Budgetdienst - Anfragebeantwortungen 01.04.2019

Umverteilungswirkung des österreichischen Steuer- und Transfersystems

Anfragebeantwortung des Budgetdienstes

Überblick

Der Abgeordnete Andreas Hanger (ÖVP) ersuchte den Budget­dienst um eine Kurz­studie zur Umverteilungs­wirkung des österreichischen Steuer­ und Transfer­systems. Die Anfrage­beantwortung umfasst dazu einen internationalen Vergleich der Verteilung von Markt­einkommen und verfügbaren Einkommen und analysiert die Verteilungs­wirkung des Familien­bonus und der Senkung der Arbeitslosen­versicherungs­beiträge für niedrige Einkommen.

Die vollständige Anfragebeantwortung zum Download:

BD - Anfragebeantwortung zur Umverteilungswirkung des österreichischen Steuer- und Transfersystems / PDF, 2 MB

Kurzfassung

Zur Ermittlung der Umverteilungs­wirkung wird in der Kurz­studie die Verteilung der Markt­einkommen der Verteilung der verfügbaren Einkommen auf Haushalts ebene gegen­über­gestellt. Erstere beschreiben die Einkommens­situation der Haushalte vor Steuern und Transfers, letztere die Einkommen nach Steuern und Transfers, der Vergleich das Ausmaß der Umverteilung.

Österreich gehört im internationalen Vergleich zu jenen Staaten, in denen es durch das Steuer- und Transfer­system zu einer beträchtlichen Um­verteilung der Einkommen kommt. Der als gängiges Verteilungs­maß herangezogene Gini‑Koeffizient (liegt immer zwischen 0 und 1; je geringer der Wert, desto gleicher die Einkommens­verteilung) beträgt bei den Markt­einkommen 0,50 und bei den verfügbaren Ein­kommen 0,28, was einer Reduktion um 43 % entspricht. Eine ähnlich große Verteilungs­wirkung hat das Steuer- und Transfer­system etwa in Deutschland, Frankreich oder Belgien, in anderen europäischen Ländern wie Spanien, Schweden, Niederlande oder Italien (Gini-Reduktion zwischen 34 % und 37 %) ist die Veränderung hingegen geringer, allerdings sind teilweise die Markt­einkommen bereits gleicher verteilt. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei einer Betrachtung der relativen Armuts­quote (Anteil der Personen mit einem Ein­kommen niedriger als 60 % des verfügbaren Haushalts­median­einkommens). Diese liegt in Österreich bei den Markt­einkommen bei 36 % und bei den verfügbaren Einkommen bei 15 %, was einem Rück­gang um 58 % entspricht. Länder, in denen das Steuer- und Transfer­system in geringerem Ausmaß zur Um­verteilung beiträgt, weisen tendenziell eine höhere Spreizung der Einkommens­verteilung auf (Ausnahme Schweiz). Etwas verzerrt wird das Ausmaß der Umverteilung im internationalen Vergleich durch die unter­schiedlichen Organisations­formen der Pensions­systeme.

Die Abgaben­belastung aus Einkommen­steuern und Sozial­versicherungs­beiträgen zeigt einen insgesamt progressiven Verlauf, d. h. die durch­schnittliche Abgaben­belastung steigt mit dem Einkommen an. Dieser ist auf die Progression bei der Einkommen­steuer zurück­zu­führen, die Sozial­versicherungs­beiträge sind hingegen für Einkommen bis zur Höchst­beitrags­grundlage weitgehend proportional und verlaufen danach regressiv. Das Aufkommen aus der Lohn- und Einkommen­steuer weist eine hohe Konzentration im oberen Einkommens­dezil auf, das rd. 45 % des Gesamt­aufkommens leistet. Bei den Sozial­versicherungs­beiträgen stammen rd. 22 % des Gesamt­aufkommens von Haus­halten im obersten Einkommens­dezil, der Anteil des untersten Dezils liegt bei 2 %. Der Anteil der Transfer­leistungen am verfügbaren Einkommen nimmt mit steigendem Einkommen ab, liegt aber auch in den oberen Einkommens­segmenten bei fast 20 %. Insbesondere die Pensionen machen in allen Einkommens­bereichen einen beträchtlichen Anteil am verfügbaren Einkommen aus, die relative Bedeutung der übrigen Transfer­leistungen nimmt mit steigendem Einkommen hingegen deutlich ab. Während auf das oberste Einkommens­dezil rd. 16 % der gesamten Pensions­ausgaben entfallen, beträgt dieser Anteil bei den übrigen Transfer­leistungen nur rd. 5 %. Das unterste Einkommens­dezil erhält hingegen nur 4 % der gesamten Pensions­ausgaben, aber 15 % der übrigen Transfer­leistungen. Im untersten Einkommens­dezil stammen im Durch­schnitt mehr als 60 % der verfügbaren Einkommen aus Transfer­leistungen.

Einen wesentlichen Einfluss auf die Lebens­realitäten einzelner Haus­halte haben öffentliche Sach­leistungen (z. B. Gesundheits­versorgung, Kinder­gärten, Schulen), das Vorhandensein von Vermögen (z. B. ein Eigen­heim) und die Höhe der indirekten Abgaben (z. B. Umsatz­steuer, Mineralöl­steuer). Die Umverteilungs­studie des WIFO aus dem Jahr 2016 zeigt, dass die indirekten Abgaben eine regressive Wirkung aufweisen (der Anteil der indirekten Abgaben am Gesamt­einkommen beträgt im untersten Einkommens­dezil 17 %, im obersten Einkommens­dezil nur 6 %), wodurch die Verteilungs­wirkung des Abgaben­systems deutlich abgeschwächt wird. In Österreich tragen vor allem monetäre Transfer­leistungen und öffentliche Sach­leistungen zur Umverteilung bei.

Der Familien­bonus und die Senkung der Arbeitslosen­versicherungs­beiträge für niedrige Einkommen haben unmittelbaren Einfluss auf die Verteilung der verfügbaren Ein­kommen. Durch den Familien­bonus werden insbesondere Haus­halte im mittleren Einkommenss­egment entlastet, weil in diesem Bereich die durch­schnittliche Kinder­anzahl am höchsten ist und die Haus­halte bereits ein ausreichend hohes Ein­kommen aufweisen, um den Familien­bonus voll in Anspruch nehmen zu können. Der Gini‑Koeffizient sinkt durch die Einführung des Familien­bonus gering­fügig, sodass dieser insgesamt eine etwas gleichere Einkommens­verteilung bewirkt. Die Senkung der Arbeitslosen­versicherungs­beiträge für niedrige Einkommen führt aufgrund des geringen Reform­volumens nur zu einer gering­fügigen Veränderung der verfügbaren Einkommen. Der relative Anstieg ist mit 0,24 % im zweiten Einkommens­dezil am höchsten. Auf das unterste Einkommens­dezil hat diese Maßnahme nur eine geringe Auswirkung.