Technische Entwicklungen

Wie eh und je sitzen die Parlamentsstenografen und Parlamentsstenografinnen mit Bleistift und Papier im Sitzungssaal. Das Ziel ihrer Tätigkeit ist dasselbe wie in der Mitte des 19. Jahrhunderts, nämlich Öffentlichkeit und damit Teilhabemöglichkeit an demokratischen Prozessen herzustellen.

Das Stenographische Protokoll – das Produkt – jedoch hat mittlerweile sein Erscheinungsbild, seine Auftrittsweise und seine Auftrittsorte verändert. Auch die Arbeitsprozesse zwischen Einsatz im Saal und fertigem Protokoll haben sich, abseits der Grundtätigkeit des Redigierens, insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert stark gewandelt.

Die Kunst des Geschwindschreibens – oder: Wie geht Parlamentsstenografie?

Um möglichst rasch ein Protokoll der parlamentarischen Verhandlungen herzustellen, sind bereits in den Anfängen effiziente Arbeitsteilung und Prozesse ausschlaggebend, die aber erst in der Praxis entwickelt werden müssen. Vorausgesetzt sind zudem selbstverständlich Stenografiekenntnisse. Während die Stenografen in anderen Parlamenten schon frühzeitig unterschiedliche Kurzschriften verwenden, wird im österreichischen Parlament lange Zeit ausschließlich die Gabelsberger Kurzschrift angewandt. Die Umstellung auf die Deutsche Einheitskurzschrift erfolgt langsam, in den 1930ern wird diese erst von zwei Stenografen angewandt.

1848 besteht das Büro aus 16 Kammerstenografen, von denen zwei jeweils zwei bis drei Minuten stenografieren, dann den Sitzungssaal verlassen, um ihr Stenogramm in Langschrift (Kurrent) zu übertragen.

Durch den häufigen Wechsel und kurzen Aufenthalt im Saal bekommen die Stenografen wenig vom jeweiligen Inhalt der Verhandlungen mit und die Übergänge zwischen den einzelnen Stenogrammen passen oft nicht. Zudem ist der damalige Revisor des Protokolls ein der Stenografie nicht mächtiger Arzt, der sich bei der Korrektur auf sein Gedächtnis verlassen muss. So helfen schließlich die Redner bei der Protokollerstellung mit.

Ein weiteres Problem stellt die Redegeschwindigkeit dar: "Die übersprudelnden Ideen gaben sich auch in übersprudelnder Rede kund, und wir ungeübten Stenografen hatten unsere liebe Noth, die durch die rasende Eile verzerrten Schriftzüge unserer Stenogramme zu entziffern" (Conn 1873, 7).

Bei den nicht öffentlichen Sitzungen des k.k. (kaiserlich-königlich) verstärkten Reichsrates 1860 testet der damalige Leiter des Stenografenbüros Conn eine neue Arbeitsweise: Ein Revisor (Conn selbst) ist während der gesamten Sitzung anwesend und stenografiert mit, während sich die Kammerstenografen alle 15 Minuten abwechseln. Im Büro diktieren sie das Stenografierte sogenannten Hilfsstenografen, die die Verschriftlichung in Kurrent erledigen. Dieser Text wird schließlich vom Revisor überarbeitet.

Als 1861 mit der Februarverfassung der (neue) Reichsrat zu tagen beginnt, wird das Büro vergrößert und es werden die beim verstärkten Reichsrat erprobten Arbeitsprozesse ausgerollt: Vier Revisoren stenografieren 30 Minuten und 12 Kammerstenografen wechseln sich alle fünf Minuten ab. Die Kammerstenografen haben danach 25 Minuten Zeit für die Übertragung der Stenogramme in Kurrentschrift, bevor sie wieder in den Saal gehen, und die Revisoren können nach der Rückkehr aus dem Saal sofort mit der Revision beginnen.

Diese Arbeitsweise ermöglicht es, dass das Protokoll kurz nach Sitzungsende in revidierter und druckfertiger Fassung vorliegt. Auch die Redner können so bereits kurz nach ihrer Rede das Manuskript durchsehen und gegebenenfalls korrigieren – es gibt jeweils nur ein Manuskript, auf dem alle Korrekturen angebracht werden. Seitens der Redner sind auch schon damals nur "formelle Aenderungen, aber auch nur solche" (Conn 1873, 17) zulässig. Conn selbst sieht diese Korrekturen vor der Drucklegung durch und legt zu weitgehende Änderungswünsche einer Verifizierungskommission vor, die über die Zulässigkeit entscheidet. So soll die Authentizität des Stenographischen Protokolls sichergestellt werden. Diese Verifizierungskommission mit neun Mitgliedern ist ab 1848 in der Geschäftsordnung vorgesehen. Sie soll, wie Alt schreibt, "weniger die Stenographen überwachen als willkürliche Änderungen der Redner verhindern" (Alt 1948, 110f.).

