Budgetdienst - Analysen zu Gesetzen

Maßnahmenpakete zum Teuerungsausgleich

Analyse vom 22. April 2022

Überblick

Vor dem Hintergrund der steigenden Inflations­raten hat die Bundes­regierung bisher zwei Maßnahmen­pakete zum Teuerungs­ausgleich vorgelegt. Die Analyse des Budget­dienstes stellt die finanziellen Auswirkungen der beiden Maßnahmen­pakete dar und analysiert deren Verteilungs­wirkungen auf Haushaltsebene.

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Kurzfassung

Die Bundesregierung hat vor dem Hintergrund steigender Verbraucher­preise zwei Maßnahmen­pakete zum Teuerungs­ausgleich mit einem Gesamt­volumen iHv rd. 3,7 Mrd. EUR vorgelegt. Im März stieg die Inflations­rate zuletzt auf 6,8 % an, im Jahres­durchschnitt erwartet das WIFO derzeit für 2022 eine Inflations­rate von 5,8 %. Ein wesentlicher Teil des Preis­auftriebs ist dabei auf die gestiegenen Energie­kosten zurückzuführen. In dieser Analyse werden die finanziellen Auswirkungen der beiden Maßnahmen­pakete dargestellt und die Verteilungs­wirkungen auf Haushalts­ebene untersucht.

Das erste Maßnahmenpaket zum Teuerungsausgleich wurde im Jänner 2022 vorgelegt und schrittweise bis März vom Nationalrat beschlossen. Das budgetäre Volumen wurde mit 1.700 Mio. EUR beziffert. Aus dem Bundes‑budget werden der Energie­kosten­ausgleich iHv 150 EUR pro Haushalt (600 Mio. EUR) sowie Einmalzahlungen von bis zu 300 EUR für bestimmte Personen­gruppen mit niedrigem Einkommen (200 Mio. EUR) geleistet. 900 Mio. EUR entfallen auf die Aussetzung der Erneuerbaren-Förderpauschale bzw. des Erneuerbaren-Förderbeitrags, die sich nicht auf das Bundes­budget auswirkt. Die Aussetzung dieser Beiträge von Strom­bezieher:innen war möglich, weil wegen des hohen Strom­preises weniger Mittel für die Förderung von erneuerbarem Strom benötigt werden.

Das zweite Maßnahmenpaket hat ein Gesamt­volumen von 1.970 Mio. EUR. Davon entfällt mit 1.300 Mio. EUR ein wesentlicher Teil auf steuerliche Änderungen, die als Initiativ­antrag eingebracht wurden. Die Senkung der Elektrizitäts­abgabe und der Erdgas­abgabe auf den jeweiligen EU‑Mindest­steuersatz führt zu einer Entlastung von Unternehmen und Privat­haushalten in den Jahren 2022 und 2023 von insgesamt 900 Mio. EUR. Die Entlastung für Pendler:innen wurde in einem Ministerrats­vortrag mit 400 Mio. EUR beziffert. Für eine Treibstoff­vergütung bei KMU und im Agrar­bereich sind insgesamt 150 Mio. EUR vorgesehen. Noch heuer sollen 150 Mio. EUR für Preis­senkungen und Angebots­erweiterungen im öffentlichen Verkehr verwendet werden. Förder­programme zur Förderung der E‑Mobilität in Betrieben sollen 2022 und 2023 um insgesamt 120 Mio. EUR aufgestockt werden. Für eine Investitions­offensive in erneuerbare Energie und Speicher werden im Zeitraum 2022 bis 2026 zusätzlich 250 Mio. EUR zur Verfügung gestellt.

