Stenographisches Protokoll

686. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Freitag, 5. April 2002

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

686. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 5. April 2002

Dauer der Sitzung

Freitag, 5. April 2002: 9.01 bis 23.43 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz über Vereine (Vereinsgesetz 2002 – VerG)

2. Bundesgesetz über das Wohnungseigentum (Wohnungseigentumsgesetz 2002 – WEG 2002)

3. Bundesgesetz, mit dem im Hinblick auf die Schaffung des Wohnungseigentumsgesetzes 2002 das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Mietrechtsgesetz, das Erwerbsgesellschaftengesetz, die Exekutionsordnung, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und das Heizkostenabrechnungsgesetz geändert werden (Wohnungseigentumsbegleitgesetz 2002)

4. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Bundeswettbewerbsbehörde (Wettbewerbsgesetz – WettbG) erlassen und das Kartellgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert werden

5. Bundesgesetz, mit dem das Insolvenzrechtseinführungsgesetz, die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, das Finalitätsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Insolvenzrechts-Novelle 2002 – InsNov. 2002)

6. Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung, die Zivilprozessordnung, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Grundbuchsgesetz, das Grundbuchsumstellungsgesetz und das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2002)

7. Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird

8. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die linienmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Kraftfahrliniengesetz – KflG) geändert wird (Kraftfahrliniengesetz-Novelle 2001)

9. Abkommen zur Ergänzung des Abkommens vom 21. Februar 1989 zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über die Erleichterung von Ambulanzflügen in den Grenzregionen bei dringlichen Transporten von Verletzten oder Schwerkranken

10. Änderungsurkunde zur Konstitution der Internationalen Fernmeldeunion (Genf 1992), geändert durch die Konferenz der Regierungsbevollmächtigten (Kioto 1994)


Bundesrat
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686. Sitzung / Seite 2

samt Anlage; Von der Konferenz der Regierungsbevollmächtigten (Minneapolis 1998) angenommene Änderungen samt Anlage, Erklärungen und Vorbehalte

11. Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Neugründungs-Förderungsgesetz, die Gewerbeordnung 1994, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitsmarktförderungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Bundessozialämtergesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (Konjunkturbelebungsgesetz 2002)

12. Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz und das Bundesfinanzgesetz geändert wird

13. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz von Preisen für Erdöl, Mineralölerzeugnisse, Gas, Strom, Arzneimittel sowie der Preisauszeichnungsvorschriften (Preistransparenzgesetz) geändert wird

14. Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen samt Anlagen

15. Sechster Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Berichtszeitraum 1997 bis 2000)

16. Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Anwendung der EMAS-V (Verordnung EG 761/2001) und die Vollziehung des Umweltgutachter- und Standorteverzeichnis-Gesetzes (UGStVG) sowie des Umweltmanagementgesetzes (UMG)

17. Wildschadensbericht 2000 des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Tiroler Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat 33

Sitzungsunterbrechung 115

Personalien

Krankmeldungen 11

Entschuldigungen 11

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 34

Ausschüsse

Zuweisungen 34

Fragestunde

Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen 11

Anna Höllerer (1242/M-BR/02); Herbert Thumpser, Dr. Klaus Peter Nittmann


Bundesrat
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686. Sitzung / Seite 3

Horst Freiberger (1237/M-BR/02); Dr. Renate Kanovsky-Wintermann, Maria Grander

Margarete Aburumieh (1243/M-BR/02); Wilhelm Grissemann

Ulrike Haunschmid (1240/M-BR/02); Johann Ledolter, Johanna Schicker

Anna Schlaffer (1238/M-BR/02); Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger, Ilse Giesinger, Stefan Schennach

Franz Wolfinger (1244/M-BR/02); Horst Freiberger, Dr. Klaus Peter Nittmann

Mag. Melitta Trunk (1239/M-BR/02); Mag. John Gudenus, Herta Wimmler

Ing. Walter Grasberger (1245/M-BR/02); Roswitha Bachner, Dr. Robert Aspöck

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (1241/M-BR/02); Anna Höllerer, Johanna Auer

Stefan Schennach (1246/M-BR/02); Gottfried Kneifel, Johanna Auer, Christoph Hagen

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundeskanzler betreffend Österreich muss ein Sozialstaat bleiben sowie Wider der Verschwendungspolitik der Bundesregierung von FPÖ und ÖVP (1924/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Österreich muss ein Sozialstaat bleiben sowie Wider der Verschwendungspolitik der Bundesregierung von FPÖ und ÖVP (1925/J-BR/02)

Begründung: Albrecht Konecny 115

Beantwortung: Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 122

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 133

Redner:

Johanna Schicker 146

Ludwig Bieringer 149

Anna Schlaffer 152

Christoph Hagen 155

Ing. Franz Gruber (tatsächliche Berichtigung) 158

Albrecht Konecny (tatsächliche Berichtigung) 158

und 176

Stefan Schennach 158

Johann Ledolter (tatsächliche Berichtigung) 161

Margarete Aburumieh 161

Herbert Thumpser 163

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (tatsächliche Berichtigung) 166

Ing. Gerd Klamt 166

Alfredo Rosenmaier 167 und 173

Ulrike Haunschmid 170

Ilse Giesinger 172 und 175

Mag. Dietmar Hoscher 174

Dr. Peter Böhm 178


Bundesrat
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686. Sitzung / Seite 4

Verhandlungen

(1) Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz über Vereine (Vereinsgesetz 2002 – VerG) (990 und 1055/NR sowie 6614 und 6615/BR d. B.)

Berichterstatter: Christoph Hagen 35

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Manfred Gruber 35

Ing. Franz Gruber 36

Anna Schlaffer 38 und 59

und (tatsächliche Berichtigung) 47

Dr. Robert Aspöck 40

Stefan Schennach 42

und (tatsächliche Berichtigung) 52

Paul Fasching 45

Theodor Binna 49

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger 49

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 52

Alfredo Rosenmaier 53

Gottfried Kneifel 54

Josef Saller 56

Leopold Steinbichler 57

Herbert Würschl 58


Bundesrat
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686. Sitzung / Seite 5

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 60

Gemeinsame Beratung über

(2) Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz über das Wohnungseigentum (Wohnungseigentumsgesetz 2002 – WEG 2002) (989 und 1050 und Zu 1050/NR sowie 6613 und 6616/BR d. B.)

(3) Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem im Hinblick auf die Schaffung des Wohnungseigentumsgesetzes 2002 das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Mietrechtsgesetz, das Erwerbsgesellschaftengesetz, die Exekutionsordnung, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und das Heizkostenabrechnungsgesetz geändert werden (Wohnungseigentumsbegleitgesetz 2002) (1051/NR sowie 6617/BR d. B.)

Berichterstatter: Christoph Hagen 60

[Antrag, zu (2) und (3) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Mag. Dietmar Hoscher 61

Herta Wimmler 62

Johanna Schicker 64

Dr. Robert Aspöck 65

Stefan Schennach 67

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 69 und 76

Maria Grander 70

Harald Reisenberger 72

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann 76

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2) und (3) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 79

(4) Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Bundeswettbewerbsbehörde (Wettbewerbsgesetz – WettbG) erlassen und das Kartellgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert werden (1005 und 1047/NR sowie 6612 und 6618/BR d. B.)

Berichterstatterin: Anna Schlaffer 80

(Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Stefan Schennach 80

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 82 und 88

Herwig Hösele 83

Mag. Dietmar Hoscher 84

Dr. Robert Aspöck 87

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 88

Gemeinsame Beratung über

(5) Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenzrechtseinführungsgesetz, die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, das Finalitätsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Insolvenzrechts-Novelle 2002 – InsNov. 2002) (988 und 1048/NR sowie 6619/BR d. B.)

(6) Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung, die Zivilprozessordnung, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Grundbuchsgesetz, das Grundbuchsumstellungsgesetz und das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2002) (962 und 1049/NR sowie 6620/BR d. B.)

Berichterstatterin: Anna Schlaffer 89

[Antrag, zu (5) und (6) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Ilse Giesinger 89

Mag. Melitta Trunk 90

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 92

Dr. Peter Böhm 93

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (5) und (6) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 96

Gemeinsame Beratung über

(7) Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird (960 und 1058/NR sowie 6621/BR d. B.)


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686. Sitzung / Seite 6

(8) Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die linienmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Kraftfahrliniengesetz – KflG) geändert wird (Kraftfahrliniengesetz-Novelle 2001) (961 und 1059/NR sowie 6622/BR d. B.)

Berichterstatter: Ing. Gerd Klamt 97

[Antrag, zu (7) und (8) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Ing. Walter Grasberger 97

Ferdinand Gstöttner 98

Wilhelm Grissemann 99

Bundesminister Ing. Mathias Reichhold 100

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (7) und (8) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 103

(9) Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2002 betreffend ein Abkommen zur Ergänzung des Abkommens vom 21. Februar 1989 zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über die Erleichterung von Ambulanzflügen in den Grenzregionen bei dringlichen Transporten von Verletzten oder Schwerkranken (748 und 1056/NR sowie 6623/BR d. B.)

Berichterstatter: Ing. Gerd Klamt 104

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Georg Keuschnigg 104

Herbert Thumpser 105

Wilhelm Grissemann 105

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 105

(10) Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2002 betreffend Änderungsurkunde zur Konstitution der Internationalen Fernmeldeunion (Genf 1992), geändert durch die Konferenz der Regierungsbevollmächtigten (Kioto 1994) samt Anlage; Von der Konferenz der Regierungsbevollmächtigten (Minneapolis 1998) angenommene Änderungen samt Anlage, Erklärungen und Vorbehalte (873 und 1057/NR sowie 6624/BR d. B.)

Berichterstatter: Ing. Gerd Klamt 106

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger 106

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 107

Gemeinsame Beratung über

(11) Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaft


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686. Sitzung / Seite 7

steuergesetz 1988, das Neugründungs-Förderungsgesetz, die Gewerbeordnung 1994, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitsmarktförderungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Bundessozialämtergesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (Konjunkturbelebungsgesetz 2002) (977 und 1039/NR sowie 6610 und 6625/BR d. B.)

(12) Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz und das Bundesfinanzgesetz geändert wird (1040/NR sowie 6611 und 6626/BR d. B.)

Berichterstatterin: Dr. Renate Kanovsky-Wintermann 108

[Antrag, zu (11) keinen Einspruch zu erheben und zu (12) gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Mag. Dietmar Hoscher 108

und (tatsächliche Berichtigung) 114

Margarete Aburumieh 113

Horst Freiberger 181

Ing. Gerd Klamt 182

Günther Kaltenbacher 183

Dipl.-Ing. Hannes Missethon 185

Ulrike Haunschmid 187

Ilse Giesinger 190

Staatssekretärin Mares Rossmann 191

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 192

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (11) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 193

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu (12), gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 193

(13) Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz von Preisen für Erdöl, Mineralölerzeugnisse, Gas, Strom, Arzneimittel sowie der Preisauszeichnungsvorschriften (Preistransparenzgesetz) geändert wird (948 und 1041/NR sowie 6627/BR d. B.)

Berichterstatterin: Ulrike Haunschmid 194

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 194

(14) Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2002 betreffend das Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen samt Anlagen (987 und 1060/NR sowie 6628/BR d. B.)

Berichterstatterin: Anna Höllerer 194


Bundesrat
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686. Sitzung / Seite 8

(Antrag, 1. dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Gottfried Kneifel 195

Johann Kraml 196

Mag. John Gudenus 198

Leopold Steinbichler 198

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger 200

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 201

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 202

Gemeinsame Beratung über

(15) Sechster Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Berichtszeitraum 1997 bis 2000) (III-227 sowie 6629/BR d. B.)

(16) Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Anwendung der EMAS-V (Verordnung EG 761/2001) und die Vollziehung des Umweltgutachter- und Standorteverzeichnis-Gesetzes (UGStVG) sowie des Umweltmanagementgesetzes (UMG) (III-228 sowie 6630/BR d. B.)

(17) Wildschadensbericht 2000 des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-233 sowie 6631/BR d. B.)

Berichterstatterin: Anna Höllerer 203

[Antrag, zu (15), (16) und (17) den Bericht zur Kenntnis zu nehmen]

Redner:

Reinhard Todt 204

Georg Keuschnigg 206

Stefan Schennach 206

Mag. John Gudenus 208

Germana Fösleitner 211

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 212

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (15) und (16) den Bericht zur Kenntnis zu nehmen (mit Stimmeneinhelligkeit) 214

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (17) den Bericht zur Kenntnis zu nehmen (mit Stimmenmehrheit) 215


Bundesrat
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686. Sitzung / Seite 9

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger, Mag. John Gudenus und Mag. Thomas Ram an den Bundesminister für Inneres, Dr. Ernst Strasser, betreffend den Verbleib von Asylanten (1919/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundeskanzler betreffend "nützliche Aufwendung" (Schmiergelder) beim Ankauf von Thomson-Radaranlagen; Konsequenzen aus diesem Sachverhalt für die gegenwärtigen Beschaffungen des österreichischen Bundesheeres (1920/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend "nützliche Aufwendung" (Schmiergelder) beim Ankauf von Thomson-Radaranlagen; Konsequenzen aus diesem Sachverhalt für die gegenwärtigen Beschaffungen des österreichischen Bundesheeres (1921/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend "nützliche Aufwendung" (Schmiergelder) beim Ankauf von Thomson-Radaranlagen; Konsequenzen aus diesem Sachverhalt für die gegenwärtigen Beschaffungen des österreichischen Bundesheeres (1922/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend "nützliche Aufwendung" (Schmiergelder) beim Ankauf von Thomson-Radaranlagen; Konsequenzen aus diesem Sachverhalt für die gegenwärtigen Beschaffungen des österreichischen Bundesheeres (1923/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundeskanzler betreffend Österreich muss ein Sozialstaat bleiben sowie Wider der Verschwendungspolitik der Bundesregierung von FPÖ und ÖVP (1924/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Österreich muss ein Sozialstaat bleiben sowie Wider der Verschwendungspolitik der Bundesregierung von FPÖ und ÖVP (1925/J-BR/02)

der Bundesräte Albrecht Konecny, Dr. Vincenz Liechtenstein und KollegInnen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Restitution von Kunstgegenständen (1926/J-BR/02)

der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Ausbau und Öffnung der Grenzübergänge im Bezirk Rohrbach (1927/J-BR/02)

der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Ladenöffnungszeiten (1928/J-BR/02)

der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Fördergelder des Arbeitsmarktservice (AMS) (1929/J-BR/02)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Ilse Giesinger und KollegInnen (1747/AB-BR/02) zu 1899/J-BR/02)


Bundesrat
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686. Sitzung / Seite 10

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger und Kollegen (1748/AB-BR/02 zu 1900/J-BR/02)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Wilhelm Grissemann und Mag. Thomas Ram (1749/AB-BR/02 zu 1906/J-BR/02)


Bundesrat
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686. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Ich eröffne die 686. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 685. Sitzung des Bundesrates vom 14. März 2002 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Karl Boden, Klaus Gasteiger, Hedda Kainz, Engelbert Weilharter.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Fritz Grillitsch und Dr. Ferdinand Maier.

Fragestunde

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir kommen zur Fragestunde.

Ich beginne jetzt – um 9.02 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir kommen zur 1. Anfrage, 1242/M, an den Herrn Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Anna Höllerer, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Anna Höllerer (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1242/M-BR/02

Welche Vorhaben im Familienbereich planen Sie für die 2. Hälfte dieser Legislaturperiode?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 soll dahin gehend geändert werden, dass das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen die Untersuchungen der erheblich behinderten Kinder zwecks Gewährung einer erhöhten Familienbeihilfe als einzige Institution durchführen soll. Das In-Kraft-Treten erfolgt voraussichtlich mit 1. Oktober 2002.

Das Begutachtungsverfahren des entsprechenden Gesetzentwurfes wurde mit Ende März abgeschlossen. Derzeit werden die Vorbereitungsmaßnahmen in Bezug auf die parlamentarische Behandlung getroffen.

Die bisherigen Maßnahmen und Instrumente wie "Audit Familie & Beruf", der Bundeswettbewerb frauen- und familienfreundlichster Betrieb, die "Familienkompetenz" – Schlüssel für mehr Erfolg im Beruf, werden weitergeführt.

Zusätzlich wird mit dem Modellprojekt einer nationalen Koordinationsstelle zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine bundesweite Akkordierung von Vereinbarkeitsmaßnahmen angestrebt.

Im Rahmen des "Audits familien- und kinderfreundliche Gemeinde" sollen bis Jänner 2003 Modellgemeinden zertifiziert werden.

In Hinblick auf das zehnte Internationale Jahr der Familie im Jahr 2004 werden familienpolitische Initiativen vorbereitet. Zum Themenbereich "Gewalt in der Familie" wurden diverse ExpertInnengremien eingesetzt; zum Beispiel die "Plattform gegen Gewalt in der Familie", die ihre Arbeit in bewährter Weise fortsetzen sollte.


Bundesrat
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686. Sitzung / Seite 12

Forschungsaufträge wie die Evaluierung des Kinderbetreuungsgeldes, die Bedarfserhebung betreffend Kinderbetreuungsangebote, Kinderkosten und Scheidungsfolgen sollen empirisch-wissenschaftlich fundierte Entscheidungen liefern.

Die Heimfahrtbeihilfe für Schüler und Lehrlinge wird wieder eingeführt, um Familien zu entlasten, die ihren Kindern eine Zweitunterkunft zu Ausbildungszwecken finanzieren müssen. Die Schüler- und Lehrlingsfreifahrten werden schrittweise in die Verkehrsverbünde einbezogen, um die Vorteile eines Verkehrsverbundes, zum Beispiel die freie Wahl der Verkehrsmittel, ein Fahrschein auch für die Schüler und Lehrlinge, endlich zu gewährleisten.

Die Schulbuchaktion und die Schüler- und Lehrlingsfreifahrten sollen auf Grundlage der modernsten Informations- und Kommunikationstechnologie durchgeführt werden.

Zur Unterstützung der elterlichen Kompetenz wird der flächendeckende Ausbau von elterlichen Bildungsangeboten forciert sowie die Inanspruchnahme der Angebote durch bewusstseinsbildende Maßnahmen verstärkt.

Im Hinblick auf die zunehmende Scheidungshäufigkeit werden die Angebote zur Mediation sowie zur Eltern- und Kinderbetreuung und Kinderbegleitung im Fall von Trennung und Scheidung zu sozial angemessenen Tarifen ausgebaut und verbessert.

Bei den Familienberatungsstellen sind als neue Schwerpunktsetzung mit 2002 die Beratung von Schwangeren im Zusammenhang mit pränataler Diagnostik geplant. Die vom Bundesministerium geförderten Familienberatungsstellen – es sind über 300 – werden immer öfter im Zusammenhang mit Fragen einer pränatalen Diagnostik aufgesucht. Meist geht es dabei um die Entscheidungsfindung für oder gegen eine pränatale Diagnose, eine second opinion, oder um psychologische Unterstützung während der Wartezeit auf den Befund oder um die Unterstützung bei problematischen Ergebnissen.

Im Hinblick auf die spezifische Beratungssituation bei den angeführten Problemstellungen wurde es notwendig, eine besondere Weiterbildung für FamilienberaterInnen zu diesem Thema sowie Kriterien für eine qualifizierte Beratung auszuarbeiten.

Es sollte weitere Schwerpunkte in der Beratung von Eltern mit behinderten Kindern geben. Ich glaube, dass gerade in diesem Bereich ein wichtiger Handlungsbedarf besteht, und darf hier auf das Regierungsübereinkommen verweisen. Ich strebe in jedem Bundesland die Förderung von zumindest zwei Familienberatungsstellen mit dem Schwerpunkt Beratung von Eltern mit behinderten Kindern an.

Mittelfristig sollen für diesen Schwerpunkt 10 Millionen Schilling, das sind 720 000 Euro, aufgewendet werden. Heuer wurden die Mittel für 13 geförderte Schwerpunktberatungsstellen bereits auf 376 000 Euro, das sind ehemals 5,2 Millionen Schilling, angehoben, was eine Erhöhung gegenüber dem Vorjahr um 25 Prozent entspricht.

Ich hoffe, ich habe Sie in aller Kürze über die Vorhaben informiert. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Ist eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Anna Höllerer (ÖVP, Niederösterreich): Welche Maßnahmen sehen Sie für den Bereich der Familienhospizkarenz vor?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Im Bereich der Familienhospizkarenz plane ich, nachdem bei sehr vielen älteren Betroffenen nach dem Verlassen des Krankenhauses, also in der Übergangsphase in die Hospizbetreuung und in die häusliche Pflege, eine höhere Einstufung des Pflegegeldes zu erwarten ist, dass in dieser Phase – wir wissen, dass die Neueinstufung für das


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Pflegegeld zwischen zwei und drei Monate dauert und daher gerade in dieser speziellen Situation oftmals die Pflegegeldeinstufung und das Geld erst dann kommen, wenn der Patient schon verschieden ist – die Möglichkeit besteht, dass der, der die Pflege übernimmt, einen Vorschuss auf das Karenzgeld erhält, zumindest in der Pflegestufe 3 und bei jenen, die vorher die Pflegestufe 2 oder 3 gehabt haben, in der Pflegestufe 4.

Weiters wollen wir für Eltern, die ihr krebskrankes Kind in eine Krankenanstalt begleiten und dort in entsprechender Form tätig sind, eine Zuschussleistung aus dem Familienlastenausgleichsfonds vorsehen, eben für diese spezielle Situation.


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Präsidentin Uta Barbara Pühringer:
Danke. – Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Herbert Thumpser gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Sie haben eine Reihe von Vorhaben aufgezählt. Ich möchte Sie fragen, ob Sie all diese Vorhaben so wie das Kinderbetreuungsgeld mit einer Werbekampagne in der Höhe von einigen Millionen Euro unterstützen werden?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Herr Bundesrat! Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass diese Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit für das Kinderbetreuungsgeld Sinn gemacht haben, denn von dem neuen, erweiterten Personenkreis, der nun auch das Kinderbetreuungsgeld bekommt, hat sich in den letzten Tagen die Zahl der Anspruchsberechtigten, die die Leistung tatsächlich in Anspruch nehmen, von 500 im Jänner auf nunmehr 5 600 erhöht (Bundesrat Manfred Gruber: Das war ja nicht gefragt! Die Frage lautete anders! Eine andere Frage wurde gestellt!), woran man sieht, dass diese Aktion durchaus sinnvoll war. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf Sie darauf hinweisen, Herr Bundesrat, dass ich im Gegensatz zu meinen Amtsvorgängerinnen nicht plane, gesetzliche Maßnahmen umzusetzen, die nur einem speziellen kleinen Kreis von Begünstigten, die gute und hervorragende Beratung haben, zugute kommen, sondern ich habe die Planung aller sozialen Maßnahmen, die ich soeben ausgeführt habe, so berechnet, dass sie allen Anspruchsberechtigten zugute kommen (Bundesrat Mag. Hoscher: Themenverfehlung!), dass sie alle erhalten. Daher werde ich dann, wenn die Nachfrage hinter den Erwartungen zurückbleibt, die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, welche zusätzlichen sozialen Maßnahmen diese Republik für ihre Staatsbürger gesetzt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Manfred Gruber: Hier wurde eine Zusatzfrage gestellt, die nicht beantwortet wurde! – Bundesrat Thumpser: Danke für die "Beantwortung"!)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann gemeldet. – Bitte. (Bundesrat Mag. Hoscher: Thema verfehlt, Herr Minister! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Wie weit ist die Umsetzung des Pilotprojektes "Familienkompetenz" gediehen?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Herr Bundesrat! Das Projekt "Familienkompetenz" ist derzeit im Laufen, und wir haben im Bereich der "Familienkompetenz" die ersten positiven Erfahrungen gemacht. Jene Frauen, die bei der Rückkehr in die Arbeitswelt mit ihren "Familienkompetenzen" auf dem Arbeitsmarkt vorstellig geworden sind, haben bessere Zugangschancen zum Arbeitsmarkt gefunden.

Es war für mich auch erfreulich, dass sich nach einer zunächst ablehnenden, negativen Haltung von mehreren Bundesländern in der Konferenz der Frauen-Regierungsbeauftragten dann sämtliche FamilienreferentInnen der Bundesländer hinter dieses Projekt gestellt haben und dieses auch unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke.

Wir kommen zur 2. Anfrage, 1237/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Horst Freiberger, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet (Die Bundesräte der SPÖ zeigen jeweils ein Plakat, auf dem sich eine Karikatur betreffend das Sozialstaat-Volksbegehren befindet, mit folgendem Wortlaut: "Stell dir vor, der Sozialstaat geht baden und niemand tut was! Darum: Für unseren Sozialstaat. Jetzt unterschreiben!"):

1237/M-BR/02

Werden Sie als Sozialminister die Forderung des überparteilichen Sozialstaat-Volksbegehrens unterstützen, wonach vor Beschluss eines Gesetzes dieses auf die soziale Lage der Betroffenen, die Gleichstellung von Frauen und Männern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu überprüfen ist?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke für den Aktionismus aus den Bänken der größeren Oppositionspartei. (Bundesrat Konecny: Ob es etwas nützt bei Ihnen? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte Ihnen, Herr Bundesrat Freiberger, auf Ihre Frage antworten: Ich halte eine Prüfung von Gesetzentwürfen hinsichtlich der Gleichstellung von Männern und Frauen für wesentlich und bedeutsam. Ich darf Sie aber darauf hinweisen, dass die Bundesverfassung bereits ein Diskriminierungsverbot enthält und daher der Formulierung des Herrn Bundeskanzlers, dass der österreichische Sozialstaat in bester Verfassung sei, nichts hinzuzufügen ist.

Herr Bundesrat! Ich denke, dass, wenn man berücksichtigt, dass mein Haus im Hinblick auf die neuen Richtlinien für Gender Mainstreaming der Europäischen Union nunmehr einen Leitfaden für sämtliche Legisten der Länder und aller Bundesministerien ausgearbeitet hat, um auch bei der Gesetzwerdung und legistischen Verfassung von Gesetzen bereits die Gender Mainstreaming-Überlegungen einfließen zu lassen, sehr viele Punkte des derzeit laufenden Volksbegehrens obsolet sind. Ich halte daher eine Unterschriftsleistung für dieses Volksbegehren für nicht notwendig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Nachdem Sie jetzt dargestellt haben, dass diese Überlegungen des Volksbegehrens bereits in Ihre Politik einfließen, könnte man davon ausgehen, dass Sie vielleicht schon unterschrieben haben. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Möglicherweise – es sind ja noch einige Tage bis zum 10. Oktober, Entschuldigung, bis zum 10. April Zeit (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen)  – ist es auch so, dass Sie sich mit diesen Intentionen solidarisch erklären, was Sie jetzt in Ihren Ausführungen getan haben. Werden Sie bis zum 10. April Ihre Unterschrift leisten? (Beifall des Bundesrates Konecny. )

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Herr Bundesrat! Obwohl die Unterschriftsleistung bei einem Volksbegehren ein individuelles Recht ist, also kein Recht der Interpellation, werde ich mich dieser Anfragebeantwortung nicht entschlagen.

Ich habe schon mehrfach in der Öffentlichkeit klargemacht, dass ich dieses Volksbegehren weder unterschrieben habe noch unterschreiben werde. (Ruf bei der SPÖ: Das ist "super"!) Wir leben in einem Staat, in dem in der Bundesverfassung sowohl das Diskriminierungsverbot ent


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halten als auch eine Reihe anderer Anliegen, die in diesem Volksbegehren gefordert werden, bereits abgefasst sind; in einem Staat, der – im Gegensatz zu dem, was öfters in der Öffentlichkeit behauptet wird – die Sozialquote auch in den letzten Jahren auf über 30 Prozent erhöht hat und damit in der Europäischen Union eindeutig und klar, wie die europäische Evaluation des Sozialstaates Österreich bewiesen hat, im Spitzenfeld liegt, obwohl andere Staaten wie etwa Portugal die verfassungsmäßige Verankerung der Anliegen dieses Volkbegehrens haben. Ich möchte den Österreicherinnen und Österreichern jedoch einen Sozialstaat à la Portugal ersparen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Minister! Im Anschluss an Ihre letzte Beantwortung darf ich eines ergänzen beziehungsweise noch etwas genauer hinterfragen: Wie sehen Sie die österreichische Sozialpolitik, und zwar die reale Sozialpolitik, die tatsächlich umgesetzte Sozialpolitik, im Vergleich zu jener von anderen EU-Staaten? (Bundesrat Konecny: Das hat er ja schon gesagt! Das war zu spät!)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Bundesminister, bitte.


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Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt:
Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Hoher Bundesrat! Anlässlich des Europäischen Rates in Barcelona am 15. und 16. März 2002 wurde seitens der Kommission ein Bericht über die jährlichen Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele, die von der Europäischen Union im Rahmen der Lissabonner Strategien gesetzt worden sind, präsentiert. Sie verwendet dabei den vollständigen Satz der vereinbarten Strukturindikatoren, also insgesamt 76 Indikatoren, mit folgenden sechs Untergruppen: allgemeiner wirtschaftlicher Hintergrund, Beschäftigung, Innovation und Forschung, Wirtschaftsreform, sozialer Zusammenhalt und Umwelt.

Österreich nimmt bei allen Indikatoren der Untergruppe "sozialer Zusammenhalt" Spitzenplätze ein, und zwar hinsichtlich der Indikatoren: Einkommensverteilung; Anteil der von Armut bedrohten Personen vor Sozialtransfers; Anteil der von Armut bedrohten Personen nach Sozialtransfers; von dauerhafter Armut bedrohte Personen; regionaler Zusammenhalt; frühzeitige Schulabgänger, die an keiner Aus- und Weiterbildung teilnehmen; Langzeitarbeitslosenquote; Bevölkerung in erwerbslosen Haushalten.

Zur Armutsbekämpfung: Jeder Mitgliedstaat hat der Kommission per 1. Juni 2002 einen nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung übermittelt.

Österreich wurde im gemeinsamen Bericht der Europäischen Kommission und des Rates hinsichtlich der sozialen Eingliederung positiv bewertet, weil es in seinem Bericht einen der umfangreichsten Kataloge von Maßnahmen präsentiert hat. Hervorgehoben wurden die Schwerpunkte Kinderbetreuungsgeld und Behindertenmilliarde.

Hinsichtlich der Pensionen schnitt Österreich durch das Instrumentarium der Ausgleichszulage überdurchschnittlich gut ab.

Ich denke daher, sehr geehrte Frau Bundesrätin, dass wir im europäischen Vergleich mit unseren Spitzenpositionen durchaus zufrieden sein können.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Maria Grander. – Bitte.

Bundesrätin Maria Grander (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Was würde sich ändern, wenn dieses Volksbegehren umgesetzt würde?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Die Umsetzung dieses Volksbegehrens, vor allem die verfassungsmäßige Absicherung als Grundrecht, würde über die Qualität des Sozialstaates Österreich gar nichts aussagen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich darf darauf hinweisen, dass von 15 Staaten, die in der Europäischen Union sind, bereits 13 Staaten mehr oder weniger solch eine verfassungsmäßige Absicherung haben und dass die Bundesrepublik Deutschland in ihrem Grundgesetz über eine ähnliche verfassungsmäßige Absicherung verfügt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man die Arbeitslosenzahlen der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu Österreich betrachtet, wenn man die Pensionen im europäischen Vergleich betrachtet, wenn man sehr viele Sozialindikatoren betrachtet, wenn man im Gesundheitswesen die geringen Wartezeiten für Senioren bei operativen Eingriffen im europäischen Vergleich betrachtet, so muss man sagen, es ist nicht die verfassungsmäßige Verankerung das Wichtige, sondern die tagespolitische Umsetzung dieser Ziele, und diesbezüglich sind wir in Österreich Spitze. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Noch!)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir kommen nun zur 3. Anfrage, 1243/M.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Margarete Aburumieh, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1243/M-BR/02

Was unternehmen Sie, um dem zunehmenden Angebot von "Internet-Apotheken" – also dem Versand von Medikamenten ohne qualifizierte Beratung – entgegenzutreten?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Es gibt eine Reihe von legistischen Maßnahmen, von Rechtsvorschriften, die den Internet-Versand von Arzneimitteln untersagen:

die Abgabevorschrift des Arzneimittelgesetzes, die die Abgabe von Arzneimitteln an den Verbraucher im Wesentlichen den Apothekern vorbehält;

die Vorschrift des Rezeptpflichtgesetzes, wonach Arzneimittel, die auch bei ordnungsgemäßem Gebrauch das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder Tieren gefährden können, wenn sie ohne ärztliche oder tierärztliche Überwachung angewendet werden, in Apotheken nur auf Grund einer ärztlichen oder tierärztlichen Verschreibung abgegeben werden dürfen;

ein explizites Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln sowohl im Arzneimittelgesetz als auch in der Gewerbeordnung – ein entsprechendes Verbot gibt es auch im Bereich des Teleshoppings für Arzneimittel im Kabel- und Satellitenrundfunkgesetz –;

detaillierte Werbevorschriften im Rahmen der Laienwerbung – unter anderem ein Verbot der Werbung für rezeptpflichtige Arzneimittel sowie ein Verbot von Elementen, die darauf hinwirken, Arzneimittel im Versandhandel zu beziehen –;

die Bestimmungen des Arzneiwareneinfuhrgesetzes, die die Einfuhr von Arzneispezialitäten nach Österreich an eine Einfuhrbewilligung knüpfen.

Ich denke daher, dass wir in diesem Bereich einen sehr weit gespannten legistischen Rahmen haben. Es soll aber auch nicht verhehlt werden, dass wir beim derzeit liberalisierten Grenzverkehr innerhalb der Europäischen Union trotz all dieser Gesetze immer noch zur Kenntnis neh


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men müssen, dass illegaler Medikamentenhandel per postalischem Versand oder sonstigem Versand stattfindet.


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Präsidentin Uta Barbara Pühringer:
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Sie haben auf den legistischen Zustand Bezug genommen. Welche weiteren Adaptionen werden im Apothekenrecht notwendig sein, oder reicht es aus, diesen Ist-Zustand zu erfüllen?


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Präsidentin Uta Barbara Pühringer:
Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt:
Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich denke, dass wir eine sehr lückenlose legistische Vorkehrung in Österreich haben, aber zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir dieser Problematik in einem immer mehr vernetzten Markt mit offenen Grenzen allein nicht Herr werden.

Es ist daher wichtig, dass es seit dem Jahr 2000 eine entsprechende Initiative auf europäischer Ebene gibt, um den Telehandel mit Medikamenten und dessen gesamte Problematik einer europaweiten Lösung zuzuführen. Diese europaweite Lösung erscheint mir als das einzig Sinnvolle, um diesen Markt europaweit in den Griff zu bekommen.


