Stellungnahme zu 69 d.B. (102/SN)

Stellungnahme

Stellungnahme betreffend die Regierungsvorlage (69 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Parteien-Förderungsgesetz 2012, das Parteiengesetz 2012, das Bundesstatistikgesetz 2000, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungsgeldgesetz, das Familienzeitbonusgesetz, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetzes 1966, das Gehaltsgesetz 1956, das WZEVI-Gesetz, das ORF-Gesetz, das Universitätsgesetz 2002, das Bundesgesetz über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Außerstreitgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Bewährungshilfegesetz, das Strafgesetzbuch, das Strafvollzugsgesetz, das Tilgungsgesetz 1972, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienstrechtsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Tiergesundheitsgesetz 2024, das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, das Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Punzierungsgesetz 2000, das IAKW-Finanzierungsgesetz, das ABBAG-Gesetz, das Buchhaltungsagenturgesetz, das Bundesfinanzierungsgesetz, das Bundeshaushaltsgesetz 2013, das Kommunalinvestitionsgesetz 2020, das Kommunalinvestitionsgesetz 2023, das Kommunalinvestitionsgesetz 2025, das Einkommensteuergesetz 1988, das Stiftungseingangssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenordnung, das Glücksspielgesetz, das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom, das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger, das Gasdiversifizierungsgesetz 2022, das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft genehmigt wird, das Chip-Gesetz-Begleitmaßnahmengesetz, das Spanische Hofreitschule-Gesetz, das BFW-Gesetz, das BVWG-Gesetz, das Waldfondsgesetz, das Klimabonusgesetz, das Klima- und Energiefondsgesetz, das Hagelversicherungs-Förderungsgesetz und das Umweltförderungsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über die Aufhebung der bundesgesetzlichen Zweckbindung betreffend Erträgnisse aus dem Bundesanteil am Kunstförderungsbeitrag erlassen wird (Budgetbegleitgesetz 2025)

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Inhalt

Stellungnahme Budgetbegleitgesetz 2025 – Erwachsenschutz-Gesetz

Das 2.Erwachsenenschutz-Gesetz, das im Juli 2018 in Kraft getreten ist, hat für Men-schen mit psychischen Erkrankungen wesentliche Verbesserungen im Vergleich zum bisherigen Sachwalter-Recht gebracht. Auch der damalige Reformprozess, in den vom Bundesministerium für Justiz Betroffene aktiv einbezogen worden sind, kann als durch-aus gelungen bezeichnet werden. Als eines von wenigen positiven Beispielen bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich, wurde daher im Zuge der Staatenprüfung Österreichs 2023 vom UN-Fachausschuss das Inkrafttreten des Zweiten Erwachsenenschutz-Gesetzes im Juli 2018 sowie die enge Konsultation mit und aktiven Einbeziehung von Organisationen von Menschen mit Behinderungen bei seiner Ausarbeitung positiv hervorgehoben.

Der Verein Lichterkette, erste unabhängige, bundesweite Interessensvertretung für Menschen mit psychischen Erkrankungen, spricht sich daher vehement gegen die ge-planten Änderungen im Bereich des Erwachsenenschutz-Rechts aus (Art 16 und Art 17 Budgetbegleitgesetz 2025) und höchst irritiert über die Art und Weise, wie diese Ände-rungen beschlossen werden sollen.

Zur Vorgehensweise bei den geplanten Änderungen
Als im Herbst 2024 eine Arbeitsgruppe zur Evaluierung des 2.Erwachsenenschutz-Gesetzes eingerichtet worden ist, wurde auch der Verein Lichterkette als Interessens-vertretung für Menschen mit psychischen Erkrankungen vom Bundesministerium für Justiz eingeladen, sich an dem Reformprozess zu beteiligen. Wir haben diese Einladung gerne angenommen, in dem Glauben, dass das Ministerium an einem echten partizipa-tiven Gesetzwerdungsprozess, wie bei der Reform des Sachwalterrechts, interessiert ist.
Im Zuge der bisherigen Arbeitsgruppen wurde unter anderem auch die Befristung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung und die Abschaffung des obligatorischen Clearings durch die Erwachsenenschutzvereine diskutiert. Wie alle Interessensvertretungen von Menschen mit Behinderungen, hat sich auch der Verein Lichterkette klar gegen eine Verlängerung der Frist (von drei auf fünf Jahre) und gegen eine Streichung des obliga-torischen Clearings im Erneuerungsverfahren ausgesprochen.



Vom Bundesministerium für Justiz wurde uns bisher immer signalisiert, dass es noch keine Entwürfe für mögliche Änderungen gibt und das Ergebnis der Arbeitsgruppen je-denfalls abgewartet werden soll.
Umso mehr schockiert es uns, dass diese Zusagen nicht eingehalten werden und zentra-le Punkte der Diskussion nun schon vorab, während der laufenden Evaluierung und oh-ne vorherige Information „versteckt“ im Budgetbegleitgesetz beschlossen werden sollen. Dies steht im völligen Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention und der ver-pflichtenden Beteiligung von Menschen mit psychischen Erkrankungen an Gesetzwer-dungsprozessen.

