Die vorliegende Analyse zu einer Anfrage der Abgeordneten Karin Doppelbauer untersucht die fiskalischen und konjunkturellen Wirkungen ausgewählter Maßnahmen zur Konjunkturbelebung und beschreibt auch deren Verteilungswirkungen. Bei den von der Anfrage umfassten Maßnahmen handelt es sich um die vorgezogene Senkung der Einkommensteuer, die Erhöhung der Negativsteuer, die Einmalzahlungen für Familien und Arbeitslose und die Investitionsprämie. Darüber hinaus wurde eine Einschätzung zur Plausibilität der in den Wirkungsorientierten Folgenabschätzungen (WFA) ausgewiesenen Auswirkungen, auch hinsichtlich des Verlustvortrags, vorgenommen.
Die untersuchten Maßnahmen zur Konjunkturbelebung zielen insbesondere auf eine Ankurbelung des Privatkonsums und der Investitionstätigkeit ab. Durch die Maßnahmen bei der Einkommensteuer und die Einmalzahlungen steigen die verfügbaren Haushaltseinkommen, wodurch der Privatkonsum gestärkt werden soll. Das Ausmaß der kurzfristigen Stabilisierungswirkung hängt stark von der Konsumneigung der Haushalte ab, die tendenziell bei Haushalten mit niedrigen Einkommen höher ist. Bei der Ermittlung der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen wurde deshalb eine von der Einkommenshöhe abhängige Konsumneigung angenommen.
Durch die Investitionsprämie soll die Investitionstätigkeit der Unternehmen gestärkt werden. Für den Konjunktureffekt insgesamt ist es entscheidend, in welchem Ausmaß die Investitionsprämie zu zusätzlichen Investitionen führt. Das Vorziehen von Investitionen wegen der Befristung der Investitionsprämie hat ebenfalls einen positiven kurzfristigen konjunkturellen Effekt, mittelfristig tritt aber ein gegenläufiger Effekt ein. Bei Investitionen, die auch ohne Prämie zum selben Zeitpunkt und im selben Ausmaß getätigt worden wären (Mitnahmeeffekte), stellt die Förderung im Wesentlichen einen Transfer an Unternehmen dar und hat einen entsprechend geringen konjunkturellen Effekt. Zusätzlich getätigte Investitionen führen im Gegensatz zu den anderen beiden Kategorien zu einem Anstieg des Kapitalstocks und haben daher neben dem kurzfristigen Konjunkturimpuls auch eine längerfristige angebotsseitige Wirkung. Insgesamt wird entsprechend der derzeit gültigen Rechtslage ein Fördervolumen iHv 2,0 Mrd. EUR angenommen. Auf Basis von Modellrechnungen und innerhalb der Bandbreite von Schätzungen in der empirischen Literatur wird im Zeitraum 2020 bis 2024 von zusätzlichen Investitionen iHv etwa 2 Mrd. EUR ausgegangen, aus denen sich der diesbezügliche Konjunktureffekt berechnet.
Die finanziellen Auswirkungen durch das Konjunkturstärkungsgesetz 2020 werden in der diesbezüglichen WFA kaum erläutert und es werden keine Angaben zu den getroffenen Annahmen gemacht. Insbesondere die für den Verlustrücktrag und für die degressive Abschreibung ausgewiesenen finanziellen Auswirkungen sind zwar qualitativ, nicht aber quantitativ nachvollziehbar. Eine WFA zu Vorhaben im Rahmen von Konjunkturpaketen sollte neben den finanziellen Auswirkungen auch die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen darstellen. Sowohl für die Einmalzahlung an Familien als auch für die Investitionsprämie unterblieb aber eine Quantifizierung der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen.
