Budgetdienst - Analysen auf Anfrage 01.10.2013

Die Rolle der Nationalen Parlamente in den Mitgliedstaaten

Überblick

Die Mitglieder der Grünen Fraktion im Budgetausschuss ersuchten den Budgetdienst um eine fundierte Übersicht, wie die Rolle der nationalen Parlamente in den EU‑Mitglied­staaten im Rahmen des europäischen Semesters definiert ist. Insbesondere sollte die Einbindung der Parlamente bzw. Ausschüsse in die verschiedenen Phasen des Europäischen Semesters dargestellt werden. Die Kurz­studie des Budget­dienstes stellt ein Glossar zu den grundlegenden Regelungen und Entwicklungen im Zusammen­hang mit der wirtschafts- und finanz­politischen Koordinierung in der Europäischen Union voran. Die Mitwirkung der nationalen Parlamente hat sich seit Beginn des Europäischen Semesters 2011 verstärkt, der inhaltliche Beitrag ist dabei jedoch sehr unterschiedlich.

Die vollständige Anfragebeantwortung zum Download:

BD - Anfragebeantwortung zum Europaeischen Semester / PDF, 620 KB

Kurzfassung

Die Rolle der nationalen Parlamente im Rahmen der wirtschafts- und finanzpolitischen Koordinierung

Zur stärkeren wirtschafts- und haushaltspolitischen Koordinierung zwischen den Mitglied­staaten wurde mit dem Europäischen Semester, dem Sixpack und dem nachfolgenden Twopack ein neuer Rahmen geschaffen, um Verstöße gegen den Stabilitäts- und Wachstums­pakt rechtzeitig zu erkennen und die EU 2020‑Ziele zu erreichen. Die demokratische Legitimität der diesbezüglichen Verfahren innerhalb der Europäischen Union und der Einfluss­verlust der nationalen Parlamente wurden in der einschlägigen Literatur zunehmend kritisch hinterfragt. Insbesondere für die Mitglied­staaten der Euro­zone wurde die Gefahr einer Schwächung der parlamentarischen Kontrolle und der nationalen Parlamente gesehen. Die Europäische Union hat in mehreren Dokumenten und Rechtsvorschriften zur haushalts-, wirtschafts- und finanzpolitischen Koordinierung daher festgehalten, dass den nationalen Parlamenten im Rahmen des Europäischen Semesters entsprechende Mitwirkungs­rechte eingeräumt werden sollen. Die Frage der demokratischen Legitimität des Koordinierungs­prozesses steht dabei in einem klaren Zusammen­hang mit der Budget­hoheit der nationalen Parlamente.

Es ist weitgehend unbestritten, dass es zu einer umfassenden Wahrung der Rechte der nationalen Parlamente erforderlich ist, diese rechtzeitig und ausreichend in den Prozess der wirtschafts- und finanzpolitischen Koordinierung und Überwachung einzubeziehen, weil im Rahmen des Europäischen Semesters grundlegende Rahmen­bedingungen für den nationalen Budget­prozess festgelegt werden. Das Ausmaß und die Intensität der Einbeziehung obliegt den Mitglied­staaten.

Beteiligung der nationalen Parlamente am Europäischen Semester im Überblick

Bei einer für eine aktuelle Studie durchgeführten Frage­bogen­erhebung gab die deutliche Mehrheit der nationalen Parlamente an, dass sich ihre Mitwirkung seit Beginn des Europäischen Semesters 2011 verstärkt hat. Nationale Parlamente beteiligen sich mittlerweile in unterschiedlichem Ausmaß an der Beratung, Beschluss­fassung oder zeitgerechten Kontrolle der von den Regierungen der Europäischen Kommission vorgelegten Stabilitäts- oder Konvergenz­programme und Nationalen Reform­programme. Sie sind auch Budgetdienst zunehmend stärker in die Diskussion der Jahreswachstumsberichte, der politischen Leitlinien und der Länderspezifischen Ziele und Maßnahmen und den entsprechenden Empfehlungen eingebunden. Nahezu die Hälfte der Parlamente hat ihre parlamentarischen Verfahren im Hinblick auf das Europäische Semester bereits geändert oder plant diese zu ändern.

Für eine stärkere Partizipation der nationalen Parlamente am Europäischen Semester ist es wesentlich, dass deren Einbindung zeitlich vor dem Abschluss der relevanten Entscheidungs­prozesse erfolgt. Die Mehr­zahl der nationalen Parlamente gab an, dass diese bereits ex-ante in die Vorbereitung des Stabilitäts- oder Konvergenz­programms und des Nationalen Reform­programms eingebunden sind. Bei den Länderspezifischen Empfehlungen war die ex-ante Befassung geringfügig schwächer ausgeprägt. Eine Reihe weiterer Parlamente behandelte diese Dokumente ex-post.

Die Recherchen des Budgetdienstes haben ergeben, dass der inhaltliche Beitrag der nationalen Parlamente dabei jedoch sehr unterschiedlich ist und von einer Information über eine Anhörung oder Konsultation bis hin zu einem Beschluss über die Programme reicht.

In den nationalen Parlamenten sind mit Vorlagen im Rahmen des Europäischen Semesters entweder der EU-Ausschuss oder der Finanz- bzw. Budget­ausschuss oder häufig auch beide Ausschüsse befasst. In mehreren Ländern halten diese zwischenzeitlich gemeinsame Ausschuss­sitzungen ab. In einigen Parlamenten sind in die Diskussion der Nationalen Reform­programme weitere Ausschüsse eingebunden.

Darstellung der Entwicklung in ausgewählten Mitgliedstaaten

Als Länderbeispiele sind Dänemark, Deutschland, Frankreich, Niederlande und Schweden umfasst. Die vergleichende Länder­darstellung erfolgt anhand der verschiedenen Phasen des Europäischen Semesters, wobei die Parlamente dieser Mitglied­staaten aktiv in den Prozess eingebunden sind. Die Einbindung unterschiedlicher Ausschüsse dieser Parlamente erfolgt in der Regel ex-ante, die Erstellung der Programme verbleibt jedoch in der Verantwortung der Regierung.