Budgetdienst - Anfragebeantwortungen 25.03.2020

Budgetäre Auswirkungen des Regierungsprogramms 2020-2024

Anfragebeantwortung des Budgetdienstes

Überblick

Die vorliegende Studie zu einer Anfrage der Abgeordneten Karin Doppelbauer untersucht die finanziellen Auswirkungen der für eine Ex‑ante-Bewertung hinreichend konkretisierten Maßnahmen des Regierungs­programms 2020‑2024 im Steuer­bereich (Senkung der Grenz­steuer­sätze, Erhöhung Familien­bonus und Kinder­mehr­betrag, Senkung Körperschaft­steuer, Anpassung Flug­abgabe­tarif, Behaltefrist bei Wert­papieren). Die Anfrage­beantwortung umfasst die aktuellen Entwicklungen aus der COVID‑19-Krise noch nicht. Diese wird jedenfalls zu deutlichen Veränderungen des wirtschaftlichen Umfeldes führen, die sich wesentlich auf die simulierten Ergebnisse auswirken werden. Auch ist davon auszugehen, dass die im Regierungs­programm 2020‑2024 vorgesehenen Maßnahmen angepasst werden.

Die vollständige Anfragebeantwortung zum Download:

BD - Anfragebeantwortung zu den budgetären Auswirkungen des Regierungsprogramms 2020-2024 / PDF, 1 MB

Kurzfassung

Die vorliegende Kurz­studie untersucht die finanziellen Auswirkungen der für eine Ex-ante-Bewertung hinreichend konkretisierten Maßnahmen des Regierungs­programms 2020‑2024 im Steuer­bereich. Zudem wird die Wirkung der kalten Progression seit der letzten Tarif­reform 2016 näher betrachtet und es wird untersucht, inwieweit die geplante Tarif­reform die kalte Progression ausgleicht.

Die Reform des Einkommen­steuer­tarifs soll in zwei Stufen erfolgen. Ab 2021 soll der Grenz­steuer­satz für die erste Tarif­stufe von 25 % auf 20 % gesenkt werden, wodurch es bei der Lohn­steuer zu Minder­einnahmen iHv 1,4 Mrd. EUR kommen wird. Bei der Veranlagten Einkommen­steuer kommt es dadurch ab 2022 zu Minder­einnahmen von etwas über 0,1 Mrd. EUR, zusätzlich bewirkt im Jahr 2022 die Senkung der Grenz­steuer­sätze für die zweite und die dritte Tarif­stufe Minder­einnahmen bei der Lohn­steuer iHv 3,5 Mrd. EUR. Ab 2023 betragen die Minder­einnahmen aufgrund der Tarif­reform insgesamt 3,9 Mrd. EUR.

Die Erhöhung des Familien­bonus führt im Jahr 2022 zu Minder­einnahmen von 125 Mio. EUR, wobei unterstellt wird, dass die Hälfte der Anspruchs­berechtigten diesen im Wege der Lohn­verrechnung geltend macht. Ab 2023 erhöht sich das Entlastungs­volumen auf 280 Mio. EUR, weil die verbleibende Hälfte den Familien­bonus sowie alle Anspruchs­berechtigten den Kinder­mehr­betrag im Veranlagungs­weg geltend machen.

Die geplante Umstellung bei der Flug­abgabe auf einen einheitlichen Tarif von 12 EUR pro Ticket, führt ab 2021 zu Mehr­einnahmen von etwas über 100 Mio. EUR pro Jahr. Durch den neuen Tarif wird die Kurz­strecke, auf die über 85 % der Flüge entfallen, deutlich teurer (Flug­abgabe derzeit 3,50 EUR pro Ticket), Lang­strecken­flüge werden hingegen günstiger (derzeit 17,50 EUR pro Ticket).

Die Senkung der Körperschaft­steuer von 25 % auf 21 % führt je nach Ausmaß der Verhaltens­anpassungen zu Minder­einnahmen von 1,2 Mrd. EUR (Semi-Elastizität von 1,5) bis 1,7 Mrd. EUR (keine Verhaltens­anpassungen). Die Bemessungs­grund­lage steigt infolge der Tarif­senkung unter anderem, weil sich die Steuer­senkung positiv auf die Investitions­tätigkeit der Unternehmen auswirkt und dadurch mittelfristig zu höheren Unternehmens­gewinnen führt, Österreich im internationalen Steuer­wett­bewerb attraktiver wird und Gesellschafts­formen, die der Körperschaft­steuer unterliegen (z. B. GmbH, AG), attraktiver werden.

Die Minder­einnahmen aufgrund der geplanten Einführung einer Behalte­frist bei der Kapital­ertrag­steuer für die Steuer­befreiung von Kurs­gewinnen bei Wert­papieren und Fonds­produkten sind derzeit nicht quantifizierbar, weil Details zur genauen Aus­gestaltung (z. B. Dauer der Behaltefrist) noch nicht bekannt sind und Daten zu Umfang und Behalte­dauer von steuer­pflichtigen Kapital­vermögen dem Budget­dienst nicht zur Verfügung stehen. Das Mehr­auf­kommen infolge der Abschaffung der bis 2010 gültigen einjährigen Behalte­frist wurde vom BMF damals (ex-ante) mit 250 Mio. EUR pro Jahr beziffert. Eine parlamentarische Anfrage­beantwortung deutet darauf hin, dass die zu erwartenden Minder­einnahmen bei Einführung einer Behalte­frist unter dem damals angenommenen Wert liegen werden.

Die ausgewiesenen finanziellen Auswirkungen beziehen sich auf den unmittelbaren fiskalischen Effekt der jeweiligen Maßnahme. Allerdings weisen die geplanten Maßnahmen über höhere Umsatz­steuern sowie Verkehrs- und Verbrauchs­abgaben einen erheblichen Selbst­finanzierungs­grad auf. Das WIFO schätzt den Selbst­finanzierungs­grad in einer Analyse zur Steuer­reform 2015/2016 im Jahr der Reform auf ungefähr 20 %, mittel­fristig fällt der Selbst­finanzierungs­grad sogar deutlich höher aus.

Für die Analyse der kalten Progression wird eine Simulations­rechnung zur Entwicklung des Einkommen­steuer­aufkommens 2016 bis 2022 für drei Szenarien durch­geführt (unterschiedliche Berücksichtigung von Familien­bonus, Erhöhung Pensionisten­absetz­betrag und SV-Erstattung als Ausgleichs­mechanismus der kalten Progression). Die Simulations­rechnung zeigt, dass die kalte Progression durch die geplante Tarif­reform in den Jahren 2021 und 2022 im Aggregat mehr als ausgeglichen wird. In den Jahren zwischen den diskretionären Tarif­änderungen 2016 und 2021/2022 kam es aber, je nach Vergleichs­szenario, zu teils beträchtlichen Mehr­belastungen durch die kalte Progression. Anhand von Beispiel­haushalten wird deutlich, dass die individuelle Betroffenheit sehr unter­schiedlich ausfällt. Im Jahr 2022 wird die kalte Progression durch die im Regierungs­programm geplanten steuerlichen Maßnahmen für die meisten, aber nicht für alle Haus­halte ausgeglichen. Für Haus­halte mit einem geringen Einkommen etwa wird der Effekt der kalten Progression 2022 nicht oder nur geringfügig ausgeglichen. Bei Berücksichtigung des Familien­bonus als Ausgleichs­mechanismus der kalten Progression besteht ein markanter Unterschied zwischen Haus­halten mit und ohne Kinder.