Stellungnahme zu Ministerialentwurf
Stellungnahme zu dem Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz über die gehobenen medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Gesundheitsberufe (MTD-Gesetz 2024 – MTDG)
Bei den Stellungnahmen handelt es sich nicht um die Meinung der Parlamentsdirektion, sondern um jene der einbringenden Person bzw. Institution. Mehr Informationen finden Sie in den Nutzungsbedingungen.
Inhalt
Meine Stellungnahme ist auch auf geriatrie2go.eu erschienen: https://geriatrie2go.eu/2024/05/begutachtung-der-mtd-gesetzesnovelle/
Gleich zu beginn sticht ins Auge, dass man sich bei der Benennung der Berufsgruppen nun vom antiquierten gehobenen medizinisch-technischen Dienstes weg bewegt. Man wählt den im Wiener Gesundheitsverbung geprägten Begriff der MTDG: die medizinischen, therapeutischen und diagnostischen Gesundheitsberufe.
Endlich können – auch wenn die Umsetzung noch nicht ganz klar ist – Angehörige der gehobenen medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Gesundheitsberufe Arzneimittel und Hilfsmittel verordnen. Heilnahrungen für die Enterale Ernährung könnten so zum Beispiel von Diätolog*innen direkt verordnet werden. Ebenso Rollmobile durch die Physiotherapie.
In § 33 findet die Multiprofessionalität als Berufspflicht den Weg in den Gesetzestext. Das ist begrüßenswert und sollte Standard in allen Gesetzen sein, die Gesundheitsberufe betreffen.
Auch der MTD-Beirat der als Gegenpol zur Ärztekammer direkt am Verhandlungstisch mit dem Gesundheitsministerium sitzen soll ist eine gute und wichtige Neuerung.
Dass es aber weiterhin keinen Direct Access zu zumindest mancher der Berufsgruppen der gehobenen medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Gesundheitsberufe gibt stößt sauer auf und wirkt nicht nach einem Gesetz, das 2024 geschrieben wurde.
Eine ganz konkrete Frage habe ich da noch, was den Berufssitz angeht: Wenn ich nur Hausbesuche mache, und meinen Privatwohnsitz als Berufssitz angegeben habe, besucht mich dann auch der Amtsarzt? Denn genau das suggeriert § 30 Abs 5.
In meiner Stellungnahme an das Gesundheitsministerium schließe ich mich Physio-Austria an:
Das Regierungsprogramm der Bundesregierung sieht im Kapitel „Gesundheit“ u.a. die „Attraktivierung der im Gesundheitsbereich tätigen Berufsgruppen“ vor. Ebenso die Stärkung und Aufwertung der nichtärztlichen Gesundheitsberufe wie auch unter Bezugnahme auf diese Zielsetzung die Erweiterung der Kompetenzen und Ermöglichung von effizienten wie auch qualitätsgesicherten Versorgungsabläufen. In dem Zusammenhang sind die Gesetzesnovelle und ihre Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode notwendig. Folgende Forderungen müssen daher unbedingt beachtet werden.
Berufsbild (1. Hauptstück, 1. – 7. Abschnitt, §§1 – 24):
Die neuen Aspekte des Berufsbilds sind grundsätzlich begrüßenswert.
Eigenverantwortung und Zusammenarbeit:
Zur Anordnung/Zuweisung folgende Anmerkungen:
Um die neu eingeführten Begrifflichkeiten (Anordnung/Zuweisung) zu erklären und Klarheit über den Kernbereich des Berufsbilds (konkrete Tätigkeiten) zu schaffen, sollte im Wege von konkreten gesetzlichen Begriffsbestimmungen eine Interpretationsanleitung für Berufsangehörige und Patient*innen geschaffen werden. Dies ist im Psychotherapiegesetz (PthG 2024, § 4) ausgezeichnet dargestellt.