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Präsidentin Uta Barbara Pühringer:
Es liegt mir keine Meldung für eine Zusatzfrage von der sozialdemokratischen Fraktion vor. Ich nehme an, es bleibt dabei, und darf um die Zusatzfrage von Bundesrat Wilhelm Grissemann bitten.

Bundesrat Wilhelm Grissemann (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrter Herr Minister! Im Wesentlichen wurde die Frage schon beantwortet (Bundesrat Konecny: Dann stellen Sie sie doch nicht!), trotzdem: Wir haben von den offenen Grenzen gesprochen, von der allgemeinen internationalen Vernetzung. Welche konkreten Maßnahmen wurden seitens der EU in diesem Bereich gesetzt?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Ich habe schon angeführt, dass im Jahr 2000 auf europäischer Ebene ein Arbeitskreis eingesetzt wurde, der diese Problematik einer Lösung zuführen sollte.

Ich denke, es ist auch bedeutend, dass auf der Gesundheitsministerkonferenz vor etwas mehr als einem Monat in Malaga von allen 14 beteiligten Gesundheitsministern die einvernehmliche Meinung erzielt wurde, dass die Frage der Medikamentendistribution nicht mehr ausschließlich eine Frage des Wirtschaftsausschusses und der Liberalisierungsausschüsse der Europäischen Union sein kann. Sämtliche Gesundheitsminister waren derselben Meinung wie ich, nämlich dass die Gesundheitsminister bei diesen Themen ein wichtiges Wort mitzureden haben müssen, da uns die Umsetzung der Liberalisierungsrichtlinie in diesem Bereich weder zielführend noch gesundheitsförderlich erscheint.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke.

Wir kommen zur 4. Anfrage, 1240/M.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Minister! Meine Frage lautet:

1240/M-BR/02

Wie viele Neuanträge auf Kindergeld sind bis dato eingereicht worden?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich darf die Zahl wiederholen: Mit 4. April sind 5 617 Neuanträge erfolgt. (Bundesrat Mag. Hoscher: Was, so "viele"?)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Was sind die Vorteile des Kindergeldes gegenüber dem Karenzgeld, Herr Minister? (Bundesrat Konecny: Immer diese "kritischen" Fragen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich habe es schon mehrfach ausgeführt: Nachdem das Kinderbetreuungsgeld eine familienpolitische Leistung ist, ist der Kreis jener, die nunmehr anspruchsberechtigt sind, deutlich erweitert worden. Es gibt beim neuen Kinderbetreuungsgeld auch endlich die Möglichkeit, während der Kinderbetreuungszeit zwei Dinge zu machen, die beim Karenzgeld verboten waren, nämlich über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus dazuzuverdienen sowie Fort- und Weiterbildung zu betreiben.

Ich darf daran erinnern, dass man bei der alten Regelung des Karenzgeldes dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung zu stehen hatte, dass das Karenzgeld entfiel, wenn man Fortbildungsmaßnahmen, etwa Meisterprüfungskurse und Ähnliches, in Anspruch nahm.

Ich bin der Ansicht, dass darüber hinaus auch zu überlegen wäre, ob man nicht wieder die österreichische Regelung einführt, dass während der Arbeitslosigkeit, die etwa bei Bauarbeitern in den Wintermonaten und auch derzeit noch immer extrem hoch ist, der Besuch von Kursen für eine höhere Qualifizierung, etwa der Polierschulen, ermöglicht wird.

Ich denke, Frau Bundesrätin, dass die wichtigsten Aspekte des Kinderbetreuungsgeldes die Fort- und Weiterbildung, die eindeutig höheren Zuverdienstgrenzen und der auf StudentInnen und andere, die ehemals ausgeschlossen waren, erweiterte Personenkreis sind.

Ich bin der Meinung, dass diese gesamte Maßnahme als familienpolitische Maßnahme, worauf auch die Europäische Union richtigerweise hingewiesen hat, sehr wichtig ist, um die Armutsfalle für weite Personenkreise in Österreich nicht mehr wirksam werden zu lassen.

Ich darf auch noch darauf aufmerksam machen, dass wir in diesem Kreis schön langsam eine Änderung der gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen erfahren. Wir haben derzeit 240 000 allein erziehende Frauen und nahezu 50 000 allein erziehende Männer, das sind also fast 20 Prozent. Diese Zahlen signalisieren deutlich und klar den gesellschaftspolitischen Wandel in der Kinderbetreuung. Ich halte es daher für gut, dass ein Kinderbetreuungsgeld für beide Elternteile, für Mann und Frau, also eine anteilsmäßige Regelung, geschaffen wurde.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Johann Ledolter gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Johann Ledolter (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Bundesminister! Ich möchte gerne wissen, ob dieses Kinderbetreuungsgeld Ihrer Erwartung nach auch einen Beitrag dazu leisten wird, den Geburtenrückgang in Österreich einzudämmen (Heiterkeit bei der SPÖ – Bundesrätin Schicker: Diese Frage hätte ich nicht gestellt!), der ja bedrohliche Formen annimmt und letztendlich, wenn man Trendextrapolationen folgt, durchaus zu einer Reduzierung beziehungsweise sogar zu einer Halbierung der Bevölkerung führen kann – auch wenn es die Damen und Herren der SPÖ scheinbar nicht so sehr beeindruckt (Bundesrat Thumpser: Das ist eine Zusatzfrage, keine Rede!), weil sie offensichtlich auf andere Perspektiven der Erhaltung der österreichischen Bevölkerung setzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich darf darauf aufmerksam machen, dass Sie mit der Frage, die Sie gerade formuliert haben, eine sehr wichtige Zukunftsfrage Österreichs angesprochen haben.

Das österreichische Sozialnetz ist in der Pensionsversicherung maßgeblich auf dem Generationenvertrag aufgebaut und wurde auf einer Geburtenrate von deutlich über 150 000 Geburten pro Jahr konzipiert. In den letzten Jahren hatten wir laufend Geburteneinbrüche, im vergangenen Jahr gab es nur noch knapp 76 000 Geburten.

Ich halte es daher für die Bevölkerungsentwicklung unseres Staates für eminent wichtig, die Geburtenrate zu erhöhen. Wir erwarten selbstverständlich auch einen positiven Effekt durch das Kinderbetreuungsgeld, das die Entscheidung, ein Kind zu bekommen und sich den Kinderwunsch, den mehr als 80 Prozent der Frauen zwischen 16 und 18 Jahren noch immer als Teil ihrer Lebensplanung formulieren, zu erfüllen, beeinflussen wird.

Das, was Sie in Ihrem Nachsatz apostrophiert haben, nämlich dass durch Zuwanderung aus unserer östlichen Nachbarschaft die Geburtenrate in Österreich ausgeglichen werden könnte, ist eine Ansicht, die ich nicht teilen kann. Wenn Sie sich nämlich die Geburtenraten von Ungarn, Tschechien, Slowenien und den anderen Nachbarstaaten ansehen, die die klassischen Zuwanderungsländer Österreichs waren, so müssen Sie feststellen, dass dort die demoskopische Entwicklung teilweise noch schlechter als in Österreich ist.

Ich glaube daher, dass wir alles tun müssen, damit sich die Geburtenrate auf Grund familienfreundlicher Rahmenbedingungen – nicht nur im fiskalischen Bereich (Bundesrätin Schicker: Bei der Kinderbetreuung!), sondern auch auf dem Arbeitsplatz und in der Wirtschaft – wieder nach oben bewegt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke. – Frau Bundesrätin Johanna Schicker hat sich für die nächste Zusatzfrage gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Wie viel hat die Werbekampagne zur Einführung des Kindergeldes bisher gekostet, und mit welchen Ausgaben muss die österreichische Steuerzahlerin beziehungsweise der österreichische Steuerzahler in Hinkunft noch rechnen?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Frau Bundesrätin! Die genaue Zahl kann ich Ihnen heute nicht sagen. (Bundesrat Konecny: Das ist aber ungewöhnlich!) Ehe ich Ihnen eine falsche Zahl sage, sage ich Ihnen lieber keine, sondern mache von meinem Recht Gebrauch, Ihnen diese Zahlen nachzureichen.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir kommen zur 5. Anfrage, 1238/M.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Anna Schlaffer, um die Verlesung.

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1238/M-BR/02

Wie groß ist der Nachholbedarf Österreichs an Kinderbetreuungsplätzen gegenüber jedem anderen EU-Land, welche als Grundlage der vom überparteilichen Sozialstaat-Volksbegehren geforderten Chancengleichheit von Frauen und Männern unentbehrlich sind?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Die letzte österreichweite Statistik über Kinderbetreuungsplätze ist schon mehr als sechs Jahre alt. Sie ist auf Grund der heutigen Entwicklung auf dem Geburtensektor nicht mehr aussagekräftig, weil die Geburtenrate damals, als die Studie entwickelt wurde, noch deutlich über 90 000 Geburten lag und heute auf nicht ganz 76 000 Geburten gesunken ist.

Ich darf Sie weiters darauf aufmerksam machen, dass neben den Kinderbetreuungseinrichtungen im klassischen Sinn in den letzten Jahren auch eine Reihe von zusätzlichen Maßnahmen für Kinderbetreuung gerade im ländlichen Bereich gesetzt wurde. Daher habe ich schon vor einigen Wochen veranlasst, dass diese Frage im heurigen Herbst gemeinsam mit einer Mikrozensuserhebung auf den letzten Stand gebracht wird, um Ihnen endlich eine aussagekräftige Darstellung der jetzigen Situation geben zu können.

Ich darf aber auch in aller Klarheit hier sagen, dass die Zurverfügungstellung von Kinderbetreuungseinrichtungen eine ausschließliche Verfassungsangelegenheit der Länder und nicht des Bundes ist.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Dipl.-Ing. Dr. Lindinger gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Welche Maßnahmen setzen Sie konkret, um flexible, den Bedürfnissen der Eltern angepasste Kinderbetreuungsplätze zu schaffen?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich habe schon darauf hingewiesen, dass das Schaffen von Kinderbetreuungsplätzen eine Angelegenheit der Länder ist. Zwischen Bund und Ländern besteht ein Finanzausgleich, der einvernehmlich zwischen Bund und Ländern vereinbart worden ist. Daher kann es nicht so sein, dass der Bund weiterhin verfassungsmäßige Aufgaben der Länder übernimmt.

Wir sind aber gemeinsam mit Kollegen Bartenstein, also auf Grund von Geldern aus meinem Ministerium, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit und dem Arbeitsmarktservice Österreich, in der Lage, für 38 000 bis 40 000 Kinder – die Zahl schwankt je nach Jahreszeit und nach Entwicklung am Arbeitsmarkt – flexiblere Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen und zu ermöglichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, dass gerade diese Maßnahme wichtig ist, weil die flexibleren Öffnungszeiten maßgeblich dazu beitragen, dass Frauen später wieder auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren und Arbeitsverhältnisse eingehen können, weil sie flexiblere Lösungen der Kinderbetreuung vorfinden.

Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass diese Maßnahmen offensichtlich greifen, denn wenn Sie die Arbeitslosenzahlen der letzten Monate betrachten, so werden Sie bemerken, dass es das erste Mal in der Zweiten Republik gelungen ist, bei einem Wirtschaftseinbruch die Zahl der Frauen in Arbeit auf einem höheren Niveau zu stabilisieren als jene der Männer. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Die nächste Zusatzfrage kommt von Frau Bundesrätin Giesinger. – Bitte.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister! Sehen Sie einen Bedarf zur Verbesserung der Qualität der Kinderbetreuung, die ja in vielfältigster Weise wie zum Beispiel in der Familie durch Tagesmütter oder in Betriebskindergärten und so weiter wahrgenommen wird?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich sehe, wenn ich mir das West-Ost-Gefälle Österreichs von Vorarlberg bis zum Burgenland und die unterschiedlichen landesgesetzlichen Ausführungen diesbezüglich anschaue, in diesem Bereich durchaus diesen Bedarf ein. Ich meine, dass wir in dieser verfassungsmäßigen Situation am besten damit beraten sind, ebenfalls mit 15a-Vereinbarungen eine Vereinheitlichung der Standards der Kinderbetreuungseinrichtungen, der Qualität und der Qualitätssicherung zu erreichen, denn es ist in einer flexibleren Arbeitswelt nicht einsichtig, dass Fachkräfte wie Kindergärtnerinnen bei Überschreiten der Landesgrenze, etwa durch Heirat oder neue Wohnsitzwahl, auf einmal mit gänzlich anderen Rahmenbedingungen konfrontiert sind.

Ich würde mir auch für die Berufsgruppe der qualifizierten Pädagoginnen und Kindergärtnerinnen eine solche Harmonisierung für alle neun Bundesländer wünschen. Mir scheint eine 15a-Vereinbarung der sinnvollere Weg als ein Bundesrahmengesetz zu sein, das mehr verfassungsmäßige Probleme bringen würde. Diese Vereinbarung für eine Qualitätssicherung und Harmonisierung, die auf alle Bundesländer zutrifft, wäre wünschenswert.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Bundesrat Schennach hat sich für die nächste Zusatzfrage gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Bundesminister! Es wäre natürlich nicht nur interessant zu wissen, wie viele Neuanträge es gibt, sondern auch, wie viele von diesen Anträgen bewilligt wurden und welche Untersagungs- oder Nichtbewilligungsgründe vorliegen.

Meine Frage lautet: Welche Erkenntnisse haben Sie, die Sie dazu veranlasst haben, dass Sie am 2. April die Aussage getroffen haben, dass die praxisgerechte Kinderbetreuung in Westösterreich besser sei als in Ostösterreich?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Wir haben dazu einige Vergleiche zwischen den Kinderbetreuungseinrichtungen und den Qualitätssteigerungen in den Ländern angestellt. Diese Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen. Es gab im Sozialbereich bereits eine vergleichende Studie von Professor Pfeil zu dieser Frage. Auf Grund der hier zu Tage getretenen Unterschiede denke ich auch daran, für diesen Bereich eine ähnliche Studie erstellen zu lassen, um endlich zu erreichen, dass die Qualitätsstandards harmonisiert werden und auch den Ländern das Bewusstsein nach Harmonisierung näher gebracht wird.

Ich darf darauf hinweisen, dass sehr viele Aktivitäten, die gerade in den westlichen Bundesländern gegen Gewalt gegen Kinder gesetzt werden, meiner Meinung nach durchaus sehr wirkungsvoll sind und Vorbildwirkung haben. Ich würde mir wünschen, dass wir in diesem Bereich auch in den Ballungszentren, wo es sicherlich schwieriger ist, bei Gewalt gegen Kinder diese Maßnahmen durchzusetzen, weil die Anonymität der großen Städte eindeutig die Täter im Unterschied zu den ländlichen Strukturen im Westen begünstigt, gleich erfolgreich sein könnten.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir kommen nun zur 6. Anfrage, 1244/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Wolfinger, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1244/M-BR/02

Wie wird im Zusammenhang mit der Fusion der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eine versichertennahe Betreuung der Be


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troffenen (Pensionisten bzw. Versicherte) in den Bundesländern besser als bisher sichergestellt?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich darf Sie darauf hinweisen, dass die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter derzeit nur über vier Landesstellen in Wien, Graz, Salzburg und Linz verfügt. Die Ausdehnung von Landesstellen der neuen gemeinsamen Versicherungsanstalt auf alle neun Bundesländer stellt also eindeutig eine Verbesserung dar.

Ich darf sagen, dass vor kurzer Zeit, mit Anfang Februar, sowohl in Linz als auch in Graz die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten auf Basis der vorhandenen Begutachtungskapazitäten der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter gemeinsame Begutachtungen für den Fall der Rehabilitation, der Invalidität, von Kuranträgen und Sonstigem begonnen haben. Die von diesem neuen System vor Ort betroffenen Mitbürgerinnen und Mitbürger haben sich durchaus positiv für die Zusammenfassung dieser Begutachtungskapazitäten ausgesprochen, weil nunmehr eine engere und bessere Zusammenführung der gutachterlichen Tätigkeit, eine schnellere Begutachtung und damit für den Versicherten auch ein schnelleres Beschreiten des Rechtsweges, wenn er mit dem entsprechenden Bescheid nicht einverstanden ist, möglich sind.

Wenn man sich ansieht, dass sich manche dieser Begutachtungen früher gerade in der Pensionsversicherung der Angestellten über Wochen und Monate hingezogen haben, weil die einzelnen Gutachter disloziert, teilweise freiberuflich an sehr verschiedenen Stellen mit sehr verschiedenen Zeithorizonten ihre Begutachtungen durchgeführt haben, so zeigt allein schon dieses Beispiel, dass die Zusammenführung dieser beiden Anstalten zur Bürgernähe Erhebliches beitragen wird.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Ich kann auf die Zusatzfrage verzichten, da uns der Herr Bundesminister die Vorteile bereits in seiner Beantwortung erklärt hat. (Bundesrat Konecny: Welch Zufall!)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Freiberger gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Nach Ihrer Interpretation war die Zusammenlegung dieser beiden Pensionsversicherungsanstalten für die Versicherten ein wahrer Segen. Wann werden Sie daran gehen, die Pensionsversicherung der Gewerblichen Wirtschaft und die Pensionsversicherung der Bauern nach diesem Erfolgsrezept zusammenzulegen? (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich darf Sie darüber informieren, dass auch im Bereich der Sozialversicherungsanstalt der Bauern und im Bereich der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft gerade in den letzten Tagen bereits einige Harmonisierungsbemühungen in Gang gesetzt worden sind. Diese beiden Anstalten werden ihre Back-off-Bereiche zusammenlegen. Die Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft hat sich mit der Sozialversicherungsanstalt der Bauern darauf geeinigt, dass in Zukunft die Infrastrukturleistungen ausschließlich nach dem Modell der bäuerlichen Sozialversicherungsanstalt ausgeschrieben und nicht mehr freihändig vergeben werden.

Ich bin der Meinung – und ich darf auch auf meine Anfragebeantwortung von vor einigen Wochen hier im Bundesrat verweisen –, dass es nach wie vor sinnvoll ist, dass beide Anstalten ihre Sanierungskonzepte durchführen. Die bäuerliche Sozialversicherungsanstalt denkt derzeit


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daran, vier ihrer Landesstellen zum Verkauf anzubieten und mit diesem Verkaufserlös, der sich nach Schätzungen der Realitätenabteilung in der Höhe von etwa 180 Millionen bis 200 Millionen Schilling bewegen wird, ihre Schulden entsprechend zu senken und damit eine Verbesserung ihrer Gestion im Sozialversicherungsbereich durchzuführen.

Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich glaube, wir befinden uns durchaus am Weg dahin, das, was Sie seit Jahren verlangen, Schritt für Schritt und versichertenkonform umzusetzen. (Bundesrat Freiberger: Schritt für Schritt! Step by step!)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Bundesrat Dr. Nittmann hat sich für die nächste Zusatzfrage gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Bundesminister! In einer Festschrift zum 75-jährigen Bestehen der Arbeiterkammer schrieb der damalige Arbeiterkammerpräsident Vogler, dass die Zusammenlegung von PVAng und PVArb eine logische Folge der Angleichung des Rechtsstatus von Arbeitern und Angestellten sei. – Diese Angleichung wird von der Bundesregierung Schritt für Schritt herbeigeführt. Ich darf Ihnen daher zunächst dafür danken, dass Sie in Linz in Zusammenwirken mit dem dortigen FPÖ-Vizebürgermeister Obermayr ein entsprechendes Pilotprojekt in Gang gesetzt haben.

Durch die Zusammenführung zu einer Pensionsversicherungsanstalt können kostenintensive Stabsstellen eingespart und Doppelgleisigkeiten in der Selbstverwaltung beseitigt werden. Welche Einsparungen im Verwaltungs- und Verrechnungsaufwand können durch die Zusammenführung der beiden Versicherungsanstalten erwartet werden? (Bundesrat Manfred Gruber: So ähnlich wie im Hauptverband!)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Im Bereich der beiden Sozialversicherungsanstalten können nach übereinstimmender Aussage beider Anstalten – also sowohl der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten als auch der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter – 350 Millionen Schilling jährlich eingespart werden.

Ich meine, dass 350 Millionen Schilling jährliches Einsparungspotenzial, das nach Ansicht beider Vertreter – also der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und der derzeitigen Führung der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten – möglich ist, die Untergrenze ist. (Bundesrat Thumpser: Im Hauptverband haben wir auch solche Zahlen!)

Man muss hier noch dazurechnen, dass durch die Zusammenlegung von Realitäten und infolgedessen durch das Wegfallen von parallelen EDV-Zentren, durch die computerunterstützte Vernetzung auf hohem Niveau und durch die diesbezügliche Weiterentwicklung allein im EDV-Bereich Einsparungspotenziale in der Höhe der im "White Paper" des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger genannten Summe durchaus vorhanden sind.

Allein im Bereich der Realitäten und des Verkaufs der obsolet gewordenen Realitäten können einige Milliarden Schilling gewonnen werden, inklusive des Verkaufs der nicht genützten Grundstücke und sonstigen Anlagevermögen, die mit einer Pensionsversicherungsanstalt nichts zu tun haben, was schon lange vom Rechnungshof kritisiert wird. (Bundesrat Konecny: Wie bei den Kasernen!) Die Einsparung von 10 Prozent des laufenden Verwaltungsaufwandes ist für mich und für die Bundesregierung die Untergrenze , aber ich bin froh, dass wenigstens diese Untergrenze in beiden Anstalten unbestritten ist. (Bundesrat Thumpser: Wie im Hauptverband! Bundesrat Konecny: Wird so billig wie im Hauptverband, ist eh klar!)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir kommen zur 7. Anfrage, 1239/M.

Die Anfragestellerin ist Frau Bundesrätin Mag. Trunk. – Bitte.

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:


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1239/M-BR/02

Wie viele kinderlose Frauen sind von der Streichung der kostenlosen Mitversicherung betroffen?

Wie hoch ist die damit – unter Anführungszeichen – "eingesparte" Summe?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Frau Bundesrätin! Die Zahl der Personen, die nunmehr nicht mehr von der Mitversicherung betroffen sind, beträgt nach Angaben der Krankenversicherungsträger insgesamt 19 000, und die Beiträge, die diese 19 000 Personen abführen, machen 15,4 Millionen Euro aus.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Herr Sozialminister! Halten Sie diese Maßnahme angesichts der Tatsache, dass von den 19 000 Frauen auch solche betroffen sind, die heute 60, 70 oder 80 Jahre alt sind, sich damals nicht aussuchen konnten, ob sie Kinder haben wollen oder nicht, in ihrem Umfeld auch noch für die Tatsache, dass sie kinderlos waren, diskriminiert wurden und heute ihre Männer bitten müssen, diesen Beitrag zu leisten, für gerecht?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Frau Bundesrätin! Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass es sich bei der Krankenversicherung – wie der Name schon sagt – um eine Versicherung handelt. Die Versicherung beruht auf dem Versicherungsprinzip, dass Leistungen, die erbracht werden, auch Einzahlungen gegenüberstehen.

Wir haben für jene, die sozial schwach sind, entsprechende Untergrenzen und Ausnahmeregelungen eingeführt. Wir haben für jene, die Leistungen an der Gesellschaft durch Pflege, die über mehr als vier Jahre für die Pflegestufe 3 und höher getätigt wurde, erbracht haben, entsprechende Ausnahmeregelungen getroffen. Wir haben für jene, die mindestens vier Jahre hindurch eigene Kinder oder auch fremde Kinder nachweislich betreut haben, entsprechende Ausnahmeregelungen geschaffen.

Ich halte das im Rahmen dieser Regelungen für eine vertretbare Maßnahme, weil ich glaube, dass die Alternative – wenn beide "ungeliebten" Maßnahmen, nämlich diese und die Ambulanzgebühren nicht gekommen wären – eine durchgehende Belastung aller Versicherten um mindestens 0,3 Prozent mehr – Monat für Monat, 14 Mal im Jahr – gewesen wäre, um die gleiche Summe für die Krankenversicherungsanstalten, die bekanntermaßen nicht gerade gut mit Geld ausgestattet sind, bereitstellen zu können. Diese Alternative wäre unsozialer und schlechter gewesen.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Bundesrat Mag. Gudenus hat sich für eine weitere Zusatzfrage gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Wie hoch sind die Einnahmen aus der Zusatzversicherung für die Angehörigen? (Rufe bei der SPÖ: Der hat nicht aufgepasst! – Bundesrat Konecny: Der hat sich jetzt auf die Frage vorbereiten müssen!)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Die Einnahmen aus der Zusatzversicherung betragen – wie ich gerade gesagt habe – 15,4 Millionen Euro.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Wimmler. – Bitte, Frau Bundesrätin.


Bundesrat
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686. Sitzung / Seite 25

Bundesrätin Herta Wimmler
(ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Wie viele Frauen sind derzeit noch beitragsfrei mitversichert?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt:
Frau Bundesrätin! Nach den Angaben der Sozialversicherungsträger sind derzeit zwischen 500 000 und 550 000 Frauen beitragsfrei mitversichert. Das hängt jeweils auch vom Wiedereintritt oder Nichteintritt und von den Familienverhältnissen ab. – Die genaue Zahl ist mir leider nicht zugänglich.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir kommen nun zur 8. Anfrage, 1245/M.

Anfragesteller ist Herr Bundesrat Ing. Grasberger. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1245/M-BR/02

Welche Maßnahmen werden zur Erreichung des Zieles "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" getroffen?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Bundesregierung hat sich durch den Ministerialbeschluss im Jahre 2000 verpflichtet, "Gender Mainstreaming" in allen Bereichen umzusetzen. Es ist mit diesem Beschluss aus dem Jahre 2000 gewährleistet, dass in den neben dem Bundesministerium für Soziales und Generationen für den Arbeitsmarkt zuständigen Ressorts – im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit und für den beamteten Bereich im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur und im Vizekanzleramt – Anstrengungen zum Abbau von wirtschaftlichen und sozialen Unterschieden in Angriff genommen und laufend umgesetzt werden.

Einem wirtschaftlichen Nachteil für Frauen kann in Zukunft vermehrt dadurch entgegengetreten werden, dass diese wirtschaftlichen Nachteile im Zuge von Gender-Prüfungen des jeweiligen Normvorhabens besser erkannt und damit reduziert werden.

Eine geänderte, nicht-traditionelle Berufswahl von Mädchen und eine verbesserte Ausbildung von Frauen ermöglicht ihnen nunmehr den Zugang zu besser bezahlten Berufen, wodurch die auseinander klaffende Einkommensschere in Zukunft deutlich verringert werden sollte. Ich darf Sie auf die diesbezügliche Initiative meines Ministeriums gemeinsam mit dem Bundesministerium für Infrastruktur erinnern.

Im Jahre 2001 wurden auch in Graz und Klagenfurt Regionalbüros für die Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen neben den bestehenden Regionalbüros in Innsbruck und in Wien eröffnet. Ich plane im Übrigen, auch im Raum Oberösterreich und Salzburg noch im nächsten Jahr eine solche Stelle einzurichten, da durch diese Stellen in Gleichbehandlungsfragen den allfällig Geschädigten eine bessere Hilfestellung gegeben wird.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Als Vater von vier Töchtern interessiert mich, welche Maßnahmen Sie zur Erreichung des Zieles setzen werden, dass Frauen und Mädchen dazu motiviert werden, besser entlohnte Berufe anzustreben.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Herr Bundesrat! Wir führen bereits gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice ein Projekt durch, das derzeit 550 Frauen umfasst und Ende des Jahres abgeschlossen werden soll. In diesem Projekt werden arbeitslose Frauen mit mathematischem Vorstellungsvermögen und EDV-Grundkenntnissen in Java-Script geschult. Diese Frauen haben in der Berufswelt trotz sinkender Beschäftigung in den EDV-Berufen hervorragende Arbeitsmarktchancen und werden laufend direkt nach ihren Schulungen von den Betrieben angefordert, weil sie in der Lage sind, im EDV-Bereich auch kleine System- und Programmänderungen in bestehenden Betriebseinrichtungen vor Ort selbst durchzuführen.

Darüber hinaus gibt es das "Frauentechnologieprogramm Österreich", das mit 1. Dezember 2001 gestartet wurde. Die Laufzeit dieses Projektes reicht bis 2003, es ist in Kooperation mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie entstanden. In diesem Bereich werden Frauen zum Ergreifen von "männerspezifischen" Berufen – wie das so schön heißt – motiviert.

Wir führen gemeinsam mit der Bundeswirtschaftskammer, mit Frauen in der Wirtschaft, dem Frauennetzwerk und dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur ein Projekt durch, wonach in die Abschlussklassen der Schulen – sowohl im Polytechnischen Lehrgang und im letzten Jahr der Hauptschule als auch in den letzten Jahren der berufs- und allgemeinbildenden höheren Schulen – Frauen, die in der Wirtschaft und in klassischen Männerberufen erfolgreich tätig sind, zu Besuch kommen und Ansprechpartnerinnen für die jungen Mädchen darstellen, sodass man auch Berufswünsche in anderen Berufen realisieren kann.

Es gibt erfolgreiche Initiativen, mit denen Frauen für den klassischen Männerberuf des Mechanikers, also zu Mechanikerinnen, ausgebildet werden, es werden dadurch auch Berufe in der Metallindustrie ergriffen – Schmiedinnen, Werkzeugmacherinnen – und auch Dachdeckerinnen und Rauchfangkehrerinnen – klassische Männerberufe also – gefördert. Es werden nicht nur Meisterprüfungen für diese Berufe von Frauen in hervorragender Art und Weise absolviert, sondern es werden auch erfolgreich Betriebe geführt.

Es sind dies alles Maßnahmen, die nach dem Schneeballprinzip langsam zu greifen beginnen. Dementsprechend steigt auch der Zulauf von Frauen in Fachhochschulen mit technischer Ausrichtung deutlich.

Die seinerzeit von der jetzigen Vorstandsdirektorin der Firma Infineon, Frau Kircher-Kohl, mit mir gemeinsam gesetzte Initiative, Frauen in technischen Berufen einzusetzen, ist im Bereich der Fachhochschulen durchaus erfolgreich. Die Zahl der Studentinnen im Bereich Bauingenieurwesen, Architektur, Telekommunikation und Elektronik hat sich in den letzten Jahren nahezu verdoppelt. Es sind dies im Verhältnis zur Zahl der männlichen Teilnehmer immer noch geringe Zahlen, aber es sind immerhin erste Erfolge dieser Initiativen abzusehen.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Bundesrat Grasberger! Ich hoffe, du hast gemerkt, wie freundlich zustimmend manche genickt haben, als du von deinen vier Töchtern gesprochen hast.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Dem Herrn Bundesrat und seinen Töchtern kann ich auch noch die Aktion "Mädchen können mehr" empfehlen, die von meinem Ministerium durchgeführt wird. Auch diese Aktion und die dazugehörigen Broschüren meines Ministeriums sollen bewusstseinsbildend wirken. Ich hoffe, dass all diese Maßnahmen schlussendlich dazu dienen, das Bewusstsein der Mädchen bezüglich der Berufswahl deutlich anders zu beeinflussen als in der Vergangenheit, als die überwiegende Anzahl der Mädchen tatsächlich einen der klassischen fünf Mädchenberufe ergriffen hat.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Bachner. – Bitte.


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686. Sitzung / Seite 27

Bundesrätin Roswitha Bachner
(SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Es gibt genügend Studien, die belegen, dass die Tatsache, dass Männer derzeit um durchschnittlich ein Drittel mehr verdienen als Frauen, überwiegend dadurch verursacht ist, dass längere Berufsunterbrechungen durch Kinderbetreuungszeiten meistens bei Frauen eintreten.

Wie erklären Sie sich die Vorstellung, dass das durch die Werbekampagne sehr hochgejubelte Kindergeld eine geeignete Maßnahme sein könnte, um die Schere des ungleichen Einkommens für gleiche Arbeit zu schließen, also den Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern in Zukunft zu verringern?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Frau Bundesrätin! Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass im Gegensatz zum Karenzgeld, das unter den vorangegangenen Regierungen für die Kinderbetreuungszeit ausbezahlt wurde, beim Kinderbetreuungsgeld nunmehr pensionsbegründende Zeiten vorgesehen sind und dass wir zum Zweiten auch in einem entsprechenden Stufenplan 2004/05 die Zahlungen für Pensionszeiten aus dem Familienlastenausgleichsfonds an die Pensionskassen erhöhen.

Es werden sich daher für die jungen Mütter, die heute Kinderbetreuungsgeld erhalten, wenn sie in 30 oder 35 Jahren in Pension gehen, bessere Rahmenbedingungen ergeben als für die Mütter, die in der Vergangenheit Karenzgeld bezogen und damit nur Zusatzzeiten, aber keine pensionsbegründenden Zeiten erworben und daher deutlich niedrigere Pensionsansprüche haben.

Ich meine, dass sich aber auch darüber hinaus im Bereich der Fraueneinkommen sehr vieles nunmehr besser zu gestalten beginnt, weil sich innerhalb der atypischen Beschäftigungsverhältnisse und auch innerhalb der Beschäftigungsverhältnisse, die mit Teilzeitarbeit verbunden sind, der vormals überwiegende Anteil der Frauen nun in einem besseren Gleichgewicht mit jenem der Männer befindet.

Ich glaube aber nicht, dass ich diesbezüglich die Sozialpartner aus ihrer Verantwortung entlassen kann. Auch bei den entsprechenden Kollektivvertragsverhandlungen für die etwa 300 Kollektivverträge, die wir in Österreich haben, ist auf die Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse und die Auswirkungen des Kollektivvertragsabschlusses auf diesen Bereich bei manchen Berufen mehr Augenmerk zu legen, als es in der Vergangenheit geschehen ist. Damals standen die Hauptbeschäftigung und auch die Philosophie, dass man von einem Gehalt eine Familie oder seine eigene Existenz erhalten kann, im Vordergrund, und es war nicht so wie heute in der Arbeitswelt, dass sehr viele Menschen gezwungen sind, um ihren erwünschten Lebensstandard führen zu können, einer Hauptbeschäftigung und ein oder zwei Nebenbeschäftigungen nachzugehen.

Ich bin der Ansicht, dass das eine gemeinsame Frage der Bundesregierung und der Kollektivvertragspartner ist.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Aspöck gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Bundesminister! Im Zusammenhang mit diesem Themenkreis erhebt sich natürlich die Frage: Wie war es denn in den letzten Regierungen, und wie ist es heute? Wie unterscheidet sich die heutige Regierungslinie von jener der alten Koalition im Lichte des mit der Hauptfrage angefragten Zieles?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Bezüglich der Regierungslinie möchte ich darauf hinweisen, dass sich diese Bundesregierung im Sozialbereich der Nachhaltigkeit verschrieben hat. Das ist für mich der wichtigste Unterschied. Das heißt, dass wir soziale Ansprüche, die wir den Menschen heute per Gesetz zubilligen, auch heute finanziell für die Zukunft absichern.