Für die Quantifizierung der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahmen in dieser Analyse werden die für die WFA von WIFO und Joanneum Research bereitgestellten Wertschöpfungs- und Beschäftigungsmultiplikatoren herangezogen. Diese Multiplikatoren sind aufgrund der bei ihrer Berechnung verwendeten Methode und auch im Hinblick auf andere Schätzungen für Österreich tendenziell überhöht. Deshalb stellen die ausgewiesenen konjunkturellen Wirkungen eher eine Obergrenze dar. Darüber hinaus weist die COVID‑19-Krise einige Besonderheiten auf, die sich dämpfend auf den Konjunktureffekt der Maßnahmen auswirken dürften. Die Konsumbereitschaft der Haushalte ist aufgrund der Angst vor einer Ansteckung und der hohen Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Wirtschaftsentwicklung niedrig. Die angebotsseitigen Beschränkungen reduzieren zudem die Konsummöglichkeiten.
Das reale BIP in den Jahren 2020 und 2021 wäre ohne die betrachteten Maßnahmen um etwa 0,7 %‑Punkte bzw. 1,2 %‑Punkte niedriger, wobei die größten Effekte von den Maßnahmen bei der Einkommensteuer und der Investitionsprämie ausgehen. Für die Ermittlung der Konjunktureffekte wird angenommen, dass die Maßnahmen über ein höheres Defizit finanziert werden. Allfällige in künftigen Jahren beschlossene Gegenfinanzierungsmaßnahmen würden den Konjunktureffekt entsprechend dämpfen.
Die direkten fiskalischen Kosten der untersuchten Maßnahmen betragen im Jahr 2020 rd. 2,4 Mrd. EUR. In den Folgejahren schwanken die erwarteten Kosten insbesondere wegen des Auszahlungsprofils bei der Investitionsprämie zwischen 1,9 Mrd. EUR und 2,9 Mrd. EUR pro Jahr. Im Betrachtungszeitraum 2020 bis 2024 betragen die direkten fiskalischen Kosten insgesamt rd. 11,4 Mrd. EUR. Der positive Konjunktureffekt führt zu einem höheren realen BIP sowie zu einer höheren Beschäftigung, geringeren Arbeitslosigkeit und einer geringeren Inanspruchnahme von Kurzarbeit. Dies hat indirekt positive fiskalische Auswirkungen, die den direkten fiskalischen Kosten gegenüberstehen. Über den gesamten Betrachtungszeitraum 2020 bis 2024 betragen diese rd. 64 % der direkten Kosten. Der relativ hohe Selbstfinanzierungsgrad ist hierbei eine Folge der tendenziell überschätzten Wertschöpfungsmultiplikatoren, die auch in den WFA zur Anwendung kommen, und stellt aus Sicht des Budgetdienstes eher eine Obergrenze dar.
Die betrachteten Maßnahmen führen im untersten Quintil mit einer Steigerung des durchschnittlichen verfügbaren Haushaltseinkommens um 2,8 % zur größten relativen Entlastung. Dies ist vor allem auf die Einmalzahlungen aus der Familienbeihilfe und beim Arbeitslosengeld zurückzuführen, die im untersten Quintil die stärkste Auswirkung haben. Vom Gesamtvolumen der Maßnahmen inklusive Konjunktureffekt (rd. 3,0 Mrd. EUR) entfallen mit rd. 23 % etwas mehr als ein Fünftel auf das oberste Quintil der Haushaltseinkommensverteilung. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in diesem Quintil besonders viele Personen ein ausreichend hohes Einkommen beziehen, um von der Tarifsenkung bei der Einkommensteuer mit dem Maximalbetrag von 350 EUR zu profitieren.
Innerhalb der Einkommensquintile kommt es jedoch zu einer großen Streuung der Entlastung von Haushalten und deren Betroffenheit durch die COVID‑19-Krise. Einerseits gibt es Haushalte, deren Bruttoeinkommen durch die Krise nicht negativ betroffen sind, die aber von den Maßnahmen im Konjunkturpaket profitieren. Andererseits werden die deutlicheren Einkommensverluste von Personen, die wegen der Krise ihren Arbeitsplatz verloren haben oder in Kurzarbeit waren, durch die Maßnahmen nur teilweise ausgeglichen.