Es braucht darüber hinaus eine Erläuterung bzw. Interpretationsanleitung für Rechtsanwender*innen, um die neu eingeführten Begrifflichkeiten zu erklären und Klarheit über den Kernbereich des Berufsbilds zu schaffen. Darüber hinaus sollte in Bezug auf die neue Begrifflichkeit der „Zuweisung“ der Konnex zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz gegeben sein, um eine reibungslose Abrechnung und Kostenerstattung mit und durch die Sozialversicherungsträger zu gewährleisten.
Zum Begriff der Anordnung: hier muss gewährleistet sein, dass nicht bei jeder kleinsten Änderung der Auswahl des zB. Therapiemittels der/die Patient*in zurück zum/r Verordner*in muss. Es stellt sich die Frage, wie konkret Ärzt*innen die den zB Physiotherapeut*innen zur Verfügung stehenden Maßnahmen im Detail kennen. Therapieverläufe können durchaus von Sitzung zu Sitzung den Wechsel einer Maßnahme erforderlich machen. Dafür jedes Mal den Arzt beiziehen zu müssen halten wir für die vorhanden Ressourcen strapazierend und schlichtweg nicht erforderlich. Die Methodenwahl soll in der Hand des/r Therapeut*in bleiben. Es sollte das AKV Prinzip gelten (Ausbildung-Kompetenz-Verantwortung in einer Hand). Ein akademisch ausgebildeter Gesundheitsberuf weiß, welche Methode und Maßnahme zu setzen sind. Grundsätzlich jedoch spricht nichts dagegen, eine Konkretisierung der Anordnung zu ermöglichen - jedoch sollte die letzte Entscheidung, da ja auch die Durchführung in der Verantwortung bei den Therapeut*innen liegt, dort verortet sein und sowohl Berufsangehörigen als auch Patient*innen unnötige Wege und den Ärzt*innen unnötiger Aufwand erspart werden. Dies bedingt selbstverständlich, dass bei Unklarheiten, Kontraindikationen, Red Flags etc., der/die Verordner*in kontaktiert und Rücksprache gehalten wird.
Stärkung des MTD-Beirats als beratendes Organ des Ministeriums (2. Hauptstück, 5. Abschnitt, §54)
Die zeitgemäße und hochwertige Qualität der Versorgung von Patient*innen wird durch die gesetzlich geregelte Einbindung des MTD-Beirats gemäß seinen Kompetenzen sichergestellt. Daher ist die Ausformulierung bezüglich der Aufgaben und Kompetenzen des Beirats noch zu konkretisieren.
Dem MTD-Beirat sollte eine gesetzlich festgelegte, kompetente Rolle zustehen. Mangels einer gesetzlich anerkannten Interessenvertretung der MTD-Berufe soll der Beirat als Expertengremium mit dem notwendigen Fachwissen zur inhaltlich-fachlichen Beratung und Unterstützung des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministeriums insbesondere in Aus-, Fort- und Weiterbildungsangelegenheiten sowie in Angelegenheiten der Qualitätssicherung herangezogen werden.
Spezialisierung – weiterführende Qualifikation zur Befugniserweiterung (2. Hauptstück, 3. Abschnitt, §43)
Die Möglichkeit für Spezialisierung wird im neuen Gesetz vorgesehen. Diese sollten – internationalem Vorbild entsprechend – mit weiterführender Qualifikation zu einer Befugniserweiterung führen.
Das Gesundheitssystem leidet unter einer sich zuspitzenden Versorgungslage. Als Berufsangehörige wollen wir unseren Patient*innen immer die beste Behandlung ermöglichen. Dazu ist ein rechtlich abgesichertes Handeln unerlässlich. Die Ausbildungen an den Fachhochschulen werden öffentlich finanziert, es ist daher nicht nachvollziehbar, warum Patient*innen eine Behandlung auf Basis der Spezialisierungen vorenthalten werden sollte. Um diesem Problem entgegenzutreten und den Vorhaben aus dem Regierungsübereinkommen Rechnung zu tragen, müssen Gesundheitsberufe attraktiviert werden.
