur jeden Sonntag in schönen Politikerreden sagen, dafür muss man auch etwas tun, und das möchten wir auch.

Ich sage immer dazu: Das, was wir jetzt mit den ÖBB tun (Bundesrat Reisenberger: Ist eindeutig Vertragsbruch!), ist kein Zerschlagen und schon gar nicht ein Zertrüm­mern der Österreichischen Bundesbahnen, sondern in Wirklichkeit ein Arbeitsplatz­si­che­rungsprogramm! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ersparen Sie Ihnen und mir, dass ich jetzt auf Details dieser Reform eingehe, wir werden bei anderer Gelegenheit noch genug darüber reden und diskutieren können. Ich sage hier nur noch eines dazu: Es wäre völlig falsch – Sie wer­den das von mir nie erlebt haben und mir auch nicht vorwerfen können –, die Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter der Österreichischen Bundesbahnen zu beschuldigen oder verantwortlich zu machen für den Zustand, sage ich, der dort herrscht. (Bundesrat Manfred Gruber: Wo ist der Aufsichtsrat und wo ist das Management bei den ÖBB?)

Tatsache ist, meine Damen und Herren, dass das ein System ist, das eine Fehlent­wicklung genommen hat auf Grund von Entscheidungen, die nicht auf wirtschafts­poli­tischen Überlegungen fußten, nicht auf volkswirtschaftlichen Überlegungen fußten, son­dern da und dort parteipolitische Überlegungen dazu beigetragen haben, dass man nicht reformiert hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Geschätzte Bundesräte! Meine Damen und Herren! Wenn ich einen zweiten Bereich, für den ich verantwortlich bin, auch noch kurz anschneiden darf, dann ist das der zwei­te wichtige Bereich Forschung und Entwicklung. Ich bin sehr gerne Forschungsminister und sage Ihnen, dass ich gestern sehr stolz war, am Vormittag diesen dritten For­schungsdialog mitzuerleben, wo wir mit einem wirklich hochkarätigen Auditorium dis-


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kutiert haben, eine neue Forschungslandschaft vorgestellt haben, die auch zum Inhalt hat, Synergien zu nutzen, transparenter zu werden, die Bürokratiekosten, Verwaltungs­kosten abzubauen und direkt in die operative Forschung fließen zu lassen. Diese Re­form hat vor allem die Absicht, die Forschungslandschaft Österreichs zu internationali­sieren und insbesondere an die EU-Gegebenheiten anzupassen.

Wir haben derzeit eine Forschungsquote von 1,96 Prozent. Es ist unser Ziel sowie das der EU nach Barcelona, auf 2,5 Prozent im Jahr 2006 und 3,0 Prozent im Jahr 2010 zu kommen. Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Mit 1,96 Prozent liegen wir in der EU im Mittelfeld, am achten, neunten Platz, und wir haben mit der Realisierung dieses Zieles vor, unter die Top 5, vielleicht sogar unter die Top 3 diesbezüglich zu kommen. Und wir tun alles, damit wir auch dorthin kommen.

Der Herr Bundeskanzler hat es erwähnt: 1,2 Milliarden € in den nächsten drei Jahren bis 2006 zusätzliches Geld zu den Forschungs- und Entwicklungsbudgets, die aus­ver­handelt sind. Das soll uns ein Land, ein Staat in Zeiten, wo alle sparen müssen, zuerst einmal nachmachen!

Meine Damen und Herren! Wenn wir im Forschungsbereich – das ist im so genannten Wirtschaftspaket beinhaltet – bei den Fördermöglichkeiten, um nur ein Beispiel zu nen­nen, eine Forschungsprämie in der Größenordnung von 8 Prozent, einen For­schungs­freibetrag in der Größenordnung von 25 Prozent – das kostet immerhin etwa 100 Mil­lionen Schilling jährlich – und darüber hinaus für besonders langjährige, besondere Forschungen bis zu 35 Prozent einräumen, dann sage ich, dass wir mit diesem Stand­ortvorteil, mit diesen Rahmenbedingungen für die Forschung Spitze sind in Europa. Wir sind mit Spanien und Portugal, die in diesem Bereich nicht im Wettbewerb mit uns stehen, Nummer eins, also Spitze. Das macht, meine Damen und Herren, einen For­schungsminister, weil Forschung und Entwicklung auch Zukunft heißt, sehr zufrieden und sehr stolz, und das sollte es eigentlich Sie als Volksvertreter auch machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Last but not least darf ich auch festhalten, dass nicht nur die Modernität der Infra­struktur im Straßen- und Schienenbereich, auf den Wasser- und Luftwegen wichtig und interessant ist, sondern dass es auch im Bereich der Telekommunikation gilt, die ent­sprechende Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Da darf ich erwähnen, dass wir eine Breitbandoffensive vorhaben. Es ist erfreulich, dass ich in einem relativ kurzen Gespräch beim Herrn Bundeskanzler diesbezüglich sofort auf offene Ohren gestoßen bin – und, wenn ich das richtig verstanden habe, eigentlich auch beim Herrn Finanz­minister. Wir werden daher ein Drittel jener Summe, die man in Österreich braucht, nämlich 30 Millionen € jährlich, also 10 Millionen, zur Verfügung stellen – 10 Millionen sollen von den Ländern und 10 Millionen von der EU kommen –, um sicherzustellen, dass durch diese Breitbandinitiative etwas sehr Wichtiges geschieht, nämlich dass der Zu­gang zu den modernen Kommunikationsmitteln, also etwa zum Internet, im länd­lichen Gebiet genauso gut, einfach und billig möglich ist wie in den Ballungsräumen, also in den städtischen Bereichen.

Ich betrachte das als eine sehr wichtige Initiative und bin froh, dass man in dieser sehr reformfreudigen, modernen und flexiblen Regierung mit guten Ideen immer rasch auf offene Ohren stößt.

So war es auch bei dieser Gruppe, die der Herr Bundeskanzler schon erwähnt hat, der Steuerevaluierungsgruppe, die ein Monitoring betreibt, um festzustellen, wie sich unse­re Nachbarländer in Bezug auf das Steuersystem im Verhältnis zu uns entwickeln, wie sich der Wettbewerb verhält – etwas, was in der privaten Wirtschaft gang und gäbe ist: dass ich meine Mitbewerber beobachte und schaue, ob mein Programm, mein Produkt


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noch stimmt. Auch hier bin ich beim Herrn Bundeskanzler spontan auf offene Ohren ge­stoßen, und wir werden diese Gruppe einrichten.

Gerade heute früh, Herr Bundeskanzler, habe ich daran gedacht, als ich einen Bericht hörte über die Einführung der Flat-Tax in der Slowakei, eines einheitlichen Steuer­satzes von 19 Prozent. Solche Dinge werden uns, was den Wirtschaftsstandort Öster­reich, die Ansiedelung und Haltung von internationalen Headquarters betrifft, noch Schwie­rigkeiten machen. Deshalb bin ich froh, dass wir hier aufmerksam sind und den Wirtschaftsstandort Österreich sichern und ausbauen und damit natürlich auch Arbeits­plätze sichern – um wieder am Beginn meiner Rede zu sein.

Ich werde aber jetzt nicht von vorne beginnen, meine Damen und Herren, sondern selbstverständlich nun zum Schluss kommen. Ich darf vielleicht aber noch festhalten, dass ich mich, wie gesagt, als geborener, lebender und praktizierender Föderalist im­mer gegen Zentralismus einsetzen werde, aber für Fortschritt, das heißt auch für Re­formen. Nichts ist so beständig wie die Veränderung. Ich werde immer gegen Über­reglementierung und Bürokratie auftreten, mich dafür für die Deregulierung und mehr Eigenverantwortung einsetzen. Ich werde gegen die Aufgabe der Identität einzelner Regionen, gewachsener Regionen sein und werde für ein Europa der Regionen sein, aber nicht nur in Sonntagsreden, sondern auch immer dann, wenn es gilt, mahnend aufzutreten. Gerade angesichts dessen, was sich in der Europäischen Union derzeit abspielt, ist es wichtig, dass wir dieses „Europa der Regionen“ nicht nur aussprechen, sondern auch leben und dafür kämpfen.

Meine Damen und Herren! Der ehemalige Bundespräsident von Deutschland Richard von Weizsäcker hat einmal gesagt: Die wichtigste Aufgabe für uns, die wir heute Ver­antwortung tragen, ist, die lebenswerte Zukunft für nachfolgende Generationen, also für unsere Kinder, so zu gestalten, dass sie es schön oder schöner haben als wir. – Ich hoffe, Sie helfen mir dabei. Ich freue mich auf gute Zusammenarbeit.

Ich darf abschließend noch meinem Vorgänger Herbert Haupt recht herzlich danken. Er hat Großartiges geleistet, und jetzt freut er sich, dass er sich den vielen Aufgaben, die in seinem Sozialressort warten, widmen kann, und ich freue mich mit ihm auf eine gute Zusammenarbeit mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und seinem Team. – Herzlichen Dank! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.08

 


Präsident Hans Ager: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Erklärung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Konecny. Ich erteile ihm dieses.

 


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Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine Herren Staatssekretäre! Normalerweise, wenn eine Regierung ge­scheitert ist, tritt sie zurück. – Diese wechselt den Vizekanzler aus und meint, damit sei alles in Ordnung. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

Es wird uns erzählt, dass jetzt alles ganz anders wird. Die Akteure haben geringfügig die Rollen getauscht. Wenn wir dem Herrn Vizekanzler zuhören und seine über­schwängliche Dankbarkeit dafür vernehmen müssen, dass er beim Herrn Bundeskanz­ler auf offene Ohren stößt, dann würde ich sagen, er ist die Besetzung für den jugend­lichen Liebhaber. Und der Herr Altvizekanzler ist weiterhin im Sozialressort tätig. – Ich habe übrigens sehr aufmerksam bemerkt, dass die Regierungsfraktionen beim ausge­sprochenen Dank des Herrn Bundeskanzlers an ihn nicht das Bedürfnis gehabt haben, die Hände zu bewegen. Das wird ja wohl seinen Grund haben. (Ruf bei der ÖVP: Ich schon!) Als der Herr Bundeskanzler dem Herrn Vizekanzler Haupt gedankt hat, haben


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die Regierungsfraktionen schlicht und einfach ausweislich des Protokolls nicht applau­diert. Das habe ich gemeint. Was Sie sonst mit dem Finger gemacht haben, weiß ich nicht. (Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren! Ein Neubeginn ist das nur in einer Hinsicht: Der Herr Vize­kanzler bietet offenbar die Gewähr, dass unbotmäßige Bemerkungen, zumindest in der Öffentlichkeit, zu der in begrenztem Umfang auch der Bundesrat gehört, in Zukunft unterbleiben werden.

Ich habe auch mit Interesse erfahren, dass Sie Mitglied einer „bürgerlichen Regierung“ sind, Herr Vizekanzler. Die vielen – nicht mein Ausdruck – „kleinen Leute“, die Ihre Partei gewählt haben, werden es mit Interesse bemerken, was jetzt auf dem Etikett steht. Sie haben es bis zu einem gewissen Grad schon gemerkt, dass Sie zu einer höchst bürgerlichen, reaktionären Regierung gehören, dass das soziale Element unter die Räder gekommen ist. Und Sie betonen das halt jetzt und exekutieren es auch. Meine Damen und Herren, daran üben wir Kritik, aber das Urteil darüber steht natürlich nicht uns zu, sondern dem Wähler. Das muss man wohl an dieser Stelle sagen: Die ab heute nicht unwesentlich geänderte Zusammensetzung des Bundesrates scheint mir doch ein gewisses Indiz dafür zu sein, dass es der Wähler zwar in noch nicht ganz ausreichendem, aber wachsendem Umfang tatsächlich gemerkt hat. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es war eine bemerkenswerte Auswahl von Themata, die uns heute vorgelegt wurde. Ich möchte eines herausgreifen, weil es mir auch zunächst einmal wichtig erscheint, hier Standpunkte außer Streit zu stellen. Es ist keine Frage, dass Österreich die Hal­tung der Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten und der Mehrheit des Europäischen Par­la­ments nicht akzeptieren kann und dass im Rahmen der rechtlichen – nicht berau­schen­den – und faktischen – Hirnschmalz ist gefragt – Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, eine Art transitpolitische Selbstverteidigung angemessen ist.

Ich glaube nicht, Herr Vizekanzler, dass jene larmoyante Haltung, die Sie in Ihren Be­merkungen zum Transitvertrag beziehungsweise zu dessen Auslaufen hier vertreten haben, eine besonders ermutigende ist, dass ein nationaler Schulterschluss Bestand haben wird. Wenn Sie glauben, dass es vor zehn oder zwölf Jahren leichter war, mit der EU zu verhandeln, als jetzt, dann täuschen Sie sich. Jetzt so zu tun, als hätten Sie das vor zehn Jahren wunderbar anders gemacht, Herr Vizekanzler, zeugt zwar von Selbstvertrauen, was auch keine schlechte Eigenschaft ist, aber auch von einem hohen Maß an Selbstüberschätzung, was nicht so positiv ist.

Wahr ist, dass auch die letzten vier Jahre nicht wirklich in glanzvoller Art und Weise genützt worden sind, aber ich habe nicht die Absicht, darauf herumzureiten. Wir haben bei den damaligen Akteuren an den konkreten Punkten, wo es notwendig war, unsere Kritik angebracht. Im Augenblick hilft es uns nicht sehr viel, auch Ihre Feststellung nicht, sondern wir haben in einem sehr eingeschränkten Handlungsspektrum ein Maxi­mum in einem doch gemeinsamen Interesse zu vertreten, und ich gehe davon aus, dass es dem Bundesrat auch möglich sein wird, das gemeinsam politisch zum Aus­druck zu bringen, wie immer die Technikalitäten der Formulierung ausschauen, weil hier ein tatsächliches Lebensinteresse nicht nur schmaler Korridore, sondern großer Teile der Republik betroffen ist.

Ich bin Wiener und nicht legitimiert, als Sprecher der Tiroler oder Vorarlberger oder Salzburger aufzutreten, aber ich fühle mich im höchsten Maße legitimiert – einfach um diesen Standpunkt zu unterstreichen, und nicht um eine „Leidenskonkurrenz“ zwischen den Teilen Österreichs aufzubauen –, darauf hinzuweisen, dass die Explosion des LKW-Verkehrs in der Ostregion Dimensionen angenommen hat und eine Betroffenheit bei der Bevölkerung ausgelöst hat, die durchaus jene in den traditionellen Transit­gebie-


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ten, an die natürlich vor zwanzig Jahren und vor fünfzehn Jahren primär gedacht wur­de, erreicht und übertroffen hat, unter anderem auch deshalb, weil hier erst sehr lang­sam Verkehrsstrukturen, auch im Straßenverkehr, aufgebaut wurden, die diese Tran­sitlawine wenigstens von den Ortszentren weggebracht hat, was sie nicht besser ge­macht hat. Aber solange man – wenngleich nicht mit dem LKW – durch mittelalterliche Stadttore von Wien nach Bratislava fährt, so lange ist Transit in diesem Bereich ein doppeltes Problem, weil es einerseits die schiere Quantität ist, die zum Problem wird, und andererseits das Wegdrängen von den dicht besiedelten Ortszentren noch längst nicht vollendet ist.

In diesem Fall ist es überhaupt keine Frage, dass wir unsere nationalen Interessen, die Interessen unserer Bevölkerung zum Ausdruck bringen müssen und dass wir das eini­germaßen erfolgversprechend nur gemeinsam tun können.

So weit das Element, wo ich dem Herrn Vizekanzler vollinhaltlich Recht geben kann, mit Ausnahme seines selbstbewussten Schlenkers, und wo ich dazu aufrufe, dass wir hier wirklich alle unsere Möglichkeiten, die wir sonst haben, außerhalb des Beschlie­ßens von Resolutionen, nützen. Wir vertreten einen Standpunkt, und Standpunkte sind Menschen, Strukturen und Organisationen zu vermitteln. Im Europaparlament ist uns das nicht gelungen, auf Regierungsebene ist es nicht gelungen, aber es gibt natürlich Ansprechpartner in all unseren Partnerstaaten, wo wir für diesen Standpunkt um Sym­pathie werben können, und das ist etwas, was auch Einzelne, Parteien und Gruppen tun können und tun sollten.

Meine Damen und Herren! Davon abgesehen – und ich habe das sehr bewusst außer Streit gestellt – ist es eine eigenartige Regierungserklärung aus Anlass einer Regie­rungsumbildung. Da desertiert das österreichische Erziehungssystem in die Pension – was ich nicht kritisiere, denn ich kann die Überlegung, die dahinter steht, sehr gut ver­stehen: bei gutem Wind unter noch halbwegs erträglichen Pensionsbedingungen abzu­hauen, bevor denen in der Regierung noch etwas einfällt, was mich überhaupt dazu verurteilt, bis 70 zu arbeiten.

Gibt Ihnen das nicht zu denken, dass ein im Allgemeinen als besonders loyal und peni­bel beschriebener Berufsstand einfach Fersengeld gibt, weil er sich vor seiner Dienst­herrschaft fürchtet, so sehr fürchtet, dass er namhafte Pensionsabschläge in Kauf nimmt, bevor er sein künftiges Lebensschicksal diesen Händen anvertraut? Sollte Sie das nicht nachdenklich stimmen? (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist überhaupt das zentrale Motiv der Reaktion der Bevölkerung, das diese Regie­rung auslöst. Es ist in diesem Land eines sicher: dass man sich auf nichts, ob es Altbe­stand ist, ob es von dieser Regierung im Wahlkampf versprochen wurde, aber buch­stäblich auf nichts verlassen kann. Und wenn Sie glauben, dass das gesund für ein demokratisches Gemeinwesen und für eine Gesellschaft ist, dass das zentrale Motiv einer großen Mehrheit der Bevölkerung das Misstrauen gegenüber den Regierenden ist, dann täuschen Sie sich! Das ist genau jene gesellschaftspolitische Situation, in der es letztlich auch zu Fehlreaktionen kommt, weil jeder eben schauen will, wie er selbst davonkommt.

Mit Recht wird kritisiert, dass Lehrern und öffentlich Bediensteten – wenn auch nicht gerade zu einem Okkasionspreis – die Möglichkeit geboten wird, mit 55 und, wie sich herausstellt, auch schon mit 50 in Pension zu gehen, während gleichzeitig für die große Bevölkerungsmehrheit das Pensionsalter deutlich, unwiderruflich und ohne Aus­weichmöglichkeit angehoben wird. Dieses letztlich auch Gegeneinander-Ausspielen von Bevölkerungsgruppen – gibt Ihnen das nicht zu denken? Macht Sie das nicht nach­denklich über die Auswirkungen Ihrer Politik?


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Meine Damen und Herren! Wir haben eine Unsicherheit im rechtlichen Bereich wie selten zuvor. Der Verfassungsgerichtshof, der ja nicht gerade als linksradikale Stoß­truppe zu diffamieren ist, hat in Einhaltung seiner langjährigen Spruchpraxis zentrale Elemente Ihres so genannten Reformprogramms laufend aufgehoben. Und das geht vermutlich so weiter. Man kann das jetzt dahin gehend verharmlosen – manche Me­dien haben das getan –, dass es „handwerklich schlecht gearbeitet“ ist. – Nein, es ist nicht handwerklich schlecht gearbeitet, sondern es widerspricht eben zentralen Elementen unseres staatlichen Konsenses, der sich nicht überraschend auch in der Bundesverfassung wieder findet, und die Bundesverfassung ist es, die der Verfas­sungsgerichtshof zu wahren hat.

Stimmt Sie das nicht nachdenklich, dass Sie eine um die andere Maßnahme, die Sie mit großem Pomp beschließen, wieder zurücknehmen müssen, nach Auswegen su­chen müssen? – Offensichtlich nicht.

Da gibt es eine Wirtschaftsentwicklung, die natürlich von den Rahmenbedingungen ei­ner internationalen Stagnation geprägt ist. (Ruf bei der ÖVP: Ewiger Leierkasten!) – Herr Kollege, ich lade Sie ein, den Saal zu verlassen, wenn ich Sie langweile. Ich ent­schuldige mich dafür, dass ich Ihren intellektuellen Ansprüchen nicht gerecht werden kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Da haben wir also eine Wirtschaftsentwicklung, die zugegebenermaßen von einer inter­nationalen Stagnation geprägt ist, die Österreich eine Arbeitslosigkeit beschert, wie wir sie seit dem Jahre 1950 noch nicht hatten. Natürlich liegen wir im EU-Vergleich ganz gut. (Staatssekretär Dr. Finz: Bestens!) Nein, die Besten nicht, aber wir liegen ganz gut. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) Aber, Herr Staatssekretär, Sie wissen so gut wie ich, dass das seit zehn, seit 15 Jahren so war, dass wir uns diese Position mühevoll erarbeitet haben, dass wir den zweiten Platz schon einmal gehabt haben und dann wieder überholt wurden. Es ist nicht wirklich ein Verdienst, wenn eine andere Regierung noch schneller scheitert als Ihre und die nie­der­ländischen Arbeitslosenzahlen jetzt um so viel rascher steigen als die öster­reichi­schen.

Wahr ist: Wenn wir uns an unseren eigenen Errungenschaften messen und nicht sozu­sagen an den Fußmaroden in der Europäischen Union, dann haben wir eine substan­tielle Steigerung der Arbeitslosigkeit und eine Arbeitslosenzahl, die wir seit 52 Jahren nicht hatten. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.)

Wir haben eine hohe Beschäftigtenzahl – wir haben seither auch eine gestiegene Be­völke­rungszahl –, aber, Herr Staatssekretär, Sie können das tun, was Sie gerade tun, näm­lich: es wegreden. Ich meine, es sollte eine für die Wirtschaftspolitik verantwort­liche Regierung nachdenklich stimmen und zu Antworten auffordern. Diese Antworten bekommen weder die Arbeitslosen noch die Pensionisten – die bekommen einen ge­ring­wertigen Händedruck –, noch die öffentlich Bediensteten, wie man aus den Ver­hand­lungen hört. – Und Sie bezeichnen das alles als Erfolg!

Nun hat sich der Herr Vizekanzler – nicht zu kritisieren – darauf konzentriert, über sein Ressort zu berichten. Das war ja jetzt an sich die Erklärung des Verkehrsministers, nicht wirklich die des Vizekanzlers, denn abgesehen von den offenen Ohren des Herrn Bundeskanzlers und dem bürgerlichen Charakter der gesamten Regierung, den ich natürlich nicht bestreite, haben wir von Ihnen nicht sehr viel über Ihr Ressort Hinaus­gehendes gehört, Herr Vizekanzler.

Aber es ist ein wichtiges Ressort, und es ist ein Ressort, das natürlich zu Recht auch in der öffentlichen Diskussion steht. Sie haben kurz das gestreift, was Sie als die ÖBB-Reform bezeichnen, was aber nun alles andere ist als eine Reform, nämlich ein mut­williges Spiel mit einem Unternehmen – das auch Staatseigentum darstellt –, mit dem


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Zehntausende Menschen ihr Leben verknüpft haben, das sehr erfolgreich unterwegs ist und das natürlich wie jede Großorganisation permanenten Reformbedarf hat.

Die Frage, ob Ihr so genannter Reformansatz irgendetwas anderes ist als ein risiko­freudiges Spiel – aber das Risiko tragen nicht Sie, das tragen die Eisenbahner und das tragen die Österreicher –, wird sich leider erst im Nachhinein beantworten lassen. (Zwi­schenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) Ob Sie persönlich es waren, weiß ich nicht, aber die Regierung hat ihre Zusammensetzspiele mit Bausteinen des derzeit ein­heitlichen Unternehmens im letzten halben Jahr dreimal geändert; inzwischen wieder einmal, hört man.

Es geht in Wirklichkeit darum, Strukturen zu zerschlagen. Es geht darum, einen Gene­raldirektor, den man selbst geholt hat, zu entmachten. Es geht darum, viele neue nette Jobs zu schaffen – wer immer sie besetzen wird, das will ich Ihnen gar nicht unter­stellen. Und es geht vor allem auch darum, den Beschäftigten dieses Unternehmens die Lasten der Reform aufzubürden, und zwar ziemlich einseitig.

Der Karikaturist des „Kurier“ hat in der Ausgabe von vorgestern Ihnen, Herr Vize­kanz­ler, und Herrn Staatssekretär Kukacka eine leider verbal nicht darstellbare, aber wun­derschöne Karikatur geliefert, wo Sie beide als kindliche Indianer abgebildet sind und die Mutter durch die geöffnete Tür hereinruft: „Kinder – was macht’s ihr da schon wie­der??“ Darauf antworten die beiden im Chor: „Nix! – Wir spieln ,Eisenbahn‘!“ Am Bo­den verstreut und vom Tomahawk zerstückelt liegen die Schienen, die Waggons und die Lokomotiven.

Ich werde mir gestatten, den Kolleginnen und Kollegen, die offensichtlich nicht zu den regelmäßigen Lesern des „Kurier“ gehören, eine Kopie zu übermitteln. Der Herr Staats­sekretär und der Herr Vizekanzler werden sie kennen, aber ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Vielleicht von Ihnen coloriert! – Heiterkeit bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Schön rot!) Also wenn das ein Zusammenarbeitsangebot ist, lässt sich das durchaus machen. Ich habe nur die Farbstellung überprüft.

Meine Damen und Herren! Das ist eine Reform, von der Gefahr ausgeht: Gefahr für ein ganz zentrales Element der Infrastruktur unserer Republik, Gefahr – wir haben das The­ma hier oft diskutiert – für die Anbindung peripherer Räume unserer Republik an die Zentralräume, denn natürlich wird hier wieder einmal mit Bahnverbindungen, Ne­benbahnen, Personenverkehr gespielt, und zwar gedanklich und wirklich, und vor allem eben Gefahr für die internationale Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Öster­reich. Die Leistungsfähigkeit des Verkehrsnetzes – dazu gehört natürlich die Eisen­bahn – ist, wie Sie bestens wissen, ein entscheidendes Argument im Konkurrenz­kampf der Standorte. Und wenn wir uns – ich habe das einleitend gesagt – dagegen ver­wahren, dass die Mehrheit des Verkehrs auf der Straße transportiert wird, dann müssen wir die Schieneninfrastruktur entsprechend stärken.

Wir wissen – wenn man es wissen will –, dass die ÖBB in den letzten Jahren gerade bei der Wiedergewinnung von Frachtaufträgen und Anteilen im Frachtverkehr nicht sen­sationell, aber doch beachtlich erfolgreich waren und, wenn man ihnen dazu die organisatorischen und strukturierten Möglichkeiten gibt, auch eine Erfolgslaufbahn fortsetzen können.

Das zentrale Element Ihrer Regierungspolitik – und, Herr Vizekanzler, Sie sind offen­sichtlich nicht derjenige, der hier für einen Kurswechsel steht – ist es, dass es zwi­schen den politisch Handelnden und denjenigen, die es trifft, denjenigen, die jene zu vertreten haben, die es trifft, denjenigen, die berechtigte Interessen in dem jeweiligen Problemfeld zu vertreten haben, keine Dialogbereitschaft gibt. (Vizepräsidentin Hasel­bach übernimmt den Vorsitz.)


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Wir erleben es jede Woche: Par ordre du Mufti entscheidet diese Regierung – wir werden das heute beim Asylgesetz zu erwähnen haben. Da schickt die Regierung einen Begutachtungsentwurf an die Bundesländer, deren Interessen wir zu vertreten haben, aus. Dann kommen Stellungnahmen herein. Und ohne dass die Bundesländer darüber auch nur im Geringsten vorinformiert werden, verwandelt sich im Ausschuss des Nationalrates dieser Gesetzentwurf in einer entscheidenden, nämlich die Finanzen der Länder berührenden Frage substantiell.

Wozu mache ich das? Das war ja kein spontaner Antrag eines Abgeordneten, sondern das war eine Veränderung der Regierungsvorlage, vielleicht eine von Anfang an be­absichtigte. Aber wozu lasse ich das dann begutachten, wenn der Kern oder ein we­sentlicher Kern in letzter Minute geändert wird, der vorher noch nicht begutachtet wer­den konnte?

Oder Sie selbst. Sie haben Ihre Meinung zur Bundesbahnreform gebildet; Sie haben weder mit den letztlich von Fragen der Verkehrspolitik betroffenen Bundesländern und schon gar nicht mit den Vertretern der Belegschaft das Einvernehmen hergestellt. Was das Management betrifft, so ist es Ihnen an irgendeinem Punkt gelungen, es mundtot zu machen. Mehr war es wohl nicht.

Sie haben parlamentarische Mehrheiten in diesem Haus – schrumpfende, aber Sie haben parlamentarische Mehrheiten. Sie werden die Beschlüsse, die Sie sich erwar­ten, bekommen, sofern der Verfassungsgerichtshof das Gesetz nicht aufhebt – dieses und viele andere –, aber wenn Sie glauben, dass man das Zusammenleben in einer Gesellschaft darauf aufbauen kann, dass der eine anschafft und der andere aufsalutiert und stolz darauf ist, wenn er das Ohr des anderen vielleicht doch noch einmal erwischt, so muss ich Ihnen sagen: Darauf kann man einen demokratischen Willens­bildungs­pro­zess nicht aufbauen.

Als Verkehrsminister sind Sie in dieselbe Falle gegangen. – Herr Vizekanzler Gorbach! Sie sollten sich das gut überlegen, ob das eine tragfähige Politik, gar nicht für Ihre Par­tei oder gar nicht für die bestehende Bundesregierung, sondern für unsere Gesellschaft ist. Vielleicht lernen Sie als Vizekanzler, dass der Dialog und der Konsens ein besseres demokratisches Prinzip sind als diese Einseitigkeit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.33

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bieringer. – Bitte.

 


10.34

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Meine Herren Staatssekretäre! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zu den Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Vizekanzlers Stellung nehme, möchte ich von dieser Stelle aus im Namen der ÖVP-Fraktion, aber auch – und das, glaube ich, sagen zu können – in Ihrer aller Namen, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herrn Klubobmann Konecny zur Verleihung des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien sehr herzlich gratu­lieren und ihm alles Gute wünschen zu dieser hohen Auszeichnung. (Allgemeiner Bei­fall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler und der Herr Vize­kanzler haben in eindrucksvollen Erklärungen zu den Leistungen der österreichischen Bundesregierung Stellung genommen. Gestatten Sie mir, dass ich im Namen der ÖVP-Fraktion von dieser Stelle aus dem scheidenden Vizekanzler Herbert Haupt sehr herz­lich danke für all das, was er als Vizekanzler in diese Regierung eingebracht hat, für all


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das, was er für dieses unser Land geleistet hat. – Dafür sei Herbert Haupt sehr herzlich gedankt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich bin froh darüber, dass Herbert Haupt Sozialminister in dieser Regierung bleibt. Wenn Sie es auch nicht wahrhaben wollen: Er wird als der Sozialminister, als der Sozialreformer der Zweiten Republik in die Geschichte ein­ge­hen. Das wird ihm niemand nehmen können. Die Leistungen, die Herbert Haupt einge­bracht hat, sind als sehr, sehr gut zu bezeichnen. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Ich freue mich auch über die Wahl des neuen Vizekanzlers. Ich sage das als einer, der aus dem Westen dieser Republik kommt. Ich sage das, weil ein glühender Föderalist Vizekanzler dieser Republik wurde. – Ich wünsche Ihnen, Herr Vizekanzler, in Ihrer Funktion als Vizekanzler, aber auch in Ihrer Funktion als Verkehrs- und Infrastruk­tur­mi­nister alles erdenklich Gute! Viel Glück – wir können es brauchen, gemeinsam können wir es brauchen! Was wir dazu beitragen können, um Sie zu unterstützen, das sage ich Ihnen im Namen der ÖVP-Fraktion von Herzen gerne zu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass es ein Problem in diesem Land gibt, für das der Vizekanzler in seiner Funktion als Verkehrsminister zuständig ist, und das ist der Tran­sit­verkehr. Und ich weiß, wovon ich rede. Ich wohne einen Kilometer von der Schnittstelle der Tauernautobahn mit der Westautobahn entfernt, hundert Meter von mei­ner Wohnung entfernt fließt der Verkehr der A 1 mit 86 000 Fahrzeugen täglich. Wenn ich das sage, dann können Sie mir glauben, dass ich weiß, wovon ich rede, dass ich weiß, welche Belastungen die Bevölkerung durch den steigenden Transitverkehr ertragen muss.

Der Transitverkehr, meine Damen und Herren, ist nicht nur ein Problem des Landes Tirol, des Landes Salzburg oder des Landes Kärnten, sondern er ist ein Problem von Österreich. Heute haben wir unter der Nord-Süd-Route zu leiden, morgen wird es die Ost-West-Verbindung sein. Das trifft dann Wien, Niederösterreich, das Burgenland und auch Oberösterreich. Ich gebe zu, dass die Situation entlang der Inntal Autobahn auf Grund der geographischen Lage des Landes Tirol noch viel ernster ist, weil sich auf der Inntal Autobahn die enorme Anzahl von LKWs und sonstigen Kraftfahrzeugen durch ein Tal bewegt, und ich gehe davon aus, dass es in der Transitfrage über die Par­teigrenzen hinweg zu einer österreichischen Lösung wird kommen müssen, denn sonst stehen wir auf verlorenem Posten. Diesbezüglich gibt es nur einen Schulter­schluss aller vernünftigen Kräfte in diesem Land, und um diesen Schulterschluss wür­de ich Sie bitten.

Meine Damen und Herren! Die österreichische Bundesregierung hat seit dem Jahr 2000 zweifelsohne viele heiße Eisen angepackt und auch viele Probleme gelöst. (Bundesrat Manfred Gruber: Aber sie hat sich auch die Finger verbrannt, Herr Kol­lege!) – Herr Kollege Gruber! Nur wer arbeitet, kann da und dort einmal etwas nicht so machen, wie andere glauben, dass es richtig ist. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heit­lichen.)

Aber ich sage Ihnen: Diese Regierung hat heiße Eisen angepackt und hat auch – und ich sage das als Arbeitnehmervertreter mit Stolz – sehr vieles gelöst. (Bundesrat Bo­den: Aber nicht für die Arbeitnehmer!) Ich denke an das Kindergeld, Herr Kollege Boden, ich denke an die „Abfertigung neu“. Ich kann mich noch gut daran erinnern: Als der Arbeiterkammer-Präsident von Vorarlberg Josef Fink vom ÖAAB 1992 diesen Vor­schlag im Österreichischen Arbeiterkammertag eingebracht hat, wurde er von sozialis­tischen Gewerkschaftern ausgelacht. Da wurde gesagt, dass das Hirngespinste sind und dergleichen mehr.


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Die Zähigkeit des Josef Fink aber hat schlussendlich gesiegt! Diese österreichische Bundesregierung hat diese „Abfertigung neu“, ein sozialer Meilenstein in der Politik dieser Bundesregierung und darüber hinaus in der Zweiten Republik, auch umgesetzt. Das werden Sie zur Kenntnis nehmen müssen, ob Sie wollen oder nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich weiß schon, dass die sozialistischen Gewerkschafter heute landauf, landab ver­künden, wie gut die „Abfertigung neu“ ist, welch gute Erfindung da dem ÖGB gelungen ist und dergleichen mehr. Ich bin auch froh darüber, dass das gelungen ist, aber wir dürfen nicht vergessen, dass das unter einer schwarz-blauen Bundesregierung ge­macht wurde und dass es eine Idee eines schwarzen Gewerkschafters, nämlich des Arbeiterkammerpräsidenten von Vorarlberg gewesen ist. (Bundesrat Reisenberger: Eine übernommene Idee!) Das ist eine Tatsache, das ist die Realität, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Diese Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Vizekanzler Hubert Gorbach wird auch weiterhin heiße Eisen anpacken. Diese Regierung wird so wie bisher für dieses Österreich arbeiten!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Konecny hat gemeint, dass es hier eine schrumpfende Mehrheit gibt. – Herr Kollege Konecny, ich möchte dir nur mit­teilen: 35 zu 27 ist eine gute Mehrheit! Und mit 35 zu 27 wird hier in diesem Bundesrat auch weiterhin für die Zukunft dieses Landes bestens mitgearbeitet werden können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Abg. Konecny – den Saal verlassend –: Das beruhigt mich!)

Ich sehe ein, dass Kollege Konecny auf Grund seiner vielfältigen Verantwortung auch etwas anderes zu tun und daher den Saal verlassen hat, dennoch möchte ich auf ein paar Dinge eingehen, die er heute hier gesagt hat. Er hat etwa gemeint, dass in die­sem Land die Beamten „abhauen“, um nicht bis 70 arbeiten zu müssen. – Anscheinend verwechselt er den Bundesrat, meine Damen und Herren! Wir sind nicht im deutschen Bundesrat, wir sind im österreichischen Bundesrat! Und diese österreichische Regie­rung hat noch niemals etwas anderes gesagt, als dass das gesetzliche Pensionsalter von 65 beziehungsweise 60 einzuhalten ist, und sonst nichts. Über 67 wird nur in Deutschland gesprochen. Ich bin stolz darauf, in der Republik Österreich zu wohnen und hier Mandatar zu sein – und nicht in Deutschland! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Herr Konecny meint, dass die Zahlen in Österreich im Vergleich zur EU nicht so schön seien. – Herr Kollege Konecny, Österreich liegt an zweiter Stelle. Wir haben zurzeit Vollbeschäftigung, wir haben so viele Beschäftigte wie noch nie. Zugegeben: Wir ha­ben auch Arbeitslose; und ich sage Ihnen aus tiefer Überzeugung: Jeder Arbeitslose ist ein Arbeitsloser zu viel! Es muss daher unser Ziel sein, dass wir allen eine Be­schäf­tigung ermöglichen, aber das kann nicht nur Aufgabe der Politik sein, denn die Politik kann nur Rahmenbedingungen schaffen. Die Arbeitsplätze hat die Wirtschaft zu schaf­fen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Konecny hat uns eine Karikatur aus dem gestrigen „Kurier“ gezeigt. Ich möchte ein bisschen schneller sein: Im heu­tigen „Volksblatt“ ist auch eine Karikatur: Aus einem Erdloch kommen die Neandertaler heraus, in der Hand eine Keule, auf der steht „Eisenbahngewerkschafter“, dahinter steht „Pfründe“; eine kleine Eisenbahn, darunter steht „Steinzeitgehabe“. – Wer das Steinzeitgehabe hat, das möchte ich Ihnen gerne ... (Bundesrat Schennach: Künstle­risch nicht so wertvoll! Die Karikatur ist nicht so gut!) – Herr Kollege Schennach, diese Karikatur ist sehr gut, das möchte ich Ihnen schon sagen. (Bundesrat Manfred Gruber:


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Es ist halt nicht der „Kurier“, es ist eine Parteizeitung!) Aber das Steinzeitgehabe der Gewerkschaft der Eisenbahner kommt hier eindrucksvoll heraus, wird bestätigt.

Ich sage Ihnen daher: Sie müssen den arbeitenden Menschen in diesem Lande er­klären können, warum eine Berufsgruppe besser behandelt werden soll als andere, warum eine Berufsgruppe früher in Pension gehen kann als andere. (Bundesrat Boden: Rede von etwas, das du verstehst!) – Lieber Herr Kollege Boden, kommen Sie mir nicht damit (Bundesrat Manfred Gruber: Die Herren des Bundesheeres, die Lehrer, ...!), dass die Eisenbahner viel mehr leisten müssen! Dass ein Lokomotivführer erhöhte Verantwortung trägt, erhöhte Aufmerksamkeit haben muss, erhöhten Stress zu ertragen hat, das sei unbestritten! Für diese Leute muss man etwas tun, und für diese Leute wird diese Regierung auch etwas tun! (Bundesrat Manfred Gruber: Wer geht denn aller früher in Pension? – Die Professoren, die Bundesheerler, ...!) Das möchte ich ausdrücklich festhalten.

In diesem Sinne darf ich der Regierung Schüssel/Gorbach für die Zukunft alles Gute wünschen: Ein herzliches Glückauf, Herr Vizekanzler, Ihnen und Ihrer Regierungs­mann­schaft mit dem Herrn Bundeskanzler an der Spitze! Machen Sie so weiter, wie Sie bisher gearbeitet haben (Rufe bei der SPÖ: Das ist eine Drohung!), dann kann es nur zum Wohle dieses Landes sein. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.46

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


10.46

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Herren Staatssekretäre! Meine Damen und Herren! Lie­ber Kollege Bieringer, heute in der Früh hatten Sie noch gesagt, Sie seien etwas krank, aber so eine Debatte muss Sie ja, wie mir vorkommt, blitzartig heilen!

Aber Sie haben etwas Interessantes gesagt, nämlich: Diese Regierung wird die heißen Eisen anpacken! – Jetzt verstehe ich auch, warum in diesen letzten Jahren unter die­ser Regierung so viel Verbandszeug verkauft wurde: weil alle mit schwer banda­gierten Händen herumrennen (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ), denn heiße Eisen ohne entsprechendes Gerät anzufassen, bringt verkohlte Hände.

Ich sage nur eines: Wir haben in einem einzigen Jahr, nämlich im Jahr 2003, bereits drei Mal einen neuen Vizekanzler präsentiert bekommen – Riess-Passer, Herbert Haupt und nun Hubert Gorbach. (Bundesrat Dr. Aspöck: Das war in der Zweiten Re­publik immer so!) – Innerhalb eines Jahres! (Bundesrat Dr. Aspöck: Vranitzky hat 19 Minister ausgetauscht! – Bundesrat Manfred Gruber: Die FPÖ hat schon sieben in einem Jahr ...! Die FPÖ kommt ins Buch der Rekorde!)

Der Herr Bundeskanzler hat uns heute wieder einmal beehrt – eines der seltenen Male –, eine kurze Erklärung abgegeben und ist dann auch schon wieder verschwun­den. Ich habe meinen neuen Kolleginnen, die ich auch von hier aus begrüße, gesagt: Na, ihr habt es gut, der Herr Bundeskanzler kommt heute extra zu eurer Angelobung, während ich ihn seit 2001 nur ein einziges Mal in diesem Haus gesehen habe – flugs, war er auch schon wieder weg! Damals war es der Kunschak-Preis. (Bundesrat Dr. Böhm: Ausschuss im Nationalrat!) – Herr Kollege Böhm, wie lange – und Herr Him­mer – diskutieren wir schon über das Ansehen dieser Kammer? Ein Ausschuss im Nationalrat ist ja nicht gottgewollt! Wenn es eine Bundesratssitzung gibt, dann kann so ein Ausschuss eben nicht stattfinden. (Bundesrat Dr. Böhm: Sagen Sie es Präsident Fischer! – Bundesrat Manfred Gruber: Oder Präsident Khol!) – Mein lieber Herr Kolle-


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ge Böhm, es ist nicht gottgewollt, wenn Ausschüsse stattfinden. Es ist eine Sache der Vereinbarung.

Herr Minister Gorbach hat sich hier als glühender Föderalist präsentiert. Ja, aber bitte, es gehört schon zum Selbstverständnis eines glühenden Föderalisten, dass man diese Kammer ernst nimmt. Ich kann das hier nur noch einmal betonen!

Der Herr Bundeskanzler hat gemeint, er begrüße uns alle zur neuen Gesetzgebungs­periode. Ich weiß nicht: Was war denn im letzten halben Jahr? Ich verstehe, dass er das letzte halbe Jahr aus seinem Gedächtnis gestrichen hat, aber bitte die Angelobung dieser Regierung war im März, die Gesetzgebungsperiode beginnt nicht mit heutigem Tag! Dass man von März 2003 bis November 2003 offensichtlich eine Abschreibung vornimmt – es ist nichts geschehen, wir vergessen das; wir haben jetzt einen neuen Vizekanzler –, verstehe ich. Ich habe auch nichts dagegen, dass Hubert statt Herbert kommt, wie eine Zeitung als Resümee gezogen hat, aber ich verstehe nicht, warum! Was war die Notwendigkeit dieses Wechsels? (Bundesrat Boden: Noch dazu, wo der eh „so gut“ war!)

Ich verstehe: Im Jahre 2000 hat man gesagt, die Republik richtet eine Lehrwerkstätte ein. Man nannte das Infrastrukturministerium, die Lehrwerkstätte der Republik. (Heiter­keit bei den Grünen und der SPÖ.) Immerhin, vier Minister in einer relativ kurzen Zeit – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Und heute diskutieren wir darüber – und ich glaube, das ist das Einzige, worüber wir einer Meinung sind! –, dass der Vorschlag der EU betreffend Transit inakzeptabel ist.

Meine Damen und Herren! Wir hatten doch bitte in diesem Ministerium einen Schleu­dersitz! Die EU hat uns in den letzten Jahren in Fragen der Transitpolitik keine Se­kunde lang ernst genommen. Und wenn der Herr Bundeskanzler sagt, zu Silvester sei keiner der anderen Minister gekommen, dann muss ich sagen: Wäre ich Minister aus einem anderen Land, wäre ich auch nicht gekommen. Man hat doch nicht einmal ge­wusst, ob der betreffende österreichische Minister dann überhaupt noch Minister – das war damals übrigens Reichhold – oder ob er schon draußen sein wird, oder wer über­haupt noch Ansprechpartner in Österreich ist.

Und genau deshalb schaut die Transitlösung so aus, wie sie ausschaut: weil in diesem Ressort letztlich seit 2000 jedes halbe oder dreiviertel Jahr eine Neuer zu proben begonnen hat!

Alle Ihre Vorgänger, Herr Minister Gorbach, haben den Lehrabschluss in dieser Lehr­werk­stätte nicht erhalten. Ich hoffe, dass zumindest Sie, der Sie ja in Ihrer Partei zu den eher Seriöseren zählen, einen Lehrabschluss bekommen, denn Frau Forstinger hat ihn nicht, Herr Schmid hat ihn nicht und Herr Reichhold hat ihn nicht. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) – Lieber Herr Kollege Himmer! Jetzt habe ich Sie akustisch nicht verstanden, aber Sie können ... (Bundesrat Mag. Himmer: Nach dieser Logik brauchen wir die italienischen Minister nie zu besuchen oder einzuladen! ...!) – Wir haben ein existenzielles Interesse an der Transitpolitik, Herr Kollege Himmer. Wir haben ein massives Interesse! Italien hat immer ein klares Pro-Frächterlobby-Interesse gehabt. Wir haben ein ganz klares Interesse, das wir in diesem Jahr durch eine ge­zielte, klare Ressortführung verwirklichen hätten müssen.

Wir konnten jedoch diese Ernsthaftigkeit in diesem Bereich gegenüber der EU nicht deutlich machen. Alles, was wir sagen und wo wir jetzt hinkommen, ist: Nein zu einem Scheinkompromiss – dafür bin ich auch –, aber auch ein Nein zu Scheinrhetorik bezie­hungsweise Scheinpositionen. Und ich bewundere ja immer wieder die Landes­haupt­leute von Tirol und Salzburg, die dann, wenn es nicht wirklich wichtig ist, zu ganz mächtigen, großen Transitgegnern werden, aber dann, wenn es wirklich darauf an­kommt – und die Nagelprobe in der EU ist halt immer wieder auch das, was man im


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eigenen Land tut –, wenn es um innerstaatliche Maßnahmen geht, um die Umsetzung des Generalverkehrsplans und so weiter, bekommt man plötzlich nasse Füße und die EU bleibt in dieser Scheinrhetorik die Böse.

Richtig ist, dass der Transitvertrag, der derzeit auf dem Tisch liegt, inakzeptabel ist und dass hier sicherlich alle vier Parteien, egal, in welchen legislativen Bereichen, zusam­menhalten, zusammenstehen müssen – aber bitte nicht in dieser Scheinrhetorik, son­dern mit ganz klaren innerstaatlichen Maßnahmen.

Herr Vizekanzler Gorbach! Ich meine, die Regierung, die jetzt umgebildet wurde – es ist übrigens, glaube ich, Schüssel IX! Bitte, in vier Jahren neun Regierungen Schüssel! (Ruf bei der ÖVP: Zwei!) – Nein! Jedes Mal, wenn Herr Schüssel neue Mitglieder der Regierung präsentiert, müsste man umnummerieren. Schüssel II, wenn man nach Wahlen rechnet! Man hat das aber auch einmal ganz anders gerechnet.

Natürlich kann man auf den Weltrekord gehen, einen haben Sie schon. Der erste Welt­rekord ist, glaube ich, die kürzeste Amtszeit eines Ministers mit drei Wochen. Kompli­ment! Das muss man erst einmal zustande bringen! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) Drei Vizekanzler in einem Jahr finde ich auch sehr beachtlich. Und in einer Lehrwerkstätte vier Minister in drei Jahren halte ich ebenfalls für eine sehr be­achtliche Marschroute, allerdings: vor welchem Hintergrund?

Wir haben in Sachen Bahn Probleme, wir haben in Sachen Post Probleme, heute die Notstandsmaßnahmen der Richter, das gesamte Transitdesaster, der Alarm an den Universitäten. Und dann immer wieder diese Sonntagsrhetorik! Sie, Herr Vizekanzler, haben heute, glaube ich, gesagt: Keine Sonntagsreden! – Bitte, bei Forschung und Entwicklung höre ich seit Jahren nur Sonntagsreden, Sonntagsreden, Sonntagsreden!

Wir haben das Desaster im Bereich der Pensionsreform. Wir haben im Bereich der Abfangjäger ... (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann spricht mit Bundesrat Ing. Klamt.) – Frau Kollegin, lassen Sie sich nur von Herrn Gudenus das Desaster bei den Abfangjägern erklären! – Wir haben weiters den ganz dubiosen Bereich des Ver­kaufs der BIG!

Summa summarum, meine Damen und Herren: Ich verstehe, dass die Regierung aus FPÖ-internen Gründen umgebildet wurde, aber dass es etwas Neues ist, zu dem man hier eine Regierungserklärung abhalten muss, eine großartige Neuerung – außer Hubert statt Herbert – habe ich hier leider nicht erlebt. Ich vermute, Herr Minister Gor­bach, dass uns die Ereignisse des kommenden Märzes unter Umständen den nächs­ten Vizekanzler bescheren. Immerhin ist ja auch der Wechsel zu Ihnen nach Land­tagswahlen erfolgt. Im März haben wir in jenem Bundesland Landtagswahlen, mit des­sen Landeshauptmann Sie sich ja auch in der Vergangenheit nicht unbedingt har­mo­nisch gezeigt haben.

Ich wundere mich ohnehin, dass die freiheitliche Fraktion diesen Kompromiss mit Ihrer Person versucht, aber möglicherweise ist das eh nur ein Übergangsposten, eine ge­leaste, eine gestundete Zeit, wie es oft heißt. Herr Minister Gorbach! Sie gehören sicherlich zu den freundlicheren beziehungsweise auch erfahreneren Regierungsmit­gliedern – das kann man auf Grund Ihrer Vorarlberger Zeit sicherlich sagen –, aber ich würde an Ihrer Stelle aufpassen, wer aller aus den eigenen Reihen Ihnen allzu viel Lob um den Sessel schmiert, denn bald könnte auch dieser Sessel weg sein. Für die Republik ist dieses ganze Theater um die vielen Regierungsumbildungen mit Sicher­heit kein positives Signal!

In diesem Sinne, meine Damen und Herren: Die heißen Eisen, die Sie anfassen, mit ein bisschen mehr Bedacht angreifen, damit Sie nicht dann, wenn die heißen Eisen dermaßen zu kochen beginnen wie jetzt im Fall des Transits, wieder des großen Schul-


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terschlusses bedürfen. Das, was Ihnen die Opposition seit drei Jahren immer wieder sagt, nämlich dass diese Transitpolitik in eine Sackgasse mündet, wurde all diese Jah­re hindurch nicht gehört. Jetzt steht man plötzlich vor der Mauer und jetzt plötzlich bedarf es des nationalen Schulterschlusses, damit man aus dieser dunklen Sackgasse wieder hinauskommt. Also: Vorher etwas mehr den Dialog mit der Opposition suchen, dann gibt es vielleicht weniger Sackgassen. Dass die Abfangjäger ohnedies auch schon in einer Sackgasse abgesunken, verschollen sind, ist nur ein weiteres Signal.

An Sie persönlich, Herr Minister: Hängen Sie sich die ÖBB beziehungsweise die „killing fields“ der ÖBB, die Sie derzeit vorhaben, nicht als Trophäe um! Ich glaube, dass Sie hier den völlig falschen Weg beschreiten! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.57

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Dr. Böhm. – Bitte.

 


10.57

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Herren Staatssekretäre! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich begrüße zunächst, erstmals im Bundesrat, also in der Zweiten Kammer dieses Hauses, unseren Vizekanzler Hubert Gorbach in seiner neuen Funktion. Als höchst kompetenten Fachminister kennen wir ihn ja bereits. In seinem Ressort hat er bis heute äußerst professionelle Arbeit geleistet. Auf diesem Wege wünschen wir ihm daher weiterhin den bestmöglichen Erfolg. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Namens meiner Fraktion, aber auch höchstpersönlich bedanke ich mich bewusst auch bei unserem Bundesminister Herbert Haupt. Wer außer ihm war bereit, unter den poli­tisch so ungünstigen Umständen nach den Verlusten unserer Partei bei den National­ratswahlen 2002 die Verantwortung in Partei und neuer Bundesregierung zu überneh­men? Seine sachpolitische Toleranz bis zur persönlichen Schmerzgrenze hat kaum je­mand näher erlebt als ich selbst, als es bei der Abstimmung über die Budget­begleit­ge­setze zu einer gewissen Zerreißprobe in der Parlamentsfraktion gekommen ist. (Bun­des­rätin Schicker: Jetzt sprechen Sie aber nur zu Ihrer ...!)

Umso mehr freut es uns, dass er sein Hauptanliegen, nämlich die österreichische Sozial­politik in Zeiten von unverändert schwierigen Budgetproblemen zu gestalten und zu reformieren, weiterführen wird, hat er doch sowohl den Mut zu unabdingbaren Veränderungen und zum Abbau unberechtigter Privilegien als auch das Augenmaß für das sozial Vertretbare und Gebotene! Eben das ist die Leitlinie, die Zielvorgabe dieser Bundesregierung: in der Bereitschaft zu finanzpolitisch notwendigen Reformen einer­seits und zur sozialen Abfederung andererseits Österreich zukunftsfähig zu erhalten.

Das gilt nicht zuletzt auch für die viel gescholtene Pensionsreform. Fachleute wie Bernd Marin und Bert Rürup, die uns politisch gewiss nicht besonders nahe stehen, werfen uns ja vor, eher noch zu wenig als zu viel für die Sicherung des gegenwärtigen Pensionssystems getan zu haben, beruht dieses doch entgegen seiner Bezeichnung als „Pensionsversicherung“ auf dem Umlagesystem.

Allein die demographische Entwicklung erweist, dass die Fortschreibung der alten Rah­menbedingungen zu einem Kollaps dieses Systems hätte führen müssen.

Das innerparteiliche Gewicht auch unserer freiheitlichen Seniorenorganisation macht es mir nicht ganz leicht, ich stehe aber dennoch nicht an, es ehrlich auszusprechen: Wenn wir allzu sehr so genannte wohl erworbene Rechte und damit den Besitzstand jener wahren, die das rettende Ufer der Pensionsberechtigung bereits erreicht haben, gefährden wir den so oft beschworenen Generationenvertrag ernsthaft und nachhaltig.


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Als selbst schon den Senioren Zugehöriger hoffe ich, mit meinem Appell umso eher glaubhaft zu sein.

Die von uns seit jeher verlangte Harmonisierung der verschiedenen Pensionssysteme werden wir weiter verfolgen und im Auge behalten. Eckdaten dabei sind für uns: 45 Beitragsjahre, das Pensionsantrittsalter von 65 Jahren – das hat Kollege Bieringer zu Recht bereits betont – und eine 80-prozentige Ersatzquote.

Gewiss kommen auch im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung neue schwere Herausforderungen auf Österreich zu – natürlich auch große Chancen. Das gilt zu­nächst einmal erneut in Bezug auf die zu erwartende und heute schon mehrfach an­gesprochene Steigerung des Verkehrsaufkommens im Ostraum Österreichs – es wird eher das Dreifache der westlichen Transitroute sein. Auch das ist unserem Verkehrs-minister völlig klar, und er forciert daher die zur Entlastung von dieser drohenden Ver­kehrslawine nötigen Hauptverkehrsverbindungen auf Schiene und Straße im Sinne des Generalverkehrsplans. (Bundesrätin Schicker: Nur ohne Semmering-Basistunnel!)

Im Ringen um eine tragbare EU-Regelung des Transitverkehrs, für welche Region auch immer, stehen wir voll hinter ihm. Für die Zukunft weit wichtiger als eine gerade noch akzeptable Nachfolgeregelung für den Transitvertrag scheint mir jedoch das Drin­gen auf eine sachgerechte Wegekostenrichtlinie, die uns endlich der Kostenwahrheit, auch in Bezug auf Umwelt und Gesundheit, näher bringt. Freilich müssen wir, um glaubwürdig zu sein, auch den Mut aufbringen, auch die nicht berechtigten Interessen einheimischer Frächter auf das rechte Maß zurechtzurücken.

Bezüglich der EU-Osterweiterung hält meine Fraktion natürlich auch an der den eu­ropäischen Wertvorstellungen entsprechenden Forderung fest, die eindeutig men­schen­rechtswidrigen Bestimmungen in den so genannten Beneš-Dekreten und in den AVNOJ-Bestimmungen endgültig zu eliminieren und ihre nachwirkend diskriminieren­den Rechtsfolgen auszugleichen.

Zur wirtschafts- und finanzpolitischen Entwicklung hebe ich hervor, dass eine im euro­päischen Vergleich, insbesondere im Vergleich mit der Bundesrepublik Deutschland, bemerkenswerte Konsolidierung erreicht worden ist. Gleichwohl ich kein Anhänger einer tendenziell neoliberalen Finanz- und Wirtschaftspolitik bin – da betone ich meine höchst persönliche Position – und gerne zugestehe, dass ich auch innerparteilich zu den Vertretern einer möglichst frühzeitigen Vorziehung wesentlicher Elemente einer Steu­erreform zähle, anerkenne ich vorbehaltlos, dass der weitergehende Abbau des Budgetdefizits und die erhebliche Reduktion der Staatsschulden eine international respektable Leistung darstellen. Dafür gebührt dem Finanzminister ehrlicher Dank – auch wenn ich seine ideologische Ausrichtung nicht uneingeschränkt teile; dies auch schon damals nicht, als er noch meiner Partei angehörte.

Man vergleiche aber all das mit der fehlenden Budgetdisziplin in Frankreich, Deutsch­land und Italien und ihrem Unterlaufen des Stabilitätspaktes. Insbesondere verweise ich auf das Rekorddefizit und die Rekordarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutsch­land. Ich sage das fern jeder parteipolitischen Häme und mit Traurigkeit für dieses uns ja so verbundene Nachbarland.

Nicht zuletzt betone ich die Erfolge der Bundesregierung auf familien- und sozial­politischem Gebiet. Sie lassen alle eindeutig freiheitliche Handschrift erkennen. An erster Stelle nenne ich hiezu das Kinderbetreuungsgeld. Gewiss lassen sich auch dabei einzelne Rahmenbedingungen wie Zuverdienstgrenzen und anderes durchaus noch verbessern, ebenso wie die Kriterien für den Anspruch von Eltern auf Teilzeit­arbeit, den wir eröffnen wollen. Aber von früheren Bundesregierungen und vor allem von der Sozialdemokratie – das können Sie nicht leugnen! – wurde diese grundle­gen­de familienpolitische Maßnahme ursprünglich völlig abgelehnt.


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Gleiches gilt für die so genannte Abfertigung neu. Unser Koalitionspartner möge es mir nicht verübeln, wenn ich sage, dass nicht primär er sich diese bahnbrechende Neue­rung auf seine Fahnen heften kann. Das war nachweislich auch eine alte Forderung von uns Freiheitlichen. Das uns in bestimmtem Ausmaß durchaus nahe stehende Klein- und Mittelgewerbe, auch der Ring Freiheitlicher Wirtschaft, war ja darüber gar nicht allzu glücklich. Aber diese damit etablierte zweite Säule wird in Verbindung mit der allgemeinen Zukunftsvorsorge als dritter Säule die vorhin angedeutete Finanzie­rungslücke im Pensionssystem annähernd ausgleichen können.

Nun kurz noch zu einem anderen Thema: Wo die Organe der Exekutive mehr Personal und Infrastruktur benötigen, um die Sicherheit der Bevölkerung ausreichend zu garan­tieren, werden wir weitere Mittel zuzuführen haben. Dafür werden wir ganz entschieden eintreten.

Was die vor allem von uns Freiheitlichen verlangte Steuersenkung anlangt, haben wir sie mit unserem Koalitionspartner für Steuerzahler bis zu einem Einkommen von 14 500 € bereits verwirklicht.

Gegen jede Kürzung des Pflegegeldes und der Familienbeihilfe werden wir uns wen­den. Die Frage, ob die finanzielle Absicherung des Gesundheitswesens über Einspa­rungen durch Verwaltungsreformen hinaus eher durch Beitragserhöhungen – die dann freilich als Lohnnebenkosten-Steigerungen den Wirtschaftsstandort beeinträchtigen wür­den – oder durch Selbstbehalte, meiner Meinung nach allerdings nur durch sozial verträgliche und sozial abgestufte Selbstbehalte, erreicht werden soll, wird noch politi­scher Diskussion bedürfen. Dafür erhoffe ich mir parteiübergreifenden Diskurs und letzt­endlich Konsens. Am Ergebnis einer für alle Bürger offen stehenden medizinischen Versorgung auf höchstem Niveau darf es aber natürlich nicht den geringsten Zweifel geben.

Alles in allem wünsche ich daher der umgebildeten Bundesregierung viel Glück und Erfolg bei ihrer verantwortungsvollen Aufgabe! – Ich danke. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Dr. Böhm reicht Vizekanzler Gorbach sowie Staatssekretär Dr. Finz die Hand.)

11.07

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Reisenberger. – Bitte.

 


11.07

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Herren Staatssekretäre! Lassen Sie mich zu Beginn einen kleinen gedanklichen Ausflug machen – Kollege Bieringer hat mich dazu verleitet –: Ich war vor einigen Jahren in Amerika, in Washington, und habe dort in einem Museum den VW-Käfer als amerikanische Erfindung vorgefunden. Das kommt mir so ähnlich vor, wie in Deutschland Mozart plötzlich ein Deutscher ist – oder wie wenn Herr Kollege Bieringer plötzlich auf den Gedanken kommt, dass die „Abfertigung neu“ eine Erfindung der ÖVP beziehungsweise des Kollegen Fink aus Vorarlberg wäre.

Wenn man sich hier ein bisschen die Geschichte, die geschichtliche Entwicklung ansieht, wenn man sich ein bisschen ansieht, was der ÖGB diesbezüglich an Vor­leistungen dargestellt und an Forderungen dargebracht hat, dann müsste man schon ein bisschen auf den Boden der Realität zurückkommen. Ich darf nur in Erinnerung brin­gen, dass in der Zwischenzeit ja auch die ehemalige Frau Vizekanzlerin Riess-Passer dieses Verdienst für sich in Anspruch genommen hat. Es gibt also immer wie­der welche, die sich mit fremden Federn schmücken wollen. Darin sind Sie, meine Da-


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men und Herren von den Regierungsparteien, ja wirklich unschlagbar. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir nehmen es natürlich nicht gerne zur Kenntnis, aber auf Grund der Notwendigkeit eines Termines kann der Herr Bundeskanzler nicht mehr bei uns sein. Das ist schade. Es gäbe natürlich schon einiges, über das man hier auch direkt mit ihm plaudern sollte.

Der Herr Bundeskanzler hat heute gemeint, das Ergebnis davon, wenn Hausaufgaben nicht gemacht werden, sehe man bei einigen Nachbarländern. – Das ist die typische Art und Weise, wie man versucht, die Situation, die man im eigenen Land vorfindet, damit zu überdecken, dass man von anderen spricht. Das heißt also, um von den eigenen Fehlern abzulenken, ist jedes Mittel recht – und wird hier auch immer wieder weidlich ausgenützt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ich darf als Beispiel nur die Pensionen anführen und die Art und Weise, wie in diesem Zu­sammenhang immer auf Deutschland gezeigt wird: Erhöhung um null Prozent – ein Wahnsinn! – Wenn man sich die Situation ansieht und nicht Äpfel mit Birnen ver­gleicht – Herr Vizekanzler, Sie wissen das sicherlich genauso wie der Herr Staats­sekretär, weil Sie die Zahlen ja kennen; ich gehe davon aus, ich hoffe es zumindest –, dann weiß man, dass in Deutschland von Haus aus schon wesentlich höhere Pen­si­onen vorhanden sind (Zwischenruf des Bundesrates Wolfinger) und dass in Deutsch­land auch geringere Beiträge zu bezahlen sind. – Lieber Herr Kollege, schauen Sie es sich an, wenn Sie es nicht glauben oder nicht wissen!

Wenn Sie dann von einer tollen Pensionserhöhung in Österreich sprechen, wenn Sie uns – und vor allem den Pensionisten und Pensionistinnen – dann einreden wollen, dass bei uns alles in Ordnung sei, dann sage ich Ihnen: 10 €, das ist ja wirklich eine „tolle“ Geschichte! Das wird doch zehnmal aufgewogen durch das, was bei uns alles wieder teurer gemacht wurde! Ein recht herzliches „Dankeschön“!

Die Abgabenquote ist im Jahr 2001 drastisch gestiegen – das gibt sogar der Herr Bun­deskanzler zu, das ist vollkommen richtig. Dass sie jetzt wieder ein bisschen hinunter­geht, das ist zwar gut, nur: Wo haben wir denn mit diesen Abgabenquoten die Men­schen am meisten getroffen, in welchen Bereichen sind sie denn tatsächlich getroffen worden? – Um auch das jetzt ganz offen und ehrlich zu sagen: nicht in jenen Einkom­mensschichten, zu denen wir hier gehören, oder in noch höheren. Diejenigen, die am wenigsten haben, haben es naturgemäß auch am meisten gespürt. Diejenigen, die am wenigsten Einkommen haben, haben diese Belastungen voll, eins zu eins zu tragen gehabt und haben dadurch natürlich, prozentmäßig betrachtet, wesentlich höhere Be­las­tungen zur Kenntnis nehmen müssen als wir alle miteinander, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Darüber soll man nicht hinwegreden, und darüber soll man nicht hinwegtäuschen, was in dieser doch relativ kurzen Zeit, seit dem Jahre 2000, diese „Regierungen“ – unter An­führungszeichen –, diese Koalition alles zustande gebracht hat. – Eine Schande! Eine Schande für Österreich und eine Schande für uns, die wir hier sitzen müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

2004, haben wir heute gehört, sollte ... (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich werde Sie noch daran erinnern, was alles kommt. Es kommt schon noch! Sie können dann mitschreiben, damit Sie es sich merken. Vielleicht kommen diese Beispiele dann irgendwann einmal auch von Ihnen. Es sind ja nicht alles Dinge, die von der ÖVP gemacht wurden, es sind auch teilweise solche, die die FPÖ gemacht hat. Man bleibt sich hier gegenseitig nichts schuldig, meine sehr verehrten Damen und Herren.


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Heute hat der Herr Bundeskanzler gemeint, die Steuersenkung beginnt mit Jän­ner 2004. Meine Erwartungen sind groß, denn bis jetzt habe ich immer nur gehört, dass man das Ausland beobachten wird und dann dementsprechend bei uns vielleicht das eine oder andere machen wird. Und wenn man dann die Steuerreform vielleicht in der Art und Weise verkaufen will, dass man wiederum eine Gruppe herausnimmt und sagt, damit ist die Steuerreform erledigt, und in Wirklichkeit die große Masse der unselb­ständig Beschäftigten auf der Strecke bleibt, dann werden wir Sie wieder daran erinnern, was Sie hier in Österreich tatsächlich für eine Regierungsform eingeführt haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wenn man von einer Sozialreform spricht, die diesen Namen ja bei Gott nicht verdient hat, und von Einsparungen, die kommen müssen, wie der Herr Bundeskanzler gemeint hat, und vom Gesundheitsdialog, der geführt werden soll, dann darf ich daran erinnern: Wir haben das in den letzten Monaten auch hier in diesem Haus – ich durfte es von diesem Platz aus auch schon einige Male ausführen – weidlichst ausdiskutiert. Nur zur Erinnerung: Hauptverband, Einsparungen, Verbesserungen; effektiver wollen wir werden!, „Progressiv, dynamisch, mit Phantasie, aber sachlich!“, hat einmal Degen­hardt vor sehr, sehr vielen Jahren gemeint.

