Transkript der Veranstaltung
Parlamentarisches Symposium: Eine offene und inklusive Gesellschaft. Rolle und Auftrag der Gleichbehandlungsstellen
Martina Madner (Moderation): Vielen herzlichen Dank, dass Sie alle gekommen sind! Gleichbehandlungsstellen sind ja Watchdogs: Sie setzen sich gegen Diskriminierung ein, sie setzen sich für Gleichbehandlung ein, sie unterstützen Betroffene von Diskriminierung dabei, ihr Recht durchzusetzen.
Seit Mai 2024 gibt es nun zwei verpflichtende EU-Richtlinien zu den Standards für Gleichbehandlungsstellen. Welche Standards das sind und welche Verbesserungen diese genau bringen: Genau darum wird es heute im parlamentarischen Symposium "Eine offene und inklusive Gesellschaft – Rolle und Auftrag der Gleichbehandlungsstellen" gehen.
Ich möchte nun aber unsere Gastgeberin hier bei der heutigen Veranstaltung begrüßen – sie hat es ermöglicht, dass das Symposium an diesem wichtigen Ort der Demokratie und des Diskurses, also hier im Parlament, stattfinden kann –: Die Zweite Präsidentin des Nationalrates Doris Bures. – Herzlich willkommen. (Beifall.)
Willkommen heißen möchte ich auch die Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft, Sandra Konstatzky, auf deren Initiative die heutige Veranstaltung hier stattfinden kann. (Beifall.)
Es freut uns sehr, dass Volksanwalt Bernhard Achitz und Parlamentsdirektor Harald Dossi der Einladung gefolgt sind. Außerdem ist bereits Abgeordneter zum Nationalrat Mario Lindner hier, den Sie später noch im Panel hören werden. Begrüßen möchte ich aber auch alle anderen Abgeordneten zum Nationalrat und Mitglieder des Bundesrates im Publikum. – Ihnen allen ein herzliches Willkommen, hoch verehrtes Publikum. (Beifall.)
Mein Name ist Martina Madner, ich bin selbstständige Journalistin, Moderatorin und Vorsitzende des Frauennetzwerks Medien. Ich freue mich sehr, dass ich Sie heute durch den Nachmittag begleiten kann. Es ist wirklich ein spannendes Thema.
Noch etwas Organisatorisches vorab: Sie finden auf Ihren Stühlen einen Veranstaltungsguide, der Sie nicht nur durch das Symposium führt, sondern durchaus auch die Themen kurz und bündig zusammenfasst. Er ist also lesenswert.
Sofern Sie diese noch nicht auf haben, aber verwenden wollen: Dort drüben beim Eingang gibt es Kopfhörer für die Übersetzung der englischen und deutschen Vorträge der Panelbeiträge in die jeweils andere Sprache.
Bevor wir nun aber in medias res gehen, darf ich die Zweite Präsidentin des Nationalrates Doris Bures für ihre Begrüßung zu mir auf das Podium bitten. – Bitte schön. (Beifall.)
Eröffnungsworte
Doris Bures (Zweite Präsidentin des Nationalrates): Vielen Dank, Frau Madner, für die freundliche Begrüßung und auch Einleitung zum heutigen Symposium! Ich begrüße Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, auf das Allerherzlichste hier im österreichischen Parlament. Ich bedanke mich auch bei Sandra Konstatzky für diese Initiative.
Vier Tage vor einer Nationalratswahl ist es nicht nur für dieses Haus, aus dem die Übertragung stattfindet, sondern für alle, die sich aus der Politik daran beteiligen – und das ist ja sehr wesentlich –, eine Herausforderung, aber die Anwesenheit – Sie werden es dann auch beim Panel sehen – zeigt, dass es den Abgeordneten des Hauses aus vielen guten Gründen wichtig ist, sich mit diesem Thema sehr intensiv auseinanderzusetzen, Wahlkampf hin oder her. Es geht darum, dass das für unsere Demokratie, für unser Zusammenleben ein ganz wichtiges Thema ist.
Ich bedanke mich auch beim Herrn Parlamentsdirektor, beim Herrn Volksanwalt. Ich glaube, das ist schon auch ein Zeichen, wie sehr wir in Österreich uns um diese enge Zusammenarbeit immer wieder bemühen.
Es wurde von der Moderatorin kurz angesprochen, nämlich dieses Symposium im Parlament stattfinden zu lassen: Ich denke, es gibt keinen besseren Ort als das österreichische Parlament, um sich mit so wichtigen Themen, nämlich mit einer offenen und inklusiven Gesellschaft, auseinanderzusetzen. Wo, wenn nicht im österreichischen Parlament, ist es notwendig, diesen Gedankenaustausch zu fördern? Das Parlament ist wie gesagt meiner Auffassung nach der richtige Ort. Darum bin ich diesem Wunsch auch gerne nachgekommen und habe die Einladung ausgesprochen, weil es eben sehr viel mit unserer Demokratie zu tun hat. Das ist das Herz der Demokratie. Es ist dieser Ort, dieses Parlament, wo über das Leben der Menschen in unserem Land verhandelt wird. Es ist der Ort, an dem Diskussion und Dialog stattfinden, und es ist der Ort der österreichischen Gesetzgebung.
Ich freue mich auch, dass ich gleich beim Hereinkommen einige wiedergesehen habe, denn wir hatten erst knapp vor dem Sommer eine ganz wichtige Veranstaltung im Parlament. Mir ist wichtig, das zu erwähnen, weil man daran erkennt, dass es sich nicht um eine punktuelle Auseinandersetzung handelt, oder weil es eine neue EU-Gleichbehandlungsrichtlinie gibt, sondern dass wir uns mit diesem Thema der Gleichstellung, der Antidiskriminierung laufend sehr intensiv auseinandersetzen.
Wir hatten knapp vor dem Sommer eine Festveranstaltung: 20 Jahre Klagsverband. Das steht ja, denke ich mir, auch in einem engen Zusammenhang mit der heutigen Diskussion. Das Motto dieser Festveranstaltung damals knapp vor dem Sommer war: "Gemeinsam auf dem Weg zu einer diskriminierungsfreien Gesellschaft". – Heute haben wir, haben Sie mit der Diskussion die Chance, diesen Weg ein Stück weiterzugehen. Dass wir uns heute mit diesem Thema – dem Kampf um eine diskriminierungsfreie Gesellschaft – auseinandersetzen, ist, würde ich fast sagen, dringlicher denn je. Sie wissen das ja auch sehr genau aus Ihrer täglichen Arbeit. Wir wissen alle, dass wir Gefahr laufen, in eine Spaltung unserer Gesellschaft, in antidemokratische Strömungen und in eine rauere Stimmung innerhalb unserer Gesellschaft abzudriften.
Das muss uns schon alarmieren. Ich weiß, Sie kennen die Zahlen, aber ich möchte trotzdem in Erinnerung rufen, woran man festmachen kann, dass es wirklich nötiger denn je ist, sich mit Antidiskriminierung und der Frage von Gleichstellung in unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen. Die Antisemitismusmeldestelle verzeichnete im Jahr 2023 insgesamt 1 147 antisemitische Vorfälle. Das ist ein Anstieg um 59,9 Prozent. Die Dokumentationsstelle für Islamfeindlichkeit meldet für 2023 507 Fälle. Das ist eine Verdoppelung. Eine EU-Studie der EU-Grundrechteagentur, die ja heute auch hier vertreten ist, hat letztes Jahr auch erschreckende Zahlen veröffentlicht und präsentiert: dass 72 Prozent der befragten schwarzen Menschen in Österreich Diskriminierungserfahrungen haben.
All das sind Indikatoren dafür, dass wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen müssen und dass wir vor allem rasch zu Lösungen kommen müssen. In Zeiten, in denen Diskriminierung und Hass offensichtlich ungehemmt zutage treten können, müssen wir als Demokratinnen und Demokraten eben umso entschlossener dagegen auftreten und dagegen ankämpfen. Ich freue mich – auch weil ich diesen Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus auch immer als eine internationale Aufgabe sehe, die nicht an nationalen Grenzen haltmacht –, dass dieses Symposium heute genau diesen Aspekt miteinbeziehen wird.
Ich glaube, es war in Österreich ein ganz wesentlicher Schritt, dass wir ausgehend von den Diskriminierungsmaßnahmen vor allem in der Arbeitswelt, wo wir begonnen haben, diese Erweiterung der Diskriminierungsgründe vorgenommen haben: ethnische Herkunft, Religion und Weltanschauung, Alter, sexuelle Orientierung oder auch Behinderung.
Es gibt ja einen aktuellen Anlass – ich habe es kurz angesprochen –, nämlich die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie. Ich glaube, wir haben die Chance, damit einen weiteren großen Schritt zu machen. Ich glaube wie gesagt, dass der Zeitpunkt vier Tage vor einer Nationalratswahl gar kein so schlechter ist, um alle im Parlament vertretenen Fraktionen noch einmal darauf aufmerksam zu machen – im Haus, im Herzen der Demokratie.
Das Symposium befasst sich ja mit einem ganz wesentlichen Thema – ich habe es gesagt –: Es geht sozusagen um eine offene, inklusive Gesellschaft, um die Rolle und den Auftrag der Gleichbehandlungsstellen. Im Mittelpunkt steht dieser Erfahrungsaustausch, national wie international, im Mittelpunkt stehen Best-Practice-Modelle – von den anderen lernen –, und im Mittelpunkt steht natürlich auch eine internationale Vernetzung, die erforderlich ist.
Erlauben Sie mir auch, noch einmal festzuhalten, dass ich es immer für sehr positiv halte, dass es, wenn man in ein Symposium, in einen politischen Dialog, in eine Diskussion einsteigt, dann auch so etwas wie klare Zielvorstellungen gibt. Es gibt also eine klare Zielsetzung: Was will man in dieser Auseinandersetzung, in dem Austausch, in dem Lernen voneinander erreichen? Da, finde ich, ist es so wesentlich, dass wir diese klaren Zielsetzungen auch formuliert haben: dass wir aus einem guten, wichtigen Schritt – der EU-Gleichbehandlungsrichtlinie – so rasch wie möglich in eine nationale Umsetzungssituation kommen, dass wir das so rasch wie möglich auch in die österreichische Gesetzgebung einfließen lassen.
Diese klare Zielsetzung, die am Beginn dieses Prozesses und der Diskussion heute steht, bedeutet natürlich, dass es auch genau darum geht, dass bei allen politischen Entscheidungsprozessen Ihre Expertise eingebunden sein soll. Es geht um die politische Einbindung jener Akteure, die tagtäglich in diesem Bereich mutig und entschlossen tätig sind. Es geht darum, dass es, wenn wir uns dazu bekennen, dass es mehr Möglichkeiten zur Durchsetzung bei Diskriminierung geben soll, mehr Ressourcen braucht. Auch da wird man nicht daran vorbeikommen, dass wir eine klare Zielsetzung haben, nämlich eine Ressourcenerweiterung und, was dann sozusagen vor allem die rechtliche Umsetzung betrifft, eben diese erweiterten Klagsrechte – die sind auch erforderlich.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehöre ja zu jenen im österreichischen Nationalrat, die auf der einen Seite, glaube ich, immer recht klar formulieren, was sie glauben, was politisch für eine liberale Demokratie erforderlich ist, wo wir aufpassen müssen, worauf wir achten müssen, die aber auch immer klar sagen: Wir brauchen auch die richtigen Instrumente; wir dürfen sozusagen nicht nur am Rednerpult darüber diskutieren, sondern wir müssen auch in der Legistik und dann in der Umsetzung mit allen Möglichkeiten dafür sorgen, dass das auch in der Gesellschaft ankommt – nicht nur bei den Reden, sondern dass es wirklich ankommt und dass wir damit tatsächlich einen Beitrag zu einer diskriminierungsfreieren Gesellschaft und zu einem diskriminierungsfreieren Zusammenleben in unserem Land leisten können.
Um solch wichtige Instrumente geht es heute bei dieser Diskussion: dass Sie diese Instrumente für Ihre Tätigkeit in die Hand bekommen – das ist die Zielsetzung. Die Zielsetzung darüber hinaus ist natürlich, dass Sie wie gesagt auf der einen Seite diese Instrumente bekommen, dass aber auch wir alle, die gesamte Gesellschaft in unserem Land, die ja davon lebt, dass sie eine liberale und demokratische Gesellschaft ist, eben ein Mehr an Gleichberechtigung, ein Mehr an Solidarität, ein Mehr an Zusammenhalt und ein Mehr an Respekt erfahren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie tun das mit Ihrer Tätigkeit. Dafür bedanke ich mich bei Ihnen und möchte Ihnen auch sagen: Das sind unsere Grundwerte, für die es sich auch mutig zu kämpfen lohnt. – Danke vielmals. (Beifall.)
Martina Madner : Vielen Dank.
Sandra Konstatzky überreicht der Zweiten Präsidentin des Nationalrates übrigens gerade ein Notizbuch mit dem Titel "Just thoughts" als kleines Dankeschön für diesen wunderschönen Rahmen. Das Notizbuch erhalten später, am Ende des Symposiums, übrigens auch alle Speaker:innen. Vielleicht wollen sie darin ja den einen oder anderen Gedanken zu einer offenen und inklusiven Gesellschaft notieren.
Um die angesprochenen Zielsetzungen wird es übrigens dann auch im Panel der Abgeordneten gehen. Herrn Lindner werden dann auch noch Frau Brandstötter, Nico Marchetti, Eva Maria Holzleitner und David Stögmüller ergänzen – wahrscheinlich nicht in den Ansichten, aber das Panel wird dadurch ergänzt werden.
Nun aber möchte ich Sandra Konstatzky noch einmal vorstellen. Sie ist Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft und wird uns noch kurz erläutern, wo genau sie den Fokus des Symposiums sieht. – Bitte schön.
Sandra Konstatzky (Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Vertreterinnen, Vertreter und Vertreter:innen einer vielschichtigen Community für Gleichbehandlung und Antidiskriminierung! Ich freue mich wirklich sehr – es schaut sehr toll von hier aus –, Sie alle zum heutigen Symposium "Eine offene und inklusive Gesellschaft. Rolle und Auftrag der Gleichbehandlungsstellen" begrüßen zu dürfen. Ich bedanke mich an dieser Stelle wirklich ganz besonders bei Ihnen, Frau Präsidentin, für die Ermöglichung dieser Veranstaltung, vor allem auch zu diesem Zeitpunkt – ganz herzlichen Dank!
Sie haben es auch schon erwähnt, und ich kann daran anschließen: Rechte zu haben ist der erste Schritt für diese offene, inklusive Gesellschaft, in der wir leben. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass die Menschen auch den Zugang zum Recht haben oder dieses auch effektiv nutzen können. Damit Antidiskriminierungsrecht tatsächlich gelebt werden kann, braucht es neben vielen anderen Akteur:innen vor allem auch Gleichbehandlungsstellen, die Diskriminierung bekämpfen und Gleichstellung fördern. Dazu hat sich die Europäische Union eigentlich schon vor 24 Jahren bekannt, aber nun legt sie erstmals verbindliche Richtlinien vor, die klare Standards für Gleichbehandlungsstellen vorsehen, die in den nächsten zwei Jahren auch umzusetzen sind.
Der Fokus dieses parlamentarischen Symposiums ist – gerade bei der anstehenden Umsetzung – auf die offene und inklusive Gesellschaft im Sinne der europäischen Wertegemeinschaft gerichtet: Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit sowie die Wahrung der Menschenrechte – das bildet das Fundament der Europäischen Union.
Es freut mich wirklich ganz besonders, zwei wesentliche Institutionen, die dieses Fundament tragfähig machen, in den heutigen Keynotes vertreten zu haben: Andreas Accardo, Leiter der Abteilung internationale Zusammenarbeit und Netzwerke der EU-Grundrechteagentur, und Tamás Kádár, Kodirektor von Equinet, dem Netzwerk der europäischen Gleichbehandlungsstellen. Sie werden heute in ihrem Beitrag auch erläutern, wie Gleichbehandlungsstellen zu diesem Fundament beitragen.
Zu fragen, welche Rolle und welchen Auftrag für die offene und inklusive Gesellschaft Gleichbehandlungsstellen durch die neuen Standards haben sollen, heißt, dabei gerade keine Innenschau zu machen. Es geht – auch das hat die Präsidentin schon erwähnt – um die Menschen, für die wir als Gleichbehandlungsstellen etwas bewirken. Die Standards dienen dazu, dass Menschen ihre Rechte effektiver anwenden können und dabei von Gleichbehandlungsstellen unterstützt werden. Wir als diese Stellen sollen außerdem auch emanzipatorische Impulse für die Strukturen von Organisationen, Unternehmen und Institutionen geben.
Wir dürfen uns heute auf internationale Beispiele für Best Practice zu Unabhängigkeit, Klagerechten und proaktiver Arbeit freuen, mit Beiträgen von meinen Kolleg:innen Patrick Charlier, Leiter der belgischen Gleichbehandlungsstelle Unia, Lars Arrhenius, Leiter der schwedischen Ombudsstelle, und Ferda Ataman, Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung in Deutschland.
Hier auf dem Podium wird sich auch ein Ausschnitt der geballten Stärke der österreichischen Gleichbehandlungsstellen zeigen. Ich freue mich, mit Christine Steger, Behindertenanwältin, Eva Matt, Vorsitzende des Senates I der Gleichbehandlungskommission, Isolde Kafka, Leiterin der Servicestelle Gleichbehandlung und Antidiskriminierung Tirol, und Klaus Feurstein, Landesvolksanwalt Vorarlberg, die Anforderungen für Unabhängigkeit und Effektivität zu diskutieren und damit auch ein Stück weit von unserer Seite zu definieren.
Um Vorschläge für eine mutige und innovative Richtlinienumsetzung vorzulegen, müssen wir aber vor allem – auch wir als Gleichbehandlungsstellen – zuhören, und zwar jenen, die den Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, am nächsten sind: den Vertreter:innen der NGOs. Ich freue mich, dass wir Gelegenheit haben werden, Theresa Hammer, Geschäftsführerin des Klagsverbandes, und Rumeysa Dür-Kwieder, Vorsitzende der Dokustelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus, im Hinblick auf die Notwendigkeit von strategischen Klagen zuzuhören.
Wir werden von Sonia Zaafrani, Obfrau der Initiative für ein diskriminierungsfreies Bildungswesen, erfahren, wie notwendig datenbasierte Arbeit ist. Es braucht eine wirksame Verankerung der proaktiven Arbeit für Gleichbehandlungsstellen, damit das Rechtsbewusstsein im Sinne einer offenen und inklusiven Gesellschaft verändert werden kann. Es braucht eine mutige Umsetzung der Klagerechte, damit Gleichbehandlungsstellen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene wirken können.
Demokratie bedeutet, einander zuzuhören, und wo gibt es einen besseren Platz als hier, im österreichischen Parlament? Es ist mir eine ganz besondere Ehre, dass heute, vier Tage vor der Wahl, so viele Nationalräte und Nationalrätinnen vertreten sein werden, um zuzuhören, und wir werden ihnen ebenso sehr gespannt zuhören, wie sie ihre Visionen zur Gleichbehandlungslandschaft aussehen lassen. – Ich begrüße hier die Nationalratsabgeordneten Nico Marchetti, Eva Maria Holzleitner, Mario Lindner, der schon vertreten ist, David Stögmüller und Henrike Brandstötter.
Geben wir also in diesem Symposium den Startschuss für eine mutige und innovative Richtlinienumsetzung, damit Gleichbehandlungsstellen gerecht, proaktiv und unabhängig handeln und sozialen Wandel bewirken können! – Danke. (Beifall.)
Martina Madner: Vielen, vielen herzlichen Dank, Sandra Konstatzky.
Wir wollen also heute von den Besten in Sachen Gleichstellung lernen. Wir haben jetzt schon viel von Mut gehört, den es braucht. Ziel aller ist aber, eine innovative und effektive Umsetzung der Richtlinien für die von Diskriminierung Betroffenen voranzutreiben. Was bringt uns aber in die Richtung dieser offenen und inklusiven Gesellschaft? Was bringen EU-Standards für Gleichbehandlungsstellen? – Wichtige Fragen, deshalb erwartet uns auch ein umfangreiches Programm, das ich Ihnen kurz vorstellen möchte.
Im ersten Block geht es um neue Impulse für wirksame Gleichbehandlungsstellen. Im zweiten Block geht es um Klagerechte und die proaktive Arbeit.
Um 15.30 Uhr machen wir eine Pause. Pünktlich um 15.55 Uhr geht es dann mit Block III und der Unabhängigkeit der Gleichbehandlungsstellen weiter.
Im abschließenden vierten Block geht es dann um die politischen Visionen der Nationalratsabgeordneten.
Wir kommen nun zu den neuen Impulsen und dem effektiven Zugang zum Recht durch EU-Standards. Darüber spricht nun Andreas Accardo in seiner Keynote. Er hat in der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte die Leitung der Abteilung institutionelle Zusammenarbeit und Netzwerke inne. – Herzlich willkommen. (Beifall.)
Block I: Die EU-Standards – Neue Impulse für wirksame Gleichbehandlungsstellen
Keynote I: Effektiver Zugang zum Recht – Wie können die Standards die Zusammenarbeit zwischen Gleichbehandlungsstellen und der Europäischen Grundrechteagentur stärken?
Andreas Accardo (Leiter für institutionelle Zusammenarbeit und Netzwerke, Agentur der Europäischen Union für Grundrechte): Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Sandra Konstatzky! Sehr verehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesem Symposium! Zunächst einmal möchte ich mich beim Parlament vielmals bedanken, dass Sie der Verabschiedung der EU-Richtlinien ein Symposium gewidmet haben. Ich glaube, schon das ist Best Practice innerhalb der Europäischen Union. Ich weiß nicht, ob das in Deutschland passiert ist, aber vielleicht kann man da etwas mitnehmen.
Auf jeden Fall freut es uns sehr, dass Sie natürlich die EU-Agentur für Grundrechte eingeladen haben, bei dieser Gelegenheit zu sprechen. Sowohl die Gleichbehandlungsstellen als auch Equinet sind essenzielle Partner für die EU-Grundrechteagentur, insofern ist es uns eine Ehre und eine Freude, hier beizutragen.
In meinem Beitrag möchte ich mich sowohl auf den Auftrag als auch auf die Möglichkeiten konzentrieren, die sich durch die Verabschiedung der EU-Richtlinien für die Gleichbehandlungsstellen ergeben. Ein bisschen möchte ich auch darauf eingehen, wie wir als EU-Agentur Sie vielleicht bei der Umsetzung der neuen Richtlinien unterstützen können, sowohl die Gleichbehandlungsstellen selbst als natürlich auch die Mitgliedsländer.
Die Vorrednerinnen haben ja schon viel besser als ich erläutert, dass der rechtliche Rahmen in der EU, was Diskriminierungsschutz betrifft, relativ ausgefeilt ist. Wir haben nicht nur die Gleichbehandlungsrichtlinien, sondern wir haben auch schon in den EU-Verträgen Diskriminierungsschutz verankert. Dann haben wir die EU-Charta der Grundrechte – etwas, was unserer Agentur sehr am Herzen liegt –, die auch Diskriminierungsschutz herstellt, und wir haben jetzt die neuen EU-Richtlinien.
Gleichzeitig muss man sagen, dass die Realität anders aussieht, als es in den Gesetzen vorgesehen ist. Ich muss nicht die Zahlen der Frau Präsidentin wiederholen, Sie haben deutlich gemacht, dass wir besorgniserregende Zahlen sehen, auch in Österreich. Vielleicht darf ich nur die Zahlen in Österreich einmal mit dem europäischen Schnitt vergleichen: Sie haben erwähnt, dass sich drei Viertel der von uns befragten Personen afrikanischer Herkunft in Österreich in den letzten fünf Jahren zumindest einmal diskriminiert gefühlt haben; im europäischen Schnitt sind es 50 Prozent. Das heißt nicht, dass das ein Grund ist, dass Österreich besonders schlecht dasteht. Ich glaube, durch die Bank – je nachdem, welche Gruppen man befragt – finden wir doch sehr, sehr hohe Diskriminierungserfahrungen in allen EU-Mitgliedsländern.
Eine Zahl, die, glaube ich, im Zusammenhang mit der Diskussion hier sehr wichtig ist, wollte ich noch hinzufügen. Mit der hohen Diskriminierungserfahrung geht einher, dass nur eine von zehn Personen, die Diskriminierungserfahrung haben, dies auch berichtet. Da kann man spekulieren, woran das liegt; das hat unterschiedliche Gründe.
Einer der Gründe könnte auch sein, dass die Gleichbehandlungsanwaltschaften, die Gleichbehandlungsstellen, leider relativ unbekannt sind. Wir haben auch nachgefragt, ob Personen, die ein hohes Diskriminierungsrisiko haben, von der Existenz einer Gleichbehandlungsanwaltschaft oder Gleichbehandlungsstelle wissen. Leider ist es nur bei einer Person von 20 der Fall, dass sie zumindest eine der Anlaufstellen nennen kann.
Jetzt kommen wir zu den neuen EU-Richtlinien. Wie kann da Abhilfe geschaffen werden? Wir haben über die Situation gesprochen, die Bestandsaufnahme ist nicht sehr positiv, aber bei den Möglichkeiten, die sich jetzt durch die neuen EU-Richtlinien ergeben, möchte ich vier Aspekte hervorheben – einige sind schon angeklungen –:
Erstens wäre die Stärkung des Mandats und der Unabhängigkeit der Gleichbehandlungsstellen eine Möglichkeit. Die neuen Richtlinien fordern von den Mitgliedstaaten Minimumstandards – die Mitgliedsländer können gerne darüber hinaus gehen – bei der Ausstattung von Gleichbehandlungsstellen hinsichtlich ihres Mandats, aber auch der finanziellen Ausstattung. Im Zuge der Umsetzung werden Indikatoren entwickelt, um dies auch überprüfbar zu machen. Ganz wichtig: Die Unabhängigkeit der Gleichbehandlungsstellen ist etwas, was in den EU-Richtlinien hervorgehoben wird, weil dies als Teil der Herstellung von Effektivität bei der Bekämpfung von Diskriminierung angesehen wird – dass unabhängige Stellen effektiver sind als welche, die weisungsabhängig sind. – Das wäre der erste Punkt: Stärkung des Mandats und der Unabhängigkeit der Gleichbehandlungsstellen.
Der zweite Punkt wäre die Möglichkeit, die sich bietet, einer stärkeren Koordination. – Frau Konstatzky, ich habe sehr interessiert zugehört, dass hier so viele andere Menschenrechtsakteure im Raum sind. Ich glaube, das ist von zentraler Bedeutung, auch bei der Umsetzung der Richtlinien, aber auch etwas, was dann natürlich die Arbeit steuern sollte. Die Richtlinien heben hervor, dass es für die Gleichbehandlungsstellen wichtig ist, Kooperationen mit anderen Akteuren in der Menschenrechtslandschaft einzugehen.
Unsere Forschungen zeigen, dass wir es in allen EU-Mitgliedsländern mit einer zunehmend zersplitterten Menschenrechtslandschaft zu tun haben. Neue Mandate werden an kleinere Institutionen vergeben, und oft ist es dann schwierig, da Koordinationsmechanismen zu entwickeln, die auch effektiv sind. Da gibt es für die Gleichbehandlungsstellen die Möglichkeit, zumindest im Bereich Gleichbehandlung Koordinationsmechanismen mit den anderen Menschenrechtsakteuren, natürlich einschließlich der Zivilgesellschaft, herzustellen.
Um nur ein Beispiel zu nennen: Aus Luxemburg ist uns bekannt, was sie beschlossen haben, nämlich dass sie alle irgendwie mit Menschenrechten beschäftigten Akteure in einem Menschenrechtshaus zusammengefügt haben, sodass auch in der Praxis die Koordination leichter ist. Ich glaube, das Gleiche gibt es in Belgien; da ist es, glaube ich, auch so, dass sie zusammengefasst sind – das nur als eines der Beispiele.
Ein dritter Punkt, Verbesserung der Bewusstseinsbildung und Zugänglichkeit der Gleichbehandlungsstellen: Ich habe erwähnt, dass die Bekanntheit der Gleichbehandlungsstellen relativ gering ist – grob vereinfacht, das ist sicherlich von Land zu Land unterschiedlich. Weniger als ein Drittel der marginalisierten Gemeinschaften europaweit kann auch nur eine der Anlaufstellen für Opfer nennen. Daher betonen die Richtlinien die Notwendigkeit gezielter Aufklärungskampagnen, die im Übrigen auch der Staat finanzieren sollte, um sicherzustellen, dass die Einzelpersonen über ihre Rechte und über die verfügbaren Rechtsmittel informiert sind.
Der letzte Punkt, den ich hervorheben wollte, was die Möglichkeiten der EU-Richtlinien angeht, ist: All das – Stärkung der Gleichbehandlungsstellen, zunehmende Aufklärungsarbeit, bessere Koordination – ist eine Seite der Medaille. Die andere Seite: Es muss mit glaubwürdigerer staatlicher Antidiskriminierungspolitik unterfüttert werden.
Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen: In Dänemark, der europäischen Spitze, konnten zwei Drittel der Befragten afrikanischer Herkunft sehr wohl die Gleichbehandlungsstelle nennen. Sie ist also in der Bevölkerungsgruppe, die ein höheres Diskriminierungsrisiko hat, bekannt. Auch dort aber meldet nur einer von zehn Befragten seine Diskriminierungserfahrungen, weil wahrscheinlich auch dort die Glaubwürdigkeit dieser Antidiskriminierungsmaßnahmen infrage gestellt wird.
Abschließend ein paar Zukunftsaussichten: Wie können wir auf den Richtlinien aufbauen, was sind die Möglichkeiten, wie wir auch in Zusammenarbeit mit der FRA einige Dinge verstärken können? – Ich fange mit unserer Kooperation an, und das betrifft jetzt nicht nur die österreichische Gleichbehandlungsstelle, sondern im Prinzip alle europäischen Gleichbehandlungsstellen. Da bieten die neuen Richtlinien eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie wir zusammenarbeiten können.
Ein Beispiel möchte ich nennen – weil Sie das vorhin erwähnt haben –: die Bedeutung von datengestützter Gleichbehandlungspolitik. Ich glaube, das ist ein Bereich, in dem Sie mit der FRA sehr gut zusammenarbeiten können.
Wir haben Expertise, was sowohl die Erhebung von Daten angeht, als auch einen großen Schatz von Daten, die man nutzen kann, um zu sehen, wo Herausforderungen bestehen, wo vielleicht noch nachjustiert werden muss und wo wir auch gemeinsam an Lösungen arbeiten müssen.
Also verstärkte Zusammenarbeit mit der FRA, würde ich sagen, zum Beispiel bei der Erhebung von Daten und der Nutzung von Daten, ist eine Möglichkeit.
Dann – zweitens – Zukunftschance: Die Richtlinien versprechen eine bessere Unterstützung marginalisierter Personen und Gruppen. Die Richtlinien, Sie haben das erwähnt, erweitern die Befugnisse der Gleichbehandlungsstellen, Rechtsbeistand zu leisten, Klagemöglichkeiten, Bewusstsein zu schaffen und gezielte Unterstützung für Opfer anzubieten. Dazu gehört auch, dass die Beschwerden möglichst niederschwellig möglich sein müssen. Es wird teilweise in den Richtlinien erwähnt, was da gemacht werden muss, aber ich glaube, das ist etwas, wo man sich auch vielleicht untereinander mehr austauschen muss, was wirkt, und vielleicht auch keine Angst haben vor einer Zunahme von Beschwerden, denn nur so kann man die Situation verbessern. Aber ich glaube, dass da auch die Zusammenarbeit mit den zivilgesellschatflichen Akteuren von zentraler Bedeutung ist, mit den Communities, und hier eine effektive Zusammenarbeit eigentlich der wichtigste Schritt ist.
Dann die letzte, sagen wir, Zukunftschance – und ich bin mir sicher, andere Redner werden viel mehr Zukunftschancen sehen – ist die der Partnerschaften, dieser Partnerschaften mit unterschiedlichen Menschenrechtsakteuren. Ich habe es zu Beginn schon erwähnt: Aus unserer Forschung geht hervor, dass es zunehmend Bereiche gibt, die vielleicht bisher nicht so ganz im Zentrum der Arbeit der Gleichbehandlungsstellen sind, aber die zunehmend an Bedeutung gewinnen werden. Wir alle haben die Pandemie erlebt und welche Auswirkungen diese auf Gleichstellung hat – es wird vielleicht nicht die letzte Pandemie sein. Ich glaube, uns vorsorgend anzuschauen, mit welchen Akteuren wir zusammenarbeiten müssen, um die Auswirkung von Pandemien auf bestimmte marginalisierte Gruppen deutlich zu machen, ist etwas, was Partnerschaften zum Beispiel mit Gesundheitsbehörden oder anderen erfordert.
Künstliche Intelligenz ist ein anderer Bereich, und meine Agentur hat sehr viel Arbeiten dazu gemacht, wie zum Beispiel ein Discriminationbias in Algorithmen besteht und so weiter. Da braucht es dringend die Expertise von Gleichbehandlungsstellen und zum Beispiel eine Zusammenarbeit zwischen Datenschutzbehörden oder den anderen Überwachungsinstrumenten, die jetzt auch durch die EU-Gesetzgebung zu künstlicher Intelligenz aufgesetzt werden, und da ist dringend Ihre Expertise gefragt.
Und dann Klimawandel als weitere Konsequenz, die sich auch hier disproportional auf marginalisierte Gruppen auswirkt. Auch da braucht es vielleicht neue Partnerschaften, die man entwickeln muss – mit Klimabewegung, mit der Environment Agency und mit unterschiedlichen Akteuren, die vielleicht nicht so ganz auf dem Bildschirm sind.
Also das sind ein paar neue Entwicklungen, neue Partnerschaften, um den Herausforderungen von heute – man muss sagen, das sind mittlerweile keine zukünftigen Herausforderungen, sondern die Herausforderungen von heute – zu begegnen.
Ich komme zum Schluss. – Sie haben es erwähnt: Die Umsetzung ist das, was am Ende zählt. Die Mitgliedsländer haben bis Juni 2026 Zeit. Wir werden gemeinsam mit Equinet, der Europäischen Kommission und anderen Indikatoren entwickeln, um diese Umsetzung überprüfbar zu machen. Wir hoffen, dass die Mitgliedsländer dann da auch regelmäßig Bericht erstatten, dass man wirklich sehen kann, ob die Gleichbehandlungsstellen wie in der Gesetzgebung vorgesehen auch ausgestattet werden. Aber ich kann es nicht häufig genug erwähnen: Darüber hinaus wird all das nicht funktionieren ohne eine glaubwürdige Antidiskriminierungspolitik.
Und ich glaube Folgendes: Sie stehen am Vorabend einer Nationalratswahl, vielleicht darf es mir erlaubt sein, anzumerken, dass es wichtig ist, dass wir nicht aus den Augen verlieren, dass große Teile der Gesellschaft benachteiligt werden – und wir haben Daten, die das stützen können – und dass hier weiter Maßnahmen notwendig sind. Insofern – wie Sie gesagt haben – ist eine beratende Funktion der Gleichstellungsbehörden bezüglich der Politik da auch eine Chance, die sich durch die neuen Richtlinien ergibt.
An dieser Stelle möchte ich mich für die Aufmerksamkeit bedanken, und ich freue mich auf die weitere Diskussion. – Vielen Dank. (Beifall.)
Martina Madner: Vielen herzlichen Dank, Herr Accardo, einerseits für diesen Ausblick auf die Chancen der EU-Richtlinien, aber auch die Notwendigkeiten bei der Umsetzung.
Genau um diese Umsetzung soll es nun in der folgenden Keynote von Tamás Kádár gehen. Er ist Kodirektor von Equinet, das ist die Dachorganisation aller europäischer Gleichbehandlungsstellen.
Herzlich willkommen, Herr Kádár. – Bitte.
Keynote II: Wirksame Gleichbehandlungsstellen als Garanten der Werte Europas – Welche Anforderungen müssen Mitgliedstaaten erfüllen?
Tamás Kádár (Kodirektor Equinet) (in deutscher Simultandolmetschung): Frau Präsidentin! Geschätzte Abgeordnete! Liebe Sandra – auch ein Mitglied von Equinet! Vielen Dank allen Teilnehmerinnen und Teilnehmer für ihre Anwesenheit. Wir sind Watchdogs für die europäischen Werte, haben wir bereits gehört. Ich habe das in der deutschen Version gesehen, da steht Garanten. Das scheint mir ein bisschen anders gelagert zu sein, aber gut, im Deutschen klingt manches anders als im Englischen.
Was sind Gleichbehandlungsstellen und welches Potenzial beinhalten sie? Zunächst wird klar, dass sie die Möglichkeit für einen Wandel auf drei gesellschaftlichen Ebenen bringen. Das heißt, sie machen die Gesellschaft als solche gleicher, sie haben auch in Organisationen eine Änderungsfunktion und unterstützen Diskriminierungsopfer und bieten Diskriminierungsschutz.
Ganz wichtig mit Blick auf die Gleichbehandlungsstellen ist, dass sie sehr oft einen horizontalen, einen übergreifenden Ansatz haben. Das heißt, es geht da um sehr viele Gründe für Diskriminierung, bei denen sie tätig werden, und das unterscheidet sie von vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich oftmals auf einen Diskriminierungsgrund fokussieren. Das heißt, es ist ein großer Vorteil, dass sie so umfassend gleichzeitig alle möglichen Gründe für Diskriminierung im Blick haben.
Wie bereits gesagt wurde, ist auch die Dunkelziffer, die Untererfassung ein großes Problem. Die Gleichbehandlungsstellen sollen genau auch dagegen vorgehen: dass zu wenig erfasst wird, dass es so große Dunkelziffern gibt. Das heißt, wir brauchen eine effektive Meldung und Anzeige, damit auch vor Gericht dagegen vorgegangen werden kann.
Sie entwickeln auch auf europäischer und nationaler Ebene die Rechtsprechung, bringen sie voran. Denken wir an Belgien, denken wir an Schweden, wir kennen Fälle auch vor dem Gericht in Luxemburg, wo diese Gleichbehandlungsstellen eine sehr wesentliche Rolle dabei spielten, die Rechtsprechung voranzutreiben und neue Wege zu beschreiten.
Eine weitere Rolle der Gleichbehandlungsstellen ist auch, dass sie Best Practices festigen und fördern – sei es in Unternehmen, sei es bei Dienstleistern. Eine weitere Tätigkeit ist die Sensibilisierung. Das ließe sich vielleicht noch verbessern, aber – Andreas erwähnte es – es ist so, dass die Richtlinien auch eine wichtige Rolle in der Sensibilisierung sehen.
Forschung und Wissensaufbau ist ebenfalls eine Aufgabe und auch das Überwachen von gesetzlichen Pflichten und inwieweit diese eingehalten werden.
Letzten Endes ist es so, dass unsere Aufgabe darin besteht, der Einzelperson zu helfen, dass sie ihre Rechte durchsetzt, dass der Zugang zur Justiz verbessert wird – und das natürlich nicht alleine, sondern in Kooperation mit anderen in der Gleichbehandlungs- und Gleichstellungsinfrastruktur.
Die ganze Geschichte werde ich Ihnen jetzt ersparen, ich möchte nur die ursprünglichen Richtlinien erwähnen, die die Schaffung von Gleichbehandlungsstellen forderten. Das war rund um das Jahr 2000, und damals wurde klar, dass man ein bisschen mehr Details dazu braucht, worin die Aufgabe dieser Stellen bestehen soll. Die Kommission selbst begann damals, sich für eine stringentere und detailliertere Normung im Bereich Gleichbehandlungsstellen einzusetzen, und das führte eben im Mai dieses Jahres zur Annahme von zwei einschlägigen Richtlinien.
Was fordern die Richtlinien? Zunächst möchte ich kurz sagen, was genau das Wort Richtlinie bedeutet: Es ist ein großer Fortschritt, dass wir Richtlinien haben, denn für die Gleichbehandlungsstellen, aber auch zum Beispiel für die nationalen Menschenrechtseinrichtungen und so weiter, gab es bereits Empfehlungen. Die sind aber rechtlich nicht bindend. Natürlich haben sie eine gewisse Autorität, wenn sie vom Europarat oder von sonstigen Einrichtungen kommen, auch von der Europäischen Kommission, aber der große Unterschied ist, dass wir es hier jetzt erstmals mit bindenden Rechtsgrundlagen zu tun haben, nämlich mit Richtlinien. Die gelten für die Mitgliedsländer und auch für Beitrittswerber zur EU.
In den Richtlinien geht es um die Strukturen und das Mandat der Gleichbehandlungsstellen. Den Mitgliedstaaten wird ein gewisser Spielraum gelassen, ob sie Gleichbehandlungsstellen haben, die sich nur einem Themenbereich widmen oder mehreren, ob sie mehrere Mandate haben, ob das Ganze mit einem Volksanwaltschaftsstatus versehen wird, ob eine Klagsführung vorgesehen ist und welche Formen von Diskriminierung behandelt werden.
Die Unabhängigkeit, das haben wir heute gehört, ist ganz wichtig. Ja, das kann man nicht oft genug betonen. Der Sinn hinter der Einrichtung von Gleichbehandlungsstellen wird ad absurdum geführt, wenn es nicht gelingt, diejenigen zu unterstützen, die diskriminiert werden oder die ein großes Diskriminierungsrisiko haben, also wenn diese nicht ausreichend Vertrauen in die Einrichtungen haben können und wenn sie sich nicht sicher sein können, dass ihr Fall unparteiisch behandelt wird.
Wenn diese Stellen nicht unabhängig sind, dann wird es für viele Diskriminierungsopfer oder potenzielle Opfer schwierig sein, überhaupt Vertrauen in diese Einrichtungen zu fassen. Daher legen die Richtlinien ganz großen Wert darauf, dass diese Einrichtungen unabhängig sind, dass sie keine Einflüsse von Dritten berücksichtigen dürfen, dass sie ihre eigenen Mittel und Ressourcen haben müssen und dass sie tatsächlich in ihrer Entscheidungsfindung unabhängig sein müssen. Das heißt, die Leiter oder stellvertretenden Leiter dieser Einrichtungen müssen ein hohes Niveau an Unabhängigkeit haben und die Verfahren zur Auswahl müssen auch sehr klar gestaltet sein.
Es erklärt sich von selbst, dass die Mittelausstattung wichtig ist. Es geht da um menschliche, finanzielle, technische Ressourcen, damit eben alle Aufgaben effektiv umgesetzt werden können. Die Richtlinien beschränken sich nicht darauf, zu sagen, es braucht ausreichend Ressourcen, sondern das ist detaillierter formuliert, und zwar wird gesagt, es muss ausreichend sein, damit alle Aufgaben effektiv erfüllt werden können. Das heißt, es werden nicht nur die Mittel gefordert, und zwar verpflichtend gefordert, sondern auch der Impact, die Auswirkung. Das ist mehr, als nur von Mitteln zu sprechen, und die Evaluierung dieser Auswirkung muss dann natürlich überprüft werden.
Als Rolle wird für diese Stellen festgeschrieben: Prävention, Förderung, Sensibilisierung, und wir werden noch hören, warum es sehr wichtig ist, dass gesetzlich oder rechtlich eben die Aufgabe der Sensibilisierung für diese Stellen festgeschrieben ist. Natürlich ist das wie bei Krankheiten – Diskriminierung ist ja eine Krankheit der Gesellschaft –, natürlich ist es besser, Prävention zu haben, das ist immer besser als eine Behandlung, aber man braucht eben beides: Man braucht Prävention, man braucht Sensibilisierung.
Und wie gesagt – ich möchte es noch einmal sagen –: Diese Richtlinien, falls Sie es vergessen haben, sind rechtlich bindend, verpflichtend.
Ein weiterer darin vorgesehener Punkt ist die Datenerhebung. Das heißt, die Gleichbehandlungsstellen müssen Daten zu den bei ihnen eingehenden Fällen erheben, aber auch zu anderen Fällen Daten erheben, und sie müssen Zugang zu den zivilgesellschaftlichen Daten, zu institutionellen Daten, zu Behördendaten haben, und sie müssen auch Empfehlungen abgeben können, welche Daten erforderlich sind, welche erhoben werden müssen. Das ist auch eine starke Kompetenz. Man darf die Bedeutung dieser Funktion nicht unterschätzen.
Auch die Rechtzeitigkeit der Erhebung von Daten ist festgeschrieben; das heißt, nicht fünf vor zwölf, bevor ein Dokument verabschiedet wird, müssen Daten erhoben werden, sondern rechtzeitig. Sie müssen auch die Daten und Follow-up-Daten und so weiter bekommen, und wenn sie Empfehlungen abgeben, dann haben sie das Recht, dem nachzugehen, was mit ihren Empfehlungen geschehen ist, ob diese umgesetzt wurden.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die alternative Streitbeilegung, die Unterstützung für Opfer, das Abgeben von bindenden oder nicht bindenden Stellungnahmen, dann die Klagsführung – und zwar die Klagsführung im eigenen Namen oder im Namen von einem oder mehreren Opfern. Da ist den Mitgliedstaaten ein gewisser Spielraum überlassen, wie, in welcher Form sie die Opfer unterstützen lassen wollen. Das ist jetzt ja noch gar nicht geregelt.
Dann gibt es einige Empfehlungen, denen zufolge auch die Barrierefreiheit bei den Gleichbehandlungsstellen gewährleistet sein muss, dass die Unterstützung dort auch für Personen mit Behinderung funktioniert, und auch ein verpflichtendes stringentes Monitoring; das haben wir ja heute schon gehört. Die Daten von den Mitgliedstaaten, von Equinet, der Grundrechtsagentur, von Eige, zivilgesellschaftlichen Organisationen und so weiter, all das muss zusammenfließen.
Die Regeln und die Rollen sind also ganz klar festgeschrieben, und der Beitrag von Equinet in diesem Bereich ist, dass wir eine umfassende Rechtsanalyse der Richtlinien in Auftrag gegeben haben, und zwar aus der Sicht der Gleichbehandlungsstellen. Das wird in den kommenden Wochen veröffentlicht. Wir werden auch eine hochrangige Veranstaltung abhalten, um uns das näher anzusehen, und wir werden ein Toolkit gestalten, das andere Institutionen sich dann zu eigen machen können, wie sie die Direktiven anwenden können, umsetzen können, und wir werden auch interne Strukturen haben, zum Beispiel wie die Führungspersonen der diversen Stellen sich austauschen können, um diesen Prozess voranzutreiben.
Im Gegensatz zu anderen Organisationen gibt es bei uns einen reinen Monitoring-, aber nicht einen Akkreditierungsprozess. Also es ist nicht so, dass eine Stelle besser als eine andere ist – darum soll es nicht gehen –, sondern wir werden auf die Herausforderungen, auf die Schwierigkeiten hinweisen, und dazu braucht es von der Europäischen Kommission gemeinsame Indikatoren, wieder unter Berücksichtigung der Stellungnahmen von Eige, Grundrechtsagentur, Equinet und so weiter in den Bereichen Effektivität, Barrierefreiheit, Kompetenzen, Strukturen. Das heißt, dieses Monitoring ist ziemlich weit gefasst.
Worum geht es bei diesen Indikatoren? – Equinet hat die Indikatoren bereits entwickelt – betreffend das Mandat, die Unabhängigkeit der Stellen und der Ressourcen der Gleichbehandlungsstellen –, und wir drängen natürlich, dass diese berücksichtigt werden, weil sie ja gemeinsam mit Stellen entwickelt wurden, die wissen, was für sie wichtig wäre und welche Maßnahmen aus ihrer Warte berücksichtigt werden müssen.
Es wurde von der Europäischen Kommission eine Arbeitsgruppe mit Mitgliedsländervertretung eingerichtet, das wissen Sie vielleicht – Eige, FRA, Equinet sind dort auch vertreten –, und berücksichtigt man die Richtlinien selbst, hat man dort eigentlich schon sehr viel Handlungsanleitung für die Ausgestaltung dieser Gleichbehandlungsstellen, aber auch Ekri, die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarats, oder universitärer Input, Konsultationen mit anderen Stellen – all das wird da einfließen.
Ich glaube, ich liege noch in der Zeit, und möchte noch eines betonen: Die Hauptbotschaft soll die sein: Wir haben hier ein sehr starkes Instrument; dieses muss auf nationaler Ebene auch angewandt werden, es muss korrekt umgesetzt werden, richtig implementiert werden, und es fordert letzten Endes, dass man sich immer vergegenwärtigt, was im Interesse der Personen ist, die diskriminierungsgefährdet sind, und was wir tun müssen, um Ungleichbehandlung oder Diskriminierung zu verhindern. Genau das ist ja die Aufgabe der Gleichbehandlungsstellen. – Vielen Dank. (Beifall.)
Martina Madner: Vielen Dank für Ihre inspirierenden Worte, Herr Kádár.
Ja, wir sind tatsächlich schon etwas in Zeitverzug, haben aber noch ein intensives, spannendes Programm vor uns. Ich versuche, gleich bei mir einmal ein bisschen Zeit einzusparen. Ich sage Ihnen nur, im folgenden Themenblock geht es um die EU-Standards für Klagerechte und proaktive Arbeit.
Wir starten mit einem Panel zu den Klagerechten. Dazu darf ich Lars Arrhenius, er ist Leiter der schwedischen Ombudsstelle, zu mir bitten – willkommen! (Beifall) –, bitte schön, des Weiteren Rumeysa Dür-Kwieder, sie ist Vorsitzende der Dokumentationsstelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus – herzlich willkommen! (Beifall) –, und die Dritte ist Theresa Hammer, Geschäftsführerin und Leiterin der Rechtsdurchsetzung des Klagsverbands – herzlich willkommen! (Beifall.)
Herr Arrhenius, wir starten mit Ihnen. Wie sieht es denn in Schweden aus, also wie sieht die strategische Klagsführung der Gleichbehandlungsstellen in Schweden konkret aus?
Block II: Die EU-Standards für Klagerechte und proaktive Arbeit
Dialogpanel: Klagerechte – Zukunftschancen und Zusammenarbeit bei der Durchsetzung von Gleichbehandlung
Lars Arrhenius (Leiter der schwedischen Ombudsstelle) (in deutscher Simultandolmetschung): Zunächst möchte ich mich bei Sandra Konstatzky und auch bei Präsidentin Bures für die Einladung, zu diesem wichtigen Thema etwas beizutragen, bedanken. Ich bin der Gleichstellungsombudsmann in Schweden, und ich bin davon überzeugt, dass unsere Aufgabe als unabhängige Gleichbehandlungsstelle sicher ist, Diskriminierungsfälle von Einzelpersonen anzusehen und Entschädigungen einzufordern, wenn wir feststellen, dass Diskriminierung stattgefunden hat, und dass wir Fälle wenn nötig vor Gericht bringen und dort betreuen. Dabei tragen wir dazu bei, Personen, die unter Diskriminierung gelitten haben, Wiedergutmachung zu verschaffen.
Das ist von entscheidender Bedeutung, um zu zeigen, dass es einen echten und angemessenen Schutz für Diskriminierungsopfer in der Gesellschaft gibt. Durch die Verfolgung von Fällen vor Gericht können wir auch Gerichtsurteile zu Diskriminierungsfragen erwirken, die es Menschen, die diskriminiert werden, erleichtern, ihre Rechte geltend zu machen.
Darüber hinaus dienen die einzelnen Fälle als Beispiele, die die Debatte bereichern und es unmöglich machen, das Fortbestehen von Diskriminierung in der Gesellschaft zu leugnen. Eine Voraussetzung für diese Arbeit und den tatsächlichen Zugang der Menschen zur Justiz ist, dass sie ihre Rechte und den Schutz vor Diskriminierung kennen und Vertrauen in unsere Institutionen haben. Deshalb arbeiten wir eng mit Organisationen der Zivilgesellschaft zusammen.
Ein Beispiel aus unserer Prozessführungstätigkeit betrifft das weitverbreitete Problem der Diskriminierung von Kindern mit neurologischen Entwicklungsstörungen in schwedischen Schulen. Wir haben in dieser Angelegenheit vier laufende Gerichtsverfahren, beispielsweise eines wegen Diskriminierung eines Schülers oder einer Schülerin mit neurologischen Entwicklungsstörungen von der 2. bis zur 8. Klasse, und wir stellten fest, dass die Schule ihrer Verantwortung, die Bedürfnisse des Schülers oder der Schülerin zu analysieren und zu untersuchen, nicht nachgekommen ist. Zusammengefasst war es so, dass seine oder ihre Rechte auf Bildung in mehreren Fällen während des größten Teils der Grundschulzeit nicht erfüllt wurden.
Ein weiteres Beispiel ist, dass wir im vergangenen Jahr in sechs Fällen von sexueller Belästigung eine Entschädigung gefordert haben. Drei dieser Fälle ereigneten sich an Arbeitsplätzen, wo junge Frauen durch die männlichen Chefs belästigt wurden, und auch in einem Schul-, sogar in einem Vorschulbereich hatten wir einen Fall von sexueller Belästigung von Mädchen durch männliche Lehrer.
In all den Fällen ging es auch um die Forderung einer Entschädigung und um eine klare Botschaft an die Verantwortlichen, an die ganze Gesellschaft, dass die Diskriminierung und die Belästigung nicht toleriert werden und dass wir da sind, die zu schützen, die Opfer davon sind. – Vielen Dank.
Martina Madner: Frau Dür-Kwieder, wir dürfen gleich anschließen. Gerade bei der Dokustelle gibt es ja noch viele offene Rechtsfragen, wie zum Beispiel die Anerkennung intersektioneller Diskriminierung. Was ist denn damit genau gemeint und wo und wie könnte Ihnen da eine strategische Klagsführung eigentlich helfen?
Rumeysa Dür-Kwieder (Vorsitzende der Dokustelle Islamfeindlichkeit & antimuslimischer Rassismus): Also zum Ersten einmal: Danke für die Einladung auch von meiner Seite. Ich freue mich, dass dieses Symposium stattfindet, insbesondere wenn wir jetzt bedenken, dass in vier Tagen die Wahlen bevorstehen, und ich freue mich schon, wie die Umsetzung der neuen EU-Directives jetzt in der neuen Legislaturperiode stattfinden wird.
Zum einen möchte ich mich auch den Vorredner:innen anschließen und auch noch einmal deswegen danken, dass Sie uns als zivilgesellschaftliche Organisation eingeladen haben, weil wir denken, dass auch Gleichbehandlungsstellen diese Kooperation, auch diesen Austausch brauchen, um eben noch einmal diese Unabhängigkeit der Gleichbehandlungsstellen zu festigen oder zu ermöglichen.
Vielleicht ein kurzer Input zu der Organisation, bevor ich auf die Frage eingehe, und zwar: Die Dokustelle ist eine zivilgesellschaftliche Menschenrechtsorganisation, die von Islamfeindlichkeit und antimuslimischem Rassismus Betroffene rechtlich und auch psychosozial unterstützt und begleitet.
Wir machen das nicht, indem wir Klagen für sie einbringen, aber was wir versuchen zu machen, ist, dass wir sie zu anderen Organisationen sowohl vermitteln als auch begleiten, die eben die Ressourcen dazu haben, wie eben der Klagsverband, bei dem wir auch ein Mitglied sind – ich werde vielleicht später auch noch einmal auf die Kooperation eingehen –, aber auch zu schauen, welche Möglichkeiten oder Handlungsmöglichkeiten es gibt, die die Betroffenen abseits noch einmal von rechtlichen Möglichkeiten anstreben können – wobei ich nicht sage, dass rechtliche Möglichkeiten nicht unbedingt auch wichtig sind.
Ein weiterer Bestandteil unserer Tätigkeit ist eben der jährliche Report. Die Nationalratsabgeordnete – auf jeden Fall eine meiner Vorrednerinnen – hat schon einmal Zahlen von uns erwähnt, die 2023 dokumentiert worden sind. Jedes Jahr bringen wir einen Report heraus, in dem wir noch einmal auf Entwicklungen und Tendenzen in der österreichischen Politik hinweisen in Bezug auf antimuslimischen Rassismus. – Das zur Einführung von uns.
Jetzt komme ich zu der Frage, warum es eben wichtig ist, den intersektionalen Ansatz in Bezug auf strategische Klageführung mitzubedenken. Das ist deswegen, dass wir bemerkt haben, dass, wenn wir zum Beispiel zu Gericht gehen oder Personen unterstützen möchten, ein Diskriminierungsmerkmal eventuell gesehen wird, aber weitere Diskriminierungsmerkmale in einem konkreten Fall ausgeschlossen werden. Das hilft aber nicht, um den vollen Schutz der Betroffenen zu gewährleisten. Deswegen ist es uns wichtig, wenn wir an diese Intersektionalität denken, dass, wenn wir Fälle haben, auch zu elaborieren, also auch herauszufinden, welche weiteren Diskriminierungsmerkmale in einem bestimmten Fall vorhanden sein können.
Ich gebe Ihnen ein kurzes Beispiel: Wenn wir uns die Hausordnungen von Bädern anschauen, dann wissen wir, dass dort eigentlich niemand diskriminiert wird im Zutritt zu Bädern, aber wenn wir uns noch einmal anschauen, welche Bekleidungsvorschriften vorhanden sind, dann trifft das meistens Bekleidungsvorschriften von religiösen Gruppierungen, also Personen, die zum Beispiel mit einem Vollkörperbadeanzug die Bäder betreten möchten, was aber nicht erlaubt ist. Das ist ein Beispiel von intersektionalen - -, genau diesem Ansatz, den wir verfolgen und mitbedenken und berücksichtigen.