Das Manuskript mitsamt allen Korrekturen geht an die Staatsdruckerei. Noch in der Nacht erhält Conn den Satz, der von ihm auch stilistisch korrigiert wird. Am Morgen nach der Sitzung liegt das gedruckte Protokoll vor, selbst dann, wenn beide Kammern des Reichsrates tagen.

Grundlage für diese Schnelligkeit und Genauigkeit ist die minutiös geplante, ineinandergreifende Arbeitsweise – "Gleich einem Uhrwerk" – der Stenografen. So funktioniert auch der Wechsel im Saal (sogenannter Turnus) mithilfe einer eigens dafür entwickelten Uhr: Im Saal gibt es alle fünf Minuten zwei Schläge auf eine elfenbeinerne Glocke, mit denen dem Kammerstenografen oder dem Revisor das Ende der jeweiligen Partie angezeigt wird.

Von der Schreibmaschine zu Kopiergerät und Tonaufzeichnungen

Bis zur Einführung der Schreibmaschine um 1920 übertragen die Stenografen selbst bzw. die sogenannten Hilfsstenografen die Stenogramme in Kurrentschrift. Diese Übertragungen sind allerdings nicht immer sonderlich gut lesbar, nicht zuletzt aufgrund der hohen Arbeits- und damit Schreiblast an Sitzungstagen. Mit der Verwendung der Schreibmaschine wird diese Problematik zum Teil beseitigt, aber nicht gänzlich, da Korrekturen seitens der Redner:innen wie der Bearbeitenden (Stenograf:innen und Revisor:innen) weiterhin handschriftlich angebracht werden.

Aufgrund der Personalnot nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kann die übliche Arbeitsteilung zwischen Revisoren und Kammerstenografen nicht eingehalten werden. Externe Hilfskräfte müssen zur Bewältigung der Arbeit herangezogen werden. Der Einsatz neuer technischer Mittel ist ein Gebot der Stunde. So setzt man bei der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Nationalrates im Dezember 1945 zum ersten Mal versuchsweise auch Tonaufnahmegeräte ein.

Mensch oder Maschine? Diese Frage stellt sich schon damals. Nach eingehender Prüfung wird der Einsatz der Schallaufnahmen jedoch vorerst wieder verworfen, da sie die parlamentarische Debatte nicht angemessen wiedergeben. Neben technischen Überlegungen spielen dabei auch finanzielle Gründe eine Rolle. Alt schreibt im Jahr 1948, damit sei "der Kampf, zumindest für die Gegenwart, zugunsten der menschlichen Arbeitskraft entschieden" (Alt 1948, 62).

Als das Revisorensystem wieder in Kraft gesetzt wird, arbeitet ein Revisor (15 Minuten) im Normalfall mit drei Stenografen (jeweils 5 Minuten) gemeinsam im Saal. Die Stenografen diktieren ihr Stenogramm anschließend einer Eingabekraft an einer Schreibmaschine. Die zumeist vier Revisoren einer Sitzung sehen die Manuskripte durch, bevor sie den Redner:innen zur Korrektur übergeben werden.

Das Arbeiten mit Audioaufzeichnungen setzt sich ab 1960 durch. Zu Beginn sind die Audioaufzeichnungen vor allem als Sicherheitsnetz gedacht: Nun lässt sich erstmals beweisen, was tatsächlich gesagt worden ist.

Ab 1970 setzt sich die Praxis durch, dass Phonotypist:innen den Großteil der Rede vom Band schreiben. Die Geräte zeichnen aber nur das auf, was Redner:innen direkt ins Mikrofon sprechen. Alles weitere, wie etwa Zwischenrufe, können weiterhin nur die Stenograf:innen im Saal erfassen – so wie es auch heute noch der Fall ist.

Im Jahr 1968 werden die ersten Kopierer angeschafft, womit es nun möglich wird, die Protokolle unbegrenzt zu vervielfältigen. Zuvor konnten nur jeweils zwei bis drei Schreibmaschinendurchschläge gemacht werden. Für die Verteilung der Reden an die Redner:innen werden diese in eigens dafür angefertigten Mappen entweder per Post verschickt oder – wenn am Folgetag wiederum Sitzung ist – von den Stenograf:innen in den Saal mitgenommen und dort von den Mitarbeiter:innen des Expedits an die Redner:innen verteilt. Die korrigierten Reden kommen auf den unterschiedlichsten Wegen wieder zurück: Die Redner:innen legen die Mappen während laufender Sitzung auf den Tisch der Stenograf:innen, retournieren sie über die hausinterne Rohrpost, via Klubmitarbeiter:innen, per Post oder auch per Fax – ein Mandatar kommt gar persönlich in der Abteilung vorbei und diktiert seine Korrekturen. Die Reden einer Sitzung werden dann in einer Mappe zur weiteren Verarbeitung gesammelt. Eingangslisten oder dergleichen gibt es nicht, jedoch werden die Originale für die Dauer einer Gesetzgebungsperiode in der Abteilung aufbewahrt.

