Budgetdienst - Analysen auf Anfrage 25.11.2024

Kosten von Bildungsreformmaßnahmen

Überblick

Auf Anfrage der Abgeordneten Karin Doppelbauer (NEOS) ermittelte der Budgetdienst die Kosten von Maßnahmen im Bildungs­bereich. Die Bundes­mittel für ausgewählte, bereits bestehende Maßnahmen wurden auf 532 Mio. EUR geschätzt, was etwa 459 EUR pro Schüler:in entspricht. Die angefragten Kosten­schätzungen betreffen Reform­maßnahmen wie etwa die Senkung von Gruppen­größen im Elementar­bereich, die Anpassung von Gehältern und die Finanzierung von mehr Support­personal im Bildungs­bereich.

Die vollständige Anfragebeantwortung zum Download:

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Kurzfassung

Auszahlungen für vorhandene Maßnahmen im Bildungsbereich

Laut der Anfrage könnte für mehr Ressourcen-Autonomie der Schulen aus vorhandenen Budgets ein Gesamt­topf gebildet werden, der den Schulen nach Schüler:innen­zahl zugeteilt wird. Außerdem sollen diese schulautonomen Mittel um einen sozialindex­basierten Chancen­bonus ergänzt werden, mit dem Schulen mit größeren sozialen Herausforderungen zusätzliche Mittel bekommen.

Die Bundesmittel für die in der Anfrage zur möglichen Einbringung in einen Gesamttopf genannten Maßnahmen lagen gemäß Abschätzung des Budget­dienstes im Jahr 2023 bzw. Schuljahr 2022/23 bei 532 Mio. EUR. Das waren etwa 4,5 % der gesamten Auszahlungen des Bundes für den Schulbereich iHv 11,8 Mrd. EUR. Davon betrafen 11,3 Mrd. EUR die UG 30‑Bildung. Weitere Budget­mittel sind beispielsweise im BMSGPK, im BKA oder im BML vorgesehen. Umgelegt auf alle 1,16 Mio. Schüler:innen würden die 532 Mio. EUR etwa 459 EUR pro Schüler:in entsprechen.

Die genannten Maßnahmen umfassen das Budget für Unterrichts­einheiten, die Ausstattung von Schüler:innen mit Arbeits­materialen, bildungs­relevante Sozial­leistungen, Ressourcen für Lehrer:innen sowie psychosoziale Unterstützung. Bei der Ausgestaltung von Pro-Kopf-Budgets ist zu berücksichtigen, dass ein Teil der zur Umschichtung vorgesehenen Maßnahmen derzeit nur auf spezifische Zielgruppen abzielt (z. B. Kinder aus Familien, die Sozialhilfe beziehen).

Für die Ausstattung der Schulen mit eigenen Budgets sind die kompetenz­rechtlichen Zuständigkeiten zu beachten, die im österreichischen Bildungs­system auf Bund, Länder und Gemeinden verteilt sind. So sind etwa die Länder Dienstgeber des Landeslehr­personals von allgemeinbildenden Pflichtschulen, der Bund finanziert über Transfers die Besoldungs­kosten. Für die Bundes­schulen werden die Lehrer:innen direkt aus dem Bundes­budget finanziert. Für die Errichtung bzw. Erhaltung der Schulen und das Support­personal ist der jeweilige Schulerhalter zuständig, dies sind bei den Pflichtschulen vor allem die Gemeinden, bei den Bundesschulen ist es der Bund. Der Bund stellt nicht nur Mittel für die Ausstattung und den Betrieb von Bundesschulen bereit, sondern leistet auch substantielle Finanzierungs­beiträge, wie etwa für den Ausbau der schulischen Tagesbetreuung und für Support­personal an den Pflichtschulen oder den Ausbau der elementaren Kinderbetreuung.

Eine weitere Herausforderung für die Ausgestaltung von Pro-Kopf-Budgets besteht im gegenwärtigen System der Personal­bewirtschaftung. Die österreichischen Schulen erhalten für die Lehrer:innen keine Budgets, sondern Planstellen bzw. Wert­einheiten, die auf Basis von Schüler:innen­zahlen zur Verfügung gestellt werden. Die Personal­kosten können nicht einfach auf Pro-Kopf-Budgets für Schüler:innen umgerechnet werden, weil sie neben dem Schultyp auch von der Altersstruktur der Lehrer:innen an den einzelnen Schulen abhängig sind.

Von den zur Umschichtung vorgesehenen Maßnahmen sind Förderstunden, Freigegenstände und unverbindliche Übungen mitumfasst. Die hierfür ermittelten Personal­kosten beziehen sich mangels verfügbarer Daten nur auf den Bundes­schulbereich. Sie stellen dabei einen vergleichsweise geringen Anteil von etwa 2,4 % der gesamten Wochen­stunden dar und sind bereits weitgehend im Rahmen der Schul­autonomie gestaltbar. In den allgemeinbildenden Pflichtschulen fallen diese Stunden in das Planstellen­grundkontingent. Neben dem Grundkontingent gibt es substantielle Lehrpersonal­ressourcen in Form von zweckgebundenen Zuschlägen (z. B. für die Senkung der Klassen­schüler:innen­höchstzahl oder für Deutsch­förderunterricht), deren Kosten anfragegemäß nicht im Umschichtungs­potenzial berücksichtigt wurden. Einzelne zweckgebundene Zuschläge könnten auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und neue Schwerpunkte gebildet werden. Dabei können Zuteilungs­parameter wie etwa der sozioökonomische Hintergrund oder der Förderbedarf im Sinne des sozial­index­basierten Chancenbonus der Anfrage stärker gewichtet werden.

Im ausgewiesenen Umschichtungs­potenzial für Schul­psycholog:innen und Schulsozial­arbeiter:innen sind nur die vom Bund bereitgestellten Budget­mittel enthalten, Daten zu weiteren Ausgaben der Länder und Gemeinden sind nur zum Teil verfügbar. Zu berücksichtigen ist, dass psychosoziales Unterstützungs­personal nicht Teil des Lehrpersonals ist. Schulpsycholog:innen und Schulsozial­arbeiter:innen, aber auch Freizeit­pädagog:innen und Sekretariats­kräfte haben unterschiedliche Dienstgeber und werden von Bund, Ländern und Gemeinden in verschiedenen Finanzierungs­vereinbarungen bezahlt. Die einzelne Schul­leitung kann derzeit nicht zwischen verschiedenen Personal­ressourcen umschichten.

Reformmaßnahmen mit zusätzlichen Ausgaben

Anfragegemäß hat der Budget­dienst für nachfolgende Bildungs­reform­maßnahmen, die höhere Ausgaben mit sich bringen würden, Kosten­schätzungen durchgeführt. Die Maßnahmen sind laut Anfrage nicht in Stein gemeißelt, sondern so formuliert, dass sie ausreichend Anhaltspunkte für Berechnungen bzw. Schätzungen beinhalten. Einige Reform­vorschläge beinhalten unterschiedliche Optionen. Die Kosten­schätzungen werden daher ohne Gesamtsumme ausgewiesen.

Die Umsetzung sämtlicher vorgeschlagener Reform­maßnahmen im Elementar­bereich, wie die Anpassung der Gehälter aller Elementar­pädagog:innen an jene des Lehrpersonals, die Senkung der Gruppen­größe im Kindergarten auf unter 15 Kinder, in der Kleinkind­gruppe auf unter 8 Kinder und in altersgemischten Gruppen auf 12 Kinder, würden zu jährlichen finanziellen Mehr­belastungen von etwa 1 Mrd. EUR führen. Für den notwendigen Ausbau der Betreuungs­einrichtungen zur Senkung der Gruppen­größen wären einmalig weitere 4 Mrd. EUR erforderlich.

Kostenlose Mittagessen für Kinder im Kindergarten bzw. Schüler:innen bis zur Unterstufe würden jährliche Kosten von etwa 1,3 Mrd. EUR bedeuten.

Für die Anstellung von zusätzlichem Support­personal an Schulen wurden anfragegemäß vier Szenarien berechnet. Die Kosten für 1 Psycholog:in und 1 Sozial­arbeiter:in an allen Pflichtschulen mit mehr als 100 Schüler:innen würden 341 Mio. EUR pro Jahr betragen. Bei einer Einschränkung auf sozial benachteiligte Schulen wären die Kosten mit 148 Mio. EUR weniger als halb so hoch. Alle Schulen mit mehr als 400 Schüler:innen (inkl. Bundesschulen) mit 1 Education Technologist oder 1 School Nurse auszustatten, würde jeweils etwa 50 Mio. EUR pro Jahr kosten.

Der Bund stellt den Ländern für die Betreuung von Schüler:innen mit sonder­pädagogischem Förder­bedarf an allgemeinbildenden Pflicht­schulen Planstellen für Lehrer:innen zur Verfügung. Ein Reformvorschlag zielt auf die Erhöhung dieser Planstellen durch eine Anhebung des Deckels von 2,7 % auf 5 % der zugrunde liegenden Schüler:innen ab. Die Umsetzung dieser Maßnahme würde finanzielle Mehrbelastungen von etwa 343 Mio. EUR verursachen.

Die finanzielle Gleichstellung von Privatschulen und öffentlichen Schulen, welche eine Ausstattung mit gleichen Mitteln pro Schüler:in bedeuten würde, ergäbe geschätzte jährliche Mehrkosten von 390 Mio. EUR. In diesem Betrag ist nicht nur der Personal­aufwand, sondern auch der Betriebs­aufwand enthalten, der vom jeweiligen Schulerhalter zu tragen wäre.

Eine weitere Gruppe von Vorschlägen betrifft die im Dienstrecht verankerte Fort­bildung der Lehrer:innen. Im Jahr 2023 wurden 35 Mio. EUR für das Fortbildungs­angebot an den Pädagogischen Hochschulen (PH) veranschlagt. Dies entspricht 320 EUR pro Lehrer:in. Eine Einführung bzw. Erhöhung der Fortbildungs­verpflichtung auf 30 Stunden würde zu einem jährlichen Mehrbedarf iHv 12 Mio. EUR für die Ausweitung des Kursangebotes der PH führen. Diese Kosten­schätzung stellt eine Untergrenze dar, da Infrastruktur- und Overhead­kosten der PH oder Kosten anderer Institutionen nicht berücksichtigt sind. Die ergänzende Einführung einer Teamwoche für Lehrer:innen in den Ferien, die auch aliquot finanziell abgegolten wird, würde zu jährlichen Mehrkosten von 165 Mio. EUR führen.

Eine Verbesserung der Arbeits­bedingungen der Lehrer:innen und ein Anreiz zur Vollzeitarbeit durch eine Ausstattung der Lehrer:innen in Vollzeit mit Dienst­laptop und ‑handy (inkl. Vertrag) würden einmalig etwa 109 Mio. EUR kosten und danach einen jährlichen Aufwand von etwa 10 Mio. EUR verursachen. Ein kostenloses Mittagessen für Lehrer:innen in Vollzeit würde zu jährlichen Mehr­belastungen iHv 112 Mio. EUR führen.

Die analysierten Maßnahmen zum Schulmanagement und zu Karrieremöglichkeiten für Lehrer:innen würden insgesamt jährliche Mehr­belastungen iHv 544 Mio. EUR verursachen. Darunter fallen die Anhebung der Gehälter von Schul­leiter:innen auf das Gehalt von Schulqualitäts­manager:innen (128 Mio. EUR) und die Einführung eines mittleren Managements (237 Mio. EUR) sowie von Expert:innenstellen (67 Mio. EUR). Die Kosten für Sekretariats­kräfte an allen Pflicht­schulen vormittags bzw. an allen Ganztags­schulen und größeren Schulen auch nachmittags würden abzüglich bestehender Zahlungen des Bundes jährlich 112 Mio. EUR betragen.

Die Vorschläge zur finanziellen Besserstellung von Quereinsteiger:innen und Sondervertrags­lehrer:innen würden insgesamt zu jährlichen finanziellen Mehr­belastungen iHv 128 Mio. EUR führen. Dies betrifft eine bessere Anrechnung von Vordienstzeiten und den Entfall von Gehaltsabschlägen für Sondervertrags­lehrer:innen.

Entwicklung der Bildungsausgaben

Die gesamtstaatlichen Bildungs­ausgaben im Jahr 2022 betrugen 24,1 Mrd. EUR bzw. 5,4 % des Bruttoinlands­produkts (BIP). Davon betrafen 3,4 Mrd. EUR Kinder­tagesheime (inklusive Horte), 12,3 Mrd. EUR den Schulbereich und 6,1 Mrd. EUR den Tertiär­bereich (Universitäten, Fachhoch­schulen, Pädagogische Hochschulen). Außerdem wurden 1,1 Mrd. EUR für die Verwaltung und 1,2 Mrd. EUR für bildungs­relevante Sozialleistungen (u. a. Familien­beihilfe für Studierende, Schüler:innen­freifahrten, Fahrt­beihilfen) ausgegeben.

Im letztverfügbaren Jahr 2022 waren diese Ausgaben mit 5,4 % des BIP um 0,2 %-Punkte höher als im Jahr 2000. Für die Jahre 2023 und 2024 werden wegen der zeitverzögert auf die Personal­ausgaben wirkenden Inflation weitere Zunahmen erwartet. Gestiegen sind die Ausgaben für die Kinder­tages­heime (+0,3 %-Punkte) und für den Tertiär­bereich (+0,3 %-Punkte). Demgegenüber sanken die Ausgaben für allgemein­bildende Pflicht­schulen (‑0,2 %-Punkte) und für berufsbildende mittlere und höhere Schulen (‑0,1 %-Punkte). Im längerfristigen Vergleich war die Anzahl der Schüler:innen rückläufig, wodurch die Gesamt­ausgaben gedämpft wurden. Die inflations­bereinigten Ausgaben pro Schüler:in stiegen hingegen, wobei insbesondere die Ausgaben für Schüler:innen in den Volksschulen und Mittelschulen stärker zunahmen.

Im internationalen Vergleich werden typischerweise auch die privaten Bildungs­ausgaben einbezogen. Als Anteil am BIP im Vergleich zum OECD- bzw. EU-Durchschnitt sind die österreichischen Ausgaben für die Elementar- und Primar­stufe (bis zur 4. Schulstufe) unter­durchschnittlich hoch, für die Sekundar­stufe (ab der 5. Schulstufe) ähnlich hoch und für den Tertiärbereich über­durchschnittlich hoch. Insbesondere im Tertiär­bereich wird in Österreich ein vergleichs­weise hoher Anteil der Ausgaben durch den Staat finanziert. Betrachtet man hingegen die Ausgaben pro Bildungs­teilnehmer:in, ist Österreich auch kaufkraft­bereinigt eines der Länder mit den höchsten Ausgaben. Ein Grund dafür sind die auch kaufkraft­bereinigt höheren Gehälter in wohlhabenderen Ländern.