Was ist denn dabei herausgekommen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kolle­gen? – Fünf Direktoren haben wir jetzt im Hauptverband! – „Gratuliere“, „wunderbar“! Die Kosten haben sich um ein Vielfaches gesteigert, das wissen Sie auch – „gra­tu­liere“! Weitere Flops, meine sehr verehrten Damen und Herren: Ambulanzgebühren – das haben wir in der Zwischenzeit schon wieder abgeschafft, es hat aber eine Menge Geld gekostet –, Unfallrentenbesteuerung – das haben wir wiederum abschaffen müs­sen, es hat uns auch eine Menge Geld gekostet –, Verschlechterung bei den Pen­sionen – dieses Thema brauchen wir hier nicht noch einmal auszuführen, es ist ja bis ins Detail bekannt.

Was schließen wir daraus, was sehen wir daran, liebe Kolleginnen und Kollegen? Was sehen wir denn daran wirklich? – Dass diese Regierung nicht einmal in der Lage ist, in diesem Haus verfassungskonforme Gesetze einzubringen! All diese Dinge sind auf­gehoben worden (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Gesetze wurden früher auch aufge­hoben!) und, meine sehr verehrten Damen und Herren, eines ist schon interessant – sogar das „profil“ hat das jetzt festgestellt –: Wenn man von Seiten der Regierungs­parteien nichts mehr weiß, dann kommen immer wieder die „30 Jahre sozialdemo­kra­tisch dominierte Regierung“ ins Gespräch. – Wunderschön, ich stehe auch dazu, eine wunderbare Sache! Eines aber bitte ich nicht zu vergessen, gerade auch Sie, Herr Staatssekretär: Ihre Partei hat dabei einige Jahre voll mitgewirkt, nicht unwesentlich mitgewirkt! – Und wenn wir diese 30 Jahre sozialdemokratisch dominierte Regierungs­politik nicht gehabt hätten (Bundesrat Bieringer: Dann hätten wir viel weniger Schul­den!), dann wäre dieser Sozialstaat Österreich heute nicht mehr in der Lage (Bundes­rat Bieringer: Dann hätten wir viel weniger Schulden!), all das, was Sie verursacht haben, all diese Schandgesetze noch halbwegs zu verkraften, und die Zahl derjenigen, die in Österreich am Existenzminimum zu knabbern haben, wäre dann noch viel größer. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe es Ihnen bereits gesagt: Sie sind nicht einmal in der Lage, verfassungs­kon­forme Gesetze einzubringen. So wird es auch im Fall ÖBB sein. Genauso wird es auch sein, wenn man dort diesen Verfassungsbruch begeht, wenn man diesen Gesetzes­bruch begeht, diese Vereinbarungen nicht mehr zur Kenntnis nimmt. Dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird auch da wiederum zur Kenntnis zu nehmen sein, dass man auf Seiten der Regierung ganz einfach glaubt: Die Gesetze machen wir selbst! Ob diese mit irgendetwas konform sind oder nicht, ist uns egal!


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Pensionen, Voest, ÖBB, Post, Postbus, Beamte – überall hat man reduziert, überall hat man versucht zu zerstören. Es war aber im Bereich der Lehrer, es war im Bereich der Post die Pensionierung mit 47 vorgeschrieben, und bei einigen anderen Bereichen der Beamten gab es Zwangspensionierungen, wo man im Nachhinein dann gesagt hat: Dürfen sie das überhaupt? Waren die Ärzte in Ordnung? – So wird die Arbeit dieser Regierung gemacht. Ansonsten gibt es zu Vorschlägen, die vom ÖGB, die von den Sozialdemokraten kommen, nichts anderes als ein striktes Njet.

Man sagt aber – wie zum Beispiel Frau Gehrer als richtungweisende Ministerin –, wie die Zukunft ausschauen soll: Die Jugend soll nicht auf Parties gehen, sie soll lieber Kinder machen. – Das ist eine Art von Politik, wie ich sie mir in Österreich eher nicht vorstelle, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Es war schon sehr wichtig, dass Herr Bundespräsident Klestil offensichtlich bei diesem ÖGB-Bundeskongress ein klares Wort gesprochen hat, was die Beziehungen dieser Regierung zu den Gewerkschaften betrifft (Bundesrat Wolfinger: ... ein Besitzstands­verein, Herr Kollege!), und es war auch nicht überraschend, dass man sich darüber sehr, sehr mokiert hat. (Bundesrat Wolfinger: Ein Privilegien- und ein Besitzstandsver­ein!)

Wenn Schüssel sagt, wir können ja reden, und wenn er am ÖGB-Kongress gemeint hat, wir seien ja nicht weit auseinander, dann ist bezüglich der Frage des Aus­einander­seins immer zu bedenken, dass ein Zentimeter den Tod bedeuten oder aber auch hilfreich sein kann. Wenn man zu Verhandlungen geht und nur sagt: Okay, wir können über alles reden, aber was unsere Eckpunkte anlangt, so bleibt ohnedies alles so, wie es ist!, dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind das keine Verhandlungen, sondern dann sind das eben Termine, bei denen man in Wirklichkeit nichts von dem umsetzen kann, von dem man in der Öffentlichkeit spricht, nämlich Gesetze zu ge­stalten, Vorschläge anzunehmen, die für die Menschen in Österreich für die Zukunft wichtig sind.

Ich möchte zum Abschluss nur noch ganz kurz auf die Bahn eingehen, weil der Herr Vizekanzler sich damit logischerweise auch sehr intensiv beschäftigt hat. Auch diese Verhandlungen sind davon geprägt, dass man zunächst zwar sagt: Setzen wir uns zusammen, reden wir! – Das ist gut, das ist wertvoll, nur: Wenn dabei herauskommt: Aber unsere Punkte sind klar, darüber gehen wir nicht hinaus, darüber gehen wir nicht hinweg!, was soll es dann, Herr Vizekanzler? – Das ist das, was ich nicht verstehen kann. (Bundesrat Dr. Kühnel: Wo ist denn Ihr Reformpapier, Herr Kollege?)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Eines ist natürlich auch klar: Es geht im Prinzip um eine Filetierung der ÖBB. Herr Vizekanzler, wenn Sie sich am Beispiel von England anschauen, was man dort mit einer Bahn gemacht hat, wenn man sich im Ausland ansieht – Sie sprechen ja auch immer vom Ausland –, ... (Bundesrat Dr. Küh­nel: Sie sind ein Anhänger der ...! – Rufe bei der ÖVP: Pfründe! Pfründe!) – Das ist unangenehm, gell? Das ist unangenehm. Na kommts, redets ein bissel weiter! Ich habe Zeit. Ich warte, bis ihr fertig seid. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie sind ein Betonierer! Betonieren, alles zubetonieren!) Das hat man wahrscheinlich in Ihrem Bereich, beim Bundesheer, nicht zu wissen gebraucht: Wenn man etwas betoniert, dann kann nichts mehr fahren! – Aber ich setze nicht voraus, dass Sie so firm in diesen Gebieten sind (Bun­desrat Dr. Kühnel: 4,4 Milliarden € für die Bundesbahn! Gleich viel wie für ...!), sondern ich setze voraus, dass Sie halt gerne ein bissel was reden. Das haben Sie hier in diesem Haus schon ganz gut gelernt – zwar nicht vom Inhalt her, aber was die Lautstärke betrifft. Das können Sie! Ich gratuliere Ihnen!

In Wirklichkeit ist es so, dass nicht nur die Zerstörung dieser Bundesbahn für die Be­schäftigten droht, der Vertragsbruch, der hier geplant ist – und, meine sehr verehrten


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Damen und Herren, es ist Vertragsbruch, der geplant ist! (Bundesrat Dr. Kühnel: Zer­stören tut die Gewerkschaft!) –, ein Personalabbau, der auch viele Familien betrifft, der eine Missachtung von Verträgen darstellt, sondern dass Sie in Wirklichkeit damit die Bahn in Österreich nicht zu dem machen, als das wir sie brauchen, nämlich zu einem wichtigen Wirtschaftsträger, zu einem wichtigen Transportmittel, gerade auch um viel Verkehr von der Straße wegzubringen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Herr Kollege, sind Sie ... mit der Südbahn gefahren?) Sie arbeiten genau in die entgegengesetzte Rich­tung. Auch hier, so scheint es, müssen Sie wieder ein ähnliches Urteil bekommen wie im Fall des Hauptverbandes, denn in vernünftigen Gesprächen funktioniert es offen­sichtlich nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Vizekanzler, Sie haben auch gesagt, Sie haben offene Ohren beim Herrn Bundes­kanzler gefunden. – Ich gratuliere Ihnen dazu, will Sie aber nicht enttäuschen, denn das hat Ihr Vorgänger als Vizekanzler, Herr Minister Haupt, auch gesagt. Das hat sich aber von Tag zu Tag immer wieder geändert. Die Ohren sind zwar offen geblieben, aber die Umsetzung war eine andere. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, dass sich in Ihrem Fall doch vielleicht das eine oder andere zum Positiven wendet. Es wäre für Österreich wünschenswert. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.21

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte.

 


11.21

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Staatsekretär! Hohes Haus! Ich glaube, es gibt unterschiedlichste Indikatoren, mit denen man ein Land messen kann. Es wird ja immer wieder versucht, Konjunkturdaten, Beschäftigungsdaten et cetera herzu­neh­men, um den Zustand eines Landes zu bewerten. Das ist in der heutigen Debatte auch schon vorgekommen. Ich meine, man könnte als Indikator dafür, wo die Republik steht, auch die Qualität der Diskussion und die Qualität der Vorwürfe hernehmen, die dieser Regierung gemacht werden: Von Herbert zu Hubert! Da ist es wohl wirklich so, dass diese Debatte zeigt, dass das Ausmaß der Sorgen, die wir haben, tatsächlich gering sein muss. (Bundesrätin Schicker: Herr Kollege! Sorgen Sie sich auch so wie wir?)

Als einen weiteren Indikator, dass diese Regierung ganz gut arbeiten muss, nehme ich den Umstand her, dass sich die Opposition betreffend Konjunkturdaten darum bemüht, diese für sich zu interpretieren. Ich werte es auch als ein positives Zeichen, dass die Regierung sehr gut arbeitet, wenn zum Beispiel im Fall der „Abfertigung neu“ Kollege Reisenberger hier versucht, dies für den Gewerkschaftsbund zu reklamieren. Das war doch eine ganz klare Beschlussfassung der im Amt befindlichen Bundesregierung! Man muss schon Respekt vor der Bundesregierung haben, wenn man versucht, das für sich zu reklamieren. Das sind, so finde ich, an sich alles Indikatoren, die zeigen, dass die Regierung auf dem richtigen Weg ist.

Man kann es natürlich versuchen, aber es fällt schon sehr schwer, dieser Regierung vor­­zuwerfen, dass sie keine Reformen angegangen wäre. Und es fällt wahrscheinlich auch sehr schwer, die Themata zu leugnen, die angegangen worden sind, zum Bei­spiel die Pensionsreform. Ich glaube, das Faktum, länger zu leben, niedrigere Ge­bur­tenraten et cetera, liegt klar auf dem Tisch. Ich möchte ja gar nicht bestreiten, dass in den letzten Jahren Sozialpolitik gemacht worden ist – auch zwischen Sozialdemokratie und Volkspartei. Aber das Thema ist, dass sich die Zeiten geändert haben und dass sich die Zeiten immer schneller ändern. Deswegen wird die Zeit für Diskussions­pro­zesse, bis wir die Veränderungen durchziehen, einfach immer kürzer.


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Das ist eine Thematik, die in der Konstellation der schwarz-blauen Regierung im Ver­gleich zu dem, was in den letzten Jahren in der Zusammenarbeit mit den Sozial­demo­kraten der Fall gewesen ist, in einer viel höheren Geschwindigkeit durchgezogen hat wer­den können. (Bundesrätin Schicker: War das gut so?) Ich weiß schon um all die Debatten, die wir haben, dass man sagt: Manche Veränderungen erfolgen zu schnell. Es ist ja auch so, dass die Thematik, dass die Veränderungen als zu schnell wahr­genommen werden oder dass das kritisiert wird, nicht nur etwas ist, was von der Opposition kommt, sondern dass das natürlich auch Sorgen sind, die auch bei vielen Mandataren und Funktionären der Regierungsparteien vorhanden sind. Ich möchte das gar nicht bestreiten. Gleichzeitig möchte ich aber festhalten, dass zumindest ich per­sönlich meine, dass es vermutlich für das Land richtig und wichtig ist, dass diese Ver­änderungen noch viel schneller durchgeführt werden. Es gibt eben viele Systeme, spe­ziell die Sozialsysteme sind auf anderen Paradigmen aufgebaut.

Ich denke, wenn es uns gelungen wäre oder wenn es ganz Europa gelungen wäre, konstant Wachstumsraten von 5 bis 6 Prozent zu haben, dann hätten wir jene Thematik im Budget nicht, um die sich der Finanzstaatssekretär und der Finanzminister kümmern müssen. Aber wir sehen, es ist falsch, es ist auch falsch für das Sozial­system, davon auszugehen, immer Wachstumsraten von 5 bis 6 Prozent zu haben.

Wenn wir jetzt in den Osten blicken, sehen wir, Tschechien, Ungarn und die Slowakei haben einen wettbewerbsmäßigen Vorteil uns gegenüber. Diese Staaten kommen jetzt mit anderen Steuersätzen und sind natürlich auch, was ihr Sozialsystem betrifft – und ich meine das jetzt nicht zynisch, sondern eben auf Grund der Tatsache, dass sie von einem niedrigeren Level kommen –, in der Lage zu antizipieren, was sie sich wirklich leisten können. Sie werden natürlich aus der Erfahrung von EU-Ländern und westlich orientierten Ländern wie Österreich lernen und nicht in der Geschwindigkeit ihre So­zialleistungen derart steigern, dass sie dann selber die Notbremse ziehen und in dieser Frage wieder retour fahren müssen.

Das bedeutet aber gleichzeitig, dass die Ostländer als Wirtschaftsstandort nicht zu unter­schätzen sind. Sosehr es auf der einen Seite eine Chance ist, dass wir mit der Ostöffnung eine enorme Möglichkeit haben, unsere Wirtschaft voranzubringen, ist es auf der anderen Seite so, dass wir nicht davon ausgehen dürfen, dass unsere Nach­barn schlafen und dass, gerade was die Wettbewerbsfähigkeit und die Standortqualität betrifft, dort nichts geschieht. Das ist die Grundlage dafür, ob Investitionen in diesen Ländern getätigt werden, und basiert auf ganz anderen Grundlagen als das, was hier manchmal in die Debatte eingebracht wird.

Ich möchte in diesem Zusammenhang aus wirklicher Überzeugung sagen, dass ich auch den Eindruck habe, dass die neuen Schwerpunktsetzungen der Bundesregie­rung, die gerade in den letzten Wochen und Monaten gekommen sind, selbstverständ­lich genau die richtigen sind, wenn man jetzt in Forschung und Entwicklung geht und in die Richtung, dass man schaut, dass man mit dem Konjunkturpaket und dann im Jahr 2005 mit der Steuerreform etwas bewirken kann, um eben den österreichischen Wirt­schaftsstandort voranzubringen.

Ich glaube, wenn man einen klaren Blick behält, dann weiß man, dass das für dieses Land notwendig ist. Und wenn man ehrlich ist – auch wenn es den eigenen Funk­tionä­ren zum Teil weh tut –, muss man sagen: Wir haben nicht so viel Zeit, diesen The­men­komplex hundert Jahre lang zu diskutieren, weil wir sonst auf die Verliererstraße kom­men.

Das Beispiel der Pensionsreform hat es gezeigt. Ich glaube, dass wir bei der Gesund­heitsreform auch auf einem guten Weg sind, wenn ich zum Beispiel bedenke, wie sie


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vorbereitet worden ist. Man muss da auch darauf schauen, dass die Industrie in die Pflicht genommen wird, damit wir mit den Kosten herunterkommen.

Ich frage Sie auch: Wer kann denn bitte heutzutage hergehen und sagen, dass bei der Bahn keine Reformen notwendig sind? – Jetzt ist leider Herr Kollege Schennach nicht da. (Ruf: Aber der Reisenberger ist da!) Dass Kollege Reisenberger ein großer, ge­wichtiger Roter ist, das weiß ich ja, aber beim Kollegen Schennach und den Grünen habe ich gedacht, dass das eine eigene Fraktion ist. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Noch nicht!) Und da überrascht es mich noch viel mehr.

Lassen Sie mich in dem Zusammenhang Folgendes sagen: Es ist doch blanke Re­alitäts­verweigerung, wenn ein Unternehmen 4,4 Milliarden € Zuschuss im Jahr braucht und man hier sagt, gewisse organisatorische Anpassungen seien immer wieder not­wen­dig, wie uns Herr Professor Konecny doziert hat! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm.)

Und wenn dann immer wieder klagend vorgebracht wird, dass das so schlimm ist, weil vielleicht auch noch parteipolitisch motiviert vorgegangen wird, so möchte ich generell einmal Folgendes sagen, weil immer wieder von „Umfärbungen“ gesprochen wird: Ich finde es eigentlich wirklich kühn, wenn von Umfärbungen gesprochen wird, weil wenn etwas umgefärbt wird, setzt es ja voraus, dass es vorher einmal eingefärbt worden ist! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

Warum bei den Bundesbahnen nie andere Leute als Sozis arbeiten durften, habe ich auch nie eingesehen. (Beifall bei der ÖVP.) Das und vieles andere mehr in diesem Land muss geändert werden. (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.) – Ent­schul­digung, 95 Prozent der Mitarbeiter bei den ÖBB sind Rote. Das ist nicht dem pro­portional, wie sich die Gesellschaft in diesem Land zusammensetzt. Sonst wärt ihr nicht in der Opposition, wenn es so wäre. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm. – Bundesrat Boden: Wie ist es bei der Straßenverwaltung in Nieder­österreich? Und bei den Bauern?) – Wobei ich gerade höre, dass ich mit 95 Prozent un­ter­trieben habe. Das tut mir Leid, aber ich wollte mich einfach auf die sichere Seite begeben.

Sie ignorieren den Reformbedarf bei einem Unternehmen, das 4,4 Milliarden € an Zu­schüssen im Jahr braucht, wollen aber hier darüber diskutieren, ob es im Haupt­ver­band einen Direktorenposten mehr oder weniger gibt. (Bundesrat Reisenberger: „Ein­sparungen“ habt ihr gesagt!) Das fällt ja nicht einmal unter irgendeine Rundungs­unge­nauigkeit in der 17. Dezimale. Sie sollten versuchen, den Blick für das Wesentliche zu behalten; es macht aber nichts, wenn Sie das nicht tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Zusammenfassend: Ich habe den starken Eindruck, dass diese Bundesregierung die­sen Blick für das Wesentliche hat. Ich habe auch ein gutes Gefühl den neuen Vize­kanz­ler betreffend. Ich bin schon immer ein Vorarlberg-Fan. Ich denke, wenn man gelernt hat, sich als Vorarlberger in Österreich durchzusetzen, dann wird man sich auch als Österreicher in Europa durchsetzen. Dazu wünsche ich ihm alles Gute! (Bei­fall bei der ÖVP.)

11.32

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­des­rat Gruber. – Bitte. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das ist der nächste Eisenbahner!)

 


11.32

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Jemand, der kurz nach einer Beförderung in Pension gegangen ist und selbst im Glashaus sitzt, sollte ruhig sein, Herr Kollege Kühnel! Das möchte ich Ihnen nur vorweg sagen.


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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Meine ge­schätzten Kolleginnen und Kollegen! Es hätte eigentlich genügt, wenn man sich hier die Reden des Herrn Bundeskanzlers, des Herrn Vizekanzlers und der Kollegen an­gehört hat, nur auf das einzugehen, ohne sich umzuschauen oder sich zu informieren, was in den letzten Jahren wirklich in diesem Land geschehen ist und was diese Regie­rung in den letzten Jahren gemacht hat.

Herr Kollege Himmer! Ich möchte nur ganz kurz etwas anmerken, mehr möchte ich dazu nicht sagen: Es ist immer schlecht, wenn man bestehende Strukturen, die funk­tionieren – mag sein, dass sie vielleicht nicht immer zeitgerecht sind –, zerschlägt, bevor man neue und bessere hat. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das tut man ja nicht!) Nur das, Herr Kollege Himmer, fordern wir ein.

Sie wissen ganz genau: Schnelle Veränderungen gehen meistens zu Lasten der Rechtssicherheit. Ich glaube, dass die Menschen in diesem Land Anspruch auf Rechtssicherheit haben. Wenn einem gleich ist, dass von 63 Gesetzesnovellen, die den Nationalrat passiert haben, mittlerweile 40 vom Verfassungsgerichtshof zum Teil oder ganz aufgehoben wurden – so kann man auch Politik machen. (Bundesrat Mag. Him­mer: Was haben Sie von der Rechtssicherheit, wenn ...?) Ich weiß nicht, ob das eine gute Politik für Österreich ist, Herr Kollege.

Eines würde ich Ihnen auch empfehlen, weil Sie davon gesprochen haben, man hätte keine Zeit mehr. – Sie sollten sich Zeit nehmen, Herr Kollege Himmer, mit Ihren Par­teifreunden und -kollegen, denn wenn man sich keine Zeit nimmt, dann ist man auf der Verliererstraße.

Kollege Bieringer hat ganz stolz von 35 Bundesräten der Koalition gesprochen. Als ich im Jahre 2000 in dieses Haus gekommen bin, waren es 42 Bundesräte der Koalition. Heute sind es nur mehr 35. Die FPÖ hat sich von 14 auf 7 Bundesräte dezimiert. Das ist immerhin eine Meinungsäußerung über die Bundesländer, die in den Bundesrat hineingetragen wird. (Bundesrat Fasching: Sie wissen, wie viele Nationalräte wir haben? Wollen Sie das wissen?)

Ja, Herr Kollege, wir werden, wenn der Bundesrat nicht vorher aufgelöst wird, nach den nächsten Wahlen die Möglichkeit haben, auch wieder über die Abgeordneten zum Nationalrat zu reden. Ich werde Sie dann daran erinnern. (Beifall bei der SPÖ. – Bun­desrat Fasching: Plus 24!) – Ich werde Sie nach den nächsten Nationalratswahlen bezüglich der Anzahl der Abgeordneten zum Nationalrat erinnern. (Bundesrat Fa­sching: Plus 24 Mandate! – Bundesrat Bieringer: Herr Kollege! Wie ich hereingekom­men bin, ist es 33 : 31 gestanden! Nur damit das klar ist!)

Herr Kollege Bieringer, das war die Zeit der großen Koalition, in der ja die letzten 14 Jahre von der ÖVP ständig Kindesweglegung betrieben wurde. Sogar der Herr Vizekanzler hat heute – ohne eine Schuldzuweisung zu machen, das muss ich aus­drücklich betonen – noch einmal das in den Mund genommen, was Sie ständig tun und was sonst Ihre Ausdrucksweise ist: Alles, was früher schlecht war, ist von den Sozial­demokraten gekommen, die in Regierungsverantwortung waren. (Bundesrat Bieringer: Das stimmt ja nicht!)

Auch die Transitverträge sind von den Sozialdemokraten ausgehandelt worden. Aber, Herr Vizekanzler Gorbach, man darf dazusagen, dass die ÖVP damals bei Abschluss der Transitverträge in der Bundesregierung gesessen ist, dass die ÖVP bei dieser Eu­ropa­politik mitgemacht hat. Wer war Verkehrsminister? (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.) – Sie wissen auch, Herr Professor, dass in der Bundesregierung bei be­stimmten Dingen das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Und die ÖVP hat voll mitgemacht!


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Wenn Sie schon von Bünden oder von roten Seilschaften im Zusammenhang mit den ÖBB reden, dann würde ich Ihnen empfehlen, Herr Kollege Himmer: Schauen Sie sich die Ergebnisse der Personalvertretungswahlen in Niederösterreich an! Ich würde sa­gen, das ist Parteibuchwirtschaft pur. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte, nachdem der Herr Bundeskanzler heute ... (Zwi­schenruf des Bundesrates Bieringer.) – Kollege Bieringer, ich schaue mir das an, ich hätte es auch nicht erwähnt, wenn nicht Herr Kollege Himmer dieses Wort in den Mund genommen hätte. (Bundesrat Mag. Himmer: Keine Umfärbung ohne Einfär­bung!, habe ich gesagt!) Er soll sich vielleicht einmal die Personalpolitik im Innenminis­terium anschauen, dann wird er draufkommen, dass von diesen Reformen, die hier immer beredet werden, nichts passiert, sondern dass dort nur Personalrochaden ge­macht werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man sich die Ergebnisse des Berufungssenates im Bundeskanzleramt anschaut, dass nämlich von 75 versetzten Mitarbeitern in diesem Ministerium bereits 40 Recht be­kommen haben, so ist das eine deutliche Sprache. Mehr möchte ich dazu gar nicht sagen. Und die restlichen 35 werden wahrscheinlich auch noch Recht bekommen. (Neu­er­licher Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Bie­ringer.)

Lieber Kollege Bieringer! Du weißt, man sollte, wenn man im Glashaus sitzt, nicht mit Steinen werfen. Das gilt für dich und für deine Partei besonders in den letzten Jahren. (Bundesrat Bieringer: Das trifft bei euch zu!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch ganz kurz zur Erklärung des Herrn Bun­deskanzlers. Ich habe das bei der letzten Regierungserklärung erlebt, das war eine „echte“ – unter Anführungszeichen – Regierungserklärung, diese fand nach den Wahlen statt. Zwischendurch gibt es immer wieder sozusagen kleine Regierungs­erklä­run­gen durch Umbesetzungen. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Das war nur eine Erklä­rung zur Regierungsumbildung!)

Ich muss ehrlich sagen, Herr Kollege Gruber aus Kärnten, man muss sich tatsächlich einmal die Liste der Minister anschauen und nachdenken: Herr Krüger war mir gar nicht mehr so im Sinn. Das war einer jener Minister, die im Buch der Rekorde sind: Er war die kürzeste Zeit Minister. (Bundesrat Bieringer: Drei Wochen!) Es hat dann eine gewisse Frau Sickl gegeben, einen Herrn Schmid und eine Frau Forstinger, die jetzt durch die Hintertür bei der Eisenbahn wieder zurückkommt, vom Herrn vorm Walde wieder Aufträge bekommt, nachdem sie ihn ja auf diesen Chefsessel gesetzt hat. Ei­nen Herrn Reichhold gab es auch, der leider aus gesundheitlichen Gründen verloren gegangen ist, aber auch eine Frau Riess-Passer.

Allein das würde schon für das Buch der Rekorde reichen, was Regierungsum­bildun­gen in den letzten drei Jahren anlangt. (Bundesrat Dr. Böhm: Unter Vranitzky 20!) – Er war immerhin zehn Jahre lang im Amt, Herr Professor. Das werden Sie hier nicht wegdiskutieren können.

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler sagt hier immer sehr gerne: Seien wir doch froh, dass wir nicht in Deutschland sind! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich muss dazu sagen: Ein bisserl verkennt der Herr Bundeskanzler die Situation schon, denn – und jetzt mache ich es einmal so, wie Sie es in den letzten Jahren gemacht haben –: Das, was heute in Deutschland zu vollziehen ist, und das, weshalb sich Deutschland heute in dieser Situation befindet, in der es eben ist, hat dort eine schwarze Regierung, ein Bundeskanzler Helmut Kohl sozusagen in die Wege geleitet – und eine rot-grüne Regierung muss dort jetzt die Kohlen aus dem Feuer holen! Das muss man auch einmal dazu sagen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der


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Grünen. – Bundesrat Dr. Böhm: Das stimmt doch nicht! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Darum würde ich bitten, dass man seitens der Regierungsparteien nicht immer be­wusst auf Deutschland losgeht. Deutschland ist unser wichtigster Handelspartner, auch unser wichtigster Partner in Bezug auf Tourismus und Fremdenverkehr. (Bundesrat Bieringer: Jetzt hast du dich aber ordentlich widersprochen ...!) Als Bürgermeister ei­nes Tourismusortes weiß ich nur allzu gut, dass es die deutschen Gäste nicht son­derlich lieben, wenn man immer mit dem Finger auf sie zeigt. Und darum sollte man da vorsichtig sein. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.)

Zeigen Sie mir, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ein Land in Europa, das es geschafft hätte, solch enorme Aufgabe, wie sie Deutschland nach der Wiedervereinigung zu erfüllen hatte beziehungsweise zu erfüllen hat – im Bereich der Pensionen, im Bereich der Sozialversicherung, et cetera –, so zustande zu bringen, also all das zusammenzuführen, zu den 60 Millionen 20 Millionen Bürgerinnen und Bür­ger sozusagen dazuzunehmen und in dieses System einzubauen! In der DDR gab es zuletzt doch keine funktionierende Wirtschaft, keine Industrie mehr, da hat praktisch überhaupt nichts mehr funktioniert! Zeigen Sie mir ein Land in Europa, dass das schaffen würde! – Das schafft nur Deutschland, auch wenn dieses Land momentan Schwierigkeiten hat. Aber das erlaubt uns nicht, mit dem Finger dorthin zu zeigen! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Gegenrufe bei der SPÖ.) – Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass Sie so mitdiskutieren, denn da wird es für mich hier heraußen wirklich gemütlich!

Herr Vizekanzler Gorbach! Ich habe ein bisserl eine Gänsehaut bekommen, denn vor nicht allzu langer Zeit ist der Herr Innenminister hier gesessen und hat auch stets von Rot-Weiß-Rot gesprochen, dabei aber immer Schwarz gemeint. – Und Sie, Herr Vize­kanzler Gorbach, haben heute auch das Wort Rot-Weiß-Rot in den Mund genommen. Ich hoffe jedoch, Sie meinen tatsächlich Rot-Weiß-Rot – und nicht wie der Herr Innen­minister, dass er zwar von Rot-Weiß-Rot spricht, aber letzten Endes stets Schwarz meint.

Meine Damen und Herren! Ich habe kein Problem mit jenen Leuten, die schon in der Regierung waren und wieder gegangen sind, ist es doch ein Schuldeingeständnis beziehungsweise ein Eingeständnis allgemeiner Art, wenn eine Regierungsumbildung stattfindet, weil da eben irgendjemand – wenn er nicht aus Altersgründen oder gesundheitlichen Gründen in Pension geht – seine Aufgaben nicht erfüllt hat und da­her eine Regierungsumbildung gemacht werden muss. Wäre nämlich alles in Ord­nung, müsste man ja nicht die Regierung umbilden, und wenn gut gearbeitet würde, müsste man die Regierung auch nicht umbilden. Irgendetwas ist also nicht in Ordnung ge­wesen! Ich weiß jetzt nicht, was bei Herbert Haupt nicht in Ordnung war, dass er durch Hubert Gorbach ersetzt werden musste. (Bundesrat Dr. Böhm: Herbert Haupt ist weiterhin Sozialminister! Vizekanzleramt ist kein Ressort!)

Herr Professor Böhm, dieses Wortspiel möchte ich jetzt gar nicht weiterspielen, son­dern nur sagen – und das werden Sie doch nicht in Abrede stellen –: Niemand macht aus freien Stücken eine Regierungsumbildung, wenn eine solche nicht notwendig ist, wenn man nicht Fehler oder Mängel sieht, die man zu beheben versucht.

Herr Kollege Böhm, Sie von den Freiheitlichen wurden, seit ich hier im Bundesrat bin, von 14 auf 7 Bundesräte dezimiert. Und weiters: In Salzburg – Kollege Aspöck ist jetzt ohnehin hier – sind 13 Ihrer Ortsorganisationen aus der FPÖ ausgetreten, sind also nicht mehr „blau“, sondern „orange“. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

In meiner Gemeinde Bad Gastein, in der die Freiheitlichen von 1989 bis 1994 den Bür­germeister stellten, gibt es die FPÖ nicht mehr. Die sieben verbliebenen freiheitlichen


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Gemeindevertreter haben ihr Parteibuch zurückgegeben und werden nächstes Jahr wahr­scheinlich unter der Liste „Unabhängige Liste Bad Gastein/ULP“ kandidieren. Das ist die Entwicklung, die Sie von den Freiheitlichen in dieser Regierung genommen haben! Das müsste Ihnen doch zu denken gegeben haben, Herr Professor Böhm!

Wie gesagt: Sorgen machen mir eher jene Leute, die in dieser Regierung verblieben sind, allen voran der Herr Innenminister. Ich habe schon erklärt, warum, und tue es hiemit noch einmal: Seine Personalentscheidungen sind ja wirklich – ich will jetzt nicht sagen „menschenverachtend“ – parteipolitisch motiviert und willkürlich, und da hat ja jetzt die erste Instanz in rechtlichen Dingen ein ganz klares Wort gesprochen. Neu­gie­rig bin ich ja, wie Herr Innenminister Strasser darauf reagieren wird.

Man weiß ja, dass Leute wie Strohmayer, Schnabl, Edelbacher, also gute Leute, Fach­leute, nur deshalb, weil sie eine Nähe zur Sozialdemokratie haben, brutal von ihrem Arbeitsplatz entfernt wurden.

Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, Sie brauchen nicht zu glauben, dass die Damen und Herren in der Exekutive österreichweit und überhaupt alle Bürgerinnen und Bürger letzten Endes dies nicht bemerken oder wahrhaben! Erwarten würde man sich allerdings von einem Innenminister, dass er mehr im Kampf gegen die steigende Krimi­nalitätsrate unternehmen würde sowie dafür, dass wir wegkommen von den immer stär­ker sinkenden Aufklärungsraten bei der Verbrechensbekämpfung.

Wohin man kommt, Herr Kollege Bieringer – vor allem auch in Salzburg –: Überall in Österreich gibt es ein Sicherheitsdefizit. Herr Landeshauptmann Schausberger hat ja zu einem Sicherheitsgipfel eingeladen. Gäbe es kein Sicherheitsdefizit, bräuchte der Herr Landeshauptmann ja nicht zu einem solchen Gipfel einzuladen. Dann aber hat er beschwichtigt, und 14 Tage später ist man draufgekommen, ... (Bundesrat Bieringer: Wer hat beschwichtigt?) – Herr Landeshauptmann Schausberger und jene Beamten, die ihm dabei helfen müssen. (Bundesrat Bieringer: Der Herr Landeshauptmann hat die Tatsachen dargestellt – und nicht beschwichtigt!)

14 Tage später wurde Polizisten in der Stadt Salzburg, nachdem Wachzimmer ge­schlossen wurden, verboten, darüber auch nur zu reden! Sie haben der Bevölkerung nicht einmal sagen dürfen: Sie brauchen am Abend um 20 Uhr nicht mehr zum Wach­zimmer zu kommen, denn dieses ist zugesperrt, gehen Sie gleich dort und dort hin! (Bundesrat Bieringer: Haben Sie schon einmal gefragt, wie viele Leute am Abend bei einem Wachposten vorgesprochen haben? Haben Sie das schon einmal gefragt? – In der Stadt Salzburg im vergangenen Jahr null ...! – Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.)

Herr Kollege Bieringer, du kannst das nicht wegdiskutieren: Die Menschen haben in ihrem Stadtteil ein Wachzimmer – und das bedeutet für sie Sicherheit! Das kann man nicht wegdiskutieren, auch nicht, wenn man den Beamten mit Disziplinarverfahren droht, wenn sie irgendetwas sagen! Das kann’s doch nicht sein, dass man in der heu­tigen Zeit Beamten unter Androhung eines Disziplinarverfahrens sagt, sie dürfen der Bevölkerung keine Auskunft darüber geben, dass das Wachzimmer am Abend ab 20 Uhr zugesperrt ist! Das kann doch bitte nicht die Politik in einer Demokratie sein! (Bun­desrat Bieringer: Null Leute waren dort am Abend! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP sowie Gegenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Bieringer! Für diese Politik – davon bin ich überzeugt – werden Sie ganz sicher die Rechnung präsentiert bekommen! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen. – Bundesrat Bieringer: Das habt ihr voriges Jahr auch gesagt, und dann kam der 24. November!)

Eines, meine Damen und Herren, wünsche ich mir wirklich noch – obwohl es mir lieber wäre, wenn diese Regierung bereits morgen zurücktreten würde –: Ich wünsche mir,


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dass diese Regierung bis zum 6. März 2004 im Amt bleibt, denn wir können uns keinen besseren und billigeren Wahlhelfer für Salzburg und Kärnten vorstellen. – Danke. (Bei­fall und Bravorufe bei der SPÖ.)

11.47

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

 


11.48

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Vize­kanz­ler! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Kollege Boden hat sich sehr große Sorgen um die Freiheitlichen gemacht. (Rufe: Das war Kollege Gruber!) – Par­don, Gruber! – Ich gebe zu, wir Freiheitlichen machen uns auch manchmal Sorgen, und es freut uns, dass die anderen Parteien Anteil nehmen an uns, sodass es daher mit uns nur aufwärts gehen kann, denn wenn sich so viele um uns kümmern, so sind das ja fast unbezahlbare Hilfen.

In einem Punkt möchte ich meinen Vorredner allerdings schon korrigieren, und zwar seine Aussagen betreffend die Bundesrepublik Deutschland. Da kann man schon den Henne-Ei-Vergleich anstellen und fragen: Wie weit geht man da zurück? Aber: Fünf Jahre lang gibt es dort schon eine rot-grüne Regierung. Jetzt aber den Vorgänger-Regierungen, mit denen ich nichts gemein habe ... (Bundesrat Manfred Gruber: Vor zehn Jahren sind die Weichen für diese Entwicklung gestellt worden!)

Diese rot-grüne Regierung in Deutschland hätte die Chance gehabt, all das gut zu machen, was Ihrer Meinung nach vorhergehende Regierungen nicht gut gemacht haben und was in Ihren Augen kritikwürdig ist. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Manfred Gruber.)

Kollegem Reisenberger möchte ich sagen, der Ausdruck „Schande der Regierung“ ist ein sehr brutaler Ausdruck, einer, der im Grunde genommen in diesen Hallen keinen Platz haben sollte. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Wenn es Ihrer Meinung nach so ist, so könnten Sie zumindest einen anderen Begriff dafür wählen, einen, der hier auch von vielen besser verstanden würde. Es ist das keineswegs eine „Schande der Regierung“, und wir haben ja auch Fehlleistungen vorangegangener Regierungen nicht mit diesem Ausdruck angeprangert – egal, um welche immer es gegangen ist. Diesen Ausdruck halte ich nicht unbedingt für einen eines Parlamentariers würdigen.

Besonders gut an den Ausführungen des Herrn Vizekanzlers Gorbach hat mir dessen Bekenntnis zum Föderalismus gefallen. Unlängst konnte man ja in der „Presse“ einen Leserbrief des Präsidenten des Vorarlberger Landtages Manfred Dörler lesen, der zu den Ausgaben in den verschiedenen Gebietskörperschaften festgehalten hat, dass in der Schweiz 32 Prozent der Staatsausgaben im Bereich des Bundes angesiedelt sind, 40 Prozent auf der Ebene der Kantone und 28 Prozent auf der Ebene der Gemeinden.

Ich kann nicht sagen, dass es in Österreich umgekehrt wäre, denn das würde ja heißen, dass die gleichen Zahl nur anders gereiht wären. In Österreich ist die Situation so: 77 Prozent der Staatsausgaben auf der Ebene des Bundes, 11 Prozent in den Län­dern und 12 Prozent in den Gemeinden.

Wenn es im Rahmen des Österreich-Konvents gelingt, diesbezüglich eine Annähe­rung an Schweizer Vorgaben zu erreichen, würde mich das ganz besonders freuen, und ich meine, es wäre ein großer Erfolg für eine österreichische Bundesregierung, dem Föderalismus nicht nur im Wort, sondern auch in der Tat zur Verwirklichung zu verhelfen.

Zum Föderalismus gehört meines Erachtens natürlich auch die Volksabstimmung. Bei den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Vizekanzlers dazu


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war es leider aus Zeitgründen nicht möglich, all diese Punkte anzuschneiden. Ich möchte aber jetzt auf den einen oder anderen Punkt eingehen, der mir besonders bemerkenswert zu sein scheint, und da ist eben einer davon die Volksabstimmung.

Wenn es zu einer EU-Verfassung kommt – sicher ist das ja noch nicht; Bemühungen dazu sind aber jedenfalls vorhanden –, dann muss, wie ich meine, das österreichische Staatsvolk über diese auch die Gesamtverfassung der Republik stark beeinträch­tigende – um nicht zu sagen: total ändernde – Verfassung mit entscheiden können, und es hat daher darüber eine Volksabstimmung stattzufinden.

Ich bitte dich, Herr Vizekanzler Gorbach, im Rahmen der Koalitionsverhandlungen die­sen Punkt mit einzubeziehen und dem Nachdruck zu verleihen.

Österreich ist ein Staat, der souverän war – und nur noch Grenzen an Souveränität hat, eben auf Grund seines Beitritts zur EU. Österreich ist eine Demokratie, aber je mehr wir uns Brüssel verwaltungsmäßig unterordnen, desto weniger werden wir in der Lage sein, demokratisch über uns und unsere Belange zu befinden.

Den Föderalismus wollen wir ja auch beibehalten – und ich bin froh darüber, dass du, Herr Vizekanzler Gorbach, das betont hast.

Österreich ist neutral, ja, aber: Wieweit sind wir noch neutral? Sollen wir es weiterhin sein? Wenn man in einer Zeitung jetzt liest, dass in der Reformkommission des Bun­desheeres auch internationale Herausforderungen für das Bundesheer angespro­chen werden, dann sträubt sich bei mir der letzte Rest an vorhandenem Neutralitäts­bewusstsein. Ich meine, es ist nicht gut, wenn wir uns zu sehr – vielleicht bis nach Ka­bul, in den Sudan oder was weiß ich wohin – bewegen. Im Übrigen: Ich wüsste auch nicht, womit wir uns bewegen sollen, aber vielleicht ist das die Absicht in Bezug auf unsere künftigen Abfangjäger, die dann eigentlich nicht mehr Abfang-, sondern Kabul- oder Kongo-Jäger wären. (Heiterkeit.) – Jedenfalls: Das hielte ich für nicht sehr gut.

Österreich zahlt immerhin sehr viele Milliarden an Brüssel, und diese Zahlungen an Brüssel tragen ja ein bisschen – ich betone, dass ich jetzt sehr zurückhaltend zu argu­mentieren versuche – dazu bei, weitere politische Rechte, weitere souveräne Staats­rechte zu verlieren. Ich bitte die von mir unterstützte Bundesregierung, die Rechte der Republik Österreich in Brüssel so zu vertreten, dass es zu keiner weiteren Erosion un­serer Rechte kommt. Ich gehe davon aus, da gibt es unterschiedliche Auffassungen, und zwar sowohl in der Regierung als auch in den einzelnen Staaten, wie man ein ver­einigtes Europa aufbaut.

Meine Damen und Herren! Ich betrachte mich als guten Europäer, aber vielleicht als schlechten EU-Europäer, aber es muss auch legitim sein, hier zu sagen, dass man kritisch der EU gegenübersteht, weil man eben ein guter Europäer sein möchte. (Ruf bei der ÖVP: Sehr dialektisch!)

Es gibt doch einige – sagen wir es so – nachdenklich stimmende Bemerkungen in einem internationalen Papier – ich weiß nicht einmal, ob das den meisten geläufig ist –, in dem die Privatisierung großer staatlicher Einrichtungen gefordert wird, und zwar im Rahmen der Verhandlungen zwischen WTO und EU. Dabei geht es um die Wasser­versorgung, um das Kanalsystem, um die Energieversorgung, um die Gesundheits­dienste, um die Bereiche Umweltschutz, Bildung und Unterricht, Justiz, Gefangenen­häu­ser, Verwaltung von Arbeit und Wirtschaft und Finanzdienstleistungen.

Wenn man diese Punkte, die ich soeben hier genannt habe, als Programm der Pri­vatisierung auch für Österreich heranzieht, ja auf Grund internationaler Verträge fast heranziehen muss, dann wird mir eigentlich ein bisschen angst und bange über das, was von der Republik Österreich überhaupt noch übrig bleiben wird, denn dann sind wir eben privatisiert – und dann brauchen wir vielleicht viele Einrichtungen, unter ande-


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rem vielleicht auch den schönen Bundesratssaal hier oder im Palais Epstein eben nicht mehr.

Zu den Beitrittsverhandlungen möchte ich erwähnen, dass hiezu ein Papier aus Brüs­sel vorliegt, welches auch Hannes Swoboda sehr treffend charakterisiert, in einem Punkt zumindest. Ich zitiere: Trotz allgemeiner Bescheinigung der Beitrittsreife für die zehn ost- und südosteuropäischen künftigen Mitgliedstaaten äußert die EU-Kommis­sion in ihren diesjährigen Fortschrittsberichten ernsthafte Besorgnis bei der Erfüllung von EU-Recht in 39 Bereichen, schreibt Hannes Swoboda.

Zum Beispiel Polen: in neun Bereichen. Hannes Swoboda meint dazu: Die Mängel stehen in krassem Widerspruch zum selbstbewussten Auftreten der Polen. – Zitatende.

Oder Malta: sechs Bereiche. Die Malteser haben herausverhandelt, dass sie für einige Jahre keine Mehrwertsteuer auf Lebensmittel einzuheben brauchen, was natürlich da­zu beiträgt, dass sie billiger anbieten können, vor allem was Mittelmeer- und Übersee­waren anlangt. Dadurch wird auch der Beitrag Maltas zur EU niedriger, weil dieser eben an Hand der Mehrwertsteuer bemessen wird.

Weiters: Lettland: fünf Bereiche; Ungarn: vier Bereiche; Slowakei: vier Bereiche; Tsche­chische Republik: drei Bereiche; Estland: drei Bereiche; Zypern: drei Bereiche; Litauen: zwei Bereiche; Slowenien: ein Bereich.

Erfreulich ist, dass es große Übereinstimmung darin gibt, dass ein EU-Beitritt der Türkei noch nicht in Erwägung gezogen werden kann, weil es in diesem Land doch zu große Mängel hinsichtlich Umsetzung wesentlicher demokratischer Rechte, der Men­schenrechte beispielsweise, gibt. Ebenso dürfen in diesem Zusammenhang die wirt­schaftlichen Probleme der Türkei nicht außer Acht gelassen werden.

Vor wenigen Tagen ist ein Beitrittsvertragstext an uns ergangen, und zwar mit einigen tausend Seiten; in der Größe von 40 x 35 x 40. Dazu kann man nur feststellen, wie schwierig es für uns alle ist, die Zeit zu finden, sich das alles genau anzuschauen. Und dabei geht es um die Sonderrechte, die sich die neuen Vertragsteilnehmer heraus­verhandeln wollen – eben in dieser Größe, wie ich das soeben aufgezeigt habe.

Die Republik Österreich hat damals ohne Wenn und Aber diese Verpflichtungen auf sich genommen, und manche werden vielleicht auch sagen: Die Republik Österreich ist in den Sumpf gesprungen! – Und jetzt sind wir drinnen und tun uns entsprechend schwer.

Was die innere Sicherheit anlangt, plagt uns schon jetzt die Ostöffnung. Und wenn man heutige Zeitungen durchblättert, dann, muss ich sagen, ist da schon noch einiges zu tun, und zwar nicht nur in Wien, sondern auch in Niederösterreich, im Burgenland, kurzum: in allen Ländern, die an Ostgebiete angrenzen. (Bundesrat Bieringer hält kurz ein Schriftstück in die Höhe.) – Das ist gut, danke für den Hinweis, ich bin „blind“.

Die äußere Sicherheit habe ich ja bereits erwähnt; die soll wahrscheinlich demnächst im Kongo oder in Kabul verteidigt werden. – Das, meine Damen und Herren, halte ich nicht für sehr günstig!

Ein Punkt, der hier nicht angesprochen worden ist, ist die Aufnahme von Verhand­lun­gen wegen der Beneš-Dekrete und der AVNOJ-Bestimmungen. Sehr geehrter Herr Vi­zekanzler, diesbezüglich ist eine weitgehende Übereinstimmung in der österreichi­schen Bevölkerung vorhanden, dass man nicht nur beim Transit, sondern auch in dieser Frage das Wort „Veto“ schon zu oft in den Mund genommen hat, als dass es eine scharfe Waffe wäre. Aber Tatsache ist, dass bei beiden Punkten, so sie nicht im Sinne der Republik Österreich ausfallen, im Nachhinein gesagt werden könnte: eine echte Niederlage von zehn Jahren Verhandlungen der Republik.


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Die Verkehrsprobleme werden schon seit acht bis zehn Jahre verhandelt, die Beneš-Dekrete und die AVNOJ-Bestimmungen werden seit acht bis zehn Jahre verhandelt. Immer hat man dem Wähler, dem Bürger, eingeredet, es komme zu einer Lösung. Einige Vorgänger des Herrn Vizekanzlers aus anderen Parteien haben mit dem Veto gedroht. Ich weiß, wenn so oft gedroht wird und wenn die Drohung nicht umgesetzt wird, dann glaubt man der ganzen Sache nicht mehr. Das Wort „Veto“ ist eigentlich bei uns schon eine Ankündigung geworden, der nicht unbedingt nachgekommen wird. Auch hier wird ihr nicht nachgekommen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Als Letztes möchte ich den Herrn Vizekanzler und den Herrn Staatssekretär er­su­chen – auch im Sinne des Österreichischen Seniorenrates, das ist die Vereinigung aller parteipolitisch gefärbten Seniorenverbände –, einer Bitte jener nachzukommen, die sich für die Erhaltung der deutschen Sprache ausgesprochen haben: Kollege Schieder, Kollege Knafl und mein Freund Paul Tremmel.

Warum ich das hier betone, ist, weil wir ein Gesetz bekommen werden – es hat ent­weder den Ministerrat schon passiert oder es kommt jetzt in den Ministerrat –, das E-Government-Gesetz heißt. Warum muss es E-Government heißen, warum heißt es nicht einfach elektronische Verwaltung? – Da geht nichts verloren, da ist alles Mögliche drinnen. Die Grünen haben sich ja auch schon über das E-Government-Gesetz auf­geregt, aber es ist gut, wenn sich mehrere Gruppierungen in solchem Sinne äußern.

Ich gebe schon zu, die Zukunft der Republik liegt nicht in diesem Gesetz und dessen Bezeichnung, aber es ist der Stil, der hier zeigt, ob wir weiterhin gewillt sind, die Re­publik Österreich mit der deutschen Staatssprache zu erhalten oder ob wir dorthin erodieren wollen, wohin Brüssel will, aber die österreichische Staatsbevölkerung nicht will. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.03

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. Ich erteile ihm das Wort.

 


12.03

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wurden hier in diesem Haus – ich war noch nicht hier, aber ich konnte das im Internet nachlesen – bereits im März dieses Jahres von Bundeskanzler Schüssel mit dem neuen Regierungsprogramm konfrontiert. Ich glaube, nach dieser heutigen Prä­sentation der Regierungsumbildung ist eine Replik ganz interessant, denn damals hat der Chef dieser Bundesregierung erklärt, es gehe ihm darum, zukunftsfest, gerecht und nachhaltig zu agieren. Er hat in einer sehr bildhaften Sprache von einem Leucht­turm gesprochen, den er da irgendwo sieht, wo offensichtlich die Segel gesetzt werden und wo mit dem Mobilitätsminister – oder wie immer – festgelegt wird, wohin man will.

Nun, es liegt dieses Paket vor. Was hat sich getan? – Es war heute viel von der Fiskal­situation die Rede, was also steuerlich passieren wird. Und es hat in den letzten Tagen am Wolfgangsee ordentliche Schelte für ein Regierungsmitglied gegeben, das den Mut hatte, dort zu sagen, dass es für all diese Maßnahmen irgendwie eine Gegenfinan­zierung geben muss, und diese Gegenfinanzierung wird eigentlich sehr viel von dem Ganzen wieder neutralisieren.

Die Rede war zum Beispiel davon, dass man unter dem Deckmäntelchen der Ökolo­gisierung über die Mineralölsteuer, die Energiesteuer – also alles Dinge, die den Kon­sumenten betreffen – sozusagen die Schrauben anziehen wird müssen. Dann steht uns ja noch einiges ins Haus, die Grundsteuer zum Beispiel. Sie betrifft alle Mieterin­nen und Mieter. Ich komme aus dem wirtschaftlichen Bereich der SPÖ und weiß, dass die meisten Wirtschaftstreibenden – wie mir Frau Präsidentin Zwazl bestätigen wird –


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irgendwo eingemietet sind. Diese sind alle von dem betroffen, das ist eine echte Kon­sumentensteuer. Ich glaube jedoch, jemandem in die eine Hosentasche etwas hinein­zugeben und aus der anderen Hosentasche wieder herauszunehmen, das ist schlicht­weg ein Taschenspielertrick.

Aber es kommt ja noch viel dicker: Sie wissen, was auf unsere Tourismusbranche – ich komme aus Oberösterreich, aber das gilt auch für die anderen typischen Touris­mus­länder –, die ohnehin krisengeschüttelt ist, zukommt. Jeder kann sich das anschauen. Es haben auch die Vertreter des ÖVP-Wirtschaftsbundes im Bereich des Bustourismus schon klar auf den Tisch gelegt, dass sie ab 1. Jänner pro Bus mit 3 000 € zusätzlich an Gebühren auf der Autobahn rechnen werden müssen. Das ist sehr verwunderlich, denn in Deutschland, Herr Staatssekretär Finz, schaut das ganz, ganz anders aus. Dort sind nämlich die Busse ausgenommen und dort beträgt das Road Pricing generell nur ungefähr die Hälfte unserer Gebühren. – Das ist einmal das eine Faktum.

Und das Zweite in diesem Zusammenhang: Der Handel wird natürlich sehr schwer da­von betroffen sein. Die niederösterreichische Präsidentin hat da wahrscheinlich bes­sere, aktuellere Zahlen als ich, aber das sehe ich, wenn ich mir zum Beispiel den Le­bensmittelhandel anschaue, der nur mehr eine Umsatzrentabilität hat, die bei – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – 0,5 Prozent liegt. Und fahren werden gar nicht die Konzerne, denn die ganz großen Lebensmittelbetriebe haben das alles out­gesourct – Kollege Gudenus wird gleich Protest einlegen, aber so spricht man eben in der Wirtschaft –, fahren werden ganz kleine Frachtunternehmer mit null Beschäf­tig­ten. Da sitzt der Unternehmer selbst in seinem Lastwagen, hat nicht einmal Arbeit­neh­merschutzbestimmungen, wohl aber die ganze Verantwortung. Dieser wird das bezah­len. Sie können mir glauben, dass die Industrie, aber auch die Handelskonzerne dafür sorgen werden, dass sie gut aussteigen, übrig bleiben werden bei diesem Road Pricing die ganz kleinen Frachtunternehmer. Das ist das Ergebnis, der Befund dieser Ge­schich­te.

Eines muss ich auch noch sagen, weil Sie, Herr Staatssekretär Finz, vorhin ein biss­chen gelächelt haben, als es um die Frage der Umfärbungen gegangen ist. Thema Bahn: Die oberösterreichische Bahndirektion hatte viele Jahre lang einen Vizeprä­si­den­ten, der Landtagsabgeordneter der FPÖ war. Ich glaube, so etwas hat es dort noch nie gegeben. Vor allen Dingen habe ich eigentlich das Lachen des Herrn Staats­sek­retärs Finz, der ja bekanntlich aus dem Rechnungshof kommt, deshalb nicht ganz ver­standen, weil es zum Thema Umfärbung von seinem langjährigen Arbeitgeber einen sehr eingehenden, sehr vernichtenden Befund für diese Bundesregierung gibt.

Ich habe mir da nur ein paar Dinge herausgesucht. Ich muss sagen, wenn der Vor­stand eines Bahnhofes eine Raumpflegerin mit derselben „Akribie“ – unter Anführungs­zeichen – aufgenommen hätte wie die Personalberatungsunternehmen, die die drei ÖBB-Vorstände eingestellt haben, ich glaube, es hätte für den Vorstand mindestens – belehren Sie mich, ich bin im Beamtendienstrecht nicht so beschlagen – ein gröberes Disziplinarverfahren gegeben. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wurden unter der Ära Ihrer Vorvorgängerin, Herr Bundesminister Gorbach – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen –, 65 406 € ausgegeben, um zum Bei­spiel Aufsichtsräte für die ASFINAG zu suchen. Aber der Clou – das liest sich ja fast wie eine Lotterie – ist: Von den fünfzig, die um wohlfeile 65 406 € ausgewählt wurden, hat sich Ihre Vorvorgängerin eigentlich nur für eine Person erwärmen können. Also eins aus fünfzig! Das ist vielleicht für Casino-Generaldirektor Wallner ein neues Motto, um ein Glücksspiel zu inszenieren oder was auch immer.

Aber damit nicht genug – man muss sich auch das auf der Zunge zergehen lassen –: Beim ASFINAG-Vorstand gibt es für ein Vorstandsmitglied nicht einmal einen Dienst-


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vertrag, sondern das ist eine mündliche Vereinbarung zwischen dem Aufsichtsratsvor­sitzenden und dem eingestellten Vorstand! (Bundesrat Kneifel: Handschlagqualität!) – Handschlagqualität ist gut, Gottfried, das würde ich auch sagen. Aber im Wirt­schafts­leben, in diesen Kategorien? – Ich sehe eigentlich die Republik so: Sie ist für mich ein Treuhänder für das Vermögen des Bürgers, und ich glaube, dass sich bei einem Treuhänder zwei Leute etwas ausmachen – es könnte zum Beispiel einer einmal nicht mehr vorhanden sein, aus welchen Gründen immer –, das ist einfach ein unmöglicher Zustand.

Ich kann daher der Institution, aus der Sie kommen, Herr Staatssekretär Finz, nur im­mer wieder gratulieren. Es hat mich auch gestern bei der Enquete gefreut, dass sich der Präsident des Rechnungshofes die Zeit nimmt, dem Konvent vorzusitzen und hier so aktiv mitzuarbeiten.

Als man das überprüfen wollte, kam eigentlich erst der dicke Hund. Es war nämlich gar nicht möglich, hier umfassende Prüfungen durchzuführen, was diese obskuren Per­so­nal­­rochaden betrifft – ich spreche jetzt gar nicht von Umfärbungen, denn ich könnte Ihnen genug Beispiele aufzählen, aus denen zu ersehen ist, dass man auch unlieb­same Mitglieder der FPÖ, der ÖVP entfernt hat; das geht gar nicht nach Farbe, son­dern eher nach Gusto von irgendwelchen Ressortchefs, Regierungschefs und so wei­ter –, denn man hatte die Unterlagen zum Teil bereits nach drei Monaten vernich­tet. – Also das nur zu diesem Punkt.

Das rote Licht leuchtet schon, daher vielleicht nur noch ein kurzer Punkt, der mir als Oberösterreicher im Tourismusland sehr am Herzen liegt. Eines unserer wesentlichs­ten Güter, meine Damen und Herren, ist sicherlich die Sicherheit in diesem Land. Ich möchte hier, um ein bisschen unverfänglich zu sein, aus einem Schreiben der christ­lichen Gendarmeriegewerkschaft zitieren:

„Aufgrund des Sparerlasses kommt und wird es auch in den nächsten Monaten auf meh­reren Dienststellen zu einer spürbaren Verminderung der Außendienststreifen kommen. So wurden unter anderem im Monat September insgesamt 8 Sektorenstrei­fen komplett, Verkehrs- und Kriminaldienst an Wochenenden stark reduziert bezie­hungs­weise ebenfalls komplett gestrichen.“ ... „Entgegen aller öffentlich getätigten Aus­sagen führt die Umsetzung des gegenständlichen Befehls ausschließlich zu einer Reduktion im Außendienst beziehungsweise der Außendienstpräsenz.“

Das ist eigentlich der Punkt. Ich glaube, wenn uns hier nicht bald ... (Zwischenbe­merkung von Staatssekretär Dr. Finz.) – Parteipolitik, Herr Staatssekretär, wird das wohl nicht sein, wenn das von der christlichen Gendarmeriegewerkschaft kommt, die ich eher dem ÖAAB oder der FCG zurechne.

Meine Damen und Herren! Um wieder zu meinen eingangs gesprochenen Worten zurückzukehren: Wenn der Regierungschef von einem Leuchtturm gesprochen hat und davon, wohin er will, so glaube ich, wir werden in den nächsten Jahren, egal, wer wei­ter­regiert in diesem Land, auch nach den nächsten Nationalratswahlen, sehr viel Licht brauchen, um dieses Land wieder aus der Finsternis dieser fatalen Sicherheits-, Fiskal- und Wirtschaftspolitik herauszuführen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

12.13

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Das war jetzt hinsichtlich der Redezeitbegrenzung eine vorbildliche Punktlandung. Danke, Herr Kollege. (Heiterkeit.)

Als nächster Oberösterreicher zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kneifel. Ich erteile es ihm.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
702. Sitzung / Seite 57

12.13

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Ich möchte an die Worte von Ludwig Bieringer anschließen, der gesagt hat, als er hier in den Bundesrat hereingekommen ist, hat es ein Verhältnis von 33 zu 31 gegeben, wenn ich das richtig gehört habe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wirklich so: Das einzig Sichere ist die Veränderung und der Wandel. Das einzig Sichere ist die Veränderung. Das erleben wir hier bei der Zusammensetzung dieses Hauses, das erleben wir auch tagtäglich in un­serer Gesellschaft. Da ist es Aufgabe einer verantwortungsbewussten Regierung, auch die entsprechenden Maßnahmen zu setzen, entsprechend nachzujustieren, neue Orien­tierung zu geben – genau in dem Sinne, wie du es gesagt hast, Wolfgang (in Richtung des Bundesrates Schimböck) – mit Gerechtigkeit, mit Verantwortungs­be­wusst­sein, mit Nachhaltigkeit. Genau das ist die Aufgabe der Regierung. Und ich muss sagen: Bisher hat die Regierung das nicht so schlecht hingebracht. Sie hat es ganz gut gemacht bisher.

Freilich, ich stimme mit dir überein, Wolfgang (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grü­nen) – ich will ihm ja antworten –: Nobody is perfect. (Bundesrat Konecny: Sind Sie ein Nobody?) Immer können wir noch optimieren, und da gibt es tatsächlich einen Wettbewerb, Ideen einzubringen und gemeinsam diese Ideen zu bündeln, um eben bessere Standortbedingungen für unsere Wirtschaft zu schaffen, für die Arbeitneh­me­rin­nen und Arbeitnehmer, die in den Betrieben arbeiten, genauso wie für die Unterneh­mer, die Verantwortung tragen.

Es ist richtig, wir stehen vor der Neuordnung des Steuersystems. Wir brauchen selbst­verständlich eine Gegenfinanzierung, wenn wir haben wollen, dass das Nettodefizit nicht ausufert. Selbstverständlich! Aber ich glaube, da gibt es parallel – und diese Wort­meldung ist mir bisher abgegangen – eine Initiative auch dieses Hauses. Gestern haben wir darüber gesprochen. Herwig Hösele, Präsident Fischer und andere sind hier sehr verdienstvoll tätig, den Österreich-Konvent in Bewegung zu bringen, um die Auf­gaben des Staates neu zu regeln, um einen schlankeren Staat, eine Verbesserung, eine bessere Kundenorientierung des Staates zustande zu bringen und festzulegen: Was sind die neuen Aufgaben des Bundes, was sind die neuen Aufgaben der Länder, was sind die neuen Aufgaben der Gemeinden – gerade vor dem Hintergrund des ziem­lich schnell vorangehenden Wandels in unserer Gesellschaft?

Da sehe ich schon noch Potentiale. Da muss man nicht gleich in die Taschen der Ärmsten greifen. Das wird auch nicht geschehen, deshalb ordnen wir die Aufgaben ja neu.

Ich halte auch nichts von einer Beamtenhatz, indem man sagt: Die Beamten, die Bö­sen! Wir müssen an unsere eigene Brust klopfen und die Aufgaben des Staates neu regeln, dann werden wir auch weniger brauchen, um das operativ umzusetzen, was wir im Konvent noch beschließen werden.

Ich glaube der Konvent bietet eine Fundgrube an Einsparungsmöglichkeiten, an Be­schleu­nigungsmöglichkeiten und an Verbesserungen. (Bundesrat Mag. Gudenus – Be­ifall spendend –: So ist es!) Dort sollten wir unser Hirnschmalz anstrengen und nicht von einer Umverteilung oder ähnlichen Dingen reden.

Ich denke auch, dass wir alle Anstrengungen unternehmen sollten, um gerade im Hin­blick auf die EU-Erweiterung unsere Betriebe zu sichern. Ich rede hier nicht der Ver­besserung der steuerlichen Bedingungen bei den Einkommen der Unternehmer und Unternehmerinnen das Wort, sondern mir geht es um die Standortsicherung dort, wo die Arbeitsplätze bestehen, wo die Arbeitsplätze jeden Tag neu verteidigt werden müs­sen in einem internationalen Wettbewerb. Da haben wir Nachholbedarf, sollten wir in-


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702. Sitzung / Seite 58

ves­tieren, um auch in Zukunft in einem noch härteren europäischen Wettbewerb – wenn ich an das nächste Jahr denke – bestehen zu können. Hier sollten wir uns ge­meinsam anstrengen, damit diese Arbeitsplätze auch in Zukunft erhalten bleiben.

Man darf es einem Betriebsführer – egal, ob er in einem kleinem, in einem großen oder in einem mittleren Unternehmen tätig ist – nicht verübeln, wenn er sagt: Bitte schaut wir über die Grenze – weil wir heute hier in Wien sind –, schaut in die Slowakei hinüber! Dort hat allein die Ankündigung niedrigerer Betriebssteuern bereits eine große Zahl von Unternehmensgründungen aus Deutschland, aus Österreich herausgefordert.

Da, glaube ich, müssen wir als Vertreter unserer Bevölkerung aufmerksam sein, solche Tendenzen sehr sensibel wahrnehmen und uns anstrengen, dass diese Arbeitsstätten erhalten bleiben, denn es ist immer schwieriger, neue Betriebe zu gründen als alte zu retten. Zuerst sollten wir die bestehenden Betriebe sorgsam behandeln und erhalten, damit sie sich weiterhin im internationalen Wettbewerb behaupten können.

Es ist das Beispiel der Bundesrepublik Deutschland genannt worden. Das ist mehrfach schon erwähnt worden. Ich erinnere mich daran zurück, dass man vor zehn Jahren noch von der Wachstumslokomotive Deutschland gesprochen hat, von der Wachs­tums­lokomotive in Europa. Bitte, heute kräht kein Hahn mehr nach der Wachstums­lokomotive Deutschland. Die Folgen dieser Entwicklung sind dann nämlich auch das Aus für den Sozialstaat Deutschland, das Aus für den Sozialstaat an sich.

Wir müssen immer wieder bedenken, dass Sozialleistungen zwar in den Parlamenten beschlossen werden können; aber diese Regeln, die wir hier aufstellen, müssen auch mit Geld bedient werden können. Das Geld muss irgendwo herkommen und muss auch verdient werden. Daher sollten wir diese Quellen, die wir für soziale und kulturelle Leistungen, für Bildung und so weiter brauchen, nicht verschütten, sondern im Gegen­teil sorgsam hegen und pflegen, damit sie auch in Zukunft für unsere hohen sozialen, kulturellen, bildungsmäßigen Standards sprudeln. Das ist etwas, was auch von der Regierung sehr ernst genommen wird. Das haben wir heute in den Erklärungen der beiden Spitzenvertreter neuerlich vernehmen können, und dafür bin ich sehr dankbar, gerade für die Erklärung des Herrn Vizekanzlers.

Das gestrige Ereignis, die Forschungsförderung neu zu gestalten, ist, glaube ich, die umwälzendste Veränderung in der Zweiten Republik, was die Forschungsförderung betrifft. Das gibt Hoffnung, das gibt Mut, da können wir in Zukunft in einem euro­päischen Wettbewerb bestehen! Dafür bin ich sehr dankbar, weil ich glaube: Die heutige Forschung, das sind die Arbeitsplätze von morgen! Wer nicht forscht, wer sich nicht anstrengt, wer nicht entwickelt, bleibt stehen, und wer stehen bleibt, fällt zurück, wenn die anderen weiterziehen. Das darf uns keinesfalls passieren! Hier sind wir alle aufgefordert, dieses Modell, das gestern entwickelt wurde, weiter zu pflegen, auch auf Länderebene zu übertragen, dort mitzuhelfen und diese Länderressourcen auch für mehr Forschung und mehr Entwicklung einzusetzen, gerade weil wir eben auch heute in einer Länderkammer tätig sind. Ich denke, hier sollte durchaus auch ein födera­listischer Wettbewerb entstehen, welches Land noch mehr für Forschung und Entwick­lung ausgibt. Dann braucht uns um die Zukunft keineswegs bange zu sein.