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Ich habe schon in der Anfragebeantwortung an Ihre Vorrednerin darauf hingewiesen, dass wir dazu übergegangen sind, mittels fairer Regelungen Zahlungen aus dem Familienlastenausgleichsfonds den Pensions- und Krankenversicherungen für die dort Versicherten zu erstatten und nicht Versicherungsregelungen im Gesetz festzuschreiben, denen keine Zahlungen pro futuro für die entsprechenden Pensionskassen gegenüberstehen.

Wir sind mit diesem Nachhaltigkeitsprinzip auch dazu übergegangen, keine gesetzlichen Regelungen im Sozialbereich mehr zu machen, die nicht allen zugänglich sind.

Ich gebe Ihnen schon Recht, dass manche meiner Maßnahmen, die Öffentlichkeit auf soziale Korrekturen aufmerksam zu machen, bei der Opposition auf Widerstand gestoßen sind. Aber ich weise Sie etwa darauf hin, dass meine Inserate zur Rückerstattung im Bereich der Invaliditätspension zum damaligen Zeitpunkt – Ende August, Anfang September 2001 – den Kreis jener, die um diese Rückerstattung angesucht haben, von 5 200 auf fast 30 000 erweitert haben. Die Maßnahme der Rückerstattung wurde nicht deswegen eingeführt, um einigen wenigen das Geld rückzuerstatten, sondern dort, wo soziale Härten aufgetreten sind, allen diese Rückerstattung zukommen zu lassen.

Auch bei der Beschäftigung waren wir erfolgreich: Die Frauenbeschäftigung hat in Österreich in der Alterskategorie zwischen 20 und 45 Jahren mit 73,8 Prozent ihren Höhepunkt in der Zweiten Republik erreicht. Wir liegen damit in der Europäischen Union bei der Frauenbeschäftigung in dieser Alterskategorie an der Spitze. – Ich sage fairerweise dazu, dass von den 15 EU-Staaten Finnland und Dänemark ihre Zahlen für diese Statistik nicht bekannt gegeben haben. Aber selbst wenn man rechnet, dass Finnland und Dänemark vor uns liegen, so ist ein dritter Platz in dieser Statistik mit Sicherheit ein guter Platz.

Ich meine daher, dass diese Bundesregierung im Sozialbereich lieber in der gesetzlichen Umsetzung stark ist und damit für den Bürger das Sozialsystem engmaschiger macht, während in der Vergangenheit gerade in der Frauenpolitik eher der Werbeeffekt in der Öffentlichkeit gestanden ist und die Umsetzung deutlich nachgehinkt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir kommen nun zur 9. Anfrage, 1241/M. – Bitte, Frau Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann.

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Minister! Die Beschäftigungspolitik und ihre Forcierung – insbesondere die Frauenbeschäftigung – ist eines der nachhaltigen Ziele dieser Regierung. Meine Frage lautet daher:

1241/M-BR/02

Wie hat sich die Frauenbeschäftigung seit Antritt dieser Bundesregierung entwickelt?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Die Zahl der beschäftigten Frauen ist von Februar 2000 bis Februar 2002 – also in jenen zwei Jahren, in denen diese Bundesregierung dafür zuständig war – von 1 366 500 auf 1 408 800 gestiegen. – Das ist ein Plus von 3,1 Prozent, und das bedeutet insgesamt eine Verbesserung von mehr als 42 000 weiblichen Beschäftigten.

Die Frauenbeschäftigung ist 2001 im Jahresdurchschnitt gegenüber 2000 um 25 000 Beschäftigte gestiegen, und im Jahresschnitt des darauffolgenden Jahres, also von 2001 bis jetzt, sind weitere 25 000 Beschäftigte hinzugekommen. Insgesamt sind also um 50 000 beschäftigte Frauen mehr zu verzeichnen. Ich glaube, dass wir da durchaus erfolgreich waren.

Daneben ist auch ein anderes Phänomen aufgetreten: Neben mehr beschäftigten Frauen ist zwar noch immer eine Zunahme bei der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen, die aber bei den Frauen deutlich geringer ist als bei den Männern, was ein gutes Zeichen dafür ist, dass nunmehr immer mehr Frauen nach der Kinderbetreuung an den Arbeitsplatz zurückkehren, sodass


Bundesrat
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wir damit rechnen können, dass, wenn die Konjunktur tatsächlich, wie derzeit noch vorausgesagt wird, anspringen sollte, die Frauenbeschäftigung über die Zahl von 50 000 hinausgehen könnte.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Herr Minister! Gibt es Unterschiede, wenn man das West-Ost-Gefälle hernimmt, oder bundesländerweite Unterschiede im Hinblick auf die Frauenbeschäftigung beziehungsweise auf die Frauenarbeitslosigkeit?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Frau Bundesrätin! Ich darf dazu zwei Zahlen nennen, die belegen, wie das zwischen den einzelnen Bundesländern ist, zwischen Wien und Kärnten etwa, zwischen der Bundeshauptstadt und dem Bundesland, aus dem Sie kommen: Während die Zahl der unselbständig beschäftigten Frauen in den letzten zwei Jahren im Österreichschnitt, wie ich gesagt habe, um 3,1 Prozent stieg, stagnierte sie in Wien und nahm in Kärnten um 2,3 Prozent zu. Ich glaube, wenn man sich die Zahlen in Österreich insgesamt ansieht, so ist auffallend, dass im Bundesländervergleich gerade Wien in dieser Hinsicht besonders schlechte Kennzahlen aufweist. (Bundesrat Kraml: Sie können doch nicht Kärnten mit Wien vergleichen!)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Anna Höllerer. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Anna Höllerer (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Sie haben bereits bei einer Beantwortung einer Anfrage darauf aufmerksam gemacht, dass es für in Ausbildung stehende Frauen und Mädchen Aktionen und Projekte gibt.

Ich möchte Sie trotzdem fragen: Welche Maßnahmen wurden getroffen, um diese positive Entwicklung der Frauenbeschäftigung zu beeinflussen?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Es wurde eine ganze Reihe von frauenspezifischen Maßnahmen gesetzt. Ein wichtiger Beitrag, um Frauen in Beschäftigung zu bringen, ist mit Sicherheit auch die Zusammenarbeit meines Hauses und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit mit den wirtschaftstreibenden Unternehmungen in Österreich.

Die Zertifizierungen der frauen- und familienfreundlichen Betriebe und die dortigen Tausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mithilfe von abgestuften Beschäftigungsplänen eingesetzt werden – im extremsten Fall hat ein Betrieb mit knapp über 40 Mitarbeitern 38 unterschiedliche Teilzeitmodelle, um die einzelnen individuellen Interessen der MitarbeiterInnen zu berücksichtigen, wodurch es in diesem Betrieb einen wirtschaftlichen Aufschwung von ungeahnter Größe geben kann –, sind für mich das beste Zeichen dafür, dass man in der Verbindung von Wirtschaft und Ministerium mehr erreichen kann als mit reinen Gesetzen, die dann auch in der Wirtschaft bei jenen, die Arbeit geben, auf Widerstand stoßen und Hemmmechanismen in Gang setzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube, dass in diesem Bereiche die Zusammenarbeit und das Bewusstsein, dass – ausgehend von amerikanischen Studien – gute Rahmenbedingungen wichtig sind, dass zufriedene Mitarbeiter eine gute Arbeit liefern und damit dem Betrieb und seinen Produkten im internationalen Wettbewerb bessere und nachhaltigere Chancen geben und so weniger Krisenanfälligkeit und mehr Erfolg auf den Arbeitsmärkten gegeben sind, auch bei der jüngeren Generation der österreichischen Arbeitgeberinnen und Arbeitergebern durchgeschlagen haben.


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Es ist leider nicht zu übersehen, dass es noch einige wenige Betriebe gibt, die glauben, mit dem Rotstift und mit Entlassungen vor Erreichung von Abfertigungszeiten und Ähnlichem mehr, ihre Betriebsergebnisse verbessern zu können. Aber ich bin zufrieden, dass jene Betriebe, die gemeinsam mit ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und mit der Verbesserung der Rahmenbedingungen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die bessere Chance für ihr Unternehmen sehen, von Tag zu Tag mehr werden.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Johanna Auer gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Herr Bundesminister! In der Frauenbeschäftigung ist uns die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Vollbeschäftigung und geringfügiger Beschäftigung bekannt. Ich wollte Sie fragen, wie hoch der Anteil der geringfügig Beschäftigten ist.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Die genaue Zahl der geringfügig Beschäftigten ist mir jetzt nicht geläufig, aber sie liegt etwa bei 248 000. Der Anteil von Frauen und Männern bei diesen Beschäftigten hat sich vom ehemaligen Verhältnis 80 beziehungsweise 85 Prozent zu 15 Prozent nunmehr auf ein Verhältnis von knapp über 30 Prozent zu 67 Prozent Frauen verändert. Es ist also unübersehbar, dass in der österreichischen Beschäftigungssituation ein Teil der Männer Zusatzbeschäftigungen zur Stabilisierung das Einkommens nützt.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke.

Wir kommen nun zur 10. Anfrage, 1246/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Stefan Schennach, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage lautet:

1246/M-BR/02

Wie viel Geld wurde gesamt aus Ihrem Ressort in den Jahren 2000 und 2001 für die Förderung von Frauenprojekten verwendet?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Ich darf zu Ihrer Frage die Entwicklung dieser gesamten Frauenförderungen vom Jahre 1995 bis 2002 aufzeigen.

1995 hatten wir im Bundesvorschlag 45,444 Millionen; das wurde durch eine spätere Umschichtung mittels Budgetüberschreitungsgesetz um 6 Millionen erhöht.

1996 hatten wir 42 Millionen im Budget und ebenfalls eine Budgetüberschreitung in der Höhe von 6 Millionen; das waren 48 Millionen.

1997 hatten wir 44,373 Millionen und eine Budgetüberschreitung im Ausmaß von 2 Millionen, also wieder knapp über 46 Millionen.

1998 hatten wir 49,373 Millionen und eine Budgetüberschreitung in der Höhe von 12,5 Millionen, insgesamt also 61,8 Millionen.

1999 hatten wir 59,03 Millionen im Budget und eine Überschreitung im Budgetüberschreitungsgesetz im Ausmaß von 27,3 Millionen.


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Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass von diesen 27,3 Millionen 18 Millionen dem Kapitel des Konsumentenschutzes und der dortigen Entwicklung entzogen und umgewidmet worden sind. Damit möchte ich Ihnen auch einmal in diesem Zusammenhang klar machen, warum im Bereich des Konsumentenschutzes und der dortigen Anstalten ein derartiger Aufholbedarf während dieser Regierung bestanden hat.

Für 2000 sind die aktuellen Zahlen 69,235 Millionen, 2001 waren es 66,910 Millionen, und im Jahre 2002 haben wir 67,426 Millionen im Budget.

Ich darf Sie aber auch darauf aufmerksam machen, dass seit 2002 eine andere Gesetzeslage im Hinblick auf die neuen Interventionszentren, die ich gemeinsam mit dem Herrn Bundesminister für Inneres betreibe, besteht. Für diese neuen Interventionsstellen ist nunmehr eine längerfristige Absicherung auf fünf Jahre und damit eine budgetäre Übertragung der ehemaligen Förderungen in den Bereich der Sachleistungen möglich geworden, was auch für die Betroffenen innerhalb der Kriseninterventionsstellen mehr Arbeitsplatzsicherheit bedeutet und zumindest für einen Zeitraum von fünf Jahren die Sorge wegnimmt, wie es denn im laufenden Förderungsjahr weitergehen wird. Ich darf Ihnen daher auch für diesen Bereich die Zahlen nachreichen, um einen Gesamtvergleich zu ermöglichen.

Wir hatten hierbei – nunmehr in Euro – im Jahre 2000 3,8 Millionen Euro Förderungen und 1,2 Millionen Euro Aufwendungen. Die Gesamtsumme betrug 5,031 Millionen Euro.

2001 hatten wir Förderungen in der Höhe von 3,830 Millionen Euro und Aufwendungen in der Höhe von 1,033 Millionen Euro, also insgesamt ebenfalls 4,683 Millionen Euro.

2002 haben wir im Budget, wie ausgeführt, 3 Millionen Euro Förderungen und 1,9 Millionen Euro Aufwendungen, was insgesamt ein Gesamtvolumen in der Höhe von 4,9 Millionen Euro ausmacht.

Ich glaube daher, dass in Zeiten, in denen die Einsparungsziele und die Bindungsziele des Finanzministers mit 3 Prozent gegeben sind, diese Zahlen für mich als Frauenminister durchaus beruhigend sind. Ich bin zufrieden, dass ich das Förderungsniveau auf gewohnter Höhe, wenn ich die Jahre 1995 bis 1997 einschließlich der damaligen Budgetüberschreitungsgesetze betrachte, ja sogar auf deutlich besserem Niveau stabilisieren konnte.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wünschen Sie eine Zusatzfrage, Herr Bundesrat? – Bitte.

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Minister! Sie werden sicher mit mir übereinstimmen, dass diese Förderungen für Frauenprojekte vor allem oder ausschließlich in unabhängige Frauenprojekte fließen sollen. Insofern verwundert es, dass erstmals in den Jahren 2000 und 2001 ein Verein Freiheitliches Frauenhilfswerk in Tirol, offensichtlich ein Parteiverein, unter diesen Förderungsprojekten aufscheint.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Ich darf Sie darauf aufmerksam machen – das ist Ihnen vielleicht entgangen –, dass es bei diesen Förderungen zwar nach den Definitionen unabhängige Vereine gibt, aber dass es etwa in Oberösterreich Frauenvereine gegeben hat, bei denen ein Mitglied dieses Bundesrates Präsidentin und die damalige Frauenministerin Stellvertreterin war. Dieser Verein ist an das damalige Bundesministerium der Frau Kollegin Prammer herangetreten, und Kollegin Prammer ist dann in mehreren Fällen als Förderungsgeberin aufgeschienen.

Ich halte nichts davon, dass man unabhängige Konstruktionen macht, die dann parteipolitisch besetzt sind. Da ist es mir noch lieber, es gibt ordnungsgemäße Vereine, die eine ordnungsgemäße Arbeit im Hinblick auf Frauenarbeit leisten.

Ich darf Sie weiters darauf hinweisen, auch wenn im Namen das Wort "freiheitlich" enthalten ist, ist es kein Parteiverein, sondern ein Verein, der sich den freiheitlichen Zielen verantwortlich


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686. Sitzung / Seite 32

fühlt. Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass dieser Verein in der Anfangsphase eine sehr negative Stellungnahme zum Kinderbetreuungsgeld abgegeben hat. So linientreu, wie Sie es vermuten, ist dieser Verein nicht.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Gottfried Kneifel gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Welche konkreten Schwerpunkte haben Sie bei Ihren Frauenförderungsprogrammen gesetzt beziehungsweise werden Sie in Zukunft setzen?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesrat
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Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt:
Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Schwerpunkte des Frauenförderungsbudgets für 2000 und 2001 waren Frauenberatungseinrichtungen, Frauenservicestellen, das Projekt "Gewalt gegen Frauen", Notrufeinrichtungen, Frauenhäuser, Selbstverteidigungskurse, Kurse für Imageaufwertung und Rückgratstärkung im moralischen Sinne sowie die entsprechenden Schulungen für Frauen, um mit ihrer Umwelt und mit den Problemen dort, wo sie mit Gewalt und sexueller Gewalt konfrontiert wurden, endlich fertig zu werden, einschließlich psychischer und psychosomatischer Betreuung.

Es gab die Förderung von Fraueninitiativen zur Verbesserung der Stellung von Frauen im Bereich des Zugangs zu neuen Technologien. Wir haben Förderungen im Bereich des Zugangs zu männerspezifischen Berufen gesetzt, und wir haben vor allem im Bereich des Gender Mainstreamings und der Chancengleichheit von meinem Ministerium ausgehend sämtliche Bundesministerien und nunmehr in einer zweiten Stufe sämtliche Landesregierungen erreicht. Wir haben Gender Mainstreaming in allen Ministerien beauftragt und hoffen, dass sich nunmehr auch die Länder in diesem Bereich der Verpflichtung der Republik Österreich auf europäischer Ebene anschließen werden, sodass ich glaube, dass wir in diesem Bereich ein wirklich umfassendes Programm vorgelegt haben, das auch international abgesichert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke. – Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Johanna Auer. – Bitte.

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Herr Bundesminister! Sie betonen immer wieder, dass Förderungsmittel für bestehende Frauenprojekte zur Verfügung stehen. Wie stehen Sie dazu, dass trotz der Frauenarbeitslosigkeit die finanziellen Mittel für die Frauenqualifizierungsprojekte gekürzt wurden, sprich AMS?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Frau Bundesrätin! Wenn ich vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit richtig informiert bin, ist das nur in einem einzigen Fall so, und zwar im Bereich des AMS-Wien. Offensichtlich hat, wenn ich den Aussagen der Verantwortlichen glauben darf, das AMS-Wien seine Förderungsmittel während der Vorwahlzeit des Wiener Landtagswahlkampfes eingesetzt, sodass sie jetzt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht zur Verfügung stehen. Ich halte von solchen politisch motivierten vorgezogenen Maßnahmen nichts. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Herr Bundesrat Christoph Hagen hat sich für eine weitere Zusatzfrage gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrates Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Werter Herr Bundesminister! Wie viele Interventionsstellen gegen Gewalt gegen Frauen werden derzeit in welcher Höhe von Ihrem Ressort unterstützt?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Wir haben derzeit neun Interventionsstellen gegen Gewalt, die zu gleichen Teilen von meinem Ministerium und vom Innenressort dotiert werden. Die Interventionsstellen befinden sich in Salzburg, Vorarlberg, Kärnten, Burgenland, Oberösterreich, Wien, Steiermark, Niederösterreich und Tirol. Sie wurden als begleitende Maßnahmen zum Gewaltschutz geschaffen und wurden für das Jahr 2002 mit 2 629 968,51 Euro dotiert. In meinem Ressort sind dafür 1 312 983,01 Euro aufzuwenden. Das ist eine Verbesserung gegenüber der Situation in der alten Regierungsära um mehr als 2 Millionen Schilling je Ressort pro Jahr.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke, Herr Bundesminister.

Die Fragestunde ist damit beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Eingelangt ist ein Schreiben des Präsidenten des Tiroler Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "An die Parlamentsdirektion – Bundesratsdienst

Betreff: Markus Mitterrutzner; Wahl zum Ersatzmitglied des Bundesrates

Sehr geehrte Damen und Herren!

Nach dem Verzicht des Ersatzmitgliedes Mag. Gilbert Trattner mit Wirksamkeit vom 25. Jänner 2002 hat der Tiroler Landtag in seiner Sitzung am 20. März 2002 Herrn Markus Mitterrutzner, geb. am 4. März 1972, wohnhaft in Walpachgasse 17, 6020 Innsbruck, zum Ersatzmitglied des Bundesrates gewählt. Das diesbezügliche beglaubigte Wahlergebnis liegt dem Schreiben bei.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme und allfällige weitere Veranlassungen verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Prof. Ing. Helmut Mader

Präsident des Tiroler Landtages"

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke.

Dies dient zur Kenntnis.

Die eingelangten Berichte des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Wildschadensbericht 2000 und nachhaltige Waldwirtschaft in Österreich – Österreichischer Waldbericht 2001 – habe ich dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur weiteren geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zugewiesen.

Eingelangt sind drei Anfragebeantwortungen, 1747/AB bis 1749/AB, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.


Bundesrat
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Eingelangt sind jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber sowie über die bereits früher eingelangten und zugewiesenen Berichte des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft betreffend Berichtszeitraum 1997 bis 2000, über die Anwendung des EMAS-V (Verordnung EG 761/2001) und die Vollziehung des Umweltmanagementgesetzes und Wildschadensbericht 2000 sowie über die ebenfalls früher eingelangten und zugewiesenen Anträge der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Änderung der Bundesrat-Geschäftsordnung 1988 und ein Bundesverfassungsgesetz mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Finanzverfassungsgesetz geändert werden, aufgenommen und – mit Ausnahme der soeben erwähnten zwei Anträge, die vertagt wurden – abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe alle von den jeweiligen Ausschüssen erledigten Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Behandlung der Tagesordnung


Bundesrat
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Präsidentin Uta Barbara Pühringer:
Ich beabsichtige die Debatte über die Punkte 2 und 3, 5 und 6, 7 und 8, 11 und 12 sowie 15 bis 17 der Tagesordnung jeweils unter einem abzuführen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Wir werden daher in diesem Sinn vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Ankündigung von dringlichen Anfragen

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bevor wir nun aber in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend “Österreich muss ein Sozialstaat bleiben” sowie “wider die Verschwendungspolitik der Bundesregierung von FPÖ und ÖVP” an den Bundeskanzler vorliegt.

Weiters liegt mir ein zweites gleichlautendes Verlangen im Sinn des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen mit demselben Betreff an den Herrn Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen vor.

Gemäß § 61 Abs. 6 der Geschäftsordnung ziehe ich die dringliche Behandlung der beiden Anfragen zusammen. Die Zustimmung der unterzeichneten Bundesräte dazu liegt vor.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung der beiden Anfragen an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

1. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz über Vereine (Vereinsgesetz 2002 – VerG) (990 und 1055/NR sowie 6614 und 6615/BR der Beilagen)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und gelangen zu Punkt 1: Bundesgesetz über Vereine.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Christoph Hagen übernommen. – Bitte, Herr Bundesrat.

Berichterstatter Christoph Hagen: Der Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20.März 2002 betreffend ein Bundesgesetz über Vereine (Vereinsgesetz 2002) liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Manfred Gruber. – Bitte, Herr Bundesrat.

10.22

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man selbst zum Kreis jener Personen zählt, die sehr oft als Vereinsmeier bezeichnet werden, und wenn man hört, es soll ein aus dem Jahre 1951 stammendes Vereinsgesetz novelliert werden, dann werden natürlich zwangsläufig Erwartungen geweckt. Ein an und für sich gut funktionierendes Vereinsgesetz noch zu verbessern kann ja nur eine gute Tat sein.

Ich darf diesbezüglich Kollegen Khol zitieren, der 1997 gesagt hat: "Ein Meilenstein in der Entwicklung der Demokratie in unserem Land war das Vereinsgesetz 1867. Es gilt noch heute in seinen Grundzügen unverändert. Es ist ein schlankes Vereinsrecht: 31 kurze Paragraphen und fünf Druckseiten."

Wenn man aber nicht nur ein Vereinsmeier ist, sondern auch mit der Politik zu tun hat und die letzten Zahlen aus dem Innenministerium kennt, die belegen, dass im Jahr 2000 4 740 Vereine neu gegründet wurden und nur 30 untersagt wurden oder ein Jahr davor bei 825 Vereinsauflösungen 823 nicht wegen Konflikten, nicht deshalb, weil sie mit dem Gesetz oder mit dem Finanzamt Probleme gehabt hätten, gelöscht wurden, sondern ausschließlich wegen Unaktivität, dann kann man davon ausgehen, dass dieses Vereinsgesetz nicht nur mit den Grundzügen aus 1867, sondern auch mit jenen aus 1951 doch sehr gute Arbeit geleistet hat. Als Politiker fragt man sich dann zwangsläufig: Was sind denn die neuen Ziele? Dazu kommt noch, dass dieses Vereinsgesetz nicht in der Koalitionsvereinbarung steht und überraschend schnell eingebracht wurde.

Unserer Meinung nach hat man damit die Möglichkeit, ein an und für sich gutes Vereinsgesetz noch funktionärsfreundlicher zu gestalten und einige Rechtsunsicherheiten – ich denke da an die Sponsoren – zu beseitigen, nicht genutzt und mögliche Entscheidungen den Gerichten zugeschoben. Damit wurde auch für uns das Ziel einer Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen nicht erreicht. Auch der bescheidene Versuch, durch Optimierung und Effizienz die Vereinsarbeit zu erleichtern, ist misslungen.

Vereinfachungen und Verbesserungen für die Praxis wären unserer Meinung nach gefragt gewesen: weniger Kosten, weniger Bürokratie, weniger Aufwand, weniger Verwaltung, dafür aber mehr Gestaltungsautonomie. In dieser Novelle dominiert aber das Durchgriffsrecht des Innenministers. Ein sehr teures und aufwändiges Vereinskontrollregister mit 17 Details ermöglicht ihm, alle Daten bis hin zum kleinsten Verein und bis zum letzten Funktionär in Erfahrung zu bringen.


Bundesrat
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Genauso unakzeptabel ist für uns, dass in Zukunft der Finanzminister jedem Verein, vor allem den kleinen, die von ehrenamtlichen Funktionären geführt werden, im Nacken sitzt. Das Ganze wird durch die neuen Steuerrichtlinien noch verstärkt. Unter dem Titel, das Vereinsgesetz zu novellieren, ist es Ihnen gelungen, ein Vereinsüberwachungsgesetz zu installieren. Nicht die Bürgernähe, Herr Kollege Bieringer (dieser hat eben seinen Platz eingenommen), dominiert, es ist ein Vereinsüberwachungsgesetz: Ich rede mit dir gerne darüber, aber es scheint so zu sein. Nicht die Bürgernähe, nicht Verbesserungen und nicht Vereinfachungen waren Ihr Ziel, sondern stärkere Kontrollrechte und Durchgriffsrechte haben Sie mit dieser Novelle gesichert. Auf der Strecke blieben in diesem Vereinsgesetz – oder besser Vereinsüberwachungsgesetz – wichtige von mir bereits vorher genannte Punkte wie weniger Kosten, weniger Bürokratie, weniger Verwaltung. Zudem gibt es auch eine wesentlich geringere Gestaltungsautonomie.

Zu den Kosten möchte ich anmerken, dass die steuerliche Situation unserer Verein so schlecht ist wie sonst in keinem anderen EU-Land. In den vergangenen Monaten hat sich die Lage durch neue Belastungen zusätzlich verschärft. Ich denke nur an das Porto bei der Post. Dieser Entwurf sieht zwar für bestehende Vereine eine unerhebliche Gebührenbefreiung vor, die von der Höhe her eigentlich gar nicht erwähnenswert ist – im statistischen Durchschnitt sind es 2 € pro Verein –, parallel dazu werden aber für das von mir bereits erwähnte Vereinskontrollregister 1,8 Millionen Euro ausgegeben.

Zur Bürokratie möchte ich festhalten, dass eine Gegenüberstellung des geltenden und des heute zur Diskussion stehenden Vereinsgesetzes eines deutlich macht: Jenes Ziel, dass jeder interessierte Funktionär dieses Gesetz lesen und verstehen kann, wurde sicher nicht erreicht, sondern durch Aufblähungen und Überreglementierungen ist dieser Entwurf für die meisten ehrenamtlichen Funktionäre unverständlich. Statt weniger Verwaltung und geringeren Aufwand beabsichtigt dieser Entwurf schon bei geringeren Jahreseinnahmen eine verpflichtende Abschlussprüfung durch einen Wirtschaftstreuhänder. Ich gehe davon aus, dass die Dankschreiben der österreichischen Wirtschaftstreuhänder bei Ihnen ebenso eingelangt sind wie die aktuellen Aussendungen derselben mit entsprechenden Anboten an die neuen Kunden.

Daher, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, verstärkt sich bei uns Sozialdemokraten immer mehr der Eindruck, hier wurde statt einem modernen und zeitgemäßen Vereinsgesetz ein Vereinskontrollgesetz und ein Vereinsbelastungsgesetz geschaffen (Beifall bei der SPÖ – Zwischenrufe bei der ÖVP), das eine Vielzahl bürokratischer Hindernisse schafft, desgleichen eine überzogene Verschärfung von Haftungsregelungen, aufwändige Rechnungslegungsvorschriften und außerdem eine Annäherung an Kapitalgesellschaften beinhaltet. All das hat mit dem ideellen Zweck der Vereine nicht mehr viel zu tun.

Jede Staatsbürgerin und jeder Staatsbürger sollte wissen, wenn sie in unserem Lande eine idealistische und ehrenamtliche Tätigkeit ausüben, unterwerfen sie sich einem Vereinsgesetz, dessen Schwerpunkte nicht die Förderung der Vereine sind, sondern die Kontrolle und die Überwachung. Daher werden wir dieser Novelle auch nicht unsere Zustimmung geben.

Erlauben Sie mir zum Schluss noch einmal Herrn Klubobmann Khol zu zitieren, der zu einem ähnlichen Entwurf gesagt hat: "Den Vereinen sollte man danken, danken für ihre ehrenamtliche Tätigkeit und ihre vielfältige Arbeit, ihnen Service und Unterstützung geben und sie nicht schikanieren". – Ich denke, es hat sich nicht viel geändert, und ich kann diesen Worten des Klubobmannes Khol zum Vereinsgesetz nur zustimmen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schöls: Also stimmen Sie doch zu!) Im Übrigen, Herr Kollege Schöls, bin ich der Meinung, dass das Sozialstaat-Volksbegehren unterstützt werden muss. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.30

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Bundesrat Ing. Franz Gruber. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Bieringer: Gruber-Festspiele!)

10.30

Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Ja, Gruber-Festspiele. Gruber ohne unnötige Plakette. (Beifall bei der ÖVP.) Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und


Bundesrat
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Herren Bundesräte! Die Einführung des Kindergeldes, die Abfertigung neu als zweite Pensionssäule und die Familienhospizkarenz sind Beispiele, die zeigen, dass die Regierung Schüssel den Sozialstaat nicht abbaut, sondern reformiert (Bundesrat Manfred Gruber: Denunziert!) und in wichtigen Bereichen sogar ausbaut. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Die Regierung Schüssel wird auch das neue Vereinsgesetz mit Mehrheit oder vielleicht Einstimmigkeit, wenn ihr dazu überredet werden könnt, beschließen. (Bundesrat Winter: Sicher nicht! – Bundesrätin Schicker: Überzeugen muss man uns, nicht überreden, das ist der Unterschied!) Dies ist sicherlich eine gute Tat, wie mein Vorredner gemeint hat.

Das Vereinsgesetz wird zur Vereinfachung und zur Entlastung der Vereine führen. Freiwillige und vielfach ehrenamtliche Initiativen prägen Österreich im Sinne einer lebendigen Bürgergesellschaft auf mannigfaltige Weise. Über 100 000 ideelle Vereine bilden in ihrer Gesamtheit eine unverzichtbare Säule unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das sind auch Worte unseres Klubobmannes Dr. Khol. Deshalb machen wir die Vereinsgründung einfacher und billiger. (Bundesrat Manfred Gruber: Das ist ein Irrtum! – Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich bin auch in etlichen Vereinen als Funktionär tätig. Deshalb verstehe ich es überhaupt nicht, warum die Genossen anprangern, dass es zwei Rechnungsprüfer gibt. Das ist ganz normal und verständlich. Eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Vereinsarbeit im Geist der verfassungsgesetzlich garantierten Vereinsfreiheit ist das Ziel des vorliegenden Entwurfes.

Das geltende Vereinsgesetz wurde im Jahre 1951 wiederverlautbart. In seinem Kern geht es auf das Jahr 1867 zurück, und es enthält in erster Linie öffentliches Vereinsrecht. Es unterstützt das Engagement vieler Bürger in Vereinen und deren Tätigkeit nicht in bestmöglicher Weise. Das kann man, so glaube ich, wohl sagen. Eine gesetzliche Regelung des privaten Vereinsrechts fehlt überhaupt oder hat gefehlt. Deshalb schafft das neue Gesetz mehr Transparenz. Die Vereinsorgane werden künftig nicht mehr mit ihrem Privatvermögen haften. Die Mindereinnahmen des Staates in Höhe von 60 000 € sind auch nicht so groß, würde ich sagen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Von Verschärfungen, Verschlechterungen und Problemen, so wie sie Nationalrat Leikam im Plenum erwähnte, kann also keine Rede sein. Ich würde sagen, dass das unbegründete Panikmache ist.

Vereine mit entsprechender wirtschaftlicher Kraft, die zwei Jahre hintereinander einen Umsatz von über 1 Million € machen oder in einem Jahr Spenden in Höhe von über 200 000 € bekommen, müssen eine Bilanz vorlegen. Es ist also nicht so, wie es der Kollege oder mein Vorredner gesagt hat, dass man praktisch jedem kleinen Verein im Genick sitzt. Wenn ein Verein einen Umsatz von 1 Million € macht, dann ist das schon ein großer Betrag. Ich glaube, dass das sicherlich nicht verkehrt ist, liebe Genossen! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Soll ich mit der Beitrittserklärung rauskommen?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, das neue Vereinsgesetz wird mir auch helfen, die Gewitterwolken über der Burg Hochosterwitz im Bezirk Sankt Veit an der Glan zu vertreiben. Die mächtige Burg macht derzeit nicht Schlagzeilen durch ihre Sehenswürdigkeiten, sondern durch geschlossene Tore. Der Besitzer ist der Meinung, die Burg sei ein Museum, und es sei somit keine Vergnügungssteuer zu zahlen. Ich muss sagen, ein wild gewordener SPÖ Bürgermeister ist da anderer Meinung. Der Ausweg wäre aber – und dazu dient auch das neue Vereinsgesetz –, damit dieser Steuerkrieg beendet werden könnte, dass ein Verein zur Erhaltung der Burg Hochosterwitz gegründet wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Man möchte nicht glauben, wofür ein neues Gesetz alles gut ist. Wir werden diesem Gesetz gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

10.35


Bundesrat
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686. Sitzung / Seite 38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Schlaffer. – Bitte.

10.36

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vorweg eine Bemerkung an meinen Vorredner: Herr Ing. Gruber! Ich möchte Ihnen nur sagen, ich trage mit Stolz die in Ihren Augen unnötige Plakette (Beifall bei der SPÖ), weil für mich der Sozialstaat Österreich ein Teil meiner österreichischen Identität und des österreichischen Lebensgefühls ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Aber nun zu meinem Beitrag. Von Martin Luther stammt der Satz: Das Gesetz ist nichts anderes als ein Spiegel. Und wie schon bei so vielen anderen Gesetzen in den letzten beiden Jahren spiegeln sich auch im vorliegenden Vereinsgesetz die Absichten und Haltungen der blau-schwarzen Bundesregierung wider, die Absicht, unter dem Deckmantel einer angeblichen Liberalisierung, Kostenreduzierung und Effizienzsteigerung ein jahrelang erfolgreiches System zu zerstören, wobei auch nicht davor zurückgeschreckt wird, das in Österreich hervorragend funktionierende und bewährte Vereinswesen nachhaltig zu gefährden.

