Budgetdienst - Anfragebeantwortungen 11.10.2022

Verteilungswirkung der drei Maßnahmenpakete zum Teuerungsausgleich

Analyse vom 11. Oktober 2022

Überblick

Der Abgeordnete Jakob Schwarz (Grüne) ersuchte den Budgetdienst um eine Analyse zur Verteilungs­wirkung der drei Maßnahmen­pakete zum Teuerungs­ausgleich in den Jahren 2022 und 2023. Auch der vom Ministerrat beschlossene Stromkosten­zuschuss sollte berücksichtigt werden. Für ein Alternativszenario, das eine Senkung des Umsatzsteuer­satzes auf bestimmte Produktgruppen vorsieht, sollten ebenfalls die budgetären Kosten und die Verteilungs­wirkung untersucht werden. Die Analyse beinhalt eine Darstellung der davon umfassten Maßnahmen sowie die Untersuchung der abgefragten Wirkungen.

Die vollständige Analyse zum Download:

BD - Anfragebeantwortung zur Verteilungswirkung der drei Maßnahmenpakete zum Teuerungsausgleich / PDF, 2416 KB

Kurzfassung

Die vorliegende Analyse zu einer Anfrage des Abgeordneten Jakob Schwarz untersucht die Verteilungs­wirkungen der ersten drei Maßnahmen­pakete zum Teuerungsausgleich und des Stromkosten­zuschusses in den Jahren 2022 und 2023. Für ein Alternativ­szenario werden zusätzlich die Verteilungswirkungen und budgetären Kosten einer Umsatzsteuer­senkung für bestimmte Produkte analysiert.

Maßnahmenpakete im Überblick

Die drei Pakete umfassen als kurzfristig wirkende einkommens­stärkende Maßnahmen Einmal­­zahlungen für vulnerable Gruppen (Arbeitslose sowie Ausgleichszulagen-, Mindestsicherungs- und Studien­beihilfen­bezieher:innen) und Entlastungs­maßnahmen für die breite Bevölkerung (Erhöhung Klimabonus und Anti‑Teuerungsbonus, Energiekosten­ausgleich), für Personen mit niedrigen Einkommen (z. B. Teuerungsabsetzbetrag), für Familien (z. B. Sonder-Familien­bei­hilfe) sowie für Pendler:innen. Preisreduzierend wirken die Senkung der Elektrizitäts- und Erd­gasabgabe, die Verschiebung der CO2‑Bepreisung und der geplante Stromkosten­zuschuss. Als strukturell wirkende Maßnahmen umfassen die Pakete insbesondere die Abgeltung der kalten Progression und die Indexierung bestimmter bisher nicht indexierter Sozialleistungen.

Das analysierte Gesamt­entlastungs­volumen beträgt insgesamt rd. 11,56 Mrd. EUR. Davon entfallen 6,48 Mrd. EUR auf das Jahr 2022 und 5,09 Mrd. EUR auf das Jahr 2023, wobei die Entlastungs­wirkung der Maßnahmen für die vorliegende Kurzstudie dem jeweiligen Steuerjahr bzw. dem Zeitraum des Strom­konsums zugeordnet wird.

Verteilungswirkung der drei Maßnahmenpakete zum Teuerungsausgleich

Die Gesamtentlastung durch die Maßnahmen ist relativ zum Einkommen in beiden Jahren in den unteren Einkommens­bereichen am höchsten. Im Jahr 2022 beträgt sie 10,2 % des durch­schnittlichen verfügbaren Einkommens beim Zehntel der Personen mit den niedrigsten durch­schnittlichen Haushalts­einkommen (1. Dezil). Mit dem Einkommen nimmt die Entlastung ab. Im 10. Dezil beträgt sie nur noch 1,3 %. Die Entlastung ist 2023 in den meisten Dezilen niedriger als im Jahr 2022 und liegt zwischen 5,1 % im untersten Dezil und 1,5 % im 10. Dezil. Im Jahr 2022 entlasten mehr Maßnahmen zielgerichtet die niedrigen Einkommen oder pauschal (fast) alle Einkommensbereiche, sodass die relative Entlastung der unteren Dezile in diesem Jahr vergleichsweise hoch ausfällt. Im Jahr 2023 wirkt hingegen die Abgeltung der kalten Progression in absoluten Zahlen stärker in den oberen Einkommens­bereichen. Dadurch ist der Unterschied in der relativen Entlastung zwischen den einzelnen Einkommens­bereichen 2023 geringer.

