Buchpreisbindungsgesetz 2023 (6/SN-221/ME)

Stellungnahme zu Ministerialentwurf

Stellungnahme zu dem Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz über die Preisbindung bei Büchern (Buchpreisbindungsgesetz 2023 – BPrBG 2023)

Bei den Stellungnahmen handelt es sich nicht um die Meinung der Parlaments­direktion, sondern um jene der einbringenden Person bzw. Institution. Mehr Informationen finden Sie in den Nutzungsbedingungen.

Inhalt

Mein Name ist Andreas Brunner. Seit mehr als dreißig Jahren habe ich in unterschiedlichen Positionen mit der Ware und dem Kulturgut Buch zu tun – als Buchhändler, als Literaturagent und als Bibliothekar. Zusammen mit meinem Team führe ich QWIEN, das queere Archiv Wiens. Das Archiv umfasst auch eine öffentlich zugängliche Bibliothek, die sowohl im akademischen als auch im volksbildenden Teil wichtige Funktionen übernimmt. Vordergründig sollte man meinen, ich sollte mich als Bibliotheksbetreiber über die Steigerung des Rabatts für öffentliche Bibliotheken freuen, weil hierdurch ja das Budget indirekt erhöht wird. Tatsächlich muss ich aber größter Sorge über diesen nicht nur allzu kurzfristig gedachten Nutzeffekt Ausdruck verleihen.
Ich habe vor meiner Arbeit für das Archiv QWIEN auch einige Jahre im Buchhandel gearbeitet und unter anderem maßgeblich beim Aufbau der Buchhandlung Löwenherz mitgewirkt. Danach war ich mehr als ein Jahrzehnt als Literaturagent tätig. Ich kenne daher das Buchgeschäft nicht nur von einem Blickwinkel aus. Mir sind daher auch die betriebswirtschaftlichen Bedingungen des Buchhandels – auf die das Gesetz sich bezieht – geläufig. Die Autor:innen der Gesetzesvorlage scheinen hingegen wenig Ahnung zu haben. Schon jetzt sind die zu gewährenden 10% für Buchhandlungen ökonomisch häufig grenzwertig, 20% sind dann auch bei einer beschönigend nur so zu nennenden „Mischkalkulation“ für eine kleine oder mittlere Buchhandlung, die buchhändlerische Aufgaben ernst nimmt, bestimmt nicht mehr rentabel.
Als Bibliothek, die in einem hohen Ausmaß akademische Bücher bestellt, würden wir bald auch keine Buchhandlung mehr finden, die uns überhaupt beliefert, weil gerade Bücher für unser Bibliothekssortiment mit wesentlich geringeren Rabatten versehen sind, als belletristische Massenware. Wir wären gezwungen im Onlinehandel zu bestellen und bekämen gar keinen Rabatt, zudem gäbe es keine Wertschöpfung in Österreich. Wenn der stationäre Buchhandel stirbt, weil er sich aus den Erlösen nicht mehr finanzieren kann, werden wir in Zukunft wohl auf den Onlinehandel angewiesen sein – und das heißt Amazon. Und dort gibt es für Buchhandlungen gar keinen Rabatt, außer Sie kippen auch gleich die Buchpreisbindung.
Ich möchte – gerade als Verantwortlicher für eine öffentliche Bibliothek – hier deutlich auf die vielfältigen Aufgaben und Leistungen einer qualifizierten Buchhandlung hinweisen, auf die wir immer wieder zurückgreifen und strukturell mitunter auch angewiesen sind. Buchhandlungen sind ja beileibe nicht einfach Logistiker, die dafür sorgen, dass ein Buch vor Ort verfügbar ist. Schon für diese „schlichte“ logistische Arbeit ist – gerade im wissenschaftlichen, aber auch im thematisch anspruchsvollen Bereich und hierzu zählen ja die meisten öffentlichen Bibliotheken – sehr viel zeitintensive Arbeit nötig. Jedoch erstellen Buchhandlungen darüber hinaus Themenkataloge, halten Kontakt mit Verlagen und ihren Lektoraten, stellen Kontakte her – kurz: Buchhandlungen stellen eine inhaltliche Hintergrundstruktur zur Verfügung, auf die gerade wir als Bibliotheken immer wieder zurückgreifen können und häufig müssen. All dies sind gerade keine konkreten Auftragsarbeiten, für die als geldwerte Leistung irgendeine Vergütung den Buchhandlungen zufließen würde, dies ist schlicht die Arbeit, die gute Buchhandlungen im Vorfeld tun, ebenso wie sie ihr Ladensortiment auswählen und vorfinanzieren, um es zur Auswahl zeigen zu können. Die Buchhandlungen finanzieren sich aber letztlich ausschließlich aus ihren Umsatzerlösen, die von ihnen bereitgestellte inhaltlich qualifizierte Infrastruktur ist als Dienstleistung für sie nicht verrechenbar.
Verschwände diese qualifizierte Infrastruktur gerade kleiner und mittlerer Buchhandlungen, bedeutete dies für uns einen nicht zu unterschätzenden Verlust im Bezug auf Aufbau und Pflege unserer Bibliothek; ich denke, dies träfe viele Bibliotheken zwar im Konkreten immer wieder unterschiedlich, im Kern aber vergleichbar.
Ich kann darum die Erhöhung des Rabattes für öffentliche Bibliotheken – den wir ja allein schon wegen unserer Rechnungsprüfung auch auszuschöpfen gezwungen wären – nur als kurzfristigen, in keiner Weise nachhaltigen Aktionismus ablehnen, der unserer Arbeit langfristig weitaus größeren Schaden zufügen würde, als durch die vermehrten Einkäufe wettzumachen wäre. Vielmehr sollten die politisch Handelnden aus der Notwendigkeit, die Budgets der Bibliotheken zu erhöhen, den richtigen Schluss ziehen und die öffentliche Dotierung erhöhen – und nicht diejenigen, die unsere Arbeit engagiert begleiten diese Kosten tragen lassen.

Stellungnahme von

Brunner, Andreas (1040 Vienna)

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