Ohne zwingende Notwendigkeit und ohne dass es von den Betroffenen selbst gefordert wurde, wurde ein Gesetz geschaffen, das am Tag seines Inkrafttretens Anlass für einen Trauertag geben muss und nicht, wie es Nationalrat Paul Kiss gesagt hat, für einen Jubeltag.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube mit Recht davon ausgehen zu können, dass zumindest ein Großteil von Ihnen nicht nur Mitglied in mehreren Vereinen ist, sondern so wie auch ich in den verschiedensten Funktionen tätig ist – eine Tatsache, die gerade im ländlichen Raum unumgänglich ist. Großteils wird es sich bei diesen Vereinen auch um solche handeln, die seit längerem bestehen und daher auch nicht auf die durch dieses Gesetz geschaffene Möglichkeit der vereinfachten Vereinsgründung angewiesen sind.

Vielleicht waren auch Sie so wie ich in den letzten Monaten aktiv an Vereinsgründungen beteiligt. Sie haben dann vielleicht die gleichen Erfahrungen gemacht, nämlich dass es schon bei den bisherigen Bestimmungen nicht allzu schwierig war, einen Verein zu gründen, und man dabei auch nicht allzu große Barrieren überwinden musste. Ich zumindest hatte nicht das Gefühl, dass ein Reformbedürfnis gegeben wäre.

Hingegen stehen aber die nun geschaffenen Erleichterungen in keiner vertretbaren Relation zu den gleichzeitig geschaffenen Problemen, die gekennzeichnet sind von Überreglementierung, Bürokratisierung und verschärfter Kontrolle.

Schon jetzt haben viele, vor allem kleine Vereine Schwierigkeiten, Funktionen zu besetzen. Die neuen komplexen und aufwändigen Rechnungsvorschriften sowie die verschärfte Haftung von Vereinsorganen werden das künftig aber noch viel schwieriger machen. Es darf wohl mit Recht angenommen werden, dass sich künftig viele Vereine, die schon jetzt mit personellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, auflösen werden. Es wird dies zu einer weiteren Aushöhlung des ländlichen Raumes führen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! Ich frage mich, ob das von Ihrer Partei beabsichtigt sein kann, wo doch gerade Ihr Parteikollege Klubobmann Khol noch vor kurzem mit Vorliebe über eine Bürgergesellschaft philosophiert hat. Derselbe Dr. Khol wird sich wahrscheinlich nicht erwartet haben, auf seinem Marsch durch die Wüste Gobi viele ehemalige Vereinsfunktionäre zu treffen. (Bundesrat Manfred Gruber: Die wird er in Zukunft treffen! Die sind alle unterwegs! – Ruf bei der ÖVP: Oder Gusenbauer in Moskau!)

Vielleicht hat Herr Dr. Khol aber auch nur vergessen, was er noch vor fünf Jahren über das noch gültige Vereinsgesetz gesagt hat: "Dieses Vereinsrecht ermöglicht rasche Vereinsgründungen – ohne viel Formalitäten, durch initiative Bürger: Man braucht dazu weder einen Rechts


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anwalt noch einen Steuerberater und hat in vier Wochen die Anerkennung als Verein in der Hand."

Weiters sagt er zu einem angeblichen Entwurf des damaligen Innenministers Schlögl für ein neues Vereinsgesetz: "Das Vereinsrecht ist nicht reformbedürftig. Aus der Sicht der Volkspartei ist das ganze eine unnötige Schikane und im Gegenteil: ein Anschlag auf die Bürgersolidarität, ohne die unser Staat nicht bestehen kann. Solchen Plänen werden wir daher eine Abfuhr erteilen." (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck. )

Auch der heutige Innenminister hat damals noch als Landesgeschäftsführer von einem Schlag ins Gesicht Tausender Freiwilliger gesprochen. Ebenso wurden Pläne zur Reform des Vereinsgesetzes auch vom jetzigen FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler scharf kritisiert. Übrigens: Der Entwurf wird heute von den gleichen Beamten wie seinerzeit umgesetzt.

Aber wenn dieses Gesetz schon den Vereinen nicht viel Positives bringt, wem bringt es dann etwas? – Den Ländern? – Mit Sicherheit nicht. Denn eines ist sicher: Durch die Verlagerung von Zuständigkeiten von den Sicherheitsdirektionen zu den Bezirksverwaltungsbehörden wird den Ländern ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstehen. Für die Länder bedeutet dies erhöhte Kosten sowohl für Personal- als auch für Sachaufwand. Erhöhte Kosten werden für die Länder auch durch die Errichtung sowie den laufenden Betrieb und die Wartung des lokalen beziehungsweise administrativen Vereinsregisters entstehen, und zwar nicht einmalige, sondern laufend höhere Kosten.

Wie in anderen Fällen auch kommt es auch bei diesem Gesetz zu einer Verlagerung von Bundesausgaben zu den Ländern. Aber wie ich der schriftlichen Stellungnahme des Landes Burgenland an das Bundesministerium für Inneres entnehmen kann, wurden bei diesem Gesetz die Vorgaben des Artikels 1 Abs. 3 der Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und zukünftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften nicht eingehalten. Demzufolge vertritt das Burgenland die Ansicht, dass die dem Land entstehenden Mehrkosten durch den Bund abzugelten sind.

Aber da nicht anzunehmen ist, dass ein so umfangreiches und ohne juristische Bildung schwer verständliches Gesetz geschaffen wurde, ohne dass es für jemanden von größerem Nutzen ist, müssen wir wohl einen Blick auf mögliche andere politisch motivierte Absichten legen, Absichten, die beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger deutlich wurden, beim ÖGB fortgesetzt werden sollen und aktuell im Umgang mit dem Verein für Konsumenteninformation zum Ausdruck kommen.

Auffallend dabei ist, dass es sich immer wieder um ein Duell zwischen einem oder mehreren freiheitlichen Ministern und den Sozialpartnern handelt. So wie es dabei keineswegs um Reformen, sondern ausschließlich um die Sicherung von Macht und Einfluss geht, geht es auch im Vereinsgesetz um eine Abkehr vom bisher praktizierten liberalen Anmeldesystem hin zu einem Bewilligungs- und versteckten Kontrollsystem.

Auffallend ist jedoch, dass der einzig zwingende Grund, der für eine Reform des Vereinsgesetzes gesprochen hätte, weiterhin unberücksichtigt blieb. Es geht um das Dichtmachen jener Schlupflöcher, die es ermöglichen, dass so genannte Spendenvereine mit den Geldern von Leuten, die im Glauben an eine gute Sache spenden, nicht redlich umgehen. Dieses Gesetz sieht, aus welchem Grund auch immer, über diese Schlupflöcher hinweg und wird Vereinen wie World Vision auch weiterhin einen Missbrauch von Spendengeldern ermöglichen.

Ich stimme daher mit den vorher zitierten Herren Strasser, Khol und Westenthaler überein, welche das geltende Vereinsrecht für nicht reformbedürftig erklärt haben. Meine Fraktion vertritt nämlich die Meinung, dass es wichtigere Dinge als ein neues Vereinsgesetz gibt. Unter anderem wären dies eine Unterstützung des Sozialstaatsvolkbegehrens und eine Umsetzung der darin erhobenen Forderungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines kann ich aus Überzeugung sagen: dass dieses Sozialstaatsvolksbegehren unterstützt werden muss. Die Unterstützung meiner Fraktion ist ihm sicher. Und mit ebenso großer Sicher


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heit kann ich sagen, dass meine Fraktion dem vorliegenden Vereinsgesetz nicht zustimmen wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

10.46

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Aspöck. – Bitte.

10.46

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie erwartet hat es in den Ausführungen von Oppositionsrednern bis dato nur pauschales Schlechtermachen ohne Angabe von Gründen und schon gar keine Gegenvorschläge gegeben. (Bundesrat Konecny: Da haben Sie nicht gut zugehört! – Bundesrätin Schicker: Da haben Sie nicht zugehört!)

Soweit Vorschläge gemacht wurden, Frau Kollegin, waren sie falsch, und auch Behauptungen, die aufgestellt wurden, waren falsch. Wenn Kollegin Schlaffer davon spricht, dass Haftungen vergrößert wurden, dann, muss ich sagen, hat sie von der bisherigen Judikatur keine Ahnung. Ich mache ihr keinen Vorwurf. Aber man soll nicht über Dinge reden, die man nicht weiß. Die Haftungen wurden beschränkt, jetzt sind sie begrenzt, früher waren sie es nicht. (Bundesrat Konecny: Nein, nicht wahr!)

Der Theaterdonner, den die SPÖ und in ihrem Schlepptau natürlich auch die Grünen – fast wie immer – um das neue Vereinsgesetz inszeniert haben und auch heute hier aller Voraussicht nach noch weiter inszenieren werden, ist für mich nicht überraschend. Er ist vielmehr geradezu typisch. (Bundesrat Manfred Gruber: Ihr habt vor ein paar Jahren den Mund zu voll genommen!)

Jede Demokratie, natürlich auch die österreichische, braucht oder – besser gesagt – bräuchte neben einer funktionierenden Regierung – die haben wir (Bundesrat Konecny: Die haben wir nicht! – Bundesrat Manfred Gruber: Das dürfte ein Irrtum sein!) – auch eine funktionierende und damit auch staatstragende Opposition (Bundesrat Konecny: Die haben wir!) – die haben wir nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und zwar haben wir diese nicht mehr seit Februar 2000.

Anstatt mit konstruktiver Opposition aufzuwarten, mit guten, ja mit besseren Gegenvorschlägen zu glänzen, glänzt diese mit Fundamentalopposition. (Bundesrat Manfred Gruber: So wie die FPÖ vor Jahren!) – Nicht in dieser Art und Weise, nein, nein. Wir hätten niemals aus populistischen Gründen ... (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) – Lassen Sie mich den Satz zu Ende sagen! (Bundesrat Manfred Gruber: Das glaubst du selbst nicht!) Sie können lachen, wie Sie wollen. Wir hätten niemals ... (Zwischenruf der Bundesrätin Schicker. ) – Sie haben den Satz nicht zu Ende gehört, Frau Kollegin, und du auch nicht. Wir hätten niemals aus populistischen Gründen fundamentale Grundsätze zum Beispiel im Bereich unseres Militärs in Frage gestellt. Sie missbrauchen sie für blanken Populismus. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Manfred Gruber: Die Grundsätze werden von euch selbst in Frage gestellt mit den Abfangjägern!)

Alle hier – ich betone: alle! – wissen, dass dieses Vereinsgesetz 2002 diese Bezeichnung auch verdient, weil es modern, leicht verständlich, einfach in der Handhabung und gerecht ist. Bestimmungen, die teilweise mehr als 100 Jahre alt waren, sind wohl zum Teil zumindest weggefallen. Über 100 000 kleineren Vereinen in Österreich und den dort ehrenamtlich Tätigen, denen man nicht genug danken kann, bringt es Klarheit und wesentliche Vereinfachungen.

Viele Obmänner – ich habe es schon erwähnt – und Obfrauen und deren Stellvertreter, Kassiere et cetera wussten und wissen es heute wahrscheinlich noch nicht, wie sie nach der herrschenden Judikatur auf Grund des alten Vereinsrechtes mit ihrer idealistischen Arbeit für ihren Verein der Gefahr des persönlichen Bankrottes tagtäglich ausgesetzt waren. (Bundesrätin Schicker: Wenn der Verein gut geführt wird, nicht!) Jeder Jurist wird Ihnen dies bestätigen. Das war die juristische Praxis, und das war die Judikatur.


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Ich kann Ihnen sagen, Ihr leider schon verstorbener SPÖ-Stadtrat in der Landeshauptstadt Salzburg Hanselitsch könnte Ihnen, so er noch lebte, als ehemaliger Präsident des Eishockey-Sportvereines in Salzburg ein Lied davon singen, als nämlich damals die Politik einmal nicht mehr funktionierte und er persönlich dann in ärgste Bedrängnisse kam. – Das ist die Tatsache, und alles andere, meine Damen und Herren, ist die Unwahrheit! (Bundesrätin Schicker: Wenn man sich mit schlechten Freunden umgibt!)

Das neue Gesetz aber begrenzt die Haftung, ist kein Nachteil, sondern ein Fortschritt für die Vereine und deren Organe.

Die SPÖ trommelt und in ihrem Fahrwasser, wie üblich, die Grünen, dass das Gesetz für kleine Vereine (Bundesrätin Schicker: Was ist daran so negativ?) – es ist leider immer so, deswegen muss man es immer wieder wiederholen: in ihrem Fahrwasser die Grünen; ich werde es am Schluss im Zitat auch noch einmal wiederholen, da werden Sie staunen, wo es noch steht – eine Verschlechterung bringt – das Gegenteil ist richtig! –, dass das Gesetz eine Verbürokratisierung mit sich bringt – wir alle wissen, das Gegenteil ist richtig! – und dass das Gesetz aufwendige Rechnungslegungsvorschriften mit sich bringt. Wir wissen, das Gegenteil ist richtig!

Meine Damen und Herren! Es geht den Sozialdemokraten nicht um die großen Vereine, denen das Gesetz nun einmal Vorschriften hinsichtlich Buchhaltung, Rechnungsprüfung et cetera macht, die in einer hoch zivilisierten Gesellschaft wie der unseren zum Standard am Beginn des dritten Jahrtausends nun einmal dazugehören. Denn die Sozialdemokraten haben im ÖGB, in dem sie sich quasi als Hausherren fühlen, ohnehin bereits alles geregelt. Ganz in der Manier der Superreichen ist die so genannte Streikkassenstiftung bereits ins Leben gerufen. Sie ist längst gegründet. (Bundesrat Manfred Gruber: Was für Prinzhorn gilt, gilt auch für den ÖGB!)

Dass sich die SPÖ-Spitzenfunktionäre in geradezu atemberaubender Geschwindigkeit an die dünne Luft im Elfenbeinturm der Superreichen gewöhnen, ist uns allerdings spätestens seit Vranitzky und Klima ohnehin allgemein bekannt. (Bundesrätin Schicker: Kein Applaus!)

Ich habe eingangs von der Fundamentalopposition der SPÖ und in ihrem Fahrwasser auch die Grünen (Bundesrat Freiberger: Wieder!) gesprochen. Alles ist schlecht, das Kindergeld ist schlecht, die Verwaltungsvereinfachung ist schlecht, sogar das Nulldefizit ist schlecht. Man denke einmal, das Gegenteil, das Schuldenmachen ist gut, das Nulldefizit ist schlecht! Die Liste könnte man endlos fortführen.

Ich frage mich, was denken eigentlich loyale Staatsdiener, die unbeschadet ihrer persönlichen Nahebeziehung zur SPÖ an den vielen Reformvorhaben dieser Regierung mitgearbeitet haben und auch in Zukunft mitarbeiten, was denken sich diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn sie von ihrer eigenen Partei stets zu hören bekommen, dass sie seit Frühjahr 2000 nur Mist gebaut oder zumindest mitgebaut haben? (Bundesrat Konecny: Das werden wir bei den Personalvertretungswahlen sehen, was die denken! Da mache ich mir keine Sorgen!)  – Ich sage Ihnen, vor diesen Beamtinnen und Beamten habe ich größten Respekt. (Bundesrat Konecny: Vor allem wenn sie die sozialistischen Gewerkschafter wählen! – Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das schließt natürlich nicht aus, dass mein Dank auch den "andersgläubigen" – unter Anführungszeichen – oder auch neutralgläubigen – solche soll es auch noch geben (Bundesrat Manfred Gruber: Wenig, die FPÖ sorgt dafür!)  – Mitarbeitern gilt.

Am Beispiel dieses modernen Vereinsgesetzes beweist die SPÖ und im Fahrwasser wie üblich die Grünen, dass sie gar keine staatstragende Opposition im demokratiepolitischen Sinne sein möchte, sondern den Oppositionspart seit Februar 2000 als Plattform für einen Dauerwahlkampf nützt.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, wie man das in der von mir so gern zitierten Schweizer Presse sieht. Ich zitiere aus der "Neuen Zürcher Zeitung":


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"Die Sozialdemokratische Partei Österreichs ist seit zwei Jahren in der Opposition, aber sie ist von der Gewohnheit der Macht nachhaltig verdorben und verfault. Sie hat bisher nichts unternommen, was das geschwächte Vertrauen der Wähler in sie stärken könnte. Sie hat sich innerlich nicht entschlackt und äußerlich nicht gehäutet. Sie hat unter ihrem Chef Gusenbauer kein griffiges Programm entworfen und keine wegweisenden Initiativen entwickelt. Die Salonsozialisten hocken in den Kaffeehäusern am Ring und warten darauf, dass ihnen die verlorenen Ämter gefälligst zurückgegeben werden. Die Grünen leisten ihnen dabei Gesellschaft; durch ihre Kumpanei mit den Sozialisten haben sie jedes eigenständige Profil verloren." – Ende des Zitates aus einer der immerhin bekanntesten und besten deutschsprachigen Zeitungen, der "Neuen Zürcher Zeitung". (Bundesrat Manfred Gruber: Dazu kann man nur sagen: typisch Schweizer Käse!)

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Mit dem vorliegenden Entwurf ist Ihnen zusammen mit Ihren Beamten, sicherlich auch in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium ein weiterer großer Wurf in der Reformarbeit dieser Bundesregierung gelungen. Namens meiner Fraktion darf ich Ihnen dazu herzlich gratulieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Zum Abschluss möchte auch ich einen kurzen Satz zum Volksbegehren verlieren. Das ist das Volksbegehren, kennen Sie das? Ich darf kurz das "Format" zitieren:

"Staatsziel Staatsbankrott? Sozialstaat-Volksbegehren. Würden Sie gern noch höhere Steuern zahlen? Wenn ja, dann nichts wie hin zum Volksbegehren. Wenn nein, bleiben Sie daheim." (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Manfred Gruber: Wenn Sie daheim bleiben, bleiben Sie in zwei Jahren auf der Strecke!)

10.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

10.57

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Das dürfte heute einen Tag lang so eine Art Pingpongspiel werden mit Volksbegehrenargument hin, Volksbegehrenargument her. Wissen Sie, was ich nicht verstehe? – Wie kann man stolz darauf sein, als einziger Staat kein Staatsziel Sozialpolitik zu haben und zu sagen, wir sind das einzige Land in der EU, das das in seiner Verfassung nicht kennt. Das hat Herr Minister Haupt heute gesagt. Das wundert mich, aber ich überlasse es Ihnen, darauf stolz zu sein.

Kollege Aspöck ist wahrscheinlich mit dem Auftrag herausgekommen: Schenk Feuerwasser ein! Und er ist immer wieder ins Fahrwasser abgerutscht. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Zwischen Feuerwasser und Fahrwasser besteht ein Unterschied. Aber wissen Sie, was der Unterschied ist? – Sich im Fahrwasser – und das kann ich Ihnen als Segler sagen (Bundesrat Dr. Aspöck: Segeln kann ich auch, Herr Kollege!)  – befinden bedeutet, sich bewegen. Das Gegenteil heißt vor Anker liegen, festgezerrt sein. Und das ist der Unterschied. Es ist besser, in Bewegung zu sein und etwas zu verändern. Verändern heißt, die Zusammensetzung dieser Bundesregierung verändern. Das ist immerhin ein wichtiges Ziel. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt wäre es natürlich sehr reizvoll gewesen, Herr Kollege Aspöck, sich mit Ihren Ausführungen auseinander zu setzen, aber Sie haben es irgendwie selbst geschafft, Ihre Rede zu kippen, nämlich bei jenem Punkt, bei dem Sie angefangen haben, den Umkehrschluss aufzustellen, dass die FPÖ vor dem Jahre 2000 eine staatstragende Opposition gewesen ist. – Da sage ich, da lachen die Hühner, wenn sie das hören, denn das ist ein ziemlicher Treppenwitz, den Sie selbst nicht ganz ernst genommen haben.

Und das garnieren Sie auch noch mit den Abfangjägern. Jetzt ist Kollege Gudenus draußen. (Bundesrat Konecny: Er weiß schon, warum!) Also da hätten Sie schon einmal einen Kronzeugen, der Ihnen sagt, wie haltlos dieses Argument ist. Er ist sicherheitshalber hinausgegangen.


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Aber Sie können auch Herrn Finanzminister Grasser hernehmen – er wird Ihnen das selbst bestätigen – oder Herrn Gorbach, dessen Rückgrat allerdings nur 24 Stunden gehalten hat. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Wissen Sie, Herr Aspöck, auch diese Sache ist danebengegangen. Somit sind Ihre Ausführungen zu diesem Gesetz, das wir heute hier diskutieren, ein bisschen unglaubwürdig.

Herr Bundesminister! Wir hatten schon das Vergnügen, in der letzten Sitzung des Bundesrates im Rahmen der Fragestunde über dieses neue Vereinsrecht zu diskutieren. Sie sagten, einem alten Gesetz solle wieder auf die Sprünge geholfen werden; man wolle es durch eine Novelle unbürokratisch, effizienter und übersichtlicher machen sowie Missstände beseitigen. Das nannten Sie als Begründung dafür, das Vereinsrecht zu novellieren.

Landtagsabgeordneter Strasser – er wusste damals nicht, dass er Innenminister werden sollte – sagte, dieses Ansinnen sei eine bürokratische Belastung von hunderttausend Vereinen. Er hatte Recht – aber heute ist er Innenminister, und er müsste jetzt hier sitzen, weil er eigentlich der Hauptgewinner dieses Gesetzes ist.

Deshalb müssen wir jetzt ein bisschen in die Motivforschung gehen. Warum kommt nach dem "Jahr der Freiwilligen", nach dem Jahr der Khol’schen Bürgergesellschaft, nun dieser "Knüppel aus dem Sack", der Knüppel gegenüber den Freiwilligen, gegenüber den Vereinen? – Immerhin sind die Freiwilligen, die jetzt sogar mit einem eigenen Orden geehrt werden, in 104 203 österreichischen Vereinen organisiert. Warum erfolgt diese Maßnahme, die insgesamt – und manche Vorredner haben es schon gesagt – eine Aushöhlung der Vereinsfreiheit und eine Einschränkung der Vereinigungsfreiheit ist? (Bundesrat Dr. Böhm: Überhaupt nicht! – Bundesrat Dr. Aspöck: Stimmt nicht! Auf Grund welcher Bestimmung?)

Herr Aspöck! Sie sind Jurist, und Sie wissen, dass das Vereinsrecht ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Grundrecht ist. (Bundesrat Dr. Aspöck: Aber mit welcher Bestimmung? Sagen Sie es mir!) Es darf nur Einschränkungen unterworfen werden – da sind wir uns, so glaube ich, in diesem Haus einig –, die in einer demokratischen Gesellschaft aus ganz bestimmten Gründen notwendig sind. Es sind dies der Schutz der Rechte Dritter oder die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit. Aber das Vereinsrecht steht in diesem Lande auch den Bürgerinnen und Bürgern offen, die nicht Staatsbürger sind. Auch diese Menschen haben ein Recht, sich zu organisieren. Trotzdem erfolgt jetzt eine Einschränkung.

Lassen Sie mich deshalb als jemand, der nicht erst seit heute oder seit gestern, sondern schon länger in der Politik ist, ein bisschen auf die Motivforschung eingehen! Warum wird ein Gesetz novelliert, das nicht einmal als Ziel im Regierungsübereinkommen steht? – Es steht nicht im Regierungsübereinkommen, dass man dieses Gesetz novellieren will. Daher muss es zu einer plötzlichen Änderung gekommen sein. Ist es vielleicht ein Hobby des Herrn Ministers, Vereine zu zwicken und zu zwacken, wie er das erst jüngst getan hat, indem er in einer sehr seltsamen Aktion einem sehr wichtigen und renommierten Verein, dem Verein für Konsumenteninformation, nahe an die existenzielle Ader gelangt hat?

Oder stört Sie, Herr Minister, die Vereinsautonomie? – In diese greifen Sie ein, Herr Minister, indem Sie Auflagen nach der Struktur der Organe machen. Sie wissen, dass diese Auflagen für viele bestehende Vereine nicht praktikabel sind oder nur unter hohen Kosten und hohem Aufwand herstellbar sind. Es wird für einige Funktionärinnen und Funktionäre eine sehr harte Entscheidung sein, ob sie künftig noch für solche Funktionen zur Verfügung stehen.

Oder sollte es Ihre Absicht sein, einen der größten Vereine, den ÖGB, zu ärgern? – Dann geht der Schuss aber daneben; Herr Kollege Grissemann, Sie freuen sich, aber damit liegen Sie daneben. Denn der ÖGB unterliegt einem anderen Schutz, nämlich jenem der International Labour Organization, entsprechend dem Abkommen mit dieser Organisation. Das kann es daher auch nicht sein. (Bundesrat Grissemann: Ich möchte einmal wissen, wie viel Geld die auf der Seite haben! Das wäre interessant!)


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Es gibt noch eine andere Möglichkeit – Herr Kollege Grissemann, Sie kommen noch dran –: Wollen Sie leichter Vereine untersagen? (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist falsch!)  – Ich stelle die Frage, Herr Kollege Böhm! Aber es deutet schon etwas darauf hin. Gerade Sie als Jurist wissen, dass der Instanzenzug eingeschränkt wurde und dass jetzt nicht mehr das Innenministerium, sondern – das sage ich einmal unter Anführungszeichen – "nur" die Sicherheitsdirektionen für die Untersagung zuständig sind.

Schauen wir uns einmal die Zahlen des Jahres 2000 an – Herr Minister, da waren Sie noch nicht ressortzuständig. Von den 104 000 Vereinen wurden 823 aufgelöst, davon nur – oder Gott sei Dank – zwei wegen rechtswidriger Tätigkeit. Dieser Auflösung von 823 Vereinen stehen 4 740 Vereins-Neugründungen in diesem Jahr gegenüber. Davon wurden 30 untersagt. Die Gründe für Auflösung, für Rechtswidrigkeit, für Untersagung scheinen daher marginal zu sein.

Jetzt kommt eines der Hauptargumente des Herrn Ministers: Das ist der Gläubigerschutz. Auch dazu gibt es Zahlen. Lediglich 13 Vereine waren von einem Insolvenzverfahren betroffen. 13 Verfahren, es scheint hier ... (Bundesrat Dr. Aspöck: Warum hat es die Vereine nicht erwischt? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Die Summe ... (Bundesrat Dr. Aspöck: Kollege, reden Sie einmal mit einem Praktiker! Da können Sie mit der Statistik heimgehen!) Gerne, ich stehe auch für die Summe zur Verfügung: 2 567 €. Also kann es das nicht sein, es kann auch der Gläubigerschutz nicht sein.

Herr Kollege Aspöck und auch Herr Kollege Gruber haben gesagt, es komme durch dieses Gesetz zu einer finanziellen Entlastung der Vereine. Okay, das stimmt, es kommt zu einer finanziellen Entlastung. Das muss man auch sagen; was stimmt, das stimmt. 200 000 € – Herr Gruber, Herr Bürgermeister, haben Sie das auf die bestehenden Vereine umgerechnet? (Bundesrat Manfred Gruber: 1 € pro Verein! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das sind 2 € pro Verein! Herr Minister Strasser wird sich freuen, für das Niederösterreichische Hilfswerk bedeutet das 2 €. (Bundesrat Konecny: Die leben dann in Saus und Braus!)

Aber der Staat muss jetzt ein neues Vereinsregister einrichten. Ich nehme an, Herr Minister, Sie werden mir die Zahl von 1,8 Millionen € bestätigen, was die Kosten des neu einzurichtenden Vereinsregisters betrifft.

Es hätte nichts dagegen gesprochen, das Vereinsrecht, das – zugegeben – ein altes Recht ist, zu novellieren, aber dann doch bitte auch unter dem Blickwinkel der Praxis! Was belastet die österreichischen Vereine am meisten? – Das sind die Haftungsregelungen, darüber kann man reden, aber das ist vor allem das Steuerrecht! Es geht um eine Besserstellung im Steuerrecht. Die Vereine leiden unter der Steuerlast.

Ein Vorredner oder eine Vorrednerin hat schon gesagt, dass in keinem anderen Land der EU die steuerlichen Rahmenbedingungen für NPO – Non-Profit Organizations – so schlecht wie in Österreich sind. Vor allem hätte man da – und Österreich zeichnet sich durch eine hohe Spendenfreudigkeit aus, egal, ob für "Nachbar in Not", für "Licht ins Dunkel" oder für die zahlreichen NGOs – weitere Anreize für Spenden schaffen können, Modelle zur steuerlichen Begünstigung gemeinnütziger Organisationen. Doch das wird in diesem Gesetz nicht berührt.

Nun gibt es – Kollege Aspöck ist jetzt draußen – auch die Schlechterstellung der Vereine gegenüber anderen Rechtsformen. Das ist wirklich interessant, Herr Minister, denn ich hätte mir – da werde ich wahrscheinlich nicht mit allen in diesem Hohen Haus einer Meinung sein – eine Entflechtung erwartet, eine Entflechtung von Kapitalgesellschaften, die sich unter dem Mantel "Vereine" verbergen, oder von größeren Dienstleistungsunternehmen, die sich unter dem Titel "Vereine" verbergen.

Aber statt dessen wird nun ein zweiköpfiges Leitungsorgan eingeführt – das ist anders als zum Beispiel bei einer Kapitalgesellschaft –, oder es gibt Vorschriften zur qualifizierten Rechnungslegung. Dabei liegen die Wertgrenzen, die nun eingezogen werden, unter jenen von Kapitalgesellschaften. Das heißt, wir legen für die Vereine eine höhere Messlatte an. Auch bei der


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Zusammensetzung der optional zu bestellenden Aufsichtsbehörden haben wir eine Verschlechterung der Vereine gegenüber anderen Rechtsformen zu verzeichnen.

In diesem Sinne kann ich dem Gesetz nicht zustimmen. Denn das neue Vereinsrecht ist eine Maßnahme zur Einschränkung der Autonomie, eine bürokratische Mehrbelastung, eine Abschreckungsmaßnahme gegenüber Freiwilligen, die sich engagieren wollen, und die Motive für dieses Gesetz liegen vielfach im Dunkeln. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Fasching. – Bitte.

11.10

Bundesrat Paul Fasching (ÖVP, Burgenland): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine burgenländische Kollegin Schlaffer hat über das Buch unseres Klubobmannes Khol gesprochen; dieses Buch heißt "Die Wende ist geglückt". Liebe Frau Kollegin! (Bundesrat Konecny: Man muss aber das Kleingedruckte auch lesen!) Herr Kollege Konecny! Wenn ich mir Ihren Parteivorsitzenden Gusenbauer ansehe, wie er mit den Initiatoren der Sanktionen gegen Österreich mit französischem Sekt angestoßen hat, wie er den Boden Moskaus geküsst hat (Bundesrat Konecny: Das wird wirklich Champagner gewesen sein!) , dann muss ich sagen, hat das nicht viel mit österreichischen Funktionärinnen und Funktionären und schon gar nichts mit dem Vereinsgesetz zu tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Manfred Gruber: Was hat denn Schüssel in Deutschland getan?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ! Sie sollten einmal wirklich vor Ihrer eigenen Türe kehren. (Bundesrat Manfred Gruber: Kollege! Was hat der Herr Bundeskanzler getan? Was hat er getan?) Darf ich Ihnen eines auch noch sagen: 30 Jahre haben Sie Zeit gehabt, viele Bereiche, die Sie heute so anprangern, zu erledigen! (Bundesrat Manfred Gruber: Sie waren ja nie dabei!) Wir erledigen sie ja heute, und Sie sind heute dagegen. (Bundesrat Manfred Gruber: Sie waren nie dabei!) Wir waren immer dabei, glauben Sie mir das, aber Sie haben 30 Jahre lang Zeit gehabt, und Sie haben vieles in Österreich versäumt. (Bundesrat Manfred Gruber: Sie sind unschuldig!) Sie haben vieles in Österreich versäumt! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Manfred Gruber: Sie waschen Ihre Hände in Unschuld!)

Es geht Ihnen nicht um die Vereine oder um ein Vereinsgesetz. (Bundesrat Manfred Gruber: Doch!) Es geht Ihnen heute um Ihr Volksbegehren. 10 Millionen kostet Sie dieses Volksbegehren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Hätten Sie diese 10 Millionen dem Sozialbereich zugeführt, hätten Sie wesentlich mehr für Österreich geleistet! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Manfred Gruber: Würden Sie eine gute Sozialpolitik machen, brauchten wir das nicht!) – Herr Kollege! Ich merke, Sie werden nervös; lassen Sie mich ausreden. Herr Kollege! Sie wissen schon, was es kostet. (Bundesrat Konecny: Nein!) Sie wissen es. (Bundesrat Konecny: Nein! Wir wären froh ...!)

Ich erzähle Ihnen einiges über das soziale Gewissen der SPÖ in Theorie und Praxis, über soziale Kälte, Volksbegehren, schlechte Beschäftigungslage. Die SPÖ und ihre Satelliten wie Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund haben sich in diesen Tagen ... (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler.  – Bundesrat Konecny: Also bei den Arbeiterkammern und Gewerkschaften, die sind demokratisch gewählt!) Sie haben sich in den letzten Tagen auf die Regierung so richtig eingeschossen. (Bundesrat Konecny: Sie reißen halt dort nichts!) Herr Kollege Konecny! Ein Kehren vor der eigenen Türe wäre angebracht. (Bundesrat Konecny: Sie reißen in der Arbeiterkammer nichts!)

Ich sage Ihnen eines klar und deutlich: In der burgenländischen SPÖ sind einige soziale Geisterfahrer unterwegs. Sie ignorieren sämtliche moralische Warnschilder, die roten Ampeln des sozialen Gewissens sind ihnen gleichgültig. Ich erzähle Ihnen etwas von diesem Schauplatz.