Ich sehe ganz bedeutende Potenziale, die wir noch nicht ausgeschöpft haben, gerade wenn wir uns dem Bereich Forschung nähern. Ich bin überzeugt davon, dass enorme Potenziale vorhanden sind, wenn wir die Synthese von Wirtschaftswachstum, Wirt­schafts­standort und Umweltschutz ernst nehmen – darin liegen enorme Potenziale! Die Synthese von Umweltschutz und Wirtschaft ist meiner Meinung nach ein wichtiges europäisches Thema, ein ganz wichtiges Thema. Man braucht ja nur hinauszugehen und sich die Baustellen anzuschauen: Ich freue mich jedes Mal, wenn ich ein Gerüst sehe an einem Haus, das isoliert wird, in dem Wärmesicherung betrieben wird, sodass


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die Heizkosten geringer werden. Das schafft Arbeit im Handwerk, aber auch in der Industrie, wo die Materialien erzeugt werden. Hier schließt sich auch wieder der Kreis zu unserem Versprechen, in diesem Land die Emissionen zu verringern. Stichworte dazu sind Emissionshandel, Umwelthaftung und so weiter, alles, was sich in diesen Bereichen anhängt. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Bereich, den wir in Zukunft noch pfleglicher und noch besser behandeln sollen.

Ich meine, dass es der Regierung bisher gelungen ist – freilich hin und wieder auch mit Problemen, aber was ist heute schon problemlos? –, im Großen und Ganzen diesen Weg, der vorgezeichnet wurde, nämlich die Politik in Österreich gerecht, zukunfts­orien­tiert und nachhaltig zu gestalten, grosso modo ganz gut zurückzulegen. Dafür möchte ich heute auch ein herzliches Dankeschön sagen! Ich hoffe, dass wir diesen Weg auch in Zukunft fortsetzen können.

Freilich gibt es noch offene Wünsche, das ist doch ganz klar! Es gibt eine Menge offener Wünsche, allein wenn ich daran denke, dass heute schon von den Gründern ge­sprochen worden ist. Ich glaube, bevor wir uns den Gründern zuwenden, sollten wir zuerst danach trachten, die Betriebsübergaben zu erleichtern. Da ist schon etwas vorhanden, da gibt es bereits einen Bestand an Betrieben und an Arbeitsplätzen. Wir sollten Betriebübergaben nicht erschweren oder manchmal gar unmöglich machen, sondern wir sollten sie möglichst erleichtern! Ich denke hier etwa daran, den Freibetrag bei Erbschafts- und Schenkungssteuer auf 1 Million zu erhöhen, den Freibetrag bei der Besteuerung des Veräußerungsgewinnes signifikant zu erhöhen und die Kreditsteuer abzuschaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Stellen Sie sich einmal vor, ein Altunter­neh­mer – wenn ich ihn jetzt so nennen darf – investiert und braucht einen Kredit. Zwei Jahre später übernimmt der Junior dieses Unternehmen, dann muss er für alle Kredite, für die schon der Altunternehmer Kreditsteuer gezahlt hat, noch einmal Kreditsteuern zah­len, weil sämtliche Kreditdokumente auf den jungen Unternehmer neu ausgestellt werden. Dann fängt die ganze Kreditbürokratie wieder von vorne an, mit allen fiska­lischen und ähnlichen Dingen. Ich glaube, das gehört weg, solche Dinge sind nicht mehr zeitgemäß! Ich vernehme auch mit großer Genugtuung, dass geplant ist, diese Baga­tellsteuern in Zukunft – im Zuge des Wachstumspaketes und in weiterer Folge der Steuerreform – entsprechend abzubauen.

Ich habe heute auch mit großer Genugtuung registriert, dass sich die Bundesregierung sehr anstrengen wird, die Abgabenquote zu senken. Manchmal fragt jemand: Ab­ga­benquote – bitte, wem dient denn das, wem dient eine niedrigere Abgabenquote? Wis­sen Sie, für wen das wichtig ist? – Für den Standort Österreich! Für Investoren, für Be­triebsgründer, für Leute, die schauen, wo sie ihr Unternehmen gründen und wo sie in Zukunft die besten Bedingungen dafür haben! Für sie ist es wichtig, die Abgabenquote zu senken und so wieder ein Signal der Motivation, der Hoffnung und des Mutes auch an diejenigen auszusenden, die bereit sind, sich anzustrengen und mehr zu leisten, sowohl auf der Seite der Unternehmerinnen und Unternehmer als auch auf der Seite der Beschäftigten und Angestellten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was eine Regierung in einer sich ständig rasch wandelnden Zeit braucht – und ich habe gesagt, das einzig Sichere ist die Ver­än­derung und der Wandel –, das ist ein klares Konzept, das ist Verantwortung, das ist eine klare Orientierung, das ist Vertrauen und vor allem Sicherheit, sodass wir den­jenigen Sicherheit geben, die sich anstrengen, die Arbeit organisieren, die selbst Arbeit leisten und die sich jeden Tag bemühen, im internationalen Wettbewerb entsprechend zu bestehen.


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Da sind wir auf einem guten Weg! Wir haben heute durch diese Regierungserklärung wieder erfahren, dass alle Anstrengungen unternommen werden, weiter in diese Richtung zu gehen. Das gibt Hoffnung, das gibt Mut, Zuversicht und Vertrauen, was wir alle sehr notwendig brauchen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheit­lichen.)

12.28

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Hagen. Ich erteile ihm das Wort.

 


12.28

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Vize­präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Um kurz auf den Kollegen aus Oberösterreich von der SPÖ-Fraktion zurückkommen: Als Exe­kutiv­beamter hat mich Ihr Redebeitrag bewegt. Ich kann diesen zu Teilen bestätigen, aber Sie müssen auch einmal darüber nachdenken, warum es so gekommen ist.

Ich bin seit 1990 in der Exekutive tätig, und ich habe seit zirka zehn Jahren darauf hin­ge­wiesen, dass wir, wenn die Personalpolitik des Innenministeriums – das war damals kein ÖVP-Minister und kein Minister der jetzigen Regierung – so weitergeht, genau dorthin kommen werden, wo wir jetzt sind: dass wir nämlich überall zu wenige Exekutivbeamte im Außendienst haben! Das habe ich damals vorausgesagt, natürlich ohne von dem Pensionierungsschwall zu wissen, den wir im Moment haben und der so plötzlich auf uns zugekommen ist, einfach weil relativ viele alte Exekutivbeamte kör­perlich nicht mehr imstande sind, diesen Job weiter auszuführen, und daher den Gang in die Frühpension wählen. Aber ich darf vielleicht daran erinnern, dass es 1996/1997 unter einem SPÖ-Innenminister Sparmaßnahmen mit Nulllohnrunden für Exekutiv­beamte gab; das war natürlich „irrsinnig motivierend“, muss ich ganz klar sagen, denn das verfolgt einen das ganze Leben, bei dem Gehaltssystem, das wir in der Exekutive haben. Es gab auch Gendarmeriepostenschließungen und über 1 000 Planstellen­ein­spa­rungen. – Nur so viel zu Ihren Vorwürfen.

Ich bin natürlich der Meinung – da gebe ich Ihnen Recht –, dass jetzt nicht mehr weiter gespart werden darf. Aber diese Regierung hat ja klargemacht, dass es in Zukunft bei der Exekutive mehr Personal geben wird und dass es mehr Personal im Außendienst geben wird. Ich nehme die Regierung beim Wort, den Worten müssen auch Taten folgen. Hier ist Herr Innenminister Strasser gefordert, seine Worte auch durchzusetzen, dann sind wir auf dem richtigen Weg. – So viel dazu.

Jetzt möchte ich zum Herrn Vizekanzler kommen. Als Vorarlberger bin ich stolz darauf, dass wir einen Vorarlberger Vizekanzler und Vize-Regierungschef haben! Dass Hubert Gorbach ein fähiger Mann ist und diese Position sicherlich zu unser aller vollsten Zu­friedenheit ausüben wird, ist für mich gar keine Frage. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.) Unser Herr Vizekanzler Hubert Gorbach war ja schon lange Jahre in der Vorarlberger Landesregierung tätig – und zwar zehn Jahre lang, wenn ich es richtig im Kopf habe –, er war seit einigen Jahren auch stellvertretender Landeshauptmann. Er hat also Regierungserfahrung, und dieser Mann weiß, wovon er spricht.

Ich kenne Hubert Gorbach sehr gut und sehr lange. Er ist ein guter Verhandler, ein zäher Verhandler, und deswegen ist er der richtige Mann. Es war richtig, die Regierung umzubilden, denn dieser Wechsel verkörpert (Bundesrätin Schicker: Kommt alles von Vorarlberg heute, die Veränderungen?), dass für uns Freiheitliche die Themen Verkehr, Transit, Innovation und Technik ganz besonders wichtige Themen sind und dass wir diesen Themen eine wichtige Note aufsetzen wollen. Das ist auch ein Signal an die EU, dass wir uns von der EU nicht alles diktieren lassen. Mit Hubert Gorbach


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werden wir dort Zähne zeigen, und das ist etwas, was mir sehr gut gefällt. Darum bin ich der Meinung, dass dies absolut richtig war, und finde es super, muss ich ganz klar sagen!

Wir alle kennen die Transit-Problematik. Das ist kein Problem, das erst jetzt entstanden ist, sondern das ist ein schon lange bestehendes Problem. Wir hatten sehr viele SPÖ-Verkehrsminister, die hier untätig waren, sich auf die nachfolgenden Minister verlassen und diesen den Schwarzen Peter in die Schuhe geschoben haben.

Ich möchte hier an etwas erinnern, weil ich heute in der österreichisch-ungarischen Freundschaftsgruppe vor allem mit ungarischen Parlamentariern am Diskutieren war. Vor knapp einem Jahr war ich in der ungarischen Botschaft, dort wurde über den zukünftigen EU-Beitritt und über die Abstimmung gesprochen. Dort hielt Frau Brigitte Ederer, die frühere Staatssekretärin für EU-Fragen, einen Vortrag, der sich sehr stark in mir niedergeschlagen hat. Es hat mich eigentlich schockiert, was Frau Ederer gesagt hat; ich habe es wortwörtlich gehört, so wahr ich hier stehe. Frau Ederer hat auf die Frage „Was ist, wenn es dann Probleme mit irgendeinem Thema gibt?“ geantwortet: „Das Thema Transit war für uns ein großes Problem. Das Thema Transit deshalb, weil wir gewusst haben, dass dieser Transitvertrag, der jetzt im Auslaufen ist“ – das war letztes Jahr – „, kein guter Vertrag war und dass es Probleme geben wird, wenn hier nichts geschieht.“ – Und es ist von der SPÖ-Seite her, von Seiten dieser Minister her wahrlich nichts geschehen. – Sie hat weiters gesagt: „Wir haben das den Leuten aber nicht gesagt, weil die Leute sonst gegen den EU-Vertrag gestimmt hätten.“

Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen, wie die Leute hier in Österreich von dieser SPÖ-Regierung hinters Licht geführt wurden! Das ist katastro­phal, und daran leiden wir noch jetzt! (Bundesrat Konecny: Jetzt waren wir es schon ganz allein!)

Aber ich habe auch ein anderes Problem mit dem Transitvertrag, und es hat mich heute ein bisschen schockiert, als ich darüber kurz nachgedacht habe. Der Herr Bun­deskanzler ist hier neben dem Herrn Vizekanzler gestanden, hat seine Rede gehalten und hat dann den Transitvertrag und diese Verhandlungen angesprochen, die Herr Vizekanzler Gorbach soeben in Brüssel führt. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt: „Ja, der Herr Vizekanzler ist voll zu unterstützen, wir alle sind mit ihm, und wir alle sollen ihn voll unterstützen.“

Das finde ich schon richtig, nur möchte ich auch daran erinnern, dass der Herr Bundes­kanzler dieses Transit-Thema in Kopenhagen zur Chefsache erklärt hat. (Bundesrat Konecny: Oh!) Jetzt den Herrn Vizekanzler nur zu unterstützen, finde ich ein bisschen wenig. Hier glaube ich, dass der Herr Bundeskanzler sicher noch einen Trumpf im Ärmel haben wird. Ich werde ihn an seinen Taten messen, wie ich auch den Herrn Innenminister an seinen Taten messen werde. (Bundesrat Konecny: Oh!) Ich glaube aber, dass hier von Seiten des Herrn Bundeskanzlers ganz klare Worte in Richtung EU kommen müssen, das erwarte ich mir einfach als Freiheitlicher! (Demonstrativer Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es hat mich natürlich auch gefreut, dass der Herr Vizekanzler gesagt hat: Er ist Fö­deralist. Das ist ein Vorarlberger, der kommt schon mit dem Föderalismus auf die Welt! Das ist eine wichtige Sache: Er hat sich klar für den Föderalismus und gegen Zentra­lisierung ausgesprochen – für Föderalismus in diesem Haus, das muss uns klar sein. Das ist eine klare Ansage und eine wichtige Ansage! Es freut mich, dass wir Leute in der Bundesregierung haben, die diese Linie auch vertreten. Bei Hubert Gorbach weiß ich, dass er das tut.

Nun möchte ich noch auf ein paar kleine Punkte zurückkommen – das heißt, so klein sind sie gar nicht, sondern es sind große Schritte gewesen, die auch von dieser Bun-


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desregierung beziehungsweise von der Vorgänger-Regierung in der gleichen Kon­stellation durchgeführt wurden.

Wir haben immer vom Thema Kindergeld gesprochen, einer urfreiheitlichen Idee, die am Anfang belächelt wurde, auch im Vorarlberger Landtag. Hubert, du wirst mir Recht geben: Herr Landeshauptmann Sausgruber hat damals immer vom „ungedeckten Scheck“ gesprochen; heute geht er mit diesem Scheck hausieren. Wie sich die Dinge wandeln können! Mich freut das, und ich hoffe, dass es vielleicht auch bei den Kollegen von der SPÖ in manchen Punkten ein Umdenken geben wird, das dem der ÖVP in diesem Falle ähnlich sein wird.

Aber Hubert Gorbach traut sich auch, etwas anderes anzusprechen, er traut sich, ak­tuelle, heiße Themen – die auch hier angesprochen wurden – wie etwa die Flat-Tax an­zusprechen. Die Flat-Tax ist für mich wichtig als ein faires Steuersystem. Wenn wir uns umsehen, sehen wir, dass die Slowakei es jetzt einführt. Soeben habe ich auch mit den Ungarn gesprochen, sie wollen sehr viele Dinge, die in Österreich diskutiert wur­den, diskutiert werden oder gemacht wurden, nachvollziehen, weil dies gut ist. Da sollten wir alle, die wir hier sitzen, im Sinne unserer Länder diese Bundesregierung unterstützen, dass wir wettbewerbsfähig bleiben in wirtschaftlichen Belangen und in Sicherheitsbelangen. Das kann so nur gehen, wenn wir alle an einem Strang ziehen.

Zum Schluss möchte ich dem Herrn Vizekanzler für seine Aufgabe sehr viel Glück, Kraft und Erfolg wünschen. Ich bin davon überzeugt, Hubert, du wirst es gut machen! Wir alle stehen hinter dir. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.37

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann. Ich erteile ihr das Wort.

 


12.38

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsi­dent! Herr Vizekanzler! Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Mir haben bei den Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Vizekanzlers einige Punkte gut gefallen, die ich jetzt in aller Kürze ansprechen möchte, weil sie für mich auch der Beweis dafür sind, dass es im Staat Österreich wirklich in eine moderne, zukunftsorientierte Richtung geht.

Dazu gehört für mich die Forschung. Sie wurde heute schon angesprochen, ich möchte dies aber noch einmal unterstreichen. Es ist meiner Meinung nach etwas Wesent­liches, wenn man sich bei einer Forschungsquote von 1,9 Prozent, wie dies derzeit der Fall ist, das ambitionierte Ziel setzt, innerhalb der nächsten sechs Jahre auf 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu kommen. Ich halte es wirklich für den richtigen Weg, die Bereiche Entwicklung, Bildung und Forschung mit höheren Mitteln auszustatten, als das bis jetzt der Fall gewesen ist. Ich möchte dazu gratulieren und halte das vor allem im Hinblick auf die Zukunft unserer Jugend und unserer Kinder für einen ent­schei­denden Weg.

Ich glaube auch, dass die Errichtung dieser Nationalstiftung etwas Neues ist. Es muss nicht immer alles, was neu ist, gut sein, aber in dem Fall ist es sicherlich so, weil man doch den Kapitalstock letztlich sichern kann und den jeweiligen Jahresbedarf allein aus den Erträgen bestreiten kann.

Es ist genauso wichtig, dass man endlich einmal längere Planungen in diesem Bereich durchführen kann. Das heißt, diese Statuierung oder Perpetuierung durch eine hohe Forschungsdotierung ist gegeben. Insgesamt ist es sicherlich ein hoher Betrag, wenn man sich vorstellt, dass von der Bundesregierung innerhalb der nächsten zwei, drei


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Jahre 1,2 Milliarden € für den Bereich Forschung und Entwicklung zur Verfügung ge­stellt werden.

Ich erwähne das als Erstes, weil ich es wirklich als etwas Bahnbrechendes und als eine Novität in diesem Bereich sehe.

Auf den wichtigen Bereich der Steuersenkungen und der Veränderung des Steuer­wesens will ich nicht näher eingehen, er ist heute bereits mehrmals angesprochen worden.

Für wichtig halte ich auch – und das möchte ich betonen –, dass sich der neue Vize­kanzler und nach wie vor Infrastrukturminister auch mit den Gegebenheiten in den an­deren Ländern auseinander setzt. Ich glaube, nur durch ein ehrliches und echtes Benchmarking kann man das, was bei uns gut ist, weiter verbessern und stärken, aber auch Schwächen offen aufzeigen und Veränderungen suchen.

Die Flat-Tax wurde bereits angesprochen, daher brauche ich sie nicht mehr zu erwähnen. Aber es gibt nicht nur im Bereich des Steuerwesens, sondern auch in anderen Bereichen sehr vieles, was man vielleicht von anderen Ländern übernehmen könnte, zumindest Teile davon.

Die Probleme, mit welchen der Infrastrukturminister und neue Vizekanzler konfrontiert ist, sind auch bereits angesprochen worden. Ich möchte sie aus Kärntner Sicht noch einmal erwähnen, weil sie mein Bundesland auch betreffen. Dass die Transitfrage nicht gelöst ist, betrifft natürlich auch Kärnten besonders stark. Es gibt Schätzungen, wonach der Transitverkehr um 50 Prozent zunehmen wird, und zwar vor allem in Kärn­ten. Das macht eine extrem hohe Zahl aus, wenn man in Betracht zieht, dass derzeit auf der Autobahn bei Tarvis jährlich etwa 1,2 Millionen LKW unterwegs sind. Wenn man sich dazu noch die geschätzte Zunahme des Verkehrs vorstellt, dann kann man Ihnen, Herr Vizekanzler, nur Glück wünschen und Ihnen eine Menge Mut für Ihre Auf­gabe, in der EU entsprechend aufzutreten und Veränderungen herbeizuführen, mitge­ben.

Ich bin ganz auf Ihrer Linie, Herr Vizekanzler, und natürlich auch auf der Linie des Bun­deskanzlers, der sagt, dass wir alle rechtlichen Mittel ausschöpfen werden, um nicht einen solchen, für uns nicht akzeptablen Kompromiss mittragen zu müssen. Aber zu­sätzlich zu diesen rechtlichen Mitteln sollen, Herr Vizekanzler, auch noch die parlamen­tarischen Mittel genützt werden.

Da bin ich natürlich mit vollster Überzeugung der Meinung, die Landeshauptmann Hai­der bereits artikuliert hat, nämlich, dass es in diesem Bereich sehr wohl auch ein Quid­proquo geben muss. Es kann die EU von uns nicht auf der einen Seite automatisch verlangen, dass wir alles akzeptieren. Auf der anderen Seite setzt sie aber voraus, dass das Parlament ohne Wenn und Aber die Zustimmung gibt, und findet es selbst­verständlich, dass die Beitrittsländer in ihrer jetzigen Form den Sanktus des Parla­ments uneingeschränkt erhalten. Ich meine, da ist hartes und mutiges Verhandeln an­gebracht. Ich unterstütze da wirklich die Position des Landeshauptmannes.

Die Österreichischen Bundesbahnen wurden heute auch bereits erwähnt. Aber ich fra­ge mich wirklich, wann endlich einmal ein Vertreter der Sozialdemokratie an das Rednerpult treten und sagen wird: Eigentlich müssen wir etwas bei der Bahn verändern! Ich würde mich darüber freuen, denn es wäre ein ehrliches Wort am richti­gen Platz. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Sagen müssen Sie das dem zuständigen Bundesminister!)

Es ist ja wirklich bereits so, dass wir im internationalen Wettbewerb – das wissen Sie alle doch bereits seit zehn, 20 Jahren – nicht mehr reüssieren können, wenn wir die Bahn in dieser Struktur weiterführen. Das hat aber nichts mit den Menschen zu tun, die


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dort arbeiten (Bundesrätin Schicker: Aber die Betroffenen sind sie!), deren Arbeit ist selbstverständlich zu würdigen, aber eine Umstrukturierung hat zu erfolgen. Das wissen Sie selbst sehr genau. Wenn man in Einzelgesprächen mit ihnen redet, dann geben das auch viele Sozialdemokraten zu. (Bundesrätin Bachner: Das streitet nie­mand ab! Es gibt genaue Konzepte! – Bundesrat Konecny: Fragen Sie die Gewerk­schaft! Die sagt Ihnen das!)

Dieses Problem ist nicht erst seit einigen Jahren virulent, sondern seit sicherlich 15 oder 20 Jahren bekannt. Die Vergleiche mit der Schweiz haben das ja immer wieder gezeigt. Die damalige Regierung hat sich einfach nicht getraut, dieses heiße Eisen – und das ist es natürlich – anzugreifen. (Bundesrätin Bachner: Kein Widerspruch!) Ich muss schon sagen: Bei aller Kritik, dass unsere Regierung auch nicht immer fehlerfrei ist, muss man ihr doch zugestehen, dass sie genug Mut hat, auch diese heißen Eisen anzupacken und wirklich notwendige Reformen umzusetzen.

Im Zusammenhang mit den Kärntner Themen ist es mir ein Anliegen, auch auf den praktizierten Föderalismus des Herrn Vizekanzlers einzugehen und ihn aus dieser Sicht zu ersuchen, dass er uns entsprechend unterstützt, und zwar nicht nur bei Forschungs- und innovativen Bildungsprojekten – wir haben das gestern bereits be­sprochen –, sondern auch bei weiteren Projekten, die für Kärnten sehr wichtig sind. Ich erwähne als Beispiel nur den Lakeside Park in Klagenfurt, der Wirtschaftsbetrieben einen Standort gibt, aber in engster Kooperation mit der Universität steht. Da muss die Finanzierung absolut sichergestellt sein, um auch den Wirtschaftsstandort in Kärnten zu erhalten und zu verbessern.

Ich möchte aber auch betonen, dass wir besonders an der Sicherheit Kärntens inter­essiert sind. Da kann ich nicht einfach die Worte meiner Vorredner ignorieren, sondern da muss ich mich ihrer Meinung anschließen. Ich halte es für wichtig – und da bitte ich wirklich, diese Worte an den Innenminister weiterzuleiten –, dass Menschen sich in Österreich sicher fühlen dürfen, und zwar auch in Zukunft.

Wenn wir in nächster Zeit eine höhere Kriminalität durch die Beitrittsländer oder durch die offenen Grenzen zu erwarten haben – das ist jetzt nicht Schwarzmalerei, sondern das ist belegt durch statistische Daten –, dann ist doch klar, dass wir auch mehr Per­sonal im Bereich der Sicherheitsbehörden brauchen.

Wenn wir mehr und schärfere Kontrollen brauchen, um zumindest Übergangslösungen im Transitverkehr zu haben, was ja heute auch vom Bundeskanzler angesprochen wor­den ist, nämlich, dass als Zwischenlösung etwa möglich wäre, an den Grenzen die LKW mehr und genauer zu kontrollieren, dann brauchen wir mehr Personal in diesem Bereich, denn ohne zusätzliche Kontrollorgane wird es nicht gehen. Ich stehe dazu, dass wir gerade in den Bundesländern an der EU-Außengrenze – und Kärnten gehört dazu – mehr Kontrollen brauchen, und erwarte mir dafür eine solide Lösung.

Wenn dies alles der Fall ist und noch vieles andere mehr, was ich aber jetzt gar nicht anschneiden möchte, dann bin ich überzeugt davon, dass wir mit der umstrukturierten Regierung einen erneuernden Schritt in die richtige Richtung machen. Ich wünsche ebenfalls viel Glück und alles Gute. Aber vor allem: Vergessen Sie den Föderalismus nicht, Herr Vizekanzler, zu dem Sie sich bekannt haben! Vergessen Sie die Bundes­länder nicht, die damit rechnen, dass das umgesetzt wird, was versprochen wurde! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.48

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Pro­fessor Dr. Böhm das Wort. – Bitte.

 



Bundesrat
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702. Sitzung / Seite 65

12.48

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Sowohl der Herr Bundeskanzler in seiner Erklärung als auch der Herr Vizekanzler in der seinen und viele Redner in der Debatte darüber haben meines Erachtens zu Recht Kritik an der Haltung des Europäischen Parlaments in der Österreich so betreffenden Transitfrage geübt.

Es ist, wie Sie wissen, zu der Stellungnahme gekommen, dass die Transitregelung nicht mehr für das gesamte österreichische Bundesgebiet, sondern ab 2004 nur mehr für einige Alpenkorridore Geltung haben soll. Außerdem sollen auch die Euro-3-LKW von der Ökopunkteregelung ausgenommen werden, was de facto freien Transit bedeu­ten würde. Das derzeit laufende Vermittlungsverfahren zwischen dem Rat der EU und dem Europäischen Parlament hat bisher keine zufrieden stellende Lösung ergeben.

Es ist erfreulich, dass in dieser für Österreich so vitalen – um nicht zu sagen, schick­sal­haften – Frage der heute schon mehrmals angesprochene nationale Schulter­schluss geglückt ist. Ich bin auf das Hohe Haus sehr stolz, dass es in dieser Frage gelungen ist, zu einem einvernehmlichen, parteiübergreifenden Vorgehen zu kommen. Daher erlaube ich mir abschließend auch im Namen der Kollegen Bieringer, Professor Ko­necny und Schennach nachfolgenden Entschließungsantrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Bieringer, Prof. Konecny, Univ.-Prof. Dr. Böhm, Schennach, Kollegin­nen und Kollegen betreffend den Transitverkehr durch Österreich

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht,

1. die noch verbleibende Zeit im Rechtssetzungsverfahren für eine Übergangslösung für Schwerlastkraftwagen im Transit durch Österreich für substantielle Verhandlungen im Sinne des Gemeinsamen Standpunktes des Rates vom 28. März 2003 zu nützen;

2. alle rechtlichen Möglichkeiten im Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Reduktion von Schadstoffemissionen von Schwerlastkraftwagen im Transit durch Österreich um 60 Prozent im Hinblick auf die Einhaltung des Transitprotokolls Nr. 9 aus­zuschöpfen;

3. umgehend die erforderlichen rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen zu schaf­fen, um effizienten Kontrollen zur Einhaltung der technischen, ökologischen und sozia­len Vorschriften durch die ASFINAG zu ermöglichen, und weitere innerstaatliche Maß­nahmen zu prüfen, um dem Anstieg des LKW-Transitverkehrs gegenzusteuern;

4. in diesen Fragen engsten Kontakt mit den Ländern zu halten und in diesem Sinne ein Netzwerk zur bestmöglichen Abstimmung der Vorgangsweise einzurichten.

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.51

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesrätinnen Bieringer, Konecny, Dr. Böhm, Schennach, Kolleginnen und Kollegen soeben eingebrachte Ent-


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schließungs­­­antrag betreffend den Transitverkehr durch Österreich ist genügend unter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Professor Konecny das Wort. – Bitte.

 


12.51

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich habe bereits in meinem ersten Debattenbeitrag zu diesem Sachverhalt Stellung genommen, indem ich meiner Hoffnung Ausdruck verliehen habe, dass es möglich sein wird, im Sinne auch einer gestern erzielten politischen Übereinkunft parlamentarisch klar zum Ausdruck zu brin­gen, dass wir in dieser, für unser Land so wichtigen Frage gemeinsam für Lösungen eintreten, die für die österreichische Bevölkerung akzeptabel sind, die der Umwelt­si­tuation unseres Landes gerecht werden und die letztlich auch der Mitsprache Öster­reichs bei einer solchen Lösung entsprechend Rechnung tragen.

Es ist auch – und ich sage das in Klammern dazu – ein erfreulicher Sachverhalt, dass es, was sicherlich durch die politische Agenda und nicht durch eine Bedeu­tungs­ver­schiebung der österreichischen Innenpolitik zustande gekommen ist, in diesem Fall der Bundesrat ist, der als erste parlamentarische Körperschaft dieses gemeinsame politi­sche Wollen der vier im Parlament vertretenen Parteien zum Ausdruck bringt.

Es ist an diesem Punkt naturgemäß klar, dass jede der Parteien – und das gilt auch für die Sozialdemokratie – weiter reichende, darüber hinausgehende Vorstellungen hat. Ich will mir an diesem Punkt der Debatte versagen, in polemischer Art und Weise die Fra­ge nach den Ursachen dieser ziemlich schwierigen politischen Situation zu disku­tieren, ich habe dazu in meinem ersten Redebeitrag einiges gesagt, aber ich will nicht verhehlen, dass ich den Ausführungen des Kollegen Hagen über weite Strecken zu­stim­men kann.

Fest steht, dass es unser Ziel sein muss, möglichst nahe an den nicht realisierten Ko­penhagener Kompromiss heranzugelangen, auch wenn es jedem klar ist, dass es sich dabei um eine extrem schwierige Aufgabenstellung handelt.

Es ist aber ebenso klar, dass wir innerstaatlich und im Verhältnis zur EU über die puren zentralen, wichtigen Bestimmungen einer Transitvertragsnachfolgelösung hinaus auch unsere Hausaufgaben machen und dafür sorgen müssen, dass die heikle verkehrs­politische Situation Österreichs in einer angemessenen Art und Weise bewältigt wer­den kann.

Es hat nicht zufällig in der heutigen Debatte über die Regierungsumbildung die Frage der ÖBB eine ganz zentrale Rolle gespielt. Sozialdemokratische Verkehrspolitik hat als eines ihrer Ziele, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass ein Maximum an Ver­kehr – und das gilt natürlich in besonderem Maße für den Transitverkehr – auf die Schiene verlagert werden kann, weil das zu einem gewissen Prozentsatz das Problem des LKW-Transits minimiert.

Ich halte es für einen falschen Weg, gerade in diesem Augenblick, zu welchem die Transitfrage im Mittelpunkt steht, die Strukturen der ÖBB zu zerschlagen und die Mit­arbeiter dort zu verunsichern. Das Gegenteil dessen würden wir brauchen: ein hoch moti­viertes und voll unterstütztes Bahnunternehmen, mit einer hoch motivierten Truppe von Beschäftigen, damit sichergestellt ist, dass mit den notwendigen Investitionen und auch mit den notwendigen Strukturveränderungen die Vorschläge – auch jene, die un­sere Gewerkschafter Ihnen machen, Herr Vizekanzler; die sollten Sie einmal nach­lesen, da ist nämlich eine Menge drinnen, worüber wir uns wahrscheinlich verständigen könnten! – zum vollen Nutzen für das Unternehmen umgesetzt werden.


Bundesrat
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Wenn wir die Bahn nicht in die Lage versetzen, ernsthaft um Transporte und Transit nach und durch Österreich mitzukonkurrenzieren, dann können und dürfen wir uns nicht wundern, wenn der LKW-Verkehr so zunimmt, wie das der Fall ist. Wenn wir nicht jene Relationen vorrangig ausbauen, die im Transitverkehr eine Rolle spielen, dann werden wir zwar ergänzende Linien irgendwohin anbieten können, aber nicht das erreichen, was wir am dringendsten brauchen.

Das Zweite ist, dass wir uns in unserer Investitionstätigkeit – natürlich in entspre­chen­den Verhandlungen mit der EU – ganz klar auf jene Projekte konzentrieren müssen, die den Transitverkehr auch im Straßenbereich in seinen Auswirkungen zumindest min­dern können und bei welchen wir im Rahmen der Regelungen für die TENs auch tatsächlich EU-Mittel lukrieren können. Es ist halt eine schlechte Verhandlungs­po­sition – das übernehmen Sie, Herr Vizekanzler, und das ist Ihnen nicht zum Vorwurf zu machen –, wenn wir einen Generalverkehrsplan haben, in dem der Brenner-Basis­tunnel erst nach 2020 vorkommt, und uns gleichzeitig über die Transitbelastung be­klagen. Man kann uns in Brüssel nicht wirklich ernst nehmen, wenn wir diese angeblich zentrale Relation so nachrangig behandeln.

Nun ist schon klar, solch ein Projekt hat seine Laufzeit, aber mit 2015 hinzukommen, sollten wir noch in der Lage sein, und wir sollten auch in der Lage sein, jene höhere, bis zu 30-prozentige Kostenbeteiligung der EU bei grenzüberschreitenden TENs zu lukrieren, was im Übrigen auch, wenn man es einigermaßen geschickt anstellt, für die ebenfalls für Ostösterreich sehr wichtige Autobahnverbindung Richtung Brünn – also den Anschluss an das höherrangige tschechische Straßennetz, Schnellstraße, Auto­bahn – möglich sein müsste.

Diese Entschließung soll keine leere Bekundung sein, denn wenn man die Betroffen­heit und auch Mobilisiertheit der österreichischen Bevölkerung in Rechnung stellt, dann ist es eine der Aufgaben der Verkehrspolitik, eben auch unsere eigenen Projekte sehr genau zu durchforsten und die Möglichkeit zu nützen, in Brüssel Kostenbeteiligungen abzuholen, die dazu beitragen können, die Belastung der Bevölkerung herabzusetzen.

Ich halte es für wichtig, dass wir diese Diskussionen untereinander auch sehr kon­trovers führen, aber es ist noch wichtiger, an dieser Stelle Folgendes zu sagen: Bei der Abwehr eines schrankenlosen Transits durch Österreich müssen wir mit einer Stimme und mit einheitlichem Handeln auftreten. Wir Sozialdemokraten werden selbstver­ständ­lich diesem Entschließungsantrag unsere Zustimmung geben und zu jener gemein­samen Front, die darin zum Ausdruck kommt, auch über eine parlamentarische Be­schluss­fassung hinaus beitragen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)


12.59

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm das Wort.


13.00

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Ich werde mich nicht in der Zurückhaltung des Herrn Professor Konecny üben. Ich halte zuerst einmal fest, dass in meinen Augen, in den Augen der grünen Fraktion, aber auch in den Augen der betroffenen Bevölkerung entlang der Transitrouten die Transitpolitik gescheitert ist. Nehmen wir das einfach zur Kenntnis, und gestehen wir uns ein, dass die Transitpolitik gescheitert ist!

Es nützt uns nichts mehr, wenn wir hier mit schwammigen Kompromissen versuchen, das Scheitern zu behübschen, und uns in Sonntagsreden ergehen. Die Zeit dazu ist längst abgelaufen.


Bundesrat
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702. Sitzung / Seite 68

Warum wir uns heute nach deutlichem Zögern doch bereit erklärt haben, diesen ge­mein­samen Entschließungsantrag zu unterstützen und mitzutragen, hängt damit zu­sammen, dass hier noch einmal ein gemeinsames Zeichen aller politischen Parteien gegenüber dem Europäischen Parlament und dem Rat gesetzt werden soll.

Aber – das sei hier klar und unmissverständlich festgehalten – diese gemeinsame Entschließung ist eine Minimalentschließung, eine Entschließung, wie sie die diversen Landtage, der Nationalrat und der Bundesrat bereits in der Vergangenheit des Öfteren gefasst haben. Jede dieser Entschließungen bedarf einer Konkretisierung, nämlich einer nationalen Konkretisierung, und es geht nicht darum, zu sagen, dass ein LKW aus Italien oder ein LKW aus Deutschland stinkt und ein österreichischer LKW gut riecht. Wir müssen einmal von dieser Verlogenheit der Diskussion wegkommen und sagen:

Der LKW – egal, woher er kommt, ob aus Italien, aus Österreich, Deutschland oder aus einem anderen Land – stellt eine unzumutbare Belastung für die Menschen und für die Natur dar!

Es geht dabei nicht nur um die Alpenkorridore, das sage ich jetzt als Tiroler ganz be­wusst dazu, sondern es geht vor allem auch um die Entwicklung im Osten, um die EU-Erweiterung und die Probleme, die auf den Osten damit zukommen.

Zu dieser gemeinsamen Entschließung, dieser Minimalentschließung in Richtung Brüs­sel seien einige Maßnahmen, die notwendig sind, zu Protokoll zu geben, Maßnahmen, die vor allem innerstaatlich zu setzen sind. Diese hat Herr Minister Gorbach gemein­sam mit den Ländern in den nächsten Wochen und Monaten dringendst umzusetzen.

Dazu gehören zunächst die zeitlichen und sektoralen LKW-Fahrverbote auf der Grund­lage der StVO und des Immissionsschutzgesetzes-Luft; weiters Tempolimits und Über­hol­verbote, eine Verbesserung der Umsetzung des Immissionsschutzgesetzes, insbe­son­dere durch die Verdichtung der Messstellen. – All das sind Forderungen, meine Damen und Herren, die seit Jahren auf dem Tisch liegen.

Nachdem das Fiasko unseres Transitvertrages immer deutlicher wird, stellt sich na­türlich die Frage: Warum haben wir denn innerösterreichisch unsere Glaubwürdigkeit nicht erhöht?

Ein weiterer Punkt ist: keine Begünstigungen des LKWs mehr gegenüber der Schiene durch Steuersenkungen, Steuernachlässe, durch Querfinanzierung etwa im Versiche­rungsbereich. – All das wurde zugelassen! Unsere Verhandlungsposition gegenüber den anderen Mitgliedsländern wird nur dadurch gestärkt. Wir haben auch unsere Ver­hand­lungsposition in der Frage Atomtechnologie dadurch gestärkt, indem wir damals ein fertiges Atomkraftwerk abgelehnt haben. Das hat uns Glaubwürdigkeit verschafft. In der Verkehrspolitik stehen diese Maßnahmen, die uns jene Glaubwürdigkeit auch gegenüber Europa zukommen hätten lassen, innerstaatlich noch aus.

Nächster Punkt: beschleunigte Realisierung eines bundesweiten dichten Netzes, aus­reichend dimensioniert und mit dem nötigen Personal versehene LKW-Kontrollstellen in Zusammenarbeit mit den Ländern. – Ja, warum weigert sich denn Tirol, nur eine einzige Kontrollstelle einzurichten?

Weiters: Mittel der TEN-Finanzierung und weitere EU-Förderungsinstrumentarien nur mehr für ökologische Verkehrsträger wie die Bahn. – Herr Kollege Kneifel kann Ihnen sagen, welch große ökologische Bedeutung die Wasserstraße hat, die wir nützen sollten.

Klima- und Umweltprüfung für den Generalverkehrsplan, tatsächliche Bevorrangung von Schienenprojekten sind weitere Maßnahmen. – Ich glaube nicht, dass wir alle jetzt


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702. Sitzung / Seite 69

so, wie das Kaninchen vor der Schlange, auf den Brenner-Basistunnel schielen müs­sen, der, wie Professor Konecny gesagt hat, für den St.-Nimmerleinstag angekündigt wird. Das ist nicht die Lösung des Transitverkehrs! Die Lösung des Transitverkehrs kann morgen, übermorgen in all jenen kleinen Schritten, die ich bereits skizziert habe, erfolgen.

Keine Bundesfinanzierung über Umwege, etwa über den Finanzausgleich, für transit­fördernde Straßenbauprojekte im Straßennetz wäre eine weitere Maßnahme.

Meine Damen und Herren! Wir werden diesem Antrag zustimmen, aber es war uns wichtig, hier noch einmal zu sagen, dass es sicher der letzte Antrag sein wird, dem wir zustimmen werden, wenn nicht klargestellt wird, welche Maßnahmen in welchem zeit­lichen Rahmen jetzt zu erfolgen haben. Wir unterstützen diesen Antrag deshalb, weil da­mit von diesem Haus aus ein gemeinsames Signal an Brüssel für die letzten Ver­handlungen, die noch offen sind, gesetzt wird. Aber wir wissen auch, dass wir es aus dem Bewusstsein heraus tun, dass wir vor einem Scherbenhaufen der Transit­politik stehen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.07

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Bieringer. Ich er­teile ihm das Wort.

 


13.07

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin froh darüber, dass einhellige Meinung darüber herrscht, den von uns initiierten Entschließungsantrag zu unterstützen. Ich habe heute bereits im Rahmen einer Wortmeldung gesagt, dass ich an der Schnittstelle Tauern Autobahn und West Autobahn wohne und daher weiß, wo­von ich rede, wenn ich vom Transitverkehr spreche.

Meine Damen und Herren! Ich gebe Kollegen Schennach 100-prozentig Recht, wenn er sagt, dass es egal ist, welcher LKW dort fährt, ob es ein heimischer oder einer aus Italien oder aus Deutschland oder weiß Gott von woher ist. Aber eines müssen wir auch mit aller Klarheit sagen: Ohne LKW würde es nicht gehen. Ohne LKW würden wir nicht jeden Tag in der Früh die Zeitung bekommen, ohne LKW würden wir nicht ver­schiedene Annehmlichkeiten haben, wie frisches Obst und dergleichen mehr.

Herr Kollege Schennach! Weißt du, was für mich das Bedrückendste war? – Als da­mals die „Rollende Landstraße“ eingeführt werden sollte und man verzweifelt Standorte gesucht hat, wo man einen Bahnhof errichten kann, habe ich angeboten, in meiner Gemeinde so etwas zu machen. Wissen Sie, woran es gescheitert ist? – An der Un­fähigkeit der Österreichischen Bundesbahnen. Sechs Monate lang – sechs Monate! – war es nicht möglich, dass die damals Verantwortlichen für die Eisenbahn den Fräch­tern sagen konnten, was es kostet, einen LKW von Salzburg nach Wien oder von Salzburg nach Italien zu befördern.

Schlussendlich haben dann die Vertreter der Transportwirtschaft zu Recht gesagt: Ihr könnt von uns nicht verlangen, dass wir dem zustimmen, wenn uns niemand sagen kann, was das unter dem Strich kostet. Ich habe damals zu Landesrat Raus,  der sich wirklich bemüht hat, eine Lösung zu finden, gesagt: Othmar, es ist verlorene Zeit, wenn wir uns diesbezüglich zusammensetzen, wenn gleichzeitig die ÖBB in sechs Monaten nicht in der Lage sind, einem Transportunternehmer zu sagen, was es kostet, wenn er auf der so genannten Rollenden Landstraße einen LKW von Salzburg nach Wien trans­portieren lässt. – Das ist die Realität!


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702. Sitzung / Seite 70

Daher muss ein Umdenken stattfinden, und ich würde Sie, sehr geehrter Herr Vize­kanzler, bitten, Ihren Einfluss auch dahin gehend geltend zu machen, dass bei der Bahn schneller gearbeitet wird.

Aber es ist eine Illusion zu glauben, dass man alles von der Straße auf die Bahn ver­lagern kann, weil dazu die Kapazität fehlt. Es ist aber – das muss ich ebenfalls mit aller Deutlichkeit sagen – auch eine Illusion, zu glauben, dass nur die ausländischen und nicht die einheimischen LKWs die Umwelt verschmutzen.

Ich sage Ihnen aus tiefer Überzeugung, ich unterstütze das, was gestern im Salzburger Landtag beschlossen wurde, in dem unter anderem von Herrn Landeshauptmann Schausberger gesagt wurde, dass wir eine Lärmschutzmaßnahme entlang der Tauern Autobahn, also vom Walserberg, von meiner Gemeinde, beginnend bis zum Katsch­berg, fordern, damit die Salzburger Tauern Autobahn wenigstens über Lärmschutz­maßnahmen verfügt.

Ich glaube, dass der nationale Schulterschluss sehr gut ist, und ich bin dankbar dafür, dass wir im Bundesrat es sind, die das zustande gebracht haben, und ich bin dankbar dafür, dass alle vier Fraktionen dabei mitgehen. Es muss uns im letzten Moment noch gelingen, dass wir wieder zum Ratsbeschluss von Kopenhagen kommen.

Ich bin sehr zuversichtlich, dass uns das gelingen wird, dass sich Herr Vizekanzler Gor­bach in seiner Eigenschaft als Verkehrsminister vor den Zug werfen wird, um die Probleme (Bundesrätin Schicker: So viel verlangen wir nicht!) – lasst mich ausreden! – hintanzuhalten. Er wird als Lokführer fungieren (Bundesrat Manfred Gruber: Dann ha­ben wir wieder eine Regierungsumbildung!) und den Zug in die richtige Richtung steu­ern. Dann sind uns auch in dieser Angelegenheit zwar nicht alle Sorgen genommen, aber doch einige abgenommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt ja nicht nur Transitrouten auf der Au­tobahn, sondern auch genügend Bundesstraßen. Ich denke da nur an Tirol, was sich dort alles durch das Gebiet Außerfern bewegt und dergleichen mehr.

Ich glaube, dass es notwendig ist, dass wir diesbezüglich einheitlich vorgehen, und ich bin dankbar dafür, dass dieser Entschließungsantrag die Zustimmung aller vier Frak­tionen des Hauses findet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bun­desräten der SPÖ.)

13.12

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Vizekanzler Gorbach das Wort. – Bitte.

 


13.12

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Geschätzter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich darf noch einmal das Wort ergreifen, und zwar nicht, um jetzt alles zu behandeln, was von den Vertretern der Regierungsparteien, aber auch von der Opposition in meine Richtung gesagt wurde, sondern ich möchte zum zuletzt Gesagten und vor allem zum Antrag, der offensichtlich einstimmig beschlossen werden kann, was mich sehr freut, einige inhaltliche Punkte erwähnen, besonders aber auch Richtig­stellungen treffen.

Wenn gesagt wurde, dass der Transit- und der hausgemachte LKW-Verkehr sozusa­gen dasselbe seien, dieselben Stinker oder dieselben Verschmutzer wären, dann ist das vom Grunde her zwar richtig, aber wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass der kleine LKW-Verkehr ein wichtiger Beitrag für die Wirtschaft und die wirtschaftliche Ent­wicklung darstellt; und die wirtschaftliche Entwicklung hat auch mit Arbeitsplatz­siche­rung, mit Wohlstand und Ähnlichem mehr zu tun.


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Ich würde also davor warnen, den LKW generell zu verteufeln und schlecht zu machen, das wäre nämlich eine Stimmung, die wir im Lande, so glaube ich, nicht brauchen. (Bei­fall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, wir sind uns auch hinsichtlich der sektoralen Verbote, die ich immer wieder genannt habe, einig. Das sind nicht nur Verbote dahin gehend, dass in gewissen Bereichen nicht gefahren werden darf, sondern sektorale Verbote bewirken vor allem, dass bestimmte Waren nicht mehr gefahren werden dürfen. Ich sehe einfach nicht ein, dass, wenn ein Verladen auf die Schiene zumutbar ist, weil es die entsprechende Strecke gibt, Holz, Schrott, Eisen, Glas von Österreich, von Deutschland, von Holland oder woher auch immer, nach Italien, sogar nach Süditalien über die Brennerroute gefahren werden. Das passiert, meine Damen und Herren!

Ich glaube, diese Unterscheidung müssen wir vornehmen, diese Waren gehören auch in Zukunft auf die Schiene. Anders ist es hingegen bei einem Lieferant, der auf kurzer Strecke aus logistischen Gründen und auch aus Kostengründen auf der Straße fährt, denn wir alle wissen, dass schlussendlich der Konsument, wenn auch nicht alles, so doch zumindest einen guten Anteil der höheren Kosten bezahlt.

Aber es wird in Zukunft ohnehin ein Thema sein, dass wir im wahrsten Sinne des Wor­tes in Kauf nehmen müssen, einen höheren Preis zu bezahlen, wenn wir entspre­chende Vielfalt in den Regalen wollen. Ich werde jedenfalls weiterhin alles tun, um den umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene entsprechend auszubauen – auch dem Generalverkehrsplan entsprechend.

Ich glaube, dass die Aufteilung im Generalverkehrsplan insgesamt, in dem Projekte mit einem Investitionsvolumen von etwa 45 Milliarden € stehen – davon sind 30 Milliar­den € für den Schienenausbau, 15 Milliarden für den Straßenausbau und 0,5 Milliarden für den Wasserstraßenausbau vorgesehen; also zwei Drittel zu einem Drittel – richtig und in Ordnung ist.

Ich kann Ihnen sagen, Herr Professor Konecny, ich habe bei meinen vielen Besu­chen – es waren in etwa 30 jeweils einstündige Gespräche mit EU-Parlamentariern, übri­gens auch von Ihrer Fraktion, ich meine das jetzt europaweit, natürlich auch von der grünen Fraktion und anderen Fraktionen, die es im EU-Parlament gibt, auch mit EVP-Mitgliedern und Splitterfraktionen – immer darauf hingewiesen, wie viel Österreich in den letzten Jahren in den Ausbau der Schiene investiert hat und was geplant ist, in den nächsten Jahren zu tun, weil mir diese Glaubwürdigkeit sehr wichtig ist. Ich werde auch auf europäischer Ebene darauf pochen, dass die TEN nicht nur auf dem Papier stehen und da gut ausschauen, sondern auch realisiert werden sollten – dort, wo es notwendig ist, sollte dies sogar früher als im TEN-Plan, also in den Transeuropäischen Netzen, die jetzt in Diskussion sind, vorgesehen geschehen.

Es gibt diese Quick-start-list, laut der 13 Projekte von diesen 29 sogar noch schneller auf den Weg gebracht werden sollen, die schon annähernd baureif und unbestrit­te­nerweise wichtig sind. Für die Nord-Süd-Verbindung gehört meines Erachtens unbe­dingt der Brenner-Basistunnel dazu. Unser Problem ist, dass er noch nicht baureif ist, aber, Herr Professor Konecny, ich habe ihn trotzdem in dieser Liste aufgeführt und Frau Kommissarin Loyola de Palacio  gemeldet. Ich habe ihr das diese Woche per­sönlich vorgetragen mit dem Hinweis – das war glaubwürdig für sie –, dass es ein Me­morandum vom 1. April 2003 zwischen Lunardi und meiner Wenigkeit gibt. In diesem Memorandum haben wir die Wichtigkeit des Brenner-Basistunnels außer Streit gestellt und festgestellt, dass das ein bilateral und für ganz Europa wichtiges Anliegen ist und dass alles getan werden muss, um möglichst rasch in die nächste Phase, sprich in Richtung Baureife, zu kommen.


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Am 13. September war ich in Rom und habe mit Lunardi ein zweites Memorandum un­terschrieben. Darin wird ganz genau festgelegt, in welchen Schritten die technischen, finanzielle und umweltpolitischen Abklärungen erfolgen müssen, um die Baureife so rasch wie möglich zu erreichen. Es werden für diese zweite Phase, die wir unter­zeich­net haben, bereits 90 Millionen € frei gemacht. Mit diesen 90 Millionen € werden bereits Bodenuntersuchungen, Bodenbohrungen, Detailuntersuchungen gemacht und Experti­sen und so weiter eingeholt, um eben dieses Projekt zu forcieren.

Ich möchte damit nur betonen, dass ich in der ersten Woche meiner Amtstätigkeit, also Anfang März, sofort erkannt habe, dass dieses wichtige Projekt forciert gehört und dafür auch Mitstreiter gefunden habe. Ich darf Ihnen darüber hinaus sagen, dass wir die Baureife für Ende 2005, Anfang 2006 anstreben – Ende 2005 auch deshalb, weil das ein Kriterium dafür ist, in diese Startliste zu kommen und von der Europäischen Union dann auch diese 30-prozentige Höchst-Kofinanzierung mit Sicherheit zu er­hal­ten.

Dieses Projekt hat mein besonderes Augenmerk. Ich kann Sie beruhigen, das wird nicht bis zum Jahr 2020 dauern, sondern als Ziel ist jetzt einmal das Jahr 2015 fest­geschrieben; das steht übrigens auch in der Regierungserklärung. Ich bin überzeugt, wir können das auf Grund eines optimalen Managements und guter Vorbereitung auf das Jahr 2012 – Verkehrsfreigabe – verkürzen. Ich werde jedenfalls alles tun, um das zu erreichen.

Da man mit Nachbarn reden muss, werde ich mit Kollegen Stolpe, Verkehrsminister in Deutschland, und Kollegen Lunardi noch im Dezember dieses Jahres ein trilaterales Treffen abhalten, und zwar ausnahmsweise einmal im westlichsten Bundesland Öster­reichs, in Vorarlberg. Wir, das heißt die Hauptinteressierten Deutschland, Österreich und Italien, werden uns eineinhalb Tage lang ausschließlich der Abwicklung des Bren­ner-Basistunnels widmen. Das ist also auf einem guten Weg!

Was die Glaubwürdigkeit betrifft, hat der Kollege von den Grünen gemeint, es sei halt wichtig, diese Glaubwürdigkeit zu haben, und auch deshalb sei die Transit-Diskussion sozusagen verloren gegangen.

Ich stelle fest: Die Transit-Diskussion dauert schon mehrere Jahre, und der Transit ist europaweit, insbesondere in Mitteleuropa ein großes Problem, nicht nur in Österreich. Wir liegen aber geographisch so im Herzen Europas, dass er für uns ein Hauptproblem ist, topographisch haben wir noch dazu die Alpen als natürliche Barriere, durch die der Schadstoffausstoß multipliziert und das noch kritischer wird. Es ist klar, dass wir mit Italien und der Schweiz eine besondere Position haben, ein bisschen auch Deutsch­land, das ist nicht wegzuleugnen. Dass wir aber auch sehr viel in alternative Verkehrs­wege investiert haben, ist in der EU bekannt, ist unbestritten.

Was die Glaubwürdigkeit betrifft, darf ich Ihnen ein Beispiel dafür bringen, dass es nicht immer das Gelbe vom Ei ist, wenn man glaubwürdig in einer Sache auftreten kann, weil man nämlich nicht immer die entsprechenden Folgen dafür in der EU erwar­ten kann.

Ich war von der ersten Stunde an ein vehementer Gegner von Zwentendorf und bin heute noch sehr aktiv in der Anti-Atombewegung. Ich habe in Tschernobyl ein Paten­kind, das ich regelmäßig besuche, und weiß deshalb sehr genau über die Auswirkun­gen dieser furchtbaren Katastrophe, die dort stattgefunden hat, und solcher Katastro­phen, die stattfinden könnten, Bescheid. Ich denke, es war ein gutes Abstimmungs­verhalten der österreichischen Bevölkerung am 5. November vor 25 Jahren – aber keine Spur in der Europäischen Union in Richtung „atomfreies Europa“. Keine Spur! Diesbezüglich sind wir zwar das beste Beispiel, aber reden Sie als Österreicher einmal mit den Franzosen, Italienern, Deutschen und auch Engländern über ein Zusperren


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ihrer Atomkraftwerke, und sagen Sie: Bei uns gibt es keine Atomkraft, wir haben vor 25 Jahren dagegen gestimmt! – Man wird Sie laut auslachen.

Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht trotzdem alle Bemühungen unternehmen müs­sen, um gegen Atomkraft in dieser Form aufzutreten, weil sie ja Risken birgt, die wir alle hier kennen und die wir unseren nachfolgenden Generationen nicht zumuten wol­len.

Da ich vorher gesagt habe, dass die Schadstoffe in Österreich besonders wirksam sind, lassen Sie mich heute vor diesem Gremium etwas kundtun, was ich bei jeder Ge­legenheit platziere und deponiere – ich habe das auch auf europäischer Ebene oft getan –, weil wir vorher bei der Unterscheidung Transit-LKW und heimischer LKW wa­ren: Es geht dabei auch um andere Überlegungen, nicht nur um Lärmbelästigung – Stichwort: Lärmschutzwände. In diesem Zusammenhang habe ich für nächstes Jahr eine Initiative vor, neben dem Ausbauprogramm, das besteht, noch mehr für den Lärm­schutz zu tun, und zwar vor dem Hintergrund eines eventuellen Scheiterns der Verlän­gerung des Transitvertrages, aber vor allem auch auf Grund der zunehmenden Ver­kehrsraten, die auch ohne zusätzlichen Transit verspürbar sind, wenn wir ein Wirt­schafts­wachstum haben und nicht rasch genug möglichst viel von der Straße auf die Schiene bringen.

Übrigens: Der Lärmschutz gilt natürlich auch für die Schiene. Auch dort haben wir mitunter enorme Probleme, in allen möglichen Gebieten, insbesondere in Tourismus­regionen; ich denke dabei an den Wörthersee, wenn ich in Richtung von ein paar Kärn­tner Freunden schaue.

Ich denke, es ist klar, dass wir da noch viel investieren müssen. Wir müssen das auch vom Gesundheitsstandpunkt aus sehen. Ich erwähne hier wieder die Kinder, weil mar­kant ist, was die WHO-Studie besagt; die WHO-Studie aus dem Jahr 1999, die unbe­stritten und unwidersprochen ist. Ich habe diese Studie auch Kommissarin Loyola de Palacio zur Kenntnis gebracht, als sie in einer Diskussion im europäischen Ministerrat so sinngemäß, nicht wörtlich, gesagt hat: Dass uns ein Land aus Jux und Tollerei den freien Warenverkehr verderben und den Binnenmarkt stören will, können wir nicht ak­zeptieren! – Ich habe dann gesagt, dass ich diese Formulierung von ihr korrigiert haben möchte. Sie ist dann auch sehr ernst geworden, als ich ihr gesagt habe, dass diese WHO-Studie zeigt, dass allein in Österreich durch den Schadstoffausstoß von LKWs, Transit- und österreichischer LKW-Verkehr, jährlich 2 400 vorzeitige Todesfälle, jährlich 2 700 an chronischer Bronchitis erkrankte Erwachsene, jährlich 20 600 an chro­nischer Bronchitis Erkrankte unter 15 Jahren, 15 000 zusätzliche Asthma-Anfälle bei Kindern und 1,3 Millionen Krankenstandstage zu verzeichnen sind – durch diesen Schadstoffausstoß!

Wenn man diese Zahlen sieht – das ist ähnlich wie bei den Verkehrstoten, die ich in meiner ersten Rede erwähnt habe –, wird man selbst als Wirtschaftler, der ich bin – ich komme aus der privaten Wirtschaft, habe selbst viel Export, viel Verkehr verursacht –, sehr nachdenklich und bekommt ein bisschen einen anderen Zugang zu dieser Dis­kussion, weil wir das gerne und sehr oberflächlich nur mit Lärm verbinden und mit psychologischer Störung: Die LKWs stören!, oder als Autofahrer stören einen die viele Brummis, die man überholen muss, weil sie einem den Weg, die freie Fahrt versperren. Ich glaube, wir sollten dieses Thema auch von dieser sehr ernsten Seite sehen.

Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte Ihnen abschließend Dank dafür aus­spre­chen, dass es doch – mit unterschiedlicher Nuance, aber doch – gelungen ist, heute in diesem Haus, in der Länderkammer – das freut mich ganz besonders –, das zu tun, was ich mir eingangs gewünscht habe und das vielleicht öfters vorkommen könnte: dass nämlich ein Thema außer Streit gestellt wird, weil es „keine Farbe hat“, und dass


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man sich darin einig ist, was den Schutz der Bevölkerung vor den negativen Aus­wirkungen des Transits, der uns droht, betrifft, nämlich einig ist, dass man alles dage­gen zu tun hat; ein paar Maßnahmen sind auch aufgelistet.

Selbstverständlich werden wir auch weiterhin, das verspreche ich Ihnen, überlegen, was wir noch darüber hinaus tun können, um zwar nicht den freien Warenverkehr zu stören – der soll auf der Schiene ablaufen –, nicht den Binnenmarkt zu stören, aber wirkungsvoll das Gut Gesundheit und Umwelt als Menschenrecht, sage ich dazu, über den freien Warenverkehr und den Binnenmarkt zu stellen.

Ich danke Ihnen, dass dieser Schulterschluss, wenn ich so sagen darf, oder diese ein­heitliche Meinung heute durch den hoffentlich einstimmigen Beschluss des österreichi­schen Bundesrates zum Ausdruck kommt. Ich freue mich und danke herzlich. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und der SPÖ.)

13.27

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Bieringer, Konecny, Dr. Böhm, Schennach, Kolle­ginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend den Transitverkehr durch Österreich vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen. (E 187-BR/03.)

3. Punkt

Wahl eines Schriftführers und eines Ordners für den Rest des 2. Halbjahres 2003

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Diese Wahl ist durch die vom Oberösterreichischen Landtag durchgeführten Neu­wah­len in den Bundesrat notwendig geworden.

Ich werde daher, sofern sich kein Einwand erhebt, diese Wahl sogleich durch Hand­zeichen vornehmen lassen.

Es liegen mir die Wahlvorschläge vor, für den Rest des zweiten Halbjahres 2003 Frau Bun­desrätin Johanna Schicker zur Schriftführerin des Bundesrates und Herrn Bun­desrat Dr. Franz-Eduard Kühnel zum Ordner des Bundesrates zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesen Wahlvorschlägen ihre Zu­stim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Die Wahl­vorschläge sind angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

Frau Bundesrätin Johanna Schicker?

 


Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Ich nehme die Wahl an und dan­ke für Ihre Zustimmung.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Bundesrat Dr. Franz-Eduard Kühnel?

 



Bundesrat
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Bundesrat Dr. Franz-Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Ich nehme die Wahl ebenfalls an und danke für die Einstimmigkeit.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. (Allgemeiner Beifall.)

Antrag gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 GO-BR

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Es liegt mir ein Antrag der Bundesräte Ludwig Bierin­ger, Professor Albrecht Konecny, Professor Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolle­ginnen und Kollegen gemäß § 49 der Geschäftsordnung des Bundesrates in Verbin­dung mit § 14 Abs. 2 der Geschäftsordnung betreffend Zustimmung des Bundesrates zum Zusammenschluss als Fraktion vor.

Ich werde über diesen Antrag sogleich abstimmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, dass sich die dem grü­nen Parlamentsklub gemäß Klubfinanzierungsgesetz angehörenden Bundesräte Elisa­beth Kerschbaum, Eva Konrad, Dr. Ruperta Lichtenecker und Stefan Schennach ge­mäß § 14 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu einer Fraktion zusammenschließen, ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der An­trag ist angenommen.

Den Grünen ist somit Fraktionsstatus zuerkannt, und ich gratuliere dazu sehr herzlich. (Beifall bei der ÖVP, der SPÖ und den Freiheitlichen.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend das Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftver­un­reinigung betreffend Schwermetalle samt Erklärungen (134 d.B. und 239 d.B. sowie 6873/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Ing. Franz Gruber übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


Berichterstatter Ing. Franz Gruber: Hoher Bundesrat! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend das Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend Schwermetalle samt Erklärungen.

Der Ausschussbericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben;

2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen;

3. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Absatz 2 B-VG den ge­genständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Ein­spruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Giesinger. Ich erteile ihr das Wort.

 



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13.32

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich denke, dass dieser Tagesordnungspunkt nahtlos an die letz­te Entschließung und an die letzten Wortmeldungen anschließt.

Es ist gut, dass die Menschheit immer sensibler gegenüber der Umwelt wird. Tatsache ist auch, dass die Luft beziehungsweise das Wasser bei einer eventuellen Verschmut­zung keine Grenzen kennt. Tatsache ist jedoch auch, dass sich die Erde und die Men­schen weiterentwickeln sowie verändern, und gerade deshalb ist es notwendig, sorg­sam mit unserer Umwelt umzugehen.

Ziel dieses Protokolls ist die Verpflichtung, generell die Emissionen von Blei, Kadmium und Quecksilber zu reduzieren, für verschiedene Anlagen wie zum Beispiel Metall­er­zeugung, Abfallverbrennung und so weiter bestimmte Emissionsgrenzwerte einzu­hal­ten sowie verpflichtende Beschränkungen, wie zum Beispiel Bleigehalt von Benzin, Quecksilbergehalt von Batterien und so weiter, einzuhalten.

Weiters ist nach diesem Protokoll ein Emissionsverzeichnis nach bestimmten Kriterien zu führen. Auch der gegenseitige Informations- und Technologieaustausch ist vorge­sehen sowie die Förderung von Forschung und Entwicklung in diesem Bereich.

Nach Ablauf von fünf Jahren nach In-Kraft-Treten kann jede Vertragspartei zurück­treten.

Es ist auch erwiesen, dass durch verschiedene Schwermetalle akute und chronische gesundheitliche Schäden entstehen können, unter anderem Missbildungen, Stoff­wech­selprobleme, Störungen des zentralen Nervensystems sowie nach neuesten Erkennt­nissen auch Depressionen und so weiter.

In Österreich ist festgestellt worden, dass erhöhte Belastungen durch Blei und Kad­mium auch dort gefunden wurden, wo lokale Verursacher keine Rolle spielen. Daher sind der Beitritt der osteuropäischen Staaten wie Tschechien, Slowakei und Rumänien zum Protokoll und die Emissionsminderungen in diesen Staaten positiv und führen län­gerfristig zu einer verringerten Belastung in Österreich. Bisher sind bereits 16 Staaten diesem Protokoll beigetreten, unter anderen die Schweiz, USA, Norwegen, Schweden, die Europäische Gemeinschaft; Deutschland ist am 30. September dieses Jahres bei­getreten.

Erfreulich ist, dass in Österreich bereits sehr früh Maßnahmen für Schwermetalle fest­gelegt wurden, zum Beispiel bleifreies Benzin, Emissionsbegrenzungen bei verschie­denen Anlagen, Verbot beziehungsweise Beschränkung von Kadmium in Farben und Kunststoffen, Quecksilber in Batterien und so weiter. So sind zum Beispiel die Blei­emissionen seit 1985 um 96 Prozent zurückgegangen, und die Kadmium- und Queck­silberemissionen um mehr als zwei Drittel. Daher steht in der Regierungsvorlage, dass keine finanziellen Auswirkungen zu erwarten sind. Außerdem hat Österreich bereits durch ähnliche Abkommen Emissionsbilanzen und Berichtspflichten seit vielen Jahren erfüllt.

Allerdings möchte ich in diesem Zusammenhang erwähnen, dass für die Wirtschaft durch den Beitritt Österreichs zu diesem Protokoll sehr wohl zusätzliche Kosten entste­hen können. Diese Kosten sind jedoch leider nicht angeführt – dies möchte ich neben­bei erwähnen.

Durch den Beitritt Österreichs zu diesem Protokoll besteht allerdings auch die Chance, Alternativen in diesem Bereich zu finden, da der gegenseitige Informations- und Tech­no­logieaustausch auch vorgesehen ist.


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Ich möchte noch einmal erwähnen, dass wir große Verantwortung den Menschen und der Umwelt gegenüber haben. Das sorgsame Umgehen mit unserer Erde ist heute eine Notwendigkeit.

Abschließend möchte ich erwähnen, dass es wichtig ist, dass möglichst viele Staaten diesem Protokoll beitreten, weil alles, was die Umwelt anlangt, nur weltweit gelöst wer­den kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen.)

13.37

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Kal­tenbacher das Wort.

 


13.37

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wie bereits erwähnt wurde, wurde das Protokoll zu dem Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftraumverun­reini­gung unterzeichnet und wird jetzt letztendlich umgesetzt.

Ziel ist es – das wurde bereits von meiner Vorrednerin erwähnt –, Schwermetall­emis­sionen, die weiträumig grenzüberschreitend befördert werden, zu reduzieren.

Dieses Übereinkommen verpflichtet jede Vertragspartei, unverzüglich den Strategien und Programmen nach dem Protokoll nachzukommen, um einen wesentlichen Beitrag zur Verringerung dieser Emissionen zu leisten. Diese Schadstoffe kennen keine räum­lichen, natürlich aber auch keine künstlichen Grenzen und würden bei Nichtsetzung der entsprechenden Maßnahmen, die bereits erwähnt wurden, unsere Lebensqualität und die in der Zukunft wesentlich verschlechtern.

Österreich hat in diesem Bereich schon immer positive Vorarbeit geleistet und auch die entsprechenden alternativen Energieformen ins Spiel gebracht.

Wichtig ist es auch, die mittel- und osteuropäischen Staaten, die diesem Protokoll bei­getreten sind, an diesen unseren EU-Standard heranzuführen.

Unsere Fraktion wird diesem Beschluss gerne die Zustimmung erteilen. (Allgemeiner Beifall.)

13.39

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Kerschbaum das Wort. – Bitte.