Vielleicht ein ganz kurzer Punkt noch dazu, was Gleichbehandlungsstellen machen können, um Religion als Diskriminierungsmerkmal - -, also den Schutz dieser zu gewährleisten; wir wissen, dass in bestimmten Lebensbereichen manche Diskriminierungsmerkmale nicht geschützt werden. Wir wissen zum Beispiel, dass es sehr gute Fortschritte am Arbeitsmarkt oder bei Ausbildungsplätzen gibt, aber in anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Bildung, der Gesundheitsvorsorge, dem Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, ist die Religion oder sind weitere Diskriminierungsmerkmale nicht geschützt, weswegen es da noch einmal eine besondere Rolle spielt, dass Gleichbehandlungsanwaltschaften auch dahin gehend arbeiten, um mehr Bewusstsein zu schaffen, was es noch einmal für bestimmte Rechte braucht.
Martina Madner: Vielen herzlichen Dank.
Frau Hammer, es wurde ja schon angesprochen: Im Klagsverband sind an die 70 Organisationen Mitglied, also von der Aids Hilfe Wien bis hin zum Zentrum für Migrant:innen. Wie entscheiden Sie sich denn da für einen ganz konkreten Fall, bei dem sie dann beim Durchsetzen von Rechten unterstützen, also welche Art von Klagen führen Sie denn da?
Theresa Hammer (Geschäftsführerin und Leiterin der Rechtsdurchsetzung des Klagsverbands): Vielleicht auch kurz vorab noch für die, die uns nicht kennen: Der Klagsverband ist ein Dachverband, den es mittlerweile seit 20 Jahren gibt. Das ist ein Dachverband von Organisationen, die sich für Antidiskriminierung und Gleichstellung einsetzen. Das ist ein sehr großes, vornehmlich NGO-Netzwerk, aber mittlerweile haben wir auch einige staatliche Gleichbehandlungsstellen der Bundesländer in unserem Netzwerk, was uns sehr freut und was auch da wieder zeigt, wie wichtig diese Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Akteur:innen ist.
Wie der Name schon sagt, ging es dem Klagsverband von Anfang an ganz zentral auch um das Führen von Klagen, weil neben politischem Engagement, neben dem gemeinsamen Auftreten von verschiedenen Communities gegen Diskriminierung braucht es, davon sind wir überzeugt, ganz wesentlich auch Gerichtsentscheidungen, um die Antidiskriminierungsrechte am Papier sozusagen auch in die Praxis zu bringen.
Diese Vielfalt in unserem Mitgliedernetzwerk, die Sie auch schon angesprochen haben – wir sind ja sozusagen wirklich in ganz Österreich vertreten und haben auch vom Mandat her alle gesetzlich geschützten Diskriminierungsmerkmale, die wir bearbeiten –, diese Vielfalt, glaube ich, bringt den Klagsverband auch sehr nahe an die unterschiedlichen Lebensrealitäten der Communities und damit auch an die unterschiedlichen Diskriminierungserfahrungen, und das ist letztendlich auch das, was wir dann in der strategischen Auswahl unserer Fälle zu berücksichtigen versuchen.
Das heißt, die Fälle, die wir auswählen, um sie zu Gericht zu bringen, um Diskriminierungsthemen aufzuzeigen, sollen auch diese Vielfalt unserer Mitgliedsorganisationen und unterschiedliche Betroffenheiten widerspiegeln. Das heißt, da geht es oft auch um schon angesprochene intersektionale Diskriminierungen oder Mehrfachbetroffenheiten, aber auch einfach um die unterschiedlichsten Lebensrealitäten, die sozusagen Personen betreffen.
Ganz praktisch – vielleicht noch ganz kurz, weil das auch interessant ist –: Wir arbeiten so, dass wir da einen Klagsausschuss haben, der auch wiederum diese Vielfalt der Mitgliedsorganisationen und Expertisen widerspiegelt. Das heißt, der entscheidet dann letztendlich, ob wir einen Fall unterstützen und zu Gericht bringen.
Martina Madner: Welche Klagerechte fehlen Ihnen denn noch, die jetzt mit der Umsetzung der Richtlinien kommen könnten?
Theresa Hammer: Na ja, in erster Linie ist das österreichische Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsrecht so aufgebaut, dass sich individuell Betroffene wehren müssen, das heißt, sie müssen zu Gericht gehen, und in den meisten Fällen gibt es dafür als Rechtsfolge nur Schadenersatz. Das ist gut und wichtig, also es braucht diesen Rechtszugang, und da versuchen unterschiedliche Institutionen wie der Klagsverband, auch gut zu unterstützen, weil – das möchte ich hier auch einmal sagen – es nicht so ist, dass Betroffene das aus Spaß machen oder weil es so lustig ist, zu Gericht zu gehen, sondern es geht ganz vielen darum: Sie wollen, dass diese Diskriminierung beendet wird, sie wollen etwas aufzeigen und sie wollen vor allem auch einen Beitrag für andere Betroffene leisten, dass sich endlich etwas zum Positiven verändert, und dafür brauchen sie Unterstützung.
Das ist sozusagen die Rechtsverfolgung im Einzelfall. Die ist gut und wichtig, und da arbeiten wir mit einem strategischen Zugang, das heißt, genau das aufzugreifen: Dass sich im Gesamten etwas verbessern soll, möchten wir auch mit der Auswahl unserer Fälle bewirken, weil wir davon überzeugt sind, dass man über Einzelfallentscheidungen auch allgemein im Antidiskriminierungsrecht etwas bewegen kann.
Martina Madner: Herr Arrhenius, kommen wir wieder zu Ihnen: Wie arbeiten denn NGOs und staatliche Stellen in Schweden zusammen? Was könnte denn noch verbessert werden?
Lars Arrhenius (in deutscher Simultandolmetschung): Wir arbeiten ganz eng mit den zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen und haben in Schweden eine Art von Antidiskriminierungsbüros – ungefähr 15 in ganz Schweden –, und die sind auch im Bereich der Klagsführung tätig – nicht alle, aber einige. Das heißt, wir haben da einen strukturierten Dialog mit der Zivilgesellschaft, halten Workshops ab und widmen uns da den verschiedensten Fällen sehr vertieft. Das erscheint mir sehr wichtig für die Zukunft.
Es gibt auch unterschiedliche Möglichkeiten vorzugehen. Wie gesagt, das Ganze wird mit der Richtlinie jetzt rechtlich bindend, das wurde von Tamás schon gesagt, aber den Mitgliedstaaten steht es bis zu einem gewissen Ausmaß offen, wie sie vorgehen – aber dass sie vorgehen, das ist verpflichtend.
Warum haben wir dann im Bereich 2020 mit der Klagsführung und mit den Ermittlungen und Untersuchungen begonnen? – Deshalb, weil es vor vielen Jahren in der Zivilgesellschaft ein Misstrauen in unsere Einrichtungen gab, und das war vor allem darauf zurückzuführen, dass meistens nichts passierte, nachdem die Klagen bei der Ombudsperson eingingen. Das heißt, wir haben jetzt versucht, dieses Vertrauen zurückzugewinnen, und ich glaube, dass wir für die Zivilgesellschaft schon sehr viel erreicht haben und dass wir da auch an dieser Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft dranbleiben müssen.
Martina Madner: Frau Dür-Kwieder, wie sieht es denn in Österreich bei der Kooperation zwischen NGOs und zum Beispiel eben den staatlichen Gleichbehandlungsstellen aus? Was hat sich denn da ganz konkret – also bitte nur ein ganz kurzes Beispiel –, was hat sich da ganz konkret bewährt und wo würden Sie aber nachbessern: etwa bei den Klagen?
Rumeysa Dür-Kwieder: Also ich denke schon, dass sich vor allem in Wien die Kooperation dahin gehend bewährt hat, dass wir einen sehr guten Kontakt und einen sehr guten Austausch mit den Gleichbehandlungsstellen haben, aber auch mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen wie dem Klagsverband aufgrund dessen, weil einfach die Vernetzung viel leichter erfolgt als zum Beispiel in den Bundesländern.
Ich würde sagen, dass insbesondere in der strategischen Klagsführung, in der wir zum Beispiel Fälle aufbereiten, die der Klagsverband übernehmen kann oder die die Gleichbehandlungsanwaltschaft übernehmen kann, um sowohl Präzedenzfälle zu schaffen als auch, um zu schauen: Okay, welche Fälle bringen Erfolg für die Allgemeinheit, zum Beispiel jetzt in Bezug auf antimuslimischen Rassismus, welche Fälle würden Erfolg bringen für die Zukunft und ja, auch in Richtung Gesetzgebung?
Martina Madner: Frau Hammer, welche Rahmenbedingungen braucht es denn künftig, also wo würden Sie sich Verbesserungen wünschen?
Theresa Hammer: Ich möchte auch sagen: Es funktioniert auch sehr gut in der Praxis, und ich sehe es auch als wesentlichen sozusagen Baustein für eine erfolgreiche Rechtsdurchsetzung, dass Betroffene wirklich von der Beratung bis zur Klage, aber auch bis zur Verwertung der Ergebnisse, also dann der Öffentlichkeitsarbeit, begleitet werden und dass die unterschiedlichen Institutionen da gut kooperieren.
Auch aus der Perspektive unseres großen Dachverbandes kann ich das noch einmal unterstreichen: Es macht wirklich Sinn, sich zusammenzuschließen und auch Vorhaben strategisch gemeinsam anzugehen, vor allem auch im Bereich der Klagsführung, anstatt dass jede Gruppe so ihr eigenes Süppchen kocht. Das war ja auch eine Gründungsidee von uns als Klagsverband, das noch einmal vorweg.
Aber was ich jetzt als Rahmenbedingungen doch auch noch einmal wirklich betonen will, weil es jetzt noch ein bisschen untergegangen ist – ich habe vorhin über die Einzelfälle gesprochen –: Eine wesentliche Rahmenbedingung ist, dass wir neue, effektive Rechtsdurchsetzungsinstrumente brauchen, und damit meine ich vor allem kollektive Klagemöglichkeiten.
Die Richtlinie erwähnt das auch indirekt, aber wir haben hier ja auch etwas, worauf wir in Österreich aufbauen können: Es gibt ein Verbandsklagerecht, derzeit nur im Behindertengleichstellungsgesetz; wir brauchen das dringend für alle Diskriminierungsbereiche, weil es einfach viele Diskriminierungskonstellationen gibt, die kein Einzelfall sind, wo es viele Betroffene gibt und wo wir gegen Strukturen, gegen strukturelle Ausschlüsse nur mit diesen Instrumenten wirksam vorgehen können. Das ist halt auch eine Rahmenbedingung, die es braucht: eine entsprechende rechtliche Architektur und entsprechende rechtliche Instrumente.
Und last, but not least – es wurde auch schon gesagt –: Geld. Es braucht einfach Ressourcen, das möchte ich hier auch noch einmal sagen, sowohl für gut ausgebaute staatliche Gleichbehandlungsstellen als auch für zivilgesellschaftliche Akteur:innen, damit sie effektiv und unabhängig agieren können und damit wir einer diskriminierungsfreien Gesellschaft einen Schritt, ein Stück näher kommen. (Beifall.)
Martina Madner: Vielen Dank. – Genau um diese Ressourcen wird es dann später auch noch gehen. Jetzt aber sage ich Ihnen schon: Herzlichen Dank, Herr Arrhenius, Frau Dür-Kwieder und auch Frau Hammer! Wir werden Ihren Input dann auch später bei den Klagsrechten in der politischen Diskussion natürlich noch einmal aufgreifen. Sie können sich jetzt nun wieder ins Publikum setzen, und wir kommen schon zum zweiten Panel. – Vielen Dank noch einmal. (Beifall.)
Wir kommen jetzt schon zum zweiten Panel, und zwar jenem zur proaktiven Arbeit. Dazu möchte ich zwei Expertinnen zu mir aufs Podium bitten. Begrüßen Sie mit mir gemeinsam Ferda Ataman. Sie ist Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung und Leiterin der deutschen Antidiskriminierungsstelle des Bundes – sie sucht gerade noch ihre Unterlagen zusammen. Herzlich willkommen! (Beifall.) – Bitte schön, gleich neben mich.
Herzlich willkommen heißen möchte ich auch Sonia Zaafrani. Sie ist Vorsitzende der Initiative für ein diskriminierungsfreies Bildungswesen hier bei uns in Österreich – herzlich willkommen! (Beifall.) Darf ich Sie auf die andere Seite bitten? Gerne auf die andere Seite, oder ja, wenn Sie wollen – also wie Sie möchten.
Mit den neuen EU-Standards, wir haben es vorhin schon gehört, kann man auch die Grundlagenarbeit der Gleichbehandlungsstellen ausbauen. Sie können zum Beispiel Studien beauftragen, die dann später für die politische Lobbyarbeit und auch für die Bewusstseinsarbeit notwendig sind.
Frau Ataman, jetzt haben wir schon proaktive - - Also gerne einmal einen Schluck Wasser, bitte, gerne! Ich sage Ihnen inzwischen, was ich von Ihnen wissen möchte, und zwar: Was verstehen Sie denn unter proaktiver Arbeit – wir haben ja schon viel darüber gehört – und welche Rolle kann die dann bei der Grundlagenarbeit einnehmen?
Dialogpanel: Proaktive Arbeit – Zukunftschancen und Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von struktureller Diskriminierung
Ferda Ataman (Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung): Ich möchte auch einmal Danke sagen – ich sollte nichts drücken; ja, genau, Sie regeln das; wir wurden instruiert, ja nichts am Mikrofon zu ändern –, erst einmal: Vielen Dank für die Einladung und vielen Dank, dass Sie das machen! Ich werde das tatsächlich auch mitnehmen und noch einmal fragen, ob wir nicht auch im deutschen Parlament einmal darüber sprechen möchten – also eine schöne Inspiration und ein Anstoß.
Grundlagenarbeit oder proaktive - - Nein, Moment! Warum braucht es proaktive Arbeit? – Ich persönlich finde diesen Begriff ein bisschen sehr abstrakt. Ich erkläre einmal kurz, was ich darunter verstehe.
Zuerst einmal ist es so: Überall, wo Menschen zusammenkommen, findet unterschiedliche, also Ungleichbehandlung statt, das muss einem immer klar sein, das heißt, es wird immer auch Diskriminierung geben. Nicht alle sind immer zu allen gleich nett oder gut, und diesen Prozess zu machen – einmal darüber aufzuklären: a) es gibt Diskriminierung, auch da, wo Menschen es vielleicht sogar nett meinen oder es zumindest nicht böse meinen, und b) wir müssen etwas gegen Diskriminierung tun, und c) wir haben Gesetze gegen Diskriminierung; Menschen müssen wissen, dass sie Rechte haben, dass sie Möglichkeiten haben, dagegen vorzugehen –, das ist für mich die proaktive Arbeit: dass man von vornherein sehr viel Aufklärungsarbeit betreibt, Informationen bereithält und Gruppen vernetzt, was wir hier auch noch einmal gehört haben, also zivilgesellschaftliche Organisationen überhaupt befähigt und ihnen die Räume und Möglichkeiten gibt, Diskriminierung zum Beispiel zu zeigen oder damit umzugehen.
Werden Sie zur Grundlagenarbeit gleich noch einmal fragen, oder war das schon in der Frage drinnen?
Martina Madner: Dafür sind dann eben auch Studien notwendig, nehme ich einmal an, aber an und für sich haben Sie mir meine Frage schon beantwortet.
Ferda Ataman: Also genau: Zur proaktiven Arbeit gehört neben der Aufklärung auch, dass man Daten zur Verfügung stellt, um zu zeigen, wie die Situation ist. Wir müssen ja, bevor wir überhaupt irgendwelche Maßnahmen setzen oder irgendwelche politische Arbeit machen, zuerst einmal wissen: Wie ist die Situation?, und dafür brauchen wir Daten. Tatsächlich sind Daten ein Thema, bei dem man bisher sagen muss: Wir haben – ich glaube, wir können das wahrscheinlich in allen Ländern sagen – viel zu wenig Möglichkeiten und Mittel, um hinzugucken und wirklich sichtbar zu machen, wie die Situation ist.
Und da, wo wir es punktuell machen – wir haben ja heute einige Studien gehört –, merken wir dann immer, oh, da gibt es tatsächlich einen großen Bedarf, reinzugehen, zu arbeiten und Diskriminierung abzubauen.
Martina Madner: Frau Zaafrani, was verstehen denn Sie unter proaktiver Arbeit? Und: Gibt es einen Unterschied zum Gehörten?
Sonia Zaafrani (Vorsitzende der Initiative für ein diskriminierungsfreies Bildungswesen): Ja, also ich darf die IDB auch kurz vorstellen: Ich bin die Vorsitzende. IDB steht für Initiative für ein diskriminierungsfreies Bildungswesen und wir dokumentieren Diskriminierungserfahrungen, die sich im gesamten Bildungssystem zutragen: Kindergarten, Schule, Universität und so weiter und so fort.
Was Ferda Ataman vorhin gesagt hat – Stichwort Datenerhebung –: Das ist das, was wir eigentlich ehrenamtlich, unabhängig und unentgeltlich machen. Also wir dokumentieren Diskriminierungserfahrungen, die sich im österreichischen Bildungswesen zutragen. Wir veröffentlichen das anonymisiert einmal im Jahr in einem Jahresbericht. Es sind auch alle gratis zum Download auf unserer Homepage diskriminierungsfrei.at zu finden. Warum wir das machen, ist, weil wir in unserem Team unterschiedliche Zugänge haben, aber alle mit Jugendlichen arbeiten, mit Schülerinnen und Schülern arbeiten und aus erster Hand von ihnen berichtet bekommen, was sie meistens in der Schule, aber auch an der Universität erleben, welche Diskriminierungserfahrungen sie haben; das sind keine Einzelfälle oder einmaligen Vorkommnisse, das wiederholt sich über Jahre und länger. Sie berichten, dass sie in dem Setting, in dem Schulsystem, wie es jetzt aufgebaut ist, keine Möglichkeit haben, zu ihrem Recht zu kommen.
Deswegen ist die Idee entstanden, dass wir die Möglichkeit bieten, dass sie ihre Fälle bei uns anonymisiert dokumentieren können, dass man ein bisschen ein Gefühl und einen Einblick bekommt, was eigentlich alles passiert, denn die Fälle, die Sie bei uns anonymisiert im Jahresbericht lesen können, werden Sie wahrscheinlich kaum irgendwo lesen. Es ist eine unserer wichtigsten Forderungen, dass endlich eine Datenerhebung von staatlicher Seite gemacht wird, dass es zum Beispiel Befragungen von Schüler:innen und Studierenden zu Diskriminierungserfahrungen gibt. Das ist bis jetzt leider noch immer nicht passiert und wir versuchen, das jetzt zu überbrücken.
Martina Madner: Also Sie versuchen, den Mangel an Daten so weit wie möglich auszugleichen. Haben Sie da möglicherweise auch ein Beispiel für uns, wie Sie ganz konkret die Themen auswählen? Hat es vielleicht auch einen Vorteil, dass man als NGO da Grundlagenarbeit übernimmt, also tatsächlich den Finger genau dort in die Wunde legen kann, wo auch das Problem liegt?
Sonia Zaafrani: Also wir dokumentieren die Fälle, die uns übermittelt werden. Underreporting ist schon angesprochen worden: Das ist im Bildungsbereich sicher noch einmal höher als in anderen Bereichen. Man muss sich vorstellen, wir reden hier von Kindern und Jugendlichen, Schülerinnen und Schülern, die in einem System sind, in einem sehr stark hierarchisch ausgeprägten System, das sehr undemokratisch ist, wenn ich das einmal sagen kann – sie haben sehr wenig Mitspracherechte –, und die sich natürlich dessen bewusst sind, dass sie, wenn sie über ihre Fälle schulintern sprechen, um ihren Bildungserfolg fürchten müssen und weitere Benachteiligungen fürchten müssen. Diese Angst ist leider real. Das heißt, wir dokumentieren und sammeln die Daten, die uns übermittelt werden. Wir machen zum Beispiel auch Workshops, aber natürlich sind wir auf Netzwerke angewiesen.
Ich weiß, dass viele unsere Organisation noch nicht kennen, beziehungsweise eines muss ich auch noch sagen: Wir haben jetzt in über acht Jahren weit über 1 000 Fälle aus ganz Österreich dokumentiert, zum Teil auch Fälle aus Deutschland, und es tut einem wirklich weh, diese Fälle zu lesen, denn egal ob das das Burgenland ist oder Wien oder Vorarlberg, die Betroffenen, die sich an uns wenden, es ist immer dasselbe, und zwar meine ich damit, dass sie sich alleingelassen fühlen mit dem, was ihnen passiert ist, dass sie in der Realität auch alleingelassen werden und dass sie nichts über ihre Rechte wissen und auch nicht, welche Handlungsmöglichkeiten sie haben.
Es ist natürlich wirklich sehr bitter, dass sich nach all dieser Zeit und nach all diesen Jahren, in denen wir uns auch mit unterschiedlichsten politischen Akteur:innen vernetzt haben, da sehr wenig weiterentwickelt hat und dass die Schülerinnen und Schüler kaum um ihre Rechte wissen, dass sie auch nicht zu ihrem Recht kommen.
Ferda Ataman: Darf ich einmal ganz kurz, denn ich finde das sehr abstrakt, wie wir darüber reden? Also wir haben im Moment zum Beispiel damit zu tun, dass muslimische Schüler:innen von ihrer Lehrkraft als kleiner Terrorist aufgerufen werden. Wenn so etwas passiert, das Kind erzählt das zu Hause, die Eltern gehen dann in die Schule und möchten sich dort beschweren, dann haben sie a) schon einmal das Problem, wo beschweren sie sich?, und b) wird ihnen dann meistens gesagt: Ja, Entschuldigung, wurde halt einmal so gesagt, wo ist das Problem?
Es ist eigentlich schon eine Schande, dass Nichtregierungsorganisationen Fälle dieser Art dokumentieren müssen, dass wir das nicht organisiert von staatlicher Seite aus tun; und das ist eben leider nicht nur in Österreich so, sondern auch in Deutschland. Wir haben ganz viele zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich in teilweise ehrenamtlicher oder meistens etwas schlecht bezahlter Arbeit wirklich mühevoll daran machen, das zu dokumentieren und dann noch versuchen, das irgendwie an die Medien oder Öffentlichkeit oder Politik heranzutragen. Das dürfte nicht sein.
Wir haben antiziganistische Vorfälle, wo ebenfalls in Schulen Dinge passieren. Wenn sich dann die Eltern beschweren und das ansprechen, wird noch vonseiten der Schule vielleicht das Jugendamt gerufen; auch das haben wir schon gehört. Das heißt, die Eltern werden sich beim nächsten Mal auf gar keinen Fall noch einmal beschweren. Dann holen sie die Kinder nach Hause, dann kommt das Jugendamt erst recht. Das sind Fälle, die sind wirklich haarsträubend und die müssen festgehalten werden, damit wir als Gleichbehandlungsstellen wissen, was wir zu tun haben und damit auch die Politik weiß, was sie zu tun hat.
Martina Madner: Also das Vertrauen von den Schülerinnen und Schülern in Ihre Stelle ist da, das Problem ist aber, dass im Moment nachher die Stelle von staatlicher Seite fehlt, wo sich die Schülerinnen und Schüler und deren Eltern auch hinwenden könnten?
Sonia Zaafrani: Ja, auf jeden Fall. Und das Problem ist: Eine Ursache für die Situation jetzt, wie sie ist, ist ja, dass es leider in der Realität keine Konsequenzen gibt. Oft kommt die Antwort vonseiten der Politik: Ja, wenn es Probleme von Diskriminierungen in der Schule gibt - - Also alle Diskriminierungsfälle sind problematisch, aber richtig problematisch ist es, wenn die Diskriminierung von den Lehrpersonen ausgeht, denn da sind natürlich die Schüler:innen in einer sehr benachteiligten Situation, in einer Abhängigkeitssituation. Das ist in einer Vielzahl der Fälle der Fall, dass dann oft gesagt wird, na ja, dann sollen sie halt zur Schulsozialarbeiterin oder zur Schulpsychologin gehen, die vielleicht einmal im Monat, wenn man sie vorher kontaktiert, an die Schule kommt. Die meisten Schulen haben gar keine Schulpsycholog:innen.
Die haben aber keine Instrumente und keine Möglichkeiten, dass diese Diskriminierung, die von Lehrpersonen ausgeht, abgestellt wird, sondern im Gegenteil: Ich habe es auch schon oft erlebt, dass sich dann die Schulsozialarbeiter:innen selbst oder Schulpsycholog:innen selbst an uns wenden, an die IDB, und fragen: Was können sie tun, wie können sie da eine Verbesserung der Situation herbeiführen? Denn das Problem ist ja, dass im Moment in der Lehrer:innenausbildung einfach diese wichtigen Basics zu Antirassismus und Antidiskriminierung fehlen. Es fehlt einfach dieses Grundlagenwissen. Das fehlt in den Direktionen, das fehlt in den Bildungsdirektionen, im Schulqualitätsmanagement. Das ist ein riesengroßer blinder Fleck, der unbedingt verbessert gehört.
Wie gesagt, wenn man dann versucht, zum Direktor zu gehen, zur Direktorin zu gehen, ist das meistens im besten Fall eine Sackgasse. Das heißt, es passiert gar nichts, aber was noch viel häufiger der Fall ist, ist, dass sich dann die Direktion auf die Seite der Lehrpersonen stellt und dieses diskriminierende Handeln entweder verteidigt oder verharmlost oder aber auch offen zugibt, ja, da kann ich halt nichts machen, denn die Lehrperson ist pragmatisiert oder die Lehrperson geht eh bald in Pension.
Also wir hatten unlängst einen Fall, da ist eine ganze Schulklasse einer HTL aus Wien zum Direktor gegangen und hat sich über eine Lehrperson beschwert, die immer wieder Schüler:innen of Color im Unterricht rassistisch beleidigt hat, und der Direktor sagt dann, na ja, er weiß es eh, aber er kann halt leider nichts machen und sie sollen halt noch ein bisschen durchhalten, denn die Lehrkraft geht eh bald in Pension.
Das ist eine untragbare und eine unwürdige Situation, weil hier natürlich Kinderrechte mit Füßen getreten werden und die Würde dieser Schüler:innen einfach verletzt wird. Man muss sich vorstellen, es gibt Schulpflichtige, die müssen da jeden Tag hingehen und sich diesem Rassismus aussetzen und werden nicht geschützt. Deswegen ist es so wichtig, dass es endlich auch rechtliche Maßnahmen gibt; gerade wenn es jetzt verbal ist – also rassistische Äußerungen, das bekannte N-Wort zum Beispiel –, wäre es so leicht, vom Bildungsministerium eine einzige E-Mail, eine einzige Dienstanweisung auszuschicken, eine Liste mit rassistischen, diskriminierenden Äußerungen zu sammeln, die im Unterricht nicht getätigt werden dürfen. Und wenn man sie trotzdem tätigt, ist es eine Dienstpflichtverletzung und es gibt Konsequenzen. (Beifall.)
Martina Madner: Also es gibt tatsächlich rechtliche Lücken und es fehlt auch an einem anderen Umgang, gerade bei dieser steilen Hierarchie, die es in den Schulen gibt.
Sonia Zaafrani: Genau.
Martina Madner: Ja, rechtliche Lücken, da schaut es in Deutschland ein bisschen besser aus, zumindest wenn man sich das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Deutschland anschaut. Das geht in manchen Punkten tatsächlich schon heute weiter als das österreichische Recht. Sie haben zum Beispiel Amtsbefugnisse, werden uns auch gleich erklären, was damit gemeint ist, und es gibt eine Pflicht für die Bundesbehörden, Sie bei Ihrer Arbeit zu unterstützen.
Auch die Zusammenarbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit den NGOs ist im Gesetz festgehalten. Das ist in Österreich noch immer nicht so. Wie wirkt sich denn das alles in der Praxis, in der Zusammenarbeit mit den NGOs konkret aus?
Ferda Ataman: Ich fange einmal hinten an: Die Zusammenarbeit mit den NGOs, mit der Zivilgesellschaft, wenn das im Gesetz als Arbeitsauftrag als Kernaufgabe verankert ist, ist das gut. Wir haben, glaube ich, gehört, wir machen das alle, Gleichbehandlungsanwaltschaften oder Antidiskriminierungsstellen können gar nicht ohne die Zivilgesellschaft arbeiten, aber wir befinden uns alle auch in Zeiten, in denen alles, was wir tun, infrage gestellt wird, wo betreffend jede Zusammenarbeit mit jeder Institution bei uns auch im Parlament von Rechtsextremen gefragt wird: man soll dokumentieren, mit wem wie was? Da tut es sehr gut, zu wissen, es ist unser gesetzlicher Auftrag, mit den Ressourcen, die wir haben, diese Zusammenarbeit auch fortzuführen und zu fördern. Das ist eine Sache, von der ich glaube, dass es sehr sinnvoll ist, sie festzuschreiben, und dass es sehr, sehr gut ist, dass es in den Standards damit auch für alle Länder verankert wird.