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Schauplatz Nummer 1 ist der Verein Tagesmütter. Dieser Verein organisiert die Betreuung von Kindern durch Tagesmütter im Burgenland. Auf der Gehaltsliste dieses Vereines stehen zwei namhafte Mitglieder der SPÖ Burgenland, eine SPÖ-Abgeordnete und eine SPÖ-Bürgermeisterin eines Bezirksvorortes. (Bundesrätin Schicker: Ist das ihre berufliche Tätigkeit?) Nein, ich darf Ihnen nur Folgendes erklären (Bundesrat Manfred Gruber: Was ist schlecht daran, wenn man in einem Verein ehrenamtlich arbeitet?):

Die beiden haben sich im Verein Projekt Tagesmütter Burgenland in der Verwaltung anstellen lassen. Darf ich Ihnen sagen, was eine burgenländische Abgeordnete im Monat bezieht? – Das würde ich Ihnen gerne sagen. Was Sie vielleicht nicht wissen, ist (Bundesrätin Schicker: Aber ihren Beruf darf sie ausüben?) , dass diese Mittel aus dem AMS finanziert werden. Damit ist das Gehalt, das beide dort beziehen, quasi ein Körberlgeld auf Kosten der Steuerzahler und sozial Schwächsten. (Bundesrat Konecny: Das ist ja unerhört! – Bundesrat Manfred Gruber: Das ist eine Gemeinheit! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wissen Sie, was das Tollste ist? (Bundesrat Freiberger: Das ist eine Frechheit, was Sie da sagen! – Bundesrat Konecny: Das ist ein Skandal!)  – Beide treten für das Sozialstaats-Volksbegehren ein! Der eigentliche Skandal ist (Bundesrat Manfred Gruber: Was Sie sagen, ist ein Skandal! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Vizepräsidentin Haselbach gibt das Glockenzeichen) , dass das AMS-Geld für beide bei der Unterstützung echter Sozialfälle und Langzeitarbeitsloser fehlt. Ich glaube, das ist eine Geisterfahrt gegen jedes soziale Gewissen. Das möchte ich Ihnen ins Stammbuch schreiben! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schicker: Jetzt haben Sie sich aber blamiert! – Bundesrat Konecny: Beispiellose Diffamierung!)

Sie glauben es nicht; wir haben den Herrn Landeshauptmann aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen, und es kriselt dort schon ganz schön. Aber das überlassen wir Ihnen: auf der einen Seite das Sozialstaats-Volksbegehren, auf der anderen Seite, bitte, vor Ihrer eigenen Türe kehren! (Bundesrat Kneifel: Theorie und Praxis!) Das ist genau die Theorie und die Praxis!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Vereine und Hilfsorganisationen leisten einen unverzichtbaren Beitrag für die Gesellschaft. (Bundesrat Konecny: Das sind nicht Ihre, das sind die österreichischen! – Bundesrat Todt: Habsburg!) Sie sind wichtige Träger des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens in den Gemeinden. (Bundesrat Manfred Gruber: Darum werden sie jetzt schikaniert!) Darüber hinaus wären ohne das ehrenamtlich Engagement viele Hilfsdienst im sozialen, gesundheitlichen und humanitären Bereich weder möglich noch finanzierbar. (Bundesrat Todt: "World Vision"!) Herr Kollege! Denken Sie an das AMS und an die Gelder im Burgenland. (Bundesrat Todt: Habsburg! Mörbisch! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Studien haben ergeben, dass für die Vereinsarbeit im Durchschnitt mehr als zehn Wochenstunden geopfert werden. (Bundesrat Manfred Gruber: Das wissen wir, wir machen das!) Vereine sind ein wesentliches Instrument der Bürgersolidarität. (Bundesrätin Schicker: Wir sind alle in Vereinen tätig! Unbezahlt!) Oft hört sich das nicht so an, Frau Kollegin!

Um die Arbeit der Vereine zu unterstützen, hat die Bundesregierung schon im UNO-Jahr der Freiwilligen 2001 beschlossen, ein neues Vereinsgesetz zu erarbeiten, das für die Vereine wesentliche Vorteile bringt. Nur die Wichtigsten möchte ich Ihnen nennen, sollten Sie es nicht wissen; Sie wollen es vielleicht nicht wissen. Punkt 1: die Vereinfachung und Entrümpelung des Vereinsrechts. (Bundesrat Konecny: Es ist dicker geworden!) Punkt 2: Beschleunigung der Verwaltungsabläufe durch Abbau von Mehrgleisigkeiten, Herr Kollege Konecny! (Bundesrat Manfred Gruber: ... Klubobmann Khol gesagt hat!) Punkt 3: Vereinfachung und Beschleunigung der Vereinsgründung. Sollten Sie es nicht wissen: Erhöhung der Rechtssicherheit durch klare Definitionen und Mindestnormen. (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger. )

Die steuerliche Behandlung der Vereine bleibt grundsätzlich gleich. Es wird auch weiterhin der Grundsatz gelten, dass Vereinsfeste – hören Sie gut zu, Herr Kollege – einmal jährlich auf jeden Fall von allen Abgaben befreit sind. Die neue Vereinsrichtlinie bedeutet keine finanzielle


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Schlechterstellung für Vereine. Für Sozialvereine gibt es eine Besserstellung dahin gehend, dass die jährlich einmalige Benefizveranstaltung ... (Bundesrat
Konecny: Das ist schon ein großer Erfolg der Regierung, wenn es keine Verschlechterung gibt! Da können Sie stolz darauf sein!) – Herr Kollege Konecny! Hören Sie mir doch zu! (Bundesrat Konecny: Tue ich! Herr Kollege, Sie sagen, es ist ein großer Erfolg ...!) Es ist ein großer Erfolg, und ich sage es, wenn Sie wollen, noch 10 Minuten lang! (Bundesrat Konecny: ... wenn Sie von dieser Regierung nicht Verschlechterungen erwarten!)

Für Sozialvereine gibt es eine Besserstellung dahin gehend, dass die jährlich einmalige Benefizveranstaltung unabhängig von ihrer Größe unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei gestellt wird. (Bundesrat Konecny: Ja, wie bisher!) In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, Herr Kollege Konecny, dass sich auch für die Feuerwehren keine Veränderungen ergeben. (Bundesrat Konecny: Sehen Sie! Keine Verschlechterung! Großer Erfolg der Regierung!) Sie sprechen immer von der Verschlechterung beziehungsweise Ihre Redner hier heraußen. Wir sagen das nicht, sondern Sie sprechen davon! (Bundesrat Konecny: Wozu brauchen wir ein neues Gesetz dazu, das doppelt so dick ist? Ist ja absurd!)

In den neuen Vereinsrichtlinien werden die gesetzlichen Vorschriften einerseits zusammengefasst, aber auch die Gesetzesauslegungen genauer definiert und mit konkreten Beispielen unterlegt. (Bundesrat Manfred Gruber: Vergessen wird, den Gerichten ...!) Wichtig ist, dass es durch die neue Richtlinie zu keinen schärferen Auslegungen der gesetzlichen Regelungen kommt. Die neuen Vereinsrichtlinien sind übersichtlicher und modern gestaltet.

Meine Damen und Herren! Das Aufgabengebiet der Vereine wird immer größer. Vereine müssen zunehmend nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeiten. Unkenntnis kann dazu führen, dass Haftungen plötzlich schlagend oder Vereinstätigkeiten steuerpflichtig werden. Die neuen Richtlinien sind ein Versuch, den Vereinen mehr Service anzubieten.

Frau Kollegin Schlaffer! Hier darf ich für Sie Folgendes hinzufügen. Gerade das Burgenland hat unter der Leitung des Landeshauptmann-Stellvertreters Mag. Franz Steindl eine Informationsschiene für Vereine im Burgenland geschaffen. Neue Gesetze und ihre Auswirkungen führen oft zu Unsicherheit bei den Betroffenen. Als erster Schritt wurde eine Homepage für Vereine installiert, Vereinsobmänner und Vereinsmitglieder haben nun eine Anlaufstelle im Internet. Punkt 2: Es steht Ratsuchenden eine Vereins-Hotline zur Verfügung (Bundesrat Freiberger: Deshalb seid ihr so stark!)  – hören Sie mir zu! –, sowohl im Nord- als auch im Südburgenland geben kompetente Steuerberater am Vereinstelefon Auskunft zu den Vereinsrichtlinien. Das ist eine Aktion "Näher zum Bürger", meine Herrschaften, sollten Sie das nicht wissen! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Manfred Gruber: Dafür sperren wir alles andere zu!)

Weiters wird es – im Gegensatz zu Ihnen – zum neuen Vereinsgesetz demnächst eine Vereinsbroschüre geben. Das Handbuch wird Themen wie: Vereine und Steuern, Vereine und Rechte, Prinzipien einer erfolgreichen Vereinsarbeit, Aktionen und Marketing-Maßnahmen beinhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Insbesondere auch bei diesem Thema zeigt diese Bundesregierung ihre Kompetenz: unbürokratisch und bürgernahe (Bundesrat Manfred Gruber: Da sind Sie doch nicht dabei!) , vor allem aber die Sorge um die Rechtssicherheit der vielen ehrenamtlichen Funktionärinnen und Funktionäre (Bundesrat Manfred Gruber: Kollege, sind Sie diesmal dabei in der Regierung?) , denen ich an dieser Stelle für ihre Tätigkeit und ihren unermüdlichen Einsatz ein herzliches Dankeschön sage! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Manfred Gruber: Sie waren aber nicht dabei!)

11.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Schlaffer zu Wort gemeldet. Ich bitte, die Redezeitbeschränkung von 5 Minuten zu beachten.

11.20

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass das Vereinsgesetz


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686. Sitzung / Seite 48

dazu herhalten muss, in einer überaus schäbigen Schmutzkübelkampagne, die ich auf das Schärfste verurteile und zurückweise, hier in diesem Raum zwei burgenländische Mandatarinnen sozusagen an den Pranger zu stellen für etwas, was den Tatsachen nicht entspricht.

Herr Bundesrat Fasching hat hier verkündet, dass sich beide Abgeordnete bei dem Verein haben anstellen lassen. Beide Abgeordnete – in dem einen Fall eine Bürgermeisterin – sind bereits lange vor ihrer politischen Tätigkeit Angestellte des Vereins gewesen. Im Fall der Bürgermeisterin Salamon war sie die Gründerin des Vereins. Sie hat in dem mehr als zehnjährigen Bestehen dieses Vereins vielen – über die Hundertergrenze hinaus – burgenländischen Frauen einen Arbeitsplatz mit sozialrechtlicher Absicherung ermöglicht. Derzeit sind ungefähr 70 Frauen bei dem Verein in Beschäftigung.

Abgeordnete Arenberger ist vor etwas mehr als vier Jahren im Ausmaß von zehn Stunden bei dem Verein tätig geworden, auch weil damals die Frau Bürgermeisterin ihre Arbeitszeit von 40 Stunden auf 20 Stunden reduziert hat. Zu diesem Zeitpunkt war die genannte Landtagsabgeordnete Hausfrau und Betreuerin eines schwerst behinderten Mannes. Ihr aus dieser Tatsache heute einen Vorwurf zu machen ... (Bundesrat Mag. Hoscher: Sauber! – Bundesrat Manfred Gruber: Das ist schmutzig! – Bundesrat Thumpser: Das ist eine Entschuldigung wert jetzt!)

Dahinter steckt einfach, speziell Frauen hätten kein Recht, einer Arbeit, einer Beschäftigung nachzugehen, und als politische Mandatarinnen wären sie ohnehin überbezahlt. Also wozu sind wir Frauen überhaupt hier anwesend? – Gehen wir heim, gehen wir heim an den Herd! Kinder, Küche – das wäre unsere Aufgabe, so wie ich es hier vernehme! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Eines möchte ich auch in aller Deutlichkeit sagen: Überall dort, wo es Fördergelder gibt, werden AMS-Fördergelder in der Regel speziell bei Kinderbetreuungseinrichtungen in Kombination mit Mitteln der Länder zur Verfügung gestellt; so auch beim burgenländischen Tagesmütterverein, dem das Land Burgenland mehr als 100 000 € jährlich zur Verfügung stellt. Eben diese Fördergelder werden nicht nur für einen Verein wie jenen der Tagesmütter, sondern auch für das Hilfswerk in gleichem Maße zur Verfügung gestellt.

Auch im Hilfswerk – und speziell im Steirischen Hilfswerk, aufgepasst, meine werten steirischen Kollegen! – gibt es viele politische Funktionäre, die dort einer geregelten Beschäftigung nachgehen. Auch im Interesse dieser politisch tätigen Funktionäre sage ich hier, es darf nicht sein – und dagegen müssen wir uns wehren –, dass heute jemandem, nur weil er Politiker ist, das Recht abgesprochen wird, einer Berufstätigkeit nachzugehen, die ihm die Chance gibt, eine soziale Absicherung für das Alter zu erreichen! (Beifall bei der SPÖ.)

Vielleicht haben Sie vergessen, dass viele der hier Anwesenden aus ihrer politischen Funktion keinen Pensionsanspruch haben. Diesbezüglich sollten wir uns bei aller Hetze – gerade wir selbst, die wir als Politiker ohnehin oft genug am Pranger stehen – zurücknehmen und nicht zusätzlich Salz in offene Wunden streuen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.  – Bundesrat Konecny: Entschuldigen Sie sich für den Skandal! Gehen Sie heraus, Kollege Fasching! Entschuldigen Sie sich! – Bundesrat Manfred Gruber: Traurig! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

11.25

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist verständlich, dass die Emotionen etwas hochkommen, denn es sind Worte gefallen, die nicht zu unterstreichen sind, noch dazu in einem Fall, in dem nicht geklärt ist, wie die Tatsachen wirklich liegen. (Ruf bei der ÖVP: Das ist geklärt!)

Frau Kollegin Schlaffer hat hier versucht, Licht in die ganze Sache zu bringen. (Bundesrat Manfred Gruber: Unterstellungen und Falschaussagen im Schutz der Immunität!) Ich würde meinen, es obliegt dem Kollegen, der die Anschuldigungen ausgesprochen hat, sich zu überlegen, wie er da weitermacht. Ich habe den Eindruck, eine Aufforderung zu einer Entschuldigung bringt uns nicht wirklich weiter. Was immer wir hier in diesem Hause sagen, liegt in


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unserer eigenen Verantwortung. Daher würde ich meinen, dass der Kollege selbst entscheiden muss, was er tut. (Bundesrat Winter: Das ist die christliche Nächstenliebe!)

Ich bitte jetzt Herrn Bundesrat Binna ans Rednerpult. Er ist der Nächste, der zu Wort gemeldet ist. (Bundesrat Winter: Das ist christlich-sozial! – Bundesrat Freiberger: Das ist die christliche Scheinheiligkeit! – Weitere Zwischenrufe.)

11.27

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vereine zeichnen sich dadurch aus, dass sie für unsere Gesellschaft ehrenamtliche Arbeit leisten und unentbehrlich sind. Es kommt nicht von ungefähr, dass nahezu jeder Österreicher in mindestens zwei bis drei Vereinen vertreten ist. Die Vereine sind für die Gesellschaft unerlässlich. In den Vereinen werden zahlreiche Aufgaben wahrgenommen, die sonst der Staat viel teurer und mit viel Bürokratie wahrnehmen müsste. Jahr für Jahr werden eine Vielzahl an ehrenamtlichen Stunden geleistet.

Diese Gesetzesänderung aber bedeutet mehr Kosten für ehrenamtliche Vereine, Ersatz der Gemeinnützigkeit durch Besteuerung und einen Prüfungsregulierungsexzess.

Mitgliedsbeiträge, Geld- und Sachspenden der Mitglieder und Subventionen reichen meist nicht aus, um die Voraussetzungen für einen florierenden Sportverein zu schaffen. Daher wird durch die Abhaltung von Vereinsfesten versucht, zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Bei einem jährlichen Reingewinn zwischen 7 500 und 22 000 € wird der Verein aus finanztechnischer Sicht als Kleinunternehmer eingestuft. Werden bei diesen Veranstaltungen diese Betragsgrenzen übertroffen, müssen die Beträge vom ersten Euro an versteuert werden. Daher ergibt sich ein großes Problem für die Sportvereine, die aus dem Kantinenbetrieb zusätzliche Einnahmen erzielen, um den Sportbetrieb aufrechterhalten zu können.

Große Auswirkungen werden diese Belastungen auch auf die Nachwuchsarbeit haben, weil die finanziellen Mittel nicht mehr in der gleichen Höhe zur Verfügung gestellt werden können. In den Vereinen wird mit professioneller Arbeit versucht, den Kindern den Zugang zur sportlichen Betätigung zu ermöglichen. Dafür werden sie jetzt bestraft. Dieses Gesetz ist für mich ein Sportvernichtungsgesetz. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

11.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Lindinger. – Bitte.

11.29

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Der heutige Tag ist geprägt von einer Propaganda für ein Sozialvolksbegehren, das hier transportiert werden soll. Ich muss Sie aber – wenn ich von diesem Pult aus Stellung dazu nehmen kann – fragen: Wieso haben Sie das nicht schon längst gemacht?

Seit 1945 waren Sie, mit kurzer Unterbrechung, in der Regierung. Sie waren auch viele Jahre allein in einer Regierung. (Bundesrätin Schicker: Aber da haben wir es sichergestellt als Regierung!) Ja, ja, das habe ich gedacht – aber es ist so: Sie hätten schon längst Zeit gehabt, das zu tun, Sie haben es jedoch nicht gemacht!

Mir erscheint das jetzt so wie etwa damals die Vernaderung Österreichs, die von bestimmter Seite gekommen ist und dann zu den EU-Sanktionen geführt hat. Man will die Rute ins Fenster stellen, um dem Ausland zu zeigen, wie schlecht die sozialen Verhältnisse in Österreich sind, um dann die Kritik aus dem Ausland wieder verwenden zu können, um Propaganda und Politik machen zu können. Das ist sicher nicht der richtige Weg.

Aber ich will zum Vereinsgesetz sprechen. Ich habe aufmerksam zugehört, was alle Vorredner gesagt haben. Es wird am Vereinsgesetz Kritik geübt, und man misst dieses Gesetz an den Großvereinen. Es wird von Geldern, von Überprüfung und so weiter gesprochen. Das trifft doch


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nicht die kleinen Vereine – oder kaum! Diese sind doch nie in der Verlegenheit, Rechnung legen zu müssen, weil sie keine Jahresumsätze in der Höhe von über 3 Millionen oder nur 1 Million € haben. Die sind doch weit davon entfernt.

Gerade jetzt, in einer Zeit, in der eine Sozialpolitik, eine Familienpolitik, eine Wohnungspolitik total versagt haben, in der es eigentlich keine Großfamilie mehr gibt, keine Mittelfamilie, kaum mehr eine wirkliche Kleinfamilie, in dieser Situation ist es, so glaube ich, viel notwendiger geworden, Vereine zu haben. Denn viele suchen in den Vereinen das, was sie im familiären Bereich nicht mehr finden: eine zwischenmenschliche Beziehung.

Wir haben in Österreich über 100 000 Vereine. Das ergibt eine Vereinsdichte, dass etwa auf 80 österreichische Bürger ein Verein kommt. Diese vielen Österreicher sind in der Mehrzahl in den kleinen Vereinen organisiert, und dort verwirklichen sie sich in ihrer Art besser als in den großen Vereinen, die oft auch an Zwangsmitgliedschaft grenzen, wenn man die betriebliche Praxis der Beitrittswerbung zu manchen Vereinen kennt.

Die vielen ehrenamtlichen Funktionäre, die wir haben, lassen wir uns dadurch nicht schlecht machen. Es ist nicht hier gesagt worden, aber im Nationalrat: Die Grünen haben die Funktionäre als Vereinsmeier bezeichnet und gesagt, die Grünen seien generell betrachtet keine Vereinsmeier. – Was soll denn das? – Das ist doch nur Polemik und Stimmungsmache, im "Jahr der Freiwilligen" die vielen Funktionäre als Vereinsmeier abzuqualifizieren! Das war nicht im lustigen Sinn gemeint, wie einer der Vorredner heute schon gesagt hat, das war sicher treffend bemerkt.

Das Ziel dieser Vereinsgesetznovelle sind weniger Bürokratie und mehr Dienstleistung – nicht für die Großvereine, sage ich wieder, sondern das Ziel ist sicher der kleine Verein. Es geht um eine Verwaltungsvereinfachung, um die Verwaltung für die Vereine von Ballast zu befreien. Die Textierung ist zweifelsohne einfacher geworden, denn es sollen nicht Juristen beigezogen werden müssen, um Vereinsentscheidungen von der Basis zu treffen. Ich glaube, diese Auflage hat das Gesetz zweifelsohne erfüllt.

Die Verkürzung von Gründungsverfahren von sechs auf vier Wochen ist zweifelsohne etwas Positives. Ich glaube, jeder meiner Vorredner ist auch bei vielen Vereinen, einige haben sogar gesagt, sie haben Vereine gegründet. Daher müssen Sie wissen, wie schwierig es oft ist, Vereine zu gründen, nicht, wenn man einen politischen Hintergrund hat, denn da geht es wahrscheinlich ein bisschen einfacher, weil man doch bekannt ist. Aber wenn ein kleiner Funktionär im nördlichsten Niederösterreich oder sonst wo einen Verein gründen will, muss er in die Landeshauptstadt fahren. All das wird jetzt besser werden. (Bundesrat Thumpser: Seit wann? Überhaupt nicht! Auf die Bezirkshauptmannschaft muss er!) Es kommt in die Bezirksverwaltungsbehörde, die Wege werden wesentlich kürzer, um einen Verein anmelden zu können. (Bundesrat Thumpser: Zumindest das sollte man wissen, dass das über die Bezirkshauptmannschaft geht und nicht über das Land! Zumindest bisher war das so! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die ehrenamtlichen Funktionäre – es ist heute schon gesagt worden, aber es muss noch wiederholt werden – werden in Bezug auf die Haftungsfrage weniger streng beurteilt als solche, die nicht ehrenamtlich tätig sind. Ich will jetzt nicht wieder von den großen Vereinen reden, die angestellte Funktionäre haben. Es ist der kleine Verein, der eine ehrenamtliche Vereinsführung hat; dieser wird zwar aus der Haftung nicht entlassen, aber wesentlich günstiger beurteilt, sollte er irgendetwas mit Gericht zu tun bekommen. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Die Rechte der Mitglieder sind durch das neue Vereinsgesetz zweifelsohne wesentlich verbessert worden. Es ist die Auskunftspflicht für Mitglieder gegeben. Man soll solche Gesetze nicht für einen Zustand machen, wo der Verein funktioniert, sondern die Gesetzgebung soll immer für den Zustand sein, wo sie wirksam werden soll, wenn es Schwierigkeiten im Vereinsleben gibt. Jetzt hat jedes Vereinsmitglied ein Recht auf Auskunft, auf Statuteneinsicht und auch auf Übergabe von Statuten. Nicht alle Vereine handhaben das so.


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Auch die Einberufung von Mitgliederversammlungen, wenn es ein gewisser Prozentsatz verlangt – ich glaube, es sind 10 Prozent –, ist zweifelsohne eine wesentliche Verbesserung. Auch die Einführung von Streitschlichtungseinheiten, die innerhalb von sechs Wochen zu einer Entscheidung kommen müssen, ist etwas Positives. Es ist eine positive Entscheidung, das so zu tun, weil viele Dinge der Verein mittels eines eigenen Vereinsgerichtes – oder wie immer das heißen wird – vorher klären kann und nicht immer gleich die Gerichte bemühen muss. Sie werden deswegen nicht ausgeschaltet, sondern werden erst nach dieser "Karenzzeit" von sechs Wochen tätig.

Die Einführung der elektronischen Auskunft über Personen der Vereinsführung ist immer wieder falsch interpretiert worden. Es geht nicht darum, Interna von Vereinen zu erfahren und an die große Glocke zu hängen, sondern es geht darum, dass man Vereine in der Vereinsführung erkennen kann. Wenn man wissen will, wer für welche Dinge in einem Verein zuständig ist, dann ist das über Internet besser abzufragen als durch einen umständlichen Schriftverkehr, bei dem man vielleicht gar keine Auskunft bekommt.

Die Rechnungslegungspflicht der Vereine ist zweifelsohne auch eine gute Sache. Der Gläubigerschutz bei Vereinen mit einem Jahresumsatz in der Höhe von über 3 Millionen € beziehungsweise bei Spendenvereinen mit einem Umsatz im Ausmaß von 1 Million € ist durch die Bestellung eines Abschlussprüfers wesentlich verbessert worden.

Resümierend kann ich sagen, all das sind Paragraphen, die zweifelsohne den kleinen Vereinen mehr zugute kommen als den großen. Nicht zurecht kommen vielleicht Großvereine wie der ÖGB, der eine Flucht in die Privatstiftung angetreten hat, um die Offenlegungspflicht für seinen Streikfonds zu umgehen. (Bundesrat Thumpser: Die AUF wäre froh, wenn sie irgendwo eine Flucht hin hätte machen können! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es ist so.

Was mich bei allen Vorrednern gewundert hat, bei aller Kritik, die sie hier angebracht haben: Sie haben eine Entpolitisierung der Vereine gefordert. Das ist sicher nicht Thema des neuen Vereinsgesetzes, aber man weiß von den ländlichen Gegenden (Rufe bei der SPÖ: AUF! AUF!), dass die Vereine die Spielwiesen der politischen Parteien sind und dass in manchen Vereinen die Vereinsobleute ihre Funktion wie eine Erbpacht weitergeben, um besser an die Subventionen der Gemeinden heranzukommen. (Bundesrat Thumpser: "In jedem Verein einen blauen Vorsitzenden" im Gesetz verankern!)

Die Vereine mehr fit zu machen und die Eigenverantwortung zu stärken und damit unabhängiger zu machen, das ist das Ziel dieses Vereinsgesetzes. (Bundesrat Thumpser: Ist nicht Kollege Windholz bei einem Fußballverein Präsident? Bei FC Würmla, glaube ich!) – Herr Thumpser, hören Sie doch zu, vielleicht wird dann Ihr Wissensstand etwas besser! (Bundesrat Thumpser: Der Verein ist zwar sportlich nicht sehr erfolgreich, aber ...!) Ich glaube, wir reden jetzt nicht von den Erfolgschancen eines Fußballvereines. Ich fordere Sie auf, besser zuzuhören, vielleicht wird Ihr Wissensstand dann etwas besser. (Bundesrat Thumpser: Durch diese Rede sicherlich nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich glaube, das neue Vereinsgesetz nur dahin gehend abzuklopfen, ob es den eigenen Funktionären in den Vereinen nützt oder nicht, ist sicher der falsche Weg. Der falsche Weg ist auch, Kettenbriefe an die Vereine zu versenden, die dann nach Rücksendung als Argument verwendet werden. (Bundesrat Thumpser: Sagen Sie das bitte Kollegen Pröll!) – Herr Thumpser! Das ist politische Onanie (Heiterkeit), und da ist eine Funktionärsselbstbefriedigung gemacht worden!

Zusammenfassend ist zu sagen: Den kleinen Vereinen wird dieses neue Vereinsgesetz nützen, den großen Vereinen wird es auf die Finger schauen, und deswegen ist dieses Gesetz ein gutes Gesetz. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.39


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Schennach gemeldet. Ich darf darauf hinweisen: Redezeitbeschränkung 5 Minuten, und der Inhalt muss sich natürlich auf die zu berichtigende Stelle beziehen.

Darf ich nur noch dazu sagen: Es sind nicht alle Worte, die gewählt werden, ganz besonders lustig.

Bitte, Herr Kollege Schennach.

11.40

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Das ist hoffentlich nicht auf mich bezogen, Frau Präsidentin! (Vizepräsidentin Haselbach: Nein, auf Ihren Vorredner!)

Ich werde die gebührliche Zeit bei weitem unterschreiten. – Herr Kollege Lindinger! Bevor Sie eine Unrichtigkeit weiterverbreiten, möglicherweise in Ihnen nahe stehenden Medien, möchte ich Sie berichtigen. Sie haben nämlich gesagt, die Grünen hätten im Nationalrat besonders negativ über die Vereinsmeierei gesprochen.

Ich habe mir die zwei Protokolle zwischenzeitlich besorgt und kann Ihnen sagen, dass es nur in einer einzigen Wortmeldung solch einen Hinweis gibt, nämlich von Frau Abgeordneten Terezija Stoisits. Sie meinte, an den Herrn Bundesminister gerichtet – etwas, was ich heute auch gesagt habe –, dass es einer steuerlichen Begünstigung für gemeinnützige Vereine bedürfte. Hier steht – ich zitiere wörtlich –: Darin besteht Reformbedarf. Das müsste man ändern, wenn man der österreichischen Vereinsmeiereigesellschaft einen guten Dienst erweisen will, wobei ich jetzt die Vereinsmeierei absolut positiv bewerte. Ich bin selbst Mitglied in einigen Vereinen, wenn es auch nicht allzu viele sind.

Das ist das Einzige, was ich dazu gefunden habe. In diesem Sinne waren Ihre Ausführungen unrichtig. (Beifall bei der SPÖ.)

11.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

11.41

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte ganz kurz auf einige Wortmeldungen eingehen, weil ich glaube, dass man einiges richtig- oder klarstellen sollte.

Herr Bundesrat Gruber hat erklärt, das Gesetz sei nicht lesbar, diese Behauptung aber nicht näher begründet. Ich kann nur sagen: Wer hier Zweifel hat, möge sich einmal die Überschriften der Paragraphen ansehen, die wie bei jedem Gesetz leicht zugänglich sind! Schon alleine sie machen die Struktur, die Klarheit und das Bemühen nach Transparenz und Selbsterklärung gerade bei diesem Gesetz deutlich.

Ich kann Ihnen nur empfehlen, das Gesetz wirklich anzusehen. Es ist eines der lesbarsten und eines der organischsten Gesetze, und zwar aus einem bestimmten Grunde: Die Leute, die Vereine gründen, sind meistens nicht anwaltlich vertreten, daher ist es besonders notwendig, dass man das, was im Gesetz steht, ohne Rechtshilfe begreifen kann. Darum haben wir uns bemüht, und das ist meines Erachtens auch gelungen.

Ich bedanke mich bei unseren Beamten Dr. Rauscher und Dr. Bydlinski. Ich bedanke mich auch bei den Vertretern des Innenministeriums, die hier sind. Wir haben sehr gut zusammengearbeitet und gezeigt, dass es durchaus möglich ist, zwischen Ministerien unbürokratisch – und dem gleichen Thema gewidmet – ein Gesetz in aller Ruhe entstehen zu lassen.

Was Frau Bundesrätin Schlaffer gesagt hat, habe ich nicht ganz verstanden. Es bestünde kein Reformbedürfnis, so wurde gesagt, und es gäbe wichtigere Dinge. Trotzdem ist unser Weg, wenn man es genau nimmt, der richtige Weg, Gesetze zu novellieren: Nicht erst dann, wenn es


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zu spät ist, soll man Reformen angehen, sondern dann, wenn man das als Fachmann erkennt und der Reformbedarf leichter realisierbar ist.

Ich verweise auf die Beispiele Bezirksgerichtsreform und StPO-Reform. Da hat man Jahrhunderte oder Jahrzehnte nichts unternommen, und dann tut eine Reform natürlich unter Umständen besonders weh. Es machen sich Widerstände bemerkbar, die bei kleinen Reformschritten nicht entstanden wären, und genau das haben wir auch beim Vereinsgesetz mit Recht berücksichtigt: Es handelt sich um eine schnelle Reform, nicht allzu durchgreifend, die Gesetzessprache ist selbsterklärend und deutlich. Und das war auch richtig.

Das, was Herr Bundesrat Dr. Aspöck gesagt hat, ist zur Gänze zu unterstreichen. Es geht hier um die leichte Verständlichkeit des Gesetzes, vor allem auch um die bessere Verständlichkeit der Haftungsbestimmungen. Viele Vereinsorgane haben bis jetzt nicht gewusst, dass sie haften, und sind dann zu spät draufgekommen, wenn die Bank oder welcher Gläubiger auch immer Ansprüche bei ihnen geltend gemacht hat. Die Haftungsbestimmungen sind jetzt deutlich und übersichtlich geregelt.

Ich gehe jetzt auf das ein, was Herr Bundesrat Schennach gesagt hat. Er hat zur Frage des Gläubigerschutzes ausgeführt, es gebe soundso viele Vereine und nur 13 Insolvenzen. – Ja, Herr Bundesrat, warum gibt es denn nur 13 Insolvenzen? – Weil andere insolvenzbedrohte Vereine dadurch – unter Anführungszeichen – "gerettet" wurden, dass eben die Organe aus ihrem persönlichen Vermögen die Gläubiger bezahlt haben. Das ist nicht Sinn der Sache! Das soll nur dann der Fall sein, wenn sie gegen ein Gesetz verstoßen oder wenn sie sich bewusst persönlich verpflichten. In jenen Fällen, die jetzt bald dem alten Recht angehören, in denen die Organe dann von einer persönlichen Haftung überrascht wurden, haben sie unter Umständen selbst in die eigene Tasche greifen müssen, und dadurch blieb es bei nur 13 Insolvenzen. (Bundesrat Schennach: Gibt es zu dieser Behauptung Zahlen?) – Ja, gerne! Ich kann Ihnen aber nicht das Wort erteilen, aber Sie können mich unterbrechen, das geht schon.

Tatsache ist, dass das Gesetz in dieser Frage wirklich sehr sorgfältig geprüft wurde, man bemüht war, die Organe nur dann haften zu lassen, wenn sie – ich wiederhole das – erstens gegen ein Gesetz verstoßen oder sich selbst bewusst, sage ich dazu, persönlich verpflichten. Das war uns wichtig, und ich glaube, das bringt ein Mehr an Rechtssicherheit, das auch Sie wollen.

Zur angeblichen Unübersichtlichkeit sage ich Folgendes: Das geltende Vereinsgesetz hat 31 Paragraphen. Der Entwurf, über den Sie heute abstimmen, hat 34 Paragraphen. Der Entwurf des Herrn Ministers Einem aus dem Jahre 1997 hätte 87  Paragraphen gehabt. Bitte, wählen Sie aus, was Sie wollen! Ich glaube, Sie treffen heute eine gute Wahl.

Ich bedanke mich nochmals für die Zusammenarbeit. Ich glaube, dass Sie hier über ein gutes Gesetz abstimmen, von dem die Bevölkerung etwas hat, und ich möchte auch einen Irrtum aufklären: So lange ein Verein gemeinnützig tätig ist und keine Gewinne erwirtschaftet, solange ist er auch vor der "Bedrohung" – wieder unter Anführungszeichen – des Finanzministers sicher. Es war nicht Regelungsgegenstand, da ein Steuergesetz zu beschließen, es war Aufgabe, Klarheit zu schaffen, und diese Klarheit wurde durch die gesetzlichen Bestimmungen hergestellt. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rosenmaier. – Bitte.

11.47

Bundesrat Alfredo Rosenmaier (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Dass man Gesetze immer wieder durchleuchtet und eine Verbesserung anstrebt, ist eine durchaus gute und auch übliche Sache. Entschließt man sich zu einer Novellierung, kann dies nur ein Ziel haben: eventuelle Lücken zu schließen, ein leicht lesbares und vor allem ein verständliches Gesetz zu schaffen.