Zu den geplanten inhaltlichen Änderungen
Da zuvor eine Sachwalterschaft auf unbestimmte Zeit, oft „für immer“, bestanden hat, stellt die Befristung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung für Menschen mit psychi-schen Erkrankungen einen wesentlichen Fortschritt im Vergleich zur früheren Rechtsla-ge dar. Befindet sich ein Mensch in einer psychischen Krise, wo es ihm oder ihr nicht mehr möglich ist, sich um ihre Angelegenheiten selbst zu kümmern und gibt es keine adäquaten Hilfen im Umfeld, kann es für ein Vorteil sein, wenn ihm oder ihr für eine begrenzte Zeit ein qualifizierter und geeigneter Erwachsenenvertreter zur Seite steht. Wesentlich ist jedoch, dass die Vertretung zeitlich befristet ist und so bald als möglich endet, wenn die Person wieder in der Lage ist, sich wieder selbst um ihre Angelegenhei-ten zu kümmern oder sonstige Unterstützung erhält. Es macht hierbei einen gewaltigen Unterschied, ob die Befristung drei Jahre oder länger beträgt.
Durch ein „absehbares“ Ende-Datum bleibt die Motivation erhalten, sich zu bemühen, möglichst bald wieder selbstbestimmt leben zu können und seine Angelegenheiten – nach der Krise – wieder selbst zu besorgen. Wird eine Erwachsenenvertretung aber für eine zu lange Zeit – und fünf Jahre sind eine sehr lange Zeit! – bestellt, kann sich die intendierte Hilfe in ihr Gegenteil verkehren und zu einer Belastung und schließlich Re-signation der vertretenen Person führen. Nicht nur das, es kann sogar zur Verschlechte-rung einer psychischen Erkrankung führen, das ist unverantwortlich!







Auch die Begründung in der Regierungsvorlage, dass „eine verpflichtende Überprüfung nach längstens drei Jahren fallweise „überschießend“ ist und es durchaus Fälle gibt, in denen keine (positive) Veränderung in der Lebenssituation der betroffenen Person zu erwarten sei“, ist für den Verein Lichterkette nicht nachvollziehbar und jedenfalls für Menschen mit psychischen Erkrankungen, nichtzutreffend. Außerdem wird damit wie-der an ein medizinisches Modell angeknüpft, in dem Menschen aufgrund einer Erkran-kung stigmatisiert werden. Die UN-Behindertenrechtskonvention verbietet eine derarti-ge Stigmatisierung und fordert, dass in allen Bereichen ein menschenrechtliches Modell von Behinderung zugrunde gelegt wird.
Der Verein Lichterkette spricht sich daher entschieden gegen eine Verlängerung der Befristung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung von drei auf fünf Jahre aus – sowohl für neu bestellte Vertretungen als auch für bereits bestehende Ver-tretungen.

Auch die geplante Abschaffung der obligatorischen Abklärung im Erneuerungs-verfahren durch die Erwachsenenschutzvereine stellt aus Sicht des Vereins Lichterket-te einen großen Rückschritt im Bereich des Erwachsenenschutzes dar und wird daher entschieden abgelehnt.
Durch das verpflichtende Clearing im Erneuerungsverfahren wird die Situation der ver-tretenen Person umfassend erhoben und vor allem darauf geachtet, ob es Alternativen zu einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung gibt.
Bei Menschen mit psychischen Erkrankungen stellen sich die persönlichen Umstände und die Lebenssituation nach drei Jahren oft sehr unterschiedlich im Vergleich zum Be-ginn der Erwachsenenvertretung dar. Psychische Erkrankungen haben oft einen sehr wechselhaften Verlauf. Selbst dann, wenn sie chronifiziert sind, kann sich die Lebenssi-tuation eines Menschen im Laufe der Zeit stabilisieren und können Hilfen und Unter-stützungsleistungen hinzukommen, die es der Person ermöglichen, wieder selbstbe-stimmt zu leben und ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen.
Im Rahmen des Clearings wird die Gesamtsituation der vertretenen Person umfassend erhoben, mit ihr auf Augenhöhe kommuniziert und werden Alternativen zur Erwach-senenvertretung erörtert.




Aus Sicht des Vereins Lichterkette würden die Gerichte, ohne eine entsprechende Ver-pflichtung, ein Clearing im Erneuerungsverfahren nur sehr selten in Anspruch nehmen und in vielen Fällen – ohne eingehende Prüfung der Gesamtsituation der vertretenen Person – die Erwachsenenvertretung unreflektiert verlängern.


Stellungnahme von

Verein Lichterkette - Betroffenenvertretung für Menschen mit psychischer Erkrankung; Verein Lichterkette - Betroffenenvertret

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