Wie verändert sich die Zusammensetzung des National­rats?

Ein Showcase zu Abgeordnetendaten – basierend auf dem Open Data Angebot des Parlaments.

Personeller Wechsel im National­rat

Ein zentrales Merkmal der Demokratie ist, dass sie friedliche Machtwechsel ermöglicht. Niemand kann ein politisches Amt automatisch behalten. So wird sichergestellt, dass Macht nicht zu lange in den Händen derselben Personen konzentriert ist. Daher kommt es in Parlamenten nach Wahlen verstärkt zu personellen Wechseln.

Wie Wahlen zur personellen Veränderung im Nationalrat beitragen, sehen wir in dieser Grafik. Rund eine:r von drei Abgeordneten (62 von 183) wurde bei der Nationalratswahl 2019 neu ins Parlament gewählt. Die anderen Abgeordneten (121) waren schon am Ende der vorangegangenen Gesetzgebungsperiode – also vor der Wahl 2019 – im Nationalrat.

„Neu“ bedeutet hier, dass die Personen am letzten Tag der abgelaufenen Gesetzgebungsperiode nicht im Nationalrat vertreten waren – sie können aber zu einem früheren Zeitpunkt schon einmal Abgeordnete gewesen sein. Ein Beispiel dafür ist Werner Kogler, der 2017 mit dem Ausscheiden der Grünen aus dem Nationalrat sein Mandat verlor, 2019 aber wieder gewählt wurde.

Außerdem muss man berücksichtigen, dass kurz nach einer Wahl in der Regel einige gewählte Abgeordnete in Regierungsämter wechseln und ihren Sitz im Nationalrat zurücklegen (bis in die frühen 1980er-Jahre behielten Minister:innen oft ihr Mandat). Je nachdem, wer nachrückt, verändert sich das tatsächliche Ausmaß an personellem Wechsel. Wählt man also beispielsweise für die Nationalratswahl 2019 als Stichtag statt dem Beginn der Gesetzgebungsperiode am 23. Oktober 2019 vielmehr den 31. Jänner 2020 (also 24 Tage nach der Bildung der Bundesregierung aus ÖVP und Grünen), dann zählt man 65 neu gewählte Abgeordnete (statt 62 am Beginn der Gesetzgebungsperiode).

Es gibt viele Ursachen für die hier beobachteten Wechsel. Zum einen gibt es persönliche Gründe, warum sich Abgeordnete zurückziehen, etwa Gesundheit oder Alter. Manche Abgeordnete konzentrieren sich auch auf Aufgaben auf anderen politischen Ebenen (EU, Bundesland, Gemeinde) oder in anderen Institutionen (Bundesregierung). Selbst jene, die gerne wiedergewählt werden wollen, müssen zunächst bei der Erstellung der Wahlvorschläge der Parteien einen günstigen Listenplatz ergattern – was von der Unterstützung, die sie in der eigenen Partei erfahren, abhängt. Selbst ein aussichtsreicher Listenplatz kann aber zu wenig sein, wenn eine Partei bei einer Wahl starke Stimmenverluste erleidet. Umgekehrt führen Stimmengewinne automatisch dazu, dass neue Abgeordnete ins Parlament kommen. Je stärker die Stimmenverschiebungen ausfallen, desto höher ist der Anteil an neuen Abgeordneten im Nationalrat.

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Wie verändert sich der personelle Wechsel über die Zeit?

Beobachten wir den Wechsel seit 1949, dann können wir starke Veränderungen über die Zeit feststellen. 1949 war zum ersten Mal in der Zweiten Republik eine Partei des Dritten Lagers zu einer Wahl zugelassen (der Verband der Unabhängigen, VdU). Die Zahl der neuen Abgeordneten war aufgrund des Antretens dieser Partei dementsprechend hoch: 61 von 165, also mehr als ein Drittel (37 %).

In den folgenden Jahrzehnten war das Parteiensystem sehr stabil und somit fielen die Veränderungen im Nationalrat deutlich geringer aus. Nur rund eine:r von vier Abgeordneten kam bei den Wahlen in den 1950er- und 1960er-Jahren im Schnitt neu hinzu, in den 1970er- und 1980er-Jahren war es gar nur ein Fünftel.

Wir sehen in der Darstellung außerdem, dass die Zahl der Abgeordneten zwischen 1970 und 1971 steigt. Mit der Wahlrechtsreform 1970, die ein Zugeständnis an die FPÖ für ihre Unterstützung der SPÖ-Minderheitsregierung Bruno Kreiskys war, wurde auch die Zahl der Abgeordneten von 165 auf 183 erhöht. Dadurch erhöhte sich auch die Chance auf Wiederwahl für viele Abgeordnete.

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Die ansonsten hohe Stabilität in der personellen Zusammensetzung des Nationalrats findet aber mit dem Erstarken der FPÖ und dem Aufkommen der Grünen ab 1986 ein Ende. Nach der Wahl 1994 sind erstmals mehr neu gewählte als wiedergewählte Abgeordnete im Nationalrat vertreten – bis heute ein Rekord.

In den letzten drei Jahrzehnten gibt es also verstärkt personelle Wechsel im Nationalrat. Dazu tragen neu in den Nationalrat einziehende Parteien (Liberales Forum, BZÖ, Team Stronach, NEOS, Liste Pilz) und wachsende Stimmenverschiebungen bei Wahlen bei (etwa 2002 nach dem Bruch der ersten schwarz-blauen Koalition unter Kanzler Schüssel oder 2019 nach vorgezogenen Neuwahlen und Wiedereinzug der Grünen). Im Mittel sind bei den Nationalratswahlen ab 1990 rund zwei von fünf Abgeordneten neu (38 %) – ein deutlicher Anstieg gegenüber früheren Jahrzehnten.

Wie schlagen sich Wahlgewinne und -verluste nieder?

Welche Rolle Stimmenverschiebungen für das Ausmaß personeller Wechsel haben, sehen wir in der dritten Grafik. Dazu werden die jeweils drei größten Mandatsgewinne und -verluste von Parteien in der Zweiten Republik ausgewählt (ausgenommen sind Ereignisse, zu denen Parteien neu in den Nationalrat einziehen oder aus dem Parlament ausscheiden – in diesen Fällen sind entweder nur neu gewählte oder gar keine Abgeordneten mehr vorhanden).

Eine interessante Ausnahme von dieser Regel bilden die Wahlen im Jahr 2002: Hier gingen den Stimmenverlusten der FPÖ innerparteiliche Konflikte voraus, die mit personellen Veränderungen verbunden waren. Daher waren trotz hoher Mandatsverluste (minus 34) viele der im November 2002 gewählten FPÖ-Abgeordneten neu im Nationalrat.

Bei den drei Fällen mit großen Stimmen- und Mandatsgewinnen (ÖVP 2002 und 2017, FPÖ 1990) ist hingegen mehr als die Hälfte der gewählten Abgeordneten neu – im Fall der FPÖ 1990 sind es gar drei von fünf. Einen derart großen Überhang neu gewählter Mandatar:innen gibt es aber selten, da natürlich bei großen Wahlerfolgen auch die Chancen etablierter Abgeordneter auf Wiederwahl gut stehen.

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Wie wurde es gemacht?