Für einzelne Haushalte kann die Entlastung deutlich von diesen Durchschnittswerten abweichen. Die durch die einkommens­stärkenden Maßnahmen bewirkte relative Entlastung variiert im untersten Dezil am stärksten. Bei 10 % der Personen in diesem Dezil beträgt sie 2022 zumindest 19,8 %, während sie bei weiteren 10 % der Personen höchstens 5,8 % ausmacht.

Betrachtet man die Aufteilung des Gesamtvolumens, so verteilt sich dieses insgesamt relativ gleichmäßig auf die Einkommens­bereiche. Dies resultiert vor allem aus dem hohen Volumen der auf eine breite Entlastung ausgerichteten Maßnahmen (z. B. Anti-Teuerungsbonus, Erhö­hung Klimabonus, Energiekosten­ausgleich, Stromkosten­zuschuss). Das unterste Einkom­mensfünftel erhält vor allem bei den Einmal­zahlungen für vulnerable Gruppen, bei der Valori­sierung von Sozial­leistungen sowie bei der Entlastung für Familien einen größeren Teil des Entlastungsvolumens. Gleichzeitig profitieren die oberen Einkommensbereiche überdurch­schnittlich von den Entlastungs­maßnahmen für Pendler:innen, von der Abgeltung der kalten Progression sowie von der Senkung der Energieabgaben.

Bei einer Betrachtung verschiedener Haushaltstypen ist die relative Entlastung der untersuch­ten Maßnahmen bei Alleinerzieher:innen­haushalten mit durchschnittlich 5,0 % im Jahr 2022 und 2,8 % im Jahr 2023 am höchsten. Neben den Maßnahmen für die breite Bevölkerung wirken sich hier insbesondere die Entlastungs­maßnahmen für Familien positiv aus. Etwas geringer ist die Entlastung bei Paarhaushalten mit Kindern (2022: 3,8 %, 2023: 2,3 %), bei Einpersonenhaushalten (2022: 3,1 %, 2023: 2,7 %) sowie bei Paarhaushalten ohne Kinder (2022: 2,6 %, 2023: 2,1 %).

Für die Verteilungs­wirkungen im Gendervergleich werden die persönlichen Netto­einkommen inklusive Transfer­zahlungen herangezogen. Das Gesamt­entlastungs­volumen der Maßnah­men­­pakete zum Teuerungs­ausgleich teilt sich relativ gleichmäßig auf Frauen und Männer auf, bei einzelnen Maßnahmen treten jedoch deutliche Unterschiede auf. Weil das durchschnitt­liche Netto­einkommen von Frauen geringer ist als jenes von Männern, bewirkt die im Durch­schnitt etwa gleich hohe absolute Entlastung einen höheren relativen Anstieg bei Frauen. Je nachdem, ob die Familien­beihilfe, der Kinder­absetz­betrag sowie der Klima­bonus (inklusive Anti-Teuerungsbonus) für Minderjährige bei der Berechnung auf den gesamten Haushalt auf­geteilt oder der:dem Bezieher:in (überwiegend Frauen) zugewiesen wird, steigt das durchschnittliche Netto­einkommen von Frauen durch die Maßnahmen im Jahr 2022 um 3,8 bis 3,9 % und im Jahr 2023 um 2,7 %. Bei Männern liegt der Anstieg im Jahr 2022 bei 2,6 bis 2,7 % und im Jahr 2023 bei 2,1 %.

Mehrbelastung durch die höhere Inflation

Die Mehrausgaben für Konsum im Vergleich zum Jahr 2021 und einer jährlichen Inflation von 2 % werden als Mehr­belastung durch die Teuerung definiert. Sie werden auf Basis der beobachteten bzw. vom WIFO für vier Teilindizes prognostizierten Inflations­raten bei unverän­dertem Konsum­verhalten berechnet. Die so geschätzte Belastung im Jahr 2022 beträgt durch­schnittlich 1.090 EUR pro Person. Ohne die preisreduzierenden Maßnahmen wäre sie um 69 EUR höher. Die Maßnahmen­pakete zum Teuerungs­ausgleich erhöhen die Einkommen um durchschnittlich 650 EUR pro Person. Im Vergleich zum durchschnittlichen Äquivalenzeinkom­men beträgt die inflationsbedingte Mehrbelastung 4,9 % und die Entlastung durch die einkom­menserhöhenden Maßnahmen 3,1 %.