 


13.39

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, auch wir freuen uns, dass dieses Protokoll jetzt endlich ratifiziert wird. Es ist immerhin eine Ab­sichtserklärung, die Emissionen in diesen Bereichen einzudämmen. Wir haben zwar gerade von Kollegin Giesinger gehört, dass all das schon passiert wäre, aber dann frage ich mich, warum es fünf Jahre gedauert hat, bis der Vertrag – vorher war er ja nur unterzeichnet – ratifiziert wird, also wofür wir die fünf Jahre gebraucht haben.

Ich denke, es sind schon noch ein paar Dinge umzusetzen. (Bundesrätin Giesinger: Es gibt andere Abkommen auch!) Ja, aber warum haben wir für die Ratifizierung die­ses Abkommens fünf Jahre gebraucht, wenn wir ohnehin schon alles gemacht haben? Das verstehe ich nicht ganz.

Ein paar Punkte, wo ich denke, da ist es mit der Umsetzung noch nicht so weit, wie wir es gerne hätten. Ein Punkt sind die Siedlungsabfälle. Es steht dezidiert drinnen, dass eine Reduktion der Schwermetallemissionen möglich ist, wenn weniger Siedlungs­ab-


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fälle verbrannt werden. Im Land Niederösterreich, aus dem ich komme, wird ab 2004 nur mehr Müll verbrannt, und zwar Restmüll, so wie in Wien, und nicht der Müll vorher aussortiert, der wirklich gut brennbar ist.

Ein zweiter Punkt, den wir heute ohnehin schon zur Genüge behandelt haben, aber ich muss ihn trotzdem anführen, ist der Verkehr. (Bundesrat Kritzinger: Ich kann mich erinnern, da waren die Grünen ganz gegen das Verbrennen!) – Ja, sind wir noch im­mer! Gegen das Verbrennen von Restmüll sind wir. Und wenn wir keinen Restmüll ver­brennen würden, dann könnten wir auch diese Emissionen eindämmen. Ich möchte den Müll vorher sortieren, bevor ich die Fraktion verbrenne ... (Bundesrat Kritzinger: Um 180 Grad gewendet!) Aber was passiert in Niederösterreich? Nicht das!

Ein zweiter Punkt ist also der Verkehr. Wie vorher erwähnt, gibt es da sehr viele Maß­nahmen, die wir von der EU fordern. Bei uns selber sehe ich diese Maßnahmen in dem Ausmaß nicht. Ich komme künftig auch aus einer Transitgegend, nämlich aus dem Bereich der Spange zwischen A 22 und S 1, zwei Autobahnen mit 70 000 beziehungs­weise 110 000 prognostizierten Fahrzeugen. Also ich kann auch beim Transit künftig umso mehr hier mitreden. Der Generalverkehrsplan sieht leider auch in Niederöster­reich in den nächsten fünf Jahren Investitionen von 5 Milliarden € nur für die Straße vor. Von der Schiene, wie der Herr Minister vorher erwähnt hat, sehe ich im Weinviertel nicht sehr viel. Meines Wissens ist es ja so, dass im Generalverkehrsplan zwar sehr viel für die Schiene drinnen steht, dass das aber nicht ausfinanziert ist und dass in diesen Summen auch die Instandhaltung enthalten ist. Das war jetzt ein bisschen noch zum anderen Thema.

Wir werden dieser Ratifizierung natürlich auch gerne zustimmen, würden uns aber wün­schen, dass in Zukunft solche Verträge ein bisschen schneller ratifiziert werden, denn dann könnten sie auch international vielleicht etwas schneller umgesetzt werden, und dass diese Umsetzung in Österreich auch ernst genommen wird. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Kraml. – Bundesrätin Giesinger: Das wird sie!)

13.42

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er weiters der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vor­liegenden Beschluss die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzei­chen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, die verfassungs­mäßi­ge Zustimmung zu erteilen, ist somit ebenfalls angenommen.

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG, den gegen­ständ­lichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Ein-


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spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der An­trag ist angenommen.

5. Punkt

Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2001 (Grüner Be­richt 2001) (III-240-BR/2002 d.B. sowie 6874/BR d.B.)

6. Punkt

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2003 gemäß § 9 LWG (III-241-BR/2002 d.B. sowie 6875/BR d.B.)

7. Punkt

Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2002 (Grüner Be­richt 2002) (III-250-BR/2003 d.B. sowie 6876/BR d.B.)

8. Punkt

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2004 gemäß § 9 LWG (III-251-BR/2003 d.B. sowie 6877/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 5 bis 8, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstattung über diese Punkte hat Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein übernommen. – Ich bitte ihn darum.

 


Berichterstatter Dr. Vincenz Liechtenstein: Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Die Berichte über die Tagesordnungspunkte 5 bis 8 liegen Ihnen vor, sodass ich nicht je­weils den gesamten Bericht verlesen muss.

Erstens: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft über den Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2001 (Grüner Bericht 2001).

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach der Beratung der Vorlage am 4. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Zweitens: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Was­serwirtschaft über den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2003 gemäß § 9 LWG.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach der Beratung der Vorlage am 4. November 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Drittens: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Was­ser­wirtschaft über den Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2002 (Grüner Bericht 2002).

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach der Beratung der Vorlage am 4. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.


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Viertens: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Was­serwirtschaft über den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2004 gemäß § 9 LWG.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach der Beratung der Vorlage am 4. November 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusam­men­gezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Ing. Gruber das Wort. – Bitte.

 


13.46

Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Herr Minister! Hoher Bundesrat! Wie wir schon mitbekommen haben, geht es um die Grünen Berichte 2001 und 2002. Vorweg ein Dankeschön von unserer Fraktion der §-7-Kommission, sprich: den Beamten, für das umfangreiche Nachschlagewerk und für die Empfehlungen an die Agrarpolitik.

Gerade eine längerfristige Planbarkeit ist für unsere bäuerlichen Familienbetriebe not­wendig, damit auch künftig die bäuerlichen Einkommen gesichert und der ländliche Raum in seiner Vielfalt erhalten werden kann. Die Zukunft unserer Familienbetriebe wur­de von den Agrarpolitikern – allen voran von unserem Landwirtschaftsminister Jo­sef Pröll – durch folgende Maßnahmen abgesichert: Aufrechterhaltung der Quoten­regelung für Milch bis 2015, Aufrechterhaltung der Interventionspreise auf bestehen­dem Niveau, Abschwächung der vollständigen Entkoppelung sowie Aufstockung der Mutterkuhquote um 50 000 Stück und schließlich und endlich – auch mein Stecken­pferd – der Agrardiesel durch die Steuerreform 2005, was heute auch der Bundeskanz­ler erwähnt hat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das sind Zukunftsperspektiven des Landwirtschafts­ministers zur Sicherstellung der multifunktionalen, flächendeckenden Landwirtschaft.

So, sehr geehrte Damen und Herren, jetzt erlauben Sie mir, ein paar Sätze über die Vergangenheit, nämlich über die Jahre 2001 und 2002, zu sprechen. Es werden ja die Nachredner meiner Fraktion, die auch alle sehr große Experten sind, dann auch noch dementsprechend berichten.

Die Grünen Berichte 2001 und 2002 bieten insgesamt ausführliche Informationen über die Produktions-, Markt- und Einkommensentwicklungen in der Land- und Forstwirt­schaft im Jahre 2001 und 2002 und ziehen Bilanz hinsichtlich der Auswirkungen der EU-Mitgliedschaft auf die Entwicklung des ländlichen Raumes.

Die Einkommenssituation der österreichischen Bauern hat sich im Jahr 2002 nach einem positiven Jahr 2001 rückläufig entwickelt. Die Einkünfte aus Land- und Forst­wirtschaft wiesen mit 21 389 € je Betrieb und 13 685 € je Familienarbeitskraft im Jahr 2002 im Bundesmittel einen Rückgang von 7 beziehungsweise von 6 Prozent gegen­über 2001 auf. Hauptursache für den Einkommensrückgang waren die starken Einkom­mens­einbußen bei Schweinen infolge der erheblich gesunkenen Erzeugerpreise ge­gen­über dem Vorjahr. Die Forstwirtschaft hatte auf Grund des gestiegenen Holzein­schlages bessere Erträge als 2001. Es sollte auch nicht in Vergessenheit geraten, dass das Jahr 2002 von regionalen Dürre- und enormen Hochwasserschäden geprägt war, die sich auch auf die Einkommenssituation der Land- und Forstwirte ausgewirkt haben.

Wie dem neuen Grünen Bericht weiters zu entnehmen ist, investierten die bäuerlichen Betriebe im Jahre 2002 insgesamt 6,8 Milliarden €, wovon der Industrie und dem Ge­werbe rund 3,5 Milliarden € zugute kamen. Förderungsgelder für die Land- und Forst-


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wirtschaft sichern, wie wir jetzt gehört haben, Arbeitsplätze im ländlichen Raum und lösen positive Impulse für die regionale Wirtschaftsstruktur aus. Diese Impulse für die Wirtschaft sind der Regierung Schüssel II ein wichtiges Anliegen, da es eine gesunde leistungsfreudige bäuerliche Landwirtschaft in einem funktionsfähigen ländlichen Raum zu erhalten gilt, wie unser Minister immer sagt.

Dies geschieht durch das ÖPUL-Programm. Mit dem Umweltprogramm, dem öster­reichi­schen Programm zur Förderung einer umweltgerechten extensiven und den na­tür­lichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft, wird eine umweltschonende Bewirt­schaftung der landwirtschaftlichen Flächen gefördert. Das Programm hat überdies zum Ziel, den Landwirten ein angemessenes Einkommen durch zusätzliche Leistungen, die abgegolten werden, zu sichern.

Weiters wurde 2002 ein Ökostromgesetz beschlossen, das verbesserte Einspeis­bedingungen vorsieht. Dadurch kann Strom aus Biomasse in Form von Photovoltaik­anlagen und Biogasanlagen erzeugt werden. Ein Meilenstein in der Umweltpolitik, sehr geehrte Damen und Herren! – Und – jetzt sind sie nicht hier – die Wiener Grünen stimmen dagegen! Sind die überhaupt noch zu retten? (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Grüne Bericht 2002 zeigt auch, dass wir in Österreich kein Problem der Überal­te­rung der Betriebsführer, wie es das in den meisten europäischen Ländern gibt, haben. Wir haben den niedrigsten Anteil der Betriebsinhaber im Alter von 55 Jahren, nämlich von 20,1 Prozent.

Weiters zeigt der Grüne Bericht die Wettersituation im Jahre 2002 auf, wie vorher schon erwähnt. 2002 war geprägt von Trockenperioden, von schwersten Hagelge­wit­tern und teils katastrophalen Niederschlagsereignissen.

Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Das will ja die linke Reichshälfte eigent­lich nie wahrhaben, aber wir haben halt einmal die „Werkstatt“ unter freiem Himmel. Gott sei Dank haben wir einen Minister, der etwas versteht, nicht so wie die Künast in Deutschland. Ich bedanke mich beim Herrn Minister vor allem auch für die zweite Dürreaktion 2003 und bei der §-7-Kommission für die Empfehlungen, die ich eingangs schon erwähnt habe.

Ich darf meine Empfehlungen auch abgeben. Unsere Fraktion wird den Grünen Be­richten sehr gerne zustimmen. Wir brauchen angesichts der Wetterkapriolen eine opti­male Dürreversicherung. Das geht aber nur so wie in Amerika, wo die Prämien zu 70 Prozent von der öffentlichen Hand bezahlt werden. Ich denke, wir Bauern in Öster­reich sind mit einem 50-prozentigen Zuschuss von Bund und Land sicherlich sehr zufrieden, Herr Minister. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Boden: Beim Eisenbahnzuschuss schreit ihr fest!)

Nachdem du „Eisenbahn“ gesagt hast, muss ich ausholen. Ich hätte sonst aufgehört, aber er hat „Eisenbahn“ gesagt. (Neuerliche Heiterkeit bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.) Der Verkehr über die Alpen hat sicherlich auch mit dem Grünen Bericht, mit der Land- und Forstwirtschaft etwas zu tun, und ich darf jetzt ein paar Sätze hin­zufügen. (Bundesrat Boden: Basistunnel brauchen wir, gell?)

Wir müssen, weil er „ÖBB“ gesagt hat, aus der ÖBB ein normales Unternehmen machen: weniger Geld für Pfründe, Privilegien und Frühpensionen, mehr Geld für die Bahn! Wann, wenn nicht jetzt? Jetzt müssen wir es machen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Hinter dem Dschungel der ÖBB-Sonderurlaube ... (Bun­desrat Boden: Jetzt kommst du in ein Gebiet hinein, wo du nichts verstehst! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Hören Sie zu! Hinter dem Dschungel der ÖBB-Sonderurlaube, sprich WUZ, Winterurlaubszuschlag, sprich FUZ, Feiertagszuschlag,


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sprich TUZ, Turnusdienstzuschlag, verbergen sich bis zu 11 zusätzliche Urlaubstage. (Zwischenruf des Bundesrates Stadler.) Das heißt – so etwas gibt es bei uns in der Landwirtschaft sicherlich nicht –: Urlaub verursacht Urlaub. Das ist einmalig in dieser Geschichte. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Boden: Das ist zum Ausgleich für den Winterurlaub der Bauern! – Weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Eines muss ich auch noch sagen, was ich sicherlich nicht gesagt hätte, aber jetzt ist der neue Kollege von Tirol hereingekommen: Die Pfründe der SPÖ-Bürgermeister und Par­teifunktionäre als Angestellte der Bahn – einer ist ja jetzt von Tirol zu uns neu dazugestoßen –, die müssen ein Ende haben!

Und zum Schluss darf ich noch sagen: Ihr sucht die Zukunft in der Vergangenheit, und wir haben Mut zur Veränderung, auch für den ländlichen Raum! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Stadler: Lächerlich! Lächerlich ist so etwas!)

13.56

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kraml. Ich erteile ihm das Wort.

 


13.57

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich mir jetzt den Herrn Kollegen Gruber so angehört habe, habe ich mir gedacht, die Beamten, die diesen Grünen Bericht angefertigt haben, sind eigentlich zu bedauern. In diesem Bericht stehen ernste Zahlen. In diesem Bericht wird die Situation der Landwirtschaft beschrieben. In dieser Debatte geht es nicht darum, dass wir uns hier herausstellen und sich zum Gaudium der Leute mit der ÖBB befassen, dass wir uns damit befassen, dass es angebliche Pfründe der SPÖ-Bürgermeister geben soll. Da würde ich Ihnen raten, einmal in den eigenen Reihen nachzuschauen, ob da alles so sauber ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber ich bin es ja schon gewönnt, ich stehe ja nicht das erste Mal hier am Rednerpult und auch nicht das erste Mal in einer Debatte über den Grünen Bericht, und ich weiß ja, wie die Vertreter des Österreichischen Bauernbundes agieren. Und genau das ist das Problem, das die Landwirtschaft hat, dass sich die Vertreter des Bauernbundes einfach nicht die Zeit nehmen, einmal nachzuschauen, wie es mit der Landwirtschaft wirklich ausschaut. Denn sich hier herauszustellen und nur lobende Worte zu sprechen und dem Landwirtschaftsminister zu huldigen, ob das jetzt der Bundesminister Pröll ist oder ob das vorher der Bundesminister Molterer war oder Fischler, das ist etwas zu wenig.

Schauen Sie in den Bericht hinein, lesen Sie auch einmal die Zahlen, die nicht so positiv sind, und denken Sie nach! (Bundesrat Fasching: Das machen eh Sie!) Ihre Leute, die Sie vertreten müssen, werden Ihnen das danken.

Es ist immer wieder so: Es ist einfach nicht möglich, zu einem Grünen Bericht etwas zu sagen, ohne dass es bei den Vertretern des Bauernbundes große Aufregung gibt. (Bundesrat Fasching: Geh bitte!) Horchen Sie mir einmal zu, denken Sie einmal nach, es kann Ihnen überhaupt nicht schaden!

Nun, meine Damen und Herren, zurück zum Grünen Bericht. Der Grüne Bericht schil­dert die Gesamtsituation der österreichischen Landwirtschaft, er ist wirklich ein kom­paktes Zahlenwerk. Und ich darf hier auch den Damen und Herren des Ministeriums für ihre Arbeit danken, die sie da immer wieder leisten. Wir werden diesen beiden Be­richten auch die Zustimmung geben.


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Den Berichten der Bundesregierung über die Maßnahmen für die Land- und Forst­wirtschaft werden wir aber nicht zustimmen, weil hier unserer Meinung nach die bis­herige Vorgangsweise nur fortgeschrieben wird, und das ist uns einfach zu wenig.

Noch ein Kritikpunkt: Es hat sich eingebürgert, dass die Grünen Berichte immer im Aus­schuss enderledigt werden. – Der Grüne Bericht ist ein Zahlenwerk, er sollte möglichst breit und möglichst öffentlich diskutiert werden und gehörte somit natürlich auch in den Nationalrat!

Meine Damen und Herren! Im Grünen Bericht 2002 gibt es mit Sicherheit auch positive Ansätze in der Landwirtschaft, die es weiter zu verfolgen gilt. Es gibt aber auch – und das habe ich bei den letzten Berichten auch immer wieder kritisiert – Bereiche, wo sich überhaupt nichts bewegt oder sich nur sehr langsam etwas ändert.

Insgesamt gesehen hat die österreichische Landwirtschaft eine sehr schwierige Zeit hinter sich – das wissen wir. Angefangen mit dem EU-Beitritt wird sich das mit der Erweiterung der EU fortsetzen, auch diese wird der Landwirtschaft Probleme bereiten. Sie wird unter Druck geraten, weil die Konkurrenz natürlich wesentlich stärker wird.

Meine Damen und Herren! Nachdem in den Jahren 2000 und 2001 die Einkommen aus der Land- und Forstwirtschaft sehr deutlich gestiegen sind, findet diese Einkom­menssteigerung im Jahr 2002 wiederum ein Ende. Wir verzeichnen bei den bäuer­lichen Betrieben ein Minus von 7 Prozent.

Ich habe mir im Grünen Bericht auch die Einkünfte in der Land- und Forstwirtschaft ein bisschen angesehen. Es sind 21 393 € je Betrieb und 13 685 € je Familienarbeitskraft; das hat auch Kollege Gruber schon angeführt. Im Jahr 2000 hat es beim Einkommen je Familienarbeitskraft noch eine Steigerung von 10 Prozent und im Jahr 2001 eine Steigerung von 18 Prozent gegeben. Der Einkommensrückgang im Jahr 2002 ist laut Grünem Bericht darauf zurückzuführen, dass die Erzeugerpreise bei den Schweinen stark gesunken sind.

Der Unternehmensaufwand ist je Betrieb um 3 Prozent gestiegen, und auch die öffent­lichen Gelder sind um 3 Prozent auf 15 495 € je Betrieb gestiegen. Die öffentlichen Gelder machen jetzt 22 Prozent des Unternehmensertrages beziehungsweise 72 Pro­zent der Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft aus.

Meine Damen und Herren! Wenn man sich die Einkommen nach den Betriebsformen anschaut, so muss man sagen, es sind die Veredelungsbetriebe, die die größten Ein­kommenseinbußen hinnehmen mussten, nämlich ein Minus von 29 Prozent. In den Jahren 2000 und 2001 hat es dort, glaube ich, Steigerungen gegeben.

Die Marktfruchtbetriebe hatten im Jahr 2002 das weitaus höchste Einkommen mit 20 047 € je Familienarbeitskraft, gefolgt von den Veredelungsbetrieben. An letzter Stelle in der Einkommensskala stehen die Futterbaubetriebe mit knapp mehr als der Hälfte vom Einkommen der Marktfruchtbetriebe, an die 57 Prozent, habe ich dem Grü­nen Bericht entnommen.

Die Biobetriebe weisen im Vergleich zum Durchschnitt ein günstigeres Verhältnis zwi­schen Unternehmensaufwand und Unternehmensertrag aus.

Die Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft je Familienarbeitskraft waren bei den Bergbauernbetrieben mit 12 714 € um 1 Prozent niedriger als im Vorjahr. Wenn man die Einkommen je Familienarbeitskraft vergleicht, so schaut das dann so aus: Im Ver­gleich zum Nichtbergbauernbetrieb sind es 86 Prozent, und im Vergleich zu den Markt­fruchtbetrieben in den Gunstlagen sind es nur mehr 63 Prozent. Ein Bergbauernbetrieb mit extremer Erschwernis in der Zone oder Gruppe 4, wie das jetzt heißt, kann über-


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haupt nur noch die Hälfte des Einkommens eines Betriebes in Gunstlage erwirt­schaf­ten.

Dazu kommt auch noch, dass es, um dieses Einkommen überhaupt zu erreichen, ei­nes wesentlich höheren Arbeitsaufwandes bedarf. Das schaut dann so aus, dass in der Erschwernisgruppe 4 je Hektar reduzierte landwirtschaftliche Nutzfläche 30,5 Tage erforderlich sind, und bei den Nichtbergbauern sind das dann nur mehr 17,2 Arbeits­tage.

Meine Damen und Herren! Der Anteil der öffentlichen Gelder am Einkommen im Durch­schnitt aller Betriebe stieg von 66 Prozent im Jahr 2001 auf 72 Prozent im Jahr 2002. Bei den Marktfruchtbetrieben machten die öffentlichen Gelder bereits 90 Prozent aus. Laut Grünem Bericht 2002 weisen die Marktfruchtbetriebe nicht nur insgesamt wesentlich höhere Förderungen aus als die Bergbauernbetriebe und die Biobetriebe, sie haben auch noch wesentlich höhere Förderungen aus dem Umwelt­pro­gramm erhalten.

Meine Damen und Herren! Nimmt man die von der AMA direkt an die Betriebe aus­bezahlten Förderungen als Basis für die Vergleiche, so ergibt sich folgendes Bild:

Vor allem auf Grund der Aufstockung der Rinderprämien und der höheren ÖPUL-Zah­lungen stiegen die gesamten Direktzahlungen um 52 Millionen € auf insgesamt 1,5 Mil­liarden € an. Während 33 Prozent der Betriebe im unteren Förderbereich im Durch­schnitt rund 1 598 € je Betrieb erhielten, lukrierten 2,3 Prozent der Betriebe, die sich am oberen Ende befinden, im Durchschnitt 56 170 € je Betrieb. – Das hat meiner Mei­nung nach mit Förderungsgerechtigkeit schon weniger zu tun.

Meine Damen und Herren! 53 Prozent der insgesamt geförderten Betriebe erhielten zusammen nur 17 Prozent der Fördergelder, hingegen kamen 423 Betriebe in den Ge­nuss von jeweils 72 673 € – das ist rund 1 Million Schilling – an Direktzahlungen.

Meine Damen und Herren! Wenn man die Lage der österreichischen Landwirtschaft diskutiert, dann kommt man, ob man will oder nicht, einfach zum derzeitigen Förde­rungssystem. – Da gibt es ein altes Sprichwort: Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu! Und dieses Sprichwort passt auch im Zusammenhang mit dem Fördersystem der öster­reichischen Landwirtschaft. Ich weiß, dass das der Minister nicht gerne hört, das hat auch Minister Molterer nicht gerne gehört, wenn ich es ihm gesagt habe, aber es war einfach so, und es hat sich bis jetzt auch nichts Grundlegendes geändert.

Genau durch dieses Fördersystem werden die Einkommensunterschiede immer größer. Ich glaube, dass das Fördersystem dahin gehend umgestellt werden muss (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber), dass auch die Arbeitskraft bezahlt wird, dass es nicht nur nach der Fläche und nach der Kopfzahl der Tiere geht, sondern dass auch der Aufwand abgegolten wird. Ich denke, das ist man den kleineren bäuer­lichen Betrieben einfach schuldig.

Meine Damen und Herren! Wir haben es im Landwirtschaftsbereich mit Konsumen­tinnen und Konsumenten zu tun. Das heißt, es muss Vertrauen geschaffen werden, es braucht Vertrauen. Die Verbraucher müssen wissen, wie zum Beispiel die Tiere gehalten werden, sie müssen wissen, wie die Tiere gefüttert werden. Man hört ja, dass es auch im Bereich Tierfütterung immer wieder zu Skandalen kommt. Ich weiß schon, dass das einige schwarze Schafe sind, im Großen und Ganzen wird hier sicher ordent­lich gearbeitet. Aber es ist einfach wichtig, dass der Konsument weiß, womit er es zu tun hat, welche Qualität er von unserer Land- und Forstwirtschaft erwarten kann.

Es wird in der Landwirtschaft zu Strukturveränderungen kommen müssen; das ist ganz klar. Wenn ich zum Beispiel nur an die Gemeinden meines Bezirkes Rohrbach denke: Viele Gemeinden haben jetzt bei der Neuauflage der Flächenwidmungspläne Auffors-


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tungsverbote erlassen müssen, weil sonst Siedlungsgebiete zugewachsen wären. Das heißt, wir wissen, dass sehr viele kleine Landwirte ihre Betriebe einfach nicht mehr weiterführen, aber wir brauchen in den Gemeinden auch die entsprechende Struktur zum Beispiel für den Fremdenverkehr. Wir haben nichts davon, wenn wir von Wald umschlossen sind. Da werden nur einige wenige Touristen kommen, denn der Großteil von ihnen sucht schöne gepflegte Gebiete, um sich dort zu erholen. Ich glaube, das ist ein wichtiger Bereich, den man auch in Zukunft beachten muss.

Meine Damen und Herren! Der Biobereich, habe ich gesehen, ist leicht angestiegen. Er ist, glaube ich, im Jahr 2001 leicht gefallen, jetzt gibt es eine kleine Steigerung. Wenn ich mich recht entsinne, so werden jetzt 11 Prozent der österreichischen Land­wirt­schaftsfläche von Biobauern betrieben. 11 Prozent sind ja im Vergleich zu anderen Ländern keine schlechte Zahl, das muss man ganz offen sagen, aber es könnte sich vielleicht doch auch ein bisschen mehr bewegen in diesem Bereich.

Meine Damen und Herren! Abschließend: Die Land- und Forstwirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Auf lange Sicht ist meiner Meinung nach nur eine um­weltorientierte Landwirtschaft sinnvoll. Dazu bedarf es unter anderem auch verbes­serter Rahmenbedingungen und eines gerechteren Förderungssystems, wie ich bereits angeführt habe. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.10

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

 


14.11

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Kollegen und Kolleginnen! Wir haben jetzt ein gewichtiges Kapitel zu be­handeln. Es besteht aus vier Teilbereichen: aus dem Bericht über die Lage der öster­reichischen Landwirtschaft 2001, dem Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2003 – kommt mir ein bisschen überholt vor, daran können wir nichts mehr ändern –, aus dem Bericht über die Lage der österrei­chischen Landwirtschaft 2002 und dem Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2004.

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Der Grüne Bericht ist, so wie jedes Jahr, ein unge­heuer gutes Nachschlagewerk insbesondere für Landwirte und Forstwirte, natürlich aber auch für jene, die sich politisch mit diesem Thema auseinander setzen wollen, aber auch für Journalisten und für Fachleute in den verschiedensten Universitäts­rich­tungen. Diesmal besteht er aus 352 Seiten und geht sehr ausführlich auf die wirtschaft­liche und soziale Lage der österreichischen Land- und Forstwirtschaft ein.

Die Einkommensentwicklung der Grünlandbauern wird, so glaube ich, aus Tiroler Sicht eher kritisiert, weil diese wieder das Schlusslicht sind – stimmt doch, oder?, na eben, Sie geben mir Recht, das habe ich gern! – und weil es Unterschiede zwischen Berg­bauern und anderen Landwirten gibt. Vermutlich liegt das an der Ungerechtigkeit des Fördersystems. 500 Betriebe werden mehr als 73 000 € an Direktzahlungen erhalten, die anderen bekommen eben um das weniger. Der Faktor Arbeit findet noch immer zu wenig Berücksichtigung in diesem Fördersystem.

Nun kann man zu den Äußerungen sagen, dass die Großbetriebe viel Förderung be­kommen. Das hat auch eine sehr gute Begründung: Die Agrarreform 1990 hat dazu geführt, dass die Großbetriebe ziemlich viel an Einkommen verloren haben, und dazu­gekommen ist nichts mehr als ausgleichende – möchte ich fast sagen – historische Gerechtigkeit. Wir werden natürlich niemals eine Einigung darüber erzielen, was ge­recht und was ungerecht ist, aber es liegt mir fern, diese Vorgangsweise im Groben zu


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kritisieren. Im Einzelnen gibt es sicherlich Punkte, die verbesserungswürdig sind. Wie ich den Herrn Bundesminister und sein Team kenne, bin ich davon überzeugt, dass erkennbare Schwachstellen auch verbessert werden können. Deshalb reden wir ja auch über diesen Bericht: um darzustellen, dass das eine oder andere verbessert wer­den kann.

Es wird in manchen Bereichen auch behauptet, dass die Rahmenbedingungen für Bio­betriebe schlechter würden. Nun: Es muss der Markt für Biobetriebe da sein, und wenn der Markt für Biobetriebe in jenem Ausmaß vorhanden ist, in welchem Leute gerne Biobauern wären, dann würden sich wahrscheinlich auch die Rahmenbedingungen für die Biobauern verbessern. Aber nur Biobauern zu fördern, ohne den Markt dafür zu haben, wäre ein Hinauswerfen der öffentlichen Gelder.

Es wird Kritik geübt – nicht im Bericht, aber in der Diskussion um den Bericht – über die Milchkontingente. Es hat sogar mein Freund Scheuch intern Kritik an den Kon­tingenten geübt. Es geht immerhin um rund 500 Millionen Schilling – ich betone: Schil­ling und nicht Euro, das wäre ein bisschen zu viel –, und da wird man noch darüber diskutieren müssen, wie man zu einer besseren Lösung kommt.

Das Problem bei der Landwirtschaft sind sicherlich auch die neuen Beitrittsländer, die sehr unterschiedliche Standards im Tierschutz, im Tiertransport, im Lebensmittelrecht und in der Gentechnologie oder Gentechnik aufweisen. Wenn man sich diese neuen Beitrittsländer anschaut, dann kommt man darauf, dass ein Großteil davon – ich habe das heute schon bei anderer Berichterstattung erwähnt – Probleme mit der Land­wirt­schaft hat. Polen hat Probleme, Malta hat in der Landwirtschaft Probleme, Lettland hat Probleme, Ungarn, die Slowakei, die Tschechische Republik und Zypern. Das sind sie­ben Länder, die große Probleme bei der Umsetzung der Vorgaben der EU haben, gerade eben im Bereich der Landwirtschaft. Ich meine, das ist für uns ein Problem: Soll man sie aufnehmen oder nicht? – Das muss man offen sagen. Es geht ja nicht nur um die Landwirtschaft, sie haben auch andere Probleme.

Wenn die Familienbetriebe im Jahr 2002 eine nicht ganz zufrieden stellende Einkom­mensentwicklung aufwiesen, nämlich ein Minus von 6 Prozent, befriedigt es nicht, wenn man hört, dass dies unter dem EU-Schnitt liegt, also dass wir besser sind als der EU-Schnitt. Die Vergleiche mit Schlechteren sind unbefriedigend. Mich freuen mehr Ver­gleiche mit solchen, die fast so gut sind wie wir, aber nicht besser sind als wir. Das wäre ein besserer Vergleich. – Ich bin der Meinung, der Herr Bundesminister schließt sich dieser meiner Meinung auch an und ist bemüht, dass wir zu den Besten zählen und nicht zu den weniger Guten.

Kritik wird daran geübt, dass die GAP-Reform 2005 noch nicht eingebaut ist. Dazu kann man sagen: Sie beginnt eben 2005! Wir können für 2004 noch keine Strategien einbauen, was die Gemeinsame Agrarpolitik anlangt.

Die Förderungen im ländlichen Raum sind im Grunde genommen sehr positiv zu beur­teilen, sie treffen nämlich nicht nur rein landwirtschaftliche Projekte, sondern die Dorf­erneu­erung, Diversifizierungsmaßnahmen und Kooperationen mit dem Gewerbe. Dafür wird viel Geld ausgegeben, und das macht sich, so hoffen wir, im ländlichen Raum bemerkbar. (Präsident Ager übernimmt wieder den Vorsitz.)

Dass in der Gegend im Waldviertel, aus der ich komme, die Abwanderung bemerkbar ist, ist unbestritten. Wahrscheinlich kennt weder der Minister noch sonst jemand das Mittel dagegen, das dafür sorgt, dass die Abwanderungen aus dem ländlichen Raum nicht stattfinden. Tatsache ist, dass es sehr viele Häuslbauer in den Gemeinden auf dem Land gibt, aber trotzdem weniger Bewohner. Das sind eben Personen, die sich einen Zweitwohnsitz bauen, meistens aus dem ländlichen Raum stammen, aber Arbeit


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anderswo finden, weil nur noch rund 5 Prozent der österreichischen Bevölkerung – ein bisschen weniger – im landwirtschaftlichen Bereich tätig sind.

Ich hoffe sehr, und das hoffen wahrscheinlich alle hier im Raum und im gesamten Hohen Haus, dass das Bundestierschutzgesetz demnächst in Begutachtung geht und es zu einer einheitlichen österreichischen Regelung kommt. Wenn das Bundes­tier­schutzgesetz eine bundeseinheitliche Regelung verwirklicht, dann hat es das Pflege­gesetz, welches Menschen betrifft, geschlagen, denn es gibt in Österreich sieben bun­desländerspezifische Pflegegesetze, und in Wien werden die Pflegebedürftigen nach dem Beherbergungsgesetz untergebracht. – Also die Landwirtschaft ist in der Lage, uns Menschen etwas vorzugeben, was wir bei der Menschenpflege noch nicht zustan­de gebracht haben. Es wäre wahrscheinlich zweckmäßig, dass wir uns im Hohen Haus auch damit einmal beschäftigen.

Erfreulich ist, dass es eine finanzielle Unterstützung für dürregeschädigte Landwirte gibt, die von den einzelnen Bundesländern verdoppelt wird. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt, denn gerade heuer gibt es in der Landwirtschaft überall ungeheure Trockenschäden; auch bei den Forstwirten hat die Borkenkäfereinwirkung – ich weiß das aus meinem persönlichen Bereich, das gibt es überall im Waldviertel, aber wahr­scheinlich auch in anderen Gegenden, wo heuer starke Trockenheit herrschte – un­geheure Schäden hinterlassen.

Bei der Milchquotenverteilung möchte ich noch einmal auf die Kritik meines Freundes Scheuch zurückkommen – und das soll nicht verschwiegen werden, denn Kritik ist grund­sätzlich als positiv zu sehen –, der beanstandet, dass nur jene Landwirte Kon­tingente zugeteilt bekommen, welche in den letzten zwei Jahren investiert haben. Es ist nicht ganz einsichtig, warum die Milchkontingente nur so verteilt werden und nicht auch andere, die jetzt investieren wollen oder gerade eben dazugestoßen sind, in den Ge­nuss von Subventionen kommen können.

Eine Frage für die Landwirte, die wichtig zu sein scheint, betrifft eine Brüsseler Verord­nung, die uns das Austria-Gütezeichen untersagt. Ich habe bis jetzt noch nicht begrif­fen, was daran EU-widrig ist, wenn man sein eigenes Produkt, welches eine gute Qua­lität hat, mit einem „A“ markiert. (Bundesrätin Kerschbaum: Wenn es kein eigenes Pro­dukt ...!) Von mir aus soll der Schwede „S“ draufschreiben, damit jeder weiß, dass es ein schwedisches Produkt ist. Ich bin in den Brüsseler Katakomben sicherlich zu wenig firm, aber es müsste doch möglich sein, dass man das „A“ für Austria als Qua­litätszeichen beibehält. Es muss möglich sein, dass österreichische Produkte anders aussehen als ähnliche ausländische Produkte.

Ich bitte den Herrn Bundesminister, sich für dieses „A“ – das haben wir heute schon einmal gehört, es war aber unpassend; beim Verkehrsminister haben wir gesagt, er solle sich auf die Schienen werfen – auch auf die Schiene zu werfen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Manfred Gruber: Dann haben wir wieder eine Regierungsumbildung!)

14.22

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Schennach zu Wort ge­meldet. Ich erteile ihm dieses.

 


14.23

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich schließe mich Herrn John Gudenus in einer Sache voll an: Kompliment an Ihre Beamten, die diese Berichte erarbeitet haben. Das sind zwei ganz hervorragende Berichte, die hier vorgelegt werden. Ich hoffe, Sie leiten das auch weiter.


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Auch Ihnen gebührt natürlich ein kleines Kompliment, denn diesen vorzulegen und als Minister zu vertreten heißt, einen Bericht zu vertreten, der ein Sammelsurium von Proble­men, die es heute in der Landwirtschaft gibt, darstellt. Wenn man heute nachse­hen will, was die Probleme der österreichischen Landwirtschaft sind, dann gibt es dazu wahrscheinlich kein besseres Werk als diesen Grünen Bericht. Insofern werden wir diesen Berichten natürlich zustimmen.

Die Berichte beinhalten im Wesentlichen sechs Bereiche – Herr Kollege Kraml hat schon darauf hingewiesen –: Landwirtschaft umfasst natürlich auch Konsumenten und Konsumentinnen, das heißt Produzenten und Produzentinnen, die Frage des Tier­schut­zes, die Frage des Umweltschutzes, des Handels und der Vermarktungsstruktu­ren und letztlich auch der Raumordnung.

Herr Minister! Sie sind zwar erst kurz im Amt, aber bei einem Punkt Ihres Maßnah­menplanes können wir nicht mit, denn hier fehlt jegliche ... (Zwischenruf des Bun­desrates Ing. Klamt.) – Herr Kollege Klamt! Da fehlt jegliche Strategie. Man hat ein bisschen das Gefühl, die Agrarreform ist so eine Art Topsecret-Geschichte, denn die Umsetzung der Agrarreform – was geschieht mit der Milch ab 2004, was geschieht mit dem Rest ab 2005? – ist aus dem Maßnahmenplan nicht erkennbar. Gerade der Maß­nahmenplan, da setzt unsere Kritik an, ist offensichtlich eine jährliche Abschreibe­übung, vorgesehen in § 9 des Landwirtschaftsgesetzes – und so wird es gemacht. Aber welches Konzept, welche Planung, welche Vorbereitung gibt es? Über den Maß­nahmenplan sollte ja diskutiert werden, aber wenn er nicht einmal rudimentär erkenn­bar ist, dann, muss ich sagen, ist der Maßnahmenplan eine Art Minderleistung.

Gehen wir aber zurück zum Grünen Bericht! Ich möchte nur einige Aspekte beleuch­ten: Das eine betrifft die Produzenten-, in diesem Fall möchte ich sagen: Produ­zentinnenseite. Es ist nämlich spannend, dass wir eigentlich immer weniger über den „Bauernstand“, sondern langsam immer mehr über den „Bäuerinnenstand“ reden müs­sen. Immer mehr Frauen werden Betriebsleiterinnen. Dieses Faktum hat aber noch keine Entsprechung im Bereich der Förderung gefunden. Dem, was wir heute mit Gen­der Mainstreaming bezeichnen, genau diesem Umstand, dass eigentlich immer mehr Bäuerinnen die Betriebe leiten und das Förderungswesen daher auch ganz frauen­spezifische Ansätze haben müsste, wird noch nicht nachgekommen.

Es kommt aber auch klar heraus, dass Frauen in der Landwirtschaft ... (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Das Kindergeld zum Beispiel war eine ...!) – Für die Bäuerinnen war das sicherlich eine sehr sinnvolle Sache! – Klar ist aber auch, dass es nach wie vor soziale und regionalpolitische Benachteiligung gibt. Der Satz, über den man sich manchmal so lustig macht, nämlich dass die Bauern keine Bäuerinnen mehr finden, ist allerdings bitterernst, das ist eine Realität. (Zwischenruf der Bundesrätin Fröhlich.) – Frau Kollegin Fröhlich, die ja aus demselben Heimatbundesland ist wie ich, weiß, dass in unseren Berggemeinden die Bauern verzweifelt nach Bäuerinnen suchen. Diese soziale Frage, nämlich die Frage der Arbeitsgestaltung oder, was im bäuerlichen Bereich dazukommt, die der Generationsplanung, ist einfach schwierig, auch jene der auf Grund fehlender Familien höheren Arbeitsbelastung.

Wenn man das wiederum auf den Umstand umrechnet, dass immer mehr Frauen Betriebsleiterinnen werden, so wiegen diese Probleme im sozialen Bereich natürlich doppelt schwer. Ich würde mir künftig auch bei den Landwirtschaftsdebatten einen Zu­gang über soziale Aspekte wünschen. Wir Grüne haben – und ich stehe dazu, es war immer wichtig – auch einen Zugang über Ökologisierung, über den Tierschutz gehabt. Ich glaube, wir werden uns der Landwirtschaft künftig verstärkt auch über die soziale Frage nähern und das sehr offen diskutieren müssen.


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Nun zu einem anderen Bereich, den ich schon angeschnitten habe: Für uns ist natür­lich die Frage, wie es in der gesamten Ökologisierung und in unserer Biobauern­land­wirt­schaft weitergeht, wichtig. Da müssen wir feststellen, dass bei den Belastungen durch Pestizide und Nitrate kaum Verbesserungen sichtbar sind. Es hat sich wenig bewegt. Viele Biobauern steigen aus. Sie steigen deswegen aus, weil wir ihnen nicht die Möglichkeit geben, einen Biozuschlag zu machen, denn teurere Futtermittel, teure­re Tierhaltung müssen sich ja auf der anderen Seite irgendwo auch rechnen! (Bun­desrat Ing. Franz Gruber: Weil die Konsumenten zu wenig Bioprodukte kaufen!) – Ja! Und warum kaufen die Konsumenten so wenig Bioprodukte, lieber Herr Kollege?

Damit kommen wir jetzt wieder zu Herrn Minister Pröll: Wo bleibt denn die Biomar­keting-Offensive? Wo bleibt sie? Das können die Biobäuerinnen und -bauern nicht selber machen! Dazu bedarf es nämlich jener Strategie – und von der Regierungsbank wurde ja immer wieder gesagt, wir wollen der Feinkostladen Europas werden ... (Rufe bei der ÖVP: Sind wir ja!) Wir sind es in vielen Bereichen, aber um die Reduktion der Zahl der Biobauern hintanzuhalten, bedarf es genau jener Unterstützung, zu der sich Minister Pröll heute vielleicht eindeutig erklärt, nämlich Hilfen im Marketingbereich.

Es würde mich übrigens auch interessieren, wie Sie, Herr Minister Pröll, zur von mir an­geschnittenen Frage Gender Mainstreaming stehen, nur falls Sie sich eine kleine Notiz machen wollen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Habe ich schon!) – Haben Sie schon gemacht! Super, wunderbar!

Nun zu den Empfehlungen der §-7-Kommission. Ich wollte diesen Punkt heraus­strei­chen, weil die §-7-Kommission, sozialpartnerschaftlich zusammengesetzt, immer wie­der sehr gute Empfehlungen gibt und Beschlüsse fasst. Allerdings, Herr Minister, und damit sind wir wieder bei den Maßnahmen, also bei dieser von mir bereits erwähnten Minderleistung, ist es so, dass sich da zuerst die Leute zusammensetzen und zum Beispiel finden, dass in den Bereichen Saatgut und Gentechnik bestimmte Maß­nah­men zu setzen sind, aber dann geschieht nichts!

Das Nächste ist, dass das, was dort einstimmig beschlossen wurde, erstens – auch von Ihrem Vorgänger – kaum umgesetzt wurde und zweitens – und das ist für die Län­derkammer natürlich schon interessant – von Bundesland zu Bundesland ... (Bundes­rätin Dr. Kanovsky-Wintermann ist im Begriff, den Saal zu verlassen.) – Frau Kollegin Wintermann, ich wollte jetzt eigentlich Kärnten loben. (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Win­termann: Ja bitte, dann bleibe ich natürlich da!) So etwas wie das Kärntner Gen­technik-Vorsorgegesetz vermissen wir in anderen Bundesländern, es ist ein hervorra­gendes Gesetz!

Auch Oberösterreich, Salzburg und das Burgenland sind aktiv, aber, Herr Kollege Kritzinger, die Öde, die Tristesse herrscht leider in Tirol, denn gerade in Tirol tut sich im Bereich der Gentechnologie, in all diesen Bereichen wie Reinheitsgebot und Saatgut nichts! Da schlafen einige. (Zwischenruf des Bundesrates Kritzinger.) – Sie haben einen Mitschläfer, nämlich die Steiermark. Wenn man sich anschaut, wer nichts tut, dann muss man fragen: Was ist los mit Tirol? Was ist los mit der Steiermark?

Gerade in der Steiermark hat der Landtag Maßnahmen im Bereich Gentechnik-Saat­gut, Reinheitsgebot beschlossen – aber es geschieht nichts, es geschieht nichts in der Steiermark! (Bundesrat Kritzinger: Man will nicht das ..., was die Amerikaner tun!) Deshalb wäre es wichtig, dass ein starker Minister wie Herr Minister Pröll sagt: Macht einmal das, was Kärnten, Oberösterreich und Salzburg im Bereich der Gentechnik gemacht haben! – Bitte, akkordieren wir diese Maßnahmen endlich österreichweit, sodass auch die Konsumenten und Konsumentinnen, die Sie angesprochen haben, hier die Sicherheit haben, dass die Produkte, die Sie hier vom Bodensee bis zum Neu­siedler See haben, hier in einer ähnlichen Qualitätsgarantie und mit einem ähnlichen


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Standard auch gemacht ... (Bundesrat Kritzinger: ... übrigens ganz gegen Genfor­schung!) – Genforschung ist sehr wichtig für die Medizin! (Bundesrat Kritzinger: ... wa­ren die Grünen ganz dagegen!) – Es geht um den industriellen Einsatz der Gen­technologie und nicht um die Genforschung, Herr Kollege! In der Medizin ist die Genforschung wichtig, und da sollten wir uns auch ganz vorne positionieren.

Herr Minister! Bei der länderübergreifenden Arbeitsgruppe, die Sie eingerichtet haben, gehört einmal Klarheit geschaffen, auch gegenüber den Ländern, da sich die einzelnen Ländervertreter und -vertreterinnen eigentlich nicht klar darüber sind, welches Mandat sie darin haben. Es droht die Gefahr, dass diese Arbeitsgruppe mangels Kenntnis ihres Mandats beziehungsweise mangels Umsetzung eine von jenen Arbeitsgruppen ist, de­ren wir schon viele kennen. Ihre Ergebnisse wären wichtig, damit der Maßnah­men­plan, das Maßnahmenpaket, das dann 2004 für 2005 vorgelegt wird und hoffentlich wesent­lich konkreter und effizienter ist, diesen Namen tatsächlich auch verdient – was das gegenwärtige, heute hier zu diskutierende Paket nicht tut.

In diesem Sinne, Herr Minister, noch einmal ein Kompliment für Ihr Haus, was die Er­stellung des Grünen Berichtes betrifft, aber auch unsere eindeutige und klare Kritik an diesem „Geheimplan“, an dieser „Topsecret-Action“ Agrarischer Maßnahmen-Katalog, den wir aus diesem Grunde a) nicht sehen und den es deshalb b) auch schwer fällt zu diskutieren. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.35

 


Präsident Hans Ager: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll. – Bitte, Herr Minister.

 


14.35

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Grüne Bericht 2001 sowie der Grüne Bericht 2002 sind angesprochen. Viele andere agrarpolitische Themen, auf die ich ebenfalls eingehen will, sind diskutiert worden.

Zur Frage Grüner Bericht 2001 und 2002 möchte ich nur überblicksmäßig ein paar Zahlen nennen, damit wir auch wissen, auf welcher Basis wir die zukünftigen Ent­wick­lungen in der Land- und Forstwirtschaft in Österreich zu diskutieren haben. Wir haben 2001 eine sehr erfreuliche Entwicklung gehabt: plus 17 Prozent beim Einkommen für den Durchschnittsbetrieb, plus 18 Prozent für die Familienarbeitskraft, zurückzuführen auf eine sehr gute Marktsituation im Schweine- und Geflügelbereich, in der Milch, also im Veredelungsbereich. Wir haben die Endproduktion auf 6,74 Milliarden €, auf ein Plus von 4 Prozent steigern können.

2002 – und das ist eine Entwicklung, die uns natürlich nicht freut – weist der Bericht im Bereich der Familienarbeitskraft ein Minus von 6 Prozent aus, auf betrieblicher Ebene ein Minus von 7 Prozent. Ich möchte mich an dieser Stelle auch ganz ausdrücklich bei meinen Beamten im Ressort bedanken, die diesen Bericht erstellt haben. Ohne ihre hervorragende Arbeit könnten wir heute nicht auf Basis dieser knapp über 360 Seiten so im Detail diskutieren, ihnen gebührt mein besonderer Dank. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP, der SPÖ, der Freiheitlichen und der Grünen.)

Was mich noch besonders freut, was 2002 gelungen ist, sind zwei Tatsachen: erstens die Entwicklung, dass wir im bergbäuerlichen Bereich bei weitem geringere Probleme in der Einkommensentwicklung haben, nämlich nur minus 1 Prozent im Grün­land­be­reich, aber in der größten Erschwerniszone, nämlich in der Bergbauernzone IV, im Ge­gen­satz zu minus 6 und minus 7 im Durchschnitt 2 Prozent zulegen konnten. Das heißt, wir haben entgegen dem oftmals vorgebrachten Vorwurf, Gunstlage und Un-


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gunst­lage entwickelten sich auseinander, die Schere erstmals substantiell schließen können: plus 2 Prozent bei den Einkommen in der Bergbauernzone 4, Gott sei Dank; minus 6 bis minus 7, in manchen Bereichen, in der Veredelung, in der intensiven, gibt es sogar ein noch größeres Minus. Wir haben also diese Einkommensschere erstmals substantiell schließen können!

Und noch ein zweiter Vergleich in der österreichischen Agrarpolitik kann uns sicher machen, nämlich der Vergleich der österreichischen mit den europäischen Zahlen; wo­bei in den Zahlen der Europäischen Union die Forstwirtschaft nicht enthalten ist, also nur die landwirtschaftliche Entwicklung wird verglichen: Die Europäische Union weist 2002 im Schnitt ein Minus von 3,8 Prozent aus; wir liegen im Schnitt bei minus 3,7 Pro­zent, Dänemark: minus 25 Prozent, und Deutschland – ein oftmals und gern heran­gezogener Vergleichspartner –: minus 20 Prozent, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Daraus ersehen Sie, wie wichtig es ist, die richtigen politischen Entscheidungen zu fällen, um Antworten auf die wichtigen Herausforderungen im Bereich der Landwirt­schaft, der Politik für den ländlichen Raum zu geben. Das ersehen Sie an diesen Daten. Deutschland, von den Gegebenheiten und von der Bewirtschaftungsbasis her ähnlich strukturiert, minus 20, Österreich minus 3,7 – daran können Sie erkennen, dass wir auch im Jahr 2002 die richtigen Antworten zur richtigen Zeit gegeben haben.

Was die Frauen im ländlichen Raum, Gender Mainstreaming betrifft, sage ich Ihnen ganz offen: Auch ich bin froh darüber, dass erstmals im Grünen Bericht der Frau, dem Stellenwert der Frau und ihrer Bedeutung – Sie haben das angesprochen, es gibt zu­nehmend Betriebsführerinnen in den landwirtschaftlichen Betrieben – großer Raum gewidmet ist, nämlich ein großes Kapitel. Wir haben zu diesem Thema im Land­wirt­schaftsausschuss gemeinsam einen Vier-Parteien-Entschließungsantrag erarbeiten können, er wurde, wie ich glaube, auch beschlossen. Ich glaube, dass genau das der Bedeutung der Bäuerin, der Frau im ländlichen Raum allgemein entgegenkommt, ich halte das für eine gute Basis, um in Zukunft auch hier entsprechend zu wirken.

Ich möchte auch ein bisschen auf die aktuellen Entwicklungen eingehen: Was erwartet uns 2003? – Wir mussten vor allem durch die extrem schwierige Situation im Bereich der Dürre handeln, und das haben wir auch getan. Das unterstreicht einmal mehr die Notwendigkeit von schnellen politischen Entscheidungen. 3 Millionen € wurden be­reits im Sommer seitens des Bundes zur Verfügung gestellt, dazu kommen mindestens 3 Millionen € von den Ländern für eine Futtermittelankaufsaktion, damit es diesen Win­ter nicht auf Grund von Futterknappheit zu Abstockungsverkäufen bei Rindern kommt, wodurch der Marktdruck enorm stark wäre. Das ist uns gelungen: 6 Millionen €.

Wir haben in den letzten Wochen gesehen, dass die Bäuerinnen und Bauern in der Frage der Betriebsmittelbeschaffung und der Zahlung von offenen Krediten oftmals mit dem Rücken zur Wand stehen. Daher haben wir die offenen Kredite gestundet und stellen für eine neue Betriebsmittelkreditaktion – Gewährung eines dreijährigen Kre­dites mit dreijähriger Laufzeit und 3,5 Prozent Zinsenzuschuss – 4 Millionen € seitens des Bundes und 4 Millionen € seitens der Länder, also 8 Millionen €, zusätzlich zur Ver­fügung. Sie sehen auch hier: Es ist ein massives Problem angefallen, wir haben es schnell erkannt und schnell gelöst. – Das ist die Ansage, weil wir damit auch genau jenen helfen können, die in ihrer Existenz substantiell bedroht sind.

Sehr geehrter Herr Bundesrat Schennach! Was die Frage der Entwicklung des biologi­schen Landbaus betrifft, muss ich Ihnen leider – oder eigentlich sehr gerne – wider­sprechen. (Bundesrat Schennach: Ja, bitte!) Sie haben davon gesprochen, dass wir Biobauern verlieren würden. Ich muss Ihnen aus heutiger Sicht sagen: Wir kennen die Zahlen des Jahres 2003, und es stimmt, dass wir in manchen Grünlandgebieten Ver-


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luste gehabt haben. Wir konnten aber von 18 500 Biobetrieben im Jahr 2002 auf 19 800 im Jahr 2003 aufstocken. – Das ist ein substantieller Zugewinn! (Bundesrat Schen­nach: Wir waren schon bei 22 000!)

Obwohl wir in Europa schon Spitzenreiter sind, legen wir zu. Das bedeutet für das Umweltprogramm ÖPUL Mehrkosten in der Höhe von 10 Millionen €. Das heißt, wir geben im Jahr 2003 für 19 800 Betriebe – das ist eine Steigerung um 1 300 – um 10 Millionen € mehr nur für den Biolandbau aus, meine sehr geehrten Damen und Herren! – Das ist der richtige Ansatz. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie sehen aus diesen Daten auch, dass das Anreizsystem – das agrarpolitische System, Umweltprogramm ÖPUL – funktioniert. Sie haben als zweites Element das En­ga­gement in der Biovermarktung angesprochen. Ich werde gemäß dem Bioaktions­programm gemeinsam mit den Bioverbänden natürlich auch mehr für das Marketing und die Vermarktung zur Verfügung stellen. – Das haben wir auch schon getan. Ich durfte vor kurzem in der Kaiserstraße mit einem Kollegen, nämlich dem Bezirks­vor­steher des 7. Bezirks, einen großen Biosupermarkt eröffnen. (Bundesrat Schennach: Na bitte!)

Ich bin auch persönlich in dieser Sache unterwegs, um „Bio“ vor den Vorhang zu bitten, sage aber auch ganz offen, dass wir in Österreich ein Lebensmittelmodell haben, das der Antworten seitens der Konsumenten bedarf. Wir produzieren auf gesetzlichen Stan­dards konventionell klar und deutlich sichere Nahrungsmittel. Für manche Pro­dukte bieten wir Gütezeichenproduktion – Sie haben das ja bereits in der Diskussion erwähnt –: AMA-Gütezeichenbetriebe und andere, die Zusatzqualifikationen für die Produktion heranziehen. – Und wir haben „Bio“.

Wir haben politisch mit dem ÖPUL und mit anderen Elementen die Antwort in der Förderung der einzelnen Teile gegeben, aber jetzt ist der Konsument am Zug. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Konsument wird selbst über die Mengenströme entscheiden, und umso größer oder kleiner wird das jeweilige Segment sein. – Das muss man ganz klar und deutlich sagen. Diese Verantwortung kann dem Konsu­men­ten niemand abnehmen. Ich werde den einzelnen Sektoren auch eine Basis für die Vermarktung mit Anreizsystemen zur Verfügung stellen – keine Frage! –, aber ich glaube, wir haben politisch sehr viel und genug eingesetzt und sind damit auf dem richtigen Weg. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch noch kurz auf die Gen­technikdebatte eingehen, die uns in den nächsten Wochen und Monaten im Rahmen der Europäischen Union intensiv beschäftigen wird. Sie haben Bundesländer­maß­nahmen angesprochen. Gerade am Beispiel Oberösterreich sehen Sie – ich sage das hier ganz offen –, was passiert, wenn eine Positionierung zu früh erfolgt: Man verliert die Auseinandersetzung rechtlich und steht dann mit weniger da als zu Beginn.

Deshalb werde ich auch im Rahmen des Agrarministerrates diese Position weiterhin ganz klar einnehmen. Ich möchte europäisch einheitliche Regelungen. Für die Frage der Rückverfolgbarkeit und der Kennzeichnung haben wir sie; für die Frage der Ko­existenz, wie Bio- und konventionelle Betriebe einerseits und andererseits GMOs – veränderte Pflanzen – zukünftig nebeneinander überhaupt existieren können, möchte ich EU-einheitliche Regelungen haben. Das hat absolute Priorität. Warum? – Wenn wir europäisch die Rückverfolgbarkeit und die Kennzeichnung regeln können, nicht aber die Koexistenz – die Frage, wie das Nebeneinander funktioniert und wie man Vermi­schungen hintanhalten kann –, weil sie die heikelste Frage ist, und wenn wir damit verbunden die Haftungsfrage nicht europäisch regeln wollen, dann verstehe ich das nicht.


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Es ist mein Wunsch, dass in Europa überall gleiche Spielregeln gelten. Wenn das nicht der Fall ist und wir in dieser schwierigen Diskussion in der Minderheit bleiben, dann haben wir national zu handeln, und dann werde ich natürlich auch mit den Bundes­ländern über Modelle nachdenken. Sie kennen zum Beispiel das Kärntner Modell in der Idee und in der Ausprägung. Es gibt unterschiedliche Gedankenansätze und eine Ar­beits­gruppe, die aus meiner Sicht sehr gut läuft, und wir werden gerüstet sein, auch in der Frage der Gentechnik zur richtigen Zeit die richtigen Antworten zu geben.

Sie kennen meine persönliche Haltung zu diesem Thema, die etwas reserviert ist, weil wir in Österreich auf extensive, naturnahe Landwirtschaft gesetzt haben und die Gen­technik in ihrer jetzigen Anwendung landwirtschaftlich eigentlich induziert, mehr auf Pestizide und auf Dünger setzen zu können. Daher ist auch die Philosophie dieser GMOs momentan nicht die unsere.

Ich sage aber nicht, dass es in der Frage der nachwachsenden Energie nicht in 15 Jahren eine andere Diskussion im Bereich der Gentechnik geben wird. Man sollte klar aufzeigen, wo die Gefahren, die Probleme und die Antworten liegen, aber nicht alle Türen auf ewig und immer schließen. – Auch das muss man ganz klar und deutlich sagen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Drei große Herausforderungen kommen auf die österreichische Landwirtschaft zu. Ich bin froh, dass wir mit dem Datenmaterial, dem Grünen Bericht, auch eine Basis für die politische Bewertung und auch Beurtei­lung der Zukunft haben.

Sie haben im Zusammenhang mit dem Maßnahmenkatalog angesprochen, warum 2005 die GAP-Reform nicht enthalten ist. Das sei topsecret – unter Verschluss – dis­kutiert worden. Da dürfte Ihnen ein wesentlicher Faktor entgangen sein: Wir haben im Landwirtschaftsausschuss des Parlaments einen Unterausschuss zur Reform der gemeinsamen Agrarpolitik eingerichtet, in dem vergangenen Dienstag alle Fraktionen sehr intensiv beraten haben. – Transparenter geht es gar nicht mehr, als einen Pro­zess im Parlament mit einem eigenen Unterausschuss zu begleiten und die GAP-Reform transparent und offen zu diskutieren! (Bundesrat Schennach: Aber im Maß­nahmenkatalog ist nichts enthalten! Im Maßnahmenkatalog steht nichts drinnen!)

In den nächsten Wochen werden wir deshalb im Ministerium mit den Experten der Inter­essenvertretungen die technische Umsetzung genau diskutieren. Es ist im Bereich Entkoppelung, Modulation und neue Systeme der Agrarpolitik natürlich eine Reihe von Fragen offen. Die Bäuerinnen und Bauern sind verunsichert. Wir werden die Antworten aber zu Beginn des nächsten Jahres geben können und die Reform mit 1. Jänner 2005 umsetzen.

Zweiter Punkt: Die Erweiterung der Europäischen Union am 1. Mai des kommenden Jahres ist für die Landwirtschaft eine besondere Herausforderung, da völlig andere Struk­turen in der Konkurrenzsituation auf uns zukommen, aber auch hier sind wir gerüstet. Ich bin derzeit in Form einer Exportoffensive dabei, diese neuen Mitglieds­länder zu besuchen, weil ich so wie in der Frage „Bio“ und Absatz von biologischen Nah­rungsmitteln davon überzeugt bin, dass über die Märkte der österreichischen Landwirtschaft beim Konsumenten entschieden wird. Die 100 Millionen Konsumenten rund um Wien – vor unserer Haustür in den neuen Mitgliedsländern – sind für uns ein potentieller, kaufkräftiger Markt, um den wir uns kümmern müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Sinne zeigen der Grüne Be­richt 2001 und der Grüne Bericht 2002 auf, was wir erreicht und welche Erfolge wir er­zielt haben. Auch über die sollten wir sprechen. Er macht aber auch sichtbar, wo es noch Nachbesserungen geben sollte und auf welcher Basis wir politische Ent­schei-


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dungen zu treffen haben. In diesem Sinne glaube ich, dass sich dieses Werk sehen lassen kann und uns auf dem zukunftsträchtigen Weg in eine gute Zukunft für Land­wirtschaft, Forstwirtschaft und den ländlichen Raum begleiten kann. Ich danke noch einmal ausdrücklich meinen Leuten, die dafür verantwortlich sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.49

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Haller. – Bitte.

 


14.49

Bundesrat Ing. Hermann Haller (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte einige Gedanken über die Lage der Landwirtschaft und die Berichte der Bundesregierung darüber kundtun. Das Agrareinkommen ist, wie wir bereits gehört haben, im Jahr 2001 leicht ange­stie­gen und 2002 wieder um 6 Prozent real zurückgegangen. Gründe hiefür waren ein­deutig niedrige Erzeugerpreise. Der Anteil der Land- und Forstwirtschaft am Brutto­inlandsprodukt bleibt erfreulicherweise mit 1,4 Prozent gleich.

Zu Herrn Bundesrat Kraml und Herrn Bundesrat Schennach möchte ich sagen, dass ich ihnen natürlich teilweise Recht gebe und dass meiner Meinung nach bei Gott nicht alles in Ordnung ist. Wir freuen uns jedenfalls, dass alle vier Fraktionen die Probleme der Landwirtschaft sehen. Wir sind auf keinen Fall mit Feuer und Flamme der Meinung, dass alles in Ordnung ist – nur um das festzustellen.

Wir können einfach nicht zu Weltmarktpreisen produzieren, weil es in Österreich – wie wir alle wissen – ganz andere Umwelt- und Sozialstandards gibt. Daher brauchen wir leider weiterhin unsere Ausgleichszahlungen.

Im Sinne der Zielsetzungen der EU-Agrarpolitik und des Landwirtschaftsgesetzes ste­hen ergänzende Maßnahmen zum Marktordnungsbereich an, der uns große Probleme und Schwierigkeiten bereitet, weil wir da einfach – wie es auch der Grüne Bericht zeigt – weltweit nicht mitkönnen. Wir haben aber weitere Zielsetzungen: die Einkom­mensverbesserung für die bäuerliche Familie, verstärkte umweltorientierte Agrarpro­duktion, Sicherung der multifunktionalen Landwirtschaft – was meiner Meinung nach sehr wichtig ist – und offensive Politik für benachteiligte Gebiete und das Berggebiet. Neu dazu kommt die Exportoffensive, deren sich die österreichische Landwirtschaft wirklich voll annehmen will. Wir alle wollen eine konsequente Umsetzung des öster­reichischen Programms für die ländliche Entwicklung.

Ich möchte auch festhalten, dass wir uns sehr bemühen, für die Konsumenten Nah­rungsmittelsicherheit sicherzustellen, und zwar mittels Bereitstellung qualitativ hoch­wer­tiger Ernährungsgüter und eventuell – wie heute schon erwähnt – durch bio­logische Landwirtschaft. Heute sind es 20 000 Betriebe mit fast 300 000 Hektar. – Ich glaube, da ist Österreich führend, und darauf können wir stolz sein. Der Konsument legt jedoch die Latte: Wenn nicht mehr gebraucht wird, können wir nicht mehr in diese Richtung unternehmen.

Die Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft und die Artenvielfalt sind auch für die Landwirtschaft ein großes Problem und Anliegen. Hohe Priorität hat auch eine sehr gute Grundwasserqualität, wie durch die Wassercharta gezeigt wurde.

Mit der Errichtung der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit zur Wahrung des Schutzes von Menschen, Tieren und Pflanzen wurde ein wichtiger Meilenstein für die Verbraucherpolitik gesetzt, aber auch die Bereitstellung von Förderungsgeldern ist ein wichtiger Beitrag für die Sicherung unserer flächendeckenden Landwirtschaft und für die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen.


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In den vor- und nachgelagerten Bereichen der Landwirtschaft gibt es immer noch 450 000 Arbeitsplätze. Meine Damen und Herren! Die Landwirtschaft schafft in sehr dünn besiedelten Teilen Österreichs 450 000 Arbeitsplätze! Das ist meiner Meinung nach ein föderalistischer Auftrag: Wir erhalten damit Natur. Wir sind nicht so sehr für die Verkehrsströme, wenn Österreich einfach dicht besiedelt bewirtschaftet wird.

Die österreichische Landwirtschaft ist sich ihrer Multifunktionalität bewusst. Dies bewei­sen auch das ÖPUL-Programm und die vermehrten Anstrengungen, Öko-Energie aus landwirtschaftlichen Rohstoffen zu gewinnen.

Für die Landwirtschaft stehen aber weitere schwierige Themen vor der Tür: die Umset­zung der gemeinsamen Agrarreform, wie es Herr Minister Pröll schon angekündigt hat, die WTO-Verhandlungen, in denen leider eine weitere Liberalisierung der Landwirt­schaft vorangetrieben wird, das Bundes-Tierschutzgesetz, die Harmonisierung der Pen­sionsversicherungssysteme, die uns auch große Schwierigkeiten machen wird, die Steuerreform, der Finanzausgleich – da ist sehr wichtig, dass für Bund, Länder, Städte und ländlichen Raum Nutznießungen abfallen –, aber vor allem die Erweiterung der Union mit Mai 2004.

Bei der Marktordnung unterliegen wir leider einem großen Druck. Die Agrarstrukturen in der EU sind total unterschiedlich. In Italien gibt es zum Beispiel 2 Millionen Betriebe, die Durchschnittsgröße liegt aber bei sechs Hektar. Im Gegensatz dazu gibt es in Großbritannien 230 000 Betriebe mit einer Durchschnittsgröße von 68 Hektar. Ähnlich ist es beim Viehbesatz, der in Holland sehr groß ist, während in Österreich wirklich ge­schaut wird, dass es auf die Fläche gerechnet nicht zu viel Belastung gibt. Die Produktionspreise steigen aber laufend, und die Marktpreise stagnieren. Wir versuchen mit vielen Selbsthilfeorganisationen, diese Spanne zu verkleinern. Die Maschinenringe bieten beispielsweise äußerst große und wirksame Hilfestellungen zur Kostensenkung in unserer klein strukturierten Landwirtschaft.

Abschließend möchte ich noch Folgendes festhalten: Es ist unübersehbar, dass es eine Mehrheit für strukturelle Veränderungen in Österreich gibt. Ein Übergang von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft ist eindeutig nachvollziehbar. Mit dieser Entwicklung und einer meiner Meinung nach unnötigen Liberalisierung tun sich natür­lich Klein- und Mittelbetriebe – und in diesen Bereich fällt die österreichische Land­wirtschaft – sehr schwer.

Ich meine aber, Österreich hat unglaublich fleißige und präzise Arbeiter und auch Selbständige. Wenn man dazu noch bedenkt, dass Bildung wichtig ist, dann kann man zwar von keiner rosigen, aber doch von einer bewältigbaren Zukunft sprechen. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.55

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wiesen­egg. – Bitte.