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Ein weiterer Schwerpunkt muss sein, das Gesetz, in unserem Fall das Vereinsgesetz, anwenderfreundlich und kostenunterstützend für die Vereine zu gestalten. Es sollte gerade bei den Vereinen, welche durch eine Heerschaft von Freiwilligen getragen werden, eine spürbare Entlastung in der Bürokratie sowie in der finanziellen Behandlung erfolgen. Allein durch die zentrale Vernetzung und die dadurch benötigten technischen Mittel, welche natürlich auch kleine und Kleinstvereine benötigen, werden sie in eine finanzielle Notsituation gedrängt. Diese Belastungen lassen sich auch nicht wegleugnen.

In den nunmehr im neuen Vereinsgesetz geforderten Daten sehe ich eine eindeutige Kontrolle der Vereine, und das bereits im zarten Alter des Gründerstadiums. Dass dies eine eindeutige Einschränkung der Vereinsfreiheit ist, liegt auf der Hand. Ja, man könnte fast glauben, dass dies geradezu ein Beweggrund für die Änderung des Gesetzes war.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dass Vereine ein wesentlicher Bestandteil unseres gesellschaftlichen Lebens sind, ist uns, so glaube ich, allen bekannt. Dass sie einen enormen Beitrag im kulturellen, im sportlichen und im sozialen Bereich leisten, wissen wir ebenso. Dass die über 100 000 Vereine in Österreich die Grundlage für vieles sind, was im öffentlichen Leben funktioniert und unter anderem auch die Eigenverantwortung in unserem Land stärkt, wissen wir ebenfalls. Aber einen besonders hohen Stellenwert nehmen die Vereine im ländlichen Raum ein, vor allem in den kleinen Gemeinden. Gerade durch die Ausdünnung des ländlichen Raumes, durch die Schließung von Bezirksgerichten, Gendarmerieposten und Postämtern werden Vereine ein immer wichtigeres Kommunikationsmittel der Menschen.

In den Landgemeinden hat man längst registriert, dass Gemeinden ohne Vereine eine leblose Landschaft darstellen. Man hat auch erkannt, dass das Vereinsleben nunmehr aufwendiger und damit teurer wird. Damit sind die Vereine gerade durch dieses neue Vereinsgesetz noch mehr auf Subventionen ihrer Heimatgemeinden, von Sponsoren und der Basis angewiesen. Es wird voraussichtlich keine ernsthafte existenzielle Bedrohung der Vereine geben, aber es wird schwieriger werden, Menschen und vor allem geeignete Menschen für das Vereinsleben zu gewinnen.

Da wir mit der vorliegenden Form des Vereinsgesetzes nicht einverstanden sind, wird es von meiner Fraktion auch keine Zustimmung dazu geben.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass das Sozialstaat-Volksbegehren unterstützt werden muss. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.  – Zwischenruf des Bundesrates Schöls. )

11.50

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

11.51

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute sozusagen eine Doppeldebatte: Bei jedem Redner klingt das Sozialstaat-Volksbegehren durch. Frau Bundesrätin Schlaffer hat zuerst eindrucksvoll die Familiengeschichten der betroffenen SPÖ-Mandatarinnen, einer Bürgermeisterin und einer Landtagsabgeordneten, erwähnt. Ich glaube, wir können Anteil nehmen an diesen tragischen Schicksalen. Weniger tragisch empfinde ich das Faktum, dass hoch bezahlte öffentliche Mandatarinnen auch vom Arbeitsmarktservice bezahlt werden und dort auf der Gehaltsliste stehen. Das ist, so glaube ich, schon ein gewisser Widerspruch zu den Zielen des Arbeitsmarktservice, das sich eher um solche kümmern soll, die keine Arbeit haben oder die zusätzliche Qualifikationen erwerben sollen, damit sie besser im Wettbewerb, am Arbeitsmarkt bestehen können.

Frau Kollegin! Sie haben es offen gesagt, das ist eine offene Wunde, in die heute eine Prise Salz gestreut wird, aber ich glaube, Salz hat auch eine reinigende Kraft. Das sollten wir in diesem Zusammenhang sehen und die Lehren daraus ziehen: Das Arbeitsmarktservice hat eine


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andere Funktion als die finanzielle Unterstützung von sozialistischen Mandatarinnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das sei zum obligaten ersten Teil der heutigen Debattenbeiträge gesagt, nun aber zum eigentlichen Tagesordnungspunkt, zum Vereinsgesetz.

Ich stimme mit allen meinen Vorrednern überein, die gesagt haben, dass die Vereine für das Gelingen von Staat und Gesellschaft unverzichtbar sind und dass die mehr als 104 300 Vereine in Österreich eine staatstragende Funktion haben. Das kann man ohne weiteres sagen. Die Vereine sind neben den Familien jene Einheiten, in denen Geselligkeit, Gemeinschaft und Miteinander stattfinden. Das kann von politischen Verantwortungsträgern gar nicht hoch genug geschätzt werden. Sie sind, ich würde fast sagen, der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Sie sind der Ort, wo zielorientiertes Handeln in unbürokratischer Form möglich ist und Gemeinschaft in diesem Staat auch erlebbar wird. Das, glaube ich, sind ganz wesentliche Funktionen, die wir fördern sollen und mit diesem Vereinsgesetz auch fördern.

Daher ist unserer Auffassung nach dieses Gesetz ein Vereinsförderungsgesetz. Ich danke beiden Ministern, Böhmdorfer und Strasser, die hier vorbildlich zusammengearbeitet haben, insbesondere auch was die Lesbarkeit dieser Regierungsvorlage und dieses Vereinsgesetzentwurfes betrifft. Ich bedanke mich ausdrücklich. Ich habe mir dieses Vereinsgesetz genau durchgelesen: Es enthält glasklare Bestimmungen: Was ist ein Verein?, Gründung des Vereines, Statut, Entstehung des Vereines, Vereinsregister und Datenverwendung, Vereinsgebarung, Haftung, Beendigung des Vereines und Schlussbestimmungen. Das sind Dinge, die jeder kapiert und auch kapieren soll, weil es wirklich ehrenamtliche Personen sind, die hier arbeiten und die nicht noch auch das Geld für rechtsanwaltliche Betreuung oder andere Hilfe ausgeben sollen. Das ist, so finde ich, ein großer Vorteil.

Es ist halt so – und wir haben heute die praktische Erfahrung geliefert bekommen –, dass man stark daneben haut, wenn man die Sache nicht genau gelesen hat und wenn man seine Reden nur nach Presseaussendungen ausrichtet und nicht nach den tatsächlichen Punkten des Gesetzes, das wirklich hervorragend gelungen ist.

Ich möchte nur ein Detail herausgreifen, weil das bei den Vorrednern von der Opposition immer wieder durchgeklungen ist: der Vorwurf der Überbürokratisierung. Ich habe, als ich mir die Reden angehört habe, fast geglaubt, dass das Vereinsleben in Österreich zusammenbricht, dass eine Katastrophe über die Vereine hereinbricht und die allgemeine Vereinsauflösungswelle bereits im Rollen ist, weil man in den Vereinen dem Gesetz nicht mehr gerecht wird.

Das Gegenteil ist der Fall: Es wird einfacher und leichter von der Gründung an. Das neue Gesetz erleichtert die Vereinsarbeit und -gründungen. Die Ansprechstelle ist näher beim Bürger, bei der Bezirkshauptmannschaft und nicht bei der Sicherheitsdirektion oder gar in einem entfernten Ministerium. Bürgernäher ist dieses Gesetz. Nach geltendem Vereinsrecht war in einzelnen Vereinsangelegenheiten die Sicherheitsdirektion, in manchen Belangen sogar der Innenminister zuständig. Das ist doch eine Entbürokratisierung, meine sehr geschätzten Damen und Herren!

Oder ich nehme den Bereich Einreichung von Statuten her. Bisher hat das eine Papierlawine nach sich gezogen. Dreifach musste das alles kopiert und eingereicht werden: vom ersten bis zum letzten Paragraphen der Statuten. Jetzt genügt ein Bogen der Statuten. Was ist denn dann Entbürokratisierung wenn nicht der Kampf gegen die Papierlawine für ehrenamtliche Funktionäre? – Das ist für mich messbar und auch überprüfbar, und dafür gebührt beiden Ministern, die sich dieser Aufgabe unterzogen haben, ein herzliches Dankeschön im Sinne dieser mehr als 104 300 Vereine in Österreich.

Ja, es gibt natürlich auch einige Auflagen für Großvereine, und das ist richtig so. Im Sinne der Mitglieder dieser Vereine und im Sinne der Spender dieser Vereine herrschen Klarheit, mehr Transparenz und mehr Durchschaubarkeit. Es ist eine entsprechende Grenze für die Jahresabschlüsse beziehungsweise für die Gesamtaufwendungen des Vereines eingezogen worden.


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Das halte ich für sehr sinnvoll, und ich glaube, man kann von einer wesentlichen Bürokratievereinfachung, von einer Erleichterung und von einem echten Vereinsförderungs gesetz im Sinne unserer zahlreichen ehrenamtlichen Funktionäre in Österreich sprechen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

11.58

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Kollege Gruber Manfred aus Salzburg hat als Erstredner gesagt – ich habe mitgeschrieben –: Verbesserung eines Vereinsgesetzes kann nur eine gute Tat sein. – Ich kann ihm da beipflichten, das vorliegende Gesetz ist sowohl eine Verbesserung als auch eine gute Tat.

Neue Gesetze so zu verabschieden, dass sie allen Recht sind, ist sehr schwierig, nicht einfach, wie wir das heute vernehmen. Es wird ein Gesetz vorgelegt, das viele Vereinfachungen und mehr Effizienz bringt, und die Ablehnung und die Aufregung der Opposition verwundern mich eigentlich schon sehr. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Es sind eigentlich schon alle Punkte sehr umfangreich angesprochen worden, gerade auch die Darstellung der unverzichtbaren Vereine. Ich möchte aber einen Abschnitt besonders herausgreifen, weil er mir besonders wichtig erscheint, das ist der Abschnitt V, und möchte zur Haftung noch etwas sagen.

Als vor nicht ganz 20 Jahren in Bischofshofen die Großschanze umgebaut worden ist, war es eine Selbstverständlichkeit für die Leute, dass ich und zwei weitere Mitglieder des Skiklubs persönlich für diesen Riesenkredit gehaftet haben. Wir sind in eine Bank gegangen und haben dort unterschrieben. Das kann man sich heute eigentlich gar nicht mehr so richtig vorstellen.

In den vergangenen Jahrzehnten hafteten viele Vereinsfunktionäre mit ihrem Privatvermögen, und ich bin mir sicher, dass sich viele davon nicht dessen Tragweite bewusst waren. Diese Haftungsübernahme hat viele von der Übernahme der unverzichtbaren Ehrenamtlichkeit abgehalten. Viele Funktionäre scheuten das, und so wurden viele Funktionen nicht übernommen. Nun ist es Gott sei Dank so, dass Organwalter oder Mitglieder der Vereine gegenüber Dritten nicht mehr grundsätzlich haften, außer man setzt ein deliktisches Verhalten oder es gibt ein schuldhaftes Verhalten gegenüber gesetzlichen und statutarischen Pflichten.

Grundlage für die Entstehung war natürlich eine umfangreiche rechtspolitische Diskussion. Unentgeltliche Tätigkeit und die Übernahme einer Funktion bedeuten kein öffentliches Bekenntnis über besondere Fähigkeiten zur Amtsausübung. Wie wir wissen, wird oft jemand in eine Funktion gedrängt; wird zum Beispiel ein "Geldbeschaffer" gebraucht, wird jemand gesucht, der so genannte gute Beziehungen hat.

Damit nicht gleichgestellt werden können jene, die für die Ausübung ihrer Funktion bezahlt werden. Die Rechtsauslegung der Unentgeltlichkeit spielt gerade hinsichtlich der Haftung eine besondere Rolle. Es gilt nicht der strenge Sorgfaltsmaßstab eines professionellen Geschäftsführers. Unerlässlich ist natürlich – das muss man auch sagen –, dass der verantwortliche Funktionär auch die rechtmäßigen Beschlüsse der Mitgliederversammlung befolgt – dann ist der Organwalter nicht schuldig, außer er informiert die Mitgliederversammlung falsch.

Bei schuldhaftem Verhalten des Funktionärs ist noch eine mögliche Bestellung eines Sondervertreters des Vereines vorgesehen, um eventuelle Ersatzansprüche zu erwirken.


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Alles in allem ist das, so glaube ich, ein vernünftiges Gesetz, das vieles vereinfacht, bürokratische Hürden abbaut und ein sicheres Vereinsleben gewährleistet. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.02

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Leopold Steinbichler. Ich erteile ihm das Wort.

12.02

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf die vorliegende Novelle des Vereinsrechtes zu sprechen komme, möchte ich doch eine Bemerkung zu den Ausführungen von Frau Kollegin Schlaffer – sie ist jetzt leider nicht im Raum – machen: Mich hat es betroffen gemacht, mit welcher Abfälligkeit sie über jene Frauen gesprochen hat, die sich der Rolle der Mutter, der Rolle der Hausfrau und der Rolle der Erzieherin stellen. – Respekt gegenüber jenen Frauen, die sich dieser schwierigen Aufgabe, oftmals ungedankt, stellen! In dieser Abfälligkeit darüber zu sprechen geziemt sich nicht, schon gar nicht für eine Abgeordnete des österreichischen Parlaments!

Zum vorliegenden Vereinsgesetz muss ich sagen, da deckt sich die Diskussion mit der Stimmung, die die Opposition auch über die Regierungsarbeit insgesamt zu verbreiten versucht, und ich denke, dass eine derartige Stimmung sehr viele aktive, motivierte Vereinsfunktionäre demotiviert.

Ich wollte es nicht zitieren, weil aber das Sozialstaats-Volksbegehren angesprochen wurde, möchte ich es doch einbringen. Mein Bruder lebt seit zirka 17 Jahren im Ausland, und jedes Mal, wenn wir uns zu Hause, so wie jetzt zu Ostern, unterhalten, sagt er, wie stolz er darauf sei, ein Österreicher zu sein, und wie stolz er auf dieses Land sei, nicht nur auf die vielen kulturellen und landschaftlichen Schönheiten, sondern auch auf diesen breiten Wohlstand, den wir in unserem Land genießen können. Er sagt, das merke man schon am Flughafen, wenn man aus dem Flugzeug steigt.

Es ist nicht intelligent, diesen Zustand, diesen Wohlstand in Abrede zu stellen und ein Bild zu schaffen, als würde dieses Land darnieder liegen, was den sozialen Wohlstand anlangt. Ich denke, es geziemt sich auch hier, von der Realität zu sprechen, anstatt etwas herbeizureden, was wir alle nicht wollen.

Zum Vereinsgesetz: Es wurde mit dieser Novelle die Gründung der Vereine erleichtert. Meine Vorredner haben die wesentlichen Punkte schon angesprochen; Kollege Fasching, Kollege Kneifel, Kollege Saller und andere. Die Haftungsfrage ist wesentlich verbessert worden. Wenn man weiß, wieviel bei den Vereinen von den Funktionärinnen und Funktionären geleistet wird, dann weiß man auch, dass die Haftungsfrage ganz wesentlich ist. Wenn man weiß, was alles passieren kann mit Besuchern der verschiedenen Feste, aus Unvorsichtigkeit etwa, dann ist es wichtig, dass die ehrenamtlichen Mitarbeiter wesentlich besser geschützt werden.

Eine wesentliche Funktion der Vereine wurde aber noch nicht dargestellt; wir reden doch auch von den ursprünglichen Vereinen im ländlichen Sinn. Das Problem, das in der Diskussion immer wieder aufgezeigt wird, ist der Unterschied zwischen den üblichen Vereinen auf dem Land – Musikverein, Kulturverein bis hin zu den Institutionen Feuerwehr, Schützenverein und anderes mehr, was mit Brauchtum und Volkskultur zu tun hat – und jenen Großvereinen, die auf Gewinn ausgerichtet sind.

Ich gehe hier durchaus mit Kollegen Schennach konform, und ich habe mich auch diese Woche medial dahin gehend positioniert, dass natürlich Einrichtungen wie der VKI, der Verein für Konsumenteninformation, in Zeiten größerer, globalerer, undurchschaubarerer Märkte von großer Bedeutung sind, und ich bin überzeugt davon, dass der Herr Minister mit den dort verantwortlichen Persönlichkeiten eine Lösung finden wird.

Aber wieder zurückkommend zu den ländlichen Vereinen, zu diesen ehrenamtlichen kleinen Vereinen, möchte ich sagen, deren größte Bedeutung liegt zum einen in der Jugendarbeit. Wir


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alle kennen die Probleme mit den Jugendlichen in den Großstädten, die oft ziellos durch die Gegend irren, Drogen und anderen Problemen ausgeliefert sind. Wir wissen, welch wertvolle Arbeit von den Funktionären in der Jugendarbeit geleistet wird, wie erfolgreich und sinnvoll die Jugendlichen in diese Gemeinschaft eingegliedert werden.

Wir wissen, welch wichtige Funktion diese Vereine auch für jene, die aktiv im Berufsleben stehen, haben. Wir wissen vom Stress eines Schuldirektor, Managers, Arbeiternehmers, Fachelektrikers beispielsweise, die in der Vereinsarbeit einen Ausgleich suchen und dabei von ihrer Alltagstätigkeit etwas abschalten können.

Letztlich sind die Vereine auch für die Senioren von großer Bedeutung, sie sind eingebettet in den Verein, fühlen sich als Mitglied geschätzt. Das Vereinsleben wirkt sich positiv auf viele zwischenmenschliche Beziehungen aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst gestern wieder ist in Oberösterreich ein ganz tragischer Vorfall ans Tageslicht gekommen. Ein 60-jähriger Selbstmörder wurde zwei Jahre lang von niemandem vermisst, von der Familie nicht, der Verwandtschaft nicht und der Nachbarschaft nicht. Wenn der Betreffende bei einem Verein Mitglied gewesen wäre, hätte spätestens nach einer Woche, wenn er nicht zum Vereinsabend kommt, jemand gefragt: Wo ist unser Kollege? Wo ist unsere Kollegin? – Daran erkennt man die wertvolle Funktion, die von den Vereinen geleistet wird.

Angesprochen wurde auch, dass ein Verein, der ein Vereinslokal betreibt, Steuern zahlen muss. – Das ist doch nicht wahr! Es ist die Gemeinnützigkeit in den Vordergrund zu stellen. Wenn ein Verein die Erträge aus der Vereinskasse, egal ob ein Lokal betrieben wird oder nicht – dazu bedarf es übrigens einer offiziellen Genehmigung erteilt, zumindest braucht man jemanden, der die Genehmigung erteilt –, in die Erhaltung des Vereins fließen lässt, hat er überhaupt kein Steuerproblem.

Deshalb sollte man hier nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, sondern von der Realität sprechen, von der Leistung, die von den Vereinsmitgliedern täglich erbracht wird – mit vollem Einsatz: Benzin, Telefon auf eigene Kosten, Freizeit, zum Teil auch noch in Zusammenarbeit mit Familienmitgliedern. Wenn zum Beispiel ein Fest organisiert wird, bereiten die Frauen und Kinder zu Hause Süßigkeiten vor, arbeiten dann mit als Kellner, helfen mit beim Auf- und Abbauen der Zelte, beim Schmücken der Festräumlichkeiten und nehmen sich dafür oftmals Urlaub. Das sind großartige Leistungen, die wir wertschätzen und in den Mittelpunkt stellen sollten.

Ich denke, die vorliegende Novelle wird diese Leistungen unterstützen und in Zukunft sichern, und wir werden ihr deshalb unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.09

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Würschl, bitte.

12.09

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, dass ich das derzeit gültige Vereinsgesetz mit dem Vereinsgesetz 2002, wie es hier als Novelle vorliegt, gelesen, verglichen und auch versucht habe, eine Begründung dafür zu finden, weshalb diese so genannte Novelle stattfinden soll.

Es ist für mich die Sinnhaftigkeit dieser Novellierung nicht erklärbar und nicht erkennbar. Die Praxis des Vereinsrechtes, sehr geehrte Damen und Herren – ich bin auch in einigen Vereinen tätig –, funktioniert in Wirklichkeit. Das Vereinsleben ist lebendig, es gibt eigentlich keine großen Probleme, wie heute auch schon in einigen Zahlen zum Ausdruck gebracht worden ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Was mich ärgert, ist die Regulierungswut, die sich in dieser so genannten Novelle abzeichnet. Reformen gegenüber sind wir Sozialdemokraten immer sehr aufgeschlossen, nämlich dann, wenn die Reformen Vereinfachungen bringen, wenn die


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Bürgernähe Platz greift und wenn vor allem eine positive Gesinnung eingebracht wird, was bei der vorliegenden Novelle leider Gottes nicht der Fall ist.

Auch die Eigenverantwortlichkeit wird hier untergraben, obwohl wir es da mit Menschen zu tun haben, die sehr Positives einbringen, die idealistisch tätig sind. Ich meine, dass damit ehrenamtlich tätige Bürger schikaniert werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Sehr geehrte Damen und Herren! Es findet auf Grund dieser Novelle mehr Bürokratie statt, der Amtsschimmel galoppiert oder wiehert – man kann es auch umgekehrt formulieren –, und Formalismus wird verstärkt. Der Herr Minister aber hat etwa vor zehn Minuten in seiner Rede darauf hingewiesen, dass das Gesetz durch diese Novelle leichter lesbar geworden wäre.

Ein Beispiel dafür darf ich hier kurz aufzeigen. § 16, das so genannte Lokale Vereinsregister, ist eine besondere Blüte dieses Gesetzes. Gestatten Sie mir daher, kurz zu zitieren! Ich darf außerdem darauf verweisen, dass dieser § 16 eine DIN-A-4-Seite braucht, um erklärt zu werden, und das sagt schon einiges. Dieser § 16 hat einen Punkt 9, der lautet:

"die für den Bereich des Vereinswesens erstellte verwaltungsbereichsspezifische Personenkennzeichnung der organschaftlichen Vertreter des Vereines, bis zu ihrer ersten Bekanntgabe die Personenkennzeichnung der die Errichtung des Vereins anzeigenden Gründer;"

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube nicht, dass hier allzu viele sind, die so schnell kapieren, worum es da geht. – So viel zur so genannten Lesbarkeit dieser Novelle. Ich glaube, mehr braucht man dazu nicht zu sagen. Ich glaube, dass durch diese Gesetzesnovelle – wie heute auch schon formuliert worden ist – vor allem die Geschäftstätigkeit bei den Advokaten, Gutachtern, Rechtsanwälten und Steuerberatern sehr ansteigen wird.

Letzter Punkt, den ich erwähnen will, den noch niemand erwähnt hat, weshalb ich mich zu dieser Gesetzesmaterie auch noch zu Wort gemeldet habe: Herr Bundesminister! Ich möchte Ihnen jetzt nicht unterstellen, dass Sie beim so genannten Spitzelwesen sehr aktiv tätig waren, nämlich in die Richtung, Untersuchungen abzuwürgen oder sonst etwas; das wird sicher noch eine gewisse Rolle auf parlamentarischer Ebene spielen. Aber mit dieser Gesetzesnovelle werden ehrenamtlich tätige Mitbürger – ich verwende das Wort noch einmal – schikaniert! Man nimmt sogar noch Fakten und Daten auf, die eigentlich ein staatliches Organ nichts angehen. Ich würde durchaus meinen, dass damit vielleicht ein Beitrag dazu geleistet wird, ein neues Spitzelwesen im Vereinswesen durch Sie, durch diese Regierungsparteien aufzuziehen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

12.14

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird eine weitere Wortmeldung gewünscht? – Frau Bundesrätin Schlaffer, bitte. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

12.14

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Am Ende dieser Debatte möchte ich nur eines festhalten, nämlich: dass Kollege Fasching zwar den Mut aufbrachte, sich in äußerst übler Form über zwei Politikerinnen zu äußern und sie zu diffamieren, aber nicht den Mut aufbrachte, sich hiefür öffentlich zu entschuldigen. Wir werden unser Verhalten in Zukunft an diesem Verhalten orientieren, und auch die Burgenländerinnen und Burgenländer werden wissen, was sie davon zu halten haben.

Ich bedauere nur, dass es sich auch die Bundesräte Kneifel und Missethon nicht verkneifen konnten, diese Tonart beizubehalten. Es gibt eine politische Auseinandersetzung. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Grasberger. ) – Dann nehme ich das zurück, Entschuldigung, dann hat mir die Kollegin etwas Falsches gesagt.


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Es gibt eine politische Auseinandersetzung, aber bei aller politischen Auseinandersetzung sind gewisse moralische Grundwerte einzuhalten, und das bitte ich in Zukunft zu berücksichtigen. – Danke.

12.16

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag ist angenommen.

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz über das Wohnungseigentum (Wohnungseigentumsgesetz 2002 – WEG 2002) (989 und 1050 und Zu 1050/NR sowie 6613/BR und 6616/BR der Beilagen)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem im Hinblick auf die Schaffung des Wohnungseigentumsgesetzes 2002 das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Mietrechtsgesetz, das Erwerbsgesellschaftengesetz, die Exekutionsordnung, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und das Heizkostenabrechnungsgesetz geändert werden (Wohnungseigentumsbegleitgesetz 2002) (1051/NR sowie 6617/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über das Wohnungseigentum (Wohnungseigentumsgesetz 2002 – WEG 2002) sowie

das Wohnungseigentumsbegleitgesetz 2002.

Die Berichterstattung über beide Punkte hat Herr Bundesrat Christoph Hagen übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Christoph Hagen: Der Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz über das Wohnungseigentum liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem im Hinblick auf die Schaffung des Wohnungseigentumsgesetzes 2002 das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Mietrechts


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gesetz, das Erwerbsgesellschaftengesetz, die Exekutionsordnung, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und das Heizkostenabrechnungsgesetz geändert werden (Wohnungseigentumsbegleitgesetz 2002).

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher das Wort. – Bitte.

12.18

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wohnrecht war, ist und wird stets eine Materie sein, die stark unterschiedlichen Interessenlagen ausgesetzt ist. Auch das vorliegende Wohnungseigentumsgesetz 2002 wurde daher in seiner Erarbeitung von zahlreichen vielfältigen Diskussionsbeiträgen begleitet.

Ich glaube, es wäre völlig verfehlt und politisch auch sehr durchsichtig, diese Diskussion unter dem Motto "pro oder kontra Wohnungseigentum" zu führen, ich glaube, diese Zeiten sind spätestens seit den Wohnrechtsnovellen der neunziger Jahre endgültig vorbei, die ebenfalls intensiv verhandelt wurden, auch zwischen den Parteien.

Es geht nicht darum, dass Wohnungseigentum begründet werden soll, sondern es geht um das Wie. Hier gibt es sicherlich auch ideologische Auffassungsunterschiede, das kann und soll auch nicht geleugnet werden, die aber jeweils für sich genommen durchaus legitim sind. Aus meiner Sicht liegt die Problematik der vorliegenden Regelungen nicht so sehr darin, ob sie nun gut oder schlecht formuliert sind, sondern darin, welche Auswirkungen sie in der Praxis zeitigen werden. Da gehen in einzelnen Punkten unsere Ansichten eben auseinander – die Zukunft wird weisen, wer in welchen Punkten Recht behält.

Zunächst geht mein Dank an alle beteiligten Beamten und alle weiteren Experten, die an diesem WEG 2002 mitgewirkt haben, denn als über nahezu zehn Jahre tätiges Mitglied des Wohnrechtsverhandlungsteams meiner Fraktion ist mir sehr wohl bewusst, welche anspruchsvolle Arbeit hier geleistet wurde. Das Ziel, die Wohnrechtsmaterien, etwa das MRG, das WGG und das WEG, lesbarer und allgemein verständlicher zu machen, möglicherweise irgendwann sogar zusammenzuführen in ein einheitliches Gesetz, ist ein sehr ambitioniertes und sicherlich auch noch lange nicht beendetes Vorhaben. Beim vorhin diskutierten Gesetz, beim Vereinsgesetz, wurde über die leichtere Lesbarkeit gesprochen. Ich stehe nicht an, zu sagen, dass dieses WEG durchaus leichter lesbar ist als manches seiner Vorgänger.

Bei den inhaltlichen Anmerkungen zum WEG 2002 möchte ich mich auf wenige Punkte beschränken; meine Fraktionskollegen werden noch auf weitere Punkte eingehen. So ist beispielsweise aus meiner Sicht die Verkürzung der Unkündbarkeit des Verwalters von fünf auf drei Jahre ebenso zu begrüßen wie die Sanktionsmöglichkeit gegen nicht ordnungsgemäß verwaltende Hausverwalter. Aber, wie gesagt, das sind Nebenpunkte.

Meine Kritik setzt allerdings insbesondere an jenem Abänderungsantrag an, der die Regierungsvorlage doch in sehr wesentlichen Punkten verändert hat, ihr in Wahrheit eine andere Richtung gegeben hat.

Dazu muss kurz auf die Vorgeschichte dieses Gesetzeswerkes eingegangen werden. Wie üblich im Wohnrecht gab es vor der Konzipierung des Entwurfes intensive Experten- und auch politische Gespräche – nicht erst, aber sicherlich auch beginnend mit dem rechtswissenschaftlichen Symposium auf Schloss Laxenburg im November 1999. Danach folgten unter anderem verschiedene Arbeitskreise, ein Diskussionsentwurf, politische Abstimmungen innerhalb der Regierungsparteien, eine zumindest punktuelle Besprechung beim Bestandsrichterseminar sowie letztlich ein Ministerialentwurf mit Begutachtung.


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In der aus dieser, wie ich glaube, sehr intensiven Diskussion fließenden Regierungsvorlage fand sich dann zum Beispiel zur Möglichkeit zur Begründung von Wohnungseigentum auch durch den Alleineigentümer Folgendes zu lesen, und ich zitiere wörtlich:

"Eine solche Vorratsteilung wäre unter dem Aspekt möglichst gerechter und zweckmäßiger vertraglicher Vereinbarungen zwischen den Wohnungseigentümern bedenklich. Während nämlich ein Wohnungseigentumsvertrag als Ergebnis mitunter langwieriger Verhandlungen zwischen zumindest zwei Partnern in aller Regel doch ein zufriedenstellendes Maß an Ausgewogenheit und Sicherheit gewährleistet, könnte dies bei einer Errichtungserklärung des Alleineigentümers nach gesellschaftsrechtlichem Vorbild nicht ohne weiteres angenommen werden, weil hier das Korrektiv eines Vertragspartners mit eigenen Interessen entfällt."

Weiters wird auf den damit verbundenen erheblichen Regelungsaufwand verwiesen, und zwar zu Recht, wodurch – ich zitiere wieder – "das Gesetz mit einem völlig neuen zusätzlichen Regelungsgegenstand befrachtet würde".

Die Zulassung von Wohnungseigentum durch den Alleineigentümer laufe der grundsätzlichen Systematik des Rechtsinstituts des Wohnungseigentums diametral zuwider, heißt es, und bilde einen problematischen Fremdkörper im WEG. Es zeige sich, wird schließlich ausgeführt, dass der von mancher Seite artikulierte Regelungswunsch keineswegs so dringlich ist, um einen derartigen Systembruch und Regelungsaufwand dafür in Kauf zu nehmen.

Ähnliches wird zur zwingenden Begründung von Wohnungseigentum an allen wohnungseigentumsfähigen Objekten festgehalten. Wörtlich ist in der Regierungsvorlage unter anderem zu lesen:

"Dieser Vorschlag mag in der Theorie bestechend sein, in der Praxis würde er aber vor allem angesichts der jüngsten Entwicklungen im Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht und des in Zukunft vermehrt zu erwartenden Trends einer verstärkten Bildung von Mischobjekten ein hohes Maß an Konfliktpotential in sich bergen und im Ergebnis wohl weitaus mehr Fragen aufwerfen als beantworten."

Mit dem erwähnten Abänderungsantrag wurden aber unter anderem genau jene beiden Punkte in das WEG aufgenommen, die in der gegenständlichen Regierungsvorlage, wie eben zitiert, vehement abgelehnt wurden. Ich glaube, die erwähnte Vorgeschichte des Gesetzes zeigt mit ihrer jahrelangen Diskussion, dass hier nicht vorschnell, sondern, im Gegenteil, wohl überlegt in der Regierungsvorlage argumentiert wurde. Von einem plötzlichen Gescheiter-Werden, wie das Abgeordnete Fekter im Rahmen des Abänderungsantrages formulierte, kann hier nicht die Rede sein, eher von einem lobbying-bedingten Kniefall.

Die beiden erwähnten Maßnahmen führen also zu bedenklichen Vereinbarungsmöglichkeiten, zu einem nicht mehr zufrieden stellenden Maß an Ausgewogenheit und Sicherheit, zu einem der grundsätzlichen Systematik des Rechtsinstitutes des Wohnungseigentums diametral zuwider laufenden Fremdkörper, zu Systembrüchen und zu einem hohen Maß an Konfliktpotenzial. So "ganz nebenbei" – unter Anführungszeichen – wird auch noch der Mieterschutz bedenklich betroffen.

Herr Bundesminister! Ich halte die ursprüngliche Argumentation, die Sie in der Regierungsvorlage zu diesen beiden Punkten angestellt haben, für überlegt und stichhaltig. Demgemäß halte ich den Abänderungsantrag für unüberlegt und nicht stichhaltig. Und auch aus diesem Grund wird meine Fraktion dem WEG daher nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

12.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Herta Wimmler das Wort. – Bitte.

12.25

Bundesrätin Herta Wimmler (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Vorausschickend möchte ich sagen, dass diese Gesetzesänderung des Wohnungseigen


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tumsgesetzes auch für mich als Laien lesbar und nachvollziehbar ist. Trotz vieler verschiedener Meinungen ist da ein guter Kompromiss gelungen.

Die ÖVP war schon immer Vorreiterin bei der Schaffung von Wohnungseigentum dort, wo Sie von der Sozialdemokratischen Partei nur von Mietwohnungen gesprochen haben. Durch meine langjährige Erfahrung bei Wohnungsvergaben, sowohl Mietwohnungen als auch Eigentumswohnungen, stelle ich immer wieder fest, dass Bürgerinnen und Bürger immer mehr Wohnungseigentum schaffen wollen. Aus welchen Gründen? – Genossenschaftswohnungen, Gemeindewohnungen, private Wohnungen sind gleich teuer, die Annuität ist gleich teuer, und es geht nur um das Kapital, das auch kein verlorenes ist. Bei Wohnungseigentum kann ich bestimmen, wem ich es weitergebe, bei einer Mietwohnung nicht. Für Mietwohnungen zahle ich ein Leben lang und habe nichts davon.

Ich möchte nur einige für mich wichtige Änderungen hervorheben.