Die Amtsbefugnisse – von denen ich gar nicht wusste, bis ich hierhergekommen bin, dass sie so heißen, das klingt total schön –: Ich wusste, dass ich Amtsinhaberin bin, aber dass das, was ich da auf - - Egal, ich finde, es klingt nett. Wir schielen ja immer so ein bisschen nach Österreich, was für schöne Formulierungen es hier gibt, und merken manchmal gar nicht, wenn wir selber welche in Deutschland haben.
Ich bin zu beteiligen, wenn die Regierung Vorhaben macht. Das betrifft Gesetze, das können Aktionspläne sein. Wir haben einen Aktionsplan Queer leben in Deutschland vor einem Jahr, glaube ich, verabschiedet. Da waren wir qua Gesetz zu beteiligen und das ist natürlich sehr gut und sinnvoll. Das war vorher immer eher so auf Goodwill, wir wurden beteiligt, wenn einem danach war, oder nicht. Wir können das jetzt qua Gesetz einfordern; ich glaube, § 29 AGG. Das klappt trotzdem nicht immer sehr gut. Also um ehrlich zu sein, müssen wir noch sehr, sehr oft daran erinnern, dass auch dieses Gesetz oder jenes Gesetz – und wenn ich ganz ehrlich bin, würde ich sagen –, fast jedes Gesetz, das Menschen betrifft, von uns auf antidiskriminierungspolitische Fallstricke geprüft werden müsste. Dafür haben wir aber keine Ressourcen bekommen. Wir haben diese Kompetenz, diese Befugnis gekriegt, aber keinerlei zusätzliche Jurist:innen, die die Gesetze auch prüfen können. Ich habe das nachverhandeln müssen, das hat am Anfang noch geklappt, aber es sind immer noch viel zu wenige. Das ist das eine. All diese Befugnisse müssen auch mit entsprechen Ressourcen unterlegt werden, sonst sind sie nichts wert.
Das Zweite ist, dass tatsächlich alle Ministerien und Ämter mit uns zusammenarbeiten müssten, aber in der Praxis ist es so, dass ich Stellungnahmen einfordern kann, das heißt gütliche Beilegung im Gesetz. Das ist übrigens auch das Einzige, was wir können. Ich fange einmal an, um es verständlich zu machen: Wenn sich Menschen mit einem Fall an uns wenden, dann können wir eine rechtliche Ersteinschätzung geben und das Einzige, was wir danach noch machen können – wir können nicht unterstützen oder helfen –, das Einzige, was wir machen können, ist ein freiwilliges Stellungnahmeersuchen. Ich kann als unabhängige Bundesbeauftragte Arbeitgeber XY zum Beispiel anschreiben, sagen, folgender Fall wurde uns geschildert, das könnte eine Diskriminierung nach dem AGG sein. Was sagen Sie dazu? – Und dann kann man uns aber auch nicht antworten und die Einzigen, die uns antworten müssen, wären zum Beispiel Ministerien und Behörden auch als Arbeitgebende. Ansonsten, muss ich ganz ehrlich sagen, habe ich noch keine Amtshilfe wahrgenommen.
Auch das ist das Problem, wenn solche Sachen nicht mit konkreten Definitionen hinterlegt oder unterlegt sind, denn im Grunde ist, glaube ich, die erste Amtshilfe nur, dass uns geantwortet werden muss, aber die kann auch einmal ins Leere laufen.
Martina Madner: Also soll heißen, die Pflicht für die Bundesbehörden, Sie zu unterstützen, steht zwar im Gesetz, aber in der Praxis sieht man davon nicht allzu viel?
Ferda Ataman: Genau. Im Grunde heißt es nur, sie müssen uns antworten, aber besser als nichts. Ich bin über alles froh, was im Gesetz steht. Ich muss vielleicht wirklich noch einmal sagen, das kann und wird alles infrage gestellt werden. Wir sind in Zeiten, in denen das, was wir oft lange, glaube ich, dachten oder ich manchmal naiv dachte, nämlich Gleichbehandlung, Antidiskriminierung, dass das zu europäischen Grundwerten gehört und damit quasi so ein Common Sense ist, auf dem wir arbeiten, der wird ja gerade infrage gestellt. Insofern, glaube ich, kann man gar nicht unterschätzen, wie wichtig diese Standards für uns als Equality Bodies sind, weil sie so Grundsätze noch einmal festschreiben. Wenn das in nationales Recht gegossen wird, dann ist das wichtig.
Martina Madner: Inwiefern haben Sie denn die Hoffnung, dass Sie mit der Umsetzung der nationalen, der EU-Standards dann auch mehr Ressourcen für Ihre Arbeit bekommen?
Ferda Ataman: Ich lerne ja gerade ganz viel, auch was europäische Richtlinien betrifft, wie das Ganze läuft, was das bedeutet, was das heißt, wenn es eine EU-Direktive gibt und die dann in nationales Recht umgewandelt wird. Es wird auf europäischer Ebene und von der Kommission gerade verhandelt, was die Kriterien sind. Wenn man zum Beispiel sagt, Equality Bodies müssen mit angemessenen Ressourcen ausgestattet werden, dann kann ich nur sagen, das stand im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, seit es das gibt, seit 2006, auch drin, die Antidiskriminierungsstelle ist mit angemessenen Ressourcen auszustatten. Das hieß am Anfang zwei Mitarbeitende für 83 Millionen Menschen, sechs Diskriminierungsmerkmale wie Alter, Behinderung, Geschlecht et cetera. Wir haben inzwischen sechs Jurist:innen für sechs Diskriminierungsmerkmale – auch wieder für 83 Millionen Menschen. Das ist schon mehr als am Anfang und immer noch nicht angemessen.
Die Frage ist natürlich: Wie ist angemessen unterlegt? – Wir hatten in Deutschland in einem, wie Sie wahrscheinlich wissen, relativ großen europäischen Land 250 000 Euro pro Jahr, als ich angefangen habe, für Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierung deutschlandweit. Das ist noch nicht einmal 0,000, sondern so viele Nullen könnte ich gar nicht nennen, also so viel Zeit hätten wir gar nicht. Das heißt in der Tat, es ist total wichtig, dass, wenn jetzt die Kriterien erarbeitet werden, wenn wir uns als Antidiskriminierungsstellen angucken, was wir eigentlich brauchen, klar formuliert wird: Was braucht man? Gleichbehandlungsarbeit und -politik – ja, kann auch einmal etwas kosten, das muss man den Finanzministerien schon erklären. Also unsere Werte gibt es nicht kostenlos und um die durchzusetzen, sollten wir bereit sein, Ressourcen in die Hand zu nehmen. Das ist ein sehr wichtiger Knackpunkt.
Martina Madner: Vielen Dank.
Frau Zaafrani, Sie haben ja auch gerade vorher die Ressourcen erwähnt, nicht nur an den Daten gibt es einen Mangel, sondern auch an den Ressourcen. Wo sehen Sie denn diesen Mangel, besonders in der Zusammenarbeit von NGOs und staatlichen Stellen? Wo würden Sie sich da eben ganz konkret Verbesserungen wünschen?
Sonia Zaafrani: Stichwort Ressourcen, das haben die Vorredner auch schon zum Teil angesprochen: Es braucht natürlich auch finanzielle Ressourcen. Wenn man Antidiskriminierung vonseiten der Politik ernst nimmt, muss man auch finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Man kann sich nicht auf das Ehrenamt verlassen, das leider meistens auch wieder von Frauen getragen wird, die es halt gewöhnt sind, wichtige Arbeit unentgeltlich zu machen. Das heißt, ich denke, es braucht ein Bekenntnis, NGOs, die so wichtige Grundlagenarbeit leisten, auch finanziell zu unterstützen und zu fördern.
Es braucht einen geregelten Austausch mit der Politik, mit den politischen Verantwortungsträger:innen. Da will ich jetzt ein konkretes Beispiel nennen: Ich bin persönlich wirklich so enttäuscht vom Wiener Bildungsstadtrat, wenn ich daran denke, wie oft wir als IDB uns mit ihm getroffen haben, ihm die Berichte präsentiert haben – da war er noch der Vorsitzende der Junos, der Jugendorganisation, jetzt ist er Bildungsstadtrat –, was für eine Meldung er unlängst getätigt hat. Wir haben ihn so oft darum gebeten, dass er die Datenerhebung macht, dass eben auch die Lehrpersonen im Hinblick auf Diversität angeschaut werden. Wenn man sich jetzt die Schulleitungen anschaut, die Managementebene, die Direktionen der Schulen, sind die größtenteils weiß und einsprachig, Diversität ist mangelhaft. Es braucht hier dringend Verbesserungen, um diese strukturelle Diskriminierung auszugleichen. Wir haben ihn gebeten, diese Datenerhebung endlich machen zu lassen – den Wiener Integrations- und Diversitätsmonitor gibt es ja schon –, aber ausgerechnet diese Ebene lässt er nicht erfassen.
Dann hat er jetzt wieder vor Kurzem die Religionszugehörigkeit der Schüler:innen erheben lassen. Das Resultat, dass es jetzt mehrheitlich muslimische Schüler:innen gibt, nimmt er als Anlass, um einfach muslimische Schüler:innen pauschal zu kriminalisieren, und unterstellt ihnen alles Mögliche und Unmögliche. Als ich das gelesen habe, habe ich mir wirklich gedacht, es tut mir leid, wir haben uns so oft mit ihm vernetzt, unsere Arbeit nähergebracht, auch die Lösungsvorschläge. Am Anfang war es ein Zehnpunkteplan, dann war es ein Elfpunkteplan, es ist jetzt ein 15-Punkte-Plan, also die Lösungsvorschläge gibt es. Wir haben so viel ehrenamtlich ausgearbeitet – und dann das alles einfach nicht zu wollen! Es ist ja immer eine Frage von Können und Wollen.
Es ist auch eine Frage von Know-how: Weiß ich, wie ich Antidiskriminierung umsetzen kann, was es dazu braucht? Und dann ist die Frage: Will ich das überhaupt oder ist es ganz bequem, eine Gruppe zu haben, die ich markieren kann, die ich kriminalisieren kann, weil ich weiß, wie nach so vielen Jahren eines rechten, rassistischen Diskurses wie viele denken? Da muss ich ehrlich sagen: Einen informellen Austausch hat es gegeben. Er kennt unsere Arbeit und das hat ihn auch nicht davon abgehalten, so eine wirklich grausliche, antimuslimisch- rassistische Äußerung zu tätigen. Man muss sich vorstellen: Er ist Bildungsstadtrat! Er ist Bildungsstadtrat für alle Wiener Schülerinnen und Schüler und sieht kein Problem damit – vielleicht wegen dem Wahlkampf, ich weiß es nicht, vorher war es auch schon problematisch –, so eine große Zahl von Schülerinnen und Schülern pauschal zu kriminalisieren.
Stichwort Politik: Ich denke, da können wir uns im Ehrenamt zu Tode arbeiten, wenn es niemanden gibt, der vonseiten der Politik diese wertvolle Arbeit aufgreift und wo auch der politische Wille da ist. Ich denke, es ist wichtiger denn je, wenn wir uns die Entwicklung in Österreich ansehen, wenn wir uns die Entwicklung in ganz Europa ansehen: Ich will nicht wissen, wie es weitergeht, wenn sich jetzt nicht irgendjemand dieser wichtigen Themen annimmt und sagt, Antidiskriminierung, Gleichberechtigung, Freiheit, Demokratie sind wichtige Werte für unsere Gesellschaft, aber für alle, und es kann nicht sein, dass immer wieder bestimmte Gruppierungen zu Sündenböcken erklärt werden und von grundlegenden Rechten ausgeschlossen werden. (Beifall.)
Martina Madner: Vielen Dank für Ihr Schlusswort. Ich höre da raus, es braucht zusätzliche Ressourcen einerseits, aber es fehlt eben auch der politische Wille. Ich hoffe darauf, dass da auch die Gleichbehandlungsstellen dann sozusagen der Puffer sein können und die Hard Facts, die mit Datenerhebungen gemacht werden können, Ihnen dann bei Ihrer Arbeit helfen. – Herzlichen Dank.
Vielen herzlichen Dank Ihnen beiden. (Beifall.)
Wir bleiben bei den beiden Themen, und zwar den Klagerechten und der proaktiven Arbeit. Jetzt wird die Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft, Sandra Konstatzky, die Sie schon gehört haben, ihre Überlegungen zu einer innovativen und proaktiven Arbeit und zu wirksamem Klagerecht mit uns teilen. – Bitte schön.
Reflexion: Innovative proaktive Arbeit und wirksame Klagerechte – Learnings für Gleichbehandlungsstellen
Sandra Konstatzky: Es ist das letzte Thema vor der Pause. Ich habe es auch ein bisschen gekürzt, aber es darf nicht zu kurz sein, denn es geht um vieles und wir haben hier gerade vieles gehört.
Herzlichen Dank für diese Inputs und die Diskussionen. Ich denke, wir alle, also nicht nur ich – und ich hoffe, ich spreche auch im Namen meiner nationalen Kolleg:innen, aber auch internationalen Kolleg:innen –, als Gleichbehandlungsstellen können uns hier viel mitnehmen. Vor allem auf diese Brückenbauerin möchte ich eingehen, ich werde auch ganz zum Schluss vielleicht den Kreis dort schließen. Andreas Accardo hat es uns gesagt, es gibt viele Rechte, aber es mangelt an der Effektivität. Da sind einfach mehrere Felder angesprochen, die wir in den nächsten zwei Jahren ganz stark einfordern müssen. Wie kann ein niederschwelliger, effizienter Zugang zum Recht gewährleistet werden? Wie kann die Bekanntheit der und das Vertrauen in die Gleichbehandlungsstellen gestärkt werden und wie kann es gelingen, dass wir als Gleichbehandlungsstellen auch für unsere Aufgaben mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet sind?
Tamás Kádár hat uns – ich finde, legally binding sollte so wie stupid, it‘s legally binding unser Wahlspruch werden und ich werde ihn mir vielleicht auf meinen Schreibtisch stellen – damit noch einmal vor Augen geführt, dass nationale Gleichbehandlungsstellen von den Mitgliedstaaten tatsächlich entsprechend ausgestattet werden müssen, damit wir diese Fähigkeit haben, nicht nur auf der individuellen, sondern auch auf der strukturellen Ebene etwas zu verändern und diesen sozialen Wandel in der Gesellschaft zu ermöglichen. Und was brauchen wir dafür? – Wir brauchen dafür klare Glaubwürdigkeit. Deswegen ist es auch so notwendig, proaktiv zu handeln. Das bedeutet, den Einzelnen den Zugang zum Recht zu ermöglichen, mit Unternehmen, Organisationen und Institutionen präventiv und proaktiv daran zu arbeiten, dass Diskriminierung nicht mehr passiert. Aber es braucht eben auch die Rechtsdurchsetzung, sowohl auf individueller als auch auf systematischer Ebene. Die Verbandsklagen als ganz notwendiges Ziel wurden schon angesprochen.
Wie Theresa Hammer, Rumeysa Dür-Kwieder und Lars Arrhenius diskutiert haben, haben Betroffene einen enormen persönlichen Ressourcenaufwand, wenn es um das Aufzeigen ihrer Diskriminierung geht. Es braucht Gleichbehandlungsstellen und NGOs, die in unterschiedlicher Weise zusammenwirken, um die Menschen vertrauensvoll zu begleiten, ihre Diskriminierungserfahrungen dann tatsächlich auch in rechtliche Sprache zu übersetzen und mit den notwendigen Daten zu unterlegen. Das stärkt nämlich auch die Glaubhaftmachung. Das Ziel muss sein, dass durch unterschiedliche Klageführungen Rechtsklarheit und Rechtssicherheit erreicht werden. Die Rechtsdurchsetzung mithilfe von Gleichbehandlungsstellen stärkt daher wiederum das Vertrauen in die Gleichbehandlungsstellen selbst und letztlich auch in den Staat, dass er dafür sorgt, dass Diskriminierung verhindert wird, insbesondere wenn es um diese heute schon sehr oft zitierte Wertebasis geht, auf der wir uns auf europäischer Ebene auch verpflichtet haben und die wir auch gemeinsam vereinbart haben. Diskriminierung wirkt sich nicht nur auf individueller Ebene aus, sie hat ihren Ursprung in den gewachsenen Strukturen.
Ferda Ataman und Sonia Zaafrani haben uns aus deutscher und österreichischer Perspektive aufgezeigt, welche Bedeutung Grundlagenarbeit für die inklusive Gesellschaft hat, um diese Strukturen zu benennen und abzubauen.
Ich kann hier nur wieder ein Wort, einen Satz, einen Leitsatz sagen: No data, no politics. Es zeigt sich ganz klar, wie auch im Bildungsbereich Diskriminierung vonstattengeht. Das haben wir heute beeindruckend gehört. Es wurden heute schon Schutzlücken angesprochen. Ich möchte aber gerade auch mit Blick auf die zahlreich erscheinende LGBTIQA-plus-Community hier anmerken, dass die Schutzlücken im Gleichbehandlungsgesetz gerade im Bildungsbereich massiv sind. Wir haben da nur den Diskriminierungsgrund ethnische Zugehörigkeit, der Gott sei Dank geschützt ist, aber wir haben weder Geschlecht – und dazu gehören auch Geschlechtsmerkmale, Geschlechtsidentität und Geschlechterrollen –, wir haben aber auch keine Religion und keine Weltanschauung, kein Alter dort geschützt. Das heißt, es fehlt einfach massiv an Diskriminierungsschutz und das Levelling-up wird auch eines sein, das wir wirklich ganz an vorderster Front fordern werden. Genau dafür brauchen wir eben die Grundlagenarbeit im Bereich der Datenerhebung, wie die Richtlinien es vorsehen. Es ist dabei dringend notwendig, diesen Entwicklungsbedarf von Gleichbehandlungsstellen auch wirklich klar aufzuzeigen.
Besonders wichtig ist mir jetzt noch einmal, dass uns heute NGOs essenzielle Learnings mitgegeben haben. Wir müssen die Formen der Kooperation und der Zusammenarbeit sicherstellen, um aus einer möglichst pluralistischen Perspektive Probleme auch tatsächlich benennen und betroffene Menschen auch wirklich erreichen zu können. Es liegt an der Politik, uns auszustatten, und es liegt an uns, für zielgerichtete Kommunikationstools, Kommunikationsformate zu sorgen. Das können Gleichbehandlungsstellen nicht alleine, wir brauchen dafür die Zivilgesellschaft. Wir können gestärkt durch die Standards die Brücke bilden, für die Grundwerte in einem demokratisch verfassten Rechtsstaat auch zu sorgen, nämlich, wie wir als Gesellschaft miteinander diskriminierungsfrei umgehen wollen und wie wir gleiche Chancen und gleiche Lebensbedingungen herstellen und sicherstellen wollen. – Danke. (Beifall.)
Martina Madner: Ich verliere schon mein Mikro, aber vielen herzlichen Dank, Sandra Konstatzky. Sie haben jetzt enorm viel Zeit aufgeholt. Ich darf schon die Pause einläuten. Die können Sie natürlich nutzen, um die Diskussionen auch über die Hard Facts weiterzuführen oder auch einfach gerne einen Kaffee zu trinken und mit anderen netzzuwerken.
Wir sehen uns dann pünktlich – es sind sogar 30 Minuten – um 15.55 Uhr hier bitte wieder.
*****
Martina Madner: Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden gleich mit dem zweiten Teil des Symposiums starten. Bitte kommen Sie zu uns zurück in den Saal und nehmen Sie Ihre Plätze wieder ein! Wir werden in 2, 3 Minuten starten und ich sehe noch leere Reihen vor mir. Es gibt im Anschluss natürlich noch einmal die Gelegenheit, sich auszutauschen und weiter netzzuwerken, also es ist nicht die letzte Chance, wenn Sie hier jetzt miteinander sprechen wollen.
Ladies and Gentlemen, we are starting with the second part of the symposium now. Please come back to the hall and take your seats!
Ich sehe, die Reihen füllen sich schon langsam. Der oder die eine oder andere hat sich draußen noch einen letzten Kaffee geholt. Auch die Speaker und Speakerinnen dürfen nachher noch weiter netzwerken.
Wir sind noch nicht ganz so weit, wir schauen, dass sich die erste Reihe noch füllt. Wie gesagt, das ist nicht die letzte Gelegenheit, dass Sie sich austauschen können, danach gibt es auch noch einen kleinen Empfang, wo Sie sich noch weiter besprechen können. Wir wollen jetzt alle Disziplinierten nicht länger warten lassen. Vielen Dank jedenfalls für Ihr Zutun, damit sich die Reihen wieder füllen.
Wir starten nun tatsächlich mit dem zweiten Teil des Symposiums. Im nächsten Block geht es nun um die EU-Standards zur Unabhängigkeit von Gleichbehandlungsstellen. Wir starten diesen Block mit einer Keynote zu einem Best-Practice-Beispiel für Unabhängigkeit, ganz konkret der belgischen Gleichbehandlungsstelle Unia. Dafür konnte die Gleichbehandlungsanwaltschaft Patrick Charlier, den Leiter von Unia, gewinnen.
A warm welcome, Mr. Charlier, the stage belongs to you. (Beifall.)
Block III: EU-Standards zur Unabhängigkeit von Gleichbehandlungsstellen
Keynote III: Best Practice Beispiel zu Unabhängigkeit – Die belgische Gleichbehandlungsstelle Unia
Patrick Charlier (Leiter der belgischen Gleichbehandlungsstelle Unia) (in deutscher Simultandolmetschung): Vielen Dank. Wir streben immer nach Unabhängigkeit und bei aller Unabhängigkeit und ohne jegliche Einflussnahme oder Parteilichkeit möchte ich dem österreichischen Parlament ganz herzlich für die Ausrichtung dieses hervorragenden Symposiums danken.
Unabhängigkeit ist also auch mein Thema im belgischen Kontext. Unsere Stelle gibt es seit 1993, das heißt, schon bevor die Richtlinien angenommen wurden, gab es eine Gleichbehandlungsstelle; zunächst nur im Bereich Rassendiskriminierung, Hatespeech und Hatecrime, aber nach der Annahme der Richtlinien bekamen wir auch die Zuständigkeit für alle anderen Diskriminierungsgründe, die ich hier einblende – hier sehen Sie unsere Zuständigkeitsbereiche. Das geht noch weit über die Richtlinie hinaus und das ist wichtig.
Nicht zuständig sind wir für Geschlechtergleichstellung, dafür gibt es in Belgien eine eigene Einrichtung, und auch nicht für Diskriminierung aufgrund der sprachlichen Zugehörigkeit – das ist in Belgien eine sehr heikle Frage; Sie wissen ja, die Verbindung zwischen Flandern und Wallonien –, da gibt es auch wieder eine eigene Einrichtung. Das ist vielleicht etwas, was es nur in Belgien gibt, weil eben die Diskriminierung aus sprachlichen Gründen bei uns ein ganz besonders reales Problem ist.
Grundlage ist ein Kooperationsabkommen, das von allen belgischen Gebietskörperschaften angenommen wurde, das heißt auf föderaler Ebene Gemeinden und Regionen. Nach den europäischen Richtlinien ist es so, dass jede Gebietskörperschaft, jede Ebene eigene Gleichbehandlungsstellen braucht, und wenn es mehrere gibt, dann muss gemeinsam eine Entscheidung getroffen werden. In diesem Kooperationsabkommen haben wir eben die rechtliche Grundlage, wie die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ebenen ausgestaltet sein muss. Dieses Kooperationsabkommen ist ein Gesetz, und zwar angenommen von allen Parlamenten auf allen Gebietskörperschaftsebenen, das heißt von acht verschiedenen Parlamenten.
Seit einem Jahr sind wir für Flandern nicht mehr zuständig – Flandern hat beschlossen, einen eigenen Weg mit einer eigenen flämischen Einrichtung zu gehen –, aber für die restlichen sind wir sehr wohl noch zuständig. Wir sind eine parlamentarische Einrichtung, das ist schon ein wichtiges Zeichen der Unabhängigkeit, das heißt, wir gehören zur Legislative und nicht zur Exekutive.
Hier sehen Sie die verschiedenen Parlamente in unserem Land, und bei der Herausgabe unseres Jahresberichtes geht es um einen Bericht, an dem alle diese Parlamente mitgearbeitet haben, das heißt, meine Kollegen, meine Kolleginnen in den unterschiedlichen Parlamenten und ich haben da gemeinsam zusammengearbeitet, und das ist wieder ein Zeichen der Unabhängigkeit. Wir sind somit auch geschützt, das heißt, wenn es auf einer Ebene, bei einer Gebietskörperschaft ein Problem gibt, dann stehen die anderen immer noch hinter uns. Das ist für uns natürlich wichtig, dass wir nicht von einem Ministerium, von einer Kommission, von einem Ausschuss oder Ähnlichem abhängen. Das ist auch ein ganz bewusst gesetztes Zeichen und bringt für uns einen Mehrwert in Sachen Unabhängigkeit.
Wir haben einen Vorstand, also nicht einen einzigen zuständigen Vorsitzenden, sondern ein 17 Mitglieder zählendes Gremium von den verschiedenen Parlamenten – zehn von der föderalen Ebene, zwei von der Region Brüssel-Hauptstadt, zwei von Wallonien, zwei für die French Communities und zwei für die deutschsprachigen Gemeinden. Das ist somit auch ein Schutz, ein Zeichen der Unabhängigkeit und führt zu einer Pluralität, weil bei einem 17 Mitglieder zählenden Board automatisch eine Vielfältigkeit, eine Diversität vertreten ist. Das kann natürlich auch immer eine Herausforderung sein, sobald man jemanden hat, der seine politische Färbung hier einbringt.
Bei uns geht es gar nicht so sehr um die politische Repräsentation, sondern man muss bei uns Mitglied eines Ministeriums sein, um im Board zu sein, im Vorstand zu sein. Das heißt: Wir haben hier Personen, die politisch gefärbt sind, wir wissen, wo die einzelnen Personen stehen, aber gleichzeitig haben wir eine ziemliche Vielfalt vertreten, und das ist wieder ein Garant für die Unabhängigkeit.
Auf diesen zwei Fotos sehen Sie zwei Mitglieder dieses Vorstands – es ist immer verpflichtend, dass es ein Mann und eine Frau und jemand aus dem flämischen und jemand aus dem wallonischen Bereich ist –, David Quinaux, das ist der Herr am unteren Foto, und Sie werden nie erraten, was er für einen Brotberuf hat: Er ist Polizist, aber er engagiert sich sehr, sehr stark für Gleichheit, Gleichstellung, und das auch in seiner Polizeidienststelle, wo er sich im Bereich Gleichstellung seit 20 Jahren ganz massiv engagiert. Ja tatsächlich, ein Polizist ist bei uns ganz oben im Vorstand.
Wie sieht es organisatorisch aus? – Der Vorstand ist das letztinstanzliche Entscheidungsorgan in unserer Organisation, wir brauchen also darüber hinausgehend keinerlei Bestätigung oder Annahme durch ein Ministerium oder Ähnlichem, sondern unser Vorstand kann Entscheidungen letztinstanzlich treffen. Wir sind ein Kollegium, das heißt, an der Spitze stehen wir zu zweit, und wir haben auch hier wieder diese Regel, dass es ein Mann und eine Frau sein muss und wieder einer aus der flämischen und einer aus der wallonischen Seite – das zieht sich bei uns eben durch.
Im Organigramm sehen Sie hier, dass wir 100 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben, 90 Vollzeitäquivalente – das Organigramm lasse ich Sie selbst ansehen. Wir werden vom Managementboard ernannt, wir haben ein Mandat von sechs Jahren. Als Direktoren, als Leiter und Leiterin sind wir dann auch für die Rekrutierung oder teilweise auch für die Entlassung von Personen in unserer Einheit zuständig. Unabhängigkeit geht immer mit budgetärer Unabhängigkeit einher; man kann noch so unabhängig sein, wie man will, solange man kein Budget hat, ist man nicht unabhängig.
Wir haben 11 Millionen Euro pro Jahr und das für eine Bevölkerung von 11 Millionen Einwohnern; das heißt, ein Euro pro Person pro Jahr. Ob das viel oder wenig ist, diese Frage zieht sich durch die Diskussionen über die Mittelausstattung: Ein Euro pro Einwohner:in pro Jahr.
Bei Kooperationsabkommen geht es immer um die Mittelaufteilung, um die Zuteilung, das heißt, diese Verteilung besagt, wie viel von der föderalen Ebene, wie viel von Brüssel, von wallonischer Seite und so weiter kommt. Das ist budgetär genau abgebildet, weil das Budget eben vom Parlament angenommen wird, und daher sind wir auch daran gebunden. Es ist uns umgekehrt auch garantiert zugesagt, das heißt, egal was ein Finanzminister entscheidet, wie etwa Budgetkürzungen, sobald uns ein Budget zugesagt ist, müssen wir nicht mehr mit Abstrichen rechnen, es kann uns nichts mehr weggenommen werden. Zusätzlich ist es auch indexiert, inflationsangepasst. Wir wissen ja, dass die Inflation in den letzten zwei Jahren sehr, sehr stark war, und unser Budget ist eben im Sinne der Inflation indexangepasst.
