Stellungnahme
Stellungnahme betreffend die Regierungsvorlage (1289 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz und das Gentechnikgesetz geändert werden
Bei den Stellungnahmen handelt es sich nicht um die Meinung der Parlamentsdirektion, sondern um jene der einbringenden Person bzw. Institution. Mehr Informationen finden Sie in den Nutzungsbedingungen.
Inhalt
--- Änderung Arzneimittelgesetz ---
Als Apotheker, für den das Wohl der Patienten und die Arzneimittelsicherheit stets an erster Stelle stehen, muss ich mit Entsetzten feststellen, dass die vorgeschlagenen Änderungen des Arzneimittelgesetztes dem allgemeinen Grundsatz (Artikel 3) der EU-Verordnung Nr. 536/2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln diametreal widersprechen. Laut Artikel 3 dieser EU-Verordnung „darf eine klinische Prüfung nur durchgeführt werden, wenn die Rechte, die Sicherheit, die Würde und das Wohl der Prüfungsteilnehmer geschützt sind und Vorrang vor allen sonstigen Interessen haben.“
Im Entwurf finden sich zahlreiche Paragrafenstreichungen (siehe unten) welche Sicherheit und Wohl der Prüfungsteilnehmer gefährden.
Bereits den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ist zu entnehmen, dass die nationale Gesetzgebung anderen Zielen Vorrang gibt, nämlich „ein effektives (schnelles, Anm.) Genehmigungsverfahren zu etablieren, um damit zur Attraktivierung des Forschungsstandorts beizutragen.“
Dass es künftig um Schnelligkeit auf Kosten der Sicherheit gehen soll, ist den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu entnehmen: „Das Bundesamt hat die Stellungnahme der Ethikkommission grundsätzlich zu übernehmen, kann jedoch in besonderen Fällen davon abweichen (vgl. bisher § 40 Abs. 5, wobei die BEFASSUNG DES ARZNEIMITTELBEIRATES AUF GRUND DER FRISTEN NICHT IN BETRACHT KOMMT UND DAHER DARAUF VERZICHTET WIRD).“
Laut EU-Verordnung Nr. 536 (34) sollen durch die Mitgliedsstaaten „besondere Bestimmungen sollten zum Schutz von schwangeren und stillenden Frauen, die an klinischen Prüfungen teilnehmen, festgelegt werden, insbesondere dann, wenn die klinische Prüfung mit keinem direkten Nutzen für sie oder ihren Embryo, ihren Fötus oder ihr Kind nach der Geburt verbunden ist.“
ANSTATT BESONDERE BESTIMMUNGEN ZUM SCHUTZ DER PRÜFUNGSTEILNEHMER FESTZULEGEN MACHT DIE REGIERUNGSVORLAGE GENAU DAS GEGENTEIL: SIE STREICHT DIE FÜR DIE SICHERHEIT DER PRÜFUNGSTEILNEHMER RELEVANTEN PARAGRAFEN!
FOLGENDE PARAGRAFEN SOLLEN ERSATZLOS AUS DEM AMG GESTRICHEN WERDEN:
§ 30. „Die klinische Prüfung von Arzneimitteln darf an gebärfähigen Frauen,
mit Ausnahme der Fälle des § 44, nur durchgeführt oder fortgesetzt werden, wenn vor und in ausreichender Wiederholung während der klinischen Prüfung das Nichtvorliegen einer Schwangerschaft festgestellt wird.“
- AUS DEM AMG GESTRICHEN !
§ 39. (1) „Aufklärung und Information müssen sowohl mündlich als auch schriftlich gegeben werden. Die Information muss klarstellen, dass die Ablehnung, an der klinischen Prüfung teilzunehmen, oder das Ausscheiden aus der klinischen Prüfung zu einem beliebigen Zeitpunkt OHNE NACHTEILIGE FOLGEN, insbesondere für die weitere medizinische Versorgung des Prüfungsteilnehmers bleibt:“
- AUS DEM AMG GESTRICHEN !