Das bedeutet, dass mit einer Spezialisierung auch eine Befugniserweiterung einhergehen sollte. Dies schafft Anreize und rechtlich abgesicherte Chancen auf weitere Karrieremodelle. Es ist daher notwendig, dass bei §43 zu den Spezialisierungen von einer „Kann-Bestimmung“ abgesehen wird, und diese per Gesetz verbindlich (zu einer „Muss-Bestimmung“) wird.
Das Ziel von Spezialisierungen ist primär eine verbesserte Versorgung von Patient*innen und Klient*innen mit MTD-Leistungen im Gesundheitswesen. Darüber hinaus trägt diese Maßnahme auch zur Attraktivierung von Gesundheitsberufen bei, die nach wie vor zu einem sehr hohen Prozentsatz von Frauen ausgeübt werden.
Das Gesundheitssystem ist durch einen akuten Personalmangel betroffen, und die MTD-Berufe schaffen hier tagtäglich Abhilfe, indem sie ihre Patient*innen hochqualitativ betreuen. Um Rechtssicherheit für die Berufsangehörigen und für die Patient*innen weiterhin sicherzustellen, muss die Spezialisierung nach §43 als Anreiz verankert werden. Das schafft Weiterentwicklungsmöglichkeiten im Berufsbild und bietet der österreichischen Bevölkerung eine hochqualitative Versorgung auf dem neuesten Stand.
Den Angehörigen der Gesundheitsberufe müssen Perspektiven zur beruflichen Weiterentwicklung geboten werden. Dazu ist es notwendig, dass Kenntnisse auch rechtlich abgesichert angewendet werden dürfen. Das kann nur mit einer Befugniserweiterung im Rahmen der Spezialisierungen geschehen. Daher muss diese Formulierung nach §43 verbindlich im Gesetzestext verankert und entsprechend formuliert werden. Dies macht die Berufe und den Standort Österreich wirtschaftlich attraktiver. Die berufliche Weiterentwicklung muss gegeben sein, um Patient*innen die beste Versorgung zu bieten und die Gesundheitsberufe für die nächsten Generationen als attraktive und erstrebenswerte Berufsperspektive zu verankern.
Durchgehende Möglichkeit zur Akademisierung – öffentlich finanzierte Masterstudiengänge (2. Hauptstück, 3. Abschnitt, §43)
Berufsangehörige der MTD-Berufe leisten spezielle, über das durchschnittliche Maß hinausgehende Verantwortung für den Menschen. Dies sollte sich auch in ihrem Bildungsweg niederschlagen. Die weitere Professionalisierung der MTD-Berufe muss stattfinden – auch im Sinne der Bologna-Architektur der FH-Ausbildungen. Durch diese Reform sollen Höherqualifizierungsmöglichkeiten im tertiären Bereich eröffnet werden, und öffentlich finanzierte Masterstudiengänge für die MTD-Berufsangehörigen Realität werden.
Das Studium soll einerseits allen Berufsangehörigen, unabhängig von den persönlichen, finanziellen Mitteln, ein weiterführendes Studium bis hin zum Doktorat ermöglichen und andererseits eine hochspezialisierte Versorgung für Patient*innen bieten. Dies ist ganz im Sinne der europäischen Entwicklung. Österreich läuft Gefahr, Standortvorteile zu verlieren und kein attraktiver Platz für hervorragend ausgebildete Gesundheitsberufe zu sein.
Das zuletzt veröffentliche Psychotherapie-Gesetz (§71c PthG) ermöglichte eine Änderung des Universitätsgesetzes, sodass den 41.0000 Berufsangehörigen ein öffentlich finanziertes Masterstudium ermöglicht werden kann. Diese Akademisierung muss ebenso MTD-Berufsangehörigen ermöglicht werden. Neben der Verpflichtung, sich durch Fortbildungen weiterzubilden, bleibt die durchgehende Akademisierung bisher verwehrt. Der Zugang zu Masterstudiengängen eröffnet Berufsangehörigen die Möglichkeit, in ihrem Feld eine wissenschaftliche Auszeichnung, wie bei so vielen anderen Gesundheitsberufen auch, zu erlangen.