 


14.55

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sage das ganz bewusst, weil ich einen großen Wert auf politische Kultur lege: Herr Kollege Gruber! Ich will auf Ihren Angriff, ich sei ein „ÖBB-Bürgermeister“ und „SPÖ-Funktionär“ gar nicht eingehen. Hätten Sie sich bei der Kollegin Fröhlich informiert, dann hätten Sie diese Aussage, was meine Person betrifft, nicht getroffen. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen einige Stunden Nachhilfe in meiner Person zu geben.

Meine Person ist nämlich das schlechteste Beispiel eines „ÖBB-Bürgermeisters“ – wie Sie es nennen –, weil ich im positiven Sinne derjenige bin, der zum Beispiel in seiner


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Funktion als Bürgermeister und Gewerkschafter der Eisenbahner eine einwandfreie Regelung mit den Österreichischen Bundesbahnen getroffen hat. Herr Kollege! An­dern­falls hätte es schon längst in diesem Hause und im Nationalrat eine Dringliche Anfrage über den Bürgermeister Wiesenegg von Reutte gegeben. Das war nicht der Fall, daher lesen Sie bitte nach, aber ich bin gerne bereit, Ihnen das zu erklären. Ich komme daher zurück zum Anfang und sage, ich lege großen Wert auf die politische Kultur.

Geschätzte Damen und Herren! Herr Präsident! Ich darf mich vorweg für die herzliche Aufnahme hier im Bundesrat besonders bei dir, bei der Direktion und den Mitarbeitern bedanken und vielleicht gleich am Beginn festhalten, dass ich die Aufgabe eines Bun­desrates oder einer Bundesrätin als eine sehr wertvolle betrachte und – vielleicht im Gegensatz zu anderen – dazu beitragen möchte, den Bundesrat in der Öffentlichkeit so darzustellen, dass er seiner Rolle gerecht wird und somit in der Bevölkerung auch rich­tig verstanden wird. Gerade als Bürgermeister einer der größten Gemeinden Tirols habe ich die Möglichkeit dazu.

Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Somit bin ich stolz, heute meine so ge­nannte Jungfernrede – also meine erste Rede in diesem Hohen Hause – halten zu dürfen, obwohl ich dies 1968 als junger Funktionär schon einmal tun durfte. Noch dazu darf ich diese Rede zu einem Tagesordnungspunkt und zu einem Thema halten, das besonders unser Bundesland Tirol, aber auch die Steiermark und exponierte Lagen unserer Bundesländer betrifft und im Weiteren auch unsere Bergbauern in entlegenen Tälern, aber auch in den Zentralräumen bewegt und unmittelbar berührt. Herr Minister! Jede diesbezügliche gesetzliche Maßnahme zieht nachhaltige Folgen gerade für unse­re Bergbauern nach sich.

Umso mehr ist es mir ein wirkliches Anliegen, die Gemeinsamkeiten zwischen dem Grünen Bericht und den Vor- und Nachteilen im Bereich der Forst- und Landwirtschaft nochmals einzubringen.

Geschätzte Damen und Herren! Somit ist also festzuhalten, dass die Einkommen – das wurde mehrmals angeschnitten – aus Land- und Forstwirtschaft und damit die Basis für das Betreiben von landwirtschaftlichen Einheiten gesunken sind, die öffentlichen Gel­der für die Landwirtschaft hingegen deutlich gestiegen sind. Ich sage das ganz be­wusst und deutlich, hier ergibt sich ein Bild, das unsere Bauern gar nicht wollen. Sie wollen nämlich ihren Ertrag selbst erwirtschaften, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gibt. Dafür verschlechtern sich jedoch von Tag zu Tag die Rahmenbedingungen für die Forst- und Landwirtschaft allgemein, wie wir auch im Grünen Bericht feststellen.

Einige von mir hier dargestellte Punkte möchte ich Ihnen, geschätzte Abgeordnete, mit auf den Weg geben, die mit Sicherheit für die Betrachtungen, die in nächster Zeit an­laufen, wertvoll sein können.

Meine geschätzten Damen und Herren! Allein die Luft- und Umweltverschmutzung drän­gen die Forst- und Landwirtschaft in unserer transitgeplagten Region an die Wand, und wir können somit die unmittelbaren Öko-Umstellungen, von denen der Herr Minis­ter gesprochen hat, und die damit verbundene Vermarktung nicht ohne Abschläge um­setzen.

Geschätzter Herr Minister! Der ständige Verkauf von Anteilen der Bundesforste, also des Tafelsilbers der Land- und Forstwirtschaft, und die Absiedelung – um das auch in aller Deutlichkeit zu sagen – von Bundesforst-Dienststellen aus dem ländlichen Raum verursachen gerade bei unseren Nebenerwerbsbauern hohe Einkommensverluste, weil in den meisten Fällen dadurch für die Bauern der Nebenerwerb bei den Bundesforsten nachweislich verloren gegangen ist.


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Geschätzte Damen und Herren! Aber auch das Fehlen von Bundesmitteln im Bereich der Lawinen- und Wildbachverbauung beziehungsweise das Streichen dieser bringt – und ich weiß, wovon ich rede! – große Probleme bei der produzierenden Land­wirt­schaft gerade in unserem Gebiet, wenn durch das Nichtsetzen von Verbauungsmaß­nahmen die ohnehin kargen Nutzflächen geschädigt werden und mit hohem Aufwand wieder rekultiviert werden müssen.

Abgesehen von den Verbauungsversäumnissen des Bundes wegen Geldmangels be­trifft dies nicht nur – ich komme noch dazu, wo das ist, Herr Minister – die Land­wirtschaft und den Tourismus, sondern in einem hohen Ausmaß auch die Wirtschaft. Ich spreche hier nur die Metallwerke Plansee an, die auf Grund gestrichener finan­zieller Mittel zur Verbauung des Archbaches große Schwierigkeiten in ihrer Produktion haben.

Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Diesbezüglich werde ich mit Sicher­heit auch in diesem Hause den Finger in die Wunde legen, und ich werde der Aufforderung von Sektionschef Stalzer, der Ihnen sicher bekannt ist, vom Lebens­mittelministerium folgen und für die notwendigen Maßnahmen auch die erforderlichen Mittel, geschätzter Herr Minister, einfordern, weil es hier um unsere Land- und Forst­wirtschaft, aber auch um unseren Tourismus geht, der heute in der Debatte komplett untergegangen ist, der aber jenes Geld bringen soll oder muss, wie Sie wissen, das schlussendlich auch zur Förderung der Lebensqualität und zur Sicherung des Über­lebens unserer Bauern und somit von uns allen dient.

In diesem Sinne, geschätzte Damen und Herren, ist zusätzlich der Weiterbestand – und diesbezüglich deckt sich meine Ansicht mit der Ihrigen – der Direktzahlungen für unsere umweltgerechte Landwirtschaft und damit das Wechselspiel von Tourismus und Landwirtschaft abzusichern. Darum bitte ich.

Neben dem Preisdruck – und das wissen Sie – sind die Verschärfung der rechtlichen Vorschriften, aber auch die oft unverständlichen Hygienevorschriften und Umweltaufla­gen gerade bei unseren Kleinstbetrieben Faktoren, die unseren Bauern das Zusperren geradezu aufzwingen. Gesetzliche Regelungen mit Augenmaß wären hier aus meiner Sicht die Zielvorgabe. So finde ich zum Beispiel, dass bei der artgerechten Tierhaltung, um auf Kollegen Schennach einzugehen, das Punktesystem des so genannten Tierge­rechtheitsindex Anwendung finden sollte, was sich ja bei den Biobauern sehr bewährt hat.

Falls jedoch – und hier müssen die Bauernvertreter, Herr Gruber, aufschreien – Vor­schriften erlassen werden, die Stallumbauten zu kostspieligen Abenteuern machen, werden wir in diesem Hause bald keinen Grünen Bericht mehr zu diskutieren haben, weil uns dazu nämlich die wichtigen Akteure der Landwirtschaft fehlen werden. (Vize­präsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Geschätzte Damen und Herren! Ich darf abschließend von dieser Stelle aus die Hoff­nung zum Ausdruck bringen, dass es im Bereich der Land- und Forstwirtschaft und der Wildbach- und Lawinenverbauung doch von allen Seiten Bewegung gibt. Und damit ist mir um die Zukunft des ländlichen Raumes nicht bange. – Ich danke für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.03

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Fasching. – Bitte.

 


15.04

Bundesrat Paul Fasching (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon interessant,


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wenn man die Opposition hier am Rednerpult hört, gerade wenn es um den Grünen Bericht oder um die Maßnahmen für die Zukunft geht.

Wissen Sie, warum ich hier eigentlich gegrübelt habe? – Wenn ich mir die Wahler­gebnisse ansehe, in erster Linie das Wahlergebnis vom 24. November – und es gibt hiezu ja Analysen, und bei diesen Analysen stellt man fest, dass 95 Prozent der öster­reichischen Bäuerinnen und Bauern die Volkspartei gewählt haben (Ruf bei der SPÖ: Das sind aber nur 3 Prozent der Bevölkerung!) –, dann ist mir klar, dass die Redner der Opposition nur so zum Grünen Bericht reden können.

Und wenn ich mir dann, meine Damen und Herren, die Wahlen zu den einzelnen Inter­essenvertretungen ansehe, speziell zur Landwirtschaftskammer, Herr Kollege – ich wende mich jetzt an meinen Vorredner –, speziell auch in Tirol, und feststelle, dass da die Volkspartei und der Bauernbund schon fast in allen Ländern die 90-Prozent-Grenze erreichen, dann frage ich mich, ob diese Agrarpolitik nicht in Ordnung ist, ob diese Rah­menbedingungen nicht ordentlich gesetzt wurden.

Vieles haben wir als Bauern schon selbst dazu beizutragen, und das möchte ich Ihnen, vor allem den Sozialdemokraten, auch gerne ins Stammbuch schreiben. Es zeigt sich gerade in meinem Bezirk – das darf ich hier mitteilen, und darauf bin ich auch sehr stolz –, dass es mir erstmals bei Landwirtschaftskammer-Wahlen gelungen ist, dass die SPÖ seit 25 Jahren kein Mandat in der Landwirtschaftskammer mehr hat. (Bun­desrat Manfred Gruber: Und du glaubst, das ist gut, oder?) Das möchte ich mit Klar­heit und Deutlichkeit herausstreichen. Das heißt, dass die Politik, die wir gemacht ha­ben, von unseren Bäuerinnen und Bauern auch anerkannt wird, meine Herrschaften. (Bundesrat Manfred Gruber: Die habt ihr alle unter Druck!) – Das möchte ich Ihnen gerne ins Stammbuch schreiben. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Manfred Gruber: Wenn man alle unter Druck hat, dann ist es so! Dann hat man 100 Prozent!)

Es ist so viel über die positive Einkommensentwicklung der letzten Jahre, vor allem der Jahre 2000 und 2001, gesprochen worden. Laut dem vorliegenden Ergebnis – der Herr Minister hat es klar gesagt – ist natürlich das Einkommen im Jahr 2002 etwas geringer ausgefallen. Ich darf aber auch hier eines hinzufügen, meine Damen und Herren – und das möchte ich unbedingt auch dem Kollegen Gruber sagen; das sagen wir auch ehr­lich und aufrichtig, wir waren auch Partner bis zum Jahr 2000 –: Das Einkommen der Landwirtschaft ist trotzdem seit dem EU-Beitritt um 13 Prozent gestiegen! – Ich glaube, das ist ein Erfolg, auf den man hinweisen kann. Es waren gute Rahmenbedingungen vorhanden, sodass das Einkommen für die Agrarwirtschaft in dieser Form steigen konnte. Das ist, glaube ich, ein wichtiger und entscheidender Punkt.

Meine Damen und Herren! Genauso geht es uns bei der biologischen Landwirtschaft. Wir haben in der biologischen Landwirtschaft steigende Zahlen (Bundesrat Manfred Gruber: Herr Kollege, die Mercedes werden immer größer!), darf ich Ihnen nur sagen. Ich nenne Ihnen auch zu den Großbetrieben einige Zahlen.

Meine Damen und Herren! Gerade in der biologischen Landwirtschaft können wir auf sehr gute Wirtschaftsweisen hinweisen, aber auch auf gute Rahmenbedingungen. Be­den­ken Sie, dass das Aktionsprogramm für die biologische Landwirtschaft, das erstellt wurde, sehr viel Positives beinhaltet. Die Zahl der Biobetriebe ist wieder gestiegen, die Biofläche nimmt zu, der Bioumsatz legt weiter zu. Die biologische Landwirtschaft wird immer bekannter, sowohl bei den Konsumenten, bei den Landwirten, beim Handel, bei den Schulen, aber auch bereits in den Kindergärten. Aufbauend auf diese Ergebnisse hat das Bundesministerium das Bio-Aktionsprogramm 2003/2004 veröffentlicht. Darin sind entscheidende Punkte auch für die Zukunft enthalten. Dafür sind wir dir, Herr Minister, sehr zu Dank verpflichtet! (Beifall bei der ÖVP.)


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Gerade in jenen Bereichen, wo Bildung, Beratung, Vermarktung, Forschung, Kontrolle, Öffentlichkeitsarbeit und die Förderung eines Bio-Kompetenzzentrums enthalten sind, gibt es positive Ansätze zu dieser Maßnahme. Ein besonders bedeutender Schwer­punkt scheint mir die Entwicklung des Bio-Kompetenzzentrums „Bio Austria“ zu sein. Alle drei Dachverbände Österreichs sollen in diesem Kompetenzzentrum zusammen­geführt werden.

Diese sind sich einig, dass die Bündelung der Kompetenzen ein Gebot der Stunde und ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Konkurrenzfähigkeit sind. Die wesentlichen Ge­schäftsfelder dieser österreichischen Biozentrale sollen sein: die Qualitätssteigerung unter Einbindung der Biokontrollstellen, die Bündelung der Interessen, die Öffentlich­keitsarbeit in Koordination mit der AMA und die Koordination der Beratung und For­schung in Abstimmung mit Wissenschaft und Landwirtschaftskammern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Weil an den Herrn Minister auch immer wie­der leise der Vorwurf kommt: Es könnten ja auch mehr sein!, darf ich daran er­innern: Auch in der Landwirtschaft gibt es so etwas wie den Markt, den wir nicht außer Kraft setzen können! Auch in der Landwirtschaft gibt es so etwas wie Wettbewerb! Letzt­endlich entscheidet der Konsument mit seinem täglichen Kaufverhalten, wie die Land­wirtschaft aussieht – nicht nur die Agrarpolitik alleine. Das, meine sehr verehrten Herren Kraml und Schennach, ist ein entscheidender Punkt.

Zur Frage der immer wieder von den Sozialdemokraten angezogenen so genannten Großlandwirtschaft (Bundesrat Manfred Gruber: Industriellen Landwirtschaft!) im Folgenden einige Zahlen: In Österreich sind 1,3 Prozent aller Betriebe größer als 100 Hek­tar, in Deutschland sind es 4,2 Prozent und in Großbritannien 16,5 Prozent der Betriebe. Wir haben sehr viele gute kleinstrukturierte Betriebe, die natürlich auch ihre eigene Innovation einsetzen müssen, um in Zukunft bestehen zu können.

Was diese Innovation betrifft, so bin ich sehr dankbar, dass wir hier vor allem sehr viele Frauen in der Landwirtschaft haben. Die gesellschaftlichen und politischen Verände­rungen der letzten Jahrzehnte haben für die Frauen verstärkt neue Wahlmöglichkeiten in ihren individuellen Lebensplanungen und Ausrichtungen ergeben, meine Damen und Herren.

Diese Veränderungen, die neue Chancen und Perspektiven, aber auch Risken in sich bergen, wirken sich auch im landwirtschaftlichen Bereich verstärkt aus. Im Zuge des EU-Beitritts Österreichs haben sich die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft verändert und somit vielfach auch die Arbeitsbereiche der Frauen. Auf den Betrieben wurden vielfältige Produktionszweige entwickelt oder der Weg der Spezialisierung ge­gangen – neue Aufgabenfelder also, wo Frauen sehr stark involviert sind. Auch die Verwaltungsarbeit im Zuge der Antragstellung für die Direktzahlungen wird in vielen Fällen von den Frauen geleistet. Um diese vielfältigen Aufgaben bewältigen zu können, sind betriebswirtschaftliche, unternehmerische Kenntnisse sowie die Fähigkeit zur Ko­ordinierung auf einem landwirtschaftlichen Betrieb gefragt. Hier nenne ich nur zwei Din­ge: BFU und INTERREG. Gerade hier sind die Frauen verstärkt eingesetzt und bringen sich wesentlich stärker ein als in den letzten Jahren.

Die Bäuerin als Betriebsführerin: Gerade in Österreich sind die Frauen bereits bei mehr als einem Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe Betriebsführerinnen. Ich freue mich natürlich ganz besonders, dass mein Bundesland, das Burgenland, die zweite Position in Österreich einnimmt. Ich zeige es Ihnen gerne (der Redner hält eine Graphik in die Höhe): An der Spitze liegt Oberösterreich mit 51 Prozent, und das Burgenland liegt gemein­sam mit Salzburg mit jeweils 46 Prozent an zweiter Position. – Ich glaube, das ist Beweis genug. Besonders erfreut bin ich darüber, dass im gesamten ostöster­reichischen Bereich, im Burgenland im Besonderen, gerade mein Bezirk, der Bezirk


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Eisenstadt, mit 51 Prozent der Betriebsführerinnen an der Spitze liegt. Sie sehen, dass es im gesamten ostösterreichischen Bereich nur zwei Bezirke gibt, Scheibbs und Eisen­stadt, wo bereits mehr als 50 Prozent der Frauen Betriebsführer sind. Das zeigt, ebenso wie auch die Agrarstrukturerhebung, die erhebliche Zahl an Betriebsleiterinnen, die sich auch in den Anträgen für die diversen Maßnahmen, die für die land- und forst­wirtschaftliche Förderung gesetzt werden, niederschlägt.

Wichtig sind die Frauen für das Bestehen der landwirtschaftlichen Betriebe und für die Aufrechterhaltung und Dynamisierung des ländlichen Raumes in Österreich. Für die Zukunft gilt es, Bäuerinnen und Frauen in ländlichen Regionen dahin gehend zu unter­stützen, dass sie ihre Potentiale entfalten können und dass vor allem auch Barrieren abgebaut werden, die eine gleichgestellte Beteiligung von Frauen und Männern in den lokalen und regionalen Entscheidungsprozessen verhindern. (Beifall der Bundesräte Dr. Kühnel, Bachner und Schennach.)

Aus meiner Tätigkeit als Sozialpolitiker weiß ich, dass darüber hinaus gerade auch die soziale Sicherheit in der Landwirtschaft ein bedeutender und entscheidender Faktor ist. Wenn wir bedenken, dass wir gerade in den letzten zehn Jahren sehr vieles in der Sozialpolitik weitergebracht haben, so glaube ich, dass die Einführung der Bäuerin­nenpension im Jahr 1992 sicherlich ein entscheidender Punkt war, dass natürlich auch mit dem Pflegegeld ein Meilenstein gesetzt wurde, dass man aber auch nicht verges­sen darf, dass der Krankenschein für die Bauern ein sehr wichtiger und entscheidender Punkt war, um die Gleichstellung mit vielen anderen Berufsgruppen herzustellen.

Meine Damen und Herren! Letztendlich ist auch im Bereich der Altersabsicherung mit der Ausgleichszulage und betreffend Anrechenbarkeit des fiktiven Ausgedinges doch einiges geschehen. Wir befinden uns nun bei 25 Prozent, und es wird sukzessive abgesenkt. Ich glaube daher, dass hier sehr wohl auch für die Alterssicherung etwas getan wird.

Was die Neuerungen betrifft, so war vor allem das Jahr 2002 für die bäuerliche Sozial­versicherung von weit reichenden Veränderungen, besonders im Beitragsbereich, geprägt. Gerade im erst jungen Bereich der Sozialversicherungspflicht für die bäuer­liche Nebentätigkeit sind einige Klarstellungen vorgenommen worden. Mit 1. Jän­ner 2002 wurde die Beitragspflicht für die Be- und Verarbeitung überwiegend eigener Naturprodukte sowie für Mostbuschenschanken eingeführt, sobald die Einnahmen aus diesen Tätigkeiten einen bestimmten Betrag übersteigen. Die Reaktionen der Betrof­fenen waren massivst – wir haben das gespürt. Heute reden viele ganz anders davon, und ich glaube, dass gerade im Rahmen der 26. BSVG-Novelle mit dieser Bestimmung eine relativ vorteilhafte Maßnahme getroffen wurde.

Meine Damen und Herren! Als Winzer darf ich natürlich auch zum Wein einige Sätze sagen. Wir haben in diesem Bereich dank hervorragender Rahmenbedingungen und dank vieler innovativer Winzer hervorragende Produkte auf den Markt gebracht. Wir konnten uns positionieren, sowohl im Inland als auch im Ausland. Wir halten der Kon­kurrenz stand und wissen, dass wir mit unseren hervorragenden österreichischen Wei­nen natürlich auch die Welt erobern können. Wir sind ein kleines, aber ein feines Weinland. Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang auch bei Minister Sepp Pröll, der gerade auch die Weinwirtschaft in allen Bereichen vollst unterstützt und ihr die Möglichkeit der Innovation gibt. Dafür, Herr Minister, ein herzliches Dankeschön im Namen der österreichischen Winzerinnen und Winzer! (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist uns gelungen, die Einfuhr um 10 Prozent zu reduzieren und die Ausfuhr um 13 Prozent zu steigern. Das heißt, dass wir natürlich auch in der Wertschätzung bei der Einfuhr ein Minus von 2 Prozent und bei der Ausfuhr ein Plus von 13,7 Prozent ver­zeichnen.


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Meine Damen und Herren! Diese Zahlen zeigen, dass wir mit dieser Agrarpolitik auf einem guten Weg sind, dass wir mit diesem Minister einen hervorragenden Mann haben, der die österreichische Landwirtschaft vollst unterstützt. Viel Erfolg! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.17

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Wir schließen daher die Debatte.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die vorliegenden Berichte getrennt er­folgt.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Bericht über die Lage der österreichi­schen Landwirtschaft 2001 (Grüner Bericht 2001).

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorlie­genden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit ange­nom­men.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Bericht der Bundesregierung über Maß­nahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2003 gemäß § 9 Landwirt­schafts­gesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorlie­genden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stim­menmehrheit. Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2002 (Grüner Bericht 2002).

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorlie­genden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenom­men.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Bericht der Bundesregierung über Maß­nahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2004 gemäß § 9 Land­wirt­schafts­gesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorlie­genden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stim­menmehrheit. Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend das Zusatz­proto­koll zum Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften oder Behörden (129 d.B. und 226 d.B. sowie 6878/BR d.B.)


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10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und dem Ständigen Sekretariat des Überein­kommens zum Schutz der Alpen über dessen Amtssitz (177 d.B. und 227 d.B. so­wie 6879/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend ein Übereinkom­men über die Privilegien und Immunitäten des Internationalen Strafgerichtshofs samt Erklärung (199 d.B. und 228 d.B. sowie 6880/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend ein Übereinkom­men zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Ver­einten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirt­schaftung gebietsübergreifender Fischbestände und weit wandernder Fischbe­stände – Erklärungen (223 d.B. sowie 6881/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 9 bis 12, über die die Debatte unter einem geführt wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 9 bis 12 hat Herr Bundesrat Mag. Himmer über­nommen. Ich bitte um die Berichte.

 


Berichterstatter Mag. Harald Himmer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Ich bringe den Bericht des Ausschus­ses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Ok­tober 2003 betreffend das Zusatzprotokoll zum Europäischen Rahmenüberein­kommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörper­schaf­ten oder Behörden.

Der Inhalt des Berichtes liegt Ihnen vor.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Darüber hinaus bringe ich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angele­gen­heiten über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend ein Ab­kom­men zwischen der Republik Österreich und dem Ständigen Sekretariat des Über­einkommens zum Schutz der Alpen über dessen Amtssitz.

Der Inhalt liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


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Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend ein Überein­kom­men über die Privilegien und Immunitäten des Internationalen Strafgerichtshofs samt Erklärung.

Auch hiezu liegt Ihnen der Inhalt schriftlich vor.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zuletzt bringe ich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend ein Überein­kom­men zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Verein­ten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung gebiets­übergreifender Fischbestände und weit wandernder Fischbestände – Erklärungen.

Auch hiezu liegt Ihnen der Bericht schriftlich vor.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die, wie gesagt, über die zusammengezogenen Punkte unter einem geführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kritzinger. – Bitte.

 


15.25

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Ich nehme den wichtigsten Punkt heraus: Der wichtigste Punkt scheint mir dies­mal wirklich jener zu sein, dass es uns gelungen ist, dieses Ständige Sekretariat des Übereinkommens zum Schutz der Alpen nach Innsbruck, nach Österreich zu bringen.

Das war keine ganz einfache Aufgabe, denn es haben sich sämtliche Anrainerstaaten Österreichs – mit Ausnahme von Liechtenstein, Deutschland und Monaco – beworben, um Sitz dieser Konvention zu werden; bescheidenerweise nennt sich das nur Sekre­tariat. In Wirklichkeit liegt so viel in diesem Büro zum Schutz der Alpen drinnen, dass man mit Fug und Recht sagen kann, es ist ein gewaltiger Erfolg, dass es uns gelungen ist – ich wiederhole es noch einmal –, dieses Büro nach Österreich zu bekommen.

Immerhin hat allein das Budget, das jetzt zu Beginn zur Verfügung steht, den Umfang von 800 Millionen €, wovon Österreich 24,5 Prozent zahlt, Italien 26 Prozent und die übrigen Länder den Rest zahlen.

Es hat sich Frankreich mit zwei Städten beworben, darunter Grenoble. Es hat sich die Schweiz mit drei Städten beworben, darunter Luzern und Lugano. Es hat sich Italien mit Trient und Bozen beworben. Es hat sich Slowenien mit Bled und Marburg bewor­ben. Es war also eine große Konkurrenz gegeben.


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Letztlich sind neben Innsbruck nur einige Städte übrig geblieben, nämlich von der Schweiz Lugano, von Frankreich Grenoble, von Slowenien Marburg und von Italien Bozen.

Begonnen hat diese internationale Einrichtung zum Schutz der Alpen im Jahre 1991 in Salzburg. Damals wurde sie gegründet, man konnte sich allerdings nie einig werden, wohin man den definitiven Sitz verlegt. Es hat immerhin zwölf Jahre lang gedauert, bis es endlich so weit gekommen ist, dass es Innsbruck wurde. Dieses Sekretariat hat sich als Aufgabenstellung den Verkehr vorgenommen, in Sicherheitsfragen will es auch mit­reden wie zum Beispiel bei der Sicherung der Tunnel. Der Alpenraum hat ja sehr viele Tunnel. Frankreich hat sich angeboten, diesbezüglich einen Arbeitskatalog zu erstel­len. Ich weiß nicht, ob das inzwischen erfolgt ist, aber immerhin, großes Interesse ist vorhanden.

Es hat damals verschiedene Sitzungen und Aussprachen gegeben. In Meran fand die entscheidende Sitzung statt. Dort konnte jeder in einem Statement in etwa 15 Minuten seinen Standpunkt darlegen. Damals war van Staa, der heutige Landeshauptmann, Bür­germeister von Innsbruck; er ist selbst hingefahren und hat seinen Standpunkt dargelegt, warum sich gerade Innsbruck als Sitz anbietet.

Innsbruck hatte gegenüber anderen Orten einige größere Vorteile. Es liegt zentral in der Verbindung Nord – Süd, Ost – West, es ist ein geographisches Zentrum. Innsbruck ist auch Sitz des Österreichischen Alpenvereines. Und Innsbruck hat sich von jeher mit seiner Universität um die Belange der Alpen gekümmert. Man hat seit Jahrzehnten Forschungen betrieben, welche Auswirkungen zum Beispiel die Höhenluft auf 3 000 Meter auf Herzkranke hat oder welche Flora auf 2 700 Meter wächst und ge­deiht. Wel­che Unterschiede gibt es zwischen Pflanzen, dass ein großes Tier in den Bergen nur wenig Gras als Futter für den ganzen Tag braucht, während es im Tal die dreifache oder vierfache Portion braucht? – Innsbruck hat immer schon großen Wert darauf ge­legt, in diesem Bereich der Alpen- und auch der Gletscherforschung durch die Inns­brucker Universität eine führende Rolle einzunehmen.

Dann kam noch etwas nicht ganz Unwesentliches hinzu: Es wurde damals schon von der Stadt Innsbruck ein ganz phantastischer Platz als Sitz dieser Alpenkonvention an­ge­boten, nämlich der Festsaal im Goldenen Dachl. Dort wurde heuer im Juni die Ar­beitsstätte übergeben. Als Generalsekretär hat ein gewisser Lebel, ein Franzose, die Amtsbefugnisse für zwei Jahre erhalten. Er genießt Immunität wie ein Botschafter, ebenso sein Personal. Dort, wo er residiert, ist exterritoriales Gebiet. Da war man also sehr großzügig, aber man musste es auch sein, denn alle übrigen Staaten hätten das­selbe angeboten, wenn es ihnen gelungen wäre, diese sehr wichtige Institution für die Alpen – die Alpen reichen immerhin von Wien bis Vorarlberg – für sich zu gewinnen.

Sehr bewährt hat sich die Zusammenarbeit zwischen der Innsbrucker Bürgermeisterin Hilde Zach – der einzigen Bürgermeisterin einer Landeshauptstadt in Österreich – mit Landeshauptmann van Staa und unserer Außenministerin Ferrero-Waldner. Auch der heute anwesende Minister Pröll hat eine Rolle gespielt – ich bedanke mich –: Er hat das nötige Geld gegeben und hat vor allem die Fäden bei gewissen Koordi­nations­auf­gaben zusammengeführt. Es war ein Zusammenwirken aller Institutionen. Es ist uns nur dank dieser guten Zusammenarbeit gelungen, diesen Erfolg für uns zu verbuchen.

Als Beispiel möchte ich noch Folgendes erwähnen: Sobald bekannt geworden ist, dass Innsbruck dieser ständige Sitz der Alpenkonvention wird, hat sich der große Club Arc Alpin sofort angemeldet und hat jetzt auch in Innsbruck seinen Hauptsitz errichtet. Das war übrigens am 15. Februar des heurigen Jahres. Der Club Arc Alpin ist immerhin der Dachverband aller Alpenvereine. Dazu zählen der Alpenverein Südtirol, der Club Alpin Français, der Club Alpino Italiano, der Deutsche Alpenverein, der Liechtensteiner Al-


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penverein, natürlich der Österreichische Alpenverein, die Planinska Zveza Slovenije und der Schweizer Alpen-Club – immerhin mit 1,6 Millionen Mitgliedern.

Das waren die Auswirkungen. Es ist also nicht nur finanziell, sondern auch prestige­mäßig ein großer Erfolg zu verzeichnen. Ich glaube, der Nationalrat hat am 23. Oktober einstimmig diese Ratifizierung vorgenommen. Der Bundesrat kann mit gutem Gewis­sen ebenfalls seine Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Frei­heitlichen.)

15.34

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Schicker. – Bitte.

 


15.34

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Als Steirerin traue ich mich fast gar nicht, an das Rednerpult zu treten und zum Thema Alpenkonvention zu sprechen. Ich hatte heute fast das Gefühl – nach diesem flammenden Appell, lieber Kollege Kritzinger –, dass die Alpen wirklich nur von den Tirolern vereinnahmt werden. Aber ich stehe dazu, dass Sie so dafür eintreten. Wir sind alle sehr stolz; das, glaube ich, kann ich im Namen aller sagen. (Bun­desrat Kneifel: Das war eine patriotische Rede!) – Ja, ich stimme ihm zu und sage, wir können alle stolz sein, dass dieses Ständige Sekretariat in Innsbruck sozusagen seine Zelte aufschlagen kann.

Wir haben vor einem Jahr – damals ist die Frau Außenministerin hier gesessen, Herr Bundesminister, natürlich ressortbedingt – die neun Durchführungsprotokolle der Al­penkonvention – auch einstimmig – beschlossen. Heute, so denke ich, wird es das gleiche Ergebnis geben. Wir alle werden mit diesem Beschluss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass eben das Ständige Sekretariat mit Sitz in Innsbruck nun endgültig seine Arbeit wird aufnehmen können.

Ich habe vor einem Jahr schon darauf hingewiesen: Nur die Beschlussfassung, nur die Ratifizierung dieser Durchführungsprotokolle wird zu wenig sein, man muss auch an die Arbeit gehen. Ich glaube, für uns Österreicher – heute konnten wir es ja in den Vormittagsstunden hautnah verspüren, was uns durch diese Nichtverlängerung des Transitvertrages passieren kann – ist es schon wichtig, dass wir bedeutende inter­nationale Organisationen hier in Österreich haben.

Dieses Ständige Sekretariat in Innsbruck wird gerade in der Transitfrage dazu beitra­gen, nicht nur das Land Tirol, sondern auch die Bevölkerung und alles, was dazu ge­hört, zu schützen und zu beraten. Wenn die Alpenkonvention – die ja von sieben oder acht Ländern noch nicht ratifiziert worden ist – ernst genommen werden soll, dann wird sie sich auch mit diesem Thema befassen müssen. – Die meisten Länder haben sie eben noch nicht ratifiziert, das ist traurig. Österreich war Gott sei Dank eines der ersten Länder bei der Ratifizierung. Wenn mir das richtig vorliegt, so sind Frankreich, Italien, Monaco, die Schweiz und Slowenien noch säumig bei der Ratifizierung. Da muss also noch einiges passieren.

Ich meine, dieses Ständige Sekretariat wird sich auch damit befassen müssen, denn eines der Protokolle im Rahmen der Alpenkonvention betrifft ja den Verkehr. Wir sollten heute nicht nur über dieses Ständige Sekretariat – so wichtig das auch ist – sprechen, sondern man kann schon auch ein wenig über die Alpenkonvention reden, gerade im Hinblick auf das Thema, das uns heute befasst hat, nämlich den Transit. Gerade die Belastungen und die Risiken im Bereich des inneralpinen und des alpen­querenden Verkehrs müssen wirklich auf ein Maß gesenkt werden, das für die Men­schen, aber auch für die Tiere und für die Pflanzen erträglich ist. Ich glaube, dazu ste-


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hen wir alle. Dieses Ziel ist auch in diesem so genannten Verkehrsprotokoll der Alpen­konvention festgeschrieben, und jetzt sollte man mit aller Kraft beginnen, daran zu arbeiten.

Man kann aber heute auch nicht darüber hinwegsehen, dass der Straßenverkehr nicht nur im Westen Österreichs, sondern auch im Osten immer stärker wird. Man braucht ja nur die heutigen Zeitungen zu lesen – ich will jetzt keine Werbung machen, es steht in einer kleinformatigen Zeitung auf der ersten Seite. Das ist ein Problem für uns alle. Wir sollten uns mit vereinten Kräften daranmachen, diesen Straßenverkehr einzudämmen und die Umwelt für die Menschen in unserem Land wieder lebenswert zu machen. Da­bei schließe ich die Pflanzen- und Tierwelt auch mit ein.

Wenn ich jetzt noch einmal auf die Alpenkonvention zurückkomme, dann denke ich mir, dass auch darauf geachtet werden muss, dass der Tourismus – das betrifft näm­lich gerade die westlichen Länder – sanfter fortgeführt werden muss beziehungsweise, wenn man an die Errichtung von Schipisten, von Seilbahnen denkt, dass sanfter investiert werden muss.

Ich denke, man muss hier mehr auf unsere Umwelt, auf unsere Gebirgswelt Rücksicht nehmen, und in diesem Sinne hoffen wir, dass durch die Installierung des Ständigen Sekretariats der Alpenkonvention in Innsbruck auch ein großer Teil dazu beigetragen wird, dass diese Themen dort vordringlich behandelt werden und dass wir Österreicher dort auch ein gutes Sprachrohr sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.40

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann. – Bitte.

 


15.41

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann mich im Wesentlichen natürlich auch nur den Worten meiner Vorredner anschließen. Ich meine auch, dass es im Hinblick auf die Themen, die wir heute schon sehr ausführlich behandelt, sehr inten­siv erörtert und debattiert haben, notwendig ist, dass sich eine Art Alpenlobby bildet, um einen gewichtigen Gegenpart zu den Befürwortern in der EU zu bilden, die sich besonders für freie Durchfahrten und für einen ungehemmten Verkehrsfluss einsetzen.

Dazu wird es aber notwendig sein – und das ist von meiner Kollegin auch schon ange­schnitten worden –, dass sich natürlich mehrere Vertragsparteien auch einmal an die Ratifizierung machen und nicht nur wieder Österreich den Musterknaben in der EU oder innerhalb der europäischen Länder darstellt. Auch die anderen, vor allem die EU‑Staaten, die dabei sind, sollten sich nicht mehr zieren können, sondern ein klares Bekenntnis zum Schutz der Alpen, zum Schutz der Tiere, zum Schutz der Menschen natürlich noch mehr, aber auch zum Schutz der Flora abgeben. Wenn das der Fall ist, dann, glaube ich, können wir in der EU mit stärkerer Stimme sprechen. Dass das notwendig ist, haben wir heute gehört, da uns sonst der Verkehr buchstäblich überrol­len wird.

Wir haben also eine Verpflichtung, hier entsprechend tätig zu werden. Die Institu­tiona­lisierung dieses Büros ist ein kleiner Schritt dazu, aber er ist notwendig, um – auch das wurde heute schon gesagt – die Arbeit einmal zu beginnen und tätig werden zu kön­nen.

In diesem Sinn haben wir als freiheitliche Fraktion natürlich auch im Nationalrat dafür ge­stimmt, und wir werden das auch im Bundesrat machen. Ich freue mich, dass dieses Büro in Österreich ist, wiewohl ich es natürlich gerne auch in Kärnten gesehen hätte. Aber alles kann natürlich nicht in Kärnten sein. (Heiterkeit. – Bundesrätin Schicker:


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Alles kann nicht in Kärnten sein! Da gebe ich Ihnen Recht!) Man muss genauso zu­stimmen und sich freuen, wenn es in Tirol ist. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.43

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


15.43

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Alles kann wirklich nicht in Kärnten sein, Frau Kollegin Kanovsky.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Keine Frage – auch hier stimmen wir mit allen überein –, es hat nicht nur von der Bundesregierung oder von der Stadt Innsbruck, sondern auch von den NGOs, von den Grünen, von den an­deren Parteien große Bemühungen gegeben. Es war immerhin ein zwölfjähriger Pro­zess, um dieses Generalsekretariat nach Tirol zu bringen, praktisch in das Herz der Alpen – Frau Schicker, wenn Sie das irgendwie so stehen lassen könnten, wäre es ganz nett. (Bundesrätin Schicker: Ja, ja, das schon!) Wichtig ist das auch aus sym­bolischen Gründen.

Ich weiche jetzt ein bisschen vom Text ab und werde das dem Herrn Minister dann direkt mitteilen, denn bei aller Freude, die wir darüber haben, ist das, was sich um dieses Generalsekretariat abspielt, eher eine traurige Geschichte.

Der derzeitige Interimsgeneralsekretär Noël Lebel scheint in diesem Job nämlich völlig überfordert zu sein. Es ist ihm bis heute nicht gelungen – innerhalb eines Jahres! –, ein Sekretariat einzurichten und das nötige administrative Personal anzustellen. Das heißt, wir haben hier zwar ein Generalsekretariat, aber das Generalsekretariat in seinem derzeitigen Zustand wirkt schon wie eine Gefährdung der Alpenkonvention. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.)

Auf Grund dieser mangelnden Besetzung und der Unfähigkeit dieses amtierenden Ge­neralsekretärs ist es bisher in keiner Weise zu irgendwelchen operativen Tätigkeiten gekommen, und schon überhaupt nicht in jenem Bereich, den heute hier mehrere Red­nerinnen und Redner angeschnitten haben, nämlich im Drängen darauf, dass jene Ratif­izierungen vorgenommen werden, die auch notwendig sind.

Es hat zum Beispiel ein wichtiger Beamter der Tiroler Landesregierung gemeint, nicht die 14-jährige mühsame Geschichte dieser Alpenkonvention war schwierig, sondern die derzeitige Situation scheint ihm eine außerordentlich gefährliche zu sein. Die ange­strebte Harmonisierung in den Alpen ist ferner denn je. Statt zu ratifizieren, wird verzettelt, statt zu arbeiten, werden nur neue Protokollideen entwickelt. Fast ein Jahr versucht diese Institution Personalfragen zu klären, Gehaltsfragen oder Einrichtungs­fragen zu klären. Es wurde damals auch gesagt, dass in Bozen – Bolzano – eine Außen­stelle zu errichten wäre. Davon ist man heute weiter entfernt denn je. Das ist deshalb ein springender Punkt, weil ja vor allem die Italiener – es geht uns nicht um Monaco – das unterschreiben müssen.

Wenn – das geht jetzt an die Tiroler Adresse zurück – dieses Sekretariat endlich seine Tätigkeit entfalten würde, dann würde es möglicherweise auch bei der Tiroler ÖVP etwas einsickern, denn einige Tiroler ÖVP-Mandatare des Landtages sind schon auf die Idee gekommen, dass es doch noch ganz lustig wäre, mit den Italienern die „Ale­magna“ zu bauen. Das geht bitte nicht mehr, wenn man die Alpenkonvention und das Ge­neralsekretariat in Innsbruck als ernst zu nehmend betrachtet, doch dieser Vor­schlag einiger ÖVP-Mandatare ist erst jüngst gemacht worden, so quasi: Machen wir eine Touristenstraße von Italien über das Zillertal hinauf! – Bitte schön, wenn man die


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Alpenkonvention ernst nimmt – Frau Kollegin Fröhlich, bitte das auch an den Tiroler Landtag weiterzutragen –, dann soll man sich diese krausen Ideen aus dem Kopf schlagen.

Was jetzt notwendig ist, ist, dass die Frau Außenministerin und unser Umweltminister eines klar sehen: Es gibt Handlungsbedarf. Dieses Generalsekretariat verdient seinen Namen nicht. Es war wichtig, dass es in Innsbruck situiert wurde, aber es muss dort der Geist der Alpenkonvention einkehren. Das heißt, dass man sich hier tatsächlich um die Umsetzung der Konvention, insbesondere – der Verkehrs-Staatssekretär sitzt da – um das Verkehrsprotokoll bemühen muss, dass man endlich die Italiener dazu bringen muss, die Konvention zu ratifizieren, und dass es zu operativen Maßnahmen kommen muss, aber nicht zu diesem kranken Zustand, in dem sich das Ganze derzeit be­findet. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.48

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die vorliegenden Beschlüsse des Na­tional­rates getrennt erfolgt.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend das Zusatzprotokoll zum Europäischen Rahmenüberein­kommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörper­schaf­ten oder Behörden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 2. Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorlie­genden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 2. Satz B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 2. Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Ok­tober 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Ständigen Sekretariat des Übereinkommens zum Schutz der Alpen über dessen Amtssitz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 2. Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorlie­genden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 2. Satz B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmen­einhelligkeit. Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 2. Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend ein Übereinkommen über die Privilegien und Immunitäten des Internationalen Strafgerichtshofs samt Erklärung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­he­ben, ist somit angenommen. (Zwischenruf des Bundesrates Weiss.) Soll ich jetzt etwas sagen? – Es ist trotzdem einstimmig, obwohl Sie nicht auf Ihrem Platz sitzen. (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Schennach: Na, Herr Altprä­sident! – Bundesrat Manfred Gruber: Das hast du jetzt davon!)

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 2. Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorlie­genden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 2. Satz B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stim­men­einhelligkeit. Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 2. Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Ok­tober 2003 betreffend ein Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des See­rechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung gebietsübergreifender Fischbestände und weit wan­dern­der Fischbestände.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 2. Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorlie­genden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 2. Satz B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stim­men­einhelligkeit. Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 2. Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.


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13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz geändert wird (203 d.B. und 245 d.B. sowie 6882/BR d.B.)

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Seilbahnen erlassen wird (Seilbahngesetz 2003-SeilbG 2003) und mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird (204 d.B. und 246 d.B. sowie 6883/BR d.B.)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2003 betreffend das Protokoll vom 3. Juni 1999 betreffend die Änderung des Übereinkommens über den inter­na­tionalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 (Protokoll 1999) samt Erklä­rung der Republik Österreich (46 d.B. und 247 d.B. sowie 6884/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zu den Punk­ten 13 bis 15, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 13 bis 15 hat Herr Bundesrat Klamt über­nom­men. Ich bitte ihn um die Berichte.

 


Berichterstatter Ing. Gerd Klamt: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf auf das Verlesen verzichten und beschränke mich auf die Antragstellung:


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Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 4. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Tech­nologie über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Seilbahnen erlassen wird und mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, sodass ich mir erlaube, auf die Verlesung zu verzichten und mich auf die Antragstellung zu beschränken:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Abschließend bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2003 betreffend das Protokoll vom 3. Juni 1999 betreffend die Änderung des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr vom 9. Mai 1980 samt Erklärung der Republik Öster­reich.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, sodass ich mich auf die An­trag­stellung beschränke:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 4. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

 


15.58

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte – weil heute noch Wich­tiges zur Debatte ansteht – zur Änderung des Schifffahrtsgesetzes ganz kurz etwas sagen.

Herr Vizekanzler Hubert Gorbach, der sich heute hier im Zuge der Regierungs­um­bildung vorgestellt hat, besitzt ein Pferd mit dem Namen Benito, und er reitet auch gelegentlich darauf. Er weiß also, wie man mit Pferden umgeht, und das hat, wie Sie dann am Schluss feststellen werden, auch in diesem Zusammenhang eine gewisse Be­deutung gehabt.

Im Nationalrat hat es Debattenbeiträge gegeben, in denen bedauert wurde, man be­lasse es bei der Promille-Grenze von 0,8 und senke sie nicht auf 0,5 ab, was nahe lie­gend und auch möglich wäre, wenn es sich beim Bodensee um ein Binnengewässer handelte. Tatsächlich ist es internationales Gewässer im Gemeinschaftseigentum der Anrainerstaaten, daher sind Österreich einseitige Maßnahmen verwehrt.

Eine zweite Wortmeldung in der einschlägigen Nationalratsdiskussion hat mich aller­dings etwas nachdenklicher gestimmt. Ein Kollege hat dort gemeint, er ist zwar für Alkoholkontrollen auf dem Bodensee, gibt aber zu bedenken, man müsse vorsichtig mit dieser Causa umgehen, um der Tourismuswirtschaft keinen großen Schaden zuzu­fügen. (Bundesrätin Bachner: Aha!)

Wenn man nun aus der Praxis weiß, dass es der See-Gendarmerie bisher verwehrt ge­wesen ist, gegen übermäßigen Alkoholgenuss von Bootsführern einzuschreiten, die­sel­ben Beamten dann aber vielfach unter Lebensgefahr ausrücken müssen, um durch Alkoholisierung fahruntauglich gewordene Bootsführer samt Besatzung zu retten, dann sieht man, wo der Schaden läge, würde man diese Regelung nicht treffen, dass man auch auf dem Bodensee die Einhaltung der Promillegrenze überwachen kann.

Die Änderung, die wir heute beschließen, geht zurück auf eine Änderung der Bo­densee-Schifffahrts-Ordnung, die mit 1. Jänner 2002 in Kraft getreten ist. Wir haben heuer im Sommer gedacht, es wäre eigentlich Zeit, dass man das innerstaatlich um­setzt, und haben uns dann in einer parlamentarischen Anfrage erkundigt, was es nun mit dieser schon längere Zeit in Begutachtung gewesenen Novelle zum Schiff­fahrts­gesetz auf sich habe. Wir haben die Antwort bekommen, dass man nach In-Kraft-Tre­ten der Bodensee-Schifffahrts-Ordnung das Problem erkannt habe – es hätte eigentlich schon vorher bekannt gewesen sein müssen, jedenfalls bei der Vorarbeit für den Ab­schluss dieser internationalen Vereinbarung –, dass man dann nach einem Begut­ach­tungs­verfahren für ein Gesetz, das aus einem einzigen Satz besteht, schließlich Ende Juli zur Fertigstellung eines Begutachtungsentwurfes kam und dass daraufhin ein Minis­terratsvortrag ausgearbeitet wurde, der im Februar 2003 dem damaligen Ver­kehrsminister zur Unterschrift vorgelegt werden konnte. Wir haben des Weiteren erfah­ren, dass sich auf Grund der erfolgten Regierungsneubildung die Vorlage des Ent­wurfes verzögert habe.


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Nachdem wir da mit einer parlamentarischen Anfrage der Vorarlberger Kolleginnen und Kollegen nachgestoßen haben, hat der Ministerrat relativ rasch, am 12. August, be­schlos­sen, diese Regierungsvorlage tatsächlich auf die Reise zu schicken, nachdem sie im Verkehrsministerium einige Monate möglicherweise in Verstoß geraten war. Ich möchte mich dafür bedanken, dass dann die parlamentarische Behandlung zügig vor sich gegangen ist.

Jetzt komme ich zurück zu meiner Einleitungsbemerkung, was das mit Pferden zu tun hat: Als Reitersmann weiß der Herr Verkehrsminister und Vizekanzler natürlich auch, wie man dem Amtsschimmel die Sporen gibt. Das hat er getan, und dafür möchte ich herzlich danken! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Frei­heit­lichen.)

16.02

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Giefing. – Bitte.

 


16.02

Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Mag sein, dass die gesetzliche Regelung, die wir heute anstreben, in ir­gendeiner Form im Zusammenhang mit dem Kraftfahrzeug einmal vergessen wurde. Ich bin daher sehr froh, dass wir heute darüber nachdenken, dass die Promillegrenze, wie sie im Straßenverkehr Gültigkeit hat, auch im Schifffahrtsbereich auf 0,5 Promille herabgesetzt wird. Ich weiß, der Herr Minister war bei den Kfz ursprünglich eher ein Verfechter dessen, dass die 0,8 aufrecht bleiben. Darüber heute zu diskutieren, wäre, glaube ich, nicht mehr der richtige Zeitpunkt. Es ist aber im Zusammenhang mit der Schifffahrt nicht einzusehen, dass die Sicherheit von Personen lediglich auf den Straßenverkehr beschränkt wird.

Mit den Änderungen des Schifffahrtsgesetzes, wodurch nun in erster Linie die Boden­see-Schifffahrts-Ordnung betroffen ist, werden die Grenzwerte für das Führen von Wasserfahrzeugen unter Alkoholeinwirkung festgesetzt und vollzogen. Nach dem In-Kraft-Treten kann die Bundesgendarmerie in Zukunft Kontrollen mit Alkomaten vor­nehmen. Ich hoffe nur, dass genügend Personal für diese Tätigkeit zur Verfügung ge­stellt werden kann. Beim dem Personalabbau, dem die Gendarmerie derzeit unterliegt, ist dies, glaube ich, eine berechtigte Frage.

Derzeit ist im Bereich der Schifffahrt das Lenken mit 0,8 Promille Alkohol im Blut möglich, im Rahmen der gewerblichen Schifffahrt lediglich mit bis zu 0,1 Promille. Sicherheit ist für die Benützung der unterschiedlichsten Verkehrsmittel – sei es das Auto, sei es das Schiff, sei es die Bahn, die nunmehr doch zerschlagen werden soll – erste Priorität. 3,5 Millionen Menschen wurden im Jahre 2001 befördert. Die erhöhte Sicherheit wird allen Verkehrsteilnehmern zugute kommen.

Was den Bodensee betrifft, gab es laut Unterlagen im Jahre 2002 einen eher traurigen Re­kord. In diesem Bericht wird dokumentiert, dass innerhalb den letzten 17 Jahren nie so viele Unfälle wie im Jahre 2002 passiert sind. Insgesamt 199 Personen waren an Unfällen beteiligt, davon wurden allein 8 Menschen auf dem Bodensee getötet. Die häufigsten Unfallursachen sind dabei mangelnde Sorgfaltspflicht, technische Mängel, schlechte Seemannschaften auf den Segel- und Motorbooten, und natürlich war in manchen Fällen auch gewisser Leichtsinn dabei.

Sicherheit ist für uns ein wesentlicher Aspekt im öffentlichen Verkehr, dafür treten wir ein. Wer sich alkoholisiert hinter ein Steuer- oder Lenkrad setzt, handelt verantwor­tungs­los und nimmt in Kauf, dass er dabei vor allem andere gefährdet. Die Unfallgefahr im Zusammenhang mit Alkohol steigt rapid mit der Promillehöhe, wie wir alle wissen.


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Dass dabei vor allem Unschuldige zum Handkuss kommen und betroffen sind, brauche ich hier nicht näher anzuführen. Sicherheit hat einen großen Stellenwert, daher werden wir diesem Gesetz unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­des­räten der ÖVP.)

16.06

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Hagen. – Bitte.

 


16.06

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Vize­prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Nachdem zu diesem Schiff­fahrtsgesetz im Großen und Ganzen bereits das meiste gesagt worden ist, möchte ich nur auf ein paar wesentliche Punkte zusprechen kommen.

Was bei der Diskussion vergessen worden ist, ist, dass es der Bundesgendarmerie bis­her nicht möglich war, auf bloßen Alkoholverdacht auf dem Bodensee Alkohol­kon­trol­len durchzuführen. Das ist jetzt mit diesem Gesetz geändert worden. Einem deutschen oder Schweizer Wasserschutzpolizisten war es möglich, Alkoholkontrollen durchzu­füh­ren und nach den jeweiligen Gesetzen Anzeige zu erstatten, aber der Vorarlberger Gendarm hat bisher diese Möglichkeit nicht gehabt. Nur dann, wenn ein Unfall passiert ist, haben die 0,8 Promille gegolten. Das ist in diesem Gesetz auch behoben worden, daher ist hier drinnen auch von den Alkomaten die Rede. Bisher hat ein Schiff keinen Alkomaten mitgeführt, das ist erst mit diesem Gesetz möglich.

Ich glaube, das ist auch wichtig, war doch Vorarlberg bisher zwischendurch vielleicht eine Insel der Feucht-Fröhlichen auf dem Bodensee, weil man gewusst hat, dass dort durch die Vorarlberger Gendarmerie nicht kontrolliert werden darf. Daher haben wir so manche Kapitäne gehabt, die unter etwas zu viel Alkoholeinfluss ihr Schiff auf einer Sanddüne versenkt haben. Um das zu verhindern, ist jetzt das Gesetz geändert wor­den, was ich absolut richtig finde. Hiermit wird der Exekutive die nötige Grundlage ge­geben, die richtigen Maßnahmen zu setzen und Kontrollen durchzuführen. Ich denke, dass hier nur an internationales Recht angepasst wird und dass das vollkommen richtig und gut ist.

Es hat anscheinend einen Vorarlberger Minister gebraucht, um das zu erkennen und endlich durchzuführen. Dazu kann man dem Herrn Minister nur gratulieren, und da­mit – das kann ich sagen – ist auch die Exekutive zufrieden gestellt. (Beifall bei den Frei­heitlichen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

16.08

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


16.08

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Da schließe ich mich natürlich gerne an: Auch Schiffs­führer sollen – genauso wie Menschen, die hinter dem Lenkrad sitzen – nicht in be­trunkenem Zustand die Binnengewässer unsicher machen, und sie sollen ebenfalls unter jene behördlichen Maßnahmen fallen, die dafür vorgesehen sind.

Ob jemand privat sein Schiff auf einer Sanddüne versenkt, ist mir eher egal. Ich denke an die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer auf dem Bodensee, und das hat bei Gott nichts mit einer Tourismusschädigung zu tun, wenn es dann heißt: Im österreichischen Teil des Bodensees sind keine betrunkenen Schiffsführer mehr anzutreffen. Das könn­te ja sogar stärkere Attraktivität nach sich ziehen. Ob man von den 0,8 Promille, die wir jetzt festlegen, nicht doch auch einmal in Richtung 0,5 kommen wird – oder, wie es bei


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den Berufsfernfahrern üblich ist, zu 0,1 –, das wird der weitere Weg zeigen. (Bundesrat Dr. Aspöck: Da muss man aber die Drogen dann einbeziehen!) Aber seien wir froh, dass wir einmal diesen ersten Schritt getan haben.

Das Zweite, was wir jetzt vorliegen haben – es sind hier ja mehrere Punkte zu be­handeln –, ist das COTIF-Abkommen. Dazu hätte ich doch einige Fragen an den Herrn Staatssekretär. Ich finde, es ist gut, dass eine Harmonisierung, eine Vereinheitlichung im Bereich des Eisenbahnrechtes kommt, vor allem eine technische Harmonisierung, aber bei dieser Gelegenheit – wir haben heute im Zuge der Regierungsumbildung schon öfters das Thema ÖBB auf der Tagesordnung gehabt –, wo wir jetzt wieder bei der Eisenbahn und beim Eisenbahnrecht angelangt sind, würde mich schon einiges sehr interessieren, denn das hat sehr wohl auch eine Bedeutung für die Länder.

Herr Staatssekretär! Sie und Herr Minister Gorbach haben eine große Reform, sprich Regionalisierung, der ÖBB angekündigt. Man kann das natürlich auch umgekehrt le­sen, nämlich so, dass man sagt: Die attraktiven Teile werden verkauft oder filetiert, und die ökonomisch unattraktiven Teile werden verländert – werden föderalisiert, Herr Kol­lege Weiss. Man gibt das, was bei den ÖBB defizitär ist, an die Länder ab, ohne aber die Länder mit Geld auszustatten, was dann nach sich zieht, dass genau dieser Teil des öffentlichen Verkehrs, sprich Nebenbahnen und Personennahverkehr, irgendwann reduziert, reduziert und reduziert wird. Die Frage, die sich der Länderkammer da stellt, ist: Man kann regionalisieren, man kann auch die ÖBB regionalisieren, aber wie ist das jetzt mit den Finanzen gedacht, und wie wird sichergestellt, dass der Personen­nah­verkehr, dass das gesamte Netz der Nebenbahnen nach wie vor im vollen Umfang auf­recht bleibt?

Beim Straßenbau wurde den Ländern sehr wohl ein kleines Budget – ein großes Bud­get, muss man eigentlich sagen – mit auf die Reise gegeben. Bei den ÖBB denkt man derzeit nicht daran. Diesbezüglich wären ein paar Antworten Ihrerseits für mich von Interesse.

Im Übrigen stimmen die Grünen dem COTIF-Abkommen natürlich zu.

Ich halte hier zwar eine Pro-Rede, aber ich nenne Ihnen jetzt einen Punkt, dem wir kei­nesfalls zustimmen werden: Das ist das Seilbahngesetz. Es ist zwar anzuerkennen, dass man es mit diesen spezifischen gesetzlichen Bestimmungen zum Seilbahnwesen unter dem Eindruck der verheerenden, uns allen noch immer gegenwärtigen Katastro­phe von Kaprun erstmals unternommen hat, neue rechtliche Bestimmungen zu schaf­fen. Man hat einerseits die Brandschutz- und Sicherheitsbestimmungen präzisiert, aber gleichzeitig die Frage der Sicherheit auch dereguliert und eine ganze Reihe neuer Schnittstellen eingeführt, die keinesfalls zu jener Seilbahnsicherheit führen, die wir uns da eigentlich erwarten.

Das Nächste ist, dass wir dazu eine Behörde brauchen. Das ist die so genannte Seil­bahnbehörde im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie. Nur krankt diese Behörde – und daran hat das Unglück von Kaprun bis heute nichts ver­ändert – nach wie vor an Personalknappheit.

Insgesamt ist es ja eine spannende Frage, warum man Seilbahnen mit Eisenbahn verbindet und warum man die Frage der Seilbahnen gleichzeitig mit jener der Eisen­bahn regelt. Wir haben gerade bei ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck.) Es betrifft das Verkehrswesen, ja, aber das eine ist ein öffentliches Verkehrswesen, und das andere ist ein Verkehrswesen der Freizeitindustrie, die nicht unbedingt den ge­mein­nützigen Leitlinien unterworfen ist. Da wäre es, glaube ich, einfach ehrlicher ge­wesen, zu sagen: Wir machen die Seilbahnen, und wir machen die Eisenbahn, es ist etwas anderes!


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Aber das Interessante ist die Frage, warum man es zusammenzieht. Da glaube ich, Herr Kollege Vizepräsident Weiss, dass Ihnen das sicherlich auch nicht gefällt, denn durch die Eisenbahngesetzgebung ist es wesentlich leichter, Anrainerrechte zu mini­mieren beziehungsweise Nachbarn und Anrainer gänzlich in eine rechtlose Stellung zu versetzen. Zum Beispiel hat man den § 42, der hier beim Seilbahngesetz zur An­wendung kommt, eigentlich nur für militärische Anlagen zur Verfügung: Ich schalte über den § 42 Anrainer- und Nachbarschaftsrechte aus, und das geht nur für mili­tärische Anlagen. Wir verwenden das jetzt beim Seilbahngesetz, und – jetzt kommt die große Klammer – da geht es nicht nur um Seilbahnen, meine Damen und Herren, son­dern es geht auch um Schlepplifte! Auch bei den Schleppliften werden dadurch die Nachbarn und die Anrainer in einer Art rechtlosem Zustand belassen.

Da wären ganz andere Dinge gewesen, die wir uns in einem Seilbahngesetz ge­wünscht hätten: dass es eine Parteienstellung gibt, eine Nachbarschaftsstellung, aber dass natürlich auch alle Aspekte der Umweltpolitik und insbesondere des UVP-Ge­set­zes zum Zuge kommen. Sie werden heute, nehme ich an, mit Mehrheit ein Seil­bahn­gesetz beschließen, in dem die Umweltverträglichkeit nur noch bei der Errichtung von Neuanlagen auf Gletschern relevant ist. In allen anderen Fragen wird das UVP-Gesetz ausgeklammert, es findet keine Umweltverträglichkeitsprüfung statt.

Das Nächste, was zu regeln bei einem Seilbahngesetz natürlich wichtig wäre, ist die Gefahrenzonenverordnung im Bereich der Raumordnung. Auch das findet in diesem Gesetz keinen Eingang, und auch die spezifischen rechtlichen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, werden durch diese Sonderregelung – Seilbahn ist gleich Eisenbahn, die eine fährt auf den Schienen, die andere hängt am Seil – ausgeschaltet. Das ist eine schlechte Regelung, meine Damen und Herren!

Da wir hier vorhin eine Hohe Weihestunde hatten, was die Alpenkonvention betrifft, und wir alle uns zum Alpenschutz bekannt haben: Seilbahnen sind bekanntlich nicht unbedingt in der Ebene zu finden, sondern gerade in den Alpen. Hier wäre es natürlich richtig und wichtig gewesen, sowohl das Verkehrs-Protokoll, das Tourismus-Protokoll, als auch das Bodenschutz-Protokoll der Alpenschutzkonvention, die wir hier vor 20 Minuten abgefeiert haben, zu implementieren und zu berücksichtigen. Das ist nicht geschehen! Deshalb werden wir Grünen diesem neuen Gesetz im Bereich der Seil­bahnen nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.18

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Staatssekretär Mag. Kukacka, bitte.

 


16.18

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ganz kurz zum letzten Redner: Zum einen möchte ich darauf hinweisen – ohne jetzt eine ÖBB-Debatte vom Zaun brechen zu wollen –, dass selbstverständlich dafür gesorgt wird, auch durch diese ÖBB-Reform, dass in Zukunft die Nebenbahnen voll aufrechterhalten bleiben und dass der Personennah- und -fernverkehr noch besser funktioniert, als das jetzt der Fall ist. Es besteht also überhaupt keine Gefahr, dass durch diese Reform etwa die Nebenbahnen ausgehungert werden würden.

Ganz im Gegenteil: Der Bund hat sich auch für die nächsten Jahre wieder bereit er­klärt, speziell zur Aufrechterhaltung des gemeinwirtschaftlichen Auftrages der Bahn – nämlich insbesondere für den Nahverkehr, und hier im Speziellen für Sozialtarife im Nahverkehr, für den Schülerverkehr, für den Pendlerverkehr – 600 Millionen € im Jahr


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zur Verfügung zu stellen, die der Bahn ausschließlich für diese Zwecke zur Verfügung ge­stellt werden, damit sie in der Lage ist, insbesondere im Pendler- und Nahverkehr ihren Fahrplan aufrechtzuerhalten, und damit sie in der Lage ist, auch in Zukunft ent­sprechende Sozial- und Pendlertarife anzubieten und überdies dafür zu sorgen, dass die Schüler wie bisher kostenlos fahren können.

Das ist ein wichtiger gemeinwirtschaftlicher Auftrag der Bahn, dazu bekennt sich selbst­verständlich diese Bundesregierung, und das wird auch in Zukunft aufrecht­erhalten.

Es steht kein Wort in diesem Gesetzentwurf davon, dass Bahnen, und zwar auch Nebenbahnen, abgegeben werden sollen. Es steht nichts darüber, dass der Verkehr regionalisiert werden soll und Nebenbahnen etwa an Regionen, an Verkehrsverbünde oder an Private abgegeben werden können.

Das heißt aber nicht, dass es nicht zu einem späteren Zeitpunkt einmal auch zu einer solchen Diskussion kommen kann und soll, weil, wie wir alle wissen, Nahverkehr und Nebenbahnen dann erfolgreich sind, wenn sie im regionalen Verbund geführt werden, wenn also nicht zentral entschieden wird, wann und wie sie geführt werden sollen, son­dern wenn in der Region die Entscheidung darüber getroffen wird, wie sie betrieben werden, in welcher Organisationsform sie betrieben werden und wer die finanziellen Mittel dafür bereitstellen soll.

Erfolgreiche Nebenbahnen sind eben auch – und das wissen wir aus allen Untersu­chun­gen in Europa – dezentralisierte Bahnen. Weil immer, und zwar vor allem von den Grünen, das Beispiel der Schweiz und der dortigen Eisenbahnstruktur gebracht wird, darf ich Ihnen sagen: Die SBB betreibt Schienenverkehr praktisch nur auf den Haupt­verkehrsstrecken, während es sonst in der Schweiz überall sehr gute, sehr erfolg­reiche, sehr effiziente Regionalbahnen gibt, und zwar zum Teil auch auf privater Basis, die jedoch nicht zentral geführt werden, die auch nicht von der SBB geführt werden, sondern von den Regionalbahnen. Sie sind erfolgreich und können ein Vorbild für Österreich sein. Das möchte ich in diesem Zusammenhang gesagt haben.

Erfolgreiche Bahnen hängen nicht davon ab, dass sie einen zentralen Eigentümer haben, der bundesweit agiert oder gar ausschließlich im Staatsbesitz ist, sondern der Erfolg regionaler Bahnen hängt davon ab, ob diese Bahn in der Lage ist, unabhängig von ihrer Eigentümerstruktur die regionalen und dezentralen Bedürfnisse der dort woh­nenden Bevölkerung zu befriedigen. Das muss auch in Zukunft der Maßstab für eine Bahnreform im regionalen Bereich sein!

Zum Thema Seilbahnen darf ich sagen: Ich bedauere, dass sie diesem Gesetz nicht zu­stimmen können. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die Befürchtungen, von denen sie hier gesprochen haben, unserer Meinung nach völlig grundlos sind. Das ist ein sehr gutes Gesetz, das alle Richtlinien der modernen Seilbahnführung entspre­chend berücksichtigt, das auch eine Umsetzung der Seilbahnrichtlinie der Euro­päischen Union darstellt. Dabei geht man natürlich davon aus, dass Seilbahnen, wie das auch in der Bundesverfassung festgelegt ist, im Kompetenzbestand Eisenbahn­wesen liegen, weil das historisch so entstanden ist, was auch nach wie vor seine Be­rechtigung hat, und wir müssen natürlich auch vom entsprechenden Kompetenz­tat­bestand der Verfassung ausgehen.

Es ist unrichtig, dass mit diesem Gesetz nicht die modernsten Sicherheitsrichtlinien, die es überhaupt gibt, berücksichtigt worden wären. Es kommt im Wesentlichen zur Ein­führung von regelmäßigen Sicherheitsanalysen, von Sicherheitsberichten durch unab­hän­gige Fachleute, diese sind zwingend in allen Bereichen durchzuführen. Es kommt zu periodischen Überprüfungen auch hinsichtlich des Brandschutzes. Wir führen mit


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diesem Gesetz auch eine Art Führerschein für Betriebsleiter mit einer umfassenden verbesserten Ausbildung und mit einem Betriebsleiterpatent neu ein.