Ich habe nur 13 Minuten Redezeit und ich hätte noch so viel zu sagen. Wie gesagt: Auch die budgetäre Ausstattung und Regelung ist ein Garant für Unabhängigkeit. Das erlaubt es uns, Entscheidungen zu treffen, Prioritäten zu setzen, uns einem Projekt oder einem Forschungsvorhaben prioritär zuzuwenden. Und wir sind auch unabhängig, was die Personalpolitik betrifft, das heißt, wir können eigenständig einstellen und entlassen. Es gibt also keine Kontrolle mehr, keine externe Kontrolle, wir haben aber sehr wohl eine interne Rechnungsprüfung und ein internes Audit, damit natürlich überprüft wird, dass wir gesetzesgerecht vorgehen und auch die Beträge gesetzeskonform ausgeben. Das ist ganz klar, dass es so eine Form von Kontrolle gibt.
Unabhängig sind wir auch bei der Erfüllung unserer Mandate. Unser Mandat ist ein sehr breit gefasstes, wie Sie gesehen haben. Wir können eigeninitiativ entscheiden, vor Gericht zu gehen, Rechtsbeistand zu leisten, Forschungsprojekte anzustoßen. Das heißt, wir brauchen da von niemandem extern eine Genehmigung, sondern das macht alles unser Managementboard.
Nur zwei Dinge möchte ich noch ganz kurz ansprechen: Was sind die Schwierigkeiten, was sind die Herausforderungen, die mit so starker Unabhängigkeit einhergehen? – Also wir sind wirklich 360 Grad unabhängig. Was meine ich damit? – Wir sind den Behörden, dem Ministerium gegenüber, der Politik gegenüber unabhängig. Das bedeutet aber auch, dass wir von zivilgesellschaftlichen Organisationen unabhängig sind. Wir müssen zwar mit ihnen zusammenarbeiten, aber die haben eigentlich kein Wort mitzureden, was wir tun. Wir können sie konsultieren, aber wir müssen nicht berücksichtigen, was sie sagen. Unabhängig sind wir auch den Medien gegenüber. Teilweise versuchen die Medien oder versuchen die universitären Kreise, Druck auszuüben, aber wir sind unabhängig. Das heißt, 360 Grad Unabhängigkeit bedeutet auch volle Verantwortung, Dialog, Zusammenarbeit, Einhaltung der Richtlinien, und gleichzeitig bedeutet es aber auch, dass wir natürlich nicht im Elfenbeinturm sitzen, sondern – und da blende ich jetzt einen weiteren Artikel ein, in dem Folgendes steht –: Die Unia übt ihre Verantwortung in einem Geist des Dialogs und der Zusammenarbeit mit Vereinen, Institutionen, Organisationen und so weiter aus, und zwar mit voller Verantwortung und so weiter. Das erklärt, warum das vereinbar ist: enge Zusammenarbeit mit den genannten Akteuren, gleichzeitig aber volle Unabhängigkeit diesen gegenüber, ob das jetzt die Gewerkschaften, die Ministerien, universitäre Kreise und so weiter sind. (Beifall.)
Damit komme ich schon zum letzten Teil und darf mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken. (Beifall.)
Martina Madner: Vielen Dank, Herr Charlier, für diesen sehr inspirierenden Vortrag. Unia ist ja für die österreichischen Gleichbehandlungsstellen tatsächlich eine sehr interessante Referenzinstitution – nach dem, was ich jetzt gehört habe, was das Budget anbelangt, denke ich, noch mehr und glaube ich noch mehr daran.
Dialogpanel: Was bedeutet Unabhängigkeit und Effektivität aus Sicht der österreichischen Gleichbehandlungsstellen?
Martina Madner: Wir kommen jetzt genau zum Panel der Gleichbehandlungsstellen in Österreich. Sie diskutieren ja jetzt darüber, was Unabhängigkeit und Effektivität hierzulande bedeuten, und dazu darf ich Klaus Feurstein, Landesvolksanwalt in Vorarlberg, zu mir bitten – hier ganz links, beziehungsweise rechts von mir jetzt –; außerdem Isolde Kafka, sie ist Leiterin der Servicestelle Gleichbehandlung und Antidiskriminierung Tirol – bitte schön –; Sandra Konstatzky, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft – sie wird auch mitdiskutieren; bitte schön –; dann darf ich noch Eva Matt, die Vorsitzende des Senats I der Gleichbehandlungskommission, zu mir bitten; und last, but not least ist Christine Steger mit im Bunde, die Leiterin der Behindertenanwaltschaft. – Herzlich willkommen! (Beifall.)
Wir starten gleich mit dem Budget und den Ressourcen der österreichischen Gleichbehandlungsstellen. Ich habe gerade nachgeschaut: 9 Millionen Euro würde das Budget von Unia hier in Österreich bedeuten, also enorm viel.
Frau Kafka, Sie sind Leiterin der Servicestelle Gleichbehandlung und Antidiskriminierung in Tirol. Was sagen Sie denn zu Ihrem Budget und den Ressourcen, die Sie zur Verfügung haben? Sind Sie damit zufrieden oder doch noch nicht ganz?
Isolde Kafka (Leiterin der Servicestelle Gleichbehandlung und Antidiskriminierung Tirol): Also jetzt, nach dieser Aussage – wir haben so 850 000 Menschen in Tirol – würde ich das noch einmal überdenken, aber das müssten wir, glaube ich, noch im Detail klären.
Vielen Dank für die Frage. Vielleicht möchte ich - - Ich darf vorausschicken, dass ich die längstdienende Gleichbehandlungsbeauftragte in Österreich bin, weil ich das schon seit 26 Jahren mache. (Beifall.)
Martina Madner: Das hat sich durchaus einen Applaus verdient!
Isolde Kafka: Deswegen, glaube ich, kann ich ganz gut auch diese Entwicklung, die es gegeben hat, nachvollziehen, und kann eben sagen, dass wir jetzt in Tirol in der Servicestelle Gleichbehandlung und Antidiskriminierung eine sehr gute Ausstattung haben: Wir haben ein Budget, das wirklich abgebildet ist, das wir selbst verhandeln können, und wir haben auch sehr gute personelle Ressourcen.
Was heißt: Gute personelle Ressourcen – wir haben es ja vorhin schon gehört –, was gehört da dazu? – Wir können zum einen natürlich Beratung für Betroffene anbieten und wir sind für alle Diskriminierungsgründe für Bedienstete, aber auch nach außen zuständig; wir können Begutachtungen, Gesetzesbegutachtungen machen, aber auch in Prozessen, gerade in strategischen Prozessen, wirklich mitwirken, zum Beispiel bei der Nachhaltigkeitsstrategie, der Digitalisierungsstrategie des Landes – das ist ja auch eine wichtige Sache –; und wir haben auch ausreichend Budget für Öffentlichkeitsarbeit und auch eine Person dafür.
Nun klingt das alles ganz toll, aber wir haben jetzt bei dieser Aufstellung für die EU gesehen: Wir haben in Tirol 13 Gleichbehandlungsstellen, und die haben nicht alle eine dermaßen gute Ausstattung, da gibt es genug Stellen, die gar keine Ressourcen haben. Also ich glaube, es geht auch darum, zu schauen, dass für alle gleichmäßig Ressourcen vorhanden sind.
Martina Madner: Frau Steger, die Behindertenanwaltschaft, deren Leiterin Sie ja sind, ist ressourcentechnisch leider ganz anders aufgestellt, habe ich mir im Vorfeld sagen lassen. Wie denn genau, wo fehlt es denn bei Ihnen?
Christine Steger (Leiterin der Behindertenanwaltschaft): Man sieht schon anhand der von Isolde geschilderten Szenarien, dass es sehr, sehr unterschiedliche Voraussetzungen gibt, also nicht nur legistische Voraussetzungen: Es gibt ja Bundesländer, da gibt es auch so etwas wie eine Landesbehindertenanwaltschaft, in anderen Bundesländern gibt es das wieder nicht. Genauso trägt es sich auch zu, wenn es um die Ressourcenausstattung geht und um Personalausstattung geht.
Bei uns ist es so, dass wir dem Sozialministerium zugeordnet sind, dass ich weisungsfrei und unabhängig agieren kann, aber über diese Weisungsfreiheit muss man natürlich ein bisschen nachdenken, wenn das auch in Verknüpfung mit Ressourcen gesehen wird, das heißt, wenn man sich jetzt anschaut, was an Personalressourcen verfügbar ist, aber auch, was an Budgets verfügbar ist. Und wir haben ja heute auch schon sehr eindrücklich gehört, dass es immer auch eine Verknüpfung gibt mit: Wissen Personen, die von Diskriminierungen betroffen sind, auch Bescheid darüber, dass es eine Anlaufstelle gibt, die sie unterstützen kann, wenn sie diese Diskriminierungserfahrungen machen? Das bedeutet aber auch Öffentlichkeitsarbeit, das bedeutet auch, vor Ort zu sein.
Wir haben jetzt seit Kurzem auch zwei Außenstellen: für den Westen in Salzburg – für Vorarlberg, Tirol und Salzburg – und in Graz für Kärnten, die Steiermark und das Burgenland. Das heißt, wir sind schon in Expansion befindlich, weil es eben auch notwendig ist, dass nicht nur in den Zentralräumen Menschen, die Diskriminierungserfahrungen machen, die Behinderungen haben, den Weg zu uns finden, sondern dass es überall genug Anlaufstellen gibt, aber eben auch genug Wissen darüber gibt – und da bräuchte es zum Beispiel auch so etwas wie eine konzertierte Öffentlichkeitsarbeit.
Martina Madner: Frau Matt, Sie sind Vorsitzende des Senats I der Gleichbehandlungskommission; diese kümmert sich um Beschwerden betreffend die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft. Wie sieht denn Ihr Budget im Moment aus?
Eva Matt (Vorsitzende des Senates I der Gleichbehandlungskommission): Ich möchte ganz kurz Folgendes vorausschicken: Der Senat I überprüft Fälle von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und Mehrfachdiskriminierungen in der Arbeitswelt. Nur dass wir das ein bisschen einordnen können: Wir kriegen zwischen 70 und 80 Fälle pro Jahr neu und erledigen – je nachdem, wie man es rechnet – zwischen 50 und 70 Akten; wir tagen alle zwei Wochen. Das Budget, das wir dafür haben, ist 0 Euro. Ich kann das einfach so stehen lassen. Patrick Charlier hat mich mit den 11 Millionen jetzt ein bisschen neidisch gemacht (Heiterkeit); ich fände es schön, einen Bruchteil davon zu haben.
Die Gleichbehandlungskommission ist so organisiert, dass wir, die Vorsitzenden und die Mitglieder der Gleichbehandlungskommission, die von den Sozialpartner:innen und von Bundesministerien entsendet werden, diese Tätigkeiten im Ehrenamt machen. Das heißt: Wir alle haben Jobs, sind dort aber freigestellt; extra Budget gibt es keines – mehr später.
Martina Madner: So gesehen kann es natürlich leider auch keine Öffentlichkeitsarbeit geben.
Eva Matt: Ja, das ist weit weg von uns.
Martina Madner: Ja. – Kommen wir zu den Ernennungs- und Abberufungsprozessen und eben der Personalhoheit in Ihren Bereichen. Herr Feurstein, Sie sind Landesvolksanwalt in Vorarlberg: Die Richtlinien sehen durchaus transparente Verfahren vor der Ernennung und auch sehr viel Transparenz bei einer eventuellen Abberufung vor. Wie läuft es denn bei Ihnen im Moment schon?
Klaus Feurstein (Landesvolksanwalt Vorarlberg): Vorarlberg hat eine ganz besondere Situation: Wir haben bereits im Jahr 1984 eine eigene Landesvolksanwaltschaft in Vorarlberg begründet. Das war wahrscheinlich auch dem Föderalismus geschuldet, der ja im Westen, besonders auch in Tirol, sehr ausgeprägt ist – es gibt auch in Tirol einen eigenen Landesvolksanwalt oder derzeit eine Landesvolksanwältin.
Aus dem Föderalismusgedanken heraus hat man damals wirklich diese unabhängige, weisungsfreie Kontrolleinrichtung des Vorarlberger Landtages geschaffen, und da kann ich mich eben dem Vorredner aus Belgien anschließen – das ist sehr spannend: Also ich werde vom Landtag direkt gewählt und bin nur dem Landtag verpflichtet. Das hat im Vergleich zu anderen Gleichbehandlungsstellen in Österreich schon einen gewissen Luxus.
Ich habe viermal im Jahr einen eigenen Ausschuss über den Landesvolksanwalt – also ich berichte den Abgeordneten zum Vorarlberger Landtag direkt –; ich habe einmal im Jahr einen Jahresbericht, den ich dann veröffentliche auf der Homepage und auch versende und der ebenfalls im Landtag behandelt wird, und da habe ich schon die Möglichkeit, gewisse Schwerpunkte zu setzen. Begleitend kam dazu im Laufe der Jahre – oder mittlerweile Jahrzehnte –, dass man immer wieder eigene Landesgesetze in Vorarlberg geschaffen hat, um hier Kompetenzen, eben auch das Vorarlberger Antidiskriminierungsgesetz, in der Volksanwaltschaft anzusiedeln.
Das Ganze hat aber auch einen kleinen Haken: Der jeweilige Landesvolksanwalt, die Volksanwältin wird vom Landtag für maximal zwei Perioden gewählt, und dies mit einem absurd hohen Quorum von einer Dreiviertelmehrheit – also Verfassungsbestimmungsänderungen bedürfen einer Zweidrittelmehrheit. Damals, im Jahr 1985, hat der Vorarlberger Landtag, um wahrscheinlich damals auch die Opposition mit ins Boot zu bekommen, eben dieses Dreiviertelquorum in der Verfassung beschlossen, und das führt natürlich dazu – jetzt in meinem Fall; ich bin jetzt in meinem vierten Jahr als Landesvolksanwalt –: Wenn ich mich einer Wiederwahl stelle, könnte es sein, dass sich die Parteien, die fünf Fraktionen im Vorarlberger Landtag genau überlegen oder mein Tätigsein während dieser sechs Jahre genau anschauen, und dann kommt man schon, dann könnte man - - Ich bin jetzt in meiner persönlichen Situation, dass mir das eigentlich egal ist, was die politischen Fraktionen - - oder: egal? (Heiterkeit.) Also ich mache jetzt einmal die sechs Jahre, so, wie ich denke, dass es richtig ist, aber man hat schon, man könnte einen gewissen Druck verspüren, dass man dann halt doch sehr vieler Stimmen der Fraktionen für die Wiederwahl bedarf.
Martina Madner: Also Sie sind sozusagen unabhängig, aber natürlich ist man eben dann für die Wiederwahl - -
Klaus Feurstein: Es ist halt immer dieses Thema der Wiederwahl, ansonsten bin ich mit meinem Team wirklich unabhängig; ich habe Mitarbeitende, die mir vom Land zugeteilt sind beziehungsweise nicht zugeteilt, also ich kann entscheiden, wer bei mir anfängt und wer nicht anfängt.
Martina Madner: Also auch Personalhoheit.
Klaus Feurstein: Personalhoheit. Ich habe ein eigenes Budget mit der Neuerung vom letzten Jahr – ich kann eben das Budget im Landtag mit dem Parlament verhandeln und nicht mit der Verwaltung, das ist auch ganz wichtig –, und die Behörden – das ist bei uns im Gesetz geregelt – sind zur Amtshilfe verpflichtet, das heißt, ich habe umfassende Akteneinsicht. Wir haben da ein Musterschreiben verfasst, weil manche Städte oder Gemeinden am Anfang nicht dieser Meinung waren, aber das ist ganz klar: Wir haben umfassende Akteneinsicht, sie sind zur Amtshilfe verpflichtet – umgekehrt gibt es bei uns, weil wir ein Organ des Landtages sind, keine Akteneinsicht. Weil es immer wieder vorkommt, dass zum Beispiel gerade Rechtsanwälte versuchen, unsere Akten zu prüfen: Nein, das geht nicht. Ich bin weisungsfrei, unabhängig und damit schon in einer gesetzlich eigentlich ganz gut gesicherten Situation.
Martina Madner: Frau Konstatzky, die Gleichbehandlungsanwaltschaft, deren Leiterin Sie sind, ist in der Verwaltung angesiedelt. Ich kann mir vorstellen, das bedeutet für die Unabhängigkeit bei der Bestellung dann schon etwas anderen. Ist die denn trotzdem gewährleistet? Und: Haben Sie im Moment Personalhoheit?
Sandra Konstatzky: Also ich glaube, da bin ich jetzt nicht die Einzige, sondern eigentlich ist ja Klaus Feurstein ein bisschen die Ausnahme, das heißt, wir sind eigentlich fast alle an sich in der Verwaltung angesiedelt, was das Ganze auch auf Bundesebene recht schwierig macht, weil wir alle auf Bundesebene agieren, aber immerhin in drei verschiedenen Ministerien angesiedelt sind; also ich im Bundeskanzleramt, Christine Steger im Sozialministerium und Eva Matt im Frauenministerium. Das heißt, wenn wir schon über die föderale Struktur reden und wie schwierig das ist, vielleicht - - Also wir werden es nicht so schwierig machen, wir werden gut zusammenarbeiten, aber wie sozusagen diese verschiedenen Ministerien interagieren, das ist immer schwierig, und wenn dann Arbeitsgruppen ins Leben gerufen werden? Sie alle wissen, was man über Arbeitsgruppen sagt. Also wir werden das selbst machen, ja – aber zurück zur Frage.
Wie wird eine Gleichbehandlungsanwältin bestellt? – Das ist an sich im Gesetz einerseits vorgesehen – durch eine Ernennung des Bundeskanzlers –, aber dem geht eben ein Auswahlverfahren voraus, das ganz normal im öffentlichen Dienst doch transparent und objektiv an sich vonstattengeht. Das ist auch bei meiner Bestellung so passiert. Es gibt eine Begutachtungskommission, die aus einer Kommission besteht, die gesetzlich so vorgeschrieben ist. Es war ein offenes Ausschreibungsverfahren und ich konnte mich sozusagen durchsetzen. Grundsätzlich kommt dann dieser Vorschlag an das zuständige Organ, an den zuständigen Minister, und es wird eben dann auch – hoffentlich – die am besten geeignete Person genommen.
Was kann ich dazu sagen? – Ich weiß, das ist unüblich und wenn jetzt öffentlich-rechtliche Dienstrechtler hier sind, werden sie sich denken: Was will die da?, aber ich finde halt, dass es bei einer derartigen Kommission eine Form der NGO-Beteiligung geben muss, um da einfach einerseits die Zivilgesellschaft und die Öffentlichkeit auch im Boot zu haben – wir sollen uns da ja auch sozusagen mit der Zivilgesellschaft vernetzen, das heißt, es muss auch dort eine Anerkennung geben –, andererseits hat ja auch Christine Steger zum Beispiel eine Anhörung durch den Behindertenrat, also sozusagen auch eine Teil-NGO, gehabt, und ich denke einfach, dass das in Zukunft auch wesentlich sein wird.
Was ich sagen muss, ist: An sich bin ich als Abteilungsleitung bestellt, das ist im öffentlichen Dienst, ich habe das einmal gehört, irgendwie eine ganz tolle Stellung, weil das noch sozusagen unterhalb der politischen Ebene ist, und vor allem ist sie unbefristet. Ich muss schon sagen, dass mir die Form der Unbefristung natürlich eine ganz große Aktionsfreiheit gibt, weil ich nicht darum rennen muss, ob man mich in fünf Jahren wieder bestellt. Ganz klar ist, dass im Gesetz genannt ist, dass ich abberufen werden kann, wenn ich meine Dienstpflichten verletze, und es gibt auch Ruhens- und Endensbestimmungen – also meine Bestellung geht nicht über meinen Tod hinaus.
Martina Madner: Sie wird auch nicht sozusagen vererbt.
Sandra Konstatzky: Sie wird auch nicht vererbt, nein; könnte sie gar nicht, ich habe da niemanden. Ja, aber jedenfalls denke ich, dass das schon eine ganz starke Stellung ist.
Ich finde auch Folgendes – und das ist auch meine Definition von Unabhängigkeit –: Wir reden immer davon, dass wir unabhängig sind, unabhängig von allen, aber: Wem sind wir denn verpflichtet? – Also an sich sind wir dem Gesetz verpflichtet, das uns ja wiederum den Menschen verpflichtet, aber das heißt, meine Accountability, meine Rechenschaftspflicht muss ja auch vor dem Parlament gemacht werden. Ich lege ja auch alle zwei Jahre einen Bericht, allerdings – und das ist wirklich ein Problem der Unabhängigkeit, das repariert werden muss – ist dieser Bericht ein Bericht der Minister:innen, und das sollte er nicht mehr sein: Es sollte ein Bericht der Gleichbehandlungsanwaltschaft sein, denn ich sollte ja dadurch auch überprüfbar werden, mich vor den Parlamentarier:innen auch quasi zeigen, zeigen, was wir tun, wie wir es tun und mit welchen Mitteln wir es tun.
Martina Madner: Sozusagen eine parlamentarische Kontrolle des Ganzen, was Sie tun.
Zum Thema Personalhoheit (Konstatzky: Ah ja, das habe ich noch vergessen!): Wie suchen Sie das sozusagen aus, also wie kommen Sie zu Mitarbeiter:innen?
Sandra Konstatzky: Also das ist sicher einmal ein erster Schritt zur Unabhängigkeit für uns alle, glaube ich: Was wir brauchen, ist eine Augenhöhe in der Personal- und Budgethoheit, also dort einfach wirklich verhandeln zu können. Es ist mir in den letzten Jahren gut gelungen, Personal zu verhandeln; es ist oft auf Verwaltungsebene – sage ich jetzt einmal so platt – manchmal einfacher als ganz oben. Es ist auch ein bisschen etwas verhandelt worden, zum Beispiel wurden die Regionalbüros bei uns ausgebaut. Das heißt, es gab eine Entwicklung, allerdings haben wir keine einzige Öffentlichkeitsarbeiter:in – jetzt kann ich mich sogar mit Tirol vergleichen, nicht nur mit Deutschland und sonstigen Ländern. Das versuchen wir seit Jahren – also seit zwei Jahren, drei Jahren, sage ich jetzt. Ohne Öffentlichkeitsarbeit, das geht eigentlich gar nicht mehr.
Wir können die proaktive Arbeit aber grundsätzlich auch nicht mehr so machen, wie wir sie machen wollen, das heißt, diese Augenhöhe: Wo verhandle ich das und wie kann ich das verhandeln?, das muss eigentlich auch im Parlament stattfinden. Das heißt, zumindest dort ein Detailbudget zu haben, wo einfach das Parlament sich tatsächlich mit unseren Personalressourcen, mit unserer Personalhoheit und aber auch mit dem Budget, das wir haben, auseinandersetzt und sagt: Reicht das, reicht das nicht?, oder: Was wollen wir?, wäre wahrscheinlich sehr notwendig.
Zum Budget: Ich habe es verdoppelt: Ich habe statt 70 000 Euro 130 000 Euro – also gewaltig, würde ich einmal sagen – für ein paar gute Sachen wie diese Sache. Gott sei Dank zahlt das Parlament sehr viel davon (Heiterkeit), sonst könnten wir das nicht auf die Reihe bringen.
Martina Madner: Vielen Dank.
Frau Matt, die Gleichbehandlungskommission ist im Vergleich zu den anderen Stellen wieder in einer besonderen Situation – wir haben ja schon gehört: ehrenamtliches Arbeiten. Wie kann ich mir da die Personalsituation aktuell vorstellen: Arbeiten alle ehrenamtlich?, und: Wie bräuchten Sie es eigentlich? Wie sollte sie jetzt künftig sein, und hilft Ihnen vor allem auch die EU-Richtlinie dabei?
Eva Matt: Also ich freue mich wirklich, dass ich hier einen Gegenpunkt zu allem bisher Gesagten bieten kann: Die Kommission ist insofern ganz speziell, als eben Vorsitz und Mitglieder ehrenamtlich tätig sind. Es ist jedoch so: Die Funktion der Vorsitzenden ist daran gebunden, eine Stelle im Bundesdienst zu haben. Also wenn ich mich im beruflichen Kontext vorstelle, sage ich: Hallo, ich bin Eva Matt, ich bin im Bundesministerium für Finanzen in der Abteilung für Glückspielrecht tätig und leite von dort aus Senat I der Gleichbehandlungskommission. – Das ist so ein Standardsatz, nur damit Sie sich vorstellen können, wie das sozusagen bei mir organisiert ist. Ich mache das und ich bin – das steht im Gesetz – darauf angewiesen, dass mein Dienstgeber – was er tut – mich im erforderlichen Ausmaß freistellt. Wenn keine dienstlichen Interessen entgegenstehen, sind mir auch Fortbildungen zu gewähren, und ich bin auf vier Jahre von der Bundesministerin für Frauen ernannt.
Was Personalhoheit betrifft – das überrascht Sie wahrscheinlich nicht –, habe ich jetzt keine, und es ist so, dass für die Gleichbehandlungskommission Juristinnen und ein Jurist in der Abteilung 3.3 im Bundeskanzleramt in der Frauensektion beschäftigt sind. Die sind dort tätig, machen natürlich aber auch andere Abteilungsarbeiten; das heißt, die stehen mir – im Moment, glaube ich, sind es einmal 40 Stunden, zweimal 20 Stunden – zur Verfügung, ich habe aber auch keinen Zugriff auf sie, das heißt, ich bin ihnen nicht vorgesetzt; ich kann natürlich inhaltlich anleiten im Rahmen meiner Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit. Das muss ich schon auch vorausschicken.
Obwohl diese Konstruktion so seltsam ist, vor allem im Fall der Vorsitzenden der Gleichbehandlungskommission, ist es schon so, dass es – zumindest in meinem Fall – nicht nur im Gesetz steht, dass wir weisungsfrei und unabhängig in der Tätigkeit sind, das ist tatsächlich so. Ich mache das schon seit ein paar Jahren und es gab sozusagen noch nie irgendwelche Versuche, da irgendwie einzuwirken, das kann ich wirklich sagen. In diesem Sinne ist das gegeben, trotz der nicht vorhandenen finanziellen Ausstattung.
Damit ist ganz einfach die Frage, was ich mir vorstelle, beantwortet: Natürlich hätte ich gerne – und gehe auch davon aus, dass es so ist –, dass die Gleichbehandlungskommission auch ein Equality Body ist, als solcher gesehen wird und auch als solcher eingerichtet wird. Das heißt, in diesem Sinne "helfen mir" – unter Anführungszeichen – die Richtlinien natürlich schon. Ich wünsche mir sehr – und ich gehe auch davon aus, dass es so passieren wird ‑, dass die GBK eben sozusagen als eigener Body eingerichtet wird, daran knüpfend, dass die Vorsitzendentätigkeit ein echter Job ist. Also man geht dann hin und hat einen Job – nicht zwei oder drei, sondern einen –, der ist dann Vorsitz. Ich habe Mitarbeiter:innen, die direkt mit mir arbeiten, mit denen ich mich sozusagen vor Ort und direkt austauschen kann; keine, die in einem anderen Ressort sitzen und die ich sozusagen so kontaktieren muss. – Ja, das ist es.
Martina Madner: Ich habe noch eine Nachfrage: Ich meine, gibt es eine Art von Wertanpassung zumindest der aktuellen Stunden? Soll heißen: Haben Sie, seitdem Sie Vorsitzende des Senats sind, die gleiche Anzahl an juristischen Stunden zur Verfügung, oder gab es da Änderungen? Oder hängt das irgendwie mit den Fällen oder den bearbeiteten Fällen zusammen?
Eva Matt: Meinen Sie die Stunden der Geschäftsführer:innen oder meine Stunden?
Martina Madner: Ich meine tatsächlich die Stunden der Jurist:innen, weil ich denke einmal: Bei der Anzahl an Fällen, die Sie bearbeiten, sollte man das ja irgendwie ein bisschen timen können.
Eva Matt: Ja. – Dadurch, dass die Anzahl der Anträge vor allem vor dem Senat I in den letzten Jahren immer – also tendenziell – gestiegen sind - - Ich weiß nicht, vor 40 Jahren hat der mit drei Fällen im Jahr oder so angefangen, das war eine andere Ausgangslage; jetzt sind wir eben, wie ich schon gesagt habe, bei 70 bis 80: Die Ressourcen werden dem nicht unbedingt angepasst.
Es gibt Spitzen, wo dann doch in der Abteilung andere Stellen freigemacht werden und sozusagen Stunden verschoben werden, aber das ist nicht die Regel.
Martina Madner: Also auch da bräuchte es auf jeden Fall eine Anpassung.
Eva Matt: Auf jeden Fall.
Martina Madner: Es bräuchte regelmäßig eine Anpassung an die Anzahl der Fälle.