Mit dem zu beschließenden Wohnungseigentumsgesetz wird die angestrebte Neuordnung des Wohnungsrechtes in Angriff genommen und schrittweise umgesetzt – und ich betone "schrittweise", dazu haben dann alle die Möglichkeit.

Der Zugang für alle zu gemeinsamem Wohnungseigentum wird erleichtert, und den Bedürfnissen sowohl des Eigentümers als auch der zukünftigen Besitzer wird entsprochen.

Weiters konnte bis jetzt gemeinsames Eigentum nur von Ehegatten erworben werden, und mit dieser Gesetzesänderung können in Lebensgemeinschaften lebende Personen, zum Beispiel Mutter mit Kind oder Mutter mit mehreren Kindern oder Geschwister, offen und gemeinsam eine Eigentümerpartnerschaft eingehen. Und ich glaube, das ist auch sehr wichtig.

Ein Punkt, der mich auch sehr betrifft, weil ich eben in einer Stadt wohne, wo es auch sehr viele Substandardwohnungen gibt, ist die Einbeziehung der Möglichkeit der Begründung von Wohnungseigentum an Substandardwohnungen. Es wird dadurch ein vereinfachtes Wohnungsrecht erreicht. Eigentum soll nicht mies gemacht werden. Wenn es Bevölkerungsschichten gibt, die es sich nicht leisten können, eine teure Wohnung zu kaufen, dann soll man diesen ermöglichen, eine Substandardwohnung kaufen zu können und diese dann – je nachdem, wie sie das Geld haben – herzurichten und instand zu halten. Das ist dann ihr Eigentum, und daher werden sie auch auf die Instandhaltung achten. Umgekehrt ist es nämlich so, dass sich die meisten eine Substandardwohnung, die generalsaniert ist, nicht mehr leisten können.

Ein weiterer Punkt, der vor allem den städtischen Bereich betrifft, ist die Möglichkeit, Kraftfahrzeugabstellplätze als Eigentum zu erwerben. Sie wissen ganz genau, dass es gerade im städtischen Bereich keine Familie mehr gibt mit nur einem Auto. Es herrscht überall ein Mangel an Abstellplätzen; dafür werden nun gesetzliche Regelungen festgelegt.

Das Thema Mischhäuser ist auch etwas, was ich aus eigener Erfahrung kenne. Dass es keine Mischhäuser mehr gibt, ist ganz wichtig, weil es in einer Liegenschaft, in der Wohneinheiten sowohl als Eigentum als auch als Mietwohnungen vergeben werden, immer verwaltungstechnischen Aufwand und Rechtsunsicherheit gibt. Da geht es dann auch um einen aliquoten Anteil am Stiegenhaus, Keller und an den Abstellräumen. Es ist sehr schwierig, in einem Haus sowohl Mietwohnungen als auch Eigentumswohnungen anzubieten.

Ein weiterer Schwerpunkt der Reform – das möchte ich noch sagen – ist die flexiblere und einfachere Verwaltung der Eigentümergemeinschaft. Dem Verwalter werden klare Vorgaben gemacht. Er muss sich an diese Weisungen halten, er muss der Mehrheit der Eigentümer folgen. Die Erhaltungsarbeiten zum Beispiel müssen ausgeschrieben werden, es muss Angebote geben, dann ist man nicht mehr in solch großem Ausmaß der Willkür eines Verwalters ausgesetzt.

Zusammenfassend möchte ich, wie schon zu Beginn meiner Ausführungen festhalten, dass dieses Wohnungseigentumsgesetz ein modernes Regelwerk darstellt, den Eigentümer nicht bevormundet und ihm so weit als möglich eine freie Entscheidung zugesteht.


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Ihre Angstmache ist, wie ich meine, unbegründet. Würden alle Fraktionen dem Gesetz zustimmen, dann wäre eine Basis geschaffen, um bei kommenden Verhandlungen über eventuelle weitere Verbesserungen besser diskutieren zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

12.30

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile ihr das Wort.

12.30

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann dem, was Frau Kollegin Wimmler vorhin gesagt hat, wirklich nicht zustimmen, obwohl ich sagen muss, dass sie es wahrscheinlich aus ihrer Sicht ehrlich gemeint hat. Sie sind eine sozial engagierte Politikerin, Frau Kollegin, das habe ich schon gehört (demonstrativer Beifall bei der ÖVP)  – im Gegensatz zu manchen Anderen in Ihrer Fraktion, das möchte ich auch sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Giesinger: Das ist eine Unterstellung!)  – Das ist keine Unterstellung, nein. Das ist christlich-sozial! Ich habe viel Gutes von Frau Kollegin Wimmler gehört, und auch ihre heutigen Ausführungen haben mir das bestätigt. (Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Giesinger. )

Es sind nicht alle so in Ihrer Fraktion, habe ich gesagt – ich betone, nicht alle, ich habe niemanden persönlich angegriffen. Es sind nicht alle so, das haben wir aus früheren Wortmeldungen leider auch erfahren, liebe Kollegin Giesinger!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Vorredner Hoscher, aber auch meine Vorrednerin haben bereits sehr ausführlich die Details des uns vorliegenden Wohnungseigentumsgesetzes 2002 erläutert. Ich werde mich daher in meinen Ausführungen in erster Linie mit der Eigentumsbildung bei Substandardwohnungen beschäftigen, und nach Zwischengesprächen mit Kollegen Aspöck halte ich diesbezüglich einiges für aufklärungsbedürftig.

Ich glaube, viele unter uns wissen gar nicht, wie Substandardwohnungen aussehen. Herr Bundesminister! Haben Sie schon oft Substandardwohnungen besucht? – Ich würde Sie sonst gerne einladen. Sie sind auch des Öfteren in unserem Bezirk. Ich würde Sie anlässlich des nächsten Trofaiacher Feuerwehrballes sehr gerne einladen, vorher Substandardwohnungen mit mir zu besichtigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist furchtbar, wie manche Leute in Substandardwohnungen leben müssen. Herr Kollege Aspöck hat gesagt, in Salzburg gebe es das nicht mehr. – Kommen Sie in die Obersteiermark, ins Mur- und Mürztal! Da gibt es sehr viele Substandardwohnungen.

Die Gemeinden sind zwar bemüht, diese Wohnungen herzurichten, aber diese Wohnungen befinden sich meistens nicht im Gemeindebesitz, sondern sind in der Hand von irgendwelchen Genossenschaften oder in Privatbesitz, und die Bewohner, die Mieter dieser Wohnungen sind oft diesen Genossenschaftsverwaltungen, die überhöhte Preise verlangen, völlig ausgeliefert.

Diese Substandardwohnungen sind Wohnungen ohne Toilette, das wissen wir. In vielen Wohnungen ist auch kein Wasser vorhanden. Das muss man sich einmal vorstellen! Diese Einrichtungen sind dann meistens im Halbstock, wie man das so schön nennt, für mehrere Familien zur gemeinsamen Benützung angesiedelt.

Ich muss ehrlich sagen, man braucht keine Hellseherin zu sein, um zu erahnen, dass hier Konflikte künftiger Eigentümer dieser gemeinsamen diversen "Nebenräumlichkeiten" außerhalb der eigenen Wohnung natürlich vorprogrammiert sind. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das geregelt werden sollte.

Herr Bundesminister! In unserem Ort haben wir das Problem der Substandardwohnungen anders und, wie ich finde, besser gelöst. Eine ortsansässige Siedlungsgenossenschaft hat unter Mithilfe der Gemeindevertretung diese Wohnungen, die übrigens Ihrem Parteifreund, Herr Bundesminister, Herrn Nationalratspräsidenten Prinzhorn gehörten – frühere Werkswohnungen


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natürlich –, übernommen und wird sie sukzessive, wenn sie leer werden oder auch durch zeitweiliges Umsiedeln, mit einem den heutigen Verhältnissen angepassten Standard ausstatten, um sie dann saniert zu verkaufen oder zu vermieten. (Bundesrat Dr. Aspöck: Na und? Was ist schlecht daran?)

Herr Kollege! Der Unterschied ist Folgender: Wenn Leute, die sich in Untermiete in Substandardwohnungen befinden, diese kaufen, dann wissen sie doch gar nicht, was auf sie zukommt! Wissen Sie, wie diese Häuser ausschauen, was da an den Objekten zu erneuern ist? – Diese Leute haben kein Geld, sonst würden sie ja gar nicht in diesen Substandardwohnungen wohnen! (Bundesrätin Haunschmid: ... verschlampen lassen!)

Zurück zu unserem Beispiel: Mit dieser Wohnungssanierung geht natürlich auch eine Generalsanierung des Objektes einher, denn es ist für mich nicht vorstellbar, wie künftige Besitzer etwa für die Dachrenovierung, für die Fassade, für den Wärmeschutz und so weiter das Geld aufbringen sollen, wenn sie zuerst schon die Substandardwohnung auf ein normales, zeitgemäßes Niveau bringen sollen. Das müssen Sie mir erklären, liebe Frau Kollegin Haunschmid! (Bundesrat Grissemann: Wer soll es zahlen?!)

Ich denke mir, eine vorhergehende Generalsanierung des Gesamtobjektes wäre die richtige Lösung in diesem Gesetz gewesen. Sie werden daher verstehen, dass meine Fraktion dieser Vorlage aus den vorhin genannten Gründen nicht zustimmen kann, wenngleich – das ist auch schon angeklungen – einige Aspekte positiv zu bewerten sind, wie zum Beispiel eine gemeinsame Kontoführung der künftigen Wohnungseigentümergemeinschaft oder dass bei grober Pflichtverletzung die Herabsetzung des Verwalterhonorars verlangt werden kann.

Das sind Positiva, die man eigentlich unterstützen muss. Aber das ist nur ein kleiner Teil des Gesetzes, und deswegen, Herr Bundesminister, muss ich sagen, das ist uns zu wenig, um dem gesamten Gesetz unsere Zustimmung erteilen zu können.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass das Sozialstaat-Volksbegehren unbedingt unterstützt werden muss. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.37

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Robert Aspöck das Wort. – Bitte.

12.37

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Eigentümergemeinschaft ist eine Bestimmung, der sich auch die SPÖ anschließen musste. Aber im Sinne meiner Ausführungen zum vorangegangenen Tagesordnungspunkt verweise ich darauf, dass man von seiten der Opposition natürlich auch da wieder nach dem berühmten Haar in der Suppe sucht, und man wird alsbald vermeintlich fündig. Dieses Haar in der Suppe – es herrscht ja schließlich Wahlkampf! – wurde in der Möglichkeit des Ankaufs einer Substandardwohnung gefunden.

Nach dem, was Frau Kollegin Schicker soeben von sich gegeben hat (Bundesrätin Schicker: Habe ich etwas von mir gegeben?), weiß ich nicht, wie aus der Substandardwohnung eine höhere Standardwohnung werden soll. Wie soll denn der Mieter, der in der Substandardwohnung sitzt, dazu gebracht werden? – Ohne jetzt irgendwelche Zahlen zu kennen, getraue ich mich zu wetten, das sind durchwegs kündigungsgeschützte Mieter, denn diese sitzen ewige Zeiten darin. Ein solcher Mieter ist sowieso nicht hinauszubekommen. Wenn er seine Substandardwohnung behalten will, dann ist er nicht hinauszukriegen.

Aber was ändert jetzt eigentlich das Gesetz? Was verschlechtert für diesen Mieter die Möglichkeit, Substandardwohnungen im Wohnungseigentum erwerben zu können? Ich glaube, was ... (Bundesrätin Schicker: Er kauft sie, weil ihm noch nicht bewusst ist, was damit auf ihn zukommt! Generalsanierung!)  – Nein, er muss sie nicht erwerben, er kann Mieter bleiben. Und sonst kann er zum Baumeister oder zu ein paar Technikern gehen und einmal fragen, was das kostet, und auch fragen, was es kostet, wenn man das ganze Haus herrichten will.


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Frau Kollegin Schicker! Das ist doch eine Problematik, die man nicht nur bei der Substandardwohnung findet. Das wird der große Haken des Wohnungseigentums überhaupt werden. (Bundesrätin Schicker: Aber die schauen anders aus, das sind schöne Wohnungen!)

Was glauben Sie, was passieren wird, wenn in 100 Jahren ein Wohnhaus mit 200 Wohnungen, gebaut in den sechziger Jahren, abbruchreif wird? Was glauben Sie, welche Arbeit Sie dann haben, wenn Sie 200 Eigentümer dieser Wohnungen auf einmal vor die Tatsache stellen müssen: Wir müssen das Haus abreißen, es ist abbruchreif! Bitte, wir bauen das Haus neu, und ihr kauft euch die Wohnungen noch einmal. – Das hat mit der gegebenen Problematik überhaupt nichts zu tun!

Ich glaube, dass da bei der SPÖ immer ein gewisser Reflex dazu kommt, etwas überzeichnet gesagt: Eigentum ist Diebstahl, und wer mit einer Wohnung spekuliert, der betreibt Spekulation!

In den Nationalratsprotokollen habe ich einen herrlichen Vergleich gelesen. Da wurde gesagt, das Recht auf Wohnen könne man doch nicht mit einer Wurstsemmel vergleichen, weil das Recht auf Obdach sei gewissermaßen ein Grundrecht. – Bitte, das Recht habe ich doch gefälligst auch auf eine Wurstsemmel! Wenn die Versorgung mit Nahrungsmitteln nicht ebenfalls zu den Grundrechten gehört, dann weiß ich nicht, was sonst dazugehört.

Darin sind wir uns doch alle einig, dass jeder das Recht auf Versorgung mit Nahrungsmitteln hat! Deswegen gibt es auch Sozialhilfe und diverse Einrichtungen, damit niemand verhungert, wenn er nichts zu essen hat. Da gibt es keinen Unterschied.

Aber ich erkenne einen gewissen Reflex: In dem Moment, in dem es um das Wohnungsrecht geht, ist sofort die Aversion da: "Das sind alles Spekulanten!"

Der Greißler um die Ecke schreibt Gewinne, das ist ganz normal. Der "Konsum" hat Gewinne gemacht. Später hat er dann Verluste geschrieben, aber zuerst einmal hat er Gewinne gemacht, und zwar mit Grundnahrungsmitteln. Auf diese hat jeder Mensch ein Recht, das erkennen Sie an. Aber Sie wittern sofort Gefahr, wenn jemand solch eine Eigentumswohnung kaufen könnte; und der Name "Prinzhorn" ist gefallen.

Frau Kollegin Schicker! Wenn Herr Präsident Prinzhorn einen Haufen Wohnungen hat und die alle herrichtet, dann heißt das, dass vom österreichischen Wohnungsmarkt jetzt beispielsweise 100 Substandardwohnungen endlich verschwinden und keine Substandardwohnungen mehr sind, sondern Wohnungen mit normalem Standard. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Schauen Sie, es geht um Ihr Verhältnis zum Mietrecht. Ich mache einen kleinen Ausflug, Frau Kollegin Schicker, einen kleinen Abstecher. Schauen wir das Mietrecht an, Frau Kollegin Schicker! Sehen wir uns das Mietrecht an!

Der Kaiser hat seinerzeit mit einer Notverordnung armen Kriegerswitwen geholfen und in Mietrechte eingegriffen. In der Folge bekamen wir dann das österreichische Mietrecht, welches 80 Jahre hindurch an Kompliziertheit und Absurditäten nicht zu überbieten war (Beifall der Bundesräte Haunschmid und Dr. Böhm ), welches 80 Jahre hindurch kein einziges Wohnungsproblem in Österreich wirklich gelöst hat, nur weil man geglaubt hat, dass man mit 100 000 Zwangsbestimmungen und Zwangsbeglückungen glückliche Mieter schafft. Das Ergebnis waren dann die Hofratswitwen auf 250 Quadratmeter zu einem Friedenszins in der Höhe von 182 S und mit fünf Untermietern mit je 3 000 S Miete! Das waren die Endergebnisse, die aus diesem vertrackten Wohnrecht mit diesen Wahnsinnsgesetzgebungen entstanden sind. (Bundesrätin Schicker: Die haben wir nicht gehabt, die Hofratswitwen! Wir haben nur Arbeiter gehabt!)

Noch ein Abstecher: Es war auch kein österreichisches Mietrecht, es war ein Wiener Mietrecht. Es war nur auf die Wiener Verhältnisse zugeschnitten und hat sich um die Bundesländer überhaupt nicht gekümmert, meine Damen und Herren!


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Seien wir froh, dass unser Bundesminister Böhmdorfer und die gesamte Regierung endlich eine ordentliche Reform in Gang gesetzt und mit all diesen Abstrusitäten in diesem alten Mietrecht aufgeräumt haben! Sie werden sehen, Frau Kollegin Schicker, es wird den Mietern in Hinkunft nicht schlechter gehen. Es waren nur für Vermieter und Mieter die Unterschiede nicht einzusehen: ein Haus mit zwei Wohnungen oder mit drei Wohnungen, ein Haus mit einem ausgebauten Dachboden oder ein nicht ausgebauter Dachboden; vor 1945 bewilligt, nach 1945 bewilligt.

All das waren doch nur Wünsche – vielleicht der Wiener Sozialisten, aber sonst gar nichts. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ansonsten stand in diesen Gesetzen nichts anderes. Das war ein Wiener Mietrecht, und das haben sich die Wiener Sozialdemokraten eben so zusammengeschneidert und auf Grund ihrer Stärke dann durchsetzen können. (Bundesrätin Schicker: Mögen Sie Wien nicht?)

Zurück zur Substandardwohnung: Sie befürchten immer wieder Spekulanten (Bundesrätin Schicker: So ist es! Zu Recht!), aber Sie sagen mir nicht, wie Sie aus der Substandardwohnung eine Normalstandardwohnung machen wollen. Wer soll sie machen? – Der arme Mieter oder das arme junge Pärchen darf sie, wenn es nach Ihnen geht, nicht kaufen, weil die sind "ach so dumm" und können sich niemals von irgendwelchen Fachleuten zusammenrechnen lassen, wieviel Geld sie tatsächlich brauchen, wieviel sie hineinstecken müssen.

Aber wenn es ein anderer macht, wenn zum Beispiel "der große Prinzhorn" diese Wohnungen kauft, dann sagen Sie: Puh, das ist ja schon wieder ein schlimmer Spekulant! (Bundesrätin Schicker: Ich habe nicht von Spekulation gesprochen, sondern von der Realität!)  – Frau Kollegin! Er macht aus Substandardwohnungen hochwertige Wohnungen, aber Sie besetzen das negativ. Aber auch diese Variante sehe ich nicht negativ. Denn wir müssen uns doch über ein Prinzip klar sein: Je mehr von diesen Substandardwohnungen in ganz Österreich ein für allemal verschwinden, desto besser! (Bundesrätin Schicker: Da gebe ich Ihnen Recht, aber man sollte es auf eine andere Art und Weise machen!) Und aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, können wir diesem Gesetzentwurf natürlich nur zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.45

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

12.45

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Irgendwie will es das Schicksal, dass ich als Redner immer nach dem Herrn Dr. Aspöck drankomme. Das ist auch ein interessanter Spannungsbogen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck. – Nein, das ist wunderbar. (Bundesrat Schöls: Ich bin auch immer nach dem Gudenus drangekommen!)  – Ach so, sehr gut! Als Präsident haben Sie sich das geregelt.

Herr Minister! Zu diesem WEG: Mein Kompliment bis zu jenem Tag oder bis zu jener Nacht, in dem die Lobbyisten zugeschlagen haben! Dieses Gesetz, das in Ihrem Ministerium erarbeitet wurde, war ein sehr brauchbares Gesetz. Es ist wahrscheinlich eines der lesbarsten Gesetze, und einen Meilenstein sehen wir auch in jenem Bereich, in dem das Ehegatten-Wohnungseigentum in eine allgemeine Eigentümerpartnerschaft übergeführt wurde. Das ermöglicht nun auch anderen Lebensgemeinschaften, anderen Lebensformen, die Begründung gemeinsamen Eigentums.

Aber irgendetwas ist da passiert. Es war ein wirklich sehr gutes Gesetz – da habe ich meinem Vorredner auch gar nichts entgegenzuhalten und will es auch gar nicht –, bis es ins Hohe Haus gekommen ist, aber auf einmal sind von verschiedenen Lobbyisten-Seiten sehr massive Einwirkungen gekommen, und diese haben sich dann plötzlich über Nacht in Abänderungsanträgen manifestiert.


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Es gibt drei Gründe, warum ich diesem ursprünglich wirklich guten Gesetz aus Ihrem Ministerium nicht zustimmen kann.

Der erste Grund – und darüber hat sich Kollege Aspöck schon sehr ereifert – ist die Frage der Eigentumsbegründung bei Substandardwohnungen. Herr Kollege Aspöck! Ich weiß schon, was Sie meinen, und vielfach könnte man sagen, Sie haben nicht ganz Unrecht. Warum muss es in einem Staat wie Österreich bei so unterschiedlichen Problemlagen ein einheitliches Mietgesetz geben? Warum muss es das geben? – Ich meine aber, wir brauchen doch eine gemeinsame Ebene. Egal, ob ich heute in Salzburg, in Wien oder in Innsbruck wohne, es soll den gleichen Mieterschutz und das gleiche Mieterrecht geben.

Natürlich orientieren sich einige dieser Fragen am großen Wohnungsmarkt Wien, und am großen Wohnungsmarkt Wien kristallisieren sich auch die Probleme. Das kann natürlich auch in der Steiermark passieren, wie ich vorher von Frau Kollegin Schicker gehört habe.

Diese Probleme haben 1994 dazu geführt, dass man eine Schutzbestimmung eingeführt hat. Diese Schutzbestimmung, Herr Kollege Aspöck, gab es auf Grund einer Praxis von Firmen, die so genannte Althäuser verwertet und – sagen wir es einmal höflich – die Mieter terrorisiert haben. Es gibt dazu genug Beispiele, auch von Graz, falls Sie das nicht mehr in Erinnerung haben. Es wurden Mieter terrorisiert, um sie aus den Wohnungen hinauszubekommen, und diese Firmen haben dann die Althäuser in Summe um teures Geld verwertet. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck. )

Es gab sicherlich verschiedene Gründe, die dazu geführt haben. Aber aus sozialen Gründen und Überlegungen hat man diese Schutzbestimmung eingeführt, um dieser Althausverwertung der übelsten Sorte einen Riegel vorzuschieben.

Es kommt aber noch etwas dazu, und das sage ich aus der Sicht eines Wiener Kommunalpolitikers: Es geht auch um städteplanerische Überlegungen. Die Frage ist: Schafft man in solchen Häusern überhaupt noch eine Sockelfinanzierung? – Wie schaffe ich in solchen Häusern teure Sockelfinanzierungen? Das schaffe ich nicht mehr, und ich habe, stadtplanerisch gesehen, da ein großes Minus zu verzeichnen, wenn ich jene Maßnahme durchsetze, die dieses Gesetz jetzt vorsieht, nämlich eine sehr problematische Eigentumsbegründung bei Substandardwohnungen.

Der zweite Grund ist die Vorratsteilung. Die Vorratsteilung bedeutet ein vorläufiges Wohnungseigentumsrecht. Ich sehe darin letztlich nur eine Möglichkeit, rascher abzuverkaufen. Damit begünstigt man Prozesse, und das Ministerium selbst hat das, juridisch gesehen, als problematisch bezeichnet. Ich betone: das Ministerium selbst! Der Abänderungsantrag setzt sich im Grunde genommen über die Bedenken des Ministeriums hinweg.

Nun kommen wir zum dritten Grund. Ich habe Ihnen sehr gut zugehört, Frau Kollegin Schicker, und es mag schon richtig sein, was Sie da gesagt haben. Wenn ich heute eine Wohnung verkaufe, dann habe ich oft unterschiedliche Rechtsverhältnisse in einem Haus. Aber mit dieser Zwangsparifizierung eines gesamten Objektes schaffe ich ein Gesamteigentum, und das hat den Haken, dass ich nun die Mieter, die nicht Eigentümer sind, schlechter stelle. Sind sie nämlich Mieter einer Eigentumswohnung, dann unterliegen sie anderen Schutzbestimmungen, als wenn sie Mieter eines Gesamteigentums sind. Und das ist ... (Bundesrat Dr. Aspöck: Es steht das Gegenteil drin! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Der Herr Minister wird noch zu Wort kommen, Herr Kollege Aspöck, Sie brauchen gar nicht so verzweifelt dreinzuschauen. – Das ist auch eine Form der Aushöhlung des Mieterschutzes.

Insgesamt ist das an sich ein gutes Gesetz aus Ihrem Haus, Herr Minister, aber im Parlament sind einige Aspekte hinzugekommen, die ich nicht teilen kann.

Nun für die Kollegen Himmer, Maier, Gudenus und Böhm eine Bemerkung zum gebundenen Mandat. Hier haben wir ein ganz schwieriges Thema, bei dem das gebundene Mandat von Bedeutung ist. Wie Herr Kollege Hoscher meinte, ist das auch eine ideologische Frage. Das Amt der Wiener Landesregierung empfiehlt sozusagen den Wiener Bundesräten, dass sie


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diesem Gesetz, gegen das gewichtige Bedenken bestehen – das steht hier in dieser Feststellung –, ihre Ablehnung erteilen. Hätten Sie nur schon das gebundene Mandat, auf das Sie so sehnsüchtig warten! (Lebhafter Widerspruch bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Böhm: Wir haben kein gebundenes Mandat!)  – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.53

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer. – Bitte.

12.53

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich bedanke mich für die durchgehend überwiegend sachliche Debatte. Sie hat aber auch gezeigt, dass das Gesetz, das hier debattiert wird, doch einige rechtliche Schwierigkeiten bereitet. Vor allem aber haben Sie übersehen – zumindest Sie von der Opposition –, dass der Gesetzgeber auf dem Wege ist, das Mietrecht und das Wohnungseigentumsrecht zu entkrampfen, zu entkomplizieren, und dass bei diesem Ziel schön langsam Land in Sicht ist, dass man dieses Gesetz wirklich handlich macht, dass man damit umgehen kann.

Auch die Verwalter sollen damit künftig besser als in der Vergangenheit umgehen können. Es war schon eine Art Schreckgespenst für Verwalter, Wohnungseigentum überhaupt zu verwalten.

Ich danke Herrn Bundesrat Mag. Hoscher für seine Ausführungen, vor allem auch für das Zugeständnis, dass das Gesetz besser lesbar ist. Das war auch eines der Motive, warum es neu gefasst wurde.

Die Argumente gegen den Abänderungsantrag verstehe ich nicht ganz. Es ist richtig, es wurde da sehr schnell gearbeitet. Es hat aber diese Arbeit nie ohne Kontakt zum Justizausschuss stattgefunden; nie ohne Kontakt zu den Oppositionsparteien; natürlich auch nicht ohne Kontakt zu den Regierungsparteien.

Es wurden einige Punkte geregelt, sozusagen alter Staub weggewischt, und es wurde hier kein Lobbyismus betrieben und auch keinem Lobbyismus nachgegeben.

Das Ziel war es, in Zukunft keine Mischhäuser mehr zu haben – ein Albtraum für jeden Verwalter! –, nämlich keine Häuser mehr zu haben, in denen Wohnungseigentumsrecht neben Mietrecht besteht. Durch die verschiedenen Begriffe, die in den letzten Jahrzehnten in beide Gesetze Eingang gefunden haben, ist es fast unmöglich geworden, das korrekt zu verwalten, was natürlich auch für die Mieter beziehungsweise Wohnungseigentümer sehr ungünstige Nebenerscheinungen hatte. Sie müssen zugestehen, dass es in Zukunft eine Verbesserung ist, wenn es keine so genannten Mischhäuser mehr gibt.

Es wird auch Wohnungseigentum durch den Alleineigentümer begründbar gemacht, was im Prinzip dem gleichen Ziel dient.

Auch der Umstand, Herr Kollege Schennach, dass man durch so genannte Erwerbsgesellschaften die Möglichkeit gibt, einem größeren Personenkreis das Wohnungseigentum zugänglich zu machen, entspricht doch letztlich Ihrer Intention. Die Konstruktion über die Erwerbsgesellschaft ist wohl durchdacht, überrascht außerdem niemanden, der sich im Wohnungsrecht auskennt, und dient auch dem Ziel, mehr Rechtsklarheit für die Wohnungseigentümer zu schaffen.

Die Argumente gegen den Kauf von Substandardwohnungen, Frau Bundesrätin Schicker, kann ich wirklich nicht nachvollziehen. Sie haben mich als Praktiker angesprochen, und ich antworte als Praktiker: Ihre Argumente verstehe ich nicht.

Eigentum an Substandardwohnungen bedeutet, dass man an Wohnungen, die – wie Sie richtig ausgeführt haben – kein Wasser oder keine Toilette haben, Wohnungseigentum begründen


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kann. Das heißt noch lange nicht, dass die Erwerber verpflichtet oder genötigt wären, diese Wohnungen auch so zu benützen, und sie tun es auch nicht. Ich verstehe nicht, dass Sie die Chance verkennen, die darin liegt, dass zum Beispiel junge Menschen oder ein junger Mensch eine solche Substandardwohnung im Wohnungseigentum erwirbt und dann aus eigener Kraft diese Wohnung in einen bewohnbaren Zustand bringt.

Was ist denn der Vorteil gegenüber der Variante, dass er eine Mietwohnung erwirbt und diese dann herrichtet? – Der Vorteil besteht darin, dass er an der selbst geschaffenen Wertschöpfung partizipieren kann. Er kann zum Beispiel eine – von Ihnen so geliebte – Mietwohnung haben und kann daneben eine Substandardwohnung erwerben, kann sie für seine Familie herrichten und hat dann eine ordnungsgemäße Eigentumswohnung, die er später verkaufen oder vererben kann.

Diese Wertschöpfung, diese Wertvermehrung, kommt ihm zu. Ich sehe darin keinen Nachteil, und zwar insbesondere als Praktiker sehe ich keinen Nachteil. Ich verstehe nicht, warum Sie unbedingt der öffentlichen Wirtschaft den Vorteil geben, indem Sie sagen: Das muss die Gemeinde herrichten, das muss die Genossenschaft herrichten, und Sie sind auch dagegen, dass es etwa Herr Prinzhorn herrichtet. (Bundesrätin Schicker: Das habe ich nicht gesagt, da muss ich eine tatsächliche Berichtigung machen!) – Nun, ich habe es so verstanden.

Also ich persönlich – gleichgültig, wie Sie es gemeint haben – sehe keinen gravierenden Unterschied. Es kann natürlich sein, wenn jemand, zum Beispiel eine Genossenschaft, diese Wohnungen herrichtet, dass dann der Käufer, der diese Wohnung kauft, mehr dafür bezahlen muss, als er selbst bezahlen hätte müssen, wenn er sie selbst hergerichtet hätte. Daher gebe ich eher dem Erwerb der Substandardwohnung durch einen Privaten den Vorteil, wenn er sie selbst herrichten kann.

Sie bringen daher, so denke ich, die guten Absichten des Gesetzgebers nicht ins Wanken, und Sie erzeugen bei mir heute auch kein schlechtes Gewissen mit Ihren Argumenten, weil dieses Gesetz nunmehr Varianten anbietet, die für alle Vermögensverhältnisse und für alle Absichten entsprechende Einrichtungen bietet, die bisher nicht zur Verfügung gestanden sind.

Ich bedanke mich auch bei Frau Bundesrätin Wimmler, die die Vorteile des Gesetzes sehr plastisch ausgeführt hat, und auch für die fachlichen Ausführungen des Herrn Bundesrates Dr. Aspöck, die erkennen haben lassen, dass man auch aus anderer Sicht, wenn man es praktisch sieht, diesem Gesetz zustimmen kann.

Es ist wirklich sehr bedauerlich, dass dieser Abänderungsantrag eigentlich nur wegen seiner Schnelligkeit desavouiert wird. Inhaltlich finden unsere Beamten daran nichts. Ich möchte noch die Namen der beiden Beamten erwähnen, die da tätig waren: Dr. Stabentheiner und Dr. Schernthanner haben wieder einmal gezeigt, dass sie echte Experten des Wohnungsrechtes sind, und von diesem Expertenwissen profitiert die Bevölkerung dann, wenn Sie diesem Gesetz zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.59

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Maria Grander. Ich erteile ihr das Wort.

13.00

Bundesrätin Maria Grander (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Das neue Wohnungsrecht ist ein mutiges Werk, so möchte ich sagen, nachdem ich selbst seit 1992 als Obfrau des Wohnungsausschusses in meiner Gemeinde arbeite.

Es ist ein großes Reformwerk gelungen, und obwohl man jetzt von Lobbyismus redet, ist es meiner Meinung nach ein guter Kompromiss. Einerseits wird der Zugang für alle zum gemeinsamen Wohnungseigentum erleichtert, andererseits werden Regelungen geschaffen, die den Bedürfnissen der Eigentümer gerecht werden und ihre Position stärken. Zusätzliche Anforderungen sind, die Lesbarkeit, Verständlichkeit und Übersichtlichkeit der gesetzlichen Rege


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lungen für das Wohnungseigentumsgesetz zu verbessern. So kann ich das aus den Vorlagen entnehmen.

Konnte gemeinsames Wohnungseigentum bislang nur von Ehegatten in Anspruch genommen werden, so steht es in Hinkunft auch zwei natürlichen Personen, seien es Personen in Lebensgemeinschaften, also Lebensgefährten, oder zwei miteinander nicht in Lebensgemeinschaft stehende Menschen, wie Mutter und Kind oder Geschwistern, offen. Ich denke, das ist eine ganz große Verbesserung, weil das immer wieder Bedürfnisse sind, die ich in der Realität, in meinen Sprechstunden erlebe, indem man sagt: Können wir nicht miteinander diese Wohnung erwerben? Bisher musste man immer sagen: Nur einer kann eine Wohnung erwerben. – Das war beim Erwerb einer Eigentumswohnung oft ein großes Hindernis.

Auch dass mehr als zwei natürliche Personen eine Wohnung erwerben können, bedeutet für mich eine große Erweiterung. Zum Beispiel gibt es für eine Mutter mit ihren beiden Kindern oder drei Geschwistern, die gemeinsam eine Eigentumswohnung kaufen wollen, die Möglichkeit, in Form einer eingetragenen Erwerbsgesellschaft, deren Zweck auf die Nutzung und Verwaltung eigenen Vermögens ausgerichtet ist, Wohnungseigentum zu erwerben. Das habe ich vorhin bereits angesprochen.

Das Häufigere wird der Erbfall sein, so würde ich aus meiner Erfahrung sagen, wonach Kinder eine Wohnung erwerben. Man muss das auch im Hinblick auf Pflegeleistungen sehen, wenn die Tochter oder der Sohn mit der Mutter oder dem Vater, also einem zu pflegenden Elternteil, gemeinsam wohnen und die Wohnung auch gemeinsam besitzen wollen. Das bringt auch ungeheuer viel Sicherheit für denjenigen, der diese Aufgabe auf sich nimmt.