Vor allem ist nicht richtig, wie Sie es sagen, dass in diesem Gesetz der Natur- und Um­weltschutzgedanke nicht ausreichend berücksichtigt würde, denn bereits im Rah­men eines eigenen UVP-Verfahrens oder durch Prüfung dieser Belange wird ja im Kon­zessionsverfahren darauf Rücksicht genommen, ob Natur- und Umweltschutz entsprechend berücksichtigt sind. Es müssen auch immer entsprechende Experten des Naturschutzes in das Genehmigungsverfahren mit eingebunden werden.

Meine Damen und Herren! Weil Sie sagen, dass in diesem Gesetz die Alpenschutz­kon­vention nicht berücksichtigt würde, muss ich Sie schon darauf hinweisen, dass natürlich diese Angelegenheit in erster Linie Sache der Länder ist. Die Belange der Alpenschutzkonvention haben die Länder im Rahmen ihrer Naturschutzgenehmigun­gen entsprechend zu erledigen, miteinzubinden, und wir fordern auch die Länder auf, diese Alpenschutzkonvention im Rahmen ihrer Naturschutzgesetzgebung entspre­chend zu berücksichtigen.

Noch einmal: Ich stelle ausdrücklich fest, dass in diesem Gesetz gerade die Natur­schutzbelange voll mit eingebunden sind. Ich bin der Meinung, dass dieses Gesetz ein modernes Gesetz ist, ein Gesetz, das alle Sicherheitsrichtlinien entsprechend berück­­sichtigt und das auch auf den Naturschutzgedanken, wie es notwendig ist, ent­spre­chend umfassend Wert legt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.26

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich frage: Wünscht dazu noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Es liegen also wirklich keine Wortmeldungen mehr vor, und die Debatte ist daher ge­schlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des National­rates, und diese Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Ok­tober 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz geän­dert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Seil­bahnen erlassen wird (Seilbahngesetz 2003 – SeilbG) und mit dem das Eisen­bahn­gesetz 1957 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2003 betreffend das Protokoll vom 3. Juni 1999 betreffend die Änderung


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des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 samt Erklärung der Republik Österreich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2003), das Bundesbetreuungs­ge­setz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat und das Mel­degesetz geändert werden (120 d.B. und 253 und Zu 253 d.B. sowie 6870/BR d.B., 6871/BR d.B. und 6885/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Höfinger übernommen. Ich bitte ihn um die Berichterstattung

 


Berichterstatter Johann Höfinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2003), das Bundesbetreuungsgesetz, das Bundesge­setz über den unabhängigen Bundesasylsenat und das Meldegesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verle­sung, und ich komme somit sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 4. No­vember 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen diesen Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Todt. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.30

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen die Tragweite dieses Gesetzes vor Augen führen, in dem ich Ihnen in Erinnerung rufe, was Artikel 14 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ vom 12. Dezember 1948, Resolution der UN-Generalversammlung, aussagt – ich zitiere –:

„Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und Asyl zu genießen.“

Österreich ist durch die Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet, Asylwerbern ein faires Verfahren zu gewährleisten. Die notwendige Grundlage dafür ist auch eine Abdeckung der Grundbedürfnisse während dieses Verfahrens. (Präsident Ager übernimmt wieder den Vorsitz.)

Das ist jedoch in Österreich derzeit nicht gewährleistet. Seit dem Inkrafttreten der Richt­linie des Innenministeriums für die Aufnahme von AsylwerberInnen in die Bundes-


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betreuung im Oktober 2002 hat sich die Situation drastisch verschärft: Wurden früher zumindest Familien und besonders bedürftige Personen größtenteils betreut, stehen jetzt auch Eltern mit Kleinkindern, Schwangere, chronisch Kranke und Traumatisierte auf der Straße.

Durch die geltenden Bestimmungen müssen viele ihr Asylverfahren auf der Straße abwarten. Die Notquartiere verschiedener Einrichtungen reichen schon lange nicht mehr aus. Die Praxis des Bundes, AsylwerberInnen die Unterstützung zu verweigern, wurde nun vom Obersten Gerichtshof als rechtswidrig erkannt. Dennoch bestehen die angesprochenen Unzulänglichkeiten immer noch. Mit der vorliegenden Novelle wird sich die Situation im Prinzip noch verschärfen.

Damit wird zukünftig ein noch viel geringerer Teil der AsylwerberInnen Zugang zu einem, den internationalen Grundlagen entsprechenden Verfahren und dem daran ge­bundenen Anrecht auf Unterkunft, Verpflegung und Krankenversorgung haben.

Mit dieser Novelle setzen Sie bewusst die Praxis fort, Gesetze ungeachtet der Ver­fassung und der völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs zu beschließen. Asylge­setze und Bundesbetreuungsgesetze werden daher in der Liste jener 62 bisher beim Verfassungsgerichtshof als zumindest teilweise verfassungswidrig aufgehobenen Gesetze Aufnahme finden. Zudem wird Österreichs Ansehen in der Staatenge­mein­schaft als ein Land mit einer anerkannten Asyltradition deutlich geschwächt.

Zum bisherigen Vollzug des Asylrechtes will ich festhalten, dass 700 positive Asyl­bescheide jährlich nicht unbedingt einen Akt von Großzügigkeit darstellen. Der Ruf, den sich Österreich seit 1956 erworben hat, wird mit der derzeitigen Praxis extrem be­schädigt.

Mit dem vorliegenden Gesetz wird es für Flüchtlinge noch schwieriger werden, Schutz zu erhalten, und für Mitarbeiter der Asylbehörden werden weniger Möglichkeiten be­stehen, diesen zu gewähren. Dieses Gesetz ist in seinen Tendenzen so restriktiv, dass Österreich zum Schlusslicht bei den Asylbewerbungen in Europa werden wird. Nicht zuletzt haben auch die Vertreter des UNHCR in Genf bestätigt, dass dieses Gesetz folgende Merkmale hat: mehr Zugangsbeschränkungen, mehr Tempo, weniger Rechts­schutz.

Wie es derzeit ausschaut, darf ich hier an einem Beispiel veranschaulichen – ich möchte dabei einen Vergleich zwischen dem Arztbesuch in einem Krankenhaus und dem Ansuchen um Asyl bringen –: Wenn man heute in ein Krankenhaus eingeliefert wird, untersucht einem ein Arzt, und der stellt fest, ob man im Krankenhaus bleiben muss oder ob man ambulant behandelt wird.

Derzeit wird in Österreich der Asylwerber sozusagen von einer Krankenschwester un­tersucht, und es wird festgestellt, ob er hier bleiben kann oder ob er gehen muss. Erst wenn er dagegen Einspruch erhebt, kommt der Arzt und untersucht ihn.

Das neue Asylgesetz wird so sein, dass sozusagen der Portier beim Krankenhaus feststellen wird, ob man eine Krankheit hat. Die Asylwerber werden vom Portier – das ist die 72-Stunden-Regelung – zurückgewiesen werden, dann kommt die Kranken­schwes­ter, und dann kommt erst ein Arzt. – So schaut der Vergleich eines Asylan­suchens gemäß der neuen Asylgesetz-Novelle mit einem Arztbesuch in einem Kran­kenhaus aus!

Herr Bundesminister, Sie haben „NEWS“ ein Interview gegeben, und in diesem Inter­view werden Sie darauf angesprochen, dass Sie als ein Verfechter einer schwarz-grünen Koalition galten, und dann werden Sie gefragt, ob Sie denn dieses Asylgesetz auch dann so gemacht hätten, wenn Sie mit den Grünen in einer Regierung wären. Auf diese Frage antworteten Sie Folgendes – ich zitiere wörtlich –:


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„Es ist klar, dass ein Regierungsprogramm mit einem grünen Partner gerade im Asyl- und Fremdenbereich anders ausgeschaut hätte als mit der FPÖ als Partner. Das liegt in der Natur der Sache.“

Allein diese Aussage zeigt deutlich, wie zynisch (Bundesrat Manfred Gruber: Men­schenverachtend!) Sie mit Menschen und Menschenrechten umgehen!

Wir haben vor allem aus Gründen der Menschlichkeit, aber auch deshalb, weil sich auch Landesregierungen gegen dieses Asylgesetz gestellt haben, weil manche Lan­des­regierungen den Kontrollmechanismus in Gang gesetzt haben, wie etwa die ober­österreichische Landesregierung, die einstimmig beschlossen hat, dieses Asylgesetz beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, dagegen Klage zu erheben, einen begrün­deten Einspruch formuliert, der hier aufliegt.

Ich ersuche Sie, im Sinne der Menschlichkeit, im Sinne der österreichischen Asyl­tradition, im Sinne der österreichischen Reputation im Ausland und im Sinne der Bun­desländer unseren Einspruch zu unterstützen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.37

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Küh­nel. – Bitte.

 


16.37

Bundesrat Dr. Franz-Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor zirka 20 Minuten war ich draußen im Vorraum und habe über die APA erfahren, dass die Frau Bundesrätin Lich­tenecker bereits eine Rede über das Asylgesetz gehalten haben soll (Rufe bei der ÖVP: Wo?), und zwar hat man bereits um 13.58 Uhr des heutigen Tages in der APA das bekommen, was Frau Bundesrätin Lichtenecker in dieser Debatte sagen wird. Was sie sagen wird, das kann ich mir natürlich denken. Sie wird sicher nicht für das Asyl­gesetz sprechen. Ich würde bitten, in Hinkunft das mit einer Sperrfrist zu versehen.

Es gab im 19. Jahrhundert einen Ministerpräsidenten namens Taafe, und der ist nicht da­durch aufgefallen, dass er besonders viele Reformen im damaligen Österreich-Un­garn, und zwar im österreichischen Teil, weitergebracht hat, sondern er ist bekannt für den Ausdruck „weiterwursteln“. Unter „weiterwursteln“ verstand man damals „ir­gendwie dahinregieren“, „über die Runden kommen“.

Dieser Politikansatz aus dem 19. Jahrhundert ist sicher in der heutigen Zeit fehl am Platz. Er mag zwar typisch österreichisch sein, aber wenn man zu lange weiterwurstelt, dann kommt irgendwann einmal die Zeit, wo man vor einer Situation steht, wie es sie im 18. Jahrhundert bei der Französischen Revolution gab. Daher ist es notwendig, um das eben abzufangen, Reformen durchzuführen.

Eines wird von den Österreichern aller Seiten anerkannt: dass ein Reformbedarf ge­geben ist. Wir haben schon bei der Regierung Schüssel I gesehen und sehen es auch jetzt bei der Regierung Schüssel II: Egal, welche Politikfelder wir uns ansehen, es ist ein Reformbedarf gegeben!

Daher wird die ÖVP auch weiterhin die Triebkraft, der Motor für Reformen sein, und wir haben auch am 24. November vorigen Jahres dafür ein entsprechendes Mandat er­halten. Wir werden jene Partei sein, die moderne Lösungen anbietet (Bundesrat Man­fred Gruber: Das merkt man!), und zu diesen modernen Lösungen gehören selbst­verständlich auch gewisse Bereiche, die heute oft genug erwähnt worden sind. Ich will mich jetzt aber nicht auf diese Nebengeleise begeben.

Heute behandeln wir das Asylgesetz, und da ist eine Analyse in die Richtung not­wendig, dass wir im Jahr 2002 39 000 Asylanträge hatten. Wenn man dann hört – das


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war im Innenausschuss sehr gut aufbereitet –, dass von diesen Anträgen über 1 000 positiv erledigt worden sind, das heißt, dass Asyl gewährt worden ist, und 3 000 ab­gelehnt worden sind, dann fragt man sich natürlich: Was ist mit den anderen 34 000 Anträgen geschehen? – Dazu kann man sagen: Ein Teil ist noch nicht erledigt worden, okay, aber es wird auch erwähnt, dass es 21 000 Einstellungen gegeben hat.

Wenn man immer wieder sagt, Recht ist die eine Seite, aber es gibt immer wieder, wie das Leben so spielt, Fälle, die nicht in das Schwarz-Weiß-Schema hineinpassen, son­dern in die so genannte Grauzone, dann muss ich sagen, dass 21 000 Fälle schon eine sehr breit angelegte Grauzone ist. Das heißt, da besteht großer Handlungsbedarf, und daher ist es dringend geboten, eine Regelung, eine Reform zu machen.

Bundesminister Strasser hat eben diesen Mut gefunden und ist das Problem angegan­gen. Eines müssen Sie zugeben: Wenn 21 000 Verfahren eingestellt worden sind, dann zeigt das doch eindeutig, dass ein Änderungs- und Handlungsbedarf gegeben ist. Österreichs Ruf als hervorragender Verwaltungsstaat, den wir uns schon in der Mo­narchie erworben haben, steht auf dem Spiel, wenn solche Zahlen vorliegen. Das AVG verlangt nämlich ganz eindeutig, dass innerhalb einer gewissen Zeit die Angele­gen­heiten zu erledigen sind.

Das Zweite sind die gesetzlichen Bestimmungen, und an diesen hat sicherlich auch die ÖVP mitgewirkt, das will ich nicht abstreiten. Der Brauch, dass die Gesetzesbestim­mungen oft sehr unklar sind und durch die obersten Gerichte entsprechend interpretiert werden müssen, sollte langsam ein Ende finden. Es soll eine klare, eindeutige und einfache Gesetzessprache und auch eine gesetzliche Regelung gefunden werden.

Das Dritte ist: Verfahren sind zu beschleunigen. Wir in Österreich machen uns immer wieder über so genannte italienische Verhältnisse lustig, darüber, dass es dort Straf­prozesse gibt, die viele Jahre dauern, und dass es dann noch eine Regelung gibt, die besagt, dass dann, wenn jemand in einer bestimmten Zeit zu keinem rechtskräftigen Urteil kommt, dann freizulassen ist. Das soll es in Österreich auf keinen Fall geben, son­dern es ist notwendig, dass Verfahren beschleunigt werden.

Die Beschleunigung kann erfolgen entweder durch organisatorische Maßnahmen oder durch rechtliche Maßnahmen. Der Herr Bundesminister hat auf organisatorischem Gebiet den Ansatz doppelt gesehen, nämlich dass einerseits eine Trennung des Zu­lassungsverfahrens von der materiellen Entscheidung erfolgt, dass bereits bei der Ersteinvernahme dem Flüchtling, dem Asylwerber gewisse Sachen klar gesagt werden und in den zu errichtenden Erstaufnahmestellen, in denen ein Rechtsberater, ein Dol­metsch und so weiter zur Verfügung stehen, bereits – das ist sehr wichtig, und das ist auch ein christlicher Ansatz – die Spreu vom Weizen getrennt wird, indem die Frage ge­klärt wird: Was ist ein echter Asylwerber, und was ist ein Wirtschaftsflüchtling? (Bun­desrat Manfred Gruber: Viel christlich ist da nicht mehr dabei!)

Bundesrat Todt hat auch gesagt, dass in diesem Bereich offensichtlich doch nicht alles so klar sei. Jedenfalls ist der Graubereich einzuschränken.

Die rechtlichen Maßnahmen führen beinahe zu einem Aufstand in der International Com­munity, da Österreich jetzt im Berufungsverfahren ein Neuerungs­verbot einführt. Im Zivilprozess gibt es das Neuerungsverbot schon. Ich als aufrechter öster­rei­chi­scher Staatsbürger – das sind Sie natürlich auch – möchte haben, dass, wenn jemand einen Wunsch äußert, sofort alles auf den Tisch gelegt wird. Genau das soll man tun! Wenn wir im Verfahren vorsehen, dass diese Sachen nicht sofort auf den Tisch gelegt werden, dann fördern wir das Geschäft, den hoch angesehenen Beruf der Rechts­an­wälte, die dann durch Fristverlängerungen, durch neue Anträge und so weiter das Ver­fah­ren in die Länge ziehen. (Bundesrat Manfred Gruber: Für den, der alles auf den Tisch legt, soll es Rechtssicherheit geben, und die gibt es nicht!)


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In Österreich haben wir schon noch Rechtssicherheit! Bitte, das bezweifeln Sie besser nicht! (Bundesrat Manfred Gruber: Das sehen wir, was der Verfassungsgerichtshof alles aufhebt!)

Das so genannte Neuerungsverbot, das von Ihnen so scharf kritisiert wird, ist im Grunde genommen sehr gemildert, denn wenn ich mir den neuen § 32 Abs. 1 ansehe, sind vier Gründe angegeben, wann das Neuerungsverbot nicht zum Tragen kommt. Ich möchte mich jetzt nicht dazu verbreitern. Theoretisch haben Sie alle den Gesetzestext vor sich liegen und ihn natürlich auch gelesen, daher spare ich mir das. Aber das Neuerungsverbot ist dort ganz klar eingeschränkt.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Ein Handlungsbedarf ist gegeben. Es ist im Asylverfahren die Spreu vom Weizen zu trennen. Eines ist aber sichergestellt: Wer Asyl in Österreich braucht, der wird es auch in Zukunft bekommen. Damit versuchen wir – es gibt den berühmten Spruch, den vor allem die Juristen immer wieder gerne erwähnen: auf der Erde gibt es nur das Gesetz, die Gerechtigkeit gibt es nur im Himmel –, ein hohes Maß an Gerechtigkeit auf die Erde zu holen.

Ich möchte mich auch noch bei den Beamten, die mich im Innenausschuss beraten und mir Auskunft erteilt haben, und bei Ihnen, Herr Bundesminister, sehr herzlich be­danken.

Abschließend möchte ich noch erwähnen: Selbstverständlich hat meine Fraktion ein Interesse an einer EU-weiten Regelung. Es wird sicher einmal dazu kommen, aber Österreich jetzt so hinzustellen, als ob bei uns mehr oder weniger balkanesische Zu­stände oder etwas Ähnliches herrschen würden, ist sicher nicht in Ordnung. Wir sind weiterhin ein Rechtsstaat. Wir beschleunigen das Verfahren in hohem Maße, und das ist, bitte, auch im Interesse der österreichischen Steuerzahler. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.47

 


Präsident Hans Ager: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Lich­tenecker. – Bitte.

 


16.47

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister! Werte Gäste! Herr Dr. Kühnel, danke für die Information, dass meine Stellungnahme zum Asylgesetz, welches ich aufs Schärfste verurteile, schon veröffentlicht ist,. Das ist meine Meinung, die ich gestern vertreten habe, die ich jetzt vertrete und die ich auch morgen haben und in Zukunft verteidigen werde. Also in diesem Sinne ist das kein Problem. Es ist gut, wenn die Außenwelt vorzeitig informiert wird. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Die zweite Auflage der ÖVP/FPÖ-Regierung hat bereits Übung in der Gestaltung von Gesetzen, die nach einem bestimmten Zeitraum als verfassungswidrig aufgehoben werden, wie etwa die Einfärbung des Hauptverbandes, die berühmten Ambulanz­gebühren und die Unfallrentenbesteuerung. Verfassungsexperten meinen auch, das UOG werde so nicht standhalten. Wir werden uns sozusagen wieder einmal überra­schen lassen.

Eines dieser so genannten Reformprojekte ist jetzt das Asylgesetz. Die Frage ist: Wie ver­wendet man den Begriff Reform? Wofür steht Reform? – Reform ist etwas Po­sitives. Reform heißt Verbesserung, Erneuerung, Innovation. Das, wofür dieser Begriff in dieser schwarz-blauen Regierung steht, ist sehr zynisch, denn letztendlich geht es dabei darum, gewachsene Strukturen zu zerstören, Chaos zu verursachen und groß angelegten Postenschacher zu betreiben. Dafür steht in diesem Land inzwischen der


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Begriff Reform, der von Schwarz und Blau verwendet wird. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Letztendlich geht es beim Asylgesetz wie auch beim Bundesbetreuungsgesetz um zwei Ebenen, auf die ich gleich zu sprechen kommen werde. Sie sind der Grund, wa­rum das Gesetz abzulehnen ist und warum wir es in dieser Form auf keinen Fall mit­tragen werden.

Das Eine ist, dass bei Ablehnung in der ersten Instanz Asylwerber bereits während der Berufungsfrist abgeschoben werden können. Das widerspricht jeglicher Rechtsstaat­lich­keit. (Bundesrat Mag. Himmer: Sie wissen, dass das falsch ist!)

Das Neuerungsverbot ist klar, das stimmt so in dieser Form. Flüchtlinge, die aus siche­ren Drittstaaten kommen, haben keinen Asylanspruch. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Herr Himmer, ich kenne Ihren Reformbegriff, lassen Sie das!

Es können keine Asylanträge an den Grenzen gestellt werden. – Das ist eine Menge an Punkten. Außerdem ist es beim Bundesbetreuungsgesetz so, dass nach wie vor kein Rechtsanspruch verankert ist – das kritisieren wir – und im Nachhinein eine Ent­eig­nung von Mitteln der NGOs betrieben wird.

Es gibt eine Menge Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmungen hier – das ist gut so –, und da würde ich schon gerne wissen, wie Sie es sehen würden, wenn im Nachhinein Wirtschaftsförderungsinstrumente geändert und Sie vor völlig neuen Situ­ationen stehen würden. – Das kann doch nicht sein!

Letztendlich sprechen diese beiden Bereiche einerseits gegen die Rechtsstaatlichkeit in diesem Land – es ist ein Verstoß dagegen –, und andererseits ist es eine Verhöh­nung von Werten wie Gerechtigkeit und Menschlichkeit, also von Grundpfeilern in einer humanistischen Gesellschaft. Genau das sind im Wesentlichen unsere Kritikpunkte!

Hinsichtlich des Verstoßes gegen die Rechtsstaatlichkeit gibt es zahlreiche Unterstüt­zungen aus den NGOs, vom UN-Flüchtlingshochkommissariat und so weiter. Es ist klar, dass dieses Gesetz der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention widerspricht. Die Kritik prallt und perlt aber an dieser Regierung ab. Man kümmert sich nicht und arbeitet weiter. (Bundesrat Mag. Himmer: Sind Sie Bun­desrätin oder Verfassungsrechtlerin?)

Herr Innenminister Strasser! Sie sind am 23. Oktober bei Frau Thurnher in der „ZiB 2“ gewesen und auf das Asylgesetz angesprochen worden. Sie haben darauf verwiesen, dass es in Großbritannien unter Tony Blair ein noch viel schärferes Asylgesetz gebe. Es stellt sich schon die Frage, ob man ein Land wie Großbritannien als Vorbild für Öster­reich nehmen soll, weil letztendlich der Herr Vizekanzler ... (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Strasser.) Sie haben gemeint, Großbritannien mache eine Ver­schärfung, daher machen wir in Österreich das auch. So war das in der „ZiB 2“ zu verstehen.

Herr Gorbach ist heute für die Deregulierung eingetreten. Die Deregulierung wurde in Großbritannien ja „bravourös“ vollzogen, sie hat nichts anderes gebracht als ein desolates Sozialsystem, ein kaputt gespartes Gesundheitssystem. Die Spuren der Deregulierung haben auch im öffentlichen Verkehrsnetz negative Folgen hinterlassen.

In den Medien ist immer wieder die Rede von Wirtschaftsflüchtlingen. Es wird die Fra­ge gestellt: Was haben Wirtschaftsflüchtlinge hier verloren? Es heißt auch, die Ver­fahren sollten beschleunigt werden. – Ich weiß nicht, wer von Ihnen schon in Ländern wie Kolumbien, Honduras, El Salvador war. Wenn Sie dort waren, dann schätzen Sie den Wert der inneren Sicherheit, dann wissen Sie, wie unsicher es in einsameren Ge-


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genden, am Abend und so weiter dort ist. Es ist auch klar, dass die schlechte wirt­schaftliche Situation in der Regel meist mit einem Mangel an innerer Sicherheit ein­hergeht. Daher haben, so denke ich, Wirtschaftsflüchtlinge genauso einen Anspruch auf ein faires Asylverfahren. Genau das ist der Punkt, um den es uns geht!

Ich weiß schon, es ist üblich, mit Zahlen zu argumentieren, nämlich, wie viele Anträge auf Asylverfahren derzeit gestellt werden, wie viele abgelehnt werden und so weiter, aber eines muss schon klar sein: Es geht nicht um Zahlen und Statistiken, sondern es geht um Menschen! Es geht um Frauen und Männer, es geht um Kinder, um Jugend­liche, um alte Menschen, die in einer schwierigen Situation Unterstützung brauchen. Ich denke, dafür ist ein Land wie Österreich auch da, nämlich aktive Unterstützung in einer Notsituation zu gewähren.

Wir kritisieren letztendlich, dass das ein Gesetz gegen die Rechtsstaatlichkeit, gegen die Gerechtigkeit und Menschlichkeit ist. Das grausame Verfahrenstempo wird mit Effi­zienz begründet, und es wird mit Willkür drübergefahren. Das ist ein Punkt, den wir so nicht mittragen können!

Aus Oberösterreich kommt eine Initiative, die gemeinsam von den Regierungsparteien, von ÖVP, SPÖ und Grünen getragen wurde, nämlich das Asylgesetz vor den Ver­fassungsgerichtshof zu bringen, das heißt also, das novellierte Asylgesetz anzufech­ten.

Meine Damen und Herren! Geschätzte Gäste! Diese Initiative kommt nicht allein von den Grünen, sondern sie wird gemeinsam von der ÖVP, von der SPÖ und von den Grünen getragen. In diesem Sinne, denke ich, wäre es auch ein gutes Zeichen von den oberösterreichischen Bundesräten, diesbezüglich ein Signal zu setzen (Bundesrat Manfred Gruber: Der Koalitionspartner ÖVP!), eine Allianz für die Rechtsstaatlichkeit, für die Menschlichkeit und für die Gerechtigkeit in diesem Land zu bilden und gemein­sam mit der SPÖ und mit den Grünen diesen Weg gegen dieses Gesetz zu gehen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.56

 


Präsident Hans Ager: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Hagen. – Bitte.

 


16.56

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Vorweg sei gesagt: Es hat niemand etwas dage­gen, wahren Verfolgten in Österreich Asyl zu gewähren. Das sei hier einmal ganz klar festgestellt. Ich habe aber von wahren Verfolgten gesprochen, ein Wirtschaftsflüchtling ist für mich kein wahrer Verfolgter. (Bundesrat Manfred Gruber: Wie definiert man das?)

Kollegin Lichtenecker hat hier gemeint, dass es um die innere Sicherheit in jenen Län­dern, aus welchen Wirtschaftsflüchtlinge kommen, schlecht bestellt sei und diese deswegen nach Österreich kämen. Das ist meiner Meinung nach kein Asylgrund. Das ist ein Grund, in einem anderen Land arbeiten zu wollen und in ein anderes Land zu wechseln, wenn man dort aufgenommen wird, aber bitte nicht unter dem Aspekt Flüchtling.

Herr Kollege Todt hat die Frage des fairen Verfahrens angesprochen. Dazu darf ich ihm sagen: Österreich ist ein Rechtsstaat, und ich glaube, dass in einem Rechtsstaat davon ausgegangen werden kann, dass ein faires Asylverfahren durchgeführt wird.

Er hat auch darauf hingewiesen, dass letztes Jahr 700 Bescheide positiv ausgestellt worden sind. Wenn man sich die große Zahl an Asylsuchenden in Österreich vor Augen führt – man hat vorhin von etwa 40 000 gesprochen – und weiß, dass 700 An-


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träge positiv behandelt wurden – ich gehe von einem Rechtsstaat aus, das heißt, dass nach Gesetz und Recht gehandelt wird –, dann muss man sich schon fragen, wie viele Leute eigentlich ein gutes Gesetz beziehungsweise ein Gesetz, das verbes­serungs­bedürftig ist, wie wir jetzt sehen, missbraucht haben und welche Gründe diese Leute haben, dieses Gesetz zu missbrauchen.

Herr Kollege Todt hat hier auch das „NEWS“-Interview des Herrn Ministers Strasser er­wähnt, in welchem davon die Rede ist, dass bei einer Regierungsbildung mit den Grünen dieses Asylgesetz etwas lascher – sagen wir einmal lascher – oder vorsichtiger ausgefallen wäre. Gott sei Dank ist es nicht, so muss ich sagen, zu dieser Regierung gekommen, Gott sei Dank gibt es diese Koalition zwischen ÖVP und FPÖ, denn das, was dann auf die Österreicherinnen und Österreicher zugekommen wäre, hätten wir, so meine ich, diesen nicht zumuten können. Aber darauf werde ich später noch zu sprechen kommen.

Meine Damen und Herren! Nun zu den Schlepperbanden: Wir haben vor kurzem wie­der gehört, dass eine große Anzahl von Schleppern aufgeflogen ist und dass diese auch festgenommen werden konnten, Schlepper, die unheimlich große Geschäfte mit der Armut von Menschen gemacht haben. Mich wundert es immer, woher das Geld kommt – 7 000 €. Diese Leute haben ihre Heimat aufgegeben. Informieren Sie sich einmal, wie sich das in diesen Ländern abspielt, wie man diese Leute rekrutiert, um sie hierher zu bringen, ihrer Meinung nach in den „goldenen Westen“, in das „Schlaraf­fenland“! All das gebe es bei uns, erzählt man ihnen. Das ist arg! Doch Sie wollen mittels Asylgesetz, das total weich ist, allen Tür und Tor öffnen in diesem vermeint­lichen Schlaraffenland. Sie wollen es noch fördern, dass diese Leute ihre Heimat ver­lassen und in eine unsichere Zukunft gehen. Das kann es doch, bitte, wirklich nicht sein!

Es ist hier auch davon gesprochen worden, dass viele der Flüchtlinge Wirtschafts­flüchtlinge sind – das sieht man auch an der hohen Zahl an Ablehnungen.

Wenn man in Asylheimen nachfragt – Kollegin Partik-Pablé aus dem Nationalrat war in Traiskirchen ... (Bundesrätin Kerschbaum: Warst du nicht mit? Wir schon!) – Nein, ich war nicht mit, aber ich habe das laufend vor der Tür, und ich kann Ihnen dann sagen, warum und wieso. Ich habe laufend mit Flüchtlingen zu tun, und das sind wirklich teilweise arme Leute, deren Schicksal mir im Herzen weh tut, wenn zum Beispiel Frauen mit Kindern dastehen und nicht mehr wissen, wo es lang geht, die ganze Zukunft verbaut ist. Wenn man sie fragt, was man ihnen eingeredet hat, erfährt man, dass man ihnen den goldenen Westen versprochen hat. Auf diese Weise hat man Geschäfte gemacht, die haben zu Hause alles verkauft. (Bundesrätin Kerschbaum: Und jetzt „hilft“ man ihnen, indem man sie zurückschickt!) Das kann es wirklich nicht sein! – Aber ich komme dann noch darauf zurück.

Ich darf jetzt noch einmal auf Kollegin Abgeordnete zum Nationalrat Partik-Pablé zu­rück­kommen. Sie war mit anderen in Traiskirchen, und dort hat man Leute in verschie­denen Zimmern besucht und gefragt, warum sie nach Österreich gekommen sind und hier Asyl suchen.

Da war ein Armenier, sagte sie, den haben wir gefragt, warum er in Österreich ist. Er hat gesagt, „Gesundheit nicht gut“ in seinem Land, er muss sich hier operieren las­sen. – Da muss ich Sie fragen: Sind wir das Spital für die ganze Welt? Wer finanziert dieses Spitalssystem für die ganze Welt? Die EU ist es nicht, und es ist auch nicht die UNO, sondern es sind wir österreichischen Steuerzahler!

Im zweiten Zimmer war eine Frau aus der ehemaligen UdSSR. Man hat auch sie gefragt, warum sie hier ist. Sie hat gesagt: „keine Arbeit in Russland“. – Das ist mir verständlich, aber, bitte, sie ist ein klarer Wirtschaftsflüchtling!


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Im dritten Zimmer kam die Antwort: Österreich ist ein schönes Land, und deshalb sind wir hier. – Diesen Leuten kann ich empfehlen, hier den Fremdenverkehr zu beleben, wenn es ihnen möglich ist – oder auch nicht –, aber das ist, bitte, kein Asylgrund! (Bun­desrätin Schlaffer: Bitte nicht so zynisch!)

Wir müssen auch von Folgendem ausgehen: Diese Leute wurden von den Schleppern ausgebeutet. Und mit einem laschen und lockeren Asylgesetz wird das, wie gesagt, vom österreichischen Staat gefördert.

Ich habe das heute schon einmal zitiert: Ich war heute bei der ungarischen Freund­schaftsgruppe und habe auch das Thema Asyl angesprochen. Es hat mich in den letzten Tagen schon etwas verwundert – Frau Kollegin Lichtenecker hat das auch an­ge­sprochen –, dass das Asylverfahren bei Asylwerbern, die aus einem sicheren Dritt­staat kommen, abgelehnt wird – das ist mir verständlich –, dass es aber laut dieser Flüchtlingsgrundlinie nur zwei sichere Länder gibt, die Schweiz und Liechtenstein. Ungarn ist doch ein Staat, der meiner Ansicht nach sehr im Aufholen und mittlerweile sehr westlich orientiert ist, wird jedoch nicht als sicherer Drittstaat eingestuft. Für einen EU-Beitritt reicht es aber! – Da frage ich mich hinsichtlich der Werte der EU, die noch vor einigen Jahren Sanktionen über Österreich verhängt hat, weil eine Freiheitliche Partei der Regierung angehört hat, schon, mit welchen Maßstäben hier gemessen und was hier bezweckt wird.

Ich möchte noch einmal auf diese so genannten Flüchtlinge zurückkommen. Was mir sauer aufstößt, sind Zeitungsartikel (der Redner zeigt jeweils den entsprechenden Artikel): in den „Vorarlberger Nachrichten“: „Asylanten auf Diebestour“, weiters: „Asylanten auf Beutetour im Ländle“, „Asylwerber getarnt auf Diebestour durch Vor­arlberg“, „Kriminelle Asylanten müssen wieder zurück“ – aber nicht in ihr Heimatland, sondern, was mich sehr beunruhigt, nach Traiskirchen. Gewaltig!

Dann habe ich einen Artikel aus der „Kronen Zeitung“: „Asylantenheim neben dem Therapiezentrum“. Dann steht unten in einem Absatz: Faktum ist, dass sich in den vergangenen Monaten immer mehr Eltern bei der Polizei meldeten. Sie berichteten, dass ihren Kindern, die im Therapiezentrum vom Gift wegzukommen versuchen, gleich vor den Toren des Spitals von Schwarzafrikanern Rauschgift angeboten wurde.

Ein weiterer Zeitungsartikel: „3000 Afrikaner als Drogendealer“.

Dann etwas von Traiskirchen: „Mutter mit Kleinkind auf offener Straße überfallen und ausgeraubt“. Schrecksekunde für eine junge Mutter in Traiskirchen, Niederösterreich. In der Nähe des Flüchtlingslagers wollte die 19-Jährige Bianca W. mit ihrer 9 Monate alten Tochter Hanna gegen 18.30 Uhr einkaufen gehen. Plötzlich stießen zwei Schwarzafrikaner die Hausfrau von hinten nieder und raubten das Opfer aus. – Wenn Sie diesen Artikel lesen, dann stellen sich bei Ihnen die Zehennägel auf, das sage ich Ihnen!

Noch ein Artikel: „Flüchtling als Kopf einer Schlepperbande“. – Ebenfalls das Flücht­lingsheim Traiskirchen.

Herr Minister, wenn das, was ich heute in der Zeitung gelesen habe, wirklich wahr ist, muss ich Sie jetzt ein bisschen rügen (Ruf bei der SPÖ: Ein bisschen!) oder Ihnen das sofort wieder ausreden: Kaserne Lochau Asylheim, wenn Verkauf platzt. – Bitte, be­wahren Sie uns davor! Sie haben gestern im Radio Vorarlberg – ich habe es hier im Internet mitgehört – ganz klar gesagt: Wenn ein Bürgermeister das nicht wünscht, wird ihm das nicht aufgezwungen. Ich kann es Ihnen heute schon sagen: Die gesamte Region wünscht das nicht!

Ich denke nicht, dass das – das Domizil ist direkt am Bodensee – sehr förderlich für den Fremdenverkehr wäre. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber.) – Nein,


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aber ich kenne ihn sehr gut, und er hat sich klar dagegen ausgesprochen, wie Ihnen auch bekannt sein wird.

Kehren wir noch einmal zurück zu den 700 Asylwerbern, die positiv bewertet wurden, oder das schlimme Asylgesetz, das da kommen soll.

Meine Damen und Herren! Vor zehn Jahren gab es zirka 10 000 Asylwerber in Öster­reich, nicht einmal, und das war in der Zeit des Jugoslawien-Krieges – für mich ein berechtigter Grund, dass Flüchtlinge unterwegs waren. Heute sind es 40 000 Perso­nen, die nach Österreich hereindrängen. Und da komme ich noch einmal auf die Un­garn zurück, die zu mir ganz klar gesagt haben: Ungarn hat kein Problem mit den Asyl­werbern, und zwar deswegen – dessen können wir uns sicher sein –, weil dort die Umstände nicht so positiv sind wie in Österreich, wo jeder durchgefüttert wird, auf Staatskosten leben kann und Kettenanträge stellen kann.

Die Kettenanträge sind ja das große Problem: Wenn mein Antrag heute abgelehnt wird, stelle ich einen neuen Antrag, und dann bleibe ich da – und weiter geht die Ma­schinerie. Wenn ich wieder abgelehnt werde, finde ich wieder einen Grund und stelle einen neuen Antrag. – Das kann es, bitte, nicht sein. Das ist ein Missbrauch des Asyl­systems. Und unsere Flüchtlingslager sind heute deshalb so voll, weil viele Leute das Asylrecht, das ja gut ist, missbrauchen, wodurch die Plätze für die wirklichen Flücht­linge fehlen. Und das kann es, bitte, nicht sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich möchte noch einmal kurz zum Herrn Minister zurückkommen: Ich hätte schon ein paar Vorschläge, die in diesem Asylgesetz noch nicht enthalten sind, aber doch einmal angesprochen werden sollten, überhaupt in der EU oder bei der Genfer Flücht­lingskommission, die auch einmal überdacht werden müsste. Straffällige Asylwerber sind meiner Ansicht nach sofort abzuschieben. – Das hat es damals, als diese Kon­vention erstellt wurde, vielleicht nicht gegeben oder nicht in diesem Maße, aber das sollte einmal dort angesprochen werden.

Bitte, Herr Minister, zeigen Sie Mut, sprechen Sie dieses Problem einmal an! Das ist ein Problem, das nicht nur wir in Österreich haben, sondern ein Problem auf der gan­zen Welt oder speziell in Europa.

Der zweite Punkt, Herr Minister: Wenn man Zeitungen liest, stellt man fest, überall in Eu­ropa stöhnen die Leute über den großen Andrang von Asylwerbern. Ich habe dazu auch noch einen Artikel: „Rückführung von Illegalen beschleunigen“. – Das ist in Spanien. Spanien will straffällige Illegale in Zukunft rascher abschieben.

Herr Minister, Sie sind da nicht allein! Sprechen Sie bitte dieses Thema auf euro­päischer Ebene an, das wird dann nämlich auch von den zukünftigen EU-Staaten goutiert, wie jenen aus dem ehemaligen Ostblock, wie ich heute gehört habe, denn die nehmen sich ein gutes Beispiel an österreichischen Gesetzen, wie man mir heute ver­sichert hat. Da läuft ja, wie ich jetzt gerade gehört habe, im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit sehr, sehr viel, und sehr gute Sachen sind in Ausarbeitung. Wie gesagt, die Staaten nehmen sich ein Beispiel an Österreich, und Sie könnten da sicher zur Verbesserung der Situation in der zukünftig großen Europäischen Union beitragen. Bitte, nutzen Sie die Chance, machen Sie das – die Österreicher werden es Ihnen dan­ken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.09

 


Präsident Hans Ager: Zum Wort gemeldet hat sich Bundesminister Dr. Strasser. – Bitte, Herr Minister.

 



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17.10

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Ho­hes Präsidium! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zuerst zu den Fakten kommen.

Erstens: Vor fünf Jahren hatten wir in Österreich knapp 14 000 Asylwerber, letztes Jahr haben fast 40 000 Menschen Asyl beantragt. Damit hat Österreich im EU-Vergleich den stärksten Zustrom. Ein Vergleich mit unserem zehnmal größeren Nachbarn, der Bun­desrepublik Deutschland: Wir haben 40 000 Asylwerber, Deutschland hat 70 000 Asylwerber.

Zweitens: Über 80 Prozent der Asylwerber, die zu uns kommen, kommen ausschließ­lich aus wirtschaftlichen Gründen. Das ist keine Zahl, die wir erfunden haben, sondern das bestätigen unsere unabhängige Asylbehörde und auch der Hochkommissar des UNHCR Ruud Lubbers.

Drittens: Es hat leider sehr oft, insbesondere in der zweiten Instanz, Jahre gedauert und dauert Jahre, bis Verfahren abgeschlossen sind. Wir haben derzeit in der zweiten Instanz, das ist eine quasirichterliche Instanz, die völlig weisungsfrei und ohne jeden Einfluss durch das Ministerium, durch den Minister agiert, 11 000 unerledigte Akten liegen – 11 000 unerledigte Akten, hinter denen sich Menschenschicksale verbergen, hinter denen sich oft jahrelange Wartezeiten verbergen! Deshalb ist es notwendig, das österreichische Asylgesetz der geänderten Realität anzupassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ziel ist daher: schnellere und einfachere Verfahren und schnellst möglich Asyl für jene, die wirklich den Schutz des Asylrechtes brauchen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daher gilt selbstverständlich: Jeder, der jetzt in Österreich Asyl bekommt, wird es auch unter dem neuen Asylsystem bekommen, nur wesentlich schneller als bisher. Öster­reich ist und bleibt ein offenes Haus für Menschen, die Asyl suchen, aber wir wollen kein offenes Scheunentor für schäbige Geschäfte der Schleppermafia sein, und es soll auch kein Hintertürl geben für jene, die „Asyl“ sagen und etwas ganz anderes meinen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich darf Ihnen ein Beispiel aus der letzten Woche dafür bringen, was ich damit meine. In der letzten Woche sind 61 rumänische Staatsangehörige plötzlich in Traiskirchen auf­getaucht und haben am 30. Oktober direkt vor der Betreuungsstelle um Asyl angesucht.

Als wir die Ersteinvernahme durchgeführt haben, hat sich herausgestellt, dass es sich bei all diesen rumänischen Staatsangehörigen um Personen handelt, die bereits lange Zeit in Österreich – auch mit Arbeitsbewilligungen – waren, deren Arbeitsbewilligung aber abgelaufen ist. Und damit sie nicht aus Österreich weg müssen, haben sie das Men­schenrecht auf Asyl benützt, um ihren Aufenthalt zu verlängern. Aber das ist nicht die Intention des Asylrechts. Das ist nicht bezweckt mit diesem Menschenrecht. Damit wird Menschen, die Asyl suchen, das Recht genommen von jenen, die einfach nur dableiben wollen, weil sie – vielleicht zu Recht – ein besseres Leben haben wollen. Aber das kann nicht der Zweck eines Asylrechtes sein, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im Übrigen ist es nach dem bestehenden Recht so: Die 61 rumänischen Staatsbürger haben um Asyl angesucht – der Asylantrag ist selbstverständlich zu behandeln. Das ist ja das Problem: dass wir eine wesentlich raschere Vorgangsweise brauchen.

Wenn ein deutscher Staatsbürger aus Freilassing nach Österreich kommt, nach Salz­burg in die Gemeinde des Herrn Bürgermeisters Bieringer, und dort um Asyl ansucht, dann haben wir diesen Asylantrag zu behandeln. Und nach dem Urteil des Obersten


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Gerichtshofes haben wir ihm auch Wohnung, Verpflegung, medizinische Versorgung, all das zu geben. Ich glaube nicht, dass der Gesetzgeber von 1990 und die Richter des Obersten Gerichtshofes das intendiert haben, als sie dieses Gesetz und dieses Urteil geschrieben haben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und wenn die Frau Bundesrätin aus Oberösterreich von einem grausamen Ver­fahrenstempo spricht, möchte ich dafür plädieren, dass wir uns genau überlegen, was hier grausam ist. Ich sage Ihnen ganz offen und ehrlich: Ich halte es für grausam, dass Menschen, die mit einer Vision und mit dem Wunsch, ein besseres Leben zu führen, aus einer Weltgegend, wo es nicht gut ist, aber wo es keinen Asylgrund gibt – das ist ein großer Unterschied –, zu uns kommen – wir haben den tschetschenischen Schlep­perring vor 14 Tagen aufgedeckt, den ungarischen genauso, der aus dem Balkan Men­schen geschleppt hat, 4 000, die 1 000 € bezahlt haben, damit sie über die öster­reichische Grenze geschleppt worden sind – in der Hoffnung, ein besseres Leben zu führen, die dann aber zum Teil jahrelang in Notquartieren untergebracht werden, in der Hoffnung lebend, dass sie hier bleiben können. Und dann ergibt nach einigen Jahren das Urteil zweiter oder dritter Instanz, dass sie nicht bei uns bleiben können. 80 Pro­zent geht es so! – Das nenne ich grausam, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es ist notwendig, dass wir rasch Klarheit schaffen für den, der Asyl sucht, und für die österreichische Gesellschaft, die die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellt. Das ist die Aufgabe einer verantwortungsbewussten Bundesregierung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben daher dieses neue Asylsystem genau und detailliert vorbereitet. Wir haben unsere Vorstellungen schon im letzten August präsentiert. Wir haben das wiederholt durchdiskutiert Wir haben jeden Vorschlag, der dazu führt, dass wir die Verfahren beschleunigen, dass wir uns selbstverständlich im europäischen System aufhalten und drittens dafür sorgen, dass rasch und transparent Recht gesprochen wird, aufgenom­men. Ich bedanke mich bei allen, die hier Beiträge geliefert haben, die wir bis in den Innenausschuss aufgenommen haben, um ein bestmögliches System zu bekommen.

Also: erstens beschleunigen, zweitens im europäischen Kontext einhergehen und drit­tens Rechtsklarheit für alle. – Da darf ich Ihnen sagen: Ich habe mir den Beschluss der oberösterreichischen Landesregierung sehr genau angesehen. Ich halte ihn für klug und günstig, denn darin ist vorgesehen, dass sich die oberösterreichische Landes­regierung die Praxis dieses neuen Asylverfahrens ansehen wird und danach urteilen wird, was sie zu tun gedenkt. – Das macht jeder vernünftige Mensch, das macht jeder erfahrene Kaufmann, das macht jeder erwachsene Bürger.

Ich darf Ihnen ganz offen sagen, Frau Bundesrätin: Wenn dieser Beschluss dazu bei­trägt, dass ein junges Pflänzchen der Zusammenarbeit, das da in Oberösterreich so­zusagen ein bisschen zu sprießen beginnt (ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen), mit etwas Substral versorgt wird, dann soll mir als Innenminister und als Staats­bürger das Recht sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Damit kommen wir gleich zum Vergleich, wo wir innerhalb Europas stehen. Es ist schon auffällig, dass die beiden Redner von den Sozialdemokraten und den Grünen, die ich hier gehört habe, diese Gesetzesvorlage geißeln. Ich darf Sie einladen, sich die deutsche Asylpraxis und -gesetze anzuschauen. (Bundesrätin Schlaffer: Wir sind in Österreich!) Darf ich Sie bitten, einen Vergleich anzustellen? – Das deutsche Asyl­gesetz ist schärfer als das, das hier zur Debatte steht.

Und damit wir auch das sehr klar ansprechen, Frau Bundesrätin: Das englische Asyl­system möchte ich nicht (Bundesrätin Schlaffer: Das heißt ja nicht, dass es besser


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ist!) – ich habe es auch nicht vorgeschlagen. Es ist wesentlich schärfer. Ich darf Ihnen ein Zitat bringen, was dort angedacht ist.

Aus der APA vom 27. Oktober 2003 – Zitat –: „Die britische Regierung plant nach eige­nen Angaben schärfere Bestimmungen für Asylwerber. Ziel sei, Bewerber ohne be­rechtigten Anspruch von einer Ausnutzung des Systems abzuhalten“. – Gar nicht zu­zulassen! Das ist das Ziel der Labour-Regierung, Frau Bundesrätin!

Weiters heißt es: „Das Innenministerium in London gab am Montag Gesetzesentwürfe bekannt, die eine Bestrafung von Asylbewerbern vorsehen, die ihre Reisedokumente vernichten oder wegwerfen. Die Vorschläge sehen ferner vor, Bewerber abzulehnen, die bereits in einem sicheren Drittstaat um Asyl angesucht haben. Die Unterstützung für Familien, denen die Rückkehr in ihre Heimat möglich wäre, die aber dazu nicht be­reit sind, soll eingestellt werden.“

Darf ich Ihnen ganz offen sagen: Solche Vorschläge hören Sie von dieser Bundes­regierung nicht. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion! Das sind Vorschläge Ihrer Schwesterpartei, nicht einer christlich-demo­kra­tischen Partei. Eine christlich-demokratische Partei würde solche Vorschläge auch nicht erstellen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Und nun noch ein Wort zu den sicheren Drittstaaten. Darf ich die verehrten Redner der Sozialdemokratie und der Grünen aufmerksam machen, dass es in der Bundesrepublik Deutschland unter einem sozialdemokratischen Innenminister und unter grüner Regie­rungs­beteiligung eine Drittstaatenliste gibt, auf der afrikanische Staaten stehen, eine Drittstaatenliste, die dafür gesorgt hat, dass in der Bundesrepublik Deutschland vorher 432 000 Asylanträge gestellt worden sind und ab dem Zeitpunkt, zu dem die Drittstaatenliste in Geltung war, die Zahl der Anträge auf die genannten 70 000 herun­tergegangen ist. – Das ist die Verwaltungs- und die Gesetzespraxis in der sozial­demo­kratisch-grün regierten Bundesrepublik Deutschland! Wir haben eine Drittstaatenliste, die genau zwei Staaten umfasst: Liechtenstein und die Schweiz. Das ist eine wesent­lich liberalere Bestimmung als das, was Ihre Fraktionskollegen in der Bundesrepublik Deutschland seit Jahren praktizieren, meine sehr geehrten Damen und Herren! Daher verstehe ich Ihre Einwände gegen das, was wir hier vorschlagen, überhaupt nicht. Ich würde von Ihnen erwarten, dass Sie heftig gegen die Verwaltungspraxis protestieren, wie sie in Deutschland gemacht wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Frei­heitlichen.)

Damit zur Bundesbetreuung. Auch hier in aller Klarheit: Im Februar 2000 hatten wir 2 300 betreute Plätze in Österreich. Heute, nach dreieinhalb Jahren dieser Bundes­regierung, ist die Zahl dieser Betreuungsplätze dreimal so hoch: über 9 000 Plätze. Ich darf Ihnen auch sehr offen und sehr klar sagen: Das Innenministerium stellt Geld zur Verfügung, und jedes Quartier, das uns genannt wird und den Richtlinien entspricht, werden wir nehmen. Wir haben in den letzten vier bis sechs Wochen 1 000 zusätzliche Quartiere genommen, weil wir alles dazu beitragen wollen, dass jeder, der um Asyl ansucht, der in diesem Bereich in Not ist, auch ein Dach über den Kopf bekommt und nicht auf der Parkbank, und schon gar nicht im Winter, sein muss. Das ist unsere Ab­sicht.

Aber eines muss ich auch in aller Klarheit feststellen: Es wird kein Quartier gegen den Willen eines Bürgermeisters und eines Gemeinderates angenommen werden. Und ich sage auch sehr klar: Auch hier im Raum sitzen Bürgermeister – ich möchte es Ihnen ersparen, dass ich die Namen hier nenne –, auch von der Sozialdemokratischen Partei sitzen hier herinnen in diesem Raum Bürgermeister, die es abgelehnt haben, Quartiere anzunehmen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich darf die Sozialdemokraten einladen:


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Reden Sie doch mit dem Bürgermeister von Stockerau! Reden Sie mit dem Bürger­meister von Salzburg! Reden Sie mit dem Bürgermeister von Wollersdorf! Dort haben wir Quartiere.

Sie haben ganz sicher aus einem guten Grund – ich verstehe die Entscheidung – gesagt: Ich will das meiner Bevölkerung nicht zumuten! Aber das, was ich nicht ver­stehe, ist, dass Sie hier Wasser predigen und in den Gemeinden Wein trinken. Das ist keine ehrliche und offene Tat! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte auf der anderen Seite allen Bürgermeistern, allen Gemeinderäten, allen Stadträten danken, die dazu beitragen, dass wir 9 000 Quartiere zur Verfügung stellen können. Ich möchte ganz besonders eine Gemeinde herausheben, die hier wirklich sehr mithilft und Vorbild ist. Ich möchte mich hier vor dem Hohen Bundesrat bei der Stadtgemeinde St. Johann im Pongau bedanken. Ich möchte danken Herrn Bür­germeister Mitterer und seinem Gemeinderat, möchte ganz besonders herzlich danken Herrn Hauptschuldirektor Andreas Egger, und ich möchte mich bedanken bei der Familie Egger.

Die Familie Egger ist eine Hoteliersfamilie, die einen Vier-Stern-Betrieb führt, einen hervorragenden Gastronomiebetrieb, und in einem Gebäude direkt daneben, von ungefähr vier Meter Straße begrenzt, 60 Asylfamilien vorbildhaft betreut. Ich möchte mich im Namen der Republik und als Innenminister bei der Familie, beim Bürger­meister, beim Hauptschuldirektor und bei allen Mitarbeitern in der Gemeinde bedan­ken, dass sie ein Vorbild dafür sind, dass Miteinander und nicht Gegeneinander in Öster­reich funktionieren kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf abschließend festhalten, Österreich ist und bleibt ein Haus für Menschen, die Asyl suchen, aber wir sind kein Scheunentor für jene, die das Menschenrecht Asyl für asylfremde Zwecke verwenden. Da wird die­ses neue Gesetz sehr stark mithelfen, und ich danke für die Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.26

 


Präsident Hans Ager: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Manfred Gruber zu Wort gemeldet.

Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berich­tigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhalts zu beschrän­ken. – Bitte.

 


17.27

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Danke, Herr Präsident. Ich werde die 5 Minuten nicht überschreiten, aber da der Herr Innenminister gesagt hat, hier sitzen Bürgermeister der Sozialdemokratie ... (Bundesminister Dr. Strasser: Ein Bürger­meister! Ein Bürgermeister!) – Sie haben von Bürgermeistern gesprochen, und da fühle ich mich ... (Widerspruch bei der ÖVP. – Bundesrätin Schicker: In der Mehrzahl! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie haben mehrere Namen genannt, mehrere Orte genannt, Sie haben von Bürgermeistern gesprochen (Ruf bei der ÖVP: Stimmt nicht!), und da fühle ich mich angesprochen, Herr Innenminister. Ich darf Ihnen sagen, wir predigen nicht nur Wein, wir trinken ich ihn auch! Und was das Wasser betrifft (Bun­desrat Bieringer: Ist ja reiner, das Gasteiner!) – es ist reiner, du hast Recht, Ludwig! –, das mögen jene dazu trinken, die den Wein verdünnen wollen. Wir trinken den Wein und fahren dann mit dem Taxi heim.

Aber nun zur Berichtigung. Die Gemeinde Bad Gastein – und da fühle ich mich als Bürger­meister angesprochen – hat seit Jahren ein Asylheim mit zwischen 50 und


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70 Mitgliedern. Wenn es die Herren in den Unterlagen nicht gefunden haben, der Ortsteil heißt Böckstein. Ich habe schon gemerkt, dass vom Kollegen Himmer eifrig gesucht wurde, ob die Gemeinde Bad Gastein so etwas hat. Als Hinweis für Ihre Mitarbeiter, damit sie es leichter finden: Es ist im Ortsteil Böckstein. Die Gemeinde Bad Gastein hat das, und wir stehen auch dazu, Herr Innenminister!

Wir fordern von Ihnen nur eines ein, Herr Innenminister: dass Sie in den Nationalrat Gesetze einbringen, die der österreichischen Verfassung standhalten, und dass Sie Gesetze einbringen, die der Menschenrechtskonvention und der Genfer Konvention gerecht werden, die wir unterschrieben haben und wo wir Mitglieder sind. Mehr ver­langen wir nicht. Ich würde Sie bitten, nicht zu verallgemeinern. Es gibt genug sozial­demokratische Bürgermeister, die solche Heime in ihren Gemeinden haben und sich nicht dagegen wehren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.29

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. Ich erteile ihm dieses.

 


17.29

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich darf in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, dass ich mich mit dem österreichischen Asylgesetz befassen werde und nicht mit dem deutschen, weil wir ja hier im österreichischen Bundesrat sind. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Vergleiche sind immer gut!)

Herr Bundesminister! Ich beginne mit einem Auszug aus dem Brief der Caritas, der da lautet: Dieser Entwurf zum Bundesbetreuungsgesetz ist ein Affront gegen Länder und Hilfsorganisationen, die jahrelang versucht haben, den Bund bei der Erfüllung seiner Pflichten zu unterstützen. Zudem wird durch eine derart rüde Vorgangsweise der Abschluss eines 15a-Vertrages zur Grundversorgung, über die jahrelang verhandelt wurde und die in den wesentlichen Eckpunkten ausverhandelt ist, in Frage gestellt.

Die Caritas glaubt, dass ein Zurückstellen der Beschlussfassung eines Bundes­betreu­ungsgesetzes bis zum Abschluss der Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und Hilfsorganisationen über eine 15a-Vereinbarung zur Grundversorgung eine gute Lö­sung für Österreich ermöglichen würde, die auch im Einklang mit der EU-Richtlinie steht. – So weit der Brief der Caritas, geschrieben vom Präsidenten Küberl.

Meine Damen und Herren! Diese Bitte sowie einige andere sind von Ihnen ausgeschla­gen worden. Die Parlamentsmehrheit hat sich damit nicht befasst, und der Nationalrat hat das Gesetz beschlossen. Eigentlich kann dieses Gesetz nur mehr der Bundesrat retten. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Ich habe mir das Nationalratsprotokoll genau durchgelesen. Ich habe auch die Zwischenrufe und die Zwischenbemerkungen der Vertreter der Re­gierungsparteien gelesen, und ich sage Ihnen, es ist zum Teil menschenverachtend, was da gesagt worden ist.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Wenn Sie immer so viel Wert auf die christlich-soziale Gesinnung legen, dann, meine ich, müssen Sie beim Asylgesetz auch danach handeln. Sonst haben Sie jeden Anspruch auf diesen Wert eigentlich verloren.

Wenn wir heute bei der Angelobung den Zusatz zur Gelöbnisformel „sowahr mir Gott helfe“ gehört haben, dann frage ich mich allen Ernstes, ob Gott dieses Asylgesetz, so wie es heute vorliegt, auch gewollt hätte. (Ruf bei der ÖVP: Aber Sie sind nicht der Hüter unseres Gewissens!) Ich wage die Behauptung, nein, ich bin mir ganz sicher, Gott hätte dieses Asylgesetz so nicht gewollt, meine Damen und Herren! (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Damit müssen Sie fertig werden, auch wenn es Ihnen jetzt


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nicht so ganz passt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bieringer: Das ist letzte Schub­lade!)

Wenn die Argumentation so schwach ist, Herr Kollege Bieringer, dann brauchen Sie sich ja nicht so aufzuregen. (Bundesrat Bieringer: Das ist letzte Schublade!)

Meine Damen und Herren! Es gibt eine ganze Reihe anerkannter Fachleute, die Ihnen, Herr Bundesminister, gesagt haben, dass das vorliegende Gesetz menschenver­ach­tend ist, den Bundesländern immense Zusatzkosten verursacht und dass Sie damit die Arbeit der NGOs belasten oder es ihnen fast unmöglich machen, in diesem Bereich Hilfestellung geben zu können. Das alles, Herr Bundesminister, ist ins Treffen geführt worden, aber es hat keine Reaktion von Ihnen gegeben.

Wir hören immer, dass selbstverständlich alle zu uns kommen können. Jeder kann zu uns kommen, wir sind ein offenes Land. Wir sind allerdings kein Scheunentor, haben wir heute gehört, aber wir sind ein offenes Land. Aber wenn es dann ernst wird, dann sind es Kriminelle, dann sind es Drogendealer oder Wirtschaftsflüchtlinge, die zu uns kommen. Herr Bundesminister! Es wird schon der eine oder andere in diese Kategorie einzuordnen sein, das glaube ich schon, und das weiß ich auch, aber ich kann nicht wegen dieser paar alle über einen Leisten schlagen und das ganze Gesetz so ändern, dass die Chance auf Asyl eigentlich gleich null ist.

Was das Schlepperwesen betrifft, das Sie heute angesprochen haben, glaube ich auch nicht daran, dass Sie das durch dieses Gesetz in den Griff bekommen werden. Das glaube ich nicht, denn da greifen andere Mechanismen.

Wenn ich mir heute Ihre Argumente so angehört habe, dann muss ich sagen, ich habe meine Probleme damit. Da erinnere ich mich zurück, als wir im Spätsommer den Gen­darmerieposten in Rohrbach eröffnet haben, und da haben Sie, Herr Bundesminister, in Bezug auf meine Ausführungen gesagt, dass bei der Gendarmerie alles besser wird, dass sie mehr Personal bekommt, dass keine Posten mehr zugesperrt werden. Damals habe ich mir gedacht, vielleicht ist das jetzt wirklich so. Und dann komme ich nach zwei Stunden nach Hause und höre im Radio, dass die Bezirksgendarmeriekommanden zusammengelegt werden! Vorige Woche ist ein Papier von Ihrer Gruppe 04 aufge­taucht, wonach allein in meinem Bezirk an die sechs Gendarmerieposten zugesperrt werden sollen. Da habe ich, Herr Bundesminister, meine Probleme, wenn ich Ihnen so zuhöre, wenn Sie uns sagen, was alles besser wird und wie gut Sie das alles im Griff haben.

Wenn Sie in Traiskirchen die Betreuung der Flüchtlinge privatisiert haben, dann haben Sie das nicht getan, weil es um so viel billiger kommt und weil es vielleicht um so viel besser funktioniert. Herr Bundesminister! Ich weiß schon, warum Sie es gemacht haben: weil Sie die Caritas kritisiert hat, und diese Kritiken tun Ihnen weh, die halten Sie nicht aus, und daher haben Sie das einfach privatisiert.

Im Zusammenhang mit dieser Privatisierung in Traiskirchen hört man, dass diese Or­ganisation, die die Flüchtlinge oder Asylanten jetzt betreut, irgendwo auch eine Le­bens­mit­telindustrie haben soll und die Lebensmittel von Deutschland nach Traiskirchen geliefert werden. Da ist mir schon klar, dass die Bevölkerung von Traiskirchen mit der ganzen Sache keine Freude hat, wenn der Verdienst nicht der heimischen Wirtschaft zukommt, wenn die Belastung die Gemeinde zu tragen hat, während die Gelder irgend­wohin nach Deutschland fließen.

Meine Damen und Herren! Nun wieder zurück zum vorliegenden Beschluss des Na­tional­rates, im Besonderen zum Beschluss der Landesregierung von Oberösterreich. Bereits im Juni wurde von Oberösterreich aus auf Initiative von Landesrat Josef Ackerl der Konsultationsmechanismus ausgelöst. Sowohl zum Begutachtungsentwurf als


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auch zur Regierungsvorlage gab es eine Stellungnahme des Landes Oberösterreich, mit inhaltlichen Kritikpunkten und auch mit Anregungen, denn das gehört auch dazu. – Bis heute hat die Bundesregierung darauf nicht reagiert. (Bundesminister Dr. Strasser: Stimmt nicht!) Ich weiß das so. Dann werden Sie mir das jetzt noch erklären, wie die Bundesregierung darauf reagiert hat. Ich bin Ihnen dankbar, wenn Sie mir das sagen.

Meine Damen und Herren! Da geht es für die Bundesländer auch um Kosten. Das alles kostet ja viel Geld, und daher, glaube ich, ist es ganz wichtig, dass man den Bundesländern auch sagt, was sie da alles künftighin bezahlen müssen, oder dass man ihnen überhaupt sagt, wo diese Zentren hinkommen, über die auch diskutiert wird. Auch das ist, soweit ich weiß, nicht fix, in welches Bundesland das kommt. Ich glaube, dass die Bundesländer ein Recht darauf haben, das zu wissen.

Wenn Sie heute vom Substral gesprochen haben, das Sie brauchen, damit Sie das grüne Pflänzchen in die Höhe bringen: Da werden Sie sehr viel Substral brauchen, wie ich das jetzt sehe. Da müssen Sie einen Großeinkauf machen, Herr Bundesminister, damit Sie über die Runden kommen.

Der Beschluss der oberösterreichischen Landesregierung hat dazu geführt, dass der Herr Landeshauptmann gleich der Presse mitgeteilt hat, dass es sich hier um eine Eigen­initiative der ÖVP handelt. Das stimmt aber nicht, die Anregung in der Landes­regierung ist von Landesrat Josef Ackerl gekommen. Das ist aktenkundig, im Protokoll belegt. Man sollte sich da nicht mit fremden Federn schmücken, man sollte es so neh­men, wie es ist: Es ist eine gute Sache, was da beschlossen worden ist.

Wenn Kollege Todt heute schon angesprochen hat, dass wir einen Einspruch einbrin­gen werden, dann möchte ich das hiermit tun:

Einspruch

der Bundesräte Todt, Dr. Elisabeth Hlavac und GenossInnen gemäß §§ 20 Abs. 2 und 43 GO-BR gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend die Asyl­gesetz-Novelle 2003 (120 der Beilagen, 253 und Zu 253 der Beilagen sowie 6870/BR der Beilagen und 6871/BR der Beilagen)

Die unterzeichneten Bundesräte stellen im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmungen den Antrag, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Asylgesetz 1997 (Asylgesetz-Novelle 2003), das Bundesbe­treu­ungsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat und das Mel­degesetz geändert werden, einen Einspruch zu erheben.

*****

Meine Damen und Herren! Dieser Einspruch liegt jetzt vor, und meine Kolleginnen und Kollegen aus Oberösterreich können diesem Einspruch dann ja zustimmen. Nachdem es schon einen einstimmigen Landesregierungsbeschluss gibt, wird es vielleicht auch in Wien möglich sein, da zuzustimmen! Ich habe gestern gelesen, dass der Lan­des­hauptmann Ihnen keine Empfehlung mit auf den Weg gegeben hat, dass Sie sich also heute frei entscheiden können. Das ist in Ordnung so! Kollegin Dr. Lichtenecker hat ebenfalls erklärt, dass sie zu diesem Beschluss stehen wird. Ich nehme also an, dass wir heute bei der Abstimmung dieses Beschlusses Einstimmigkeit erzielen werden.

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch einen Satz zitieren, den ich gestern Abend zufällig gehört habe. Der Herr Bundespräsident hat gesagt ... (Zwi­schenruf bei der ÖVP.) Ich weiß schon, der Herr Bundespräsident gefällt Ihnen auch


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nicht mehr so gut, aber Sie müssen es einfach so nehmen, wie es ist. Dass er sich ab und zu meldet, das müssen Sie auch so nehmen, wie es ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Das ist ein ganz ernster Satz. Der Herr Bundespräsident hat ge­sagt: „Es wird jetzt nicht nur draußen kälter, es wird auch drinnen kälter.“ (Bundesrätin Bachner: So ist es! Bravo!) Damit hat er ja etwas gemeint! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wir Bundesräte diskutieren immer so viel darüber, was wir alles machen können und was wir nicht machen können. Jetzt haben wir es in der Hand: Wir haben es zumindest so weit in der Hand, dass wir dafür sorgen können, da­mit es halt, wenn es im Winter draußen kälter wird, zumindest drinnen nicht kälter wird! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.42

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Todt, Kolleginnen und Kol­legen eingebrachte Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates Ein­spruch zu erheben, samt der gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung beigegebenen Begründung, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Bader. Ich erteile ihm das Wort.

 


17.42

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundes­rates! Lieber Kollege Kraml! Wenn Sie gerade den Bundespräsidenten zitiert haben, der gestern gemeint haben soll, dass es nicht nur draußen kälter wird, sondern auch drin­nen (Bundesrat Kraml: Das hat er gesagt!), dann darf ich als Rohrbacher aus Nie­derösterreich Ihnen als Rohrbacher aus Oberösterreich die Empfehlung geben: Wenn es drinnen kälter wird, dann heizen wir bei uns daheim eben einmal ein! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Kraml.)

Liebe Damen und Herren! Wir führen heute zum Thema Asylgesetz eine doch sehr kon­troversielle Diskussion, liegen aber in vielen Bereichen trotzdem nicht weit aus­einan­der, zumindest wenn man verschiedene Aussagen von Oppositionspolitikern auch wirklich ernst nehmen will. Offenbar bestimmt aber wieder einmal die Tatsache, dass die SPÖ in Opposition ist, den Standpunkt.

