Budgetdienst - Analysen auf Anfrage 13.05.2025

Umverteilung und Einkommensentwicklung 2019 bis 2024

Überblick

Das österreichische Abgaben- und Transfersystem weist im internationalen Vergleich ein hohes Ausmaß an Umverteilung auf. Das Gesamt­einkommen des obersten Einkommens­fünftels ist vor Umverteilung neunmal so hoch wie jenes des untersten Fünftels, nach Umverteilung ist es nur noch knapp viermal so hoch. Die real verfügbaren Einkommen lagen im Jahr 2024 im Durchschnitt über dem Niveau von 2019, wobei sie 2022 und 2023 in den mittleren und oberen Dezilen teilweise niedriger waren als 2019.

Die vollständige Anfrage­beantwortung zum Download:

BD - Umverteilung und Einkommensentwicklung 2019 bis 2024 / PDF, 2 MB

Die Abgabenquote gemäß Indikator IV schwankte im Zeitraum 1995 bis 2023 zwischen 41,8 % und 45,6 % des BIP, im langjährigen Durchschnitt betrug sie 43,5 %. Die Abgaben­quote gemäß Indikator II ist etwas niedriger, sie entwickelte sich weitgehend parallel zum Indikator IV.

Kurzfassung

Die vorliegende Analyse zu einer Anfrage des Abgeordneten Andreas Hanger untersucht die Umverteilungs­wirkung des österreichischen Abgaben- und Transfer­systems, die Verteilungs­wirkungen der seit 2019 beschlossenen Unterstützungs­maßnahmen und die Entwicklung der real verfügbaren Einkommen von 2019 bis 2024. Darüber hinaus wird sowohl zum Ausmaß der Umverteilungs­wirkung von Abgaben und Transfers als auch zur realen Einkommens­entwicklung ein internationaler Vergleich vorgenommen.

Umverteilungswirkung des Abgaben- und Transfersystems

Das Abgaben- und Transfersystem in Österreich weist ein hohes Ausmaß an Umverteilung auf. Der Gini-Koeffizient ist für die verfügbaren Einkommen mit 0,26 um insgesamt 47 % geringer als für die Markt­einkommen vor Abgaben und Transfers. Vor allem das Pensions­system trägt zur Umverteilung bei, aber auch weitere Transfers (z. B. Arbeitslosen­geld, Familien­beihilfe, Sozial­hilfe) sowie die Abgaben auf Einkommen führen zu einer Um­verteilung der Einkommen. Das Gesamt­einkommen des obersten Einkommens­fünftels ist bei den Markt­einkommen neunmal so hoch wie jenes des untersten Einkommens­fünftels, bei den verfügbaren Einkommen ist es nur noch knapp viermal so hoch.

Im internationalen Vergleich ist dies ein hohes Ausmaß an Umverteilung durch Abgaben und Transfers. Ein höheres Ausmaß an Umverteilung weisen insbesondere Belgien und Finnland auf. In Spanien, Schweden oder Italien ist die Umverteilung hingegen etwas geringer, deutlich geringer ist sie in den USA und der Schweiz. Teilweise sind in den Ländern mit einer geringeren Umverteilung aber die Markt­einkommen gleicher verteilt. Eine wesentliche Rolle für das Ausmaß der Umverteilung spielt die Organisation des Pensions­systems, weil Pensionen aus einem Kapital­deckungs­verfahren im Gegensatz zu den öffentlichen Pensionen den Markt­einkommen zugerechnet werden.

Auch die Armuts­gefährdungs­quote ist in Österreich mit 14,3 % im Jahr 2024 im internationalen Vergleich eher niedrig. Als relatives Armutsmaß lässt diese allerdings nur bedingt Aussagen über die tatsächlichen Lebens­verhältnisse von Armut betroffener Haushalte zu. Der Anteil der Personen, die in materiell und sozial benachteiligten Haushalten leben (absolutes Armutsmaß), verzeichnete zuletzt einen Anstieg auf 3,7 % im Jahr 2024.

Zusammensetzung der verfügbaren Einkommen in den Einkommensdezilen

Die Umverteilung durch Abgaben und Transfers spiegelt sich in der unterschiedlichen Zusammen­setzung der verfügbaren Haushalts­einkommen wider. Der durch­schnittliche Anteil der Erwerbs­einkommen (netto) am gesamten verfügbaren Haushalts­einkommen lag im Jahr 2024 bei 65 %. Nach Einkommens­dezilen stieg dieser Anteil von 33 % im 1. Dezil auf 75 % im 10. Dezil an. Auf die Pensionseinkommen (netto) entfiel ein durchschnittlicher Anteil am verfügbaren Einkommen von 23 %, am höchsten war ihr Anteil im 2. und 3. Dezil mit etwa 35 %. Der Anteil der Transfer­leistungen (z. B. Arbeitslosen­geld, Familien­leistungen, Sozial­hilfe) am verfügbaren Einkommen ist in den unteren Einkommens­dezilen am höchsten. Die Vermögens­einkommen weisen hingegen in den oberen Dezilen die höchsten Anteile auf.

