Budgetdienst - Analysen zu Gesetzen 03.11.2023

Abgeltung der kalten Progression im Jahr 2024

Überblick

Die steuerliche Mehr­belastung durch die kalte Progression ist seit dem Jahr 2023 jährlich abzugelten. Dabei sind die gesetzlich fest­gelegten Tarif­eckwerte jedenfalls im Ausmaß von zwei Dritteln der auszugleichenden Inflations­rate anzupassen. Das Volumen für das verbleibende Drittel ist jährlich durch diskretionäre Maß­nahmen auszugleichen. In der Analyse des Budget­dienstes wird die für 2024 geplante Vorgehens­weise zum Ausgleich des verbleibenden Drittels dargestellt sowie die finanzielle Auswirkungen und Verteilungs­wirkungen der Maßnahmen untersucht.

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BD - Abgeltung der kalten Progression im Jahr 2024 / PDF, 1 MB

Kurzfassung

Seit 2023 ist jährlich die durch die kalte Progression verursachte steuerliche Mehr­belastung abzugelten. Die gesetzlich festgelegten Tarifeckwerte (v. a. Tarifstufen und wesentliche Absetz­beträge) sind jedenfalls im Ausmaß von zwei Dritteln der auszu­gleichenden Inflations­rate anzupassen. Das Volumen für das verbleibende Drittel ist jährlich durch diskretionäre Maßnahmen auszugleichen.

Im Jahr 2024 soll der Ausgleich des verbleibenden Drittels mit dem Progressions­abgeltungs­gesetz 2024 erfolgen, das Gegenstand dieser Analyse ist. Die im Jahr 2024 auszugleichende Inflationsrate beträgt 9,9 %. Daraus ergibt sich eine im Jahr 2024 auszugleichende kalte Progression iHv 3,65 Mrd. EUR. Das Volumen des verbleiben­den Drittels beläuft sich demnach auf 1,18 Mrd. EUR, wofür folgende Maßnahmen vorgesehen sind:

  • Die Grenz­beträge für die ersten vier Tarif­stufen sollen ab 1. Jänner 2024 gestaffelt um mehr als zwei Drittel der Inflations­rate (6,6 %) erhöht werden.
  • Die wesentlichen Absetzbeträge (z. B. Verkehrs­absetz­betrag, Pensionisten­absetzbetrag) sollen um 9,9 % erhöht werden.
  • Der Kindermehr­betrag soll von 550 EUR auf 700 EUR pro Kind erhöht werden.
  • Die steuerfreien Beträge gemäß § 68 EStG (Zulagen und Überstunden) sollen teilweise befristet erhöht werden.
  • Die Homeoffice-Regelung soll über das Jahr 2023 hinaus unbefristet gelten.
  • Der Grundfrei­betrag zum Gewinn­frei­betrag soll um 10 % auf 33.000 EUR angehoben werden.
  • Der steuerfreie Zuschuss zur Kinder­betreuung soll erhöht und die Begünstigung von Betriebs­kinder­gärten ausgeweitet werden.

Einige nominelle Beträge im Einkommen­steuer­gesetz (EStG) sind von der Legal­definition der kalten Progression nicht umfasst und werden daher nicht jährlich angepasst. Dies betrifft insbesondere den Familien­bonus, das Pendler­pauschale und die Beträge für die Besteuerung der sonstigen Bezüge.

Die Wirkungsorientierte Folgen­abschätzung (WFA) zum Progressions­abgeltungs­gesetz 2024 weist für das kommende Jahr Minder­einzahlungen iHv 840 Mio. EUR aus. Erst im Jahr 2025 wird aufgrund der Verzögerungen im Veranlagungs­weg der volle Ausgleich des verbleibenden Drittels iHv rd. 1,18 Mrd. EUR erreicht. Unter Einbeziehung der finanziellen Auswirkungen, die sich durch die automatische Anpassung der Tarif­eckwerte um zwei Drittel der auszugleichenden Inflations­rate ergeben, betragen die Minder­einzahlungen im Jahr 2024 rd. 2,84 Mrd. EUR. Das volle Entlastungs­volumen wird dann im Jahr 2025 mit 3,65 Mrd. EUR erreicht.

Die WFA enthält auch Angaben zu einigen weiteren Wirkungs­dimensionen. Der automatische und diskretionäre Ausgleich der kalten Progression erhöht laut IHS das BIP im Jahr 2024 um 0,41 %, gleichzeitig führt die wirtschaftliche Expansion auch zu einer Erhöhung der Inflations­rate um 0,28 %‑Punkte. Die in der WFA zu den Auswirkungen auf die Umwelt und den sozialen Auswirkungen angegebenen Effekte erscheinen überhöht und für den Budget­dienst nicht plausibel.

