Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Grüß Gott, Herr Minister Faßmann, schön, dass wir uns zu dieser Fragestunde sehen! Als Pädagogin bin ich sehr froh, dass wir trotz der großen Herausforderungen durchaus gut durch dieses Pandemiejahr ge­kommen sind, auch weil Sie so besonnen reagiert haben. Wir sind seit Montag wieder alle im Präsenzunterricht, darüber sind wir sehr froh. Nun haben wir aber – das wissen wir – natürlich auch durch die Covid-Situation verursachte Lerndefizite. Sie haben im Jänner verkündet, es gibt 200 Millionen Euro für Fördermaßnahmen, die einerseits über Überstunden, andererseits über neu angestellte Lehrer, aber auch über Lehramtsstu­denten abgedeckt werden. Das bedeutet 2 Stunden pro Klasse in der Woche, und das ist ein sehr großes Förderpaket.

Wie stellen Sie, Herr Minister, sicher, dass diese 200 Millionen Euro für Fördermaßnah­men zur Beseitigung dieser Lerndefizite auch tatsächlich an den Schulen ankommen?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 80/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie stellen Sie sicher, dass die rund 200 Millionen Euro für Fördermaßnahmen an Schulen zur Beseitigung von COVID-verursachten Lerndefiziten tatsächlich dort ankom­men, wo sie gebraucht werden?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Frau Abgeordnete Gertraud Salzmann, in der Tat ist das ein ordentliches Förderpaket – 200 Millionen Euro! Das sind ja Steuergelder, damit muss man auch gewissenhaft umgehen. Ich glaube aber, es ist richtig, dass wir jetzt in dieser Situation – auch danke für jede Unterstützung – den Schülerinnen und Schülern helfen.

Sie haben auch ganz zu Recht gesagt, das ist ein sehr dezentrales Instrument. 2 Stun­den pro Klasse, das sind bei einer zweizügigen vierklassigen Volksschule immerhin 16 Stunden, daraus kann man schon etwas machen. Wir haben es den Schulen in ihrer Autonomie selbst überlassen, wie sie das tun. Ob sie eine Klasse teilen, ob sie einen zusätzlichen Förderunterricht machen, ob sie einen individualisierten Förderunterricht machen, das bleibt der Schule alles autonom überlassen. Ich halte es auch für sinnvoll, so vorzugehen. Die Verwaltung selber erfolgt über die Bildungsdirektionen, die sind der schulischen Situation schon sehr viel näher, mehr vor Ort, als es der Minoritenplatz ist.

So sorge ich also dafür, dass es auch dort ankommt, wo es benötigt wird, gleichsam über die Kaskade Ministerium, Bildungsdirektion, Schulleitung.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Ich denke, das ist wirklich ganz wichtig und wird ganz sicher helfen.

Ich habe mitunter gehört, dass diese Mittel nicht zur Gänze eingesetzt werden. Können Sie das so bestätigen, beziehungsweise wird das in den Herbst verlängert, wenn man die Mittel jetzt nicht zur Gänze aufbraucht?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Ich muss betonen, dass diese Maßnahme erst seit März 2021 läuft. Wir haben jetzt Ende Mai – noch ist nicht alles verloren, ein Monat ist noch da.

In der Tat ist nicht alles ausgeschöpft, was ausschöpfbar ist, aber es ist ja kein Malheur, würde ich meinen, wenn ein größeres Angebot vorhanden ist, als dann tatsächlich auch genützt wird. Österreichweit liegt die Ausschöpfungsrate etwa bei 65 Prozent, aber das ist eine Momentaufnahme Anfang Mai, das kann sich auch noch ändern.

Ich glaube aber in der Tat, es wird nicht alles ausgeschöpft werden. Warum ist das so? – Lehrer und Lehrerinnen haben viel zu tun, und nicht jeder ist bereit, auch noch Über­stunden zu machen. Wir können auch nicht ununterbrochen Neuanstellungen vorneh­men, Sonderverträge ausgeben, denn auch da gibt es, wenn man so will, einen gewissen Erschöpfungsgrad bei der Bewältigung der Pandemie, und manchmal ist es auch so, dass das halt in Stundenpläne von Schülern nicht wunderbar hineinpasst.

Also der langen Rede kurzer Sinn: Wir schöpfen es nicht zu 100 Prozent aus – macht nichts, einmal mehr zur Verfügung als ausgegeben! Im Wintersemester müssen wir das weiterführen, denn ich glaube, die Lernrückstände werden nicht jetzt im Sommerse­mester beendet sein.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Mühlberghuber. – Bitte.

