Die Einführung des Frauenwahlrechts

Zwischen der ersten Wahl eines Parlaments in Österreich und der Einführung des Frauenwahlrechts liegen rund 70 Jahre Wahlrechtsentwicklung. Sie waren geprägt von zaghaften Fort-, aber auch kräftigen Rückschritten.

Ein Versuch, die Frauen loszuwerden

In der Habsburgermonarchie war das Wahlrecht lange an Besitz und Steuerleistung geknüpft. Nur jene, die über entsprechendes Vermögen oder eine besondere Stellung verfügten, durften an Wahlen teilnehmen. Das galt unabhängig vom Geschlecht. 

Mit der Reichsratswahlordnung 1907 wurde das allgemeine und gleiche Wahlrecht der Männer umgesetzt. Damit verloren aber die wenigen privilegierten Frauen, die bis dahin das Wahlrecht hatten, ihr Stimmrecht. Auf Landtags- und Gemeindeebene konnten sie das Stimmrecht zwar zum Teil weiterhin ausüben, doch bestanden hier uneinheitliche Regelungen.

Die Frauen wehren sich

Der Versuch, den Frauen das Wahlrecht auf Gemeindeebene zu entziehen, hatte in Niederösterreich aber schon 1889 eine Frauenstimmrechtsbewegung ausgelöst: Es gab Petitionen und Zeitschriften, aber auch Versammlungen und Demonstrationen.

1911 fand in Wien anlässlich des Internationalen Frauentages für den Kampf um das Frauenstimmrecht eine Demonstration auf der Ringstraße statt. Die "Arbeiter-Zeitung" berichtete von 20.000 Teilnehmerinnen. Diese Bewegung wurde auch von einzelnen Männern unterstützt.

Am 11. und am 12. Juni 1913 wurde in Wien eine internationale Frauenstimmrechtskonferenz abgehalten, die wiederum von Demonstrationen begleitet wurde. Doch der lange Kampf der Frauen um politische Mitbestimmung sollte erst nach dem Ende des Ersten Weltkrieges von Erfolg gekrönt werden.

Der Krieg verändert das Bild der Frau

Durch den Einsatz der Frauen während des Ersten Weltkriegs veränderte sich ihre gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung. Als die Männer zum Kriegsdienst ausrückten, übernahmen viele Frauen Tätigkeiten, die zuvor meist von Männern ausgeübt worden waren – etwa als Schaffnerin oder Briefträgerin. An der Front wirkten sie als Krankenschwestern, im Hinterland kümmerten sie sich um Material- und Geldsammlungen sowie öffentliche Ausspeisungen im Kampf gegen den Hunger. All dies – einhergehend mit einem stärkeren weiblichen Selbstbewusstsein – fand in der verfassungsrechtlichen Verankerung des allgemeinen und gleichen Frauenwahlrechts am 12. November 1918 seinen Ausdruck.

Hohe Wahlbeteiligung

Bei der Wahl der Konstituierenden Nationalversammlung am 16. Februar 1919 gaben 82,10 % aller wahlberechtigten Frauen und 86,98 % der Männer ihre Stimme ab. Nicht wahlberechtigt waren zu diesem Zeitpunkt Prostituierte. Sie erhielten das Wahlrecht erst im Jahr 1923.