Das Gesamtvolumen der Maßnahmen zum Ausgleich des verbleibenden Drittels wird in den Berechnungen des Budgetdienstes mit 1,22 Mrd. EUR geringfügig höher geschätzt als in der WFA mit 1,18 Mrd. EUR. Bei der Verteilung des Gesamt­volumens auf die zehn Einkommens­dezile entfällt ein deutlich überproportionaler Anteil auf die oberen Einkommens­dezile, der Anteil des obersten Zehntels am Volumen beträgt 21 %. Auf das unterste Einkommens­dezil entfällt hingegen ein Anteil von nur 4 %. Dies resultiert im Wesentlichen daraus, dass auf die oberen Einkommens­segmente auch ein Großteil der Steuerlast entfällt und diese von tariflichen Änderungen daher stärker profitieren. Die Aufteilung der Volumina unterscheidet sich zwischen den einzelnen Maßnahmen teilweise signifikant. Während von der Erhöhung des Kinder­mehrbetrags ein deutlich überproportionaler Anteil auf die unteren beiden Dezile entfällt, profitieren die oberen Einkommens­dezile vor allem von Erhöhungen der Grenzbeträge von Tarifstufen, der steuerfreien Beträge gemäß § 68 EStG (Zulagen und Überstunden) und des Gewinn­frei­betrags deutlich stärker.

Die Maßnahmen zum Ausgleich des verbleibenden Drittels führen im Jahr 2024 zu einem durchschnittlichen relativen Anstieg der verfügbaren Haus­halts­einkommen um 0,50 %. Am stärksten ist der relative Einkommens­anstieg im ersten Einkommens­dezil mit durchschnittlich 0,66 %. Dieser resultiert in erster Linie aus der Erhöhung des Kindermehr­betrags. In den übrigen Einkommens­dezilen ist die relative Einkommens­veränderung ähnlich und liegt zwischen 0,45 % im zweiten Dezil und 0,54 % im neunten Dezil. Während die Anpassung der Tarifstufen in den mittleren Einkommensdezilen die stärkste relative Einkommens­veränderung bewirkt, führen die Erhöhung der steuerfreien Beträge gemäß § 68 EStG (Zulagen und Über­stunden), die Verlängerung der Homeoffice-Regelung und die Erhöhung des Gewinn­freibetrags in den oberen Einkommens­segmenten zum stärksten relativen Einkom­mensanstieg. Die individuelle Einkommens­veränderung kann deutlich von diesen Durchschnitts­werten abweichen, einen besonders großen Effekt auf die Entlastung hat, ob und in welcher Höhe steuerfreie Beträge für Zulagen und Überstunden bezogen werden bzw. ob ein Kindermehr­betrag beansprucht werden kann.

Eine Analyse der Genderwirkung des verbleibenden Drittels ergibt, dass vom Gesamt­volumen rd. 39 % auf Frauen und 61 % Männer entfallen. Auch hier kommt es zu beträchtlichen Unterschieden zwischen den einzelnen Maßnahmen. Aus der Erhöhung des Kindermehr­betrags entfällt mit rd. zwei Drittel ein über­proportionaler Anteil auf Frauen. Auch von der Erhöhung der Negativ­steuer und weiterer Absetz­beträge für niedrige Einkommen entfällt mit 56 % ein etwas höherer Anteil auf Frauen. Bei den weiteren Maßnahmen erhalten jeweils Männer einen höheren Anteil des Volumens. Besonders stark ausgeprägt ist diese Differenz bei der Erhöhung der 4. Tarifstufe und den steuerfreien Beträgen gemäß § 68 EStG (Zulagen und Über­stunden). Der höhere Männer­anteil am Entlastungs­volumen ist sowohl auf die höhere Erwerbs­quote der Männer als auch auf die durchschnittlich höheren Einkommen der Männer zurückzuführen.

Die Auswirkungen des Progressions­abgeltungs­gesetzes 2024 werden mit einem Alternativ­szenario verglichen, in dem anstatt eines diskretionären Ausgleichs des verbleibenden Drittel die von der Legaldefinition umfassten Beträge um die volle auszugleichende Inflations­rate von 9,9 % erhöht werden. Diese Berechnungen zeigen, dass es durch den diskretionären Ausgleich zu einer leichten Verschiebung der Anteile am Entlastungs­volumen von den mittleren Einkommens­dezilen hin zu den unteren und oberen Einkommen kommt. Dies bewirkt einen etwas stärkeren relativen Einkommens­zuwachs in den unteren beiden Dezilen und einen marginal positiven Zuwachs in den oberen Dezilen. Der relative Effekt auf die übrigen Dezile ist sehr gering und tendenziell leicht negativ. Der von Frauen erhaltene Anteil am Entlastungs­volumen würde im Alternativ­szenario um 1 %-Punkt auf 40 % ansteigen.