Mitte der 1980er-Jahre – vor der Umstellung auf PCs – werden die Reden mit dreifachem Zeilenabstand von Eingabekräften auf (später elektrischen) Schreibmaschinen geschrieben. Die Stenograf:innen redigieren die Reden händisch auf diesen Blättern, fügen Beifälle, Zwischenrufe und andere redaktionelle Bemerkungen ein.

Die Rednerin beziehungsweise der Redner erhält das Original, und es werden Kopien für die Abteilung sowie die Klubs hergestellt. Die Redner:innen machen die Korrekturen in der Regel händisch, was das Problem mit sich bringt, dass nicht immer alles entziffert werden kann. Zudem entsprechen Rückmeldungen bezüglich zu klärender Schreibweisen nicht immer der korrekten Variante. Nach der Einarbeitung der Korrekturen der Redner:innen auf den retournierten Originalblättern wird die gesamte Rede noch einmal überarbeitet. Dieses sogenannte Einrichten umfasst auch das Durchführen von Recherchen, für die am Sitzungstag zu wenig Zeit ist. Die nachbearbeiteten Blätter gehen dann an die Staatsdruckerei, welche die Druckfahnen herstellt. Nach zwei Korrekturschleifen produziert die Staatsdruckerei das fertige Protokoll, bis November 1994 in zweispaltigem Druck, danach einspaltig.

Vom Computer bis zum ersten Sitzungsnavigator

Der definitive Umstieg für von elektrischer Schreibmaschine auf Computer mit Internetanschluss erfolgt in den Jahren 1995 und 1996. Die Computerisierung verändert den Herstellungsprozess des Protokolls. Nach dem Einrichten stellen Mitarbeiter:innen der Staatsdruckerei auf dem Computer eine Reinschrift her, die mit einem Nadeldrucker auf Endlospapier ausgedruckt wird. Auf diesem Ausdruck werden handschriftliche Korrekturen angebracht, die dann in der Staatsdruckerei am Computer eingearbeitet werden.

Bereits ab 1996 wird das fertige Stenographische Protokoll auch digital als Gesamtdokument im Internet zur Verfügung gestellt. Mit Anfang 2002 werden auch die Vorläufigen Stenographischen Protokolle ins Intranet gestellt (ab 2019 auch ins Internet). Ab 2003 übernimmt die Abteilung dann selbst, ohne die Umwege über die Staatsdruckerei, die gesamte Herstellung des Stenographischen Protokolls, das in Folge auch in der Parlamentsdruckerei gedruckt wird.

Das World Wide Web vereinfacht zwar in dieser Zeit die Recherche erheblich, jedoch umfasst es in seiner Anfangszeit bei Weitem noch nicht die heutigen Datenmengen. So ist es damals auch weiterhin nötig, beispielsweise in der Parlamentsbibliothek, bei den Klubs, Ministerien, Universitäten et cetera anzurufen, um Schreibweisen und dergleichen abzuklären.

Heute besteht hingegen der Anspruch, mittels eigener Recherchen im Internet Lösungen zu finden. Nur als Ultima Ratio wird ein Redner oder eine Rednerin kontaktiert, beispielsweise im Falle der Verwendung von unbekannten Dialektwörtern, bei Namen, die nicht öffentlich recherchiert werden können, oder bei Zitaten, deren Quelle nicht allgemein zugänglich ist.

Ab 2003 versendet die Abteilung die Reden per E-Mail als Word-Dokument an die Abgeordneten. Erst seit der Einführung des sogenannten Sitzungsnavigators, eines speziell für die Abteilung hergestellten Computerprogramms zu Bearbeitung und Verwaltung der Stenographischen Protokolle, im Februar 2005 werden nach entsprechender Freigabe die Reden automatisiert an die Redner:innen versandt.

Mit der Einführung des Endredaktionssystems im Herbst 2016 kommt ein zusätzlicher Arbeitsschritt hinzu. Davor überprüft die Abteilungsleiterin selbst am Sitzungstag bis in die Nacht oder auch in die Morgenstunden hinein in einem schnellen Durchlauf die Protokollteile hinsichtlich Formalien und gibt sie zum Versand an die Redner:innen frei. Seit Herbst 2016 werden die nur im Intranet verfügbaren fertiggestellten Protokollteile am Sitzungstag oder am Folgetag gemäß dem Vieraugenprinzip von Endredakteur:innen ausführlich revidiert (Formalien, redaktionelle Bemerkungen, Begriffe, Zitate, Inhalt et cetera). Nach dem Abschluss dieses Schritts wird das Vorläufige (noch nicht autorisierte) Stenographische Protokoll im Internet veröffentlicht. Zugleich werden automatisiert E-Mails an die Redner:innen mit einem Link zur Redner:innenkorrekturmaske versandt. Die Gliederung des Stenographischen Protokolls ist außerdem die Basis für den Schnitt der in der Mediathek verfügbaren Videoclips.