Gesamtwirkung auf private Haushalte

Die direkte Entlastungswirkung der analysierten Maßnahmen auf private Haushalte beträgt rd. 1,3 Mrd. EUR im Jahr 2022 und 0,4 Mrd. EUR im Jahr 2023. Dies entspricht einer Erhöhung des durchschnittlichen Äquivalenz­einkommens um 0,6 % (2022) bzw. um 0,2 % (2023). Im Jahr 2022 erhalten Haushalte mit geringem Einkommen eine höhere Entlastung im Verhältnis zum Haushalts­einkommen (+2,1 % im untersten Dezil). Diese Haushalte geben auch einen deutlich höheren Anteil ihres Einkommens für Wohnenergie und Treib­stoffe aus und sind damit stärker von Preis­steigerungen betroffen. Weil nicht alle Haushalte mit geringem Einkommen eine Einmalzahlung erhalten, kann die Entlastungs­wirkung zwischen Haushalten mit ähnlichem Einkommen deutlich variieren. 2023 ist die Entlastungs­wirkung weitgehend gleich auf das gesamte Einkommens­spektrum verteilt.

Das gesamte Entlastungs­volumen teilt sich relativ gleichmäßig auf die fünf Quintile der Einkommens­verteilung auf. Während von den Maßnahmen zur Pendler:innenförderung insbesondere das oberste Segment profitiert, wird durch die Einmal­zahlungen vor allem das untere Fünftel der Einkommens­verteilung entlastet. Die übrigen Maßnahmen teilen sich recht gleichmäßig auf das gesamte Einkommens­spektrum auf.

Energiekostenausgleich

Zum Energiekostenausgleich erhalten alle Haushalte einen Energie­kosten­gutschein iHv 150 EUR, wobei dieser von Haushalten mit zu hohen Einkommen nicht eingelöst werden kann. Berechnungen des Budget­dienstes zufolge liegt das Einkommen bei ungefähr 90 % der Privat­haushalte unter den jeweiligen Einkommens­grenzen. Die budgetären Kosten dafür wurden mit 600 Mio. EUR beziffert, Berechnungen des Budgetdienstes ergeben bei einer vollständigen Inanspruch­nahme ein Entlastungs­volumen von etwa 550 Mio. EUR. Wird ein Teil der Gutscheine nicht eingelöst, werden sich die Kosten noch etwas verringern.

Vom Entlastungs­volumen durch den Energiekosten­ausgleich entfällt mit 26 % ein überproportionaler Anteil auf das unterste Einkommens­quintil (jenes Fünftel der Personen mit dem niedrigsten, nach Haushalts­größe äquivalisierten Haushalts­einkommen). Dies liegt neben der Einkommens­prüfung an den durchschnittlich kleineren Haushalten im untersten Fünftel, sodass die Entlastung pro Person höher ist.

Einmalzahlungen für Personen mit niedrigem Einkommen

Für bestimmte Gruppen wurden Einmalzahlungen von bis zu 300 EUR pro Person bzw. pro Haushalt beschlossen. Davon profitieren Bezieher:innen von Leistungen aus der Arbeitslosen­versicherung, von Ausgleichs­zulagen oder von der Studien­beihilfe sowie Haushalte mit Sozialhilfe bzw. Mindest­sicherung. Das geschätzte Entlastungs­volumen beträgt 220 Mio. EUR und entfällt etwa zur Hälfte auf das unterste Einkommens­fünftel. Im untersten Einkommens­dezil erhält ein Viertel der Personen diese Einmal­zahlung. Personen mit niedrigen Erwerbs­einkommen, die keinen Anspruch auf die für die Einmal­zahlung maßgeblichen Transfer­leistungen haben, werden durch diese Ausgestaltung des Teuerungs­ausgleichs nicht berücksichtigt.

Zusätzliche Förderung von Pendler:innen

Für den Zeitraum Mai 2022 bis Juni 2023 soll das Pendler­pauschale um 50 % angehoben und der Pendlereuro vervierfacht werden. Für Pendler:innen mit niedrigem Einkommen steigt die Negativ­steuer um 100 EUR. In einem Ministerrats­vortrag wurde das Entlastungs­volumen durch diese Maßnahmen mit 400 Mio. EUR beziffert, in den Schätzungen des Budgetdienstes ist die Entlastung mit 550 Mio. EUR höher.