Ich schaue gerade auf die Uhr. Sie sind tatsächlich sehr diszipliniert. Sie hätten sogar jetzt für die letzte Frage ein bisschen mehr Zeit zur Verfügung als bislang. Ja, die Richtlinien eröffnen den Gleichbehandlungsstellen viele Möglichkeiten, im Sinne der Betroffenen auch tatsächlich effektiver zu handeln. Welche Verbesserungen wären denn in Ihrem Bereich noch zusätzlich wichtig, Herr Feurstein?
Klaus Feurstein: Ich meine, da gäbe es vermutlich einige Punkte neben den verschiedenen Tatbeständen, dass man da einmal auf Bundes- und Länderebene einfach Einheitlichkeit herbeiführt. Mir ist es ganz ein großes Anliegen, jetzt nicht nur meine Stelle, aber auch die anderen Stellen – also ich rede jetzt für mich –, die Stelle bekannter und einfach wirksamer zu machen, indem uns Menschen besser erreichen. Gleichzeitig ist es ein Thema, dass auch die Verwaltung und die Politik teilweise nicht wissen, was denn die Funktionen von unseren Gleichbehandlungsstellen sind. Das führt dazu, dass bei der Umsetzung der Whistleblowerrichtlinie bei uns die Hinweisgeberschutzstelle eingerichtet wurde; da hat der Landesgesetzgeber im Entwurf eine Verwaltungsstrafbestimmung hineingenommen, dass die Bezirkshauptmannschaften, die ich in meinem zweiten Leben als Landesvolksanwalt praktisch prüfe, dann die zuständige Strafbehörde bei Verstößen, bei möglichen Verstößen gegen den Hinweisgeberschutz gewesen wären.
Also da hätte die Behörde mich sanktionieren können. Wir haben uns da mit wirklich massivem Aufwand dagegen gewehrt. Es hat dann der Landtag zum Glück unsere Anregungen, oder meine Anregung angenommen und das anders beschlossen.
Oder ein anderes Beispiel: Hinweisgeberschutz, Landesvolksanwaltschaft, Monitoringausschuss bei uns. Seit Kurzem hängt im Eingangsbereich der Landesvolksanwaltschaft, wo es auch zum Rechnungshof geht, wo es zu verschiedenen anderen Kontrolleinrichtungen geht, eine Überwachungskamera. Das heißt, jeder mögliche Hinweisgebende, der sich zu uns verirren könnte, weil er das halt persönlich bekannt geben will, weiß, dass er von der Kamera schön aufgenommen wird. Da bin ich jetzt ganz intensiv am Diskutieren, dass ich weiß, wer dann diese - - beziehungsweise dass wir im Notfall die Fotos auslesen, aber nicht irgendein Mitarbeitender, oder dass diese Daten beim Land landen. Also das sind nur diese Absurditäten. Da merkt man einfach immer wieder, dass es zu wenig Bewusstsein für derartige Stellen gibt.
Martina Madner: Und Anonymität auf diese Art und Weise natürlich nicht gewährleistet werden kann.
Frau Kafka, wie schaut es denn bei Ihnen aus? Was sind die wichtigsten Verbesserungen, damit Sie effektiver bei der Servicestelle in Tirol arbeiten können?
Isolde Kafka: Ja, ich denke, ich komme wieder darauf zurück: Für wen arbeiten wir? – Vor allem für Betroffene. Ich glaube, da gibt es noch einiges zu tun, um für Betroffene den Zugang zum Recht besser zu ermöglichen. Wir sind schon sehr lange Mitglied beim Klagsverband, der heute vorgestellt wurde. Das ist sehr wichtig für uns. Wir haben auch schon einmal eine Klage gegen das Land Tirol unterstützt. Momentan haben wir eben nicht selber diese Klagsrechte, auch kein Verbandsklagsrecht. Und das finde ich ganz wichtig, das wirklich zu bekommen. Deswegen bin ich auch froh, zumindest um die Anregungen. Es ist noch nicht ganz verpflichtend in der Richtlinie. Dann geht es eben auch darum - - Mir hat das sehr gut gefallen: In Deutschland ist das ja schon verankert, eben auch bei Projekten oder Prozessen mit dabei zu sein. Das steht ja jetzt auch wieder in der Richtlinie. Wir sind das zwar bei vielen, aber es gibt nicht die gesetzliche Verpflichtung dazu. Wir haben nur das Recht, Gesetzesbegutachtungen zu machen.
Ich glaube, das ist ganz entscheidend, auch weil man sich ja weiterhin ganz realistisch reihen muss. Es gibt uns und das Gesetz gibt es, aber die rechtliche Verpflichtung finde ich ganz wichtig – genauso wie rechtliche Verpflichtungen halt im Ernstfall, wenn sich die Politik ändert, immer eine sehr wichtige Sache sind. Deswegen auch rechtliche Absicherung, dass es ausreichend Ressourcen in personeller und finanzieller Sicht gibt, denn dann ist man nicht nur von einem Goodwill abhängig.
Noch ein weiterer Punkt: Eva Matt hat über die Kommission geredet. Kommissionen sind aus meiner Sicht ein ganz wichtiges Mittel, um noch verstärkt einen Zugang zum Recht zu bekommen. Wenn wir mit einer Vermittlung oder einer Schlichtung als Gleichbehandlungs-, Antidiskriminierungsstellen nicht weiterkommen, können im Bereich der Beschäftigten die Personen zu einer Kommission gehen. Im Bereich Zugang zu Gütern und Dienstleistungen haben wir das zum Beispiel noch nicht – und das in den meisten Bundesländern nicht.
Ich glaube, dass es gerade für Personen – da reden wir von Diskriminierung bei Wohnungsvergaben, im Schulbereich und so weiter – sehr schwer ist, wirklich zu klagen. Deswegen würde ich es da ganz wichtig finden, eine kommissionelle Entscheidung zu haben, die doch einfach schon einmal etwas ist, was jemand in der Hand hat und auch vor Gericht verwenden kann. Also eh schon einiges. Ich glaube, da wird uns schon die Richtlinie sicher unterstützen.
Martina Madner: Frau Konstatzky, was sehen denn Sie als wichtige Verbesserungen, damit Sie effektiver im Bund bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft arbeiten können?
Sandra Konstatzky: Auch wenn es vielleicht so scheint, als wäre es nicht Teil der Standardrichtlinie, aber ich möchte noch einmal auf unser Mandat und auf das Levelling-up zurückkommen. Wir sehen hier zwei Landesstellen, die für den Landesdienst zuständig sind, aber auch für einen Bereich, Güter und Dienstleistungen, in der Landeskompetenz. Es haben hier alle Bundesländer alle Gründe drinnen verankert. Wir sehen hier die Behindertenanwältin; auch Behinderung steht nicht in den Richtlinien drinnen. Das heißt, auch im Behindertenbereich wurde ein Levelling-up gemacht und das ist löblich und gut. Nur eben auf Bundesebene beim Bereich Güter und Dienstleistungen und bei uns fehlt dieser Diskriminierungsschutz. Das ist dann doch wieder ein Teil der Richtlinie, der Standardrichtlinie, ein massives Problem des Zugangs zum Recht, denn die Leute wissen überhaupt nicht, wo sie geschützt sind und wo sie nicht geschützt sind.
Auch in Europa sind wir absolutes Schlusslicht, denn die beiden Länder, die diesen Diskriminierungsschutz auch nicht hatten, Spanien und Griechenland, haben in den letzten zwei Jahren total angezogen und diese Rechtsschutzlücken ausgeschlossen. Also das ist so heute mehrmals aufgekommen und ich denke, das muss einfach klar sein.
Wenn wir Mandate dazubekommen, und es steht auch eine Lohntransparenzrichtlinie an und weitere Herausforderungen die KI betreffend – da könnten wir jetzt noch fünf Symposien darüber machen –, aber wenn das passiert, dann braucht die Gleichbehandlungsanwaltschaft, und zwar rasch und sofort, neue Personalressourcen. Unsere Fälle steigen, sie steigen jedes Mal, sie sind vom letzten Bericht an – das kann ich jetzt schon verraten, Sie werden es im Parlament im Herbst hören – um 35 Prozent angestiegen. Wir haben ein paar Verbesserungen gehabt, aber wir müssten hier schnell und rasch agieren, sonst müssen wir Leute auf die Warteliste stellen, was wir natürlich auch nicht tun, weil wir mit unseren vielen, vielen Stakeholder:innen, ob es die Arbeiterkammern sind, ob es die Gewerkschaften sind, ob es NGOs sind, auch ganz schnell zusammenarbeiten, schauen, dass die Leute irgendwo Rechtsschutz bekommen.
Wir versuchen, auch über digitale Zugänge stärkeren Zugang zum Recht zu machen. Also ich glaube, wir machen unsere Aufgaben. Die Aufgaben müssen jetzt dort gemacht werden.
Was uns vollkommen fehlt, ist ein Ausbau der proaktiven Arbeit. Was uns vollkommen fehlt, ist die Öffentlichkeitsarbeit. Das machen bei uns extrem engagierte Personen, die ein Jahr quasi als Praktikant:innen eine Arbeit leisten, die unglaublich ist. Dieses Symposium wäre ohne meine beiden Verwaltungspraktikant:innen und viele andere auch nie zustande gekommen. (Beifall.) Wir werden nicht alle halten können.
Auch die Frage der Daten ist heute einmal kurz aufgetaucht, aber wir haben für Datenerfassung, und das ist so ein wichtiges Tool bei uns - - Wir können alles belegen, was wir tun. Wir agieren mit unseren Daten auch wirkungsorientiert. Aus den Daten heraus ergibt sich, wo wir unsere neuen Strategien anlegen, um eben auch wirklich für die Menschen wirksam zu sein. Für diese massive Megaaufgabe haben wir eine Person. Also auch hier müssen wir wirklich Personalhoheit haben. Wir können alles belegen. Ich brauche nur den Raum, diese Augenhöhe zu haben und dieses Personal auch zu verhandeln.
Geldmäßig, wie gesagt: Wir hatten ja jetzt ein Treffen. Dank Ferda Ataman und Equinet haben wir in Berlin ein Leadership Hub begonnen. Wir werden das jetzt auch in Österreich beginnen, morgen nämlich konkret, uns da auf österreichischer Ebene zusammenschließen. Wir waren als österreichische Gleichbehandlungsstelle tatsächlich die Einzigen, die eigentlich kein wirkliches Detailbudget haben. Das heißt, ich weiß gar nicht, was ich koste, denn ich weiß nicht, wie hoch meine Personalkosten sind, wie hoch das alles ist. Das ist derart verwoben im Globalbudget. Also es braucht ein Detailbudget, Transparenz, es muss klar sein, was wir an Geld haben. Das Geld fängt ja nicht bei der Öffentlichkeitsarbeit und Informationsarbeit an, es fängt ja beim Staff, also beim Personal, bei dem, was wir kosten und was wir brauchen, an. Also diese Augenhöhe muss her. Wir können unsere Arbeit, glaube ich, gut belegen, gut machen und sind sehr accountable – und das wollen wir auch so sein. Das sehe ich auch als Unabhängigkeit und Effektivität. (Beifall.)
Martina Madner: Noch eine kleine Nachfrage: Dieses Leadership Hub klingt ja sehr spannend. Was bedeutet denn das genau?
Sandra Konstatzky: Dass wir uns auf internationaler Ebene jetzt - - Also ganz kurz gesagt, dass die Leitungen der Gleichbehandlungsstellen sich immer wieder zusammenschließen werden, verschiedene Projekte gemeinsam machen werden, um uns bei der Implementierung der Richtlinien in den nächsten zwei Jahren auch gemeinsam zu unterstützen, Fallstricke zu sehen, zu schauen, dass wir nicht verlieren. Grundsätzlich sagen die Richtlinien eines, oder sie sagen, ein ganz wesentlicher Grundsatz ist, dass es keine Verschlechterungen geben darf. Es darf also nicht gegen uns verwendet werden. Ich denke mal, gemeinsam sind wir stark. Das gilt für Österreich genauso wie für die Europäische Union oder für – wir sind ja über die Europäische Union hinaus sozusagen vernetzt – Equinet.
Martina Madner: Frau Matt, auch die Frage an Sie: Welche Verbesserungen erhoffen Sie sich denn für mehr Effektivität in der Gleichbehandlungskommission durch die Richtlinien?
Eva Matt: Wie Sie meinen vorigen Statements entnehmen können, ist bei mir noch recht viel Platz nach oben. Wenn ich jetzt die Zahlen von Sandra Konstatzky mit 35 Prozent gestiegener Beratungen aufgreife: Das sind Sachen, die alle in Form von Anträgen auch jedenfalls meistens zur Gleichbehandlungskommission finden. Das heißt, 35 Prozent mehr Personal wäre mal super, echtes Personal wäre mal natürlich super. Ich wiederhole mich: Ich finde schon, dass es sozusagen der Sache gerecht wird, dass auch die Gleichbehandlungskommission als eigene Einrichtung organisiert ist. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft ist eine eigene Einrichtung. Ich finde auf jeden Fall, dass die Kommission, die die Fälle verhandelt und in den Einzelfällen entscheidet, jedenfalls auch eine eigene Einrichtung mit personeller Ausstattung sein soll.
Martina Madner: Was halten Sie von der Idee, dass es Kommissionen auch auf Bundesländerebene gibt?
Eva Matt: Ich weiß, wir haben ein bisschen mehr Zeit bekommen, aber ich glaube, so viel Zeit haben wir jetzt nicht, um das intensiv zu besprechen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass das Gleichbehandlungsrecht in Österreich unglaublich vielschichtig organisiert ist und dass auch die Stellen ganz unterschiedlich ausgerüstet und ausgestattet sind, sowohl mit Kompetenzen als auch mit Unabhängigkeit und Personal. Ich hoffe, dass wir es in den nächsten eineinhalb Jahren schaffen, das unter einen schönen Hut zu bringen und das gescheit im Sinne der Richtlinien umzusetzen.
Martina Madner: Frau Steger, auch die Frage an Sie: Verbesserungen für mehr Effektivität im Sinne der Betroffenen. Was bedeutet das bei Ihnen in der Behindertenanwaltschaft?
Christine Steger: Gut, dass wir ein bisschen Zeit hereingeholt haben, denn jetzt muss ich doch ein bisschen ausholen. Um vielleicht noch einmal auf die Strukturen zurückzukommen, weil ich denke, es ist vielleicht auch wichtig, zu illustrieren, wie wir arbeiten. Ein Thema, das mich sehr umtreibt, abgesehen von den budgetären Voraussetzungen, die natürlich auch immer verhandelt werden müssen, und zwar in dem Fall ganz konkret mit der Verwaltung verhandelt werden müssen, was gewisse Untiefen birgt, wie alle, die mit der Verwaltung zu tun haben oder aus ihr kommen, wissen: Es ist eben auch so, dass die Personalhoheit ein große Rolle spielt.
Nur um das einmal zu illustrieren: Ich bin erst seit 1. August überhaupt personalverantwortlich für meine Mitarbeitenden, vorher war das jemand anderer. Also auch hier muss man sagen, die Behindertenanwaltschaft gibt es seit 2006, aber es gab noch keine Personalhoheit.
Ein Thema, das hier sicher angesprochen werden muss, ist das strategische Recruiting. Damit meine ich jetzt nicht, dass im öffentlichen Dienst einiges nicht geht, aber der öffentliche Dienst hat gewisse Sachzwänge, oder erzeugt gewisse Sachzwänge, wo klar ist, dass wir sehr oft mit dem Tool – Sandra hat es erwähnt – Verwaltungspraktikum arbeiten müssen. Das bedeutet, dass wir Personen für einen bestimmten Zeitraum von einem Jahr anstellen können und diese Personen in der Zeit ausbilden und auch bei uns mitarbeiten lassen können, aber in der Regel, wenn wir keine Planstelle für diese Personen haben, diese wieder ziehen lassen müssen, was einerseits einen großen Braindrain erzeugt, auch sehr viel Einarbeitungszeit natürlich notwendig macht, und andererseits sehr gut eingearbeitete Personen dann immer wieder gehen müssen. Das ist ein großes Problem.
Noch dazu muss man auch sagen, wenn versierte Personen im Gleichstellungsbereich bereits Berufserfahrung gemacht haben, werden sie sich sehr selten auf ausgeschriebene Planstellen bei uns bewerben können, weil ihnen kaum etwas angerechnet wird. Das bedeutet also, wenn ich Leitungsfunktionen besetzen muss, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass das aus dem öffentlichen Dienst stammende Personen sein werden, weil es sich kaum eine Person mit 20 Jahren Berufserfahrung leisten wird können, bei null und wieder bei der Grundstufe zu beginnen. Das ist ein strukturelles Problem. Das muss ich an der Stelle auch noch einmal wirklich erwähnen.
Ein Punkt, die Schlichtungszahlen: Wir haben ungefähr 1 700 Anfragen im Jahr. Wir bearbeiten ungefähr 1 700 Fälle im Jahr mit einem Team von sieben Personen, jetzt sind wir ein paar mehr. Das ist eine relativ große Zahl an Fallbearbeitungen im Hinblick auf die Personalverteilung. Momentan habe ich eine Juristin. Also nur dass man ungefähr weiß, wie der Rahmen ist. Auch hier ist einfach wichtig, dass man strategisch anstellen kann, wo auch klar ist, dass es auch strategische Positionen benötigt, wie eben Jurist:innen, aber auch Multiprofessionalist:innen, also auch Sozialarbeiter:innen und auch Peer-Berater:innen. Wir haben einen starken Fokus auf Beratung und viele der Menschen, die bei uns Unterstützung und Hilfe suchen, kommen aus einer Art Beratungstourismus, weil es eben nicht eine Stelle in Österreich gibt, wie wir ja heute eindrücklich gehört haben, die für alles zuständig wäre.
In dem Zusammenhang, glaube ich, ist es einfach wichtig, das zu unterstreichen: Es braucht Personalsicherheit, aber auch Budgetsicherheit, damit man sich bewegen kann. Seit 2006 gibt es das Gleichstellungsgesetz und seither gibt es 4 400 Schlichtungsfälle. Das ist wahnsinnig wenig, aber das heißt nicht, dass nicht diskriminiert wird. Das heißt nur, es wird sehr wenig geschlichtet, weil wir auch die Last auf den betreffenden diskriminierten Personen haben, dass die auf Prozesskostenrisiko eine Klage bei Gericht einbringen können, aber ohne den Anspruch auf Unterlassung oder Beseitigung zu haben. Auch das ist etwas, das man ganz deutlich an der Stelle aussprechen muss.
Diskriminierungsschutz ist das eine, der Zugang zum Recht das andere, aber die Durchsetzung dieser Rechte noch eine ganz andere Geschichte. Viele Personen, die bei uns beraten werden, sagen klipp und klar: Was? Ich kann auf eigene Kosten zu Gericht gehen, wenn die Schlichtung scheitert, und dann werde ich bestenfalls mit einem Schadenersatz von vielleicht 1 000 Euro abgespeist und die Diskriminierung bleibt bestehen? Das mache ich sicher nicht! – Auch das ist ein Punkt, von dem ich denke, dass es für die Richtlinien etwas wäre, wo man in den nächsten zwei Jahren viel Energie darauf verwenden wird müssen, zu schauen, wie antidiskriminatorische Mechanismen etabliert werden können, die einen tatsächlichen Zugang zu diesen Bedingungen ermöglichen.
Und was mir auch ganz wichtig ist: Wir können momentan – ich schaue ein bisschen zu Rita Isiba, die Geschäftsführerin von Zara ist heute auch da – nicht intersektionale Diskriminierung ahnden, wenn Behinderung beteiligt ist. Was soll das? Also wir können nur zusammenarbeiten, Sandra und ich können zusammenarbeiten, ex lege können wir es eigentlich nicht: Wenn nämlich der Tatbestand Behinderung in der Diskriminierung beteiligt ist (Konstatzky: Wir tun es trotzdem!) – wir tun es trotzdem –, müsste die Person zuerst alle Rechtsmittel im Bereich des Gleichstellungsrechts ausschöpfen, bevor sie sich überhaupt an die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden kann. Das heißt, konkreter Fall: Eine Frau mit Behinderungen, die Diskriminierungen erlebt, muss zunächst alles in unserer Rechtsmaterie durchlaufen, bevor sie sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden kann. Das ist nicht im Sinne der Erfindung. Und es ist auch nicht dazu gedacht, dass Menschen zu ihrem Recht kommen.
Also wie gesagt: Intersektionale Diskriminierungen auch wirklich ahnden zu können ist extrem wichtig; wenn wir das nicht haben, dann ist es nur eine Scharade. Wir können nicht so tun, als würde das den Menschen tatsächlich zu ihren Rechten verhelfen, wenn wir das nicht haben. Ich freue mich auch, dass heute politische Vertretung da ist, weil es eine Aufgabe sein wird, die vor allem auch den Parlamentarier:innen zufallen wird, diese Anliegen auch in den nächsten Jahren zu unterstützen, gerade wenn es um die Rechtsgebarung der Umsetzung dieser Richtlinien geht.
Ich denke, das ist eh schon relativ viel gewesen. Ich glaube, wichtig ist, dass wir klarmachen, dass wir gemeinsam an diesen Themen dran sind, und das sind wir auch – entgegen allen Vorurteilen, die man vielleicht haben könnte, dass der Bund und die Länder da nicht gut miteinander sind. Das kann ich entkräften. Wir sind hier alle sehr gut miteinander und wir sind alle sehr, sehr bemüht, uns auch bestmöglich in den nächsten zwei Jahren einzusetzen, um der nächsten Bundesregierung auch einiges an Expertise mitzugeben, wie diese Richtlinien umgesetzt werden können.
Martina Madner: Vielen herzlichen Dank an Sie alle. (Beifall.)
Da gibt es ja einige Baustellen, die ich jetzt mit den politisch Verantwortlichen besprechen werde. Übrigens die Trennung zwischen Ländern und dem Bund, das ist zufällig entstanden. (Heiterkeit.) Ich halte in der Mitte dazwischen. Also keine Sorge oder so, die gibt es tatsächlich nicht. Vielen Dank nochmal. (Beifall.)
Block IV: Politische Visionen – Abschluss
Panel: Auf zur nächsten Regierungsperiode – Was sind mutige politische Zielsetzungen für Gleichbehandlungsstellen?
Martina Madner: Wir wechseln nun zu den politisch Verantwortlichen. Es freut mich sehr, dass mittlerweile alle, die am Podium sein werden, eingetroffen sind. Damit sind wir tatsächlich auch schon beim letzten Panel angelangt, jenem der Abgeordneten zum Nationalrat. Mit ihnen möchte ich über die Visionen und politischen Zielsetzungen sprechen.
Dazu möchte ich nun folgende Abgeordnete zu mir auf die Bühne bitten: Nico Marchetti, Abgeordneter zum Nationalrat für die ÖVP, Bereichssprecher Studenten und Schüler und Mitglied der LGBTIQ-Intergroup im Parlament. (Beifall.) Herzlich willkommen! Bitte nehmen Sie gleich rechts neben mir Platz!
Mitdiskutieren wird auch Eva Maria Holzleitner. Sie ist Abgeordnete zum Nationalrat für die SPÖ, Bereichssprecherin Frauen. Bitte hier gleich links neben mir Platz nehmen! (Beifall.)
Mario Lindner hat sich ja schon die ganze Diskussion angehört, war von Beginn an hier. Er ist Abgeordneter zum Nationalrat für die SPÖ, Bereichssprecher für Gleichbehandlung und Diversität und Mitglied der LGBTIQ-Intergroup im Parlament. Herzlich willkommen! (Beifall.)
Dann möchte ich herzlich Herrn David Stögmüller begrüßen. Er ist Abgeordneter zum Nationalrat für die Grünen, Bereichssprecher LGBTIQ. Bitte setzen Sie sich neben Herrn Marchetti! Herzlichen Dank fürs Kommen! (Beifall.)
Die Letzte im Bunde hier in der Diskussion ist Henrike Brandstötter. Sie ist Abgeordnete zum Nationalrat der NEOS und Bereichssprecherin Frauen und Gleichbehandlung. Herzlich willkommen! (Beifall.)
Ich möchte nun auch wieder Platz nehmen und darf aber noch die Bereichssprecher:innen und Abgeordneten Rosa Ecker von der FPÖ, Meri Disoski von den Grünen und Yannick Shetty von den NEOS entschuldigen, weil sie heute leider verhindert sind.
Umso spannender ist es aber für mich, mit Ihnen nun über Ihre Zielsetzungen zu sprechen. Wir starten gleich einmal mit einer Fragerunde zum Recht, und zwar wie die neuen EU-Richtlinien zu den Standards für Gleichbehandlungsstellen genau einen effektiveren Schutz von Diskriminierungsopfern ermöglichen können. Die zielen ja genau darauf ab, den Schutz effektiver zu gestalten. Welchen zusätzlichen gesetzlichen Rahmen für Gleichbehandlungsstellen braucht es in Österreich demzufolge – im Sinne eben der diskriminierten Personen? – Herr Marchetti, wir starten mit Ihnen.
Nico Marchetti (Abgeordneter zum Nationalrat, ÖVP): Ich glaube, es ist in dem Zusammenhang sehr, sehr wichtig, dass wir uns auf der einen Seite über Gesetze unterhalten. Da gibt es ja immer wieder Diskussionen, die wir auch überparteilich im Parlament aus meiner Sicht sehr, sehr gut führen. Auf der anderen Seite, glaube ich, ist der Diskurs auch über die Umsetzung und die Ziele, die wir in der Politik verfolgen, schon sehr wertvoll. Meine Erfahrung besonders als ÖVP-Abgeordneter ist, dass wir es zum Beispiel in dieser LGBTIQ-Intergroup, die wir in dieser Gesetzgebungsperiode gegründet haben, wirklich geschafft haben, den Diskurs auch in ganz heiklen Fragen, für jede Partei, auch für meine, zu versachlichen. Wenn man sich überlegt, was dahintersteckt, dann kommt man viel leichter auch zu einem Konsens, als wenn man sich quasi nur mit Buzzwords in den Medien unterhält.
Da ist es uns zum Beispiel gelungen, auch auf diesem Wege – und das betone ich jetzt, bevor ich zu den Rechtsrahmen komme – über die Prep ganz sachlich zu diskutieren. Wir haben Experten hinzugezogen. Überparteilich haben wir gesagt: Okay, da gibt es einfach ganz viele sinnvolle Erkenntnisse, reden wir sachlich drüber!, und sind dann zu einer Lösung gekommen und haben das dann auch beschlossen. Ich glaube, der größte Feind der Gleichbehandlung oder jetzt bei vielen Fragen, die auch ideologisch aufgeladen sind, ist ja meistens gar nicht die tiefe inhaltliche Überzeugung, sondern die Unwissenheit. Das ist der größte Feind, wo man sagt, es wissen einfach viele Abgeordnete in diesem Haus, ich glaube, in allen Fraktionen, teilweise über diese Themen nicht Bescheid. Das ist halt bei Minderheitenthemen ganz oft der Fall, weil die Mehrheit der Bevölkerung diese Lebensrealität nicht unbedingt nachvollziehen kann, sich damit nicht konfrontiert und in weiterer Folge auch weniger Verständnis aufbringt.
Das heißt, da muss man sich auch einfach unterhalten, aufklären, versachlichen, und das ist etwas ganz, ganz Wichtiges. So kommt man, glaube ich, auch bei schwierigen Themen besser zu Lösungen. Bei den Rechtsfragen, die ja offen sind, über die wir immer wieder diskutieren, von der Ausweitung des Diskriminierungsschutzes auf den privaten Bereich, oder zum Beispiel auch Verbot von Konversionstherapien und all diesen Dingen, glaube ich, ist es einfach wichtig, dass wir diesen Dialog fortführen und da wirklich auch zu einem Konsens kommen, auch wenn es den harten Beschluss von Gesetzen betrifft. Das ist so quasi mein Zugang zu dem Thema. Und das, was von der EU kommt, ist dafür natürlich die Grundlage.
Martina Madner: Eine kurze Nachfrage noch zur Prep. Was ist das genau und welche Lösung haben Sie dann gemeinsam gefunden?
Nico Marchetti: Also das ist ein Medikament, das man präventiv einnehmen kann, um sich nicht mit HIV anzustecken, und das auch medizinisch sehr gut erprobt ist. Wir haben gemeinsam erreicht – es sitzen einige Proponenten auch da, wie zum Beispiel Mario und David –, da haben wir uns darauf verständigt, dass wir das eben kostenlos anbieten und sich Leute das Medikament ohne finanziellen Aufwand und große Hürden einfach besorgen können. Darauf haben wir uns geeinigt, dafür haben wir Geld aufgestellt und das ist jetzt auch schon Realität. Das halte ich eben für eine sehr, sehr sinnvolle Maßnahme.