Heute sind an einem Sitzungstag in der Regel drei Endredakteurinnen bzw. Endredakteure für die Sitzung verantwortlich. Sie sind zentrale Anlaufstelle für Fragen jeglicher Natur (von Formalien über unverständliche Zwischenrufe bis hin zu technischen Problemen). Die Endredakteurinnen und Endredakteure sind  zu Beginn im Saal und arbeiten jeweils eine eigene 10-Minuten-Partie aus. Sobald sie damit fertig sind, überarbeiten sie die Partien der Turnusstenograf:innen. An einem Sitzungstag arbeiten circa 21 Stenograf:innen sowie neun Eingabekräfte im Turnus. Um die mitunter hohe Arbeitslast insbesondere in Phasen von Untersuchungsausschüssen abzudecken, werden die 20 internen Stenograf:innen von über 30 Externist:innen (Eingabekräften für die Transkription sowie Stenograf:innen) unterstützt.

Neuer Sitzungsnavigator und automatisierte Spracherkennung

Der regelmäßige Austausch der Parlamentsdirektion mit Wissenschaftler:innen und Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Initiativen hat ein Bedürfnis nach besser maschinenlesbaren Plenarprotokollen erkennen lassen. Nach langer Vorbereitungszeit geht im November 2024 der neue Sitzungsnavigator live. Das Redaktionssystem, in dem die Stenographischen Protokolle vom ersten Transkript über die vorläufigen Protokolle bis zur Veröffentlichung des Gesamtprotokolls bearbeitet werden, ist sowohl technisch als auch organisatorisch komplett neu entwickelt worden.

Stenographische Protokolle können deshalb so schnell und in so hoher Qualität zur Verfügung gestellt werden, weil am Sitzungstag viele Menschen in verschiedenen Rollen gleichzeitig an der Veröffentlichung arbeiten. Bei jedem Protokollteil ist nun auf einen Blick sichtbar wird, wer daran arbeitet, in welchem Status der Bearbeitung es sich befindet und ob Rückmeldungen (zu Zwischenrufen oder Reden) vorhanden sind.

Der neue Sitzungsnavigator verfügt nun über zahlreiche neue Features, um eine feinere Granularität der Metadaten herzustellen. So sind etwa Reden künftig textlich genauer von dem abgegrenzt, was vonseiten des oder der Vorsitzenden gesagt wird. Dies ermöglicht zum Beispiel im Bereich Sentimentanalyse – also der Analyse, ob eine Äußerung als positiv oder negativ zu bewerten ist – genauere Auswertungen. Außerdem werden auch Zwischenrufe, Beifall und redaktionelle Bemerkungen hinsichtlich der Metadaten im Hintergrund vom Redetext getrennt.

Die Parlamentsdirektion will diese Daten künftig via Open-Data-Angebot zur Verfügung stellen. Die Basis dafür ist mit dem neuen Sitzungsnavigator gelegt, der den Stenograf:innen die einfache, in den etablierten Prozess integrierte Erfassung ohne Mehraufwand ermöglicht. Die Erstellerin der Daten, die Abteilung Stenographische Protokolle, kann so ganz im Sinne des Data-Governance-Gedankens die Daten erheben und pflegen. Sie ist in abteilungsübergreifender Zusammenarbeit auch an der Weiterentwicklung und Kommunikation des Angebots beteiligt.

Im neuen Sitzungsnavigator sind bereits Schnittstellen für die Anwendung von Speech-to-Text-Programmen vorhanden. Wie eine von der Abteilung initiierte und im österreichischen Parlament abgehaltene Fachtagung ("Protokolle auf Knopfdruck? – Sprecher:innenunabhängige Spracherkennungssysteme im Praxiseinsatz in Parlamenten: Grundlagen, Potenziale, Herausforderungen") sowie mehrere Online-Follow-ups zum Thema des Einsatzes von sprecher:innenunabhängiger Spracherkennung gezeigt haben, wird eine solche Software mitnichten die Stenograf:innen überflüssig machen, sondern die Produktivität erhöhen. KI versteht nicht – und zum Redigieren braucht es Verstehen. Derzeit findet eine Testphase bezüglich Spracherkennung (mit dem Programm Whisper) statt.