Fachinfos - Fachdossiers 07.10.2020

Wie wirkte sich COVID-19 auf Wahlen aus?

Das Fachdossier befasst sich mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Wahltermine und -abläufe in der ganzen Welt und klärt, wie gut die unterschiedlichen Wahlsysteme auf die Situation vorbereitet sind. (07.10.2020)

Wie wirkte sich COVID-19 auf Wahlen aus?

Die durch das Coronavirus ausgelöste Pandemie wirkt(e) sich auch auf Wahltermine und -abläufe auf der ganzen Welt aus. Bereits ausgeschriebene Wahlen wurden abgesagt und verschoben, die Abwicklung am Wahltag musste geändert werden, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern. Wählen und Gewählt-Werden zählen jedoch zu den fundamentalen Rechten in einer Demokratie und Änderungen können einen Grundrechtseingriff darstellen. Wahlen müssen in bestimmten Intervallen abgehalten werden. Das Wahlrecht muss tatsächlich ausgeübt werden können, ebenso wie die Wahlwerbung und die Willensbildung. Die Rechtsordnungen und Wahlsysteme sind für diese herausfordernde Balance zwischen Gesundheitsschutz und Wahlrecht unterschiedlich gut vorbereitet.

Österreich

Ende Jänner wurde COVID-19 in Österreich zur meldepflichtigen Krankheit nach dem Epidemiegesetz erklärt. Anfang März wurden die ersten Einreisebeschränkungen und in weiterer Folge lokale Quarantänen beschlossen. Ab 16. März 2020 trat der bundesweite Lockdown in Kraft. Dieser wurde erst ab 1. Mai gelockert. Zwei Bundesländer mussten die Kommunalwahlen knapp vor dem Wahltermin verschieben.

Das Land Vorarlberg war mit seiner Landesverfassung relativ gut vorbereitet. Art. 14 Landesverfassung ermöglicht für den Fall „außerordentlicher Verhältnisse“, die eine Wahl unmöglich machen, eine Wahlverschiebung auf bis zu neun Monate nach Beendigung dieser Verhältnisse. Im Fall von Gemeindevertretungswahlen entscheidet die Landesregierung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln über solche Maßnahmen. Die Gemeindevertretungs- und Bürgermeisterwahlen in Vorarlberg waren für Sonntag, den 15. März 2020 anberaumt, und wurden nur knapp davor mit Verordnung der Landesregierung vom 13. März abgesagt. Mit Änderung der Gemeindewahlordnung wurde klargestellt, dass einerseits die Wahlen neu auszuschreiben sind, andererseits aber bereits abgegebene Wahlvorschläge weiterhin gültig sind. Im Gemeindegesetz wurde eine Verfassungsbestimmung eingefügt, dass die nächsten regulären Gemeindewahlen jedenfalls im März 2025 stattzufinden haben. Die Wahlen 2020 fanden nun am 13. September, also sechs Monate später als ursprünglich ausgeschrieben, statt. Die Funktionsperiode der amtierenden Gemeindeorgane beträgt damit 4,5 Jahre statt der üblichen 5 Jahre. Die Wahlbeteiligung lag bei 53,4 % und damit im bisherigen Abwärtstrend.

In der Steiermark sollten die Wahlen in den Gemeinderat am 22. März 2020 stattfinden. Gleichzeitig sollten die Wahlen in den Migrantinnen- und Migrantenbeirat abgehalten werden. Dieses Gremium berät die Gemeinde in allen Angelegenheiten, die ausländische EinwohnerInnen betreffen. Um eine Verschiebung überhaupt möglich zu machen, musste zunächst der Landesgesetzgeber tätig werden. Mit der Novelle zur Gemeinderatswahlordnung vom 17. März 2020 wurde die Landesregierung u.a. ermächtigt, ein „laufendes Wahlverfahren“ für höchstens sechs Monate „auszusetzen“ und gleichzeitig bzw. gesondert einen neuen Wahltag festzusetzen. Die schließlich am 28. Juni abgehaltenen Wahlen wurden demgemäß auch mit den ursprünglichen Stimmzetteln und Wahlkarten durchgeführt. Maßgeblich war das zum Stichtag 6. Jänner erstellte Wählerverzeichnis. Damit waren Personen, die später das Wahlalter erreicht hatten, von der Wahl ausgeschlossen. Für die Abgabe der Stimmen im Wahllokal wurde eigens ein Hygiene-Leitfaden herausgegeben. Die Wahlbeteiligung lag mit 64 % deutlich unter dem Wert der letzten Wahl. Ob dies auf die Pandemie zurückzuführen ist, ist strittig.