Martina Madner: Vielen Dank. Frau Holzleitner, beim effektiveren Schutz von Diskriminierungsopfern gibt es ja sicher auch in Ihren Augen noch einige Lücken. Wo wollen denn Sie Ihren Schwerpunkt in der kommenden Legislaturperiode setzen, wenn es um zusätzliche Maßnahmen zum aktuellen rechtlichen Rahmen geht?
Eva Maria Holzleitner (Abgeordnete zum Nationalrat, SPÖ): Also grundsätzlich haben wir in Österreich schon eine sehr stabile Grundlage mit dem Gleichbehandlungsgesetz und anderen Gesetzen. Das, finde ich, kann man auch einmal anerkennen und wertschätzen, aber ein Schritt nach vorne ist immer wichtig. Da bieten die EU-Richtlinien, die jetzt umzusetzen sind, auch einen guten Rahmen. Wenn wir die bestmöglich und nicht nur in der Mindestform, sondern wirklich bestmöglich umsetzen, dann kann uns schon sehr, sehr viel gelingen. In der Einleitung haben Sie erwähnt, ich bin Bereichssprecherin für Frauen. Ich glaube, es ist auch wichtig, wenn wir bei diesem Symposium über politische Aufträge oder Handlungsaufträge sprechen, ganz klar zu sagen, es geht nicht nur um Minderheiten. Gerade wenn wir von Lohnungleichheit sprechen, dann ist vielfach die Gruppe der Frauen davon betroffen und Frauen sind die Mehrheit der Bevölkerung.
Das sind schon auch Themen, die wirklich breite Teile, die Mehrheit der Bevölkerung betreffen. Deswegen: Ja, die Sensibilisierung, wie Kollege Marchetti erwähnt hat, ist extrem wichtig und vor allem auch das Klarmachen, das sind keine Randthemen, das sind keine Nischenthemen, sondern da geht es um ganz, ganz, ganz viele Menschen. Deshalb ist es auch wichtig, dass diese Themen sichtbar gemacht werden.
Ich bin auch Vorsitzende des Gleichbehandlungsausschusses. Jetzt ist diese Gesetzgebungsperiode bald aus, aber wir werden dann ja auch die nächsten Berichte im Gleichbehandlungsausschuss diskutieren. Ich finde es schade, dass das eigentlich nur so selten passiert. Diese Berichtslegungen von der Gleichbehandlungsanwaltschaft, von der Gleichbehandlungskommission geben eigentlich jedes Mal klare politische Handlungsaufträge mit der Analyse der Fälle auch klar vor.
Wir hätten jedes Mal zwei Jahre Zeit, um sozusagen Dinge besser zu machen. Und leider gelingt es eben noch nicht, weil gerade diese Zusammenarbeit, die in Teilen wie in der Intergroup schon gut funktioniert, auf der gesamtpolitischen Ebene noch nicht so ineinandergreifen. Ich glaube, da können wir in einer nächsten Gesetzgebungsperiode besser werden. Wenn es um Gleichbehandlung, um Nichtdiskriminierung geht, dann ist es ein Thema, das nicht nur im Gleichbehandlungsausschuss zu diskutieren ist, sondern in vielen, vielen anderen auch. Eben wenn wir schon über Lohntransparenz beispielsweise sprechen: Ja, auch da gibt es eine EU-Richtlinie, die liegt im Arbeits- und Wirtschaftsministerium. Dann ist das auch in einem Arbeitsausschuss zu diskutieren, dann ist das auch in einem Gesundheitsausschuss zu diskutieren, wenn wir sehen, dass im Gesundheitssystem auch noch Diskriminierung vorliegt und passiert, weil Menschen einen schlechteren Zugang zu Gesundheitsleistungen, zur Gesundheitsvorsorge haben, weil sie im Gesundheitssystem einfach nicht gesehen werden. In Wahrheit ist es ein Thema, das in allen Ausschüssen diskutiert werden muss. Da haben wir noch viel zu tun, auch bei einer guten gesetzlichen Grundlage.
Ich glaube, ein wesentlicher Punkt – den möchte ich noch ansprechen, weil er so aktuell ist –, wo wir in der nächsten Gesetzgebungsperiode, vor allem beim nächsten Budget, das uns ja auch schon von einer neuen Regierung dann vorgelegt wird, einen Themenpunkt haben, den Frau Konstatzky auch angesprochen hat, ist natürlich die Öffentlichkeitsarbeit. Insbesondere auch bei Beschlüssen aus dem Nationalrat, aus dem Parlament, wie bei der Dienstrechts-Novelle ist es unglaublich wichtig, dass die Gleichbehandlungsanwaltschaft auch in ihrer Öffentlichkeitsarbeit gestärkt wird, damit man eben auch klar und bewusst Fakenews entgegentreten kann, damit man aufklären kann, damit man auch, wenn wirklich eine große Zahl an Medienanfragen da ist, das gut bewältigen kann und da einfach professionelle Unterstützung durch eine Öffentlichkeitsarbeit hat.
Das ist natürlich gut gemeistert worden, aber bei den aktuellen Ressourcen ist einfach irgendwann einmal Ende Gelände. Wie gesagt, da wäre es ganz, ganz wichtig, dass die Öffentlichkeitsarbeit auch von solchen Stellen wirklich gestärkt wird. (Beifall.)
Martina Madner: Vielen Dank. Herr Lindner, in der SPÖ decken Sie einen anderen Bereich ab. Sie sind eben auch Mitglied der bereits genannten LGBTIQ-Intergroup. Jetzt kann man sagen, das ist ja wirklich ein wesentlicher Schritt, der da in der vergangenen Legislaturperiode erreicht wurde. Warum reicht denn das noch lange nicht?
Mario Lindner (Abgeordneter zum Nationalrat, SPÖ): Vielleicht darf ich kurz anders anfangen: Ich gebe Nico nämlich recht, wenn er sagt, dass in ganz vielen Bereichen und auch in dem Bereich, für den ich hauptsächlich zuständig bin, für die LGBTIQ-plus-Community, natürlich sehr viel Unwissenheit herrscht. Aber ich möchte einen Punkt in einem anderen Zusammenhang schon sagen: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Sich nur auf das auszureden quasi, dass irgendwie unwissentlich etwas passiert ist, ist mir halt ein bisschen zu wenig.
Weil Kollegin Holzleitner das völlig zu Recht angesprochen hat: Minderheiten in Bezug auf Frauen. Na selbstverständlich sind Frauen die Mehrheit in diesem Land, aber ich möchte das auch auf die LGBTIQ-plus-Community einmal sagen. Weil ein Kollege aus Vorarlberg da ist: Die LGBTIQ-plus-Community hat mehr Mitglieder in Österreich, als Vorarlberg Einwohner:innen hat, mehr als Tirol, mehr als Salzburg, mehr als Kärnten und mehr als das Burgenland. Man würde ja auch nie auf die Idee kommen, über Burgenländer:innen oder Voralberger:innen von irgendeiner Minderheit zu sprechen. Irgendwie könnte da die Community ein eigenes Bundesland sein.
Jetzt mache ich mich vielleicht bei meinen Abgeordnetenkolleg:innen ein bisschen unbeliebt: Ich glaube, das ist wirklich der Politik im Gesamten geschuldet und auch uns persönlich geschuldet, denn es gibt ein riesengroßes Manko: dass wir Politiker:innen oft für gewisse Sachen keine Zeit haben. Ich glaube, dass gerade diese Veranstaltung heute – ich bin der Präsidentin sehr dankbar und ich bin der Gleichbehandlungsanwaltschaft sehr dankbar – zeigt: Weil oft haben wir diesen Eindruck als Politiker:innen, wir haben eh die Weisheit mit dem Löffel gefressen, nur stimmt das nicht. Darum ist es so wichtig, uns mit den Institutionen auszutauschen, weil sie uns ja die Erfahrungen, die sie in den unterschiedlichsten Bereichen gesammelt haben, auch mitteilen. Darum ist dieses Zuhören so wichtig und ich möchte ein Beispiel herausnehmen, hier aus diesem Haus.
Es hat eine Veranstaltung des österreichischen Bundesrates zu intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen im Speziellen gegeben. Da sind Betroffenenorganisationen da, da sind Betroffene da, und da hätte die Politik die Möglichkeit, sich mit diesen Menschen zu unterhalten. Der Einzige – und ich will wieder niemandem zu nahe treten –, mit dem sich Kolleg:innen im Parlament unterhalten haben, war irgendein wahnsinniger Mediziner aus dem AKH, aber nicht mit den Betroffenen. Das finde ich in der Politik so schlimm. Wenn man ein bisschen zugehört hat – und für diesen Bereich sind wir ja zuständig –, dann wissen wir, welche Dinge besser werden müssen.
Weil Sie diese Frage gestellt haben: Wir brauchen endlich das Levelling-up, sprich den Diskriminierungsschutz im privaten Bereich, im Gesundheitsbereich und im Bildungsbereich. Das umfangreichste Antidiskriminierungsgesetz Österreichs liegt vor, es liegt im Nationalrat und im Endeffekt brauchen wir es nur mehr zu beschließen. (Beifall.)
Martina Madner: Wunderbar. Herr Stögmüller, sehen Sie das auch so? Brauchen Sie das vorliegende Gleichbehandlungsgesetz einfach nur mehr zu beschließen, oder braucht es eigentlich andere Vorschläge, die von Ihnen für einen effektiveren Schutz von Diskriminierungsopfern kommen?
David Stögmüller (Abgeordneter zum Nationalrat, Grüne): Der gute Mario und ich sind ja meistens bei LGBTIQ-Themen nicht so weit auseinander. Ich gebe ihm absolut recht, wenn es um Diskriminierungsschutz von allen Personen in Österreich geht.
Zuerst einmal Danke für die Veranstaltung. Sorry dafür, dass ich ein bisschen später gekommen bin. Ich wäre wirklich interessiert, aber Sie wissen, Wahlkampf, und man ist schon monatelang eingeteilt. Tut mir wirklich leid, mich hätte es wirklich interessiert, weil, wie Sie ja mitbekommen haben, es ist ja letzte Woche auch im Nationalrat etwas passiert, wo versehentlich der Diskriminierungsschutz ausgeweitet worden ist. Entschuldigung! Aber ich bin nach wie vor froh darüber, dass der österreichische Nationalrat ein Verfassungsgesetz auch in reale Gesetzgebung umgesetzt hat.
Martina Madner: Sagen Sie ganz kurz, worum es geht, auch gerade unsere internationalen Gäste wissen es jetzt nicht.
David Stögmüller: Ach so! Ich habe geglaubt, die Experten sind Sie, oder? Es wurde quasi ein Verfassungsgutachten von 2018, dass umfassend auch Geschlechtsidentität und Geschlechterrollen entsprechend im Diskriminierungsschutz abgedeckt sind, jetzt in ein Gesetz gegossen, nämlich für die Bundesbeamten, eigentlich nur für die Bundesbeamten. Ein Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, was eigentlich Realität ist, was schon gelebte Praxis ist oder umgesetzt werden sollte, wurde eben in einem schriftlichen Gesetz auch beschlossen, wurde im Nationalrat beschlossen, nächste Woche dann auch im Bundesrat. Hoffentlich! Das ist eigentlich nichts Neues, für Sie wahrscheinlich nichts besonders explizit Hervorgehobenes, aber ich finde es schon einmal wichtig, dass das auch im Gesetz jetzt widergespiegelt ist und auch dort steht.
Ich frage mich die ganze Zeit seit dem Gesetz ganz ehrlich, wie wir diesen Diskurs gehabt haben: Wie bekommen wir das Levelling-up durch das Parlament durch? Wie bekommen wir das durch, wenn da schon eine Diskussion ist, dass Menschen, was schon Realität ist, was sie jeden Tag anwenden, tatsächlich ein großes Tam-Tam in der Politik auslöst, wenn wir dann von Levelling-up reden?
Das sehen wir wieder in der Bildung, da sind genau Menschen zu bilden, auszubilden: Was ist Levelling-up? Was bedeutet das? Ist es fair, dass Leute, nur weil sie jemanden lieben, nur weil sie ein schwules Pärchen sind, oder wenn sie eine Transperson sind, aus dem Taxi rausgehaut werden? Und es ist in Ordnung, wenn ich einfach einem Transmenschen keine Wohnung gebe, weil er trans ist? – Nein! Und genau das ist die Realität, die wir jetzt auch in die Politik reinbringen müssen und auch viel Diskurs da ist. Ich befürchte aber, dass die Diskussion sich aktuell leider in die falsche Richtung dreht und auch wir schon wieder einen Schritt zurücknehmen und nicht einen Schritt nach vorne machen. Dafür werden wir kämpfen.
Noch ganz kurz zur Gleichbehandlungsanwaltschaft: Evi hat es angesprochen, ich glaube, Präventionsarbeit ist so wichtig. Da braucht es Geld, auch die Gleichbehandlungsstellen in die Prozesse miteinzubinden. Das ist ganz wichtig, dass es hier nicht nur Öffentlichkeitsarbeit gibt, sondern dass es auch für die Präventionsarbeit ganz viel Geld, also ganz viel Material gibt, Gelder gibt und auch entsprechend Unterstützung gibt, damit hier auch Arbeit geleistet werden kann. Dafür möchte ich auch einmal Danke sagen, weil ich glaube, das bekommt ihr auch nicht jeden Tag zu hören. Ich glaube, es ist umso wichtiger, dass man das hier im Parlament auch einmal sagt. (Beifall.)
Martina Madner: Vielen Dank. Frau Brandstötter, das gehörte Levelling-up: Ist es das Budget, ist es die Öffentlichkeitsarbeit? Was braucht es denn in Ihren Augen gesetzlich, rechtlich in der nächsten Legislaturperiode am dringendsten?
Henrike Brandstötter (Abgeordnete zum Nationalrat, NEOS): Also grundsätzlich stehen wir dafür, dass alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen, und allen voran die Frauen. Unsere Freiheit beginnt in unserer eigenen Geldbörse. Wir haben auch heute schon gehört, dass es durchaus auch eine finanzielle Frage ist, ob ich ein Verfahren anstrebe oder nicht. Generell ist natürlich der Föderalismus ein großes Hindernis. Wenn es von meiner Postleitzahl abhängt, ob ich Opfer von Diskriminierung bin oder nicht, dann läuft etwas falsch. Und das müssen wir unbedingt im Rahmen der Gleichbehandlungsstellen geradeziehen, dass wir eine einheitliche Gesetzgebung haben und es nicht vom Bundesland abhängt, welchen Schutz ich genießen kann oder auch nicht. Das halte ich für einen ganz wichtigen Punkt auch im Rahmen dieser Veranstaltung.
Weil Sie auch generell gefragt haben, zwei Punkte sind wichtig: der Kampf gegen Altersarmut. Die wollen wir bekämpfen, indem wir für ein automatisches Pensionssplitting eintreten, was diese Regierung leider nicht zusammenbekommen hat. Und natürlich der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen und ein Rechtsanspruch darauf ab dem ersten Lebensjahr. Das wird vor allem im ländlichen Bereich vielen Frauen helfen, auch diesbezüglich ein selbstbestimmtes Leben zu führen und sich ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften.
Martina Madner: Gut. Ja, das Budget haben Sie gerade angesprochen. Genau darum soll es in der folgenden Fragerunde gehen. Die Richtlinien sehen ja auch mehr Ressourcen für Gleichbehandlungsstellen vor, beziehungsweise angemessene Ressourcen, habe ich mir heute schon sagen lassen. Angemessen, das ist natürlich ein weit dehnbarer Begriff. Wo konkret hat denn in Ihren Augen bisher am deutlichsten Budget gefehlt, Herr Marchetti?
Nico Marchetti: Grundsätzlich, weil ich ja auch in anderen Ausschüssen sitze, habe ich noch von niemandem gehört, dass er zu viel Budget hätte. Also ich finde, die Betroffenen können immer am besten einschätzen, wo sie genau mehr brauchen. Ich finde, wir müssen das dann halt in einen Kontext setzen, ausbalancieren und am Ende des Tages ein Budget vorlegen, wo alle Bereiche abgedeckt sind.
Aber ich glaube, dass ein Bereich, mit dem ich mich in den letzten Jahren sehr intensiv auseinandergesetzt habe, dass da tatsächlich auch Bedarf ist, auch Ressourcen hineinzugeben, das ist der Bereich Justiz und Inneres, weil er auch für den Diskriminierungsschutz sehr wichtig ist. Wir haben ja jetzt seit einigen Jahren die Erfassung von Hassverbrechen als Straftat.
Dazu haben wir auch – eh überparteilich wieder – einen Austausch mit Expertinnen und Experten im Justizministerium organisiert, wo wir uns gemeinsam mit der Polizei, gemeinsam mit der Justiz angeschaut haben: Okay, wir erfassen es jetzt, wir wissen jetzt, wie die Lage ausschaut; es gibt immer eine Dunkelziffer, aber jedenfalls wesentlich verlässlicher.
Diese Erkenntnis haben wir jetzt und wir wissen relativ genau, wo das Problem ist, aber ich glaube, als nächsten Schritt muss man dann halt auch wirklich sagen: Wie kann man da auch Expertise aufbauen, dass man auch etwas dagegen effektiv tun kann? Dieser Schritt braucht Ressourcen, ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Schritt. Gerade das Vertrauen zwischen Minderheitengruppen und der Polizei ist nicht immer ganz einfach. Da gibt es viele Missverständnisse, Kränkungen aus der Vergangenheit, teilweise auch Taten aus der Vergangenheit, die nachwirken, die nicht in Ordnung waren.
Da geht es einerseits darum, Vertrauen aufzubauen, da geht es auch um Schulungen, da geht es dann auch wie gesagt darum, daraus ableitend Strategien zu haben, wo man am besten auch hingeht, auch jetzt in der aufsuchenden Arbeit, in Bezug auf Hasskriminalität. Da, glaube ich, braucht es mehr Ressourcen und da reicht der erste Schritt, dass man jetzt einen Überblick über die Situation hat, halt noch nicht aus.
Martina Madner: Wir haben heute schon gehört, durch die Richtlinie wird es künftig mehr auch um die Daten und Grundlagenarbeit gehen, was ja offensichtlich ganz wichtig ist, auch um da Probleme angehen zu können.
Frau Holzleitner, wo sehen denn Sie aktuell Budgetlücken? Oder wo ist denn die größte Budgetlücke? Sagen wir es so.
Eva Maria Holzleitner: Genau, also allgemeine Budgetlücken würde es natürlich viele geben. Ich möchte jetzt gar nicht so wie vorher auf andere Bereiche eingehen, sondern ganz nah beim Thema Gleichbehandlungsstellen bleiben. Betreffend Budgetlücke: Wenn wir vorher von der Vorsitzenden der Gleichbehandlungskommission gehört haben, dass das in Wahrheit eine ehrenamtliche Funktion ist, ich glaube, das wäre einmal eine budgetäre Lücke, wo man sagt: Okay, diese Personalressource, das muss einfach freigestellt sein, das ist ganz klar. Das ist eine große Aufgabe, das ist nichts, was irgendwie so ehrenamtlich nebenbei gehen sollte, sondern das sollte eben durch die Wertschätzung auch wirklich eine volle, freie Personalressource sein, eine volle Stelle, ein Vollzeitäquivalent. Das ist zumindest einmal das Mindeste.
Aber auch bei der Grundlagenarbeit: Wir haben vorher auch aus Vorarlberg gehört, dass es darum geht, dass die Menschen überhaupt wissen, welche Rechte sie haben und wie dann so ein Weg auch der Rechtsdurchsetzung, quasi auch des Rechtsanspruches und so weiter ausschaut. Da sind wir wieder bei der Öffentlichkeitsarbeit, aber auch ganz wesentlich ist, dass man Workshops, dass man Veranstaltungen machen kann, wo man informiert: Welche Stellen gibt es? Wer ist wofür zuständig? Was kann ich als Bürgerin, wenn ich Diskriminierung erfahre, an welcher Stelle auch immer, tun?
Gerade bei der Rechtsdurchsetzung wird es einfach grundsätzlich mehr Personal für die Gleichbehandlungsstellen brauchen. Das wissen Sie als Expertinnen und Experten natürlich viel besser, aber wenn man Diskriminierung erfährt und dann auch wirklich den Weg zu einer Stelle geht und sagt: Ja, ich möchte zu meinem Recht kommen!, dann ist das ja etwas, was durchaus belastend sein kann. Dann eine Partnerin, einen Partner an der Seite zu wissen, und diese Partnerin, die dann auch bleibt und mit mir den Rechtsweg geht, das wäre halt wirklich auch etwas Wichtiges.
Wie gesagt, da geht es dann halt auch darum, dass zum Beispiel eine Gleichbehandlungsanwaltschaft entsprechend Ressourcen hat, damit dann auch quasi eine Gleichbehandlungsanwältin das diskriminierte Opfer von Anfang bis Ende begleiten kann und man sich als Opfer dann auch sicher fühlt und weiß: Ja, ich habe eine starke Partnerin an meiner Seite, die mich da unterstützt.
Ich glaube, das wären so wesentliche Punkte, also Prävention, dass auch Unternehmen, die sich fortbilden möchten, ein entsprechendes Angebot wahrnehmen können; eben die Personalressourcen, wenn es um die Rechtsdurchsetzung geht und gerade bei der Gleichbehandlungskommission auch die Freistellung und wirklich auch da schauen, dass die Ressourcen einfach da sind. (Beifall.)
Martina Madner: Herr Lindner, Sie haben ja heute viele Punkte gehört, wo es wirklich mehr Ressourcen und Budget bräuchte. Unter anderem ist bei mir hängen geblieben, gerade in dieser Zusammenarbeit zwischen NGOs und öffentlichen Stellen leisten die NGOs schon sehr viel Arbeit – und das oft ehrenamtlich, das oft unterbezahlt und so weiter. Ist das der Punkt oder war es ein anderer, wo Sie sagen: Da muss in Zukunft mehr Budget hinfließen!?
Mario Lindner: Es ist natürlich jetzt ein Leichtes, in der Oppositionsrolle zu sagen: Wir brauchen nicht nur für die Gleichbehandlungsanwaltschaft mehr Geld, sondern wir brauchen natürlich auch für die NGOs viel mehr Unterstützung, das ist ja komplett logisch.
Aber ich probiere es anders. Die Frage ist: Was will die Politik zum Beispiel von der Gleichbehandlungsanwaltschaft? Und dann müssen wir, glaube ich, über Geld reden.
Weil das heute zwei Mal gefallen ist: Der eine Punkt war das kollektive Klagsrecht. Also ich bin voll dafür, dass wir das endlich einführen. Und das Zweite ist, dass die Gleichbehandlungsanwaltschaft die Möglichkeit bekommt, klagen zu dürfen.
So, und wenn wir jetzt als Politik sagen: Ja, das darf sie, dann muss ich im Umkehrschluss natürlich wissen: So, und dafür braucht sie mehr Geld. Wenn wir jetzt sagen, wir haben das Levelling-up in Österreich flächendeckend auf Bundesebene eingeführt – jetzt haben wir das gesetzlich geregelt –, dann weiß ich, die Gleichbehandlungsanwaltschaft braucht mehr Geld.
Weil Kollegin Brandstötter zuerst die Bundesländer angesprochen hat: Gerade beim Levelling-up ist ja diese absurde Gesichte überhaupt, denn im Endeffekt haben wir in allen neun Bundesländern das Levelling-up bereits geregelt, wir haben es nur auf Bundesebene nicht. Jetzt sage ich das wirklich als gelernter Österreicher: Ich meine, das kapiert ja kein Mensch mehr, dass wir das irgendwie so gemacht haben. Ich habe als Bundesratspräsident einmal gesagt, ich bin für die Abschaffung der Landesgesetzgebung, wäre in dem Fall vielleicht sogar gescheit.
Der zweite Punkt, was ich mir auch für die Gleichbehandlungsanwaltschaft - - (Holzleitner: Nicht Fraktionsmeinung!) – Ich weiß, ich weiß, ich weiß. Ich habe ja auch gesagt, ich habe es als Präsident gesagt. – Ich würde mir ja wünschen, dass genauso wie der Rechnungshof beziehungsweise die Volksanwaltschaft die Gleichbehandlungsanwaltschaft auch dem Parlament Rede und Antwort stehen darf. Ich meine das jetzt überhaupt nicht abwertend, aber das passiert momentan nur so irgendwie beiwagerlmäßig. Ich glaube, da kann man das auch gesetzlich anders regeln. Und wenn ich das regeln würde, dann weiß ich, dass die Gleichbehandlungsanwaltschaft mehr Geld und finanzielle Ressourcen braucht.
Und zu den NGOs - -
Martina Madner: Also die Zusammenarbeit mit den NGOs ist da gemeint.
Mario Lindner: Unglaublich wichtig, aber es geht jetzt, glaube ich, auch, und nicht nur, weil wir in einer Wahlauseinandersetzung quasi drinnen sind, darum: Wenn ich mir Wahlprogramme anschaue, wo dezidiert drinnen steht, man darf NGOs nicht einmal mehr im politischen Kontext fragen beziehungsweise warum da finanzielle Mittel ausgeschüttet werden, speziell in meinem Bereich, in dem ich zuständig bin, dann verstehe ich die Welt nicht mehr.
Ich glaube, dass man die NGOs, was so wichtig ist, von der Basisfinanzierung auf gesunde, gescheite Füße stellen muss. Mittlerweile ist es ja so, dass sich die NGOs meistens von Förderantrag zu Förderantrag zu Förderantrag quasi durchhanteln; das müssen wir finanziell ändern. Und wenn ich das als Politik will, dann heißt das, wir brauchen mehr Geld. (Beifall.)
Martina Madner: Jetzt haben wir viele Punkte gehört, wo es mehr Geld braucht. Herr Stögmüller, wo braucht es denn in Ihren Augen mehr Geld? Ich hoffe, Sie zählen mir jetzt nicht fünf auf, sondern beschränken sich, wenn es geht, auf den wesentlichsten. Sagen wir drei!
David Stögmüller: Ich könnte hier jetzt alles wiederholen.
Martina Madner: Bringen Sie einen neuen ein! (Lindner: Wir verstehen uns ja wirklich!)
David Stögmüller: Das ist ja das Problem, wir wollen ja wirklich etwas gemeinsam weiterbringen. Wir sind halt nicht die Mehrheit, hilft ja nicht, aber wir versuchen es.
Ja, ich bin absolut bei dir. Das finde ich auch. Also gerade dass wir die, weiß ich nicht, LGBTIQ-Community-Organisationen, die ganzen Expertinnen und Experten, die draußen vor Ort bei den Menschen tagtäglich in ihrer Arbeit das sehen, nicht mehr kontaktieren können und die kein Geld mehr haben, das ist eigentlich ein Wahnsinn. Jedes Jahr um ein neues Förderungsansuchen kämpfen zu müssen, das finde ich tatsächlich auch eine Sache, über die wir diskutieren sollten – aber ganz schwieriges Pflaster. Wir wissen ja, wir wollen die Förderungen bei null starten und dann wieder neu revitalisieren und neu herauskommen. Ich will gar nicht wissen, was dann am Ende des Tages herauskommt.
Was es aber braucht, ich glaube, für euch ganz konkret, mehr finanzielle Mittel auch, wenn es um den Dialog geht, wenn es um die Entwicklung von neuen Projekten geht, dass man die auch fördern kann. Wenn ihr vor Ort etwas seht, was gut läuft, was sich positiv entwickelt, dass man das auch entsprechend fördern kann und weiterentwickeln kann, dass man in Schulen gehen kann, dass man dort ansetzt, wo Prävention passiert, dass man euch auch in die Wissenschaft miteinbindet, in den politischen Diskurs miteinbindet.
Da bin ich wieder beim Mario: Ja, ihr sollt auch im Parlament uns Abgeordnete darüber informieren, wie die Gesetze laufen, die wir hier beschließen, denn das ist ja das Wichtigste: Euch zu hören, was gut läuft, was schlecht ist, und das fehlt mir halt auch ein bissl, dass man da noch viel intensiver zusammenarbeitet, aber da braucht es auch die wissenschaftliche Arbeit. Und das kostet auch Geld: dass man das Ganze auch wissenschaftlich aufbereitet und entsprechend implementiert, Leitfäden produziert, dass man auch, weil eben diese Unwissenheit bei der Bevölkerung und bei den Menschen draußen ist, die Leute abholt und auch sehr viel Bildung und Bildungsarbeit macht.
Ich muss selber in der Partei auch immer wieder Bildungsarbeit leisten. Es braucht ganz, ganz viel Bildungsarbeit in jeder Partei, bei jeder Couleur und in jeder Organisation draußen. Darum braucht es hier ganz viele Initiativen, gerade in diesem Bereich. Davor ist niemand gefeit und deswegen glaube ich, dass das einer der größeren Bausteine in den nächsten Jahren wird.
Martina Madner: Vielen herzlichen Dank. Ich weiß, für Sie, Frau Bandstötter, ist es am schwierigsten, da jetzt die Letzte in der Runde zu sein, aber vielleicht bringen Sie durchaus etwas Neues ein, wo Sie sagen, hier braucht es mehr Budget, oder Sie bestärken einfach eines der anderen Statements. An welcher Stelle würden Sie denn mehr Budget einsetzen?