Ich sage das ganz bewusst im Zusammenhang mit Überlegungen des ehemaligen In­nenministers Schlögl, der auch eine Verschärfung des Asylrechts haben wollte, oder beispielsweise auch eines hochrangigen SPÖ-Politikers, der heute im Nationalrat in der ersten Reihe sitzt, vor einigen Jahren aber, wie ich mich noch genau erinnere, für ihn nicht ganz schmeichelhaft meinte: Das Boot ist voll! – Nur so viel zu men­schen­verachtenden Aussagen, weil Sie vorhin von solchen gesprochen haben.

Nun aber zu den Fakten: Es ist Tatsache, dass sich die Situation im Asylwesen in unse­rem Staat extrem geändert hat. Die Bundesregierung und im Besonderen unser Herr Innenminister haben die Verantwortung für Österreich und für die Menschen in die­sem Land ernst genommen und haben daher auch ein neues Asylgesetz ein­gebracht.

Es wurde schon angesprochen, dass die Zahl der Asylanträge von 1998 auf 2002 fast verdreifacht wurde. Wenn man sich das Verhältnis zwischen der Einwohnerzahl und der Zahl der Anträge im Vergleich zwischen Österreich, Deutschland und Groß­britan­nien ansieht, dann kann man feststellen, dass auf 8 Millionen Einwohner in Österreich 40 000 Anträge, auf 80 Millionen Einwohner in Deutschland rund 70 000 Anträge und auf 60 Millionen Einwohner in Großbritannien 111 000 Anträge entfallen. Da ist natür­lich ein gewisses Missverhältnis gegeben!


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Noch aussagekräftiger ist dieser Vergleich dann, wenn man die Anzahl der Asylanträge auf 1 000 Einwohner bezieht. Hier liegt Österreich im Spitzenfeld Europas mit 4,6 An­trä­gen pro 1 000 Einwohner. Abgeschlagen an zweiter Stelle liegt Schweden mit 3,7 An­trägen, und es folgen Deutschland mit 0,9 Anträgen und Italien – trotz der lan­gen blauen Grenze – mit 0,1 Anträgen pro 1 000 Einwohner.

Dies bedeutet: Österreich vermittelt vielen Menschen, und vor allem jenen, die nicht aus asylrelevanten Gründen nach Österreich kommen, den Eindruck eines offenen Scheunentors. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Viel mehr gilt dies noch für die verabscheuenswürdigen Praktiken der Schlepper und Schlepperbanden, die mit der Not dieser Menschen gutes Geld beziehungsweise gewaltige Geschäfte machen. Dem gilt es Einhalt zu gebieten! Das sind wir den Mitmenschen in unserem Staat ganz einfach schuldig! In diesem Punkt unterscheiden wir uns auch von den Grünen. Ich möchte jetzt insbesondere Frau Kollegin Lichten­ecker ansprechen: Wir stellen die Interessen und den Schutz unserer Staatsbürger auf jeden Fall über die Interessen von Wirtschaftsflüchtlingen, und das ist auch unsere Ver­pflichtung! (Beifall bei der ÖVP.)

Noch mehr sind wir diesen Schutz aber jenen Menschen schuldig, die tatsächlich Asyl brauchen. In diesem Punkt sind wir uns, wie ich glaube, alle einig. Und das wird sich mit dem neuen Gesetz auch in Hinkunft nicht ändern. Das dringende Erfordernis der Änderung des Gesetzes hat auch Flüchtlingshochkommissar Lubbers angesprochen, als er meinte, dass 90 Prozent der Asylwerber in der EU gar keine asylrelevanten Gründe angeben können. Gerade damit haben wir in Österreich ein massives Problem.

Österreich wird aber für jene Menschen, die hinreichende Asylgründe angeben kön­nen, auch weiterhin eine offene Tür haben und diesen Menschen überdies auch hel­fend zur Seite stehen.

Zur Lösung der Probleme ist es aber vor allem erforderlich, dass die Verfahren schnel­ler abgewickelt werden. Das wird durch eine Trennung des Zulassungsverfahrens vom tatsächlichen Asylverfahren gewährleistet, aber auch dadurch, dass nicht alle Verfah­ren in Österreich abgewickelt werden. Der Herr Bundesminister hat die Drittstaatenliste schon angesprochen. Diese ist wirklich sehr kurz. Es gibt aber auch in diesen Staaten sichere Asylverfahren.

Zu den Verfassungsbedenken des Neuerungsverbots möchte ich noch kurz auf die Aus­führungen des renommierten Menschenrechtsexperten Franz Matscher verweisen. Dieser hat in der „Presse“ dazu auch Aussagen gemacht, und ich zitiere den früheren Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Franz Matscher aus der „Presse“ vom 22. 10:

„Gegen das Neuerungsverbot ist nichts einzuwenden.“

Unter Verweis auf das Zivilverfahren meinte Matscher: „Das Neuerungsverbot ist im Ver­fahrensrecht sehr gängig. Es ist auch über Österreich hinaus weit verbreitet. Die Europäische Menschenrechtskonvention verlangt nur, dass es wirksame Rechtsmittel gegen Entscheidungen gibt. Das Neuerungsverbot nimmt dem Rechtsmittel aber nicht die Effektivität.“ – So viel dazu.

Nun noch ein paar Anmerkungen zur praktischen Arbeit draußen in den Gemeinden mit Asylanten und zum Verhalten der Bürger im Hinblick auf dieses Thema. – Die Belastung vieler Menschen im Zusammenhang mit Asylwerbern ist mancherorts ex­trem. Somit kommt es zu zusätzlichen Problemen in der öffentlichen Diskussion, und das wirkt sich in einer gewissen Weise auch auf das Sicherheitsgefühl unserer Mit­bürger aus.


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Erlauben Sie mir, ein Beispiel zu nennen: Zu Beginn dieses Schuljahres bestand in meinem Bezirk in der Hauptschule auf einmal die Situation, dass zu den 200 Schülern an dieser Schule zusätzlich 15 Asylantenkinder aufgenommen werden mussten, die kein Wort Deutsch sprechen. Sie können sich gerne einmal anhören, wie die Eltern darauf reagieren: Sie überlegen nämlich, ihre Kinder aus diesen Schulen – öster­reichi­sche Kinder aus österreichischen Schulen! – abzumelden, weil sie fürchten, dass eine entsprechende Qualität des Unterrichts nicht mehr gewährleistet werden kann. Von den Schwierigkeiten der Lehrer, die diese Schüler unterrichten, möchte ich hier gar nicht reden!

Wir tragen Verantwortung für Flüchtlinge und Verfolgte, und diese Verantwortung wer­den wir auch in Hinkunft wahrnehmen. Ich betone aber, dass wir auch eine entspre­chende Verantwortung für die Bürger in unserem Land haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte im Zusammenhang mit dem Asylgesetz auch noch ein bisschen die Wetter­fahnenpolitik der SPÖ ansprechen, denn diese wird in diesem Zusammenhang wieder einmal ganz deutlich. – Wir haben zuerst ganz kurz das Thema Postenschließungen angesprochen. Ich bin Bürgermeister einer Gemeinde im Bezirk Lilienfeld, wo ein roter Innenminister Gendarmerieposten zugesperrt hat, weil es ganz einfach notwendig war.

Derzeit schwirren, wie ich höre, wieder sehr viele Gerüchte herum, ich weiß aber, dass nichts dahinter steckt , weil ich mich beim Herrn Innenminister diesbezüglich erkundigt habe. (Bundesrat Kraml: Seien Sie vorsichtig!) Wenn heute in Betracht gezogen wird, dass vielleicht irgendwo ein Gendarmerieposten zugesperrt werden soll, dann sind Sie von der Opposition die Ersten, die schreien, dass in diesem Lande ein Sicherheits­not­stand ausbrechen wird. – So betreiben Sie Wetterfahnenpolitik, meine Damen und Her­ren! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Manfred Gruber.) Diese Diskussionen hört man überall! Aber wenn es ein roter Minister ist, dann sagen Sie, dass es eine gescheite Lösung ist, und wenn es ein schwarzer Minister macht, dann ist es Ihrer Meinung nach halt nicht so gescheit!

Für mich ist aber auch klar, dass gerade bei diesem Thema bei der SPÖ anscheinend der eine nicht weiß, was der andere tut. – Ich habe mit Erstaunen festgestellt, dass die SPÖ gegen dieses neue Asylgesetz ist. Auf der anderen Seite hätte in der Gemeinde Wöllersdorf ein Asylantenheim eingerichtet werden sollen. Der Herr Minister hat, wie er es immer zu tun pflegt, auch die Gemeinde befragt. Die Gemeinde hat sich allerdings da­gegen ausgesprochen, und der Bürgermeister – ein SPÖ-Bürgermeister! – hat natür­lich gleich eine Unterschriftenaktion gestartet. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesra­tes Manfred Gruber.)

Ich meine, dass es ganz einfach nicht angeht, dass man auf der einen Seite sagt, dass man mehr Menschen in unser Land hereinlassen soll, auf der anderen Seite aber nicht bereit ist, diese auch unterzubringen. Da ist auch Verantwortung gefragt! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Gruber, ich möchte Ihnen als Meister der Zwischenrufe in diesem Haus noch etwa sagen: Beim Thema Asylgesetz ... (Zwischenruf des Bundesrates Manfred Gruber.) Beim Thema Asylgesetz liegen Sie mit Ihren Argumenten ganz sicherlich weit weg von der Realität! Meine Damen und Herren! Sowohl die Bevölkerung als auch Ihre Funktionäre an der Basis haben dazu einen völlig anderen Zugang und eine andere Meinung!

Insgesamt ist aber zu begrüßen, dass die Verfahren mit diesem Gesetz rascher abge­wickelt werden können und dass auf Grund der rascheren Abwicklung für Bund und Länder in Hinkunft auch geringere Kosten zu erwarten sein werden. Und die beiden politischen Grundsätze, die in diesem Gesetz formuliert sind, sind klar formuliert und zweifelsfrei auch richtig.


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Personen, die tatsächlich von Verfolgung bedroht sind, müssen rasch und unbüro­kratisch Asyl bekommen. Das wird mit der Novelle gewährleistet. Migranten müssen sich aber an die Zuwanderungsregeln halten, für die es in Österreich entsprechende Quo­ten gibt. Österreich kann nicht unter Umgehung der Zuwanderungsquoten zum An­laufpunkt für Wirtschaftsflüchtlinge werden. Das wird mit diesem Gesetz ebenfalls sichergestellt. Daher werden wir von der ÖVP diesem Asylgesetz auch unsere Zustim­mung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

17.53

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Konrad das Wort. – Bitte.

 


17.53

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister! Ich möchte noch eine kurze Randbemerkung zu meinem Vorredner machen, der sich offenbar um die Qualität in den Schulen Sorgen macht. – Ich glaube, Sie haben Recht: Sehr viele Eltern werden diese Sorge teilen, aber schieben Sie das nicht den Asylantenkindern in die Schuhe, sondern wenden Sie sich doch an die zuständige Ministerin!

Da ich von der Uni-Politik komme, bekomme ich jedes Mal eine kleine Gänsehaut, wenn ich das Wort „Reformen“ höre. Dieses Wort „Reformen“ hat auf der Uni immer den Beiklang, dass es eigentlich zum Chaos kommen wird und es sich nicht unbedingt um etwas handelt, was man sich wünschen sollte.

Als jetzt Herr Dr. Kühnel in seiner Wortmeldung von Reformen zu sprechen begonnen hat, hat sich bei mir wieder dieses Gefühl eingestellt. Sie haben weiters davon geredet, dass Herr Minister Strasser die Probleme nun endlich angegangen sei. Sie haben Asylanträge als „Sachen“ bezeichnet und davon geredet, dass die Spreu vom Weizen zu trennen sei. (Bundesrat Dr. Kühnel: Aber nicht in Österreich!) Ich glaube, wir sollten uns doch darüber im Klaren sein: Es geht in diesem Zusammenhang nicht um Spreu, Weizen, Sachen oder Probleme, sondern es geht um Menschen und Schicksale! Das kommt mir in dieser Diskussion allerdings leider sehr oft ein wenig zu kurz!

Herr Bundesrat Hagen hat davon geredet, dass die wahren Verfolgten natürlich Asyl bekommen müssten. – Jetzt frage ich Sie: Wie soll man in 72 Stunden zweifelsfrei feststellen, ob diese Menschen wahre Verfolgte sind oder nicht. Wir haben vorher von Ihnen auch gehört, dass es Gerechtigkeit nur im Himmel gibt. Verzeihen Sie also, wenn ich Zweifel daran habe, dass dieses Modell so schnell funktionieren kann, ohne dass dabei Fehler geschehen! (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Dr. Kühnel: Sie haben nur das halbe Zitat gebracht!)

In einem Punkt gebe ich Ihnen Recht: Es ist wichtig, dass die Verfahren beschleunigt werden. Es ist auch für Asylwerber und -werberinnen nicht zumutbar, dass sie ewig auf ein Ergebnis warten. Diese Beschleunigung darf aber nicht einen reinen Selbstzweck darstellen. Es kann doch nicht Ziel einer Asylpolitik sein, schnell und billig die Zahl von Asylwerbern zu verringern! Ich denke, Ziel einer Asylpolitik sollte sein, dass Menschen, die einer Verfolgung ausgeliefert sind, Schutz bekommen, dass sie menschenwürdig be­handelt werden, und zwar unter Einhaltung einer Reihe von Grundregeln. Unter diese Grundregeln fällt zum Beispiel die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die UNO-Resolution, die besagt, dass jeder Mensch das Recht hat, in anderen Län­dern Schutz vor Verfolgung zu suchen und zu genießen, die Genfer Konvention über die Rechte der Flüchtlinge von 1951 – übrigens ein völkerrechtlicher Vertrag –, die Europäische Menschenrechtskonvention und natürlich die österreichische Verfassung.


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Ich bin mir aber nicht sicher, dass in dieser Diskussion darüber Einigkeit herrscht, dass all diese Grundsätze auch wirklich eingehalten werden müssen. Wie sonst wäre es möglich, dass so viele Rechte verletzt werden, dass zum Beispiel das Recht von Schutz­suchenden verletzt wird, den Schutz vor Abschiebung in ein Land, in dem sie gefährdet sind, genießen zu können?

Im Zusammenhang mit diesen Schnellverfahren, die es in Zukunft geben wird, steigt das Risiko von Fehlentscheidungen. Es kann sehr schnell zu einer Abschiebung zu­rück ins Transitland kommen, und dadurch kann es zu so genannten Kettenabschie­bun­gen kommen. Wie gesagt: Die Gefahr von Fehlentscheidungen steigt.

Übrigens: Der Schutz vor Abschiebung in ein Land, in dem der Schutzsuchende gefährdet ist, ist in der Genfer Flüchtlingskonvention festgeschrieben. Seitens des UNHCR wurde diesbezüglich bereits von einer Konventionswidrigkeit gesprochen. Ebenso wird das Recht auf individuelle Prüfung verletzt. Es wird von sicheren Dritt­staaten beziehungsweise sicheren Herkunftsstaaten gesprochen: Die Abschiebungen werden in Zukunft ohne individuelle inhaltliche Prüfung vorgenommen werden können, und zwar auf Grund der schon erwähnten Listen. – Das steht allerdings im Wider­spruch zum Vierten Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention.

Zum Neuerungsverbot sage ich Ihnen: Menschen, die an Österreich Asylanträge stellen, Menschen, die an den Grenzen aufgegriffen werden, sind in den meisten Fäl­len traumatisiert. – Es ist sehr schön, wenn Frau Partik-Pablé durch Flüchtlings­heime geht und sich nach den Gründen dafür erkundigt. Dazu möchte ich aber sagen: Auch ich würde Ihnen – auch wenn Sie das in bester Absicht tun – meine Lebens­ge­schichte nicht auf die Nase binden. Ich glaube, dass diese Menschen wirklich trau­matisiert sind, vor allem Frauen, die sexueller Gewalt ausgesetzt waren und in ihren Heimatländern schwerste Bedrohungen erdulden mussten. (Zwischenruf des Bundes­rates Dr. Küh­nel.)

Glauben Sie wirklich, dass traumatisierte Menschen, die mit Beamten meist keine gu­ten Erfahrungen und eine schlimme Zeit hinter sich haben, wirklich im ersten Moment kommen und sagen werden: Jetzt weiß ich es! Ich werde jetzt meinen Fall bestmöglich präsentieren!, und dann eine Art Referat darüber halten werden, was ihnen passiert ist? – Ich glaube nicht, dass es so sein wird! Vielmehr glaube ich, dass gerade dieses Neuerungsverbot in solchen Fällen dazu führen wird, dass viele Menschen, die traumatisiert sind, nicht alle Gründe nennen können werden. (Beifall bei den Grünen. – Bundesminister Dr. Strasser: Sie haben das Gesetz nicht gelesen!)

Das war jetzt nur ein kleiner Ausschnitt aus der Reihe von Rechten, die beschnitten wur­den. Abgesehen von den Rechten der Asylwerber wurden aber auch noch die Rechte anderer verletzt: Ich spreche jetzt von den NGOs. Diesbezüglich gibt es ein eindeutiges OGH-Urteil: Der Bund ist verpflichtet, mittellose Asylwerber zu betreuen, und wenn andere für ihn diese Betreuung übernehmen, diesen die Kosten zurück­zuerstatten. In einer neuen Regelung erlaubt sich nun die Regierung selbst, diese Ver­pflichtung nicht wahrzunehmen und auch die Kosten nicht zurückzuerstatten. – Das ist meines Erachtens eine Beleidigung aller Organisationen, die seit Jahren in diesem Bereich tätig waren!

Etwas verstehe ich dabei nicht: Immer wieder wird vor allem von der ÖVP betont, wie wichtig freiwillige Mitarbeiter sind und wie wichtig Ehrenamtlichkeit für die Gesellschaft ist. In diesem Bereich gibt es Menschen, die in Organisationen unentgeltlich viele Stun­den großen Einsatz leisten. Das wird lediglich damit honoriert, dass diese eventuell einmal im Jahr erwähnt werden. Man sagt dann, wie wichtig und toll das ist, und viel­leicht wird auch jemand geehrt, aber nie wird das Fachwissen und die Expertise von Menschen, die sich in diesem Bereich auskennen und in NGOs arbeiten, wirklich ernst


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genommen. Und diese Dialogverweigerung ist exemplarisch für die gegenwärtige Bun­despolitik, das sehen wir nicht nur an diesem Beispiel! (Beifall bei den Grünen

Es gibt eine lange Liste von Organisationen, die durch dieses Vorgehen vor den Kopf gestoßen wurden, etwa die Caritas, die evangelische Diakonie, die Volkshilfe oder das Rote Kreuz. All diese Organisationen kann man nicht unbedingt, wie heute schon ge­sagt wurde, als linke Speerspitzen bezeichnen.

Das sind Organisationen, die ihre Arbeit ernsthaft gemacht haben, die in vielen an­deren Bereichen auch für den Staat Aufgaben übernehmen, und ich finde, man sollte die Meinung dieser Organisationen nicht so einfach wegwischen. Auch viele andere NGOs sind hier noch zu nennen.

Ignoriert von vielen VerfassungsjuristInnen wurden aber auch die Bedenken des UNHCR betreffend Verfassungswidrigkeit oder Verletzung der Genfer Flüchtlings­kon­ven­tion und der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Ziel dieser Gesetzesvorlage scheint es also zu sein, jene Zeit, die verstreicht, bis die­ses Gesetz höchstwahrscheinlich wieder aufgehoben wird – es gibt viele, die der Mei­nung sind, dass es vor dem Verfassungsgerichtshof nicht halten wird –, dazu zu nut­zen, eine Abschreckung darzustellen. Es soll sich im Ausland herumsprechen: In Öster­reich ist es nicht warm – wie wir heute schon gehört haben –, es wird immer kälter – kommt nicht her!

Wenn es Ziel des Gesetzes sein soll, eine Beschleunigung herbeizuführen, eine Be­schleunigung im Sinne von gründlichen, fairen, menschenfreundlichen und menschen­gerechten Entscheidungen, dann würde ich Ihnen empfehlen, den Vorschlag des UNHCR ernst zu nehmen und einfach mehr Personal für die Abwicklung dieser Ver­fahren einzusetzen.

Ich hoffe allerdings – mir ist es relativ egal, ob das jetzt Oberösterreicher oder andere sind –, dass es in der ÖVP nicht nur Meinungen gibt wie jene des Ministers Strasser. Ich glaube sehr wohl, dass es auch hier noch Menschen gibt, die ihre christlich-soziale Einstellung ernst nehmen. Und ich würde mich sehr freuen, wenn von dieser Seite noch die eine oder andere Zustimmung käme. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


18.01

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Klamt. Ich erteile ihm das Wort.

 


18.02

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Minister! Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu meiner Vorrednerin möchte ich nur so viel sagen: Sie sollte vielleicht ein wenig an sich arbeiten und lernen, andere Meinungen zu respektieren und auch anzunehmen. (Beifall bei den Frei­heit­lichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich klarstellen, dass ich und ganz sicher auch die freiheitliche Fraktion die Grundsätze der Genfer Flüchtlingskonvention sehr ernst nehmen. Flüchtlingen, die wegen ihrer Rasse, Religionsausübung, Nationalität, Zuge­hörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeu­gung in ihrem Heimatland verfolgt werden, ist der Flüchtlingsstatus ganz klar zuzuer­kennen. Diesen Menschen muss Schutz und großzügige Aufnahme in Österreich ge­währt werden.

Wenn wir die Statistik der Asylwerber im Jahre 2002 in den Mitgliedstaaten der Euro­päischen Union im Vergleich betrachten – sie wurde ja heute schon einige Male er-


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wähnt –, dann erkennen wir ganz deutlich, dass Österreich in absoluten Zahlen im Spitzenfeld angesiedelt und bei den Asylanträgen pro Tausend Einwohner mit 4,6 Asylanten pro Tausend Einwohner unbestritten die Nummer eins ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus dieser Tatsache leite ich eindeutig Hand­lungsbedarf ab. Wir sind Volksvertreter, und als Volksvertreter haben wir einerseits die wichtige Aufgabe, unsere internationale Reputation sicherzustellen, aber andererseits die aus meiner Sicht noch wichtigere Aufgabe, unsere österreichische Bevölkerung vor Schaden zu bewahren. Es kann nicht sein, dass wir uns durch die Möglichkeit der Um­gehung gut gemeinter Asylgesetze zum Eldorado für Wirtschaftsflüchtlinge entwickeln. Das kann nicht sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dem Missbrauch unserer Asylgesetze musste ein Riegel vorgeschoben werden. Der Leitsatz: Wer schnell hilft, hilft doppelt! ist auch in diesem Zusammenhang ganz klar anzuwenden. Verzögern von Entscheidungen schafft Rechtsunsicherheit und schadet sowohl den Betroffenen als auch den Österreicherinnen und Österreichern.

Betrachten wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, vielleicht gemeinsam noch einmal die alten und die neuen Regelungen. Bisher hatten wir keine Liste mit sicheren Drittstaaten. Die Behörden hatten in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob der vom Asylwerber angegebene Drittstaat, jener Staat, über den der Asylwerber nach Öster­reich gekommen ist, als sicher anzusehen ist. – Das kann nicht sein, und das kann auch in der Behördenabwicklung nicht gut gehen.

Die neue Regelung sieht vor, dass alle EU-Staaten, die zehn Beitrittskandidaten sowie Island, Norwegen und die Schweiz sichere Drittstaaten sind. Es ist durchaus als Er­leichterung anzusehen, wenn es eine derartige Liste sicherer Drittstaaten gibt und nicht mehr im Einzelverfahren geprüft werden muss.

Meine sehr geehrten Damen und Herren auch von der Opposition! Wer an dieser Liste sicherer Drittstaaten zweifelt, der zieht in groben Zügen die EU und die kommende EU-Erweiterung ganz klar in Zweifel. Das leite ich eindeutig daraus ab. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

In weiterer Folge sehen die neuen Regelungen vor, dass die Gründe dafür, dass um Asyl angesucht wird, bereits in erster Instanz vorgebracht werden müssen. Nach der bis­herigen Regelung konnten Asylwerber sogar noch während der unmittelbaren Ab­schiebung – das muss man sich einmal vorstellen: während der unmittelbaren Abschie­bung! – neue Tatsachen vorbringen, denen die Behörden dann näher treten mussten. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, bedeutet für mich, dass dies schon an die Verleitung zum Missbrauch im großen Stile grenzt.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Tatsache, dass nach den derzeit geltenden Bestim­mungen Asylwerber, deren Anträge in erster Instanz abgelehnt wurden, lediglich aufge­for­dert wurden, das Land zu verlassen. Sie wurden einfach nur aufgefordert, das Land zu verlassen. In den überwiegenden Fällen haben die abgewiesenen Asylwerber die ent­sprechende Anweisung ganz einfach ignoriert und sind ohne jegliche soziale Ab­sicherung und ohne Einkommen in Österreich untergetaucht.

Damit ist wirklich niemandem gedient, denn damit sind wir Wegbereiter – und das muss uns klar sein – von Illegalität und auch von Kriminalität.

Die Schaffung von Erstaufnahmestellen, in denen innerhalb von zwei bis drei Tagen eine so genannte Erstabklärung vorgenommen wird, ob ein Asylverfahren durchzu­führen ist, wird in vielen Fällen das Untertauchen in die Illegalität verhindern können. Der Asylwerber hat sich in diesen zwei bis drei Tagen der Erstabklärung in der Erst­aufnahmestelle aufzuhalten – das ist aus meiner Sicht eine echte Verbesserung – und


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wird im Falle der Ablehnung des Asylantrages direkt von der Erstaufnahmestelle ab­geschoben.

Das klingt natürlich hart, das klingt für mich hart und wahrscheinlich für viele hier, wir müssen uns aber die Frage stellen, ob das derzeitige Verzögern und Nichtentscheiden nicht noch unmenschlicher ist. – Das ist meine persönliche Meinung.

Außerdem muss uns klar sein, dass wir als kleines Land bei bestem Willen nicht in der Lage sind, dem weltweit immer größer werdenden Heer von Wirtschaftsflüchtlingen bes­sere Lebensqualität und bessere Lebensbedingungen zu bieten. Nicht einmal über den Verzicht auf unsere gewohnten Lebensstandards wären wir dazu in der Lage. Das muss uns klar sein, diesen Tatsachen muss man ganz einfach ins Auge blicken. (Bei­fall bei den Freiheitlichen.)

Zusammenfassend halte ich fest, dass die zur Debatte stehenden Novellierungen ganz einfach ein Gebot der Stunde sind. Ich bin sicherlich nicht so vermessen, zu glauben, dass wir mit diesen Novellierungen ein für allemal die Flüchtlingsthematik auf alle Zeiten hin erledigt haben. Es wird sicherlich noch weitere Nachregelungen geben müs­sen. Jedenfalls sind die heute zur Debatte stehenden Novellierungen eine wirklich star­ke Verbesserung des Ist-Zustandes.

Die Bund-Länder-Vereinbarung bezüglich der Kostenaufteilung zwischen Bund und Län­dern für die Grundversorgung der Asylwerber ist natürlich so rasch wie möglich konsensual unter Dach und Fach zu bringen. Die Kosten können bei einer so wichtigen Thematik sicher nicht die erste Rolle spielen, aber die Kostenaufteilung kann sicherlich auch kein unüberwindbares Hindernis zur Optimierung der Asylwerbersituation in Österreich sein.

In diesem Sinne werden wir Freiheitlichen dem gegenständlichen Tagesordnungspunkt die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.11

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr das Wort.

 


18.12

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe heute sehr oft gehört, es gebe so viele Asylwerber. – Ich gebe Ihnen Recht. Es ist wirklich schlimm, aber es gibt deshalb so viele Asylwerber, weil es irrsinnig viele Menschen auf der Welt gibt, die verfolgt werden. Das UNHCR erfasst 20 Millionen Menschen. Meiner Meinung nach ist das Problem der vielen Asylwerber ein Problem der fehlenden aktiven Neu­tralitätspolitik, und das gehört nicht in ein Asylgesetz, sondern in ein Friedensgesetz.

Ein zweiter Punkt: Asylverfahren dauern zu lange. – Diesbezüglich gebe ich Ihnen auch Recht, aber hier stellt sich die Frage: Ist ein Asylverfahren von drei Jahren zu lange oder sind zehn oder drei Tage ausreichend? – Daran kann man die Spannen ein bisschen abschätzen.

Weiters glaube ich auch nicht, dass man die Dauer des Asylverfahrens in der Form be­einflussen sollte, dass man sagt: Das Verfahren wird schlampiger oder einfach nur schneller durchgeführt – mit der gleichen Anzahl von Beamten! Oder gibt es vielleicht mehr Beamte im Bundesasylamt? (Bundesrätin Roth-Halvax: Ja natürlich! – Bundes­minister Dr. Strasser: Ja, 36!) 36 Hilfskräfte, aber die gibt es jetzt schon, oder? Also über die Hilfskräfte freuen Sie sich irrsinnig, das ist wirklich super.


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Ein weiterer Punkt: Dem Staat geht das Geld für die Asylbetreuung aus, habe ich jetzt gehört. Wir müssen ja so sparen bei der Betreuung. Die Geschichte rund um European Homecare trug sich ja auch nur deshalb zu, weil man diese 2 Cent pro betreuten Flüchtling pro Tag einsparen musste. Wie bekannt ist, kauft European Homecare ihre Lebensmittel in Deutschland ein. Ich denke, da gibt es viele Dinge, die wir uns hätten ersparen können, wenn wir auf die European Homecare verzichtet hätten.

Dann gibt es noch die NGOs, die für ihre Leistungen zum Großteil nicht bezahlt wer­den. Der Staat rühmt sich immer wieder seiner tollen Aktionen im Zusammenhang mit den Ungarn-Flüchtlingen, mit jenen aus Tschechien, aus Jugoslawien. Ach wie toll! – In Wirklichkeit waren es aber die NGOs, die zwei Drittel der Leistungen für Unterbringung und Verpflegung aufgewendet haben.

Außerdem: Wenn die Aufenthaltsbewilligung der Flüchtlinge auch mit einer Bewilli­gung, hier arbeiten zu dürfen und hier den Lebensunterhalt verdienen zu dürfen, ver­bun­den wäre, hätten wir zum Teil auch dieses finanzielle Problem nicht so sehr.

Was heute auch immer wieder angesprochen worden ist, waren die Wirtschafts­flücht­linge. Der Ausdruck an sich ist schon ziemlich unangenehm. (Bundesrat Dr. Kühnel: Die gibt es bei Ihnen ja gar nicht! Das sind alles liebe Asylwerber!) – Nein, Wirtschafts­flüchtling, das ist irgendwo ein Widerspruch in sich, aber okay.

Sie sagen, 80 Prozent der Asylwerber seien so genannte Wirtschaftsflüchtlinge. (Bun­desrat Dr. Kühnel: Vielleicht sogar 85!) Im Jahr 2002 – 11 000 unerledigte „Sachen“, das hat mich auch sehr gestört – sind 24 000 Ansuchen gestellt worden, davon sind 700 bewilligt worden. Das sind aber bei weitem nicht die 20 Prozent der politischen Flüchtlinge, die wir angeblich haben. Wenn es sich in 80 Prozent der Fälle um Wirt­schaftsflüchtlinge handelt, dann sind es in 20 Prozent politische Flüchtlinge, das sind dann ... (Bundesrat Mag. Himmer: Da gibt es eine Kategorie dazwischen! – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Gut, jedenfalls sind es nur 3,45 Prozent und keine 20 Prozent, die keine Wirtschaftsflüchtlinge sind und die wir deshalb auf­nehmen müssten. Das heißt, meiner Meinung nach sind einige politisch verfolgte Men­schen auch schon jetzt abgeschoben worden. (Bundesrat Dr. Kühnel: Namensliste! Sie stellen hier Behauptungen auf, das ist unverschämt!)

Des Weiteren: Berufungen beim unabhängigen Bundesasylsenat. Zu 25 Prozent ist diesen Berufungen stattgegeben worden, normalerweise wären die vorher abgescho­ben worden. Wenn es nach dem jetzigen Gesetz geht, hat ja die Berufung keine auf­schiebende Wirkung mehr. (Bundesrat Dr. Kühnel: Nein, das stimmt nicht! Schauen Sie in das Gesetz hinein, in die Novelle, das stimmt ja alles nicht!)

Der Unabhängige Bundesasylsenat hat jetzt nur noch halb so viel Zeit, diese Fälle zu prüfen, und daher wird er wahrscheinlich etwas schlampiger prüfen müssen. (Bundes­rat Dr. Kühnel: Er hat vorher zu entscheiden, ob eine aufschiebende Wirkung zu gewähren ist oder nicht!)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss (das Glockenzeichen gebend): Am Wort ist Frau Bun­desrätin Kerschbaum!

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (fortsetzend): Wir haben vorhin gehört, der Un­abhängige Bundesasylsenat hat noch 11 000 Fälle liegen. Aufgestockt wird dort mei­nes Wissens auch nicht großartig. Also wie soll er jetzt in der halben Zeit diese Fälle überprüfen können, ohne dass die Verfahren schlampiger werden?

Ein weiterer Punkt: Wie gehen die Regierung beziehungsweise zum Großteil die Frei­heitlichen mit Kritik an diesem Gesetz um? – Es ist ganz sicher nicht so, dass UNHCR, amnesty international und Caritas irgendwelche linksradikalen Organisationen sind. Frau Partik-Pablé, die vorhin schon zitiert wurde, hat amnesty international den Vor-


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wurf gemacht, dass es Österreich damit beschmutzt, wenn es sagt, Österreich sei kein sicheres Drittland mehr.

Wenn das die Argumentation dagegen ist, wenn auf diesen Vorwurf eigentlich nur mehr mit Polemik reagiert wird, dann, denke ich, wird an dieser Aussage schon auch etwas dran sein! Wenn nicht, würde es Argumente geben, den Vorwurf zu entkräften.

Dass Hinweise und Warnungen von der UNO beziehungsweise des UNHCR miss­achtet und ignoriert werden, kenne ich bis jetzt eigentlich nur von Ländern wie den USA, die das hin und wieder machen. Die USA sind glücklicherweise kein sicherer Drittstaat auf unserer Liste.

Ein „sicherer Drittstaat“ ist aber die Slowakei. In der Slowakei gab es im Jahr 2002 10 000 Ansuchen. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Strasser.) Vielleicht ändert sich ja die Slowakei in der kurzen Zeit noch schnell. (Bundesrat Dr. Aspöck: Dann verhindern Sie die Osterweiterung! Geschwind!) – Nein, ganz sicher nicht, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. (Bundesrat Dr. Aspöck: Da geht es um die EU-Reife! Also seien Sie geschwind dagegen!)

In der Slowakei gab es im Jahr 2002 10 000 Ansuchen, und es wurden ganze 19 Ansu­chen bewilligt, das heißt, die anderen 9 981 Menschen wurden wieder abgeschoben, es wurde ihnen zumindest nicht Asyl gewährt. Ich glaube nicht, dass Unmengen von Wirtschaftsflüchtlingen in die Slowakei gehen, zumindest nicht die besonders gewief­ten, denn wirtschaftlich ist es ja um die Slowakei nicht so gut bestellt. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Aber die sehr gewieften Wirtschaftsflüchtlinge, die uns alle unterstellt werden, werden sicher nicht in die Slowakei gehen.

Letztendlich ist es so, dass wir ab 2004 nur mehr von sicheren Drittstaaten umgeben sind. Das heißt, auf dem Landweg kommt man gar nicht mehr nach Österreich, ohne abgeschoben zu werden. Das heißt, es kommen nur mehr Flüchtlinge nach Österreich, die mit dem Flugzeug anreisen. Vielleicht bevorzugen wir diese, jene, die sich ein Ticket leisten können. Meiner Meinung nach ist es nicht richtig, die Verantwortung für diese Flüchtlinge, die bis jetzt wir hatten, auf die Slowakei abzuschieben, diese Flücht­linge in die Slowakei zurückzuschieben – in ein Land, das wirtschaftlich nicht so gut dasteht. (Bundesrat Dr. Aspöck: Das sind lauter Länder der Europäischen Union! Außer der Schweiz!)

Des Weiteren finde ich es auch bedenklich, dass man die Drittstaaten im Gesetz fest­schreibt und niederschreibt, denn solch ein Gesetz sollte an und für sich eine Zeit lang halten, man sollte es nicht alle paar Jahre ändern. Im konkreten Fall wäre ich zwar froh, wenn es in ein paar Jahren wieder geändert würde, aber an und für sich sollte man Gesetze nicht ständig ändern. Ob ein Land ein sicherer Drittstaat ist oder nicht, kann sich aber, wie man am Beispiel Österreich sieht, von heute auf morgen ändern.

Die Kritikpunkte und Widersprüche zur UNO-Flüchtlingskonvention und zu den Men­schen­rechten: erstens die Abschiebung im Berufungsverfahren, das Neuerungsverbot, Drittstaaten ... (Bundesrat Dr. Böhm: Neuerungsverbot nicht! Das ist unrichtig!) – Neu­erungsverbot sehr wohl!

Wenn Sie mir sagen, ich bin vom Neuerungsverbot ausgenommen, wenn ich mein Trauma medizinisch wirklich nachweisen kann, dann heißt das, dass bei jedem Flüchtling medizinisch festgestellt werden muss, ob er ein Trauma hat. Dann werden wir aber mit der ganzen Geschichte überhaupt nicht fertig! (Bundesrat Mag. Himmer: Aber normalerweise ... über die Grenze ...!) – Bitte? (Bundesrat Mag. Himmer: Wenn sie über die Grenze gehen, wissen sie, warum sie um Asyl ansuchen! Glauben Sie nicht?) – Das glaube ich schon. Aber ich glaube nicht, dass sie das Frau Partik-Pablé oder im Lager von Traiskirchen erzählen werden, und vielleicht auch nicht unbedingt


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dem Beamten, der sie gleich am ersten Tag vernimmt. Das wage ich einmal zu be­zwei­feln. (Bundesrätin Giesinger: Aber warum nicht?) – Weil man sich vielleicht ein biss­chen vor den Leuten fürchtet, wenn man neu in ein fremdes Land kommt, in dem man die Sprache nicht versteht und so weiter. Und es ist vielleicht auch nicht für jede Frau so lustig, zu erzählen, dass sie irgendwo in ihrem Heimatland vergewaltigt worden ist. Das würde ich auch nicht gleich jedem erzählen.

Zu guter Letzt: Ich bin sehr wohl der Meinung, dass es in Österreich möglich ist, ein Asylverfahren zu verkürzen. Auch ich bin dagegen, dass ein Asylverfahren bis zu drei Jahre lang dauern kann, aber ich denke, dass man, auch wenn man das Asylverfahren verkürzt, deswegen nicht gleich schlampig werden muss. Und deshalb werde ich dieses Gesetz ablehnen! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.21

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. Ich erteile ihr das Wort.

 


18.22

Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Es seien mir, bevor ich in die Diskussion zum Gesetz selbst einsteige, vorab einige Worte zum Kollegen Wiesenegg gestattet. Er ist leider nicht anwesend, das heißt, der Eifer der Neuen plagt ihn nicht! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.) Das macht nichts, er kann es dann im Protokoll nachlesen. (Bundesrat Schennach: Das ist nicht fair, Frau Kollegin!)

Kollege Wiesenegg hat sich über die hier herrschende politische Kultur geäußert. Ich bin ein Verfechter der Einhaltung der politischen Kultur und habe mich hier an diesem Pult auch schon dazu geäußert. Ich weiß sehr wohl, dass ich eine derjenigen bin, die sehr gerne Zwischenrufe machen, nur bitte ich, zwischen der Artikulation von politi­schen Meinungen und persönlichen Untergriffen zu unterscheiden! Und so möchte ich die Aufmerksamkeit des nicht anwesenden Herrn Kollegen Wiesenegg darauf richten, dass heute hier im Haus jemand von der SPÖ der Erste war, der einen persönlichen Untergriff, und zwar an einen Kollegen von mir gerichtet, gemacht hat. Er ist auch nicht hier, er wird es auch im Protokoll lesen.

Das heißt, es ist sehr einfach, die politische Kultur immer von den anderen einzu­for­dern, aber dann, wenn eine Retourkutsche kommt, sensibel und beleidigt zu sein. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Boden: Genau so machen Sie es! – Bundesrätin Giesinger: Oder gar nicht da zu sein!) – Oder gar nicht da zu sein! Ich hoffe, Sie lesen zumindest das Protokoll. (Ruf bei der ÖVP: ... kann nicht lesen!) – Okay. Wir sind bei der politischen Kultur, lieber Kollege.

Ich möchte noch weiter auf die politische Kultur eingehen. Als die neuen nieder­österreichischen Bundesräte angelobt wurden und einige von ihnen den Beisatz „So wahr mir Gott helfe!“ verwendet haben, hat sich Herr Professor Konecny dazu ge­äußert, heute, bei der Angelobung der Oberösterreicher, haben sich Herr Kraml und auch Frau Konrad dazu geäußert. Ich kann mich an eine Diskussion in diesem Hause erinnern, bei der es Herrn Professor Konecny sehr, sehr wichtig war, dass die reli­giösen Gefühle von Mitgliedern einer anderen Religionsgemeinschaft nicht verletzt wer­den. Dieses Recht nehme ich auch für Katholiken beziehungsweise Christen in Anspruch! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Kollegen hier im Hause! Es steht Ihnen nicht zu, unsere religiöse Befind­lichkeit zu kommentieren! (Bundesrat Kraml: Das habe ich auch nicht kommentiert!) Das ist unsere Sache. Sie sind nicht die Hüter unseres Gewissens. Bitte, nehmen Sie


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das zur Kenntnis! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Kraml: Da hätten Sie zuhören müssen, Frau Kollegin!)

Ich möchte noch auf ein weiteres Faktum der politischen Kultur eingehen. Es fand am Dienstag eine Sitzung des Innenausschusses statt, in der das vorliegende Gesetz be­handelt wurde. Wir unterhalten uns in Enqueten und in Workshops über die Stellung und Wertigkeit des Bundesrates, über das Selbstwertgefühl der Bundesräte, über die Qualität der parlamentarischen Diskussion. Dann findet eine Sitzung des Innenaus­schusses statt, dann sind die Beamten der Fachabteilung hier, stehen für Fragen zur Verfügung – und da muss ich mit großer Verwunderung hören, dass eine Kollegin von der Sozialdemokratie sagt, eigentlich möchte sie hier gar nicht lange diskutieren, son­dern nur einen Einspruch einbringen!

Jetzt frage ich Sie: Wo diskutieren wir dann? Wo ist da die politische Kultur, die parla­mentarische Diskussionskultur? Wo denn sonst findet diese statt? Und dann wundern wir uns, wenn über den Bundesrat diskutiert wird!

Und, sehr geehrte Frau Kollegin von den Grünen, wir wurden dort auf sehr qualitative Weise von zwei Beamten aufgeklärt und konnten auch Fragen stellen. Sie hätten kom­men und zuhören können, dann hätten Sie einige Dinge, die absolut nicht richtig sind, hier nicht gesagt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bun­desrat Kraml: Sind Sie die Oberlehrerin des Bundesrates?)

Ich möchte aber jetzt auf das Gesetz eingehen. (Bundesrat Kraml: Zeit wird es!) Was ist das Ziel der Asylgesetznovelle 2003?– Das Ziel ist eine rasche Unterscheidung zwischen Migration und Asyl, damit den tatsächlich Schutzsuchenden rasch und umfas­send Schutz gewährt werden kann; es ist weiters eine Verfahrens­beschleu­ni­gung, Verfahrensklarheit, und schließlich und endlich – und dazu stehen wir auch – die Eindämmung des Asylmissbrauchs.

Die Gründe der Änderung – Zahlen sind notwendig, müssen genannt werden – ist die EU-weit steigende Zahl von Asylanträgen. Diese hat sich in Österreich, wie wir heute schon gehört haben, von 1998 bis 2002 verdreifacht. Allein 2002 ist die Zahl um 25 Prozent gestiegen. Und wie wir auch bereits hörten – es ist jedoch eine Zahl, die wichtig ist, genannt zu werden –, gehen 80 Prozent dieser Verfahren negativ aus, da es sich um reine – wir sollen das Wort „Wirtschaftsflüchtlinge“ nicht mehr verwenden, um die grüne Kollegin nicht zu verletzen, das heißt, es sind eben nicht reine Wirt­schaftsflüchtlinge, sondern Personen, denen das Asylrecht nicht zusteht.

Damit werden aber die Verfahren für die restlichen 20 Prozent tatsächlicher Asylanten behindert. Jene Personen, die tatsächlich verfolgt werden, müssen rasch Asyl bekom­men, denn Österreich ist und bleibt ein Asylland mit einem ordentlichen Asylverfahren.

Der Bezirkshauptmann von Wiener Neustadt, Herr Dr. Zimper, also wahrlich ein Mann der Praxis, sagte in der Enquete, das Gesetz sei eine notwendige Reaktion auf herr­schende Zustände und Erkenntnisse der vergangenen Jahre.

Ich gehe noch auf einige der Hauptkritikpunkte ein, wie zum Beispiel das Zulas­sungs­verfahren. Einer der Hauptkritikpunkte ist, dass im Zulassungsverfahren die Erstab­klärung innerhalb von 48 bis 72 Stunden stattfinden soll, was angeblich am akuten Per­sonalmangel scheitern wird. Auch dies wurde im Ausschuss hinterfragt, wir erhielten auch eine Antwort: Es wurde im Ausschuss von Frau Dr. Jelinek berichtet, dass dem Bundesasylamt seit Mai dieses Jahres 36 zusätzliche Mitarbeiter zugewiesen wurden, und dass nun bei den Erstaufnahmestellen der Erkennungsdienst, ein Rechtsberater und ein Dolmetscher zur Verfügung stehen.

Es ist auch nicht, wie gesagt wurde, ein Schnellverfahren. Das ist es bei Gott nicht! Und in § 4 und in § 6 ist festgehalten, dass es auch Einzelprüfungsverfahren gibt. Auch


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das wurde im Ausschuss hinterfragt. Somit wurde der von der Diakonie geforderten qualitativen und quantitativen Ausstattung der ersten Instanz Rechnung getragen. Von den geplanten Erstaufnahmestellen wird eine in Traiskirchen sein und eine in einem westlichen Bundesland.

Aus niederösterreichischer Sicht hoffe ich sehr, dass es unter den Bundesländern zu einer fairen und partnerschaftlichen Verteilung der Unterbringung der Asylanten kommt, denn Niederösterreich trägt zurzeit mehr als den auf Basis der Bevöl­kerungs­zahl aliquot zustehenden Anteil. Außer Niederösterreich wird dieser Schlüssel von al­len Bundesländern missachtet, auch von Wien, oder wie auch immer, jedenfalls von allen.

Ich würde daher vorschlagen, Herr Bundesminister, ob es denn nicht gerecht wäre, dass die Länder, die die Quote nicht beachten, den finanziellen Ausgleich an Nieder­österreich zahlen, da wir doch den höchsten Anteil haben. Ich denke, das wäre ein fairer Vorschlag! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Bundesminister Strasser ist, wie wir heute schon von ihm persönlich gehört haben, bestrebt, einvernehmliche Lösungen mit den Gemeinden zu finden. Ich hoffe, dass man sich seitens der Gemeinden nicht zum Floriani-Prinzip, sondern zu einer gerech­ten Aufteilung bekennt.

Ich habe Verständnis für die Probleme der Gemeinde Traiskirchen. Ich habe jedoch kein Verständnis, wenn der Bürgermeister dieser Gemeinde in der Enquete behauptet, für 800 Personen nur 200 Essen bekommen zu haben. Dies konnte mir von den Ver­antwortlichen nicht bestätigt werden und stellt mit Sicherheit keinen beauftragten Re­gelfall dar, sondern ist eine der üblichen unterschwelligen Behauptungen, die in den Raum gestellt werden.

Was die befürchtete finanzielle Mehrbelastung der Länder betrifft, ist zu sagen, dass erstens durch die Verkürzung des Verfahrens die Kosten geringer sein werden, und zweitens, dass das neue Asylrecht in Kombination mit den 15a-Vereinbarungen mit den Ländern zu sehen ist, die derzeit im Laufen sind.

Zur Kritik am Neuerungsverbot ist festzustellen, dass es sich um ein so genanntes ab­geschwächtes Neuerungsverbot handelt, denn es gibt vier klar definierte Bereiche, bei denen die Neuerung auch erst in zweiter Instanz vorgebracht werden kann. Soll ich sie aufzählen oder kennen Sie das Gesetz? – Ich zähle sie zur Sicherheit auf, denn Sie haben ja heute bereits Dinge behauptet, die nicht stimmen, daher ist es vielleicht sicherer, ich sage es:

1. wenn eine Änderung des Sachverhalts nach Entscheidung der ersten Instanz eintritt,

2. wenn das Verfahren in erster Instanz mangelhaft war,

3. wenn dem Antragsteller Tatsachen oder Beweismittel erst später zugänglich werden, zum Beispiel, wenn ein Asylwerber erst nachträglich in den Besitz eines Haftbefehles oder etwas Ähnlichem kommt,

4. wenn Folteropfer oder Traumatisierte auf Grund der erlittenen Misshandlung erst zu einem späteren Zeitpunkt in der Lage sind, über ihre schrecklichen Erfahrungen zu spre­chen;

Wie Sie wissen, obliegt die Anwendung und Auslegung dieser Bestimmungen den un­abhängigen Mitgliedern des UBAS. Es muss auch gesagt werden, dass die Beratung mancher Organisationen, Gründe erst in zweiter Instanz zu nennen, das Verfahren und somit auch den Aufenthalt in Österreich wesentlich verlängert haben.


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Auch ich wollte auf die Stellungnahme des früheren Richters am EuGH verweisen, aber das hat mein Kollege Bader bereits getan, ich kann es mir daher ersparen.

Weiters ist bekannt, dass es durch das Einbringen mehrerer Asylanträge in Folge bis­her möglich war, dass Verfahren auf unbestimmte Zeit verschleppt wurden. Dr. Ko­var­nik von der Bundespolizeidirektion Wien berichtete in der Enquete, dass sich beson­ders Kriminelle dieser Taktik bedienen und somit immer schwerer außer Landes zu brin­gen waren. Und ich denke nicht, dass es in unserem Interesse liegt, Kriminellen in unserem Land den Aufenthalt zu ermöglichen, da besteht doch, glaube ich, Überein­stimmung!

Zu den wesentlichen Verbesserungen zählt zweifelsohne das Familienverfahren. Alle An­träge einer Familie werden in Zukunft in einem Verfahren beurteilt. Dieses Vor­gehen ist der humanste Weg einer asylgerechten Familienzusammenführung.

Ich fasse abschließend die Ziele der Änderung nochmals zusammen: Verbesserung der Rechtssicherheit, Verfahrensbeschleunigung, Verfahrensvereinfachung, Verbes­se­rung der rechtsstaatlichen Garantien, schnellstmögliche Gewährung von Schutz, Ver­bes­serung des Schutzes von Familienangehörigen, rasche und unbürokratische Fa­milien­zusammenführung, Hintanhaltung von Asylmissbrauch.

Unser Einsatz und unsere Mittel müssen rasch jenen Personen zugute kommen, die tat­sächlich verfolgt sind und unserer Hilfe bedürfen. – Danke schön. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

18.34

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung erteile ich Frau Bundesrätin Konrad das Wort.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit mit 5 Minuten begrenzt ist und sich die Darlegung auf den zu berichtigenden Sachverhalt zu beschränken hat. – Bitte.

 


18.35

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Wenn ich das jetzt nicht ganz falsch verstanden habe, dann ist mir und einigen anderen vorgeworfen worden, wir würden eine religiöse Haltung oder eine religiöse Einstellung in den Schmutz ziehen. – Das war keinesfalls meine Absicht, ich glaube auch nicht die der anderen.

Wenn ich den Ausdruck „christlich-sozial“ verwende, dann meine ich damit keine Re­ligionsgemeinschaft – mir ist nicht bekannt, dass es eine Religionsgemeinschaft gibt, die christlich-sozial heißt –, sondern eine Werthaltung und eine Weltanschauung. Ich habe also kein Wort über eine Religion verloren! (Beifall bei den Grünen. – Bundesrätin Roth-Halvax: ... Sie haben sich auf die Eidesformel bezogen!)

18.35

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm das Wort. (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Schennach wird jetzt alles berichtigen!)

 


18.36

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Ich werde jetzt alles berichtigen. Ge­nau! Sie haben ja schon den ganzen Nachmittag auf diese Rede gewartet, und das muss auch so sein.

Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Ich kann mich, da ich ge­ra­de eine Kärntner Stimme gehört habe, erinnern – es ist noch gar nicht so lange her –, dass sich eine andere Kärntnerin so wie auch ich hier vom Rednerpult aus Gedanken darüber gemacht hat, was eigentlich mit Ernst Strasser passiert ist – wir beide haben ja


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ähnliche Biographien, sind ungefähr im gleichen Alter: Es war Melitta Trunk, damals, als sie noch hier drüben saß. Sie und ich haben gesagt, dass da irgendwie etwas mit diesem Ernst Strasser passiert sein muss, der ja immerhin Präsident des Sozialen Hilfswerks in Niederösterreich, einer großen und wichtigen Organisation, war (Ruf bei der ÖVP: Vizepräsident!), der vom Kärntner Landeshauptmann am Beginn seiner Tätigkeit als Innenminister noch als Liberaler kritisiert wurde, den man in dieser Re­gierung nicht unbedingt benötigen würde! – Aber das Amt verändert.

Ich verfolge das in meinem mittlerweile doch schon etwas längeren Leben genau (Hei­terkeit) – na ja, ich habe ja gesagt, wir haben ähnliche Biographien –: Was macht die­ses Innenministerium aus einem Menschen? – Und ich habe bei fast allen Innen­ministern eine seltsame Wandlung hin zu – ich nenne es einmal Klein- oder Hartherzig­keit beobachten können. Ich wundere mich, dass ein Ernst Strasser des Jahres 2003 etwas vertritt, was er vielleicht als Ernst Strasser des Jahres 1995 mit harten Worten aus Niederösterreich gegeißelt hätte.

Nun, wir haben eine Fassung des Asylgesetzes vor uns liegen ... (Bundesrätin Dr. Ka­novsky-Wintermann: Auch der Fischer hat sich verändert!) – Was? Ja, der Fischler hat sich auch sehr verändert. Herr Fischler hat sich im Gegensatz zum Bundeskanzler, der sich bis heute weigert, zu akzeptieren, dass ein Kommissar nicht der Botschafter eines Landes ist, sondern ein Kommissar für alle EU-Staaten (Bundesrätin Dr. Ka­novsky-Wintermann: Nicht Fischler! Fischer!) – und deshalb ist es auch gar nicht notwendig, dass unbedingt jede Nation einen Kommissar entsendet –, geändert, da haben Sie Recht, und zwar sehr zum Positiven. (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Winter­mann: Fischer!) – Aber ich glaube, Sie meinen jemand anderen, Sie meinen Joschka Fischer, nicht? (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Ja!)

Ja, mein Gott, der ist halt Außenminister eines großen Landes! (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Der Herr Schily hat sich auch ge­wandelt!) – Ich weiß ja nicht, was der Herr Bürgermeister und Bundesrat Gruber so alles mit zwölf oder 17 geschmissen hat. In Kärnten herrschen da ja doch rauere Sit­ten. Er ist trotzdem Bürgermeister geworden, sogar ein sehr bekannter Bürgermeister in Kärnten. Er verhält sich ja auch völlig zivilisiert hier. Also das ist überhaupt kein Problem. Herrn Kollegen Gruber und Fischer aus Deutschland kann man so durchaus im gleichen Atemzug nennen.

Zurück zum Thema: Ich war immer gegen eine Kronzeugenregelung in Österreich, und ich bin glücklich darüber, dass wir keine haben. Da Herr Kollege Hagen heute Frau Partik-Pablé als Kronzeugin für dieses Gesetz genannt hat, bin ich froh, dass wir einen solchen Unfug von Kronzeugenregelungen nicht in unser Strafgesetz implantiert ha­ben! Eva Konrad hat zu dieser Frage ja heute schon gesprochen, und ich habe in mei­nem Leben schon sehr viel mit der Betreuung von Flüchtlingen zu tun gehabt: Sie brauchen sehr lange, um das gesamte Trauma abzulegen.

Wie Herr Minister Strasser weiß, haben die Grünen in Klubstärke Traiskirchen besucht. Ich war früher als Journalist in einigen großen Flüchtlingslagern in Krisengebieten in Afrika und hatte damals die Gelegenheit, Leute zu befragen. Ich bin draufgekommen, dass diese Fragestellungen eigentlich Unfug sind. Man kann nur Eindrücke gewinnen. Menschen, die auf der Flucht sind, im ersten Moment zu befragen, macht wenig Sinn, und in 72 Stunden macht die Sache auch nicht mehr Sinn.

Es eint uns ja sehr vieles: Sie sagen nein zum Schlepperunwesen. – Wir sagen nein zum Schlepperunwesen. Sie sagen ja zur Menschenrechts-Charta. – Wir sagen ja zur Menschenrechts-Charta. Sie sagen ja zu einer christlich inspirierten Form der Nächs­tenliebe. – Wir sagen selbstverständlich ja dazu. Sie sagen ja zu Humanität. – Wir


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sagen ja zu Humanität. Sie sagen nein zum Missbrauch. – Wir sagen nein zum Miss­brauch.

Hier können wir eine ganze Liste abhaken, und es kommt ein komplett anderes Ergeb­nis heraus. Diese ganze Debatte zeigt ja ein fatal anderes Ergebnis. Ich habe schon einmal gesagt – und fürchterliche Zwischenrufe geerntet –, Asylanten sind weder krimineller als Österreicher noch weniger kriminell, sie sind weder mehr noch weniger Schlitzohren. Die Gesellschaft bildet sich immer wieder, wo auch immer, in gleicher Weise ab.

Herr Kollegen Hagen! Wir haben einen langen Weg der Versuche hinter uns, die Vor­urteile irgendwie wegzubekommen oder sich ein bisschen anzunähern, wenn man so nahe beieinander sitzt, aber bei seiner Rede heute ist mir wieder aufgefallen, mit wie vielen Vorurteilen sie behaftet war.

Dabei ist mir ein Vergleich eingefallen, nämlich mit dem Herrn Angelo Soliman. Das war ein Afrikaner, der in Wien lebte – man kann sagen, der „Edelschwarze“ in Wien. Er wur­de als Sklave eingeführt, dann ist er als Fürstensohn in die höchsten Reihen auf­gestiegen, hatte eine hohe Bildung, und er hat immer versucht, eines zu verhindern: dass man ihn nach seinem Tod ausstopft. Genau das ist ihm aber leider passiert. Man hat ihm die Haut abgezogen und hat ihn ausgestopft und ausgestellt.

Es gibt also diese einigen wenigen Guten, und der ganze Rest ist irgendwie Furcht er­regend und schlecht. Das kann es doch nicht sein! Herr Kollege Hagen hat hier einen Zei­tungsartikel nach dem anderen vorgelegt. Da muss ich sagen, er sollte vielleicht ein bisschen die Abonnementpraxis erweitern, weil die Artikel fast alle aus derselben Zei­tung waren.

Es ist natürlich auch eine Frage, nach wem man sich richtet. Wenn man sich etwa nach der Meinung der Caritas oder der Diakonie richtet und damit nach der katho­lischen Kirche, dann haben über 80 Prozent der Menschen in Österreich eine komplett andere Meinung zu dem, was Sie hier beschließen.

Herr Minister! Ich habe auch nie Ihren christlichen Hintergrund verstanden und diesen Krieg, den Sie sich mit der Diakonie und mit der Caritas eingefangen haben, seitdem Sie im Amt sind. Sie haben eigentlich in keiner Weise irgendetwas zur Kon­flikt­ver­meidung beigetragen. Zur Entscheidung, was Traiskirchen und die Betreuung betrifft, sage ich ganz ungeschminkt – wir kennen uns auch schon lange genug –: Ich habe irgendwie das Gefühl gehabt, das war eine ordentliche „Revanche-Wuchtel“, wie man das so landauf landab sagt, denn das Geld kann nicht der Grund gewesen sein. Wir alle wissen nach den Vorgängen, die sich noch vor einem Monat dort abgespielt ha­ben, dass die Betreuung, die man letztlich für Traiskirchen gefunden hat, bei Gott nicht das Wahre oder das Gelbe vom Ei ist, sondern eine Katastrophe.

Herr Minister! Ich weiß nicht, wie die lieben Kollegen aus Oberösterreich heute hier ent­scheiden. Es ist ihnen vom Landeshauptmann ganz freigestellt worden, nach ihrem Gewissen zu handeln, aber es täte ihnen, dem Gesetz, der gesamten Materie und auch dem Dialog mit den Menschenrechtsorganisationen und dem UNHCR gut, wür­den wir dem Minister und dem Nationalrat hier und heute eine Chance eröffnen, dieses Gesetz neuerlich zu beraten und es doch in einigen, aber wichtigen Punkten abzu­ändern. Deshalb werden wir dem Einspruch zustimmen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.45

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Strasser das Wort. – Bitte.

 



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18.45

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie gestatten, dass ich in achteinhalb Punkten zu den ange­sprochenen Diskussionsbeiträgen Stellung nehme.

Lassen Sie mich zuerst ganz offen sagen: Es ist bei einzelnen Rednern eine offen ge­standen erschreckende Unkenntnis über das Gesetz, das hier diskutiert wird, fest­zustellen. Es tut mir Leid, dass ich das in der Deutlichkeit sagen muss, Frau Bundesrat Konrad und Frau Bundesrat Kerschbaum! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen. – Ruf bei der ÖVP: Offensichtlich!)

Ich weiß nicht, ob Sie im Ausschuss die Möglichkeit wahrgenommen haben, die Infor­mationen insbesondere von Frau Dr. Jelinek zu hören. Es tut mir Leid, dass ich jetzt hier die Zeit doch in Anspruch nehmen muss, um einige Punkte klarzustellen, weil Sie von etwas ganz anderem reden als dem, was heute hier zur Beschlussfassung an­steht.

Erster Punkt: die Erstabklärung. Sie behaupten allen Ernstes, es werde innerhalb von 48 bis 72 Stunden entschieden. – Das kann sein, und zwar, wenn der Asylantrag po­sitiv entschieden wird. Jawohl, das ist möglich. Aber im negativen Fall gibt es das nicht. Ich möchte das in aller Klarheit festhalten, weil – und ich nehme hier die Vertreter des Bundesrates als Zeugen – ich ja schon vor mir sehe, wie Sie am 4. Mai sagen werden: Herr Minister, Sie bringen ja die Entscheidung in 72 Stunden gar nicht zu­sammen! – Nein, das ist nicht geplant.

Wir wollen eine Rechtsberatung, eine Erstabklärung, eine Aufnahme und eine Infor­mation für den Asylwerber. – Das wollen wir abklären. Eine Entscheidung erfolgt bes­tenfalls für Asyl, jedenfalls nie gegen Asyl. – Ich möchte das in aller Klarheit hier fest­halten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweiter Punkt: Frau Bundesrat Roth! Herzlichen Dank, dass Sie in einer unüber­biet­baren Klarheit und Deutlichkeit dargelegt haben, was denn das Neuerungsverbot ist und welche Ausnahmen es gibt. Ich möchte jetzt nicht die übrigen Mitglieder des Bun­desrates damit langweilen, dass ich das wiederhole, was Frau Bundesrat Roth gesagt hat. Leider waren die beiden Damen, die genau zu diesem Thema das Wort ergriffen haben, nicht im Saal, aber vielleicht können sie das auch im Protokoll nachlesen. Es soll ja nicht so sein, dass sich manche etwas doppelt oder dreifach anhören müssen, nur weil andere, die über etwas anderes reden, genau zu diesem Zeitpunkt nicht im Saal sind. Ich möchte das daher jetzt nicht wiederholen.

Im Übrigen: Herr Mag. Taucher, der Chef des Asylamtes, ist heute anwesend. Frau Bun­desrat Konrad! Er lädt Sie gerne ein. Kommen Sie einmal und schauen Sie sich an, wie eine Einvernahme vor sich geht. Wenn Sie es mit dem, was Sie hier gesagt haben, wirklich ernst meinen, dann werden Sie nach so einer Einvernahme nicht mehr so spre­chen. Ich lade Sie herzlich ein! Mag. Taucher wird das gerne für Sie organisieren.

Frau Bundesrat Kerschbaum! Ja, die Slowakei ist ab 1. Mai 2004 EU-Mitglied. Ich sage Ihnen auch ganz offen: Mitglied in der Europäischen Union zu sein hat nicht nur mit zusätzlichen Rechten zu tun, sondern auch mit Pflichten. Das ist doch selbstver­ständ­lich! Wir werden doch nicht ein Mitglied in die europäische Gemeinschaft aufnehmen, von dem wir dann in der Folge Asylwerber testen müssen.

Es ist wohl eine Selbstverständlichkeit, dass ein Mitglied der Europäischen Union kein Land ist, in dem man Sorge haben muss, dass man seine politischen und persönlichen Rechte, die Rechte in Zusammenhang mit Geschlecht, Hautfarbe oder Religion in ir­gendeiner Form in Frage stellt. Das ist gerade der Kernpunkt des Gedankengutes der Europäischen Union! (Bundesrätin Kerschbaum: ... sicherer Drittstaat!)


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Da muss ich Ihnen auch ganz offen sagen: So etwas wie ein „bisschen schwanger“ gibt es für mich bei der Mitgliedschaft in der Europäischen Union nicht. Wer die Rechte haben will, der muss auch die Pflichten nehmen, und die gelten selbstverständlich auch für den sicheren Drittstaat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dritter Punkt: Ich habe die Bürgermeister angesprochen und festgestellt, dass sie in Rücksichtnahme auf ihre Gemeindebürger, egal von welcher Partei sie sind, mit dem Thema sehr verantwortungsbewusst umgehen, und ich respektiere das. Ich habe Wei­sung gegeben, dass nirgends ein Quartier in Anspruch genommen wird, wenn ein Bür­germeister etwas dagegen hat.

Ich habe jetzt die Reden der vier grünen Bundesräte gehört und frage mich: Wo sind denn die Anträge der Grünen in der Stadt Salzburg, dass ein Quartier eingerichtet wird? Wo ist denn der Antrag der Grünen in Stockerau, dass ein Quartier zur Verfü­gung gestellt wird? Wo sind denn die Anträge der Grünen in Wöllersdorf und in zahl­reichen anderen Gemeinden, wo wir Quartiere angeboten bekommen und der Bür­germeister dagegen ist? – Ich fordere Sie auf, hier nicht Wasser zu predigen, während Sie in Ihren Gemeinden Wein trinken. Ich sage Ihnen ganz offen: Das halte ich für un­lauter und auch für sehr zweideutig! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Vierter Punkt: Damit komme ich zum Herrn Bundesrat Schennach. Herr Bundesrat! Zwei Bemerkungen zu deiner Rede. Erstens: Es ist keine Fremdenfeindlichkeit, es ist kein Vorurteil, sondern es ist eine Tatsache, dass 47 Prozent der Insassen in österrei­chischen Gefängnissen ausländische Mitbürger sind. Diese Zahl ist in den letzten Jahren um einige Prozent – ich glaube, um 5 oder 6 Prozent – gestiegen. Das ist eine Tatsache, und es ist ebenso eine Tatsache, dass wir Kriminalität importiert haben. Das ist nicht immer Kriminalität, die von Asylwerbern ausgeht, das möchte ich sehr klar sa­gen, aber es ist eine Tatsache, und wir haben uns mit diesem Phänomen zu beschäf­tigen.

Herr Bundesrat Schennach! Ein Zweites sei auch in aller Klarheit gesagt, weil wir beide in Döbling zu Hause sind: Es ist sehr einfach, in einem feinen Wohnbezirk in Wien zu Hause zu sein – wie wir beide in Döbling – und dann zu jenen in Schlüßlberg – dort wohnt Herr Bundesrat Spiegelfeld –, zu jenen in den kleinen Gemeinden zu sagen: Stellt euch doch nicht so an und stellt doch die Quartiere zur Verfügung! – Ich halte das für doppelzüngig. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten dazu stehen, dass auch die kleinen Gemeinden ein Recht auf Lebensqualität haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Schennach: Da dürfen Sie aber nicht die Kir­chen vergessen, die sehr viel aufgebracht haben! – Bundesrat Dr. Böhm: Die sollen es machen!)

Fünfter und sechster Punkt: einige Bemerkungen zu Herrn Bundesrat Kraml. Auch wenn Sie sie wiederholen, wird Ihre Behauptung nicht richtiger. Ich darf Sie einladen: Fragen Sie die Bäcker, die Gemüsehändler, die Lebensmittelhändler im Bezirk Baden und Umgebung! European Homecare kauft dort praktisch den gesamten Bedarf ein. – Nur, damit wir das auch einmal geklärt haben.

