Budgetdienst - Analysen auf Anfrage 10.03.2017

Wirkungsorientierte Folgenabschätzung zum 2. Erwachsenenschutz-Gesetz

Überblick

Der Abgeordnete Bruno Rossmann (Grüne) ersuchte den Budgetdienst um eine Kurz­stellungnahme zur Wirkungs­orientierten Folgen­abschätzung der Regierungs­vorlage zum 2. Erwachsenen­schutz­gesetz (1461 d.B. XXV. GP), inwieweit diese den Grund­sätzen der Relevanz, der inhaltlichen Konsistenz, der Verständlichkeit, der Nach­vollziehbar­keit, der Vergleichbarkeit und der Über­prüfbarkeit entspricht. Die Analyse des Budget­dienstes vergleicht die Wirkungsorientierte Folgen­abschätzung der Regierungs­vorlage mit jener des Ministerial­entwurfs, der noch von deutlich höheren finanziellen Aufwendungen ausging, und umfasst eine Einschätzung im Hinblick auf die gesetzlichen Erfordernisse.

Die vollständige Analyse zum Download:

BD - Anfragebeantwortung zur WFA der RV zum 2. Erwachsenenschutz-Gesetz / PDF, 358 KB

Kurzfassung

Der Abgeordnete Bruno Rossmann ersuchte den Budgetdienst um eine Kurz­stellungnahme zur Wirkungs­orientierten Folgen­abschätzung der Regierungs­vorlage zum 2. Erwachsenen­schutz­gesetz (1461 d.B. XXV. GP). Die Abschätzungen der finanziellen Auswirkungen in der Regierungs­vorlage unterscheiden sich stark von jenen des Ministerial­entwurfs und die Erläuterungen dazu seien widersprüchlich.

Die grundlegenden Annahmen zur Entwicklung des Personal­aufwandes (und des daraus abgeleiteten betrieblichen Sach­aufwandes) werden nach Ansicht des Budget­dienstes nicht nach­vollziehbar erläutert. Während im Ministerial­entwurf noch von einem deutlichen permanenten Mehr­bedarf an Richter:innen, Rechts­pfleger:innen und Kanzlei­bediensteten ausgegangen wird, sieht die Regierungs­vorlage keinen zusätzlichen Personal­aufwand vor. Laut den Erläuterungen stehen dem Mehr­aufwand der Gerichte Minder­aufwendungen aus dem erwarteten starken Rückgang der gerichtlichen Erwachsenen­vertretung gegenüber. Aus Sicht des Budget­dienstes ist aus der Reform zunächst jedenfalls ein Mehr­aufwand bei den Gerichten zu erwarten, dem erst sukzessive Einsparungen gegen­überstehen werden.

Die zusätzlich übertragenen Aufgaben (obligatorisches Clearing, Errichtung und Registrierung von Vertretungen etc.) führen zunächst zu einem deutlich höheren Transfer­aufwand für die Förderung der Erwachsenen­schutz­vereine. Der Rück­gang der gerichtlichen Erwachsenen­vertretungen soll zu einer Entlastung der Erwachsenen­schutz­vereine und damit zu einem deutlich geringeren Personal­mehr­bedarf führen. Damit lässt sich jedoch insbesondere die deutliche Reduktion des zusätzlichen Förderungs­bedarfs zwischen 2020 und 2021 um 50 % nicht ausreichend erklären, weil für die Über­prüfung bestehender Sach­walterschaften ein wesentlich längerer Zeitraum zur Verfügung steht und bereits Wieder­bestellungs­verfahren anstehen könnten. Die Annahmen zur erwarteten bzw. angestrebten Änderung des Aufgabenportfolios der Erwachsenen­schutz­vereine (vermehrter Ressourcen­bedarf für Clearing­verfahren, dafür Rückgang der von Vereins­sachwaltern wahr­genommenen gerichtlichen Erwachsenen­vertretungen) und die damit verbundenen Auswirkungen auf den Förderungs­bedarf wären daher ebenso dazustellen und zu erläutern gewesen wie ein zeitlich befristeter Mehr­aufwand der Vereine in der Übergangs­phase.

Schließlich sind die Angaben zur Bedeckung der finanziellen Auswirkungen zu unbestimmt und daher nicht ausreichend nach­vollziehbar. Der "verbleibende Mehr­aufwand/Mehr­auszahlungen" soll aus dem der UG 13‑Justiz zu Verfügung stehenden Budget­rahmen bedeckt werden, erforderlichenfalls sollen Mehr­einzahlungen herangezogen werden. Es wäre gemäß der WFA-FinAV darzulegen, ob die finanzielle Bedeckung der Auszahlungen durch zusätzliche Mittel, Mittel­umschichtungen, die Entnahme von Rücklagen oder nicht­veranschlagte Einzahlungen gewährleistet werden soll. In der UG 13 bestehen Ende 2016 vorläufig (ohne Zuführung zum Jahres­ende) Rücklagen iHv 176,2 Mio. EUR. Deren Entnahme von Rück­lagen zur Bedeckung eines Mehr­bedarfs kann im Vollzug jedoch nur mit Zustimmung des BMF erfolgen oder müsste bereits im Rahmen der Budgetierung vorgesehen werden.

Aus Sicht des Budget­dienstes sind die grundlegenden Ausgangs­größen, Annahmen und Parameter der WFA bei mehreren Aufwands­positionen nicht im notwendigen Umfang transparent dargestellt und erläutert. Die Abschätzungen der finanziellen Auswirkungen und damit auch die Änderungen zwischen dem Ministerial­entwurf und der Regierungs­vorlage können daher nicht ausreichend nach­vollzogen werden.

Einzuräumen ist allerdings, dass die Schätzungen im konkreten Fall mit erheblichen Unsicher­heiten behaftet sind, weil die Ergebnisse stark von der Inan­spruch­nahme der neuen Instrumente und der Hand­habung durch die unabhängige Recht­sprechung abhängig sind. Auch das Bundes­ministerium für Justiz hat in einer Stellung­nahme gegenüber dem Budgetdienst nochmals darauf hingewiesen, dass die Entlastung der Gerichte und Erwachsenen­schutz­vereine voraus­setzt, dass die mit der Reform verfolgten Ziele in vollem Umfang verwirklicht werden können. Im Übrigen habe das BMF die WFA geprüft und für in Ordnung befunden.

Eine interne Evaluierung der WFA ist erst im Jahr 2023 vorgesehen und wird dem Nationalrat daher erst 2024 zugehen. Mit dem BMF wurde jedoch ein laufendes Monitoring der finanziellen Auswirkungen vereinbart. Der Budget­dienst regt daher an, die Ergebnisse dieses Monitorings dem National­rat jährlich (z. B. im Rahmen der Budgetberatungen) zur Verfügung zu stellen.

Bei deutlichen Veränderungen zwischen Ministerial­entwurf und Regierungs­vorlage, die nicht auf offensichtliche Änderungen des materiellen Regelungs­gehaltes oder auf konkrete Hinweise in Stellung­nahmen im Rahmen des Begutachtungs­verfahrens zurück­geführt werden können, erachtet der Budgetdienst entsprechende Darstellungen als Informations­grund­lage für die Abgeordneten bei der Beschluss­fassung für geboten. Dies würde die Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Abschätzungen deutlich erhöhen, auch wenn keine rechtliche Verpflichtung zur Begründung von Änderungen der finanziellen Auswirkungen gegenüber dem Ministerial­entwurf, die sich aus dem Begutachtungs­verfahren immer wieder ergeben können, besteht.