Durch diese Reform wird erstmals allen Personen der Zugang zu gemeinsamem Wohnungseigentum eröffnet. Es wird die Eigentumsbildung verstärkt. Es erfolgen eine Harmonisierung der Bewirtschaftungskosten und keine weiteren Rechtszersplitterungen. Daher ist die Erhaltung im neuen Wohnungseigentumsgesetz genauso definiert wie im Mietrecht. Ich denke, da haben wir schon diese Parallelen Wohnungseigentum – Mietrecht. Weiters sollte es unter gar keinen Umständen zu einer Beschneidung bestehender Rechte kommen.

Ich verstehe nicht ganz, dass die Sozialdemokratie diesem Gesetz so kritisch gegenübersteht, weil gerade hinsichtlich der Rechte sehr darauf geschaut wird, dass diese Dinge gut gelöst sind.

Die obligatorische Eigentümerversammlung, die alle zwei Jahre stattfinden muss, ist zugegebenermaßen ein Aufwand für die Verwaltung, aber die Eigentümer haben das Recht, alle zwei Jahre zusammenzukommen, über ihr Eigentum zu diskutieren und Entscheidungen zu treffen.

Ich möchte auch ganz kurz auf Äußerungen meiner Vorredner eingehen. Wenn ich die Mietwohnungen unserer Gemeinde hernehme – und das sind sehr viele, das sind 350 –, dann muss ich sagen, es gibt Mieter, die sehr wohl so auf ihre Wohnungen schauen, wie es Besitzer einer Wohnung gewöhnlich tun. Sie investieren in diese Wohnungen, weil sie dort 20, 25 und oft auch 30 Jahre lang leben, der Nächste kann einziehen, und es sind nicht sehr viele Sanierungen notwendig. Es gibt aber auch Mieter, die relativ bald sagen: In dieser Wohnung kann man nicht wohnen, das ist Substandard, obwohl das nicht dem herkömmlichen Substandard entspricht, weil Bad und Toilette innerhalb der Wohnung sind. (Bundesrätin Schicker: Das sind Vorkriegswohnungen, die Substandardwohnungen!)

Da stellt sich für mich schon die Frage: Wie gehe ich mit diesen Dingen in der Gesellschaft um? – Ich jedenfalls sehe das so.

Es gibt auch viele Leute, wie der Herr Minister schon angesprochen hat, die sagen: Ich ziehe gerne in eine Wohnung ein, die nicht in einem solch guten Zustand ist, und bin gerne bereit, diese für mich herzurichten, weil ich vom Mietrecht her die Möglichkeit habe, dort sehr lange und nach eigener Entscheidung zu verweilen. Ich muss aus der Mietwohnung nicht heraus, sondern verbleibe dort bis zum Tod, außer ich entscheide mich dafür, im Alter in ein Pflegeinstitut zu gehen.


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Was die Genossenschaften angeht, so möchte ich sagen, es gibt gute und es gibt weniger gute, um es nicht ganz negativ zu besetzen. Es geht auch immer darum, wie man sich kümmert. Bei uns in der Gemeinde ist es grundsätzlich so, dass alle Wohnungen, die sehr "abgewohnt" – unter Anführungszeichen – sind, immer wieder saniert werden, was sich natürlich auch in der Miete auswirkt, weil der Standard höher wird.

Darüber kann man in sehr vielfältiger Weise diskutieren, wie in vielen anderen Bereichen auch. Wohnen ist etwas sehr Persönliches, und es ist auch der Umgang mit diesem Gut ein persönlicher. Nicht jeder geht damit sorgfältig um.

Meine Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

13.06

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Harald Reisenberger das Wort. – Bitte.

13.06

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Ich glaube, dass wir heute hier schon einige ganz interessante Ansichten dargelegt bekommen haben, Ansichten, die man sich merken muss, weil man daran erkennt, warum manche Parteien eben zu dieser und nicht zu einer anderen Meinung kommen.

Es wurde heute schon gesagt, dass Frau Bundesrätin Wimmler in einer wirklich sehr sympathischen und für mich sehr ehrlichen Art und Weise dargelegt hat, wie sie es sieht. Sie hat gesagt, die ÖVP habe dies immer gefordert – Eigentum an der Wohnung und dergleichen –, diesbezüglich sind wir d’accord, das streite ich nicht ab. Nur: Sie wollen das einseitig. Es sollen nur gewisse Bevölkerungsschichten, nur gewisse Leute Eigentum erwerben können.

Liebe Frau Kollegin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vergessen wir eines nicht dabei: Wir haben gehört – und das hat nicht so ganz gepasst zu allem anderen, was Sie gesagt haben; ich unterstelle Ihnen, Sie haben es anders gemeint –, Bevölkerungsschichten, die es sich nicht leisten können, sollen eben diese Substandardwohnungen im Eigentum übernehmen. Ich unterstelle, dass Sie es nicht so gemeint haben, wie ich es gehört habe oder wie man es boshafterweise interpretieren könnte.

Da sind wir genau bei dem Punkt, der von Ihnen, Herr Minister, aber auch von dir, lieber Kollege Aspöck, ganz bewusst missverstanden wird, denn ich glaube, eines müssen wir uns schon vor Augen halten – Herr Minister, es hat mich geschockt, dass Sie sagen, gerade für junge Leute sei das etwas Tolles –: Wie schaut es tatsächlich aus? Wenn jemand studiert oder am Beginn seiner Berufskarriere ist, dann frage ich mich: Wo ist da Geld vorhanden? – Da ist man doch froh, dass man über die Runden kommt, dass man lebt! Und trotzdem will man eine neue Klasse in unserer schönen Republik schaffen, nämlich die Jungen: Diese sollen sich Substandardwohnungen kaufen und schauen, wie es weitergeht. – Das ist nicht das, was ich mir unter einer Politik für Menschen vorstelle! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Da kommt man ganz zwangsläufig wiederum auf das Volksbegehren, das zurzeit läuft und das man ganz einfach unterschreiben muss, wenn man sich die Sache näher anschaut.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass Renovieren alles andere als günstig und billig ist. Kollege Aspöck und ich haben uns bei einer Zigarette draußen unterhalten. Ich habe 27 Jahre lang eine Genossenschaftwohnung im 23. Bezirk bewohnt, lebe jetzt seit eineinhalb Jahren wieder in meinem Elternhaus, in dem ich aufgewachsen bin, und nachdem meine Eltern gestorben sind, musste ich, da meine Mutter den Rollstuhl nicht mehr verlassen konnte, entsprechend umbauen.


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Ich war auf der HTL und weiß daher von vielen Dingen ein wenig, und es macht mir auch Spaß, selbst Hand anzulegen, zu renovieren. Aber die Kosten sind gigantisch! Wenn ich mir all das hätte machen lassen müssen, dann hätte ich fast ein neues Haus hinstellen lassen können.

Herr Minister! Sie sagen, die jungen Leute, die am Anfang sind, haben damit die Chance, sich etwas zu schaffen. Das geht nicht! Das kann man sich leisten, wenn man ein bisschen älter ist, wenn man schon eine Basis hat. Dann kann ich sagen: Da kann ich aufbauen. Aber das passt doch nicht für junge Menschen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Es geht darum, ein Haar in der Suppe zu suchen, hast du gemeint, lieber Kollege Aspöck; meine Vorredner sind bereits darauf eingegangen. Ich sage: Da geht es nicht um ein Haar.

Wenn ich mir anschaue, was in diesem Gesetz alles enthalten ist, was wir anders machen hätten können, was auch in den ersten Vorschlägen darin war, dann muss ich sagen: Das ist nicht ein Haar, das ich da finde, sondern schon ein Haarteil, um nicht zu sagen, man könnte eine ganze Perücke daraus machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da man immer wieder versucht, falsch zu interpretieren oder bewusst falsch zu verstehen, muss ich eben noch einmal darauf eingehen. Nicht der sehr verehrte Herr Prinzhorn hat sich das Herz genommen und gesagt: Ich renoviere für die armen Leute, ich mache etwas!, nein, im Gegenteil – ich unterstelle jetzt; Sie können sagen, das stimmt nicht –, er hat verkauft. Ich unterstelle: recht gut verkauft, und die anderen haben das gemacht. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck. ) Du kannst gerne eine Zwischenfrage stellen. (Bundesrat Dr. Aspöck: Und wie löst du jetzt das Problem mit den jungen Leuten?)  – Ich komme gerne darauf zurück und werde dir auch dann noch ein paar Beispiele nennen. In Wien haben wir es praktiziert; das ist gar nicht so schwierig.

Es werden also Gewinne gemacht, und die Verluste werden dann wieder ein bisschen "resozialisiert". Das ist es, wofür meiner Fraktion jegliches Verständnis fehlt! Es gibt eben unterschiedliche Auffassungen darüber, ob ein Gesetz gut ist oder nicht, so Leid mir das tut.

Du hast gesagt, wir haben ein Mietrecht auf Wien bezogen geschaffen. Das stimmt zum Teil, denn wir haben in Wien sehr viel gemacht. Kollege Aspöck! Gleich zu deiner Frage: Wir haben zum Beispiel die Startwohnungen für junge Menschen in Wien ermöglicht. Selbst da ist aber die Schwierigkeit, dass sich die jungen Menschen diese einrichten müssen, und wenn sie sich dann eine größere Wohnung nehmen, passen die Möbel nicht mehr. Es ist also auch das keine 100-prozentige Lösung, die gibt es einfach nicht. Aber mit dem, was Sie machen, erleichtern Sie diesen Menschen die Sache nicht, sondern erschweren es noch.

Aber wenn wir das schon wollen, dann frage ich: Warum haben wir nicht das Gesetz zur Ländersache gemacht, zumindestens im Bereich der Förderungen, um diese Möglichkeiten zu schaffen? Dann hätten wir sehr deutlich gesehen, wer hier wo und wie mitspielt.

Ich komme auf das Jahr 1994 zurück, auf die Althausverwertung; Kollege Schennach ist schon darauf eingegangen. Das war genau das Beispiel dafür, was wir in Wien – aber nicht nur in Wien – immer wieder gesehen haben: dass man auch bei den Ärmsten einen Profit machen will. So kann es nicht sein, meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu erklären wir uns nicht bereit! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Wir behandeln heute eine Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes. Wesentliche Teile davon sind schon vor längerer Zeit initiiert worden, auch noch von den Freunden der ÖVP, die davon heute nichts mehr wissen wollen oder plötzlich Erinnerungslücken haben. Es hat schon lange gute Vorschläge gegeben, Punkte, die auch im vorliegenden Gesetz vorhanden sind, die seinerzeit aber nicht wegen der Sozialdemokraten, sondern wegen der ÖVP nicht in die Realität umgesetzt werden konnten.

Ich bin der Meinung, dass es durchaus einige positive Punkte in diesem Gesetz gibt, und ich stehe auch gar nicht an, hier zu sagen: Jawohl, und wir sind froh darüber!


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Meine Vorrednerin hat sich sehr ausführlich mit der Möglichkeit der Gründung von Wohnungseigentum beschäftigt. Auch ich halte das für etwas ganz etwas Wichtiges und etwas sehr Positives. Ich glaube, dass es gar nicht so leicht war, vor allem in konservativen Kreisen, sich gegenüber der Kirche durchzusetzen und zu sagen: Ja, wir stehen dazu, dass heute auch homosexuelle Lebensgemeinschaften oder, wie es so schön heißt, Lebensabschnittspartner, die immer mehr werden, gemeinsam Wohnungen kaufen können.

Ich halte es auch für sehr gut und sehr wichtig, und es ist auch für mich privat gesehen erfreulich, dass meine Kinder meine Wohnung jetzt zu gleichen Teilen übernehmen können. Auch das ist eine gute Sache, und das soll man auch laut und deutlich sagen. Dieses Gesetz beinhaltet, wie ich bereits sagte, auch etliche positive Punkte. Auch meine Vorredner haben das gesagt, und wir stehen dazu. Bedauerlich ist aber, dass 36 Stunden vor der Debatte im Ausschuss der Abänderungsantrag kam. Herr Minister! Sie haben gesagt, es sei allen Fraktionen diese Information zugegangen. Das ist schon richtig, nur hat man natürlich damit wieder erreicht, dass eine ordentliche Begutachtung von Fachleuten, die es in allen Bereichen gibt, umgangen wurde, weil eine solche zeitlich gar nicht mehr möglich war. Und das kritisieren wir, Herr Minister! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Ich unterstelle schon wieder etwas: Ich unterstelle Ihnen, Herr Minister, dass nicht Sie es waren, der auf diese Punkte ein so starkes Gewicht gelegt hat. Ich glaube eher, dass sich da eine Lobby – und da meine ich nicht Herrn Prinzhorn mit seinen paar Häusern; er richtet es sich ohnehin so, wie es für ihn am besten ist –, eine Lobby von Eigentümern, von Hauseigentümern sehr stark gemacht hat. Im Grunde genommen war das ein Kniefall vor der ÖVP.

Woran lag es denn, dass es so kurzfristig zu grundlegenden Änderungen gekommen ist, meine Damen und Herren? – Gerade bei solch komplexen Gesetzen betreffend Mietrecht, Wohnungseigentum und Genossenschaftswohnungen müsste man im Hinblick darauf, dass davon so viele Menschen betroffen sind – und wir dürfen nie vergessen, dass es da um Menschen geht! –, vor allem auch die Mietrechtsschützer zu Wort kommen lassen, sie zumindest anhören. Aber das ist wieder einmal nicht der Fall gewesen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Sie haben schon in etlichen Punkten unsere Kritik an diesen Änderungen gehört. Zwei Punkte erscheinen mir noch gravierend, daher möchte ich auf diese noch ganz kurz eingehen. Das ist zum einen die Fixpreisregelung, die in diesem Gesetz verankert wurde. Ich zitiere dazu kurz einen meiner Meinung nach wirklich treffenden Artikel aus dem "trend": 1995 hat eine Familie das Reihenhaus angemietet. Ausschlaggebend für die Entscheidung zu Gunsten dieses Hauses war nicht zuletzt das Angebot der Gemeinnützigen Bauvereinigung, das Haus nach zehn Jahren erwerben zu können. – Das ist in vielen Fällen so; wenn man sich ausrechnet: In zehn Jahren könnte ich finanziell in der Situation sein, es auch zu machen.

Weiter heißt es im "trend": Klar war, dass im Kaufpreis ein Vermietungsabschlag berücksichtigt wird. – Genau dieser Punkt wird durch die aktuelle Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes geändert. – Im Gesetzentwurf, den die Regierungsparteien im Parlament einbrachten, ist eine Änderung bei der Ermittlung der Kaufpreise geplant. Bisher wurden die Kaufpreise gerichtlich mit Hilfe eines Sachverständigergutachtens ermittelt. Ab 1. 1. 2002 soll eine so genannte Fixpreisregelung angewandt werden. In der Praxis bedeutet das, dass die Gesellschaften die Preise selbst ermitteln. – Mit dieser Regelung wird jede Mitsprache, auch von Experten, von Interessenvertretungen, mehr oder weniger umgangen. – So soll sich der Preis am Substandardwert orientieren, aber auch auf den Verkehrswert Bezug nehmen. Ein Vermietungsabschlag – bisher 10 bis 30 Prozent des Kaufpreises – ist nicht mehr vorgesehen. – Wer hat da wieder Vorteile, wenn es um Geschäfte geht? – Das ist eine sehr einseitige Sache.

Weiters: Mieter können sich gegen die neue Preisermittlung kaum wehren, denn laut Entwurf kann der Kaufpreis nur wegen offenkundiger Unangemessenheit bekämpft werden. Außerdem kommen kaufinteressierte Mieter unter Zeitdruck, die die Kaufoption nach dem derzeitigen Gesetz unbefristet haben. Künftig besteht nur mehr nach zehn beziehungsweise 15 Jahren nach Anmietung die Möglichkeit zum Kauf. Danach verfällt diese Option. – Auch das nicht im Sinne des Erfinders oder, wenn wir der Erfinder gewesen wären, nicht in unserem Sinn.


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Schon jetzt problematisch sind Investitionen, heißt es da weiter, die die Mieter vor der Übertragung ins Eigentum übernommen haben. Diese könnten den Kaufpreis sogar noch erhöhen.

Das heißt – und jetzt komme ich wieder zu den Vorschlägen zurück –, wenn man vieles selbst macht – ein Bad oder eine Dusche, ein WC und so weiter –, bedeutet das im Klartext, dass man die Sachen, die man selbst investiert oder selbst gemacht hat, dann noch einmal zahlen muss. Das heißt also, man wird doppelt bestraft.

Eine rechtliche Grundlage gibt es auch in der neuen Gesetzgebung nicht. Warum ist so etwas nicht enthalten? – Ich durfte einige Jahre am Arbeitsgericht tätig sein, und es hat dort einen guten alten Arbeitsrechtler gegeben, Kuderna – Sie werden ihn sicherlich kennen, Herr Minister –, der das immer sehr schön ausgedrückt hat. Er hat gesagt: Wenn es in der Absicht des Gesetzgebers gewesen wäre, so wäre es ihm unbenommen geblieben, dies auch klar und deutlich auszudrücken. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich frage mich: Warum haben wir dies hier nicht gemacht? Liegt es nicht in unserer Absicht?

Der zweite Punkt, der mir natürlich speziell als Wiener am Herzen liegt, ist die Abschaffung des Hausbesorgergesetzes. Arbeitsplätze sind davon ganz besonders betroffen, vor allem Frauenarbeitsplätze. So ist es – ob es uns gefällt oder nicht. Ganz wichtig ist: Wir haben nicht einmal – obwohl es immer heißt, es gibt so viele Möglichkeiten, man will es für den Mieter so preisgünstig wie möglich machen – die Wahlmöglichkeit belassen, ob Mieter einen Hausbesorger, einen "Hausmasta", wie es in Wien so schön heißt, wollen oder nicht.

Wir haben in Wien eine Umfrage gemacht, und diese hat ergeben: Über 80 Prozent wollten ihren so genannten "Hausmasta" haben. Der so genannte "Hausmasta" bedeutet für den Mieter, für den Bewohner einer Wohnung, eines Hauses persönlichen Kontakt, er vermittelt den Bewohnern ein gewisses Sicherheitsgefühl, das Wissen des Drum-Herums, das Wissen um das Geschehen im Haus und was in Zukunft sein wird und was passiert ist.

Es ist die Hausorganisation als solche, um die es geht, und es gäbe da noch viele Punkte mehr, die man aufzählen könnte, bis hin zu dem sozialen Effekt gerade bei älteren Menschen, die dieser Hausmeister mit übernommen hat.

Verschlechterungen sind klar und deutlich jetzt schon erkennbar. Ich erzähle wieder aus meinem eigenen Bereich, von meiner Genossenschaftswohnung im 23. Bezirk. Dort ist man auch zu Fremdfirmen übergegangen – bedauernswerterweise –, und es stellt zum Beispiel schon ein Problem dar, wenn irgendwo am Gang – ein konkretes Beispiel: am Gang von der Garage ins Stiegenhaus – das Licht ausgefallen ist. Es hat niemand die Möglichkeit – und vor allem darf man es überhaupt nicht! –, die Lampe zu wechseln.

Normalerweise sollte zweimal pro Woche ein Bediensteter dieser Firma kommen und dann dafür da sein. Abgesehen davon, dass das bis zu zwei Tage dauern kann, in denen es dort finster ist, passiert es auch, dass er nur einmal kommt, weil jemand krank ist oder Sonstiges. – Also das ist sicher eine drastische Verschlechterung.

Zweiter Punkt: Schneeräumung. – Unsere Anlage hat auch eine Reihe von Wegen und Stiegen, die im Winter geräumt werden müssen und früher tadellos geräumt worden sind. Im letzten Winter war es so, dass man "erfreulicherweise" bereits um halb fünf Uhr durch ein kräftiges Rattern geweckt wurde, weil der Schneepflug gefahren ist. Die geraden Wege waren dann wunderschön sauber, aber es gibt auch Stiegen dazwischen, die nicht geräumt wurden, denn das müsste man mit der Hand machen, und das ist offensichtlich in diesen Verträgen nicht mehr enthalten.

Ein nächster ganz wichtiger Punkt ist die Haftungsfrage. Was passiert denn zum Beispiel, wenn jemand auf den nicht geräumten Stiegen ausrutscht? Es gibt dann immer wieder Diskussionen: Wer ist hier haftbar? Sind die Firmen, die die Reinigung machen, haftbar (Bundesrat Dr. Böhm: Ja klar!), ist die Genossenschaft haftbar? – Nein, das ist eben nicht so klar. Das ist das Problem!


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Das heißt also, dass man – auch das wäre dem Gesetzgeber unbenommen geblieben – zumindest Mindeststandards für diese so genannten Vertragsfirmen mit aufnehmen müsste.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentum ist keine Schande oder verwerflich und schon gar kein Diebstahl, lieber Genosse Aspöck! (Bundesrat Dr. Aspöck: Ha! "Genosse"!) Da sind wir absolut einer Meinung. Aber einseitige Regelungen, die nur einen Vertragspartner bevorzugen, passen nicht in eine Rechtsordnung, für die wir als Sozialdemokraten stehen. Daher habe ich das Sozialstaat-Volksbegehren unterschrieben. – Übrigens: Ich bin der Meinung, dass das Sozialstaat-Volksbegehren von allen unterstützt werden sollte. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.23

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile Herrn Bundesminister Dr. Böhmdorfer das Wort. – Bitte.

13.24

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte ganz kurz auf das eingehen, was Herr Bundesrat Reisenberger jetzt gesagt hat, und zwar auf zwei Punkte, die mir wesentlich zu sein scheinen.

Was den Abänderungsantrag und die damit verbundene, in gewissem Umfang zugestandene Kürze anlangt, muss ich auf Folgendes verweisen: Es hat dieser Abänderungsantrag kein Thema beinhaltet, das unbekannt gewesen wäre. Jede Fraktion hat viele Sachverständige, auf die sie sofort zugreifen kann, oder hat überhaupt Sachverständige in den eigenen Reihen. Es sind auch Spezialisten unter den Abgeordneten. Es war also keine Fraktion wirklich überfordert, es war wirklich kein Überfahren. Es wäre, so glaube ich, möglich gewesen, hier kooperativer zu sein.

Das Zweite: Sie sind rhetorisch sehr geschickt, aber meines Erachtens inhaltlich unrichtig auf mich losgegangen, und zwar wegen der Substandard-Wohnungen und deswegen, dass ich angeblich den jungen Leuten zugemutet hätte oder zumuten würde, sie sollen sich einfach diese Wohnungen nehmen. Das stimmt doch nicht! Ich habe nur von Beispielen gesprochen, dass diese jungen Leute bereits eine Wohnung haben, nicht auf Dauer dort bleiben wollen und sich nebenbei, so wie zum Beispiel im Rahmen der Nachbarschaftshilfe, diese Wohnung herrichten können. Das ist nicht unmenschlich und schon gar nicht menschenunwürdig, sondern das ist aus dem Leben gegriffen.

Aber, Herr Bundesrat, ob sich jemand mit einem Bausparvertrag eine ganz neue Wohnung kauft oder eine langsam herrichtet und anderswo wohnt, wo es ihm noch gefällt, das muss man wirklich den jungen Leuten überlassen. Und das ist in keiner Weise unmenschlich. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.25

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann das Wort. – Bitte.

13.26

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Minister! Es bleibt mir nichts anderes übrig, als zunächst auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Reisenberger einzugehen, der einige Dinge in einer seltsamen Art dargestellt hat.

Zum einen darf ich Ihnen auch einmal ein paar Dinge aus der Praxis schildern. Ich blicke auf vier Jahre Wohnungsvergabetätigkeit in der Gemeinde, in der Stadt zurück. Ich habe mit der Vergabe von Gemeindewohnungen und von Genossenschaftswohnungen zu tun gehabt, an welchen wir Einweisungsrechte gehabt haben, und ich bin mir der Wohnungsproblematik im Gesamten sehr wohl bewusst. Das kann man mir glauben, denn jeder, der Sozial- und Wohnungsreferent in einer Stadt ist, weiß, wie schwierig es ist, den unterschiedlichsten


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Wünschen gerecht zu werden, wie schwierig es ist, mit dem vorhandenen Budget auszukommen, und viele andere Dinge mehr, die sich an unangenehmen Sachen auftun.

Aber eines können Sie mir auch glauben: Es ist der Wunsch nach Eigentum vorhanden. Es ist dies vielfach der Wunsch von jungen Leuten, aber auch Menschen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Oft sind es – und ich sage das nicht explizit, sondern nur als Beispiele – geschiedene Personen, Menschen mit 50 Jahren, die vor einer neuen Wohnungs-Situation stehen, bei welchem die Frau mit den Kindern in der alten Wohnung geblieben ist, die sagen: Ich möchte mir jetzt wieder etwas Neues aufbauen, ich habe eine neue Freundin oder wie auch immer oder lebe allein.

Oder es sind Familien, bei welchen die Kinder in das Haus eingezogen sind und die Eltern vielleicht eine kleinere Wohnung suchen. Es gibt die unterschiedlichsten Gründe. Es sind Frauen, die geschieden sind, Männer, die geschieden sind. Hier gibt es große Problemfelder, aber der Wunsch nach Eigentum ist vorhanden, und es ist sowohl bei den Jungen als auch bei den Älteren der Wunsch da, günstiges Eigentum zu bekommen.

Gerade das ist immer der Knackpunkt auch bei den Genossenschaftswohnungen. Es kann schon Wohnungseigentum vergeben werden, und es gibt auch gute Wohnbauförderungen in den verschiedenen Bundesländern – Wien hat eine gute Wohnbauförderung, Kärnten hat eine gute –, aber trotzdem ist es oft zu teuer.

Vielfach sind Leute zu mir gekommen und haben gesagt: Ich bin ein Handwerker, ich bin in Frühpension. Habt ihr nicht eine alte Wohnung? Ich richte mir all das selbst her. – Das ist auch ein Punkt, von dem ich glaube, dass mit der vorliegenden Novellierung diesen Leuten geholfen werden kann.

Mir ist schon klar, dass wahrscheinlich niemand eine solche Substandardwohnung erwerben will, der selbst überhaupt nichts angreifen wird. Der wird sie ohnehin nicht nehmen, der wird sich auch nicht dafür interessieren und nicht einmal einen Kostenvoranschlag von einem Handwerker machen lassen, weil er sich sagen wird: Wenn ich das selbst nicht herrichten kann, ist es mir das nicht wert, ist es mir zu teuer. Aber bitte, überlassen Sie doch die Wahl den jungen Leuten oder den älteren Leuten selbst! Sie wissen selbst, was sie haben wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte nun noch auf den Inhalt des Gesetzes eingehen und mich – das ist eben das Schicksal desjenigen, der zum Schluss drankommt – auf das Wesentliche beschränken, weil doch schon vieles gesagt wurde – vor allem von Seiten der ÖVP und FPÖ Richtiges. Ich habe aber eines erkennen können: Obwohl die Oppositionsparteien dagegen stimmen werden, konnte ich eigentlich der Diskussion und auch den Unterlagen entnehmen, dass man versucht hat, da konstruktiv zusammenzuarbeiten.

Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre, aber ich habe das Gefühl gehabt, dass man versucht hat, von allen Seiten gute Ideen einzubringen. Daher ist es eigentlich umso mehr schade, umso trauriger, dass es nicht zu einem einstimmigen Beschluss kommen wird.

Ich bin der Meinung, dass das, was die Opposition hier gegen die Möglichkeit des Erwerbs einer Substandardwohnung vorbringt, tatsächlich nur ein Vorwand ist, dass sie auch in dieser Debatte nicht logisch erklären konnte, warum sie dagegen ist. – Es ist für mich wirklich nicht nachvollziehbar, warum ihr dagegen seid! Ich habe Ihren Argumenten sehr genau zugehört und auch versucht, diese Argumente gelten zu lassen, aber es ist nichts dahinter – außer dass es vielleicht so ist, dass ihr Eigentum überhaupt ablehnt. Das ist natürlich eine Argumentation, aber dann soll man dazu stehen und nicht immer nur herumreden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Wir jedenfalls lehnen das Eigentum nicht ab, es ist auch ein verfassungsmäßig gewährleistetes Recht. Ihr seid jetzt so von eurem Volksbegehren beseelt und wollt viele Dinge in die Verfassung aufgenommen haben. Ihr müsst euch dann aber auch dessen bewusst sein, dass


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Dinge, die in der Verfassung stehen, natürlich auch einen hohen Rang haben und dass sich die anderen Gesetze nach diesen Verfassungsbestimmungen auszurichten haben.

Ein Punkt, der für mich wichtig ist – und das ist immer wieder zu betonen, weil ich das als einzigartig und auch für richtig empfinde –, ist die Tatsache, dass man mit diesem Gesetz erstmals ein Gesetz lesbarer, nachvollziehbarer und anwendungsfreundlich macht. Ich hebe das ganz bewusst hervor, weil ich mit Mietrechtsgesetzen zu tun gehabt habe und auch in anderen Gesetzestexten schon gelesen habe. Die Gesetzesmaterie ist doch, bitte, über Jahrzehnte immer komplizierter geworden! Das müssen Sie doch zugestehen! Aber dafür kann die freiheitliche Fraktion nichts, sondern dafür sind andere Parteien verantwortlich gewesen, indem sie zumindest fahrlässig geduldet haben, dass die Gesetzesmaterie immer komplizierter wurde. Und das, finde ich, ist eine Zumutung für den Bürger, für den wir alle eigentlich da sein wollen.

Daher empfinde ich es als einen großen Quantensprung, dass dieses Gesetz einmal auf die Anwenderfreundlichkeit hin überprüft wurde und dass man sich derer besonnen hat, für die es eigentlich gemacht wurde: für jene Leute, die es lesen sollen und die sich keinen Anwalt oder Steuerberater leisten wollen und können.

Das heißt also: Gesetze müssen nicht nur von denen, die sie machen, verstanden werden, sondern auch von denen, die sie anwenden müssen. Diesem Erfordernis wurde – das haben wir gesehen – in diesem Gesetz Rechnung getragen, und das ist ein mutiger und richtiger Schritt. Ich freue mich auch, dass wir hier einen Minister haben – das sage ich jetzt wirklich ehrlich –, der das versteht und der weiß, wie schwierig es ist, mit Gesetzen zu arbeiten, die man sogar als Fachmann schwer deuten kann. Daher bin ich froh, dass wir einen Minister haben, der in seinem früheren Beruf Rechtsanwalt war, weil er diese Probleme von der Praxis her sieht.

Zur Eigentümerpartnerschaft brauche ich nicht mehr viel zu sagen. Sie alle haben gesagt, dass das etwas Positives ist. Dem kann ich mich nur anschließen. Ich sehe natürlich auch nicht nur homosexuelle Partnerschaften als Nutznießer dieser neuen Regelung – wiewohl auch diese sie sein werden –, sondern glaube, dass es vorwiegend Erbengemeinschaften sein werden. Wie bereits von Kollegen Reisenberger dargelegt wurde, so halte auch ich es für richtig, dass jemand, der zwei Kinder hat und eine Wohnung vererbt, zumindest davon ausgehen kann, dass es da im Nachhinein keine Streitereien geben wird – hoffentlich keine, denn ausschließen kann man solche natürlich nie.

Die anderen Vorteile wurden eigentlich schon erwähnt; ich möchte sie nur noch kurz in Schlagworten anreißen. Sie bestehen darin, dass es jetzt Anfechtungsmöglichkeiten von Beschlüssen bei Eigentümergemeinschaften gibt, dass es aber auch Vorgaben für die Verwaltung gibt, die nachvollziehbar und überprüfbar sind und die auch die lange Bestellung ein bisschen einschränken. Sie haben das bereits erwähnt. Auch darin bin ich Ihrer Meinung. Ich finde, das ist ein richtiger Weg.

Weiters glaube ich – und das wundert mich auch, dass das von der Opposition zu wenig beachtet wurde –, dass es ein Riesenerfolg ist, dass die Mischhäuser wegfallen. Ich kann Ihnen auch aus der Praxis sagen: Man findet schon fast keinen Verwalter mehr, der ein Mischhaus verwalten wollte. Jeder Verwalter hat gesagt: Hände weg von solchen Mischhäusern! Das war eine große Problematik und hat letztlich natürlich dann auch oft zu einer Erhöhung von Verwaltungskosten, zu einer Verteuerung der Verwaltung geführt, weil man überhaupt nur einen Verwalter in der Stadt gehabt hat, der so etwas gemacht hat.

Der Wegfall dieser Mischhäuser ist also sicher ein großer Vorteil, und in diesem Zusammenhang muss all den Beamten und auch den Experten, die an diesem Gesetz mitgearbeitet haben, Dank ausgesprochen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Ing. Franz Gruber. )

Das Thema Hausbesorger möchte ich nicht mehr zur Gänze besprechen, das würde zu weit führen. Aber es würde mich freuen, Herr Reisenberger, wenn Sie das Wahlrecht auch in


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anderen Materien einfordern würden. Da habe ich nämlich oft das Gefühl, dass die SPÖ eher eine Zwangsbeglückung vorzieht, als den Menschen Autonomie und ein freies Wahlrecht zuzugestehen. Da würde ich mich freuen, wenn Sie das Wahlrecht, das Sie in diesem Fall für den Hausbesorger gefordert haben – und dafür haben Sie moniert –, auch bei anderen Materien zum Tragen kommen lassen würden. Ich werde Sie daran erinnern! (Ruf bei der SPÖ: Nicht vergessen! Wir werden Sie daran erinnern! – Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich darf abschließend noch einmal die wichtigsten Bereiche hervorheben, für die dieses Gesetz steht, weshalb wir dieser Novelle natürlich auch sehr gerne zustimmen werden.

Erstens: die Lesbarkeit und die Vereinfachung des Gesetzes. Ich wiederhole es noch einmal: Das ist etwas so Besonderes, dass man es immer wieder unterstreichen muss, dass man hier erstmals einen Minister gefunden hat, der die Leute nicht "dumm sterben lassen" will, sondern mündige Menschen aus ihnen machen möchte, die selbst in der Lage sind, ein Gesetz zu verstehen, ohne dass sie irgendeine Institution oder einen Anwalt zu Hilfe rufen müssen.

Weiters ist durch dieses Gesetz ein besserer Zugang zum Wohnungseigentum gewährleistet, und es ist auch der Kreis derer, die Wohnungseigentümer werden können, größer geworden.

Es ist mit diesem Gesetz ferner eine Verwaltungsvereinfachung erfolgt