Für die am 11. Oktober 2020 regulär stattfindende Gemeinderats- (und Landtags-)wahl in Wien traf der Landesgesetzgeber ebenfalls besondere Vorkehrungen. Mit der am 25. Juni beschlossenen Novelle zur Gemeindewahlordnung wurde die Frist für die Erstattung von Wahlvorschlägen vorverlegt, um mehr Zeit für den Druck von Wahlkarten zu haben. Außerdem stellt die Novelle sicher, dass zum Auszählen der abgegebenen Briefwahlkarten ausreichend Zeit vorhanden ist. Aufgrund des Infektionsrisikos wird nämlich mit einer erhöhten Inanspruchnahme der Briefwahl gerechnet. Um die Wahllokale am Wahltag zu entlasten, macht Wien auf das „Vorwählen“ mit Wahlkarte im zuständigen Wahlreferat oder per Post besonders aufmerksam. Mit Effekt: Am 23. September, also 14 Tage vor Ablauf der Beantragungsfrist, konnte ein Wahlkartenrekord gemeldet werden. Das Personal wurde aufgestockt. Wahllokale unter 40 m2 wurden in größere Räume übersiedelt, um die Abstandsvorschriften einhalten zu können – sowohl beim Wählen als auch beim Stimmenzählen.

Volksbegehren auf Bundesebene: Die für die Zeit vom 22. bis 29. Juni 2020 anberaumte Eintragungswoche für fünf Volksbegehren wurde beibehalten. Die mit Änderung des Volksbegehrengesetzes (Anfang April 2020) geschaffene Ermächtigung des Innenministers zur Verschiebung im Fall eingeschränkter Bewegungsfreiheit musste in diesem Fall nicht in Anspruch genommen werden.

Internationale Entwicklungen

Weltweit wurden wegen COVID-19 mehr als 71 nationale Wahlen von Staaten oder Teilstaaten verschoben. Zumindest 67 Staaten oder Teilstaaten hielten trotz Coronakrise Wahlen ab (Stand 4. Oktober 2020 (in englischer Sprache)).

Wenn Wahlen während einer Pandemie stattfinden, wird häufig befürchtet, dass vor allem Menschen mit schlechtem Gesundheitszustand oder ältere Personen der Wahl fernbleiben. Der verstärkte Einsatz von „fliegenden Wahlkommissionen“ und Formen der Distanzwahl (z.B.: Briefwahl oder Internet-Voting) können dem entgegenwirken. Vorteile einer Distanzwahl liegen in den geringeren Gesundheitsrisiken im Vergleich zu einer Präsenzwahl. Distanzwahlen rufen jedoch Bedenken hinsichtlich der geheimen Wahl und der Anfälligkeit für Wahlbetrug hervor. Formen der Distanzwahl bestehen zumeist ergänzend zu einer Präsenzwahl.

Die gänzliche Ersetzung der physischen Stimmabgabe durch eine Distanzwahl ist in der COVID-19-Pandemie bisher die Ausnahme. Ein Beispiel waren die Kommunalwahlen in Bayern: Nach dem umstrittenen ersten Wahlgang am 15. März 2020 fanden die Stichwahlen am 29. März ausschließlich via Briefwahl statt. Eine physische Stimmabgabe in Wahllokalen war nicht möglich. Estland gilt als Vorzeigeland, wenn es um digitale Wahlen geht. Die estnischen Erfahrungen (in englischer Sprache) zeigen allerdings, dass die Einführung neuer Regelungen in ein Wahlsystem Zeit braucht. Auf eine ausreichende Vorlaufzeit für neue Wahlvorschriften weist auch die Venedig-Kommission im Code of Good Practice in Electoral Matters (in englischer Sprache) hin, wonach Wahlrecht innerhalb eines Jahres vor der nächsten Wahl möglichst nicht geändert werden sollte (außer es ist für faire Wahlen erforderlich und entspricht dem erwähnten Code of Good Practice).

In der Schweiz wird die Möglichkeit zur Briefwahl seit längerem schon in hohem Maße genutzt. Die Briefwahlquote liegt zwischen 70 und 90 %. Trotzdem wurde die für 17. Mai 2020 angesetzte Volksabstimmung über nationale Vorlagen vom Bundesrat (d.h. der Bundesregierung) auf den 27. September 2020 verschoben. Die Coronapandemie und die ergriffenen Gegenmaßnahmen hätten, so die Begründung, die Abstimmungsorganisation wie auch die freie Meinungsbildung infrage gestellt. Die Auszählung der Briefstimmen beginnt regulär vor dem Abstimmungstag, wurde aber bei der Abstimmung im September teilweise noch um einen weiteren Tag früher gestartet, um das Resultat nicht zu spät am Tisch zu haben.

Ursprünglich für 29. März 2020 angesetzt, aber von der Regierung verschoben, fand am 20. und 21. September in Italien ein Referendum (in englischer Sprache) über die Verkleinerung der Parlamentskammern (Senat und Abgeordnetenkammer) statt. Ebenso fanden teilweise Regional- und Kommunalwahlen statt. Italien (in englischer Sprache) ermöglicht eine Stimmabgabe aus dem Ausland nur für Wahlberechtigte, die sich länger in einem (anderem) EU-Land aufhalten. Personen, die sich in Heimquarantäne befanden (rund 40.000 insgesamt) wurden von entsprechend ausgestattetem Wahlpersonal aufgesucht. Im Wahllokal wurden strenge Schutzvorkehrungen getroffen. Von den 46,5 Millionen in Italien wohnhaften Wahlberechtigten gingen 53,84 % (in italienischer Sprache) zur Volksabstimmung. Im Vergleich dazu lag diese Beteiligung beim Verfassungsreferendum vom 4. Dezember 2016 bei 68,49 % (in italienischer Sprache).

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