Henrike Brandstötter: Na, ich setze noch eins drauf, ich bin jetzt die Spaßbremse in der Runde, weil die harte Wahrheit ist, dass die nächste Bundesregierung massiv sparen muss. Dann ist die Frage: Wo wird gespart und wie wird gespart? Es nicken ja auch schon hier die Kollegen. Es ist wichtig, dass eben nicht vor allem bei den Frauen gespart wird – wir sind eine Querschnittsmaterie, die personifizierte – und dass nicht einfach quer durch die Organisationen geholzt wird, dass jeder jetzt 10 Prozent einsparen muss, sondern ganz im Gegenteil, dass Doppelgleisigkeiten und Doppelförderungen auf ganz anderen Ebenen aufgelöst werden, damit eben genau hier nicht diese wichtigen Budgets angetastet werden.
Ich habe da auch noch ein parlamentsinternes Schmankerl, um das auch ein bisschen zu verdeutlichen, wie unheimlich wichtig es ist, hier auch Klarheit über Budgets zu schaffen, denn die Gleichbehandlungsstellen zählen zur sogenannten UG 10. Das ist die Untergliederung 10, das ist etwas technisch im Budget. Wir wissen aber eigentlich gar nicht genau, wie viel Budget da drinnen ist. Vielleicht ist es heute schon besprochen worden, weil Sie nicken, also es gibt keine Transparenz und keine Klarheit darüber – unverständlicherweise! –, wie viel Geld man eigentlich wofür bekommt. Das degradiert die Gleichbehandlungsstellen zu Bittstellern ein um das andere Jahr immer aufs Neue. Das sorgt dafür, dass man auch keine Strategien entwickeln und sagen kann: Hier setzen wir Schwerpunkte, hier brauchen wir einen bestimmten Personalschlüssel. Das heißt, sie arbeiten sehr professionell, aber in Wahrheit ist es dann immer schwierig, auch den Beweis anzutreten.
Zusammenfassend: erstens einmal technisch dieses Problem zu beheben und Klarheit über die Budgets zu haben, um dann auch Strategien entwickeln zu können, und eben wirklich sehr achtsam zu sein, dass jetzt nicht die Budgets für die einzelnen Organisationen gekürzt werden. (Beifall.)
Martina Madner: Vielen Dank.
Eva Maria Holzleitner: Darf ich ganz kurz einhaken, wenn ich mir das erlauben darf? Nur ganz kurz, nur einen Satz.
Martina Madner: Einen Satz. – Bitte, gerne.
Eva Maria Holzleitner: Ich glaube, weil das Thema Budget jetzt einfach in dieser Runde so wichtig ist, man muss einfach nur aufpassen, weil sehr oft ja auch gesagt wird: Sparen im System, die öffentliche Verwaltung, das ist alles so ein großer Apparat und so teuer!, aber in Wahrheit betrifft es ja dann genau derartige Stellen wie eine Gleichbehandlungsanwaltschaft et cetera, wenn es heißt Sparen im System. Das sind Stellen in der öffentlichen Verwaltung, wo dezidiert nicht gespart werden darf.
Martina Madner: Hat aber jetzt niemand gesagt.
Eva Maria Holzleitner: Nein, voll, aber ich wollte nur einfach auch perspektivisch trotzdem sagen: Alle die, die sagen, das System muss bekämpft werden oder Sparen im System!, in Wahrheit sind eben genau Gleichbehandlungsstellen System. Ich bin Fan vom System, weil gerade die öffentliche Verwaltung dieses Land am Laufen hält.
Martina Madner: Sie werden Ihre Kollegen und Kolleginnen im Parlament dann sicher darauf hinweisen, dass genau da nicht gespart werden darf. (Beifall.)
Ich hätte noch eine Frage dazwischen, bevor wir zur Abschlussrunde kommen, bitte Sie aber trotzdem, damit wir durchkommen und nicht überziehen, um eine ganz kurze Antwort. Wir haben uns im Vorfeld auch, wie wir das inhaltlich besprochen haben, die Frage gestellt: Es ist ja eine inklusive, gleichberechtigte Gesellschaft unser aller Ziel. Jetzt haben wir schon alleine bei Ihrer Vorstellung gehört, wir teilen die Gleichstellungspolitik in verschiedene Teile auf. Also es wird oft sehr fragmentiert in den einzelnen Bereichen diskutiert, aber nicht quasi querschnittsmaterienmäßig in allen Bereichen. Was wäre da Ihre Lösung für dieses Problem. Herr Marchetti? Oder gibt es da überhaupt eine?
Nico Marchetti: Ja, es ist schwierig, das zu beantworten. Wie Kollegin Brandstötter auch gesagt hat, zum Beispiel jetzt beim Frauenbudget oder bei den Frauenthemen ist es ja auch immer so schwierig, zu definieren oder sich überhaupt einmal darauf zu einigen, was jetzt alles ein Frauenthema ist, denn es ist bei Weitem nicht nur das Budget des Frauenministeriums, sondern es gibt ja viele Bereiche. Das macht ja in dieser Frage da auch vieles kompliziert.
Wie Sie sagen, es gibt viele Bereiche in der Gleichbehandlung, ja, aber nichtsdestotrotz, ich glaube, was am besten hilft, ist eine Strategie, die all diese Bereiche umfasst. Und wir haben ja auch immer wieder darüber diskutiert im Parlament, zum Beispiel haben wir ja immer wieder diverse Frauenberichte auch in den Ausschüssen, wo wir darüber diskutieren, die auch umfassender sind. Wir haben zum Beispiel auch einen LGBTIQ-Gesundheitsbericht.
Die verschiedenen Dinge sind ja da, sie zusammenführen ist sicher eine Herausforderung, aber dafür ist zum Beispiel auch der Gleichbehandlungsausschuss da. Wir können ja auch die Anträge dort zuweisen; vielleicht auch wenn sie nicht 100-prozentig dort hingehören, aber wir der Meinung sind, sie gehören zusammen, können wir sie ja trotzdem dort zuweisen und dort diskutieren. Also ich glaube, das ist etwas, was wir auch selbst beeinflussen können, wie wir diese verschiedenen Stränge zusammenführen und im besten Fall eben eine Strategie entwickeln, wie wir das auch strukturiert tun, auch wenn es sicher nicht einfach ist.
Martina Madner: Bei Ihnen beiden sieht man es ja sogar, Sie sind doppelt vertreten, weil jeweils in einem anderen Bereich. Was würden denn Sie, Frau Holzleitner, sagen: Geht dann die Frauenmaterie unter, wenn man sie im Grunde genommen querschnittsmaterienmäßig mit anderen Diskriminierungsmöglichkeiten vermischt oder vereint sozusagen? Oder hätte es vielleicht auch einen Sinn, dass man das ein bissl offener denkt?
Eva Maria Holzleitner: Also für uns ist ganz klar, auch in unserer parlamentarischen Arbeit, dass wir Anträge im Bereich der Frauenpolitik natürlich im Gleichbehandlungsausschuss stellen, aber nicht nur.
Der Frauengesundheitsbericht ist beispielsweise im Gesundheitsausschuss, dort gehört er auch hin und genau dort muss das Thema auch diskutiert werden. Also Frauenthematiken, Frauenprobleme, Frauenanträge in allen Ausschüssen, das ist das Ziel. Einen aktuellen Frauenbericht gibt es leider nicht, ich hoffe auch, dass er in der nächsten Gesetzgebungsperiode kommt. Wäre ganz wichtig, ein Bericht zur Lage der Frauen: Wie geht es den Frauen in diesem Land? Eine aktuelle Version, aber ich glaube, wir haben zwei Instrumente, die wir extrem gut anwenden müssen und dann könnte man schon viel erreichen.
Mir ist klar, Gleichbehandlung, Gleichstellung ist nicht ein und dasselbe, aber wir haben im budgetären Prozess Gleichstellungsziele. Und wenn wir da jedes Ministerium auch dazu bringen, dass es ambitionierte Gleichstellungsziele formuliert und die dann auch letzten Endes erreicht, dann würde man schon viel schaffen.
Und, ein zweiter Punkt, auch im Budgetprozess, denn es geht einfach vorwiegend vielfach ums Geld, ist umfassendes Genderbudgeting, das eigentlich in Österreich im Verfassungsrang steht. Also dass man wirklich auch die budgetäre Situation, die Ausgaben in jeder Untergliederung zum Beispiel, auch darauf prüft und darauf auslegt: Was tragen sie zur Gleichstellung in diesem Land bei?
Also diese beiden Instrumente wirksam anzuwenden, glaube ich, würde uns schon einmal vielfach weiterbringen. Da sind wir noch ein bissl säumig, obwohl Teile eigentlich schon in der Verfassung stehen würden. (Beifall.)
Martina Madner: Herr Lindner, denken wir vielleicht ein bissl mehr jetzt an die Institutionen! Macht es in Ihren Augen Sinn, dass es sozusagen für jede Art von Diskriminierung eine Extrainstitution gibt, die alle noch dazu – auch bundesländermäßig, haben wir gehört – unterschiedlich gestaltet sind, was sie machen können – auch unterschiedlich budgetär ausgelegt? Sie haben es ja heute gehört, da gibt es gravierende Unterschiede, wo man sich einfach wundert in diesem kleinen Österreich. Wie ist denn da Ihre Meinung?
Mario Lindner: Darf ich zu einem Punkt zurückkommen? Sie haben Kollegen Marchetti, glaube ich, die Frage gestellt: Es muss doch unser gemeinsames Ziel sein, inklusive - - Wie haben Sie es gesagt?
Martina Madner: Ich habe gesagt: Es muss unser gemeinsames Ziel sein, eine inklusive, gleichberechtigte Gesellschaft zu erreichen.
Mario Lindner: Und genau das glaube ich nicht. Also ich glaube, dass es unser gemeinsames Ziel sein sollte, das ist selbstverständlich, aber wenn man sich – und nicht nur dem Wahlkampf jetzt geschuldet – Parteiprogramme anschaut, dann glaube ich, dass das nicht von allen Parteien in diesem Land das gemeinsame Ziel ist – ganz speziell wenn man auf die ÖVP und FPÖ schaut und an die Diskussion denkt, die Kollege Stögmüller in der ersten Runde angefangen hat, aufgrund der Diskussion letzte Woche im Nationalrat.
Martina Madner: Sie bringen mich da gerade ein bissl in Schwierigkeiten zeitlicher Natur, denn wenn ich den anderen allen die Möglichkeit zum Antworten gebe, dann - -
Mario Lindner: Also die Frage ist schon, was Institutionen gemeinsam tun, so wie die Gleichbehandlungsanwaltschaft, die ja von Grund auf für alles auch eigentlich zuständig ist, aber ich glaube, dass du trotzdem auch Expertise brauchst, weil nämlich die Mechanismen, warum diskriminiert wird, oft ganz unterschiedlich sind.
Ich möchte ein Beispiel sagen: Ich habe, als ich in den Nationalrat zurückgekommen bin, das Black-Voices-Volksbegehren - - Eigentlich ist es ja eine Schande, dass man so ein Volksbegehren in Österreich überhaupt braucht. Nächster Satz: Ob mir jetzt alle Forderungen da drinnen zum Beispiel gefallen oder nicht, aber wir haben sie als Gesamtes quasi in den Nationalrat gebracht, weil wir gesagt haben, es muss doch möglich sein, dass die österreichische Politik zumindest darüber diskutiert. Ob ich da jetzt Forderungen gescheit finde oder nicht gescheit finde, komplett egal, aber diskutieren wir doch bitte darüber! Das war die Idee, die wir gehabt haben.
Und dann merkst du eigentlich wirklich, dass du nur verarscht wirst. Entschuldigung, dass ich das jetzt genau so sage. Dann gibt man diesem Volksbegehren die Wichtigkeit, weist es in der letzten Sitzung des Petitionsausschusses dem Menschenrechtsausschuss zu, dass man es dort diskutiert, mit dem Wissen, es gibt in dieser Gesetzgebungsperiode gar keine Sitzung des Menschenrechtsausschusses mehr.
Das ist irgendwie unehrlich. Ich glaube auch, es gibt unterschiedliche Diskriminierungstatbestände, warum Menschen diskriminiert werden, und darum muss man sich das spezifisch anschauen. Ich würde mir aber trotzdem wünschen, dass es dann natürlich zu diesem Gesamtüberblick kommt. Da ist die Gleichbehandlungsanwaltschaft, überhaupt dann, wenn sie dem Parlament quasi berichtspflichtig wäre, glaube ich, die beste Stelle, die wir an der Hand hätten.
Martina Madner: Verstehe. Herr Stögmüller, wie schaut es denn bei Ihnen aus? Also was ist da Ihre Sichtweise?
David Stögmüller: Sie haben gesagt, kurz. Ich bin immer ein Freund davon, wenn alle Kompetenzen zusammenkommen, also da bin ich tatsächlich ein Freund davon. Und das andere ist – da bin ich bei Mario –, absolut nicht alle Parteien sind dafür, dass es hier wirklich auch ein gutes Leben für alle Menschen in Österreich gibt, sondern die leben davon, dass manche Menschen auch ausgegrenzt werden.
Ich möchte diesen Punkt noch einbringen, weil auch auf europäischer Ebene Frauen und Gleichbehandlung irgendwo bei einem Nebenkommissar vorkommen, es braucht auch da einen Kommissar für Gleichbehandlung. Das ist auch auf europäischer Ebene, wo so viele Gesetze gemacht werden, essenziell. Da braucht es unbedingt einen ganz wichtigen Punkt, ich möchte das noch einmal einbringen, weil ich kann jetzt noch sechs Mal alles wiederholen, ich glaube einfach, dass es einen Gleichbehandlungskommissar auf europäischer Ebene braucht, um genau diese Punkte auch weiterzubringen und entsprechend umzusetzen, weil das ist notwendig, dass wir da auch wirklich, gerade auf europäischer Ebene in Ländern, wo wir noch nicht so weit mit der Gesetzgebung sind, entsprechend weiterkommen.
Also ich spreche jetzt Ungarn an, die Slowakei, Tschechien, vielleicht auch in Kürze, wenn wir uns die letzten Wahlergebnisse anschauen, also alles Länder, wo wir auch noch weiter müssen. Und betreffend Österreich will ich gar nicht wissen, wenn es dann eine andere Bundesregierung gibt, wie sich da Österreich dann wieder in den nächsten Jahren entwickeln wird, ohne dass ich jetzt etwas schwarzmale, aber we don’t know.
Martina Madner: Jetzt muss ich doch eben Herrn Marchetti die Chance auf eine ganz kurz Replik geben, aber wirklich eine ganz kurze.
Nico Marchetti: Ja, ich wollte nur zu diesem Punkt des Gleichbehandlungskommissars sagen: Frau Bundesministerin Raab hat auch eine Declaration unterschieben, die fordert, dass es so etwas in der nächsten Kommission gibt. Und ich wollte das einfach noch zusätzlich erwähnen.
Martina Madner: Ach so, das ist eine Ergänzung gewesen. Vielen Dank.
Frau Brandstötter, die Frage auch noch an Sie. Wie sehen Sie das? Gleichstellungspolitik, eher fragmentierter rangehen und dann aber Expertinnen und Experten zu Wort kommen lassen, oder doch diesen gesamtheitlicheren Blick?
Henrike Brandstötter: Also Expertinnen und Experten braucht man auch beim gesamtheitlichen Blick. Wir haben ja heute schon gehört, wie fragmentiert hier diese Landschaft ist. Umso wichtiger ist es, sich einfach einmal einen Überblick zu verschaffen, welche Einrichtungen, Stellen und Institutionen es gibt. Wofür sind sie zuständig, wie werden sie finanziert, wer finanziert sie, wie sind sie aufgestellt? Wir brauchen dieses Evidenz, um in weiterer Folge auch schauen zu können: Wo gibt es Doppelgleisigkeiten? Wo gibt es Versorgungslücken? – Es gibt nämlich vor allem Versorgungslücken und weniger Doppelgleisigkeiten; und dann können wir Strategien entwickeln.
Da helfen dann wiederum die Nationalen Aktionspläne, die man dann auch nebeneinander legen kann und intersektional schauen kann: Wo müssen wir hier einfach ein dichteres Netz weben? Ich vermisse zum Beispiel den Nationalen Aktionsplan Rassismus sehr, der heute auch noch nicht besprochen worden ist. Den brauchen wir ganz, ganz dringend.
Das sind vor allem Menschen, die keine Lobby haben, viel zu wenig Stimme haben und viel zu wenig Unterstützung haben. Das heißt, wir müssen auch in weiterer Folge - - Dann wissen wir: Wer spricht eigentlich mit wem warum, weshalb und worüber?, und können dann politische Entscheidungen treffen. Aber vorher müssen diese Hausaufgaben gemacht werden.
Martina Madner: Vielen Dank. Ich komme jetzt zu meiner abschließenden Frage. Ganz kurz und bündig: Worauf wollen Sie sich denn in der nächsten Legislaturperiode in der Gleichstellungspolitik, insbesondere was jetzt die Gleichbehandlungsstellen anbelangt, konzentrieren und warum?
Nico Marchetti: Erstens einmal möchte ich eigentlich den Bogen wieder zu meiner ersten Antwort schließen: Ich glaube, dass es sehr, sehr wichtig ist, dass wir gerade im Gleichstellungsbereich, auch wenn uns so manches vielleicht ideologisch trennt, irgendwie wirklich – das klingt so phrasenmäßig, aber trotzdem – das Gemeinsame suchen.
Ich finde wirklich, dass wir da in dieser Legislaturperiode im Parlament einen Schritt weitergekommen sind im überparteilichen Dialog, aber das ist nur ein Anfang, der Dialog alleine reicht natürlich nicht, aber es ist ein erster Schritt. Und ich glaube, dass wir gerade in diesem wirklich wichtigen Bereich diesen Geist – wie soll ich sagen? – weiterleben lassen müssen auch im nächsten Nationalrat, weil das die Grundlage auch für diverse Initiativen ist, die dann sinnvoll sind.
Daher haben wir in diesem Regierungsprogramm auch stehen gehabt, dass die Gleichbehandlungsanwaltschaft gestärkt werden soll. Ich nehme an, es wird auch in einem nächsten stehen. Es soll halt nicht nur ein Schlagwort sein, es muss auch im Austausch mit der Institution dann einfach abgeklärt werden, wie Mario schon gesagt hat: Welche Aufgaben soll diese Institution erfüllen und welche Ressourcen braucht sie dafür? Man muss das vielleicht auch in Zeiten, die budgetär schwieriger sind, einfach verlässlich und auch langfristig so festschreiben. Ich glaube, das ist das Allerwichtigste, gerade in so einer politischen Situation.
Martina Madner: Vielen Dank. Ihre Aufgabe in der nächsten Legislaturperiode wird ja auch sein, genau diese Richtlinien umzusetzen. Wo, sagen Sie denn, wird da Ihr Schwerpunkt liegen, also im ganz Konkreten und gerne auch einen Punkt noch im Größeren gedacht?
Eva Maria Holzleitner: Also bei der Umsetzung der Richtlinien finde ich es extrem wichtig, dass einerseits das Parlament besser einbezogen wird, als es aktuell der Fall ist. Egal, wenn es da Gesetzesvorschläge gibt, eine ordentliche Begutachtungsfrist et cetera, aber ich glaube, in der grundsätzlichen Erstellung schon von Gesetzesvorschlägen ist es wichtig, genau die Gleichbehandlungsstellen auch mit an den Verhandlungstisch zu holen. Das ist etwas, was wir auf jeden Fall einfordern können. Und dann soll man trotzdem beim Budgetprozess, glaube ich, neben der bestmöglichen Umsetzung der Richtlinien – und da geht es nicht nur um jene der Equality Bodies –, eben auch beispielsweise bei der Umsetzung von Women on Boards, bei der Umsetzung von Lohntransparenz, also wirklich auch überall die Gleichbehandlungsstellen miteinbeziehen.
Dann geht es weiter auch bei Budgetprozessen, egal ob Sparpaket oder nicht, wie auch immer, dass man schaut: Welche Ressourcen braucht es finanzieller Natur und bei der Öffentlichkeitsarbeit? Ich glaube, das sind so wesentliche Punkte, damit man auch in die Prävention gehen kann.
Und so grundlegende Sachen, die jetzt schon zum Beispiel die Gleichbehandlungsanwaltschaft auch macht, wie das Monitoren von Stelleninseraten beispielsweise auch abzusichern, auszubauen und gerade bei der Prävention einen Schritt weiter gehen zu können.
Martina Madner: Da braucht es im Übrigen auch in meinen Augen viel mehr Öffentlichkeitsarbeit: Was kommt da überhaupt raus?
Herr Lindner, wie sehen denn Sie das? Was wäre Ihr wichtigster Punkt in Sachen Gleichstellungspolitik und Gleichbehandlungsstellen in der nächsten Legislaturperiode?
Mario Lindner: Die Richtlinie ist ein Kompromiss. Ein Kompromiss ist aber in dem Fall gut und, lapidar klingt das, ich hoffe, dass die Richtlinie umgesetzt wird. Ich bin mir da in Österreich mittlerweile nicht mehr ganz so sicher, denn der österreichische Nationalrat hat mittlerweile zwei Mal gesagt, einstimmig beim Beschluss im Nationalrat, dass die Konversionstherapie verboten werden muss. – Bis jetzt nicht umgesetzt.
Der österreichische Nationalrat hat einstimmig gesagt, dass es ein Verbot von nicht medizinischen Operationen an intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen geben muss. – Bis jetzt nicht umgesetzt.
Ich glaube, wir haben zumindest ein Demokratieproblem. Der Gesetzgeber sagt, dass etwas zu machen ist und dann wird es trotzdem nicht gemacht. Also darum hoffe ich, dass die Richtlinie umgesetzt wird.
Die zweite Gesichte – das ist heute auch ein paar Mal angesprochen worden –: Ich finde diese Zahlen-, Daten- und Faktengeschichte so unglaublich wichtig, aber eines ist noch viel wichtiger: Wenn wir diese Zahlen haben, dass wir die Zahlen dann auch ernst nehmen und etwas machen, denn irgendjemand hat es angesprochen: Es gibt seit 2001 – und jetzt nehme ich nur den Tatbestand der sexuellen Orientierung auf – Statistiken. Und wir wissen, dass die Zahlen bezüglich Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung von Hatespeech und auch körperlicher Gewalt betroffen sind, von Quartal zu Quartal steigen. Wir tun aber nichts! Ich würde mir wünschen, wenn wir die Zahlen haben, dass wir etwas tun.
Das Gleiche gilt zum Beispiel für den Frauengesundheitsbericht. Das ist kein schlechter Bericht, aber man muss jetzt endlich die Handlungsableitungen machen, dass wir da etwas verbessern. Es gibt einen eigenen LGBTIQ-plus-Gesundheitsbericht. Ja, das wissen wir jetzt, aber die Handlungsableitung muss sein, dass wir dann wissen, was wir brauchen.
Ich hoffe, dass es auch zu Lösungen kommt. Und das Allerletzte ist, wir brauchen das Levelling-up. (Beifall.)
Martina Madner: Okay, vielen Dank. Herr Stögmüller, welcher Punkt wäre denn Ihnen am wichtigsten?
David Stögmüller: Alles, was Mario schon gesagt hat. (Beifall.)
Martina Madner: Das macht es natürlich für Sie jetzt einfach.
David Stögmüller (erheitert): Nein, aber es ist immer die gleiche Reihenfolge, ist ein bissl schwierig. Aber ich kann ja auch gerne einmal ein bissl ins Sachliche gehen: Was ich mir gerne wünsche, ist, dass man dieses Bundesländergeflecht endlich ein bissl entschärft, dass man schaut, dass man klare - - weil es ist für keinen Normalbürger vorstellbar, dass man in dem einen Bundesland diesen Schutz hat, in dem anderen Bundesland diesen Schutz. Dort geht man dorthin, da geht wendet man sich an diese Person. Ich glaube, das ist das eine, dass es hier endlich eine Bundesländerentflechtung gibt, dass die Gesetze auch umgesetzt werden.
Ich brauche nicht noch einmal wiederholen, dass endlich das Levelling-up kommt, dass ein Diskriminierungsschutz kommt, dass endlich auch eingesehen wird, dass alle Menschen in Österreich schutzwürdig sind und entsprechend auch Geschlechtsidentitäten Rücksicht bekommen. Es ist, glaube ich, notwendig und auch wichtig, dass das umgesetzt wird. (Beifall.)
Martina Madner: Vielen Dank. – Frau Brandstötter, Sie haben jetzt die schwierige Aufgabe, noch einen neuen Punkt zu bringen, aber zugleich haben Sie auch die lohnenswerte Aufgabe, das letzte Wort in der Runde zu haben.
Henrike Brandstötter: Gut, dann beginne ich mein letztes Wort damit: Ich schätze meine Kolleginnen und Kollegen über alle Fraktionen hinweg und trotz aller ideologischen Unterschiede sehr, und es ist auch immer wieder ein sehr angenehmes Arbeiten – danke auch dafür, für die letzten fünf Jahre, die wir gemeinsam verbringen durften! (Beifall.)
Sie sehen auch, dass wir viele Punkte haben, die wir teilen. Ich teile auch viele Punkte, die vor allem auch Evi aufgezählt hat. Es gibt etwas, was mich wirklich umtreibt und das man nicht mit Gesetzen beschließen kann – das ist die neue Perspektive, die ich einbringen möchte –: Das sind tradierte Rollenverständnisse. Es bringt mich persönlich zum Verzweifeln – als Frauenpolitikerin, aber auch als Bürgerin dieses Landes –, dass es offensichtlich nicht oder so schwer möglich ist, diese verknöcherten Rollenzuschreibungen aufzubrechen, die der Ausgangspunkt für so viel Schlechtes sind. Sie sind der Ausgangspunkt für Abhängigkeiten, vor allem von Frauen, für häusliche Gewalt, aus der man sich nicht befreien kann, für mangelnde Kinderbetreuungsplätze, für Altersarmut, für schlechtere Bezahlung und so weiter und so fort.
Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir uns auch dessen bewusst sind und darüber sprechen, wie wir denn diese Rollenverständnisse aufbrechen können. Wir können noch so viele Gesetze machen, noch so viele Verordnungen erlassen – wenn sie nicht mit Leben erfüllt werden, weil so etwas Gesamtgesellschaftliches, das man eben nicht wegschaffen, nicht wegdiskutieren kann, wie eine Wolke über uns schwebt, dann bringt mich das zum Verzweifeln. Ich habe noch keine Lösung, aber ich weiß, dass ich meine Arbeit in den Dienst der Sache stelle, um diese Rollen endlich aufzubrechen, denn sonst kommen wir keinen Meter weiter. (Beifall.)
Martina Madner: Vielen herzlichen Dank – was für ein Schlusswort, im Grunde genommen.
Ganz am Ende sind wir aber noch nicht angelangt. Ich darf Ihnen einmal für Ihre Einblicke und Visionen in Sachen Gleichstellungspolitik vielen herzlichen Dank sagen. (Beifall.)
Wie ich eben schon gesagt habe: Wir sind beinahe am Ende angekommen – beinahe, denn ich möchte mich noch im Namen der Gleichbehandlungsanwaltschaft bei allen, die hinter den Kulissen für das Gelingen dieses Symposiums gesorgt haben, sehr herzlich bedanken, sie verdienen einen Applaus. (Beifall.)
Ein herzliches Dankeschön auch allen Speaker:innen aus den Gleichbehandlungsstellen, den NGOs und der Politik für ihren enorm spannenden Input und auch die vielen nationalen und internationalen Beispiele. (Beifall.)
Gibt es noch ein zweites gemeinsames Foto? – Ja, gibt es, danke. Ich darf nun alle Speaker:innen für ein weiteres gemeinsames Abschlussfoto nochmals nach vorne bitten.
Dann gibt auch noch ein Notizbuch für "Just thoughts" oder gerne auch umfassendere Überlegungen zur Gleichstellungspolitik. Ein kleines Geschenk für die Speaker:innen gibt es auch noch von den Gastgeber:innen.
Davor aber noch ein Dankeschön an Sie alle für Ihre Aufmerksamkeit! Die Gleichbehandlungsanwaltschaft würde sich freuen, wenn Sie noch einmal in den kleinen Guide, den Sie haben, reinschauen. Darin finden sich nämlich QR-Codes, und über diese können Sie der Gleichbehandlungsanwaltschaft Ihre Gedanken mitteilen. Sandra Konstatzky und ihre Kolleg:innen sind schon sehr gespannt, was da noch folgt. Es gibt nämlich ein gemeinsames Ziel, und zwar gut aufgestellte Gleichbehandlungsstellen, die von Diskriminierung Betroffene optimal unterstützen können. – Herzlichen Dank. (Beifall.)
Nur etwas kleines Organisatorisches am Rande: Wer die Kopfhörer genutzt hat, bitte zurückzulegen – danke. (Beifall.)