§ 40. (5) „Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen kann, sofern es Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen der Stellungnahme der Ethikkommission oder deren Richtigkeit hat, den Arzneimittelbeirat mit der Prüfung des Genehmigungsantrags beauftragen. Sofern dieser die Durchführung der klinischen Prüfung befürwortet, kann von einer Untersagung Abstand genommen werden.“
- NACH DER GEPLANTEN ÄNDERUNG SOLL DER ARZNEIMITTELBEIRAT GAR NICHT MEHR BEFASST WERDEN – AUS ZEITGRÜNDEN !
„(6) Die Durchführung einer klinischen Prüfung im Zusammenhang mit Arzneimitteln für Gentherapie[…] bedarf einer Genehmigung des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen.
(8) Für eine klinische Prüfung im Zusammenhang mit Arzneimitteln für Gentherapie gelten neben den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes die Anforderungen der §§ 74 bis 79 des Gentechnikgesetzes.“
- AUS DEM AMG bzw. GENTECHNIKGESETZ GESTRICHEN !
§ 41d. (1) „Der Prüfer hat dem Sponsor unverzüglich Bericht über alle schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse zu erstatten, [...] (3) Im Falle des Todes eines Prüfungsteilnehmers hat der Prüfer dem Sponsor alle zusätzlich geforderten Auskünfte zu übermitteln. (4) Der Sponsor hat alle unerwünschten Ereignisse ausführlich zu dokumentieren, die ihm von den Prüfern mitgeteilt werden.“
- AUS DEM AMG GESTRICHEN !
§ 42. „(1) Die Klinische Prüfung eines Arzneimittels darf an Minderjährigen nur durchgeführt werden, wenn 1. das Arzneimittel, das geprüft wird, zum Erkennen, zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten bei Minderjährigen bestimmt ist […] 2. die Anwendung des Arzneimittels, das geprüft wird, nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft angezeigt ist, um bei dem Minderjährigen, an dem die klinische Prüfung durchgeführt wird, Krankheiten zu erkennen, zu heilen oder zu lindern oder ihn vor Krankheiten zu schützen und der mit der Einbeziehung in die klinische Prüfung verbundene Nutzen für den Prüfungsteilnehmer das Risiko überwiegt.[...]“
- AUS DEM AMG GESTRICHEN !
§ 44. (1) "Die klinische Prüfung eines Arzneimittels darf an einer Schwangeren nur durchgeführt werden, wenn 1. das Arzneimittel, das geprüft wird, zum Erkennen, zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten bei Schwangeren oder ungeborenen Kindern bestimmt ist, 2. die Anwendung des Arzneimittels nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft angezeigt ist, um bei der Schwangeren, an der die klinische Prüfung durchgeführt wird, oder bei ihrem ungeborenen Kind Krankheiten oder deren Verlauf zu erkennen, sie zu heilen oder zu lindern oder diese vor Krankheiten zu schützen, 3. nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Durchführung der klinischen Prüfung voraussichtlich keine Risken für das ungeborene Kind mit sich bringt und 4. die klinische Prüfung nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft nur an Schwangeren ausreichende Prüfungsergebnisse erwarten läßt. […]“
Auch dieser Paragraf 44 über Bestimmungen für die klinische PRÜFUNG eines Arzneimittels an SCHWANGEREN soll AUS DEM AMG GESTRICHEN werden, entgegen der EU-Verordnung Nr. 536/2014 welche vorsieht, dass besondere Bestimmungen zum Schutz von schwangeren und stillenden Frauen, die an klinischen Prüfungen teilnehmen, festgelegt werden sollten.
---Änderung Gentechnikgesetz ---
Laut den Erläuterungen der Regierungsvorlage soll bei therapeutischen
Anwendungen von GVO nur mehr die Prüfung eines allfälligen Umweltrisikos durch Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt geregelt werden.