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Schönen guten Morgen, Herr Bundesmi­nister! Durch falsches Handeln der Bundesregierung hat Corona viele wunde Stellen im Bildungsbereich aufgezeigt. Es verursachte nicht nur Lerndefizite, sondern auch psychi­sche Probleme und Belastungen. Der Anteil der Schüler, die an Angstzuständen leiden, hat um 220 Prozent zugenommen. Bei Schülern mit Schlafstörungen ist der Anteil sogar um 240 Prozent gestiegen. Ganz dramatisch erhöht hat sich der Anteil der Kinder mit Suizidgedanken, er ist um 54 Prozent gestiegen.

Meine Frage dazu: Welche Maßnahmen setzen Sie und wie viel Geld stellen Sie zur Verfügung, um psychische Probleme von betroffenen Schülern zu beseitigen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Frau Mühlberghuber, dass das nicht richtige Entscheidungen waren, ist Ihre Meinung. Ich bin der Meinung, es waren notwendige Entscheidungen in einer pandemischen Si­tuation, die für Österreich, aber auch für Europa insgesamt eine kritische Situation war. Ich bezweifle aber auch nicht – das habe ich in meinen Vorbemerkungen zur Anfragebe­antwortung auch Herrn Kollegen Brückl gesagt –, dass es zu psychischen Problemen gekommen ist. Ich habe von meiner Seite aus gemeinsam mit den Schul- und Ent­wicklungspsychologen, mit Christiane Spiel auch viel unternommen, um zu eindeutigen Befunden zu kommen.

Was wir tun, ist im Wesentlichen, die Schulpsychologie auszubauen. Das tun wir derzeit, ich habe die Zahlen schon genannt. Wesentlich ist aber nicht nur der Ausbau der Schulpsychologie, sondern die Schulpsychologie muss an die Schulen kommen. Sie darf nicht warten, bis jemand kommt und sagt, er habe möglicherweise suizidale Gedanken, sondern sie muss an die Schulleitungen herantreten und fragen: Gibt es Probleme? Gibt es Auffälligkeiten? Sollen wir kommen, Beratungsgespräche machen? – Die Schulpsy­chologie ist neben den anderen Supportstrukturen ein ganz wesentliches Instrument.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete El-Na­gashi. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Guten Morgen, Herr Minister! Herr Präsi­dent! Meine Frage bezieht sich auf eine spezielle Gruppe von Schülerinnen und Schü­lern, nämlich auf diejenigen, die mit dem kommenden Schuljahr aus dem Status außer­ordentliche SchülerInnen in den Status ordentliche SchülerInnen wechseln – unter ande­rem aus den Deutschförderklassen, aber nicht nur. Welche gezielten Unterstützungs­maßnahmen, welche Fördermaßnahmen sind da vorgesehen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Es ist an sich eine erfreuliche Sache, dass jemand aus dem Status des außerordentlichen Schülers in jenen eines ordentlichen Schülers wechselt – erfreulich, weil offensichtlich entsprechende Qualifikationen erworben wurden. In Ihrer Fragestellung steckt aber ein Problem, dem ich zustimme: Damit sollte das Förderangebot nicht in einer 0/1-Entschei­dung aufhören, sondern es sollte weiter gefördert werden.

Was wir tun, ist, im Rahmen des individualisierten Förderunterrichts den Schülern, den jetzt ordentlichen Schülern, weiterhin Fördermöglichkeiten einzuräumen. Durch eine sogenannte unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung kann man das auch ge­zielt machen. Wir haben auch ein Zusatzmodul, ein DAZ-Förderzusatzmodul, entwickelt, und das wird im Herbst im Rahmen des Deutschunterrichts auch eingesetzt. Mittels die­ses Zusatzmoduls kann man genau jene Schülergruppen nochmals ganz spezifisch för­dern.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Köchl. – Bitte.

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Herr Präsident! Als Lehrlingssprecher meiner Partei möchte ich eine Zusatzfrage stellen: Welchen Anteil von den 200 Millionen Euro bekommen die Berufsschulen für Förderstunden, und können öffentliche Lehrwerkstätten, im Speziellen hinsichtlich der Lehrkörper, da auch berück­sichtigt werden?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Puh, also da kann ich Ihnen jetzt keine exakte Zahl sagen, wie viel zur Verfügung steht; aber wenn wir nichts zur Verfügung stellen, dann werde ich dafür sorgen, dass wir etwas zur Verfügung stellen, denn ich halte es für sinnvoll, gerade im Bereich der Lehrlings­ausbildung ebenso Lernrückstände zu beseitigen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordnete Vorderwink­ler. – Bitte.