Betrachtet man die zehn Dezile der Haushalts­einkommen nimmt die durchschnittliche Belas­tung durch die über 2 % pro Jahr hinausgehende Inflation wegen der höheren Konsumaus­gaben mit dem Einkommen zu. Im Verhältnis zum Einkommen ist die relative Belastung hin­gegen in den unteren Dezilen höher. Dies liegt vor allem daran, dass Haushalte in den unteren Einkommensbereichen einen höheren Anteil ihres Einkommens für Konsum verwenden. Im untersten Dezil steht im Jahr 2022 einer Belastung iHv 634 EUR eine Entlastung iHv 698 EUR gegenüber. Ab dem zweiten Dezil ist die geschätzte Belastung auf Basis der WIFO‑Prognose vom Oktober 2022 durchschnittlich höher als die Entlastung. Zu beachten ist, dass es sich dabei um Durchschnitts­werte handelt und sowohl die individuelle Belastung als auch die Ent­lastung von Haushalten davon stark abweichen kann.

Die geschätzte Belastung im Jahr 2023 ist in allen Einkommensbereichen deutlich höher als die Entlastung durch die analysierten Maßnahmen­pakete alleine. Im untersten Dezil beträgt sie durchschnittlich 17,0 % des Äquivalenz­einkommens, während die einkommens­erhöhen­den Maßnahmen einen Einkommens­zuwachs um 1,8 % bewirken. Ohne die preisreduzieren­den Maßnahmen (vor allem Stromkosten­zuschuss) wäre die Belastung im 1. Dezil um weitere 3,6 %‑Punkte höher. Bei einem Vergleich von Belastung durch die Inflation und Entlastung durch die Maßnahmen­pakete ist jedoch insbesondere ab dem Jahr 2023 zu berücksichtigen, dass die Nominaleinkommen vor allem durch höhere Lohn­abschlüsse und höhere Pensions­­anpassungen ebenfalls stärker steigen als bei einer Inflationsrate iHv 2 %. Darüber hinaus steigern Maßnahmen im Rahmen der Ökosozialen Steuerreform die Nettoeinkommen.

Betrachtet man den Gesamtanstieg der Haushaltseinkommen im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr, der sich aus den nominellen Einkommens­zuwächsen und den Entlastungs­maßnah­men (Teuerungs-Entlastungspakete und Ökosoziale Steuerreform) ergibt, ist dieser etwas höher als die Belastung durch die höhere Inflation. Dies gilt bei einer reinen Durchschnitts­be­trachtung für alle Dezile der Einkommens­verteilung. Für das Jahr 2023 ist der geschätzte durchschnittliche Einkommens­zuwachs hingegen etwas niedriger als die Belastung durch die höhere Inflation. Dabei übersteigt die durchschnittliche Belastung in den unteren sieben Dezilen die Einkommens­steigerung, in den oberen Dezilen liegt der gesamte Einkommens­zu­wachs im Durchschnitt hingegen etwas über der Belastung durch die höhere Inflation. Insbe­sondere in den untersten Einkommens­segmenten übersteigt die Mehr­belastung im Jahr 2023 die Einkommens­zuwächse deutlich.

Verteilungswirkungen der Umsatzsteuersenkung

In der vorliegenden Analyse wird auch die Wirkung von drei in der Anfrage definierten Varian­ten einer Umsatzsteuer­senkung untersucht. Gemäß einer nur grob möglichen Abschätzung auf Basis der Konsum­erhebung und des privaten Inlands­konsums gemäß Volkswirtschaft­licher Gesamt­rechnung variieren die budgetären Kosten der Varianten deutlich und liegen im Jahr 2022 im Bereich von etwas über 6 Mrd. EUR bei einer Senkung des ermäßigten Umsatz­steuer­satzes von 10 % auf 0 %, von knapp 3 Mrd. EUR bei einer Abschaffung der Umsatz­steuer auf Wohnungsmieten, Betriebskosten und Wohnenergie bzw. von etwa 2,3 Mrd. EUR bei einer Abschaffung der Umsatzsteuer auf Lebensmittel und alkoholfreie Getränke. Bei allen drei Varianten ist die Entlastungswirkung relativ zum verfügbaren Haushalts­einkommen im 1. Dezil am höchsten. Besonders deutlich fällt die Entlastung des untersten Dezils bei der Ab­schaffung der Umsatz­steuer auf Wohnungs­mieten, Betriebskosten und Wohnenergie auf­grund des dort höheren Anteils an Miethaushalten aus. Danach sinkt die relative Entlastungs­­wirkung in allen Varianten mit steigendem Einkommen, weil der Anteil der Konsum­ausgaben am Einkommen in den höheren Einkommens­bereichen deutlich zurückgeht. In Absolutwerten steigen die Konsum­ausgaben allerdings vor allem bei den von der Senkung der Umsatzsteuer auf Lebensmittel und des ermäßigten Umsatzsteuer­satzes umfassten Produktgruppen bei höheren Einkommen an, sodass auf diese ein etwas höherer Anteil des Entlastungs­volumens entfällt.