Auch die Zusammensetzung nach Haushalts­typ weist zwischen den Dezilen Unterschiede auf. Der Anteil der Personen in Haushalten ohne Kinder mit überwiegendem Markt­einkommen steigt von 17 % im 1. Dezil auf 61 % im 10. Dezil. Der Anteil der Personen, die in Markt­einkommens­haushalten mit Kindern leben, verteilt sich hingegen deutlich gleichmäßiger auf die Dezile. Pensionist:innen und Transfer­bezieher:innen sind in den unteren Einkommens­dezilen am stärksten vertreten.

Anteil der Abgaben auf Konsum am verfügbaren Einkommen

Das verfügbare Haushalts­einkommen stellt jenes Einkommen dar, das den Haushalten für Konsum und Sparen zur Verfügung steht. Die tatsächlichen Konsum­möglichkeiten der Privat­haushalte werden allerdings noch zusätzlich durch Abgaben auf den Konsum beeinflusst.

Im 1. Einkommensdezil beträgt der Anteil der geleisteten Konsum­abgaben am verfügbaren Einkommen 21 %, mit steigenden Einkommen sinkt er schrittweise auf 8 % im 10. Dezil. Konsum­abgaben wirken daher regressiv, wobei die regressive Wirkung zwischen den berücksichtigten Konsum­abgaben beträchtliche Unterschiede aufweist und bei Abgaben auf Tabak und alkoholische Getränke am stärksten ausgeprägt ist.

Abgabenbelastung im Verhältnis zu den Transferleistungen

Vergleicht man die von den Haushalten erhaltenen Transfers mit den Abgaben auf Konsum und Einkommen (ohne Dienstgeber­beiträge), haben 46 % der Haushalte im Jahr 2024 mehr monetäre Transfers erhalten als Abgaben bezahlt. Dieser Anteil ist mit dem Einkommen stark rückläufig und lag im 1. Dezil bei 78 % und im 10. Dezil bei 20 %.

Berücksichtigt man alternativ nur die Abgaben auf Brutto­einkommen, steigt der Anteil der Haushalte mit mehr Transfer­leistungen jeweils leicht. Umgekehrt sinkt er leicht, wenn auch Dienstgeber­beiträge bei den Abgaben einbezogen werden. Einen deutlicheren Einfluss auf die Anteile hat das Pensions­versicherungs­system, weil im Umlage­verfahren Haushalte mit Pensionist:innen kaum mehr Abgaben leisten als sie Pensionen erhalten. Rechnet man die erhaltenen Pensionen aus den Transfers heraus und berücksichtigt gleichzeitig auch die gezahlten Pensions­versicherungs­beiträge der Erwerbstätigen nicht, haben insgesamt 16 % der Haushalte mehr Transfers erhalten als Abgaben bezahlt. Selbst im untersten Dezil hat dann nur mehr etwa die Hälfte der Haushalte mehr Transfers erhalten.

Aufteilung von Abgabenlast und Transferbezug auf die Einkommensdezile

Das Gesamtvolumen der Markt- bzw. verfügbaren Einkommen sowie der geleisteten Abgaben bzw. empfangenen Transfer­leistungen teilt sich sehr ungleich auf die Einkommens­dezile auf.

Die Markteinkommen sind erwartungs­gemäß sehr ungleich auf die Einkommens­dezile aufgeteilt. Während auf das 1. Dezil nur 1 % der gesamten Markt­einkommen entfällt, liegt der Anteil des 10. Dezils bei 29 %. Auch von den insgesamt ausbezahlten Brutto­pensionen entfällt ein über­proportionaler Anteil auf die oberen Einkommens­dezile, da in diesen Einkommens­segmenten die ausbezahlten Pensionen besonders hoch sind. Bei den weiteren Transfer­leistungen entfällt hingegen auch vom Gesamt­volumen ein überproportionaler Anteil auf die unteren Einkommens­segmente. Die Anteile am Gesamtaufkommen aus den einkommens­abhängigen Abgaben steigen mit dem Einkommen stark an. Etwas mehr als die Hälfte des Aufkommens aus diesen Abgaben wird von Personen im 9. und 10. Einkommens­dezil geleistet. Die Umverteilung durch Abgaben und Transfers führt dazu, dass die verfügbaren Einkommen deutlich gleichmäßiger über die Dezile verteilt sind als die Markt­einkommen. Die Konsum­abgaben wirken zwar insgesamt regressiv. Der Anteil am Gesamt­aufkommen, das auf die Einkommens­dezile entfällt, steigt aber mit dem Einkommen an, weil die Konsum­ausgaben trotz einer geringeren Konsum­neigung mit dem Einkommen ansteigen.