Bereits bei der Lektüre der Erläuterungen zu den geplanten Änderungen im Gentechnikgesetz wird klar, DASS ES BEI DER ANWENDUNG VON GVO AM MENSCHEN UM GESCHWINDIGKEIT GEHEN SOLL - AUF KOSTEN DER SICHERHEIT UND GESUNDHEIT DER BEHANDELTEN MENSCHEN:
„Das Verfahren wurde vereinfacht und auf diese Aspekte eingeschränkt und sieht nun weder ein Anhörungsverfahren noch die Befassung des zuständigen Wissenschaftlichen Ausschusses der Gentechnikkommission vor,[…]“ was zu einer Verfahrensbeschleunigung führt. „Dem Ausschuss gehören keine Experten für Gentherapie mehr an. […] Die Kontrollen für Gentherapien entfallen. Aufgrund des § 74 Abs. 5. letzter Satz ist eine eigene Anordnung für Kontrollen bei die Anwendung von GVO zu therapeutischen Zwecken nicht mehr erforderlich.“
In der AKTUELLEN Fassung sorgen die Bestimmungen des §74 für SICHERHEIT:
„Eine somatische Gentherapie am Menschen darf nur […] 1. zum Zwecke der Therapie oder der Verhütung schwerwiegender Erkrankungen des Menschen oder 2. zur Etablierung hiefür geeigneter Verfahren im Rahmen einer klinischen Prüfung (§ 76) und nur dann durchgeführt werden, wenn nach dem Stand von Wissenschaft und Technik AUSGESCHLOSSEN werden kann, daß dadurch eine Veränderung des Erbmaterials der Keimbahn erfolgt. Ist nach dem Stand von Wissenschaft und Technik das Risiko einer Veränderung des Erbmaterials der Keimbahn nicht völlig auszuschließen, so darf die somatische Gentherapie nur angewendet werden, wenn dieses Risiko von dem von der Anwendung der somatischen Gentherapie zu erwartenden Vorteil für die Gesundheit dieses Menschen überwogen wird, und NUR BEI MENSCHEN, DIE MIT SICHERHEIT KEINE NACHKOMMEN HABEN KÖNNEN“
All diese Bestimmungen des §74 Gentechnikgesetz sollen nun GESTRICHEN werden! Nach der vorgeschlagenen Änderung hat die Behörde gemäß §74 (4) (neu) einen Antrag zur Anwendung zu genehmigen, „wenn nachteilige Folgen für die Sicherheit NICHT ZU ERWARTEN SIND.“
Die wahre Absicht hinter der geplanten Änderung des Gentechnikgesetzes offenbart sich in den Erläuterungen zu Z 23 (§ 108b): „Da bereits im Verfahren nach der alten Rechtslage die Sicherheit des GVO umfassend geprüft wurde, können die alten Genehmigungen der somatischen Gentherapie wie Genehmigungen, die nach der neuen Rechtslage erteilt wurden, behandelt werden. […] Aufgrund der VEREINFACHUNG des Verfahrens gegenüber der bisherigen Rechtslage wird jedoch auch die Fortsetzung des Verfahrens unter Anwendung der neuen Bestimmung mit einem „Opt-In Modell“ ermöglicht.“
Das bedeutet nichts Geringeres, als dass nicht nur künftige sondern auch laufende VERFAHREN ZU GEN-BASIERTEN IMPFSTOFFEN, die derzeit noch den alten, strengeren Bestimmungen unterliegen, durch ein „Opt-In“ plötzlich nur noch DEN NEUEN, LAXEREN BESTIMMUNGEN unterliegen würden.
MEHR TEMPO, WENIGER KONTROLLE UND DAMIT WENIGER SICHERHEIT, DAS SCHEINT DAS MOTTO DER GEPLANTEN ÄNDERUNGEN IM ARZNEIMITTEL- UND GENTECHNIKGESETZ ZU SEIN !
DIESE ÄNDERUNGEN DÜRFEN SO NICHT BESCHLOSSEN WERDEN, SONST WIRD DIE ARZNEIMITTELSICHERHEIT IN ÖSTERREICH DAMIT ZU GRABE GETRAGEN!
Mag. pharm. Karl Böhm, Apotheker