Fachinfos - Fachdossiers 16.12.2021

Untersuchungsausschuss – vom Verlangen bis zur Einsetzung

Wie wird ein solches Verlangen im Nationalrat behandelt? Wie wird der Untersuchungsausschuss letztlich eingesetzt? Ein Fachdossier beantwortet diese und weitere Fragen. (16.12.2021)

Untersuchungsausschuss – vom Verlangen bis zur Einsetzung

Am 13. Oktober 2021 haben Abgeordnete von SPÖ, FPÖ und NEOS von ihrem Minderheitsrecht Gebrauch gemacht und im Nationalrat gemeinsam ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses („ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss“) eingebracht. Wie wird ein solches Verlangen im Nationalrat behandelt? Wie wird der Untersuchungsausschuss letztlich eingesetzt? Die folgende Grafik bildet den Ablauf vom Zeitpunkt des Einbringens des Verlangens bis zur faktischen Einsetzung im Überblick ab.

Wie wird ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im National­rat eingebracht?

Mindestens 46 Abgeordnete des Nationalrates (ein Viertel seiner Mitglieder; sog. Einsetzungsminderheit) können die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verlangen. Abgeordnete dürfen jeweils nur einen Untersuchungsausschuss verlangen. Gibt es einen laufenden Untersuchungsausschuss, dessen Einsetzung sie unterstützt haben, dürfen sie kein weiteres Verlangen unterstützen (§ 1 Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA)). Ein solches Verlangen mit Angabe des Gegenstandes der Untersuchung ist dem Präsidenten/der Präsidentin in einer Sitzung des Nationalrates schriftlich zu überreichen. Außerhalb einer Sitzung kann das Verlangen somit nicht übergeben werden. Das Einlangen wird in der Sitzung bekannt gegeben. Eine Debatte darüber findet in der Sitzung statt, wenn fünf Abgeordnete dies verlangen oder der Nationalrat dies auf Antrag eines/einer Abgeordneten beschließt (§ 2 VO-UA).

Welchem Ausschuss wird das Verlangen zugewiesen?

Das Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist am Schluss der Sitzung seines Einlangens dem Geschäftsordnungsausschuss (GO-Ausschuss) zuzuweisen. Dieser hat binnen vier Wochen die Beratungen über das Verlangen aufzunehmen (§ 3 VO-UA). Binnen weiterer vier Wochen hat er seine Beratungen abzuschließen und Bericht an den Nationalrat zu erstatten. Die Berichterstattung erfolgt daher jedenfalls binnen acht Wochen nach der Einbringung. Der GO-Ausschuss hat zum einen die Zulässigkeit des Verlangens zu prüfen und zum anderen die personelle Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses festzulegen, VerfahrensrichterIn und Verfahrensanwalt/Verfahrensanwältin sowie deren StellvertreterInnen zu wählen und den grundsätzlichen Beweisbeschluss zu fassen. Der GO-Ausschuss entscheidet dabei immer mit einfacher Mehrheit.

Was prüft der GO-Ausschuss?

Der GO-Ausschuss hat zu prüfen, ob der im Verlangen formulierte Untersuchungsgegenstand verfassungsrechtlich zulässig ist. Der Untersuchungsgegenstand bildet die Grundlage und den Rahmen für alle weiteren verfahrensleitenden Beschlüsse (grundsätzlicher Beweisbeschluss, ergänzende Beweisanforderungen, Ladungsbeschlüsse etc.). Prüfungsmaßstab sind die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Untersuchungsgegenstand aus Art. 53 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG). Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat klargestellt, dass auch die einzelnen Beweisthemen Teil des Verlangens auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und demnach Prüfungsgegenstand des GO-Ausschusses sind. Für die Prüfung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Untersuchungsgegenstandes kann der GO-Ausschuss Sachverständige zur mündlichen oder schriftlichen Äußerung einladen.

Der GO-Ausschuss darf den im Verlangen bezeichneten Untersuchungsgegenstand nicht ändern, es sei denn, alle in der Sitzung anwesenden stimmberechtigten Abgeordneten, die das Verlangen unterstützt haben, stimmen dem zu (§ 3 VO-UA). Streichungen sind grundsätzlich auch ohne Zustimmung aller anwesenden stimmberechtigten Abgeordneten zulässig, wobei der Mehrheit enge Grenzen gesetzt sind. Streichungen, die zu inhaltlichen Änderungen führen, sind allerdings unzulässig. Eine teilweise Unzulässigkeitserklärung kommt damit nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, nämlich wenn eine Streichung vorgenommen werden kann, ohne dass dies in irgendeiner Art und Weise den Untersuchungsgegenstand in seiner Gesamtheit verändert.

Entscheidend ist, dass der GO-Ausschuss auf die Prüfung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Untersuchungsgegenstand beschränkt ist (siehe dazu das Fachdossier „Untersuchungsausschuss: Anforderungen eines Einsetzungsverlangens“). Eine Kontrolle der (politischen) Zweckmäßigkeit des Untersuchungsgegenstandes darf nicht durchgeführt werden. Nimmt die Mehrheit im GO-Ausschuss bei ihrer Prüfung dennoch eine eigene (ausschließlich) politische Wertung vor, ist dies verfassungsrechtlich unzulässig.

Welchen Anforderungen muss eine Feststellung der Unzulässigkeit des Verlangens genügen?

Im Hinblick auf ein anschließendes Verfahren vor dem VfGH muss die Ausschussmehrheit ihre Entscheidung der (teilweisen) Unzulässigkeit begründen (VfSlg. 20370/2020). Bei einer teilweisen Unzulässigkeitserklärung des Untersuchungsgegenstandes ist auch darzulegen und zu begründen, ob Teile des Untersuchungsgegenstandes ohne materielle Änderung des Rests streichbar sind.

Wie sieht das Ergebnis der Beratungen aus?

Kommt der GO-Ausschuss zum Ergebnis, dass der Untersuchungsgegenstand zulässig ist, muss er dies nicht ausdrücklich feststellen. Die Abstimmung im Ausschuss erfolgt dann lediglich über die weiteren verfahrensleitenden Beschlüsse (Wahl von VerfahrensrichterIn und Verfahrensanwalt/Verfahrensanwältin sowie deren StellvertreterInnen, grundsätzlicher Beweisbeschluss etc.). Es wird kein Beschluss über die Zulässigkeit des Untersuchungsgegenstandes getroffen. Im Ausschussbericht finden sich in diesem Fall nur die genannten weiteren Beschlüsse.

Kommt der GO-Ausschuss nach einem entsprechenden schriftlich eingebrachten Antrag eines/einer stimmberechtigten Abgeordneten mit Mehrheitsbeschluss zu dem Ergebnis, dass ein Untersuchungsgegenstand ganz oder teilweise verfassungsrechtlich unzulässig ist, hat er dies festzustellen, hinreichend zu begründen (siehe oben) und hierüber einen Bericht an den Nationalrat zu verfassen. Darin hat er die einzelnen als unzulässig beurteilten Teile des Verlangens genau zu bezeichnen. Die Unzulässigkeitserklärung muss sich auf den Teil des Verlangens beschränken, der als verfassungsrechtlich unzulässig erachtet wird. Die Mehrheit kann das Verlangen nur zur Gänze ablehnen, wenn sie es verfassungsrechtlich für gänzlich unzulässig hält.

Wie wird der Untersuchungsausschuss eingesetzt?

Über dieses Ergebnis hat der GO-Ausschuss dem Nationalrat spätestens vier Wochen nach Aufnahme der Beratungen (also spätestens acht Wochen nach Einbringung des Verlangens) Bericht zu erstatten (Ausschussbericht). Die Entscheidung des Ausschusses ist insofern abschließend, als im Nationalrat keine Beschlussfassung mehr stattfindet.

Mit Beginn der Behandlung des Berichts des GO-Ausschusses im Nationalrat gilt der Untersuchungsausschuss als in dem Umfang eingesetzt, den der Ausschuss für zulässig hielt. Zugleich werden die Beschlüsse des GO-Ausschusses wirksam (§ 4 VO-UA). Der maßgebliche Zeitpunkt wird von dem/der vorsitzführenden Präsidenten/Präsidentin in der Plenarsitzung festgestellt, im Amtlichen Protokoll festgehalten und unverzüglich auf der Website des Parlaments veröffentlicht. Der Untersuchungsausschuss ist sodann unverzüglich – in der Praxis in der Regel nach Schluss der Plenarberatungen – zu konstituieren. Die Teile des Untersuchungsgegenstandes, die vom GO-Ausschuss als unzulässig festgestellt wurden, bleiben unberücksichtigt.

Kann sich die Einsetzungsminderheit gegen einen „negativen“ Beschluss wehren?

Die Einsetzungsminderheit, also jenes Viertel der Mitglieder des Nationalrates, welches das Verlangen unterstützt hat, kann den Beschluss des GO-Ausschusses innerhalb von zwei Wochen beim VfGH anfechten (Art. 138b Abs. 1 Z 1 B-VG). Der VfGH ist dann dazu berufen, den Beschluss des GO-Ausschusses, mit dem das Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses für (teilweise) unzulässig erklärt wird, auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen.

Was entscheidet der VfGH?

In einem solchen Organstreitverfahren prüft der VfGH nur den (Mehrheits-)Beschluss des GO-Ausschusses über die (teilweise) Unzulässigkeit des Untersuchungsgegenstandes im Umfang seiner Begründung. Überprüft wird daher insbesondere, ob der GO-Ausschuss seiner Begründungspflicht nachgekommen ist und ob die Begründung für die Unzulässigkeit den rechtlichen Anforderungen genügt.

Das Verlangen der Einsetzungsminderheit auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bzw. der darin formulierte Untersuchungsgegenstand wird vom VfGH hingegen nicht direkt geprüft (siehe dazu das Fachdossier „Untersuchungsausschuss: Anforderungen eines Einsetzungsverlangens“). 

Im Ergebnis gibt der VfGH der Anfechtung – wenn sie zulässig ist – entweder statt und erklärt die (teilweise) Rechtswidrigkeit des Beschlusses des GO-Ausschusses (so im Fall VfSlg. 20.370/2020) oder er weist die Anfechtung ab.

Was bedeutet eine Entscheidung des VfGH?

Erklärt der VfGH, dass der angefochtene Beschluss des GO-Ausschusses zur Gänze rechtswidrig ist, gilt der Untersuchungsausschuss als im gesamten Umfang des Verlangens eingesetzt. Erklärt der VfGH den Beschluss des GO-Ausschusses für nur teilweise rechtswidrig, ist der Untersuchungsausschuss auch in jenen Teilen eingesetzt, die der VfGH nachträglich für zulässig befunden hat.

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