Verteilungswirkung der von 2020 bis 2024 beschlossenen Maßnahmen

In Zusammenhang mit der COVID‑19-Krise, der Ökosozialen Steuerreform (ÖSSR) sowie der Teuerungs- und Energiekrise wurden im Betrachtungs­zeitraum 2020 bis 2024 Maßnahmen mit einem Entlastungsvolumen iHv 48,1 Mrd. EUR zur Steigerung der Haushalts­einkommen beschlossen. Etwa zwei Drittel davon betrafen dauerhaft wirkende Maßnahmen (z. B. Steuersenkungen durch die ÖSSR, Abgeltung der kalten Progression, Valorisierung zusätzlicher Sozial­leistungen). Mit 21 % war nur etwas mehr als ein Fünftel des Entlastungs­volumens zielgerichtet auf Haushalte mit geringem Einkommen ausgerichtet. Allerdings profitierten Haushalte mit geringem Einkommen auch von den breit angelegten Maßnahmen, wie etwa dem Klimabonus oder den steuerlichen Maßnahmen.

Vom Gesamtvolumen entfiel ein überproportionaler Anteil auf die oberen Einkommens­bereiche (z. B. 14 % auf das oberste Zehntel) und ein unterproportionaler Anteil auf die unteren (z. B. 6 % auf das unterste Zehntel). Diese Aufteilung des Entlastungs­volumens ist im Wesentlichen darauf zurückzu­führen, dass von den volumenstarken Änderungen des Einkommen­steuertarifs (v. a. schrittweise Tarif­senkung und Indexierung der Tarifstufen) Haushalte in den oberen Einkommens­segmenten stärker profitieren, da diese auch den Großteil der Einkommen­steuerlast tragen.

Im Verhältnis zum Einkommen war die Entlastungs­wirkung in den unteren Einkommens­bereichen hingegen höher. Am stärksten fiel die maßnahmen­bedingte Entlastung im 1. Dezil im Jahr 2022 mit 13,0 % des verfügbaren Einkommens aus. Im obersten Einkommens­dezil reichte die relative Entlastung von durchschnittlich 1,5 % des verfügbaren Einkommens im Jahr 2020 bis 5,3 % im Jahr 2024. Dabei handelt es sich um Durchschnitts­werte in den jeweiligen Dezilen. Wegen der unterschiedlichen Einkommens­zusammensetzung bzw. Anspruchs­berechtigung (z. B. Bezug gewisser Sozial­leistungen) kam es vor allem in den unteren Dezilen zu einer stärkeren Streuung, sodass ein Teil der Haushalte überdurchschnittlich und ein anderer Teil unterdurchschnittlich entlastet wurde.

Entwicklung der real verfügbaren Einkommen zwischen 2019 und 2024

Zusätzlich zur Einkommenserhöhung durch Maßnahmen stiegen die nominellen Einkommen durch Lohn- und Pensions­erhöhungen und weitere Gründe (z. B. Beschäftigungs­zuwachs, höheres durchschnittliches Arbeitslosengeld).

In den unteren drei Einkommens­dezilen waren die real verfügbaren Einkommen im gesamten Betrachtungs­zeitraum im Durchschnitt höher als im Vorkrisenjahr 2019. Dies ist im Wesentlichen auf die umgesetzten Unter­stützungs­maßnahmen zurückzuführen, die vor allem in den unteren Bereichen der Einkommens­verteilung zu signifikanten relativen Einkommens­zuwächsen führten.

In den mittleren und oberen Einkommensdezilen lag das real verfügbare Einkommen insbesondere 2023 und teilweise auch 2022 unter dem Vorkrisen­niveau 2019. Die realen Einkommens­verluste aufgrund der verzögerten Inflations­anpassung der Löhne und Pensionen wurden in diesem Zeitraum durch die Unterstützungs­maßnahmen im Durchschnitt nicht ausgeglichen. Im Jahr 2024 führten die realen Einkommens­zuwächse und das Fortbestehen der Maßnahmen (v. a. Abgeltung der kalten Progression) dazu, dass die realen Einkommen auch in diesen Einkommens­segmenten wieder über dem Niveau von 2019 lagen.

Bei der vorgenommenen Betrachtung der Einkommens­entwicklung nach Dezilen im Zeitverlauf ist zu berücksichtigen, dass eine gewisse Mobilität zwischen den Dezilen besteht und die Haushalte in einem bestimmten Dezil daher nicht immer dieselben sind. Außerdem handelt es sich in den einzelnen Dezilen um Durchschnitts­werte, sodass ein Teil der Haushalte einen stärkeren bzw. schwächeren Einkommens­zuwachs aufwies.

Für den internationalen Vergleich wird die Entwicklung der real verfügbaren Haushalts­einkommen pro Kopf in der EU gemäß Volkswirtschaftlicher Gesamt­rechnung (VGR) herangezogen. Das Wachstum in Österreich war mit insgesamt 3,1 % von 2019 bis 2024 etwas schwächer als im Euroraum (+5,0 %) bzw. in der EU (+5,4 %). Zwischen den Mitglied­staaten zeigte sich dabei eine große Streuung mit realen Zuwächsen über 15 % in Ungarn, Rumänien und Polen. Österreichs Nachbar­länder wiesen — mit Ausnahme Ungarns — ähnliche Wachstums­raten wie Österreich auf.