Seit 2023 ist jährlich die durch die kalte Progression verursachte steuerliche Mehrbelastung abzugelten. Die gesetzlich festgelegten Tarifeckwerte (v. a. Tarifstufen und wesentliche Absetzbeträge) sind jedenfalls im Ausmaß von zwei Dritteln der auszugleichenden Inflationsrate anzupassen. Das Volumen für das verbleibende Drittel ist jährlich durch diskretionäre Maßnahmen auszugleichen.
Im Jahr 2024 soll der Ausgleich des verbleibenden Drittels mit dem Progressionsabgeltungsgesetz 2024 erfolgen, das Gegenstand dieser Analyse ist. Die im Jahr 2024 auszugleichende Inflationsrate beträgt 9,9 %. Daraus ergibt sich eine im Jahr 2024 auszugleichende kalte Progression iHv 3,65 Mrd. EUR. Das Volumen des verbleibenden Drittels beläuft sich demnach auf 1,18 Mrd. EUR, wofür folgende Maßnahmen vorgesehen sind:
- Die Grenzbeträge für die ersten vier Tarifstufen sollen ab 1. Jänner 2024 gestaffelt um mehr als zwei Drittel der Inflationsrate (6,6 %) erhöht werden.
- Die wesentlichen Absetzbeträge (z. B. Verkehrsabsetzbetrag, Pensionistenabsetzbetrag) sollen um 9,9 % erhöht werden.
- Der Kindermehrbetrag soll von 550 EUR auf 700 EUR pro Kind erhöht werden.
- Die steuerfreien Beträge gemäß § 68 EStG (Zulagen und Überstunden) sollen teilweise befristet erhöht werden.
- Die Homeoffice-Regelung soll über das Jahr 2023 hinaus unbefristet gelten.
- Der Grundfreibetrag zum Gewinnfreibetrag soll um 10 % auf 33.000 EUR angehoben werden.
- Der steuerfreie Zuschuss zur Kinderbetreuung soll erhöht und die Begünstigung von Betriebskindergärten ausgeweitet werden.
Einige nominelle Beträge im Einkommensteuergesetz (EStG) sind von der Legaldefinition der kalten Progression nicht umfasst und werden daher nicht jährlich angepasst. Dies betrifft insbesondere den Familienbonus, das Pendlerpauschale und die Beträge für die Besteuerung der sonstigen Bezüge.
Die Wirkungsorientierte Folgenabschätzung (WFA) zum Progressionsabgeltungsgesetz 2024 weist für das kommende Jahr Mindereinzahlungen iHv 840 Mio. EUR aus. Erst im Jahr 2025 wird aufgrund der Verzögerungen im Veranlagungsweg der volle Ausgleich des verbleibenden Drittels iHv rd. 1,18 Mrd. EUR erreicht. Unter Einbeziehung der finanziellen Auswirkungen, die sich durch die automatische Anpassung der Tarifeckwerte um zwei Drittel der auszugleichenden Inflationsrate ergeben, betragen die Mindereinzahlungen im Jahr 2024 rd. 2,84 Mrd. EUR. Das volle Entlastungsvolumen wird dann im Jahr 2025 mit 3,65 Mrd. EUR erreicht.
Die WFA enthält auch Angaben zu einigen weiteren Wirkungsdimensionen. Der automatische und diskretionäre Ausgleich der kalten Progression erhöht laut IHS das BIP im Jahr 2024 um 0,41 %, gleichzeitig führt die wirtschaftliche Expansion auch zu einer Erhöhung der Inflationsrate um 0,28 %‑Punkte. Die in der WFA zu den Auswirkungen auf die Umwelt und den sozialen Auswirkungen angegebenen Effekte erscheinen überhöht und für den Budgetdienst nicht plausibel.
