Moderne Parlaments­verwaltung

Von 1945 bis heute: Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die Personalstruktur der Provisorischen Staatsregierung lange bestehen; ab den 1970ern gab es Strukturänderungen.

Übergabe des Gebäudes und die ersten allgemeinen Wahlen

Am 29. April 1945 übergab die sowjetische Besatzungsmacht das Parlamentsgebäude der Provisorischen Österreichischen Staatsregierung. Die Wiederherstellung des durch einen Bombentreffer schwer beschädigten Gebäudes gestaltete sich schwierig: Glas war Mangelware, als Arbeitskräfte wurden Personen von der Straße, meist Frauen, herangezogen.

Der Verfassungsgerichtshof, der seit 1923 als Untermieter im Parlamentsgebäude seinen Amtssitz hatte, zog nach dem Abschluss der Wiederherstellungsarbeiten nicht wieder in das Gebäude ein. Der Bundesrat bezog hingegen wieder seine Räumlichkeiten. Am 23. November 1945 konnten wieder allgemeine Wahlen abgehalten werden, und am 19. Dezember hielten Nationalrat und Bundesrat ihre konstituierenden Sitzungen ab.

10. Jänner 1946: Personalautonomie endgültig festgelegt

Ab Jänner 1946 verfügte die Kanzlei des Präsidenten des Nationalrats über den Personalstand und über die Ernennung der Dienstklassen. Davon ausgenommen waren die Bediensteten der Parlamentsbibliothek und der Gebäudeverwaltung, diese waren nach wie vor anderen Institutionen unterstellt. Dafür gab es mehrere Gründe: Für die Behebung meist technischer Probleme in der Gebäudeverwaltung wollten Verwaltungsbeamte als Vorgesetzte nicht die Verantwortung übernehmen. Außerdem waren sowohl für die Gebäudeverwaltung als auch für die Parlamentsbibliothek speziell ausgebildete Bedienstete erforderlich, die im Falle von Krankheit oder Urlaub von einem Ministerium mit größerem Personalstand leichter ersetzt werden konnten.

Erst 1971 wurden diese beiden Organisationseinheiten in die Verwaltungsstruktur der Parlamentsdirektion aufgenommen. Der Präsident des Nationalrats, Leopold Kunschak, ernannte 1945 wieder Josef Pultar zum Parlamentsdirektor. Pultar war zwar bereits im gesetzlichen Pensionsalter, sollte jedoch einen Ausgleich zu den "verlorenen Jahren" der NS-Zeit bekommen, die er zunächst in Haft und dann im inneren Exil in Niederösterreich verbracht hatte.

1971: tatsächliche Autonomie der Parlamentsverwaltung

Bis 1971 änderte sich nichts an der Struktur und am Leistungsumfang der Parlamentsdirektion. Erst als Anton Benya, Präsident des ÖGB, auch die Funktion des Nationalratspräsidenten bekleidete und ein besonders hoher Einsatz des Parlamentsdirektors Wilhelm F. Czerny notwendig war, setzte eine Reformphase ein. Damit begann die Ausdifferenzierung der Organisationseinheiten. Zudem wurden neue Informationsdienstleistungen, wie sie ein modernes "Arbeitsparlament" benötigte, zum Aufgabengebiet der Parlamentsdirektion eingerichtet.

Die neue Organisation der Parlamentsverwaltung sieht vier Dienste vor

Die erste formale Geschäftseinteilung aus dem Jahr 1973 fasste die beiden Verwaltungen des Nationalrats und des Bundesrats zusammen. Die neue Gliederung der Parlamentsdirektion sah vier Dienste vor: Nationalratsdienst, Bundesratsdienst, Rechts- und Administrativer Dienst, sowie Stenographen- und Parlamentarischer Pressedienst. Letztere wurden zu einem Dienst zusammengefasst. Gemeinsam decken die Dienste die Unterstützung des parlamentarischen Verfahrens, die Bearbeitung von Verwaltungsangelegenheiten und das Verfassen stenographischer Protokolle und Presseaussendungen ab.

Im selben Jahr wurde die Bezeichnung "Kanzlei des Präsidenten des Nationalrates" mit der zuvor umgangssprachlich gängigen Bezeichnung "Parlamentsdirektion" offiziell ersetzt. Die Bezeichnung bringt zum Ausdruck, dass ab diesem Zeitpunkt Nationalrat und Bundesrat als parlamentarische Einheit von der Parlamentsdirektion verwaltet werden. Personalrechtlich untersteht die Parlamentsdirektion seither ausschließlich dem/der Präsident:in des Nationalrats. Der/Die Vorsitzende des Bundesrats hat jedoch ein Weisungsrecht gegenüber dem/der Parlamentsdirektor:in und gegenüber dem Bundesratsdienst.

Der Parlamentarisch-wissenschaftliche Dienst kommt hinzu

Ein dritter gemeinsamer Dienst kam 1975 zu dem Rechts- und Administrativen Dienst und dem Stenographen- und Parlamentarischen Pressedienst hinzu: der Parlamentarisch-wissenschaftliche Dienst. In diesem wurden die bestehenden Informationseinrichtungen Archiv und Parlamentsbibliothek zusammengefasst, ergänzt um die Literaturdokumentation.

1993 erfolgte die nächste Reform in der Struktur der Parlamentsdirektion: Eine weitere Führungsebene wurde eingezogen. Die zwei Parlamentsvizedirektor:innen hatten bis dahin nur stellvertretende Funktion für den/die Parlamentsdirektor:in. Sie wurden nun jeweils Leiter:in der Bereiche "Legislative" und "Administration". Ihnen unterstellt waren die jeweiligen Dienstleiter:innen, die wiederum Vorgesetzte der Abteilungsleiter:innen sind. 2006 wurde der Parlamentarisch-wissenschaftliche Dienst aufgelöst und der Dienst "Information und Öffentlichkeit" eingerichtet, der sich um die in der Mediengesellschaft notwendige parlamentarische Öffentlichkeitsarbeit kümmert. Technische Entwicklungen führten außerdem zur Schaffung neuer Abteilungen wie der EDV-Abteilung oder des Kompetenzzentrums "E-Recht".

Aufgrund der Informationstechnik, der öffentlichen Veranstaltungen und des stark angestiegenen Umfangs der parlamentarischen Arbeit stieg die Anzahl der Parlamentsbediensteten im Laufe der Jahre. So waren 1970 knapp 150 Personen angestellt, im Jahr 2000 beschäftigte die Parlamentsdirektion über 380 Personen. Aufgrund von Sparpaketen verlangsamte sich der Zuwachs. Derzeit hat die Parlamentsdirektion rund 400 Mitarbeiter:innen. Im EU-weiten Vergleich, gemessen an der Relation zum BIP oder zum gesamten Staatsbudget, zählt das österreichische Parlament zu den sparsamsten in der Europäischen Union.

Die Organisationsstruktur der Parlamentsdirektion besteht bis heute. Sie wurde im Jahr 1994 um die Aufgabenbereiche, die im Zusammenhang mit den in Österreich gewählten Mitgliedern des Europäischen Parlaments stehen, erweitert.