Zweitens zum Konsultationsmechanismus in Oberösterreich: Im Oktober hat es aus­führ­liche – und im Übrigen sehr gute Gespräche – gegeben, die die Beamten des In­nenministeriums geführt haben. Ich darf Ihnen auch ganz offen sagen – das wird die Mitglieder des Bundesrates interessieren –: Niemand kann in Wirklichkeit abschätzen, wie die finanziellen Auswirkungen der 15a-Vereinbarung genau sein werden, da mit 1. Mai die Situation eine neue ist – das wurde auch zu Recht von manchen Rednern in der Debatte angesprochen –, weil Österreich dann keine direkte EU-Außengrenze mehr hat.


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Deshalb ist es nicht hundertprozentig genau vorauszusagen, wie sich die finanziellen Aufwendungen entwickeln werden. Was wir aber wissen, ist, dass die Länder und die Länderbudgets davon eher profitieren werden, vor allem auch durch die Präzisierung, die wir durch die heute zur Abstimmung vorgesehenen Gesetze vorgenommen haben, und auch dadurch, dass – was die Landeshauptleute zu Recht verlangt haben und was Frau Bundesrat Roth in ihrem Debattenbeitrag auch erwähnt hat – die Verfahren beschleunigt werden und damit die Zeitspanne, in der die entsprechenden finanziellen Mittel notwendig sind, verkürzt wird.

Ich bin hier ganz offen und direkt: Niemand kann das hundertprozentig sagen, aber nach allem, was wir wissen, wird es für die Länder günstiger sein, als es derzeit ist. Es ist also ein Vorteil, die 15a-Vereinbarung einzugehen.

Siebenter Punkt: zu Frau Bundesrat Roth. Jawohl, eine gerechte Verteilung der Asyl­werber über das gesamte Bundesgebiet ist ein berechtigtes Anliegen. Daher gibt es auch den § 37a, der in guten Gesprächen – im Übrigen mit den Vertretern des Landes Niederösterreich und des Landes Oberösterreich – entstanden ist. Beide Länder werden sozusagen „Nutznießer“ dieses § 37a sein, um hier eine gerechte Verteilung zu schaffen. Wir wissen, dass es in Niederösterreich viele Asylwerber in Traiskirchen und in Oberösterreich in Thalham bei St. Georgen gibt. Das ist aus meiner Sicht zu be­rück­sichtigen und wurde in § 37a auch berücksichtigt.

Achter und letzter Punkt: Herr Präsident! Es tut mir Leid, aber ich muss darauf Bezug nehmen, auch wenn es eine etwas „artfremde“ Geschichte ist, die Herr Bundesrat Kraml mit den Gendarmerieposten und mit den Bezirkskommandos angesprochen hat. Ich darf einmal mehr klar festhalten: Wir haben die Weiterentwicklung der Struktur der Gendarmerieposten und der Wachezimmer abgeschlossen. Es wird das, was verein­bart wurde, umgesetzt, und es wird keinerlei zusätzliche Schließungen geben. Ich kann das nur so sagen, und auch die fortwährende Wiederholung dieser Geschichten trägt nichts zu deren Wahrheitsgehalt bei. Es bleibt so, wie wir das wiederholt auch hier in diesem Haus festgehalten haben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Bundesrat! Damit komme ich zum letzten Punkt: Sie haben die Frage aufge­worfen, wie das mit den Bezirkskommanden sein wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da gibt es tatsächlich eine Sorge – das muss man sehr offen anspre­chen –, denn es gibt den Vorschlag, dass nicht fünf, zehn, 20 oder 35 Bezirksgendar­meriekommanden geschlossen werden, sondern alle in Österreich, und es gibt den Vorschlag, dass alle Landesgendarmeriekommanden zugesperrt werden. Es gibt den Vorschlag, dass die Polizeidirektion Wien in zwei beziehungsweise vier unter­schied­liche Einheiten zerschlagen wird.

Darf ich Ihnen sagen, wer diesen Vorschlag gemacht hat und wo das Programm ange­führt ist? – Im Sicherheitsprogramm der SPÖ, vorgetragen durch den SPÖ-Vorsitzen­den Gusenbauer! – Das ist das Problem, das wir diskutieren müssen! (Ah-Rufe und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Nein! Wirklich nicht! Jetzt reicht’s!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Fraktionsführer Konecny! Ich lade Sie von der SPÖ ein, dafür zu sorgen, dass dieses Sicherheitsprogramm der SPÖ zurück­genommen wird! Sorgen Sie dafür, dass sich die Menschen keine Sorgen machen müssen, dass die Bezirkskommanden in Österreich zugesperrt werden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Das ist wesentlich besser als das, was Sie in der Praxis machen! Das ist nicht der Inhalt! Das ist eine Unterstellung! Ich kann Ihnen nicht sagen, lesen Sie es, Sie haben es sicher gelesen!)


18.59


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Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Wimmler. – Bitte.

 


19.00

Bundesrätin Herta Wimmler (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Zu Beginn meiner Aus­führungen möchte ich allen Grenzsicherungsbeamten für ihre hervorragende Arbeit danken, denn sie tragen in erster Linie dazu bei, dass Schleppern und damit einem Teil von Migranten der Zugang zu Österreich verwehrt wird. Leider kommen viele Men­schen mit völlig falschen Voraussetzungen zu uns und müssen mittellos wieder in ihre Heimat zurück.

Zur Asylgesetz-Novelle. – Ich bin froh, dass Herr Kollege Schennach noch da ist, denn gerade ihm als Einzigem von den Oppositionsparteien hätte ich zugetraut, dass er fair ist und auch jene Punkte anschneidet, die von allen Institutionen positiv erwähnt werden. – Ich möchte nicht weiter ausführen, warum und weshalb es so wichtig ist, dass eine schnelle Unterscheidung zwischen Migration und Asyl erfolgt, dass die Schutzsuchenden tatsächlich gleich Schutz bekommen und dass es eine Verfah­rens­beschleunigung und so rasch wie möglich Verfahrensklarheit gibt. Das hat ja Kollegin Roth schon sehr deutlich gesagt.

Für mich und wahrscheinlich auch für viele von Ihnen ist es sehr wichtig, dass das Fa­milienverfahren angerissen worden ist und dass alle Anträge einer Familie in Zukunft in einem Verfahren beurteilt werden, dass ein Verfahren durchgeführt wird und eine Ent­scheidung erfolgt. Das ist der humanste Weg einer asylrechtlichen Familienzusam­men­führung. – Davon sprechen Sie nicht!

Weiters wird es die Praxis der Folge- oder Kettenanträge nicht mehr geben, wiewohl Folgeanträge, die innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt werden, als Berufung gewertet werden. Ich denke, das ist einer der wichtigen Punkte.

Darüber hinaus gibt es erstmals in der österreichischen Asylgesetzgebung die beson­dere Schutzbestimmung für Folteropfer und Traumatisierte.

Diese Punkte sind auch von allen anderen Institutionen sehr positiv bewertet worden, und ich hätte mich, Herr Kollege Schennach, gefreut, wenn Sie einen davon erwähnt hätten, denn ich halte Sie für fair und doch für sehr objektiv.

Ich möchte nun einiges zu den Betreuungsplätzen sagen, was in Wien und in Nie­derösterreich zu erheblichen Problemen führen kann und deren Zahl immer zu gering ist. Aber ich möchte dazu anmerken, dass wir in der Steiermark nur um 4 Prozent weniger Betreuungsplätze für Asylwerber haben und dass wir 35 Plätze haben gegen­über Niederösterreich mit 43 Betreuungsplätzen. Ich denke also, dass die Steiermark da nicht schlecht dasteht. Sie, Herr Minister, haben im vorigen Jahr in Bruck an der Mur den Verein INTEGRA besucht, wo Sie gesehen haben, welch hervorragende Ar­beit auch in der Obersteiermark für Asylanten geleistet wird.

Natürlich ist es so, dass sich, wenn zum Beispiel in einem kleinen Ort in der Ober­steier­mark mit 1 000 Einwohnern 100 Asylanten untergebracht sind und diese, weil sie ja nicht arbeiten dürfen, herumstehen, dann so mancher der Einwohner „vom Bauch her“ bedroht fühlt. Das muss man auch akzeptieren, das ist so zu nehmen, wie es eben ist. Trotzdem haben wir sehr viele Betreuungsstätten.

Die echten Asylwerber – die die kleinere Anzahl von Asylanten ausmachen – haben meist mit sich selbst und ihren Problemen zu tun, sie stehen nicht herum und fallen auch nicht auf. Die anderen aber wollen rasch zu Geld und zu einer Arbeit kommen. Nach Aussage eines Gendarmeriebeamten aus diesem Gebiet sind sie meist nur bei


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der Taschengeldauszahlung in der Gegend anwesend – und die übrige Zeit sind sie irgendwo. – Wo?, frage ich mich da.

Bei uns in der Steiermark werden aber auch jene Flüchtlinge, die das Innenministerium aus den Betreuungsrichtlinien herausnimmt, aus Mitteln der Sozialhilfe versorgt, und kein Schutzbedürftiger braucht auf der Straße zu stehen. So wurden zum Beispiel vor dem vergangenen Winter alle Bezirkshauptleute aufgefordert, Betreuungsplätze zu melden – rasch und unbürokratisch. Das ist geschehen, und es konnten die Menschen, die auf der Straße waren, sehr rasch dorthin vermittelt werden. Das heißt aber auch, dass dank des sozialen Gespürs unserer Frau Landeshauptmann und ihres Einver­neh­mens mit dem zuständigen Landesrat, der Ihrer Partei angehört, etliche Millionen € zur Verfügung gestellt wurden.

Wie immer Sie, ich, die Regierung diese Asylgesetz-Novelle sehen, es wird, wie mir das erst kürzlich ein Mitarbeiter der Caritas bestätigt hat, von den Beamten, von ihrer sachlichen und vor allem menschlichen Qualität abhängen, wie sie dieses Gesetz – ob es nun hart oder etwas weicher ist – exekutieren, und davon, wie viele Beamte zur Ver­fügung stehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm.)

19.06

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Knei­fel das Wort. – Bitte.

 


19.06

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nis­ter! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Als Mensch mit christlich-sozialer Einstellung sage ich: Wir sollen die Kirche im Dorf lassen! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm. – Ironische Heiterkeit des Bundesrates Konecny.)

Wir sollen, glaube ich, das oberste Ziel nicht aus den Augen verlieren, nämlich durch dieses Gesetz Menschen, die in Not sind, zu helfen, denen die Rechte zukommen zu lassen, die sie notwendigerweise brauchen, weil sie eben in Not oder in Gefahr sind oder Verfolgung ausgesetzt sind, aus welchen Gründen auch immer – sei es religiöser, sei es politischer oder anderer Natur. Genau dieses Ziel verfolgt dieses Asylgesetz! Ich glaube, wir sollten auch nicht von „Asylanten“ reden, sondern wir sollten von „Flücht­lingen“ sprechen. Wenn es sich um Flüchtlinge handelt, dann sind diese auch so zu benennen! Sie heißen „Flüchtlinge“ und nicht „Asylanten“. Sie heißen „Flüchtlinge“ oder „Asylwerber“; das Wort „Asylanten“ sollten wir möglichst nicht gebrauchen.

Ich halte auch nichts vom Begriff „Lager“. Es gibt keine Lager in Österreich! Gott sei Dank ist die Zeit, in der es Lager gegeben hat, vorbei. „Wallensteins Lager“ – ja, da hat es einmal ein Lager gegeben. Aber es gibt bei uns in Österreich ordentlich geführte Betreuungsstellen, wo die Menschen, die in Not sind oder Asylwerber sind, ord­nungsgemäß betreut werden und wo ihnen geholfen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin überzeugt, dass unser Ziel, nämlich dass Österreich seine humanitären Ver­pflichtungen voll und ganz erfüllen wird, auch in diesem Gesetz inkludiert ist. Diese Ver­pflichtungen sind darin berücksichtigt, und wir werden diesen Verpflichtungen voll und ganz nachkommen und jenen, die Schutz vor Verfolgung suchen, helfen.

Die Asylverfahren müssen allerdings gerade im Interesse jener, die als Asylwerber, als Flüchtlinge Schutz suchen, wesentlich beschleunigt werden. Stellen Sie sich einmal vor, wie inhuman und wie unmenschlich ein Verfahren ist, wenn eine Gruppe – neh­men wir an, eine Familie – aus einem Land kommt, wo sie verfolgt wurde, in eine Betreu­ungsstelle aufgenommen wird, und dann beginnt das Verfahren zu laufen: Dann wird einvernommen, dann wird Einspruch erhoben, und dann geht es in die nächste Stelle und so weiter. Es vergehen drei, vier, ja bis zu fünf Jahre. Dann haben diese


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Menschen bei uns in den Betreuungsstellen Freunde gewonnen, Bekanntschaften geschlossen, auch mit der Bevölkerung. Der Herr Minister hat das Beispiel St. Johann im Pongau angeführt. Diese Menschen leben ja nicht nur in ihren vier Wänden – wir reden ja auch immer von Integration, und das ist gut so. Dann haben diese Flüchtlinge Kontakte, menschliche Kontakte geschlossen – und nach vier, fünf Jahren kommt dann, auf Grund der langen Verfahrensdauer, der endgültige Bescheid: Sie müssen wieder zurück, weil sich auf Grund des langen Verfahrens herausgestellt hat, dass ihr Verbleiben in Österreich nicht zulässig ist und dass sie nicht in die Gruppe der Asyl­werber fallen.

Das ist meiner Meinung nach inhuman und höchst unmenschlich! Und das wird durch dieses Gesetz behoben! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Lindinger: Gleich heimschicken ist menschlich?)

Nein, ich rede von fünf Jahren, von dem Fall, dass sich das nach fünf Jahren heraus­stellt! – Ewald, ich glaube, du hast mich richtig verstanden.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es ist von meinen Vorrednern die spe­zielle Situation von Oberösterreich angesprochen worden. Die oberösterreichische Lan­desregierung hat am Montag einen Beschluss gefasst, über den auch durch die Medien berichtet wurde und der – völlig abgehoben vom tatsächlichen Text – zitiert wurde. Ich werde Ihnen den Text dann hier vollinhaltlich zur Kenntnis bringen. Ich möchte aber vorausschicken: Wir Bundesräte – zumindest ich nehme das für meine Person in Anspruch – sind nicht Agenten oder Abgesandte einer Landesregierung, genauso wenig (Oh-Rufe bei der SPÖ) – ja, ich werde das gleich erläutern – wie wir Agenten der Bundesregierung sind. Wir sind nicht von der Landesregierung, sondern vom oberösterreichischen Landtag entsandt, von den Vertretern des oberösterreichi­schen Volkes. Und wir haben abzuwägen, wie wir uns in dieser Sache entscheiden.

Ich muss sagen, der Beschluss der oberösterreichischen Landesregierung ist ein aus­gezeichneter, ich kann damit sehr gut leben. Darin steht wörtlich Folgendes – ich zitiere –:

„1. Der Verfassungsdienst“ – Anmerkung: des Landes Oberösterreich – „wird beauf­tragt, im Einvernehmen mit den zuständigen Abteilungen eine Anfechtung beim Ver­fas­sungsgerichtshof vorzubereiten und zum entsprechend den formalen Erfordernissen nötigen Zeitpunkt vorzulegen.

2. Die Oö. Landesregierung behält sich einen Beobachtungszeitraum von zirka einem Jahr entsprechend dem Gutachten des Verfassungsdienstes und die Einbringung einer Klage beim Verfassungsgerichtshof vor.“

Bitte, das ist doch etwas ganz Normales, dass ein Land ein Gesetz überprüfen kann. Das ist doch keine Sensation! Ich kann mich erinnern, Bundesminister Strasser selbst war es, der einmal ein Landesgesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüfen hat lassen. (Bundesminister Dr. Strasser: In Niederösterreich!) In Niederösterreich sogar.

Oder: Nach der Bundesverfassung kann ein Drittel der Abgeordneten jedes Gesetz auf seine Verfassungskonformität überprüfen lassen; übrigens auch ein Drittel der Bun­desräte. Ich halte das für völlig konform mit dem Rechtsstaat. Wenn hier eine Vorred­nerin behauptet hat, das sei Chaos, dann hat sie den Staat Österreich mit einer Bana­nenrepublik verwechselt! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.) Das ist völlig konform mit unserer Rechtsordnung und mit unserem Rechtssystem.

Den dritten Punkt, den die Landesregierung am Montag beschlossen hat, möchte ich Ih­nen auch nicht vorenthalten:


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„3. Hinsichtlich der Art. 15a B-VG-Vereinbarung wird vorerst noch kein Beschluss ge­fasst, sondern es werden sowohl die beamteten als auch die politischen Finanzgesprä­che abgewartet. Im Anschluss daran wird Landeshauptmann Dr. Pühringer der Regie­rung berichten.“

Bitte, das ist im vollen Wortlaut der so sehr inszenierte Beschluss der oberös­terreichi­schen Landesregierung! – Ich verstehe ein Land, das sagt, wir wollen abwarten: Was bedeutet das für uns? Was bringt das für uns? Wie entwickelt sich das auf Grund dieses Gesetzes?

Ein Wort noch zum Konsultationsmechanismus: Ich hätte mir auch gewünscht, dass das Bundeskanzleramt oder die Regierung – wer immer dafür zuständig ist, da Antwort zu geben – rasch gehandelt hätte. No na net! Selbstverständlich kritisiere ich als Ländervertreter, dass das nicht unverzüglich erfolgt ist, aber ich habe mir dieses Gesetz angesehen: Auch diese Situation ist dort geregelt. Wenn auf die Anrufung der Landesregierung keine Reaktion der Bundesregierung erfolgt, dann hat die eventuell anfallenden Mehrkosten, die solch ein Gesetz verursacht, automatisch der Bund zu tragen. Das ist in diesem Gesetz ganz klar geregelt.

Das heißt, wenn sich nach einem Jahr Probezeit – wie die Landesregierung in ihrem Be­schluss feststellt – herausstellt, dass Mehrkosten für Betreuungsfälle im Land Ober­österreich erwachsen – und da verstehe ich Landesrat Ackerl, wenn er sagt, das möchte er sich anschauen, denn er muss das ja dann entsprechend exekutieren; das ist völlig verständlich, ich stehe voll hinter dieser Regelung! –, dann kann man diese Kosten quantifizieren und sagen, das sind so und so viel Euro – ein, zwei, drei Millionen –, und dann werden diese Kosten dem Bund auf Grund des Konsultations­mechanismus in Rechnung gestellt. Also eine ganz klare Sache! Es gibt da überhaupt keine Situation, die diesbezüglich etwas offen lässt, auch keinen Geheimbeschluss der oberösterreichischen Landesregierung, sondern einen Beschluss, der in voller Verantwortung für die oberösterreichische Bevölkerung, aber auch für die zu betreu­enden Menschen, die zu uns kommen, gefasst wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deshalb werden wir beziehungsweise werde zumindest ich als oberösterreichischer Bundesrat in Abwägung all dieser Eventuali­täten und Möglichkeiten dieses Gesetz nicht beeinspruchen (Bundesrat Kraml: Das habe ich mir gedacht!), weil ich davon überzeugt bin, dass die Kosten für die Länder nicht höher, sondern auf Grund der Beschleunigung der Verfahren – und dies wirklich in der Intention, denen zu helfen, die Hilfe rasch und möglichst schnell brauchen – so­gar geringer werden. Wir werden es nach einem Jahr Beobachtungszeitraum dann ganz genau wissen. Aber so, wie eine Seite befürchtet, dass hier Mehrkosten erwach­sen, glaube ich, dass auf Grund der Sorgfalt dieses Gesetzes diese Kosten nicht er­wachsen werden, weshalb wir diesem Gesetz die Zustimmung geben und es nicht beeinspruchen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

19.18

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Schennach das Wort. – Bitte.

 


19.18

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Präsident, Sie brauchen mich jetzt nicht zu mahnen, zur Sache zu reden. Ich sage es gleich: Ich rede nicht zur Sache, aber es wird nur ganz kurz sein.

Am Ende einer sehr emotional und sehr heftig geführten Diskussion möchte ich mich namens meiner jetzigen Fraktionskollegen bei Ihnen allen, insbesondere beim Herrn


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Kollegen Bieringer, beim Herrn Kollegen Konecny und beim Herrn Kollegen Böhm herz­lich dafür bedanken, dass sie heute in einem Beschluss hier ein Stück Minder­heits­rechte ausgebaut und verwirklicht haben und uns diesen Fraktionsstatus zuer­kannt haben.

Es mag vielleicht nicht für jeden ganz einfach gewesen sein, uns dieses Recht auch zuzuerkennen, aber es soll gerade nach solch einer heftigen Debatte als ein Zeichen von uns auch ein Dankeschön an Sie zum Ausdruck gebracht werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, der SPÖ und den Freiheitlichen.)

19.19

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte.

Ich erteile Herrn Bundesrat Schimböck das Wort.

 


19.19

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir sind zuerst ein wenig vom Thema abgewichen, als Bundesrat Kraml als Rohrbacher Bezirkspolitiker Sie, Herr Bundes­minister, betreffend den dortigen Gendarmerieposten angesprochen hat. Ich glaube, diese Sicherheitsfrage ist allen von uns Bundesräten hier ein ganz ernsthaftes Anlie­gen.

Wir müssen leider in Oberösterreich erleben, wie die sozialdemokratische Regie­rungs­fraktion in der Landesregierung – jetzt Gott sei Dank mit Landeshauptmann-Stellver­treter Dipl.-Ing. Erich Haider an der Spitze gestärkt durch ein viertes Mitglied – wie ein einsamer Rufer in der Wüste dasteht, wenn es um das Thema Sicherheitspolitik geht. Das umfasst eben den Bezirk Rohrbach, aber auch die anderen Bezirke. (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.) – Ja, ich glaube, das ist auch für die Bürgermeister, Frau Bürgermeisterin, ein Riesenproblem. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das ist unter Löschnak beschlossen worden!) Ich werde mich daher im Telegrammstil auf ein paar Fakten beschränken. Sie werden dann sehen, wie Bundesminister Dr. Löschnak agiert hat und welche Verhältnisse wir jetzt haben.

Frau Bürgermeisterin! Es gab von Jänner bis August 2003 ein Plus von 10,2 Prozent bei den Delikten in Österreich und in Oberösterreich einen Anstieg auf 52 590 Delikte gegenüber 50 733 Delikten ein Jahr zuvor.

Jetzt komme ich zu einem der traurigsten Punkte: Es geistert ja hier ein „Team 04“ herum. Ich habe, als ich darüber das erste Mal im „Kurier“ gelesen habe, geglaubt, da ist jemandem beim Schreiben ein Ziffernsturz passiert – das müsste heißen „vier null“. Ich habe geglaubt, mit diesen 40 meint der Herr Bundesminister die Prozente, 40 Pro­zent setzt er sich als Ziel, das soll die Aufklärungsquote in Österreich sein. Der Kollege aus Vorarlberg, ein Gendarmeriebeamter, weiß ja, die Aufklärungsquote in Ober­österreich hat sich auf 54,3 Prozent verschlechtert. – So schaut es aus.

Der Herr Bundesminister hat die Gendarmerieposten angesprochen. Zu den Gen­dar­merieposten muss ich natürlich eines sagen: Ich glaube, Sie brauchen dazu solche Mit­arbeiter wie den Bundesratskollegen hier. Was haben Sie eigentlich übernommen? Die Frau Bürgermeisterin hat gefragt: Wie war das beim Löschnak? – Ich habe mir das herausgesucht: 1999, Herr Bundesminister, hatte die uniformierte Linzer Polizei 765 Beamte. Wenn man die Pensionierungen berücksichtigt – es hat ja heute der Herr Doktor darum gebeten, dass man sich die Zahlen ganz genau ansieht und hier sehr akribisch arbeitet –, dann sieht man, es gibt dort jetzt 577 Beamte. Wie Sie damit in einer großen Stadt mit vielen Verkehrssicherheitsproblemen für Ruhe, Ordnung und


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Sicherheit – so heißt es, glaube ich, in den Dienstvorschriften – sorgen wollen, das werden Sie uns, Herr Bundesminister, hier erzählen müssen.

Eine ähnliche Situation gibt es bei der Kripo in Linz. Von 116 Kriminalbeamten werden dort mit Dezember 2003 nur mehr ganze 90 übrig bleiben. – So schaut diese Sicher­heitspolitik insgesamt aus.

Es wird hier immer von Deutschland gesprochen. Wie schaut es in Bayern aus? – Bayern hat eine Aufklärungsquote, die bekanntlich immer besser wird. Und trotzdem werden dort 1 400 Beamte neu eingestellt. So ist die Situation dort.

Jetzt komme ich noch zu einem internationalen Vergleich. Ich weiß, Sie haben in der Sendung „Betrifft“ schon kritisiert, dass diese Interpol-Vergleiche irgendwie hinken. Ich nehme daher einen ganz unverfänglichen Vergleich her, nämlich jenen mit der Schweiz. Jeder weiß, dass man in der Schweiz nicht nur Erbsen zählt, sondern dass es dort wirklich für alles genau ein Stricherl gibt. Und dort gibt es eine so genannte Häufigkeitszahl, also eine Kriminalitätsbelastung von 4 784 pro 100 000 Einwohner, währenddessen wir in Österreich jetzt bei 7 274 pro 100 000 Einwohner angelangt sind.

Ich glaube, Herr Bundesminister, hier besteht wirklich Handlungsbedarf. Es war mir jetzt ein Herzensanliegen, Ihnen dieses Problem von Oberösterreich aus mit auf den Weg zu geben. (Unruhe bei der ÖVP.) Ich darf Ihnen als Wirtschaftsvertreter eines sagen: Es hat eine bundesweite Gästebefragung durch die Österreich Werbung gege­ben. Herr Staatssekretär Schweitzer will ja auch den sportiven Erlebnistourismus an­kurbeln, das haben Sie sich mit Kärntner Kollegen zum Ziel gesetzt. Aber ganz vorne steht bei einem Österreichurlaub die Sicherheitsfrage. Die Zahlen, die wir diesbe­züg­lich jetzt auf den Tisch legen müssen, sind nicht nur blamabel, sondern das ist keine Werbung für Österreich. Ich meine, Sie sollten Ihrer Aufgabe wirklich ernstlich nach­kommen, Österreich wieder zu einem der sichersten Länder Europas zu machen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.25

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Gibt es zum Asylgesetz weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt mir ein Antrag der Bundesräte Reinhard Todt, Kolleginnen und Kollegen vor, ge­gen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates samt der angeschlossenen Be­gründung Einspruch zu erheben.

Ich werde zunächst über diesen Antrag abstimmen lassen und sodann den Aus­schuss­antrag, keinen Einspruch zu erheben, zur Abstimmung bringen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag der Bundesräte Rein­hard Todt, Kolleginnen und Kollegen, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates samt der angeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben, ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ausschussantrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die sich für diesen Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, aussprechen,


Bundesrat
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um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. (Bundesrat Manfred Gruber: Knapp!)

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Rechts-Überleitungsgesetz und das Finanz-Verfassungsgesetz 1948 geändert, ein Bundesgesetz über das Bun­desgesetzblatt 2004 erlassen, das Verlautbarungsgesetz 1985 und das Verfas­sungsgerichtshofgesetz 1953 geändert und einige Bundesverfassungsgesetze, Bundesgesetze und in Bundesgesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen aufgehoben werden (Kundmachungsreformgesetz 2004) (93 d.B. und 243 d.B. sowie 6872/BR d.B. und 6886/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Höfinger übernommen. Ich bitte ihn darum.

 


Berichterstatter Johann Höfinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Kollegen des Bundesrates! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­des-Verfassungsgesetz, das Rechts-Überleitungsgesetz und das Finanz-Verfas­sungsgesetz 1948 geändert, ein Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 2004 er­las­sen, das Verlautbarungsgesetz 1985 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert und einige Bundesverfassungsgesetze, Bundesgesetze und in Bundesge­setzen enthaltene Verfassungsbestimmungen aufgehoben werden (Kundmachungs­reform­gesetz 2004).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher zum Beschluss kom­men.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. die im gegenständlichen Beschluss des Nationalrates enthaltene Änderung der Artikel 34 und 35 B-VG gemäß Artikel 35 Absatz 4 B-VG anzunehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Schnider das Wort. – Bitte.

 


19.28

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht darf ich am Anfang eine Bemer­kung machen, was die Anzahl der Personen auf Rednerlisten betrifft. Ich hoffe nicht, dass man auf Grund der Anzahl der Personen auf Rednerlisten auf die Wichtigkeit eines Themas schließen darf, denn wir haben zwar für diese Materie, soweit ich weiß, derzeit nur drei auf der Rednerliste, aber ich halte diese Materie dennoch für äußerst wichtig. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Warum? – Erstens, weil diese Materie im Grunde alle Gesetze betrifft, zweitens, weil es hier nicht nur darum geht, irgendwelche Druckkosten einzusparen, und drittens, weil es auch nicht nur darum geht, bestimmte Umformulierungen vorzunehmen. Selbst­verständlich bin ich der Meinung, dass es ganz richtig und wichtig ist, wie es hier steht, dass man Wörter wie „Ersatzmann“ zu einem anderen Wort wie „Ersatzmitglied“ um-


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formuliert. Ob das optimal ist, ist eine andere Frage, aber es ist auf alle Fälle besser als Ersteres.

Doch diese Materie umfasst viel, viel mehr, sie umfasst nämlich letztlich das Recht auf Information. Das ist bitte ein wesentliches Grundrecht. Das heißt, wenn wir hier mit­einander debattieren, ob man Gesetzesvorschriften im Internet publiziert und es nur dort tut oder auch nicht, dann ist das eine wesentliche Frage, wie wir in der Wis­sensgesellschaft mit Informationen umgehen. Wir befürworten das Gesetz, wie es hier vorliegt – keine Frage! –, aber es sei mir sehr wohl erlaubt zu sagen, dass wir uns als Bundesrätinnen und Bundesräte auch darüber klar sein müssen, dass wir einiges dafür tun müssen, damit das überhaupt umsetzbar ist.

Warum? – Wir haben es heute schon gehört: Wir brauchen auch entsprechende Infra­strukturen dafür. Es kann nicht so sein, dass, so wie es heute zum Großteil ist, das Gefälle zwischen Land und Stadt, was den Internetzugang betrifft, ungefähr so aus­sieht, dass wir in den Städten bei 60, 70 Prozent liegen, aber dass wir in den länd­lichen Gebieten um die 20, 30 Prozent liegen. Was die Schulen betrifft, finde ich es sehr begrüßenswert, dass es unsere Frau Minister Gehrer in den letzten Jahren zu­stande gebracht hat, dass in jeder Schule, also zu 100 Prozent, ein Internetzugang vor­handen ist.

Warum ich das mit solch einer Sicherheit sagen kann: Wir haben in der Steiermark das eine oder andere zu machen versucht. Wenn es da oder dort ein Postamt nicht mehr gibt, muss man aber auch ganz bewusst sagen, dann deswegen, weil es eben nicht mehr so viel Papier zum Hin- und Hersenden und zum Hin- und Hertragen gibt. Es gibt aber Informationen anderer Art, nämlich Bits und Bytes, die es zu senden gilt. Ich glaube, wir hätten in den Ländern den Auftrag, da oder dort auch dafür zu sorgen, dass jeder an diese Informationen herankommt.

Ich weiß sehr wohl, dass man das in vielen Gemeindeämtern abrufen kann, dass es aber teilweise natürlich kostenpflichtig ist. Wir haben in der Steiermark ein einmaliges Projekt gemacht. Unsere Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic hat zusammen mit Bürgermeister Schoberer aus der Gemeinde Naintsch/Heilbrunn, ganz hoch oben im Grünen, Folgendes eingerichtet: Dort gab es ursprünglich eine Poststelle, diese wurde geschlossen. Jetzt könnten die einen sagen: Furchtbar, grausam! Zu den anderen ge­hört dieser Bürgermeister. Ihm möchte ich hier an dieser Stelle ganz besonders dan­ken, denn er hat sich mit seiner Gemeinde und seinem ganzen Gemeinderat dazu auf­gerafft, aus dieser ehemaligen Poststelle etwas anderes zu machen, nämlich ein Mittel­punkt Mensch-Infozentrum.

Was ist das? – Das ist erstens für die Bürgerinnen und Bürger so, dass sie hingehen können und kostenfrei einen Internetzugang haben. Sie bekommen zweitens kostenfrei eine E-Mail-Adresse zur Verfügung gestellt. Kostenfrei! Und drittens – das ist, glaube ich, auch ein Experiment, aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, also auch einmalig – kann man von diesem Zentrum aus direkt mit der Bezirks­haupt­mann­schaft in Weiz kommunizieren, das heißt mit der Stelle, wo man früher immer hinfahren musste, um überhaupt einmal zu fragen, was man für dieses oder jenes braucht. Das geht dort über dieses Zentrum, über das Internet. Aber es ist nicht so, dass das einfach eine E-Mail-Adresse ist, sondern das ist wirklich eine funktionierende Datenbank, die jeweils mit dem PC des Ressortzuständigen in der Bezirkshauptmannschaft verknüpft ist, der das wirklich direkt auf seinen Bildschirm auf seinen Schreibtisch kriegt.

Zweitens: Es wird dort sogar ein elektronischer Akt angelegt, das heißt, derjenige, der eine Frage an die BH stellt, kann jeden Tag hineinschauen, ob sein Anliegen bereits gele­sen, bearbeitet oder weitergeleitet worden ist. Ich glaube, das ist zumindest ein Pilotprojekt, wobei ich einfach alle einladen möchte, es da oder dort auch zu ver-


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suchen. Die öffentliche Hand hat die ganze Umgestaltung – und dabei hat uns unser Wirtschaftslandesrat Paierl geholfen – 3 000 € gekostet. Jetzt werden alle sagen: Mo­ment, das kostet ja alles viel mehr. – Ja, das stimmt, aber die Gemeinde, die Wirt­schaftstreibenden und die dortigen Partner haben sich sofort dazu bereit erklärt, weil sie auch gesehen haben, was das für sie selbst bringt.

Deshalb würde ich bitten: Auf der einen Seite bin ich völlig d’accord, dass man diese gesetzlichen Vorschriften in das Internet stellt, aber auf der anderen Seite müssen wir schauen, dass es nicht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft gibt, denn dann ist das Recht auf Information gefährdet. (Beifall des Bundesrates Dr. Böhm.)

Daher müssen wir uns dieses Problems auch annehmen, und ich möchte noch einmal an den Anfang meiner Rede zurückgehen und sagen: Das ist eine Materie, die min­destens so eine Debatte wert ist wie jener Tagesordnungspunkt, den wir vorher hatten, denn hier geht es auch um ein wesentliches Recht. Wenn wir das einfach ein wenig verschlampen, weil es bei anderen Dingen so geheißen hat, dann haben wir sehr viel verspielt. Ich meine, wir sollten dieses Neue wagen, wir müssen dieses Neue wagen, aber wir müssen auch wissen, wie wir damit umgehen und wie wir die Rahmen­bedingungen dafür schaffen, dass jeder sein Recht auf Information auch weiterhin hat.

In diesem Sinne glaube ich, dass das Informationsbedürfnis wichtig ist, wir Politikerin­nen und Politiker aber die Pflicht haben, dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen und auch die Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, dass das auch in Zukunft ge­währleistet sein wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der Freiheitlichen sowie der Bundesrätin Dr. Lichtenecker.)

19.37

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Bachner. – Bitte.

 


19.37

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen des Bundesrates! So leicht wie die­ses Mal hatte ich es noch nie. Ich mache es kurz: Ich schließe mich für die Fraktion der SPÖ vollinhaltlich den Ausführungen meines Vorredners Schnider an. (Demonstrativer Beifall bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm.) Ich habe dies­bezüglich nichts hinzuzufügen. Auch wir begrüßen diese Änderungen, ebenfalls mit je­nen Einwendungen, wie Sie sie vorgebracht haben.

Was ich aber noch ergänzen möchte, worüber ich mich besonders freue – das sage ich natürlich als Frau –, ist, dass im Zuge dieser Änderungen bisherige geschlechtsdis­kri­mi­nierende Begriffe wie „Ersatzmänner“ oder „Ersatzmann“ in „Ersatzmitglieder“ oder „Ersatzmitglied“ umgewandelt werden. Ich wünsche mir, dass das in Zukunft bei allen Gesetzen seine Fortsetzung findet. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ, den Grünen und der ÖVP.)

19.38

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Staats­sek­retär Mag. Schweitzer. – Bitte.

 


19.38

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Frau Präsidentin! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem Rechtsinformationssystem des Bun­des wurde insbesondere deshalb ein wesentlicher Fortschritt erzielt, weil es damit einen unentgeltlichen Zugang für alle Bundesbürger zur Gesetzgebung gibt. Damit besteht die Möglichkeit, die neuesten Gesetze innerhalb kürzester Zeit abzurufen, eine authentische Fassung rund um die Uhr zu bekommen. Somit ist dieses Kund-


Bundesrat
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machungsreformgesetz 2004 ein wesentlicher Schritt in eine Richtung, die ja auch Bestandteil, wesentlicher Bestandteil des Regierungsübereinkommens ist, nämlich E-Government in Österreich so weit wie möglich umzusetzen.

Ich bedanke mich bei allen Fraktionen für die Zustimmung. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

19.39

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Ich würde sagen, dass wir kurze Zeit unterbrechen. Wir haben jetzt ein besonderes Ab­stimmungsverfahren mit einem besonderen Quorum durchzuführen. Daher würde ich meinen, bis so weit wie möglich alle Damen und Herren Mitglieder des Bundesrates Platz genommen haben, unterbreche ich die Sitzung.

Ich darf vielleicht noch einmal erklären, wie das Abstimmungsverfahren für diesen ganz speziellen Punkt ist: Es wird länderweise abgestimmt. Innerhalb der Länder wer­den die Kolleginnen und Kollegen dann alphabetisch aufgerufen, um mit „Ja“ oder „Nein“ abzustimmen.

(Die Sitzung wird um 19.41 Uhr unterbrochen und um 19.42 Uhr wieder aufge­nom­men.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Darf ich bitten, Herr Kollege, dass Sie Platz nehmen. Sie wissen, die Stimme ist vom zugewiesenen Sitzplatz aus abzugeben.

Es liegen zu diesem Tagesordnungspunkt keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich frage natürlich: Wünscht noch jemand das Wort? – Da das nicht der Fall ist, ist die Debatte geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 23. Oktober 2003 betreffend ein Kundmachungsreformgesetz.

Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass dieser Gesetzesbeschluss eine Änderung der Artikel 34 und 35 Bundes-Verfassungsgesetz enthält und daher gemäß Artikel 35 Abs. 4 B-VG in Verbindung mit § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung über die erforder­liche Stimmenmehrheit hinaus auch der Zustimmung der Mehrheit der Vertreter von wenigstens vier Ländern bedarf.

Ich werde zunächst über den Antrag des Verfassungsausschusses, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, abstimmen lassen und hierauf die Änderung der Artikel 34 und 35 B-VG zur Abstimmung bringen, und zwar in der Weise, dass die Bundesrätinnen und Bundesräte in alphabetischer Reihen­folge länderweise namentlich abstimmen werden.

Der Namensaufruf erfolgt dann durch die Schriftführung.

Nach der Abstimmung eines jeden Landes werde ich das Ergebnis für dieses Land und am Schluss das Gesamtergebnis verkünden.

Gibt es dagegen eine Einwendung? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir werden daher so vorgehen, wie ich es geschildert habe, und wir treten nun in die Abstimmung ein.


Bundesrat
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Ich ersuche nunmehr jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustim­men, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr ersuche ich die Schriftführung zur Abstimmung gemäß Artikel 35 Abs. 4 B-VG in Verbindung mit § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung die Namen der Bundes­rätinnen und Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge der Länder zu verlesen.

Als Erstes bitte ich, die vom Burgenländischen Landtag entsandten Bundesrätinnen und Bundesräte zur Abstimmung aufzurufen. Die aufgerufenen Bundesrätinnen und Bundesräte ersuche ich, mit einem deutlichen „Ja“ oder „Nein“ zu antworten. – Bitte.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Schicker und Giesinger geben die Bundesrätinnen und Bundesräte der einzelnen Bundesländer ihr Abstimmungs­verhal­ten bekannt.)

*****

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Für das Burgenland wurden 3 Stimmen abgegeben, davon 3 „Ja“-Stimmen;

für Kärnten 3 Stimmen abgegeben, davon 3 „Ja“-Stimmen;

für Niederösterreich 11 Stimmen abgegeben, davon 11 „Ja“-Stimmen;

für Oberösterreich 11 Stimmen abgegeben, davon 11 „Ja“-Stimmen;

für Salzburg 3 Stimmen abgegeben, davon 3 „Ja“-Stimmen;

für die Steiermark 7 Stimmen abgegeben, davon 7 „Ja“-Stimmen;

für Tirol 4 Stimmen abgegeben, davon 4 „Ja“-Stimmen;

für Vorarlberg 3 Stimmen abgegeben, davon 3 „Ja“-Stimmen;

für Wien 10 Stimmen abgegeben, davon 10 „Ja“-Stimmen.

(Bravorufe und Beifall bei der ÖVP, der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Auf Grund dieses einstimmigen Abstimmungsergebnisses stelle ich fest, dass die Änderung der Artikel 34 und 35 B-VG mit Stimmeneinhelligkeit, und zwar mit 55 „Ja“-Stimmen und somit gemäß Artikel 35 Abs. 4 B-VG in Verbindung mit § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung mit der erforderlichen Mehrheit der Vertreter von mindestens vier Ländern angenommen wurde.

Mit „Ja“ stimmten die Bundesrätinnen und Bundesräte:

Burgenland:

Auer, Fasching, Schlaffer;

Kärnten:

Gruber Franz, Kanovsky-Wintermann, Klamt;

Niederösterreich:

Bader, Boden, Diesner-Wais, Ebner, Gansterer, Giefing, Haller, Höfinger, Kerschbaum, Roth-Halvax, Zwazl;

Oberösterreich:

Baier, Gumplmaier, Kneifel, Kraml, Lichtenecker, Lindinger, Schimböck, Spiegelfeld-Schneeburg, Stadler, Tiefnig, Wolfinger;


Bundesrat
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702. Sitzung / Seite 165

Salzburg:

Bieringer, Gruber Manfred, Saller;

Steiermark:

Bogensperger, Hösele, Kaltenbacher, Liechtenstein, Schicker, Schnider, Wimmler;

Tirol:

Ager, Fröhlich, Konrad, Wiesenegg;

Vorarlberg:

Giesinger, Hagen, Weiss;

Wien:

Bachner, Böhm, Gudenus, Haselbach, Himmer, Konecny, Kühnel, Reisenberger, Schennach, Todt.

*****

18. Punkt

Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungs­gerichts­hofes für die Jahre 2001 und 2002, vorgelegt vom Bundeskanzler (III-252-BR/2003 d.B. sowie 6887/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nunmehr zum 18. Punkt der Tagesordnung, der im Abstimmungsverfahren dann weniger Ansprüche an uns stellt.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Höfinger übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Johann Höfinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staats­sekre­tär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme zum Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus betreffend die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsge­richts­hofes und des Verfassungsgerichtshofes für die Jahre 2001 und 2002, vorgelegt vom Bundeskanzler.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher zum Beschluss kommen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 4. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, die Berichte zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Hösele. – Bitte.

 


19.52

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, einige Marginalien zu den vor­liegenden Berichten des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes 2001 und 2002 anzumerken.


Bundesrat
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Der Verfassungsgerichtshof macht in seinem Bericht 2002 darauf aufmerksam, dass er nicht zuletzt auf Grund von Anträgen eines Drittels der Abgeordneten zum Nationalrat und von Anträgen von Landesregierungen – gemeint ist wohl speziell die Wiener – in den Berichtsjahren im Gesetzesprüfungsverfahren arbeitsmäßig stärker belastet war als in den Jahren davor.

Wieso ist das so? – Weil die Opposition im Nationalrat und auch im Bundesrat wie­derum über mehr als ein Drittel der Abgeordneten verfügt, was im Zeitraum 1987 bis 2000 nicht der Fall war, mit Ausnahme des Zeitraumes November 1994 bis Jänner 1996. Es gibt also deshalb mehr Gesetzesprüfungsverfahren, weil ein Drittel der Ab­geord­neten des Nationalrates dies möglich macht und es vice versa keine Zweidrittel-Regierungsmehrheit gibt, die die Unkultur fortsetzen kann, umstrittene Bestimmungen in den Verfassungsrang zu erheben – ich nenne das sattsam bekannte Beispiel im Kon­nex mit den Wienern Taxlern –, die aber auch wesentlich dazu beigetragen haben, dass das österreichische Verfassungsrecht derart unübersichtlich ist, dass es nunmehr im Konvent einer Revision unterzogen wird.

Wie ist das nun mit den Gesetzesprüfungsanträgen? – Einige der Gesetzesprüfungs­anträge wurden eingestellt und abgewiesen, einigen wurde stattgegeben. Es ist also nicht so, dass jede seitens der Opposition behauptete Verfassungswidrigkeit auch eine tatsächliche war. Ich denke nur an die Pensionsreform 2000 mit der Einführung des Frühpensionsalters von 61 ½ Jahren oder an das ORF-Gesetz. Beide wurden seitens des Verfassungsgerichtshofes als verfassungsmäßig anerkannt.

Der Bericht des Verfassungsgerichtshofes 2001 enthält eine Feststellung, die ich in diesem Zusammenhang zitierend unterstreichen möchte:

„Unterschiedliche Auffassungen zu schwierigen Rechtsfragen wird es immer geben. Umso bedeutender ist die Rolle des Verfassungsgerichtshofes als letztlich ent­schei­dendes Organ.“

Das ist, glaube ich, allgemein festzuhalten, und dazu ist auch ein klares Bekenntnis ab­zulegen. Rechtsstaat und Meinungsfreiheit sind wohl für uns alle Grundsäulen der liberalen Demokratie. Der Respekt vor und die Wertschätzung für die Unabhängigkeit der Gerichte, zumal der Höchstgerichte, müssen damit untrennbar verbunden sein. Auch wenn man manchmal mit Urteilen nicht einverstanden ist, sind die Sprüche zu respektieren. Sachliche Kritik ist möglich, aber insgesamt muss der Respekt vor den Entscheidungen selbstverständlich sein.

Immer wieder hat es, wenn Verfassungsgerichtsurteile nicht so ausgefallen sind, wie man es seitens gewisser politischer Gruppierungen gerne gehabt hätte, die Über­legungen gegeben, dass man die dissenting opinion diskutieren sollte, was aus der Sicht des derzeitigen Verfassungsgerichtshofpräsidenten und insgesamt aus der Sicht des Verfassungsgerichtshofes der letzten Jahre nicht der österreichischen Rechtskultur ent­spricht, obwohl es durchaus andere Beispiele in anderen Staaten gibt.

Ich darf auf eine interessante Diplomarbeit einer jungen steirischen Magistra, Elisabeth Zankel, aus dem heurigen Frühjahr unter dem Titel „Sondervoten am Beispiel des Öster­reichischen Verfassungsgerichtshofes – des US-Supreme Courts und des Verfas­sungsgerichtshofes von Bosnien und Herzegowina“ hinweisen und auch auf ein inter­essantes Gespräch, das ich heuer im Frühjahr mit dem Präsidenten des italienischen Verfassungsgerichtshofes, Dr. Chieppa, führen durfte, der sich, so wie mehrere anwesende Verfassungsrichter, ganz eindeutig gegen diese dissenting opinion aus­gesprochen hat, weil er auch der Meinung war, dass dies zu parteipolitischen Instru­mentalisierungen führen könnte.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
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Ich freue mich, auch noch feststellen zu können, dass seit 1. Jänner 2003 nach einer langen Periode eines sehr anerkannten Präsidenten, nämlich des Präsidenten Adamo­vich – er war, glaube ich, 19 Jahre Präsident des Hauses –, nunmehr der anerkannte Professor Korinek der Präsident des Verfassungsgerichtshofes ist. Ein ganz besonders schönes Signal ist, dass erstmals eine Vizepräsidentin berufen wurde, Frau Präsidentin Bierlein.

Wir konnten die Frau Vizepräsidentin am Dienstag auch im Ausschuss begrüßen, mit ihr debattieren, und wir konnten insbesondere auch mit dem heute anwesenden Vize­präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes, Präsidenten Pesendorfer, der ebenfalls am Dienstag im Ausschuss war und den ich sehr herzlich begrüße und bei dem ich mich bedanke, dass er gekommen ist, debattieren. Er erzählte uns, dass im Sinne dessen, was wir gerade vorhin im Zusammenhang mit Ersatzmitglied beschlossen haben, auch im Verwaltungsgerichtshof bald die erste Senatspräsidentin gewählt wird, was auch ein ganz wichtiges und gutes Signal ist.

Der Verwaltungsgerichtshof ist auf Grund seiner starken Arbeitsbelastung auch an Ergeb­nissen des Österreich-Konvents sehr interessiert. Der Präsident des Verfas­sungs­gerichtshofes leitet dort einen wichtigen Arbeitskreis, in dem wir diese Zersplit­terung des Verfassungsrechtes, nämlich legistische Strukturfragen, zusammenführen wollen.

Der Wunsch des Verwaltungsgerichtshofes ist der Ausbau der unabhängigen Verwal­tungssenate in den Bundesländern in Richtung Schaffung einer echten Landesverwal­tungsgerichtsbarkeit.

Ich möchte auch noch auf ein Ceterum censeo aus den Berichten des Verwaltungs­gerichtshofes, aber auch des Bundesrates hinweisen, indem ich aus dem Bericht des Verwaltungsgerichtshofes zitiere:

„Erneut wird darauf hingewiesen, dass – insbesondere um Art. 134 Abs. 3 zweiter Satz B-VG zu entsprechen, nämlich geeignete Bewerber aus Berufsstellungen in den Län­dern für eine Karriere beim Verwaltungsgerichtshof zu gewinnen (mindestens ein Vier­tel sollen das sein) – für Mitglieder des Gerichtshofes, die ihren Wohnsitz in einem Bundesland außerhalb Wiens beibehalten, ein Ausgleich finanzieller Mehraufwendun­gen geschaffen werden sollte.“ – Soweit das Zitat. Diese Regelung gilt ja für Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes.

Präsident Pesendorfer hat uns am Dienstag die Zahlen noch einmal genannt. Von den 63 Richtern des Verwaltungsgerichtshofes sind, je nach Zählung, zehn bis zwölf aus den Bundesländern kommend. Das heißt, das Viertel ist bei weitem nicht erreicht.

Es freut uns natürlich, dass Herr Präsident Pesendorfer selbst aus einem Bundesland kommt und ein anerkannter, bedeutender Jurist in der oberösterreichischen Landes­regierung war. Ich werde aber später noch einmal darauf zurückkommen, warum ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass wir in dieser Richtung einen Fortschritt machen.

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Landeshauptleutekonferenz 1999 und dass auch der letzte steirische Präsident des Bundesrates vor mir, Alfred Gerstl, im Dezember 1999 – es war eine seiner letzten Amtshandlungen, er ist nach der darauf folgenden Landtagswahl ausgeschieden – einen entsprechenden Gesetzesantrag in diesem Hohen Haus eingebracht hat, der mittlerweile leider verfallen ist. Es wäre aus föderalistischer Sicht höchst wünschenswert, wenn sich der Gesetzgeber mit diesem Thema wieder befassen würde, und es ist mir auch ein Anliegen, dass wir dazu kommen werden.

Hinter dieser vermeintlich besoldungsrechtlichen Petitesse steckt nämlich viel mehr. Die möglichst hohe Repräsentanz qualifizierter Juristinnen und Juristen aus den Bun-


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desländern bei den Höchstgerichten, die sich ja insbesondere auch mit vielen Fragen des Landesrechtes und mit Bund-Land-Kompetenzfragen beschäftigen, ist wichtig auf Grund der Erfahrungshorizonte und zu dem Zweck, dass es nicht zu einer weiteren schleichenden Zentralisierung kommt. Ich möchte da nichts unterstellen, aber wir wis­sen: Der Standort bestimmt oft den Standpunkt. Das gilt für alle Bereiche.

Österreich ist ein Bundesstaat, der aus neun Bundesländern gebildet wird, die den Reichtum und die Vielfalt der Republik repräsentieren. Die österreichische Gesamtper­spektive ist daher viel breiter, als der Erfahrungshorizont vom alleinigen Wiener Stand­punkt aus jemals sein kann. Das zu unterstreichen, ist eine Aufgabe, die wir im Österreich-Konvent insgesamt wahrnehmen wollen, und in ganz besonderem Maße gilt es das, glaube ich, in der Länderkammer des österreichischen Parlaments, dem Bun­desrat, zu unterstreichen.

Das möchte ich hier auch mit aller Entschiedenheit tun, und gleichzeitig möchte ich gerne mitteilen, dass die ÖVP-Fraktion selbstverständlich den vorliegenden Berichten des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes ihre Zustimmung erteilen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.02

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Vizepräsident Dr. Pesendorfer! Wir freuen uns, dass Sie zu uns gekommen sind. Der Bericht wurde uns ja seitens des Bun­deskanzlers vorgelegt. Aber dass Sie den Weg hierher zu uns gefunden haben, freut uns ganz besonders. Seien Sie herzlich begrüßt! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

 


20.02

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär – er ist momentan nicht anwesend; ich werde trotzdem meine Fragen stellen, die ich an ihn habe.

Grundsätzlich ist es, wenn man die beiden Berichte sowohl des Verfassungsgerichts­hofes als auch des Verwaltungsgerichtshofes liest, sehr wohltuend zu erfahren, dass beide Gerichte hervorragende Arbeit geleistet haben. Ich glaube, den beiden Gerichten gebührt der Dank von uns allen.

Was den Verfassungsgerichtshof betrifft, möchte ich Herrn Bundesrat Hösele schon sagen, dass es das Recht der Opposition ist, schlechte Gesetze beim Verfassungs­gerichtshof zu beeinspruchen – na selbstverständlich! –, und dass wir dieses Recht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes selbstverständlich auch in Anspruch nehmen. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny. – Bundesrat Weiss: ... erfolgreich!) Immerhin wurde bei 62 Gesetzen festgestellt, dass sie teilweise verfassungswidrig waren.

Einer der Punkte, bei denen es zu großen Unstimmigkeiten gekommen ist, und zwar auch bei uns im Bundesrat, war dieses Budgetbegleitgesetz, das als großes Konvolut beschlossen wurde. Wir haben ja schon des Öfteren darüber gesprochen. Ich denke, hier hat auch der Verfassungsgerichtshof beziehungsweise der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofes richtig erkannt, dass solche Gesetze nicht wieder in so einer Form beschlossen werden sollen.

Zum Verwaltungsgerichtshof: Es stimmt mich sehr nachdenklich, dass es im Jahr 2002 8 931 Rechtsfälle gab, die ein Rückstand aus vorhergehenden Jahren waren, dass 6 893 hinzugekommen sind und dass 6 944 Fälle behandelt wurden. Aber es gibt noch immer einen Rückstand von 8 880 Fällen. Nachdem ich den Bericht gelesen habe, denke ich mir – wie es auch angesprochen wurde –, dass es zu einer Reform des Ver­waltungsrechts kommen soll. Ich lese auch, dass die Bundesregierung diese Reform


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angehen möchte. Dazu möchte ich den Herrn Staatssekretär – er ist leider nicht da – gerne fragen, wann denn diese Reform betreffend das Verfassungsrecht angegangen wird. Es ist dies im Sinne der Rechtssicherheit in Österreich dringend notwendig.

Als Zweites möchte ich ganz einfach fragen, wie es mit den Arbeitsbedingungen – das wird ja hier ebenfalls beklagt – bestellt ist, wann dort Änderungen geschaffen werden und wann die Raumsituation in den Gerichtsgebäuden verändert wird. Das hätte ich gerne gefragt. Ich hoffe, es wird dem Herrn Staatssekretär ausgerichtet und er kann mir darauf noch eine Antwort geben. (Beifall bei der SPÖ.)

20.06

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Professor Dr. Böhm. – Bitte.

 


20.06

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Präsident! Auch ich darf namens meiner Fraktion meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, dass Sie uns die Ehre gegeben haben, dies umso mehr, als ich Sie ja als akademischer Lehrer schon seit sehr vielen Jahren gut kenne und schätze.

Wir behandeln also heute die genannten Tätigkeitsberichte beider Gerichtshöfe für die Jahre 2001 und 2002. Einmal mehr sind sie durch die vorhin schon angesprochene, be­rechtigte Klage beider Gerichtshöfe über ihre permanente Überlastung geprägt. Ich möchte aber die Zahlen doch ein bisschen relativieren, auch zur Ehre des Verwal­tungs­gerichtshofes. Man muss auch seine Arbeitsleistung sehen.

2001 ist beim Verwaltungsgerichtshof der Neuanfall nochmals auf 7 404 Rechtssachen angestiegen und 2002 auf 6 893 Rechtssachen leicht zurückgegangen. Dem standen 2001 immerhin 7 243 Erledigungen und 2002 solche in 6 944 Fällen gegenüber. Der Rückstand von 8 954 Causen konnte bis Ende 2002 immerhin auf 8 800 anhängige Rechtssachen leicht abgebaut werden. Unter solchen Bedingungen kann es gewiss auch nicht überraschen, dass die durchschnittliche Dauer der mit Sachentscheidung erledigten Verfahren 2002 über 21 Monate betrug. 844 Akten waren sogar älter als drei Jahre.

Einer der Gründe dafür lag in den letzten Jahren in der Einrichtung vielfacher neuer Kollegialbehörden, die komplexe Regelungen unter Einbeziehung technischer Aspekte zu vollziehen haben, insbesondere etwa im Bereich der Telekommunikation, was auch die nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes immer schwieriger werden lässt. Im Konvent wird über mögliche Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung wie verkürzten Rechtszug und Einrichtung von Fachsenaten nachgedacht.

Eine anzuerkennende, wenn auch keineswegs ausreichende Entlastung brachten der neu geschaffene § 26a Verwaltungsgerichtshofgesetz betreffend Erledigung von Mas­senverfahren und die Ablehnung der Überprüfung von Erkenntnissen Unabhängiger Verwaltungssenate gemäß § 33a Verwaltungsgerichtshofgesetz. Mit der vermehrten Übertragung von Materien an die Unabhängigen Verwaltungssenate ist es aber keines­wegs getan. Völlig zu Recht weist der Tätigkeitsbericht – und das auch nicht zum ersten Mal – darauf hin, dass einzig und allein die seit Jahren geforderte Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch Einführung von Verwaltungsgerichten erster Instanz, also Landesverwaltungsgerichten, eine grundlegende Entlastung erbringen kann. Um eine Personalvermehrung wird man ebenfalls nicht ganz herumkommen.

Verglichen damit stellt sich die Situation beim Verfassungsgerichtshof noch relativ günstig dar – alles relativ. Immerhin leidet aber auch er an hohen Zahlen von Neuanfällen. 2001 waren es 2 261 und 2002 sogar 2 569 neue Causen. Demgegen­über wurden mehr Rechtssachen erledigt, als anfielen, und das schon seit 1997, und


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zwar 2 706 beziehungsweise 2 594 Fälle. Ende 2002 waren aber immer noch 1 159 unerledigte Rechtssachen bei ihm anhängig. Die durchschnittliche Verfahrensdauer beträgt zwischen acht und neun Monaten – auch dies eine weit bessere Bilanz als beim Verwaltungsgerichtshof. Dennoch vermag sie einen unter Umständen sogar in ei­nem Grundrecht verletzten Beschwerdeführer, der auf die Wiederherstellung seiner gefährdeten fundamentalen Rechtsposition wartet, wenig zu trösten.

Was ließe sich beim Verfassungsgerichtshof strukturell verbessern? – Zutreffend hebt der Tätigkeitsbericht hervor, dass der Gesetzgeber die Einrichtung von Sonder­behör­den, gegen deren Entscheidung der Rechtszugang an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist, vermeiden sollte. Sie nehmen dann nämlich den Verfassungs­ge­richtshof über Gebühr in Anspruch. Freilich träfe nach einer abweichenden Regelung den Verwaltungsgerichtshof ein zusätzlicher Neuanfall.

Ein immer wiederkehrender Vorschlag, auch beim Verfassungsgerichtshof von Ses­sionen abzugehen und zum Modell der Vollrichter überzugehen, müsste aber noch sehr genau überdacht werden. Dagegen spricht nämlich meines Erachtens vor allem, dass sich dann insbesondere renommierte Rechtsanwälte wohl nicht mehr für den Ver­fassungsgerichtshof gewinnen ließen. Ebenso warne ich davor, dem Verfassungs­gerichtshof die Möglichkeit, auch in kleiner Besetzung statt in der Vollversammlung zu erkennen, ganz zu entziehen.

Berechtigt am Streit um die Gesetzmäßigkeit eines solchen Vorgehens erscheint mir allerdings, dass es einer klareren und präziseren Formulierung der Kriterien, wann der Kleine Senat und wann die Vollversammlung entscheidet, bedürfte. Hilfreich wäre es auch, gewisse partielle Überschneidungen der Kompetenzen von Verwaltungs­gerichts­hof und Verfassungsgerichtshof zu bereinigen. Das diente sowohl dem besseren Zu­gang des Bürgers zum Recht im Sinne der Rechtsmittelklarheit als auch einer teil­weisen wechselseitigen Entlastung beider Gerichtshöfe. Durchaus beizupflichten ist meines Erachtens zuletzt auch der Forderung nach einer höheren Ausstattung mit ver­fas­sungsrechtlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Das scheint mir vordringlicher zu sein als die Zuteilung einer Planstelle für einen hauptamtlichen Mediensprecher, ob­wohl ich mir der Bedeutung professioneller Öffentlichkeitsarbeit im Medienzeitalter durch­aus bewusst bin.

Dass all diese Forderungen, soweit sie Finanzierungsprobleme aufwerfen, in Zeiten von Budgetrestriktionen schwer erfüllbar sind, versteht sich freilich auch von selbst. Hier sind wir alle – und zwar nicht nur der Bund, sondern in gewissem Ausmaß auch die Länder im Rahmen des Finanzausgleiches – vor die selbstkritische Frage gestellt: Was ist uns der Rechtsstaat und eine dem Bürger und natürlich auch der Wirtschaft zumutbare Verfahrensdauer wert? – Hier gilt es wohl auf allen Ebenen, noch politische Überzeugungsarbeit zu leisten.

Umso mehr gebührt beiden Höchstgerichten Dank und Respekt für das von ihnen unter den vorfindlichen Rahmenbedingungen in quantitativer und im Allgemeinen auch in qualitativer Hinsicht Geleistete. Schon aus diesem Grund wird auch meine Fraktion beiden Tätigkeitsberichten sehr gerne ihre Zustimmung geben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.13

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


20.13

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Da-


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men und Herren! Ich habe mir den Bericht des Verwaltungsgerichtshofes genauer an­geschaut, und da ist mir folgender Satz besonders ins Auge gesprungen:

„Schon die gegenwärtigen Erledigungszahlen ... können nur unter solchem Zeitdruck erreicht werden, dass auf Dauer die Qualität der Entscheidungen in Frage gestellt sein könnte.“

Das ist für mich schon ziemlich eindeutig ein Hilferuf, dass dort zu viel Arbeit auf zu we­nige Menschen kommt. Im Vergleich zu Deutschland zeigt sich – das steht auch in dem Bericht drin –, dass dort ungefähr doppelt so viele Richter mit der gleichen Anzahl von Fällen beschäftigt sind.

Wie kommt es nun dazu, dass es in Österreich so viele Fälle gibt? – Wir haben einen Wildwuchs an neuen Gesetzen. In den letzten zehn Jahren gab es zum Beispiel allein 35 Pensionsnovellen, davon waren einige angeblich sogar Reformen. Ein weiterer Punkt ist die Verwaltungsakademie, die es bis vor zwei Jahren gab. Diese ist ersatzlos gestrichen worden; das heißt, die Leute, die Bescheide ausstellen, sind nicht mehr so genau eingeschult, wie das vielleicht früher der Fall war. Und wie schon erwähnt worden ist, wird die Anzahl der Richter am Verwaltungsgerichtshof nicht erhöht.

Herr Staatssekretär, ich kann jetzt die Fragen von vorhin wiederholen, weil ich ziemlich dieselben an Sie hätte stellen wollen: Was ist mit dieser Reform, die im Regierungs­programm beschlossen wurde? Wann wird sie durchgeführt? (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.15

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist Herr Staats­sekretär Mag. Schweitzer. – Bitte.

 


20.15

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst bedanke ich mich noch einmal für den tosenden Applaus. Ich habe nicht gewusst, wie einfach es ist, hier tosenden Applaus zu bekommen. Ich werde mir immer wieder etwas einfallen lassen, falls ich hier auftrete, um auf diese Art und Weise Applaus zu bekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz auf die gestellten Fra­gen antworten. An der im Regierungsprogramm festgeschriebenen Reform wird im Mo­ment gearbeitet. Es bedarf, wie Sie wissen, der Mitwirkung der Länder, und wenn man unter Einbeziehung der Länder eine Reform zustande bringen will, dann sind sehr, sehr viele Gespräche notwendig, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Zu­dem brauchen wir auch die Sicherstellung der Finanzierung. Ohne Bedeckungs­vor­schlag wird es sicherlich keine Reform geben können. Aber Sie wissen bestimmt, dass der Konvent sehr interessiert und auch aktiv an dieser Reform arbeitet.

Eines kann ich von dieser Stelle aus sagen: Im Laufe dieser Legislaturperiode wird all das umgesetzt, was im Regierungsprogramm festgehalten ist. Daher wird auch diese Reform rechtzeitig so wie im Regierungsprogramm vermerkt kommen.

Zu der Frage betreffend die Räumlichkeiten, die vom Kollegen von der SPÖ gestellt worden ist: Auch hier ist die Finanzierung noch abzuklären. Es ist aber auch vom Ver­waltungsgerichtshof klar und deutlich zu sagen, wo sich das Ganze schlussendlich befinden soll. Hier muss der Verwaltungsgerichtshof noch konkret werden.

Der letzte Punkt, die Föderalisierung betreffend: Hier wird es mit Sicherheit nicht an den Reisekosten scheitern. Die Föderalisierung wird so sicher kommen wie auch die Re­formen, die im Regierungsübereinkommen festgehalten sind. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

20.17

 



Bundesrat
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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch dies ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, die vor­liegenden Berichte zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stim­meneinhelligkeit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme der Berichte ist somit angenommen.

19. Punkt

Wahl von Ausschüssen

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 19. Punkt der Tagesordnung.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen vor, gemäß § 13 Abs. 2 der Geschäftsordnung die Mitglieder und Ersatzmitglieder folgender Ausschüsse neu zu wählen:

Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten,

Ausschuss für Bildung und Wissenschaft,

EU-Ausschuss,

Finanzausschuss,

Ausschuss für Frauenangelegenheiten,

Gesundheitsausschuss,

Ausschuss für innere Angelegenheiten,

Justizausschuss,

Landesverteidigungsausschuss,

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft,

Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz,

Ausschuss für Sportangelegenheiten,

Ausschuss für Verfassung und Föderalismus,

Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie,

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit sowie

den bisher noch nicht bestehenden Kulturausschuss

mit jeweils 18 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern neu zu wählen, wobei jeweils 8 Mitglie­der und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, 7 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die SPÖ, 2 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die FPÖ und 1 Mitglied und Ersatzmitglied auf die Grünen entfallen,


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die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Geschäftsordnungsausschusses und des Un­vereinbarkeitsausschusses mit jeweils 14 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern neu zu wählen, wobei jeweils 7 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, 5 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die SPÖ und je 1 Mitglied und Ersatzmitglied auf die FPÖ und die Grünen entfallen,

die 13 Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ständigen gemeinsamen Ausschusses im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 mit jeweils 13 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern neu zu wählen, wobei jeweils 7 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, 5 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die SPÖ und 1 Mitglied und Ersatz­mitglied auf die FPÖ entfallen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag ihre Zu­stimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Die vorher genannten Ausschüsse sind somit gemäß § 13 Abs. 1 der Geschäfts­ord­nung neu gewählt.

Im Sinne des § 13 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates sind die von den Fraktionen auf sie entfallenden Ausschussmitglieder und Ersatzmitglieder schriftlich namhaft zu machen, und diese gelten damit als gewählt.

Die Konstituierung der genannten Ausschüsse wird am Montag, dem 24. No­vem­ber 2003, ab 14 Uhr erfolgen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 3 Anfragen eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 27. November 2003, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Na­tionalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Montag, den 24. November 2003, ab 14 Uhr vor­gesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 20.23 Uhr

 

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Parlamentsdirektion

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