Das Gesamtvolumen der Maßnahmen zum Ausgleich des verbleibenden Drittels wird in den Berechnungen des Budgetdienstes mit 1,22 Mrd. EUR geringfügig höher geschätzt als in der WFA mit 1,18 Mrd. EUR. Bei der Verteilung des Gesamtvolumens auf die zehn Einkommensdezile entfällt ein deutlich überproportionaler Anteil auf die oberen Einkommensdezile, der Anteil des obersten Zehntels am Volumen beträgt 21 %. Auf das unterste Einkommensdezil entfällt hingegen ein Anteil von nur 4 %. Dies resultiert im Wesentlichen daraus, dass auf die oberen Einkommenssegmente auch ein Großteil der Steuerlast entfällt und diese von tariflichen Änderungen daher stärker profitieren. Die Aufteilung der Volumina unterscheidet sich zwischen den einzelnen Maßnahmen teilweise signifikant. Während von der Erhöhung des Kindermehrbetrags ein deutlich überproportionaler Anteil auf die unteren beiden Dezile entfällt, profitieren die oberen Einkommensdezile vor allem von Erhöhungen der Grenzbeträge von Tarifstufen, der steuerfreien Beträge gemäß § 68 EStG (Zulagen und Überstunden) und des Gewinnfreibetrags deutlich stärker.
Die Maßnahmen zum Ausgleich des verbleibenden Drittels führen im Jahr 2024 zu einem durchschnittlichen relativen Anstieg der verfügbaren Haushaltseinkommen um 0,50 %. Am stärksten ist der relative Einkommensanstieg im ersten Einkommensdezil mit durchschnittlich 0,66 %. Dieser resultiert in erster Linie aus der Erhöhung des Kindermehrbetrags. In den übrigen Einkommensdezilen ist die relative Einkommensveränderung ähnlich und liegt zwischen 0,45 % im zweiten Dezil und 0,54 % im neunten Dezil. Während die Anpassung der Tarifstufen in den mittleren Einkommensdezilen die stärkste relative Einkommensveränderung bewirkt, führen die Erhöhung der steuerfreien Beträge gemäß § 68 EStG (Zulagen und Überstunden), die Verlängerung der Homeoffice-Regelung und die Erhöhung des Gewinnfreibetrags in den oberen Einkommenssegmenten zum stärksten relativen Einkommensanstieg. Die individuelle Einkommensveränderung kann deutlich von diesen Durchschnittswerten abweichen, einen besonders großen Effekt auf die Entlastung hat, ob und in welcher Höhe steuerfreie Beträge für Zulagen und Überstunden bezogen werden bzw. ob ein Kindermehrbetrag beansprucht werden kann.
Eine Analyse der Genderwirkung des verbleibenden Drittels ergibt, dass vom Gesamtvolumen rd. 39 % auf Frauen und 61 % Männer entfallen. Auch hier kommt es zu beträchtlichen Unterschieden zwischen den einzelnen Maßnahmen. Aus der Erhöhung des Kindermehrbetrags entfällt mit rd. zwei Drittel ein überproportionaler Anteil auf Frauen. Auch von der Erhöhung der Negativsteuer und weiterer Absetzbeträge für niedrige Einkommen entfällt mit 56 % ein etwas höherer Anteil auf Frauen. Bei den weiteren Maßnahmen erhalten jeweils Männer einen höheren Anteil des Volumens. Besonders stark ausgeprägt ist diese Differenz bei der Erhöhung der 4. Tarifstufe und den steuerfreien Beträgen gemäß § 68 EStG (Zulagen und Überstunden). Der höhere Männeranteil am Entlastungsvolumen ist sowohl auf die höhere Erwerbsquote der Männer als auch auf die durchschnittlich höheren Einkommen der Männer zurückzuführen.
Die Auswirkungen des Progressionsabgeltungsgesetzes 2024 werden mit einem Alternativszenario verglichen, in dem anstatt eines diskretionären Ausgleichs des verbleibenden Drittel die von der Legaldefinition umfassten Beträge um die volle auszugleichende Inflationsrate von 9,9 % erhöht werden. Diese Berechnungen zeigen, dass es durch den diskretionären Ausgleich zu einer leichten Verschiebung der Anteile am Entlastungsvolumen von den mittleren Einkommensdezilen hin zu den unteren und oberen Einkommen kommt. Dies bewirkt einen etwas stärkeren relativen Einkommenszuwachs in den unteren beiden Dezilen und einen marginal positiven Zuwachs in den oberen Dezilen. Der relative Effekt auf die übrigen Dezile ist sehr gering und tendenziell leicht negativ. Der von Frauen erhaltene Anteil am Entlastungsvolumen würde im Alternativszenario um 1 %-Punkt auf 40 % ansteigen.