Die Ersparnis für die einzelnen Pendler:innen steigt tendenziell mit der Weg­strecke und dem Einkommen sowie dem Anspruch auf ein "großes" Pendler­pauschale (öffentlicher Verkehr für die Weg­strecke nicht zumutbar). Die Entlastung beträgt beispielsweise bei Pendler:innen mit 30 km Entfernung und einem großen Pendler­pauschale insgesamt 382 EUR bei einem Brutto­einkommen iHv 1.700 EUR bzw. 480 EUR bei einem Bruttoeinkommen iHv 3.000 EUR. Für Haushalte mit Pendler:innen entspricht die zusätzliche Förderung einer durchschnittlichen Entlastung von knapp 30 Cent pro Liter Treibstoff, den diese Haushalte insgesamt (alle Fahrtstrecken und Personen) verbrauchen.

Den überwiegenden Teil dieser Steuerersparnis erhalten Haushalte im oberen Einkommens­bereich, auf Personen im obersten Fünftel entfällt knapp die Hälfte des Entlastungs­volumens. Dies liegt primär daran, dass der Anteil von Pendler:innen mit dem Einkommen wächst, sodass sich 40 % der Pendler:innen im obersten Fünftel befinden. Auch Pendler:innen mit niedrigem Einkommen profitieren von der Entlastung, allerdings sind nur 20 % der Pendler:innen in der unteren Hälfte der Einkommens­verteilung. Diese erhalten netto auch deshalb weniger, weil sie bei einem durchschnittlich geringeren Grenzsteuersatz weniger vom Pendler­pauschale profitieren.

Von der Entlastung für Pendler:innen entfallen mit 360 Mio. EUR fast zwei Drittel auf Männer (höhere Anzahl und höherer Pendler­anteil der männlichen Arbeit­nehmer, durchschnittlich höhere Pendler­pauschalien und höherer Pendlereuro sowie höherer effektiver Grenzsteuersatz bei männlichen Pendlern).

Senkung der Elektrizitäts- und Erdgasabgabe

Von Mai 2022 bis Juni 2023 sollen die Elektrizitäts­abgabe und die Erdgas­abgabe auf den jeweiligen EU‑Mindest­steuersatz abgesenkt werden. Dadurch sinken die Steuer­sätze bei der Elektrizitäts­abgabe und der Erdgas­abgabe temporär um 93 % bzw. 82 %. Der budgetäre Netto­effekt der Maßnahme beläuft sich insgesamt auf etwa 900 Mio. EUR. Auf Privat­haushalte direkt durch ihren Energie­verbrauch entfallen davon etwa 400 Mio. EUR. Dieses Volumen teilt sich weitgehend gleichmäßig auf die Einkommens­bereiche auf. Im Verhältnis zum Einkommen bedeutet dies eine durch­schnittlich höhere Entlastung für Haushalte mit geringem Einkommen.

Beim durchschnittlichen Verbrauch der Privat­haushalte kommt es dadurch zu einer Entlastung von 69 EUR bei der Elektrizitäts­abgabe und von 96 EUR bei der Erdgas­abgabe. Für Großindustrie­betriebe beläuft sich die Brutto­entlastung aus der Senkung der beiden Abgaben auf jeweils durchschnittlich 1,1 Mio. EUR.

Transparenz des Gesetzgebungsprozesses

Die steuerlichen Änderungen für Pendler:innen und bei den Energie­abgaben wurden ebenso wie andere Teile der Maßnahmen­pakete als Initiativ­antrag und somit ohne Wirkungsorientierte Folgen­abschätzung im Parlament eingebracht, obwohl dafür in den Ressorts umfangreiche Vorarbeiten vorliegen. Der Antrag enthält weder eine Abschätzung der Auswirkungen auf das Budget noch eine Analyse der mit den Maßnahmen verbundenen Ziele. Im Rahmen einer BFG‑ bzw. BFRG‑Novelle könnten solche Maßnahmen­bündel gesammelt dargestellt und analysiert werden. Nach Auslaufen der Maßnahmen Mitte 2023 sollte möglichst zeitnah eine Evaluierung durchgeführt und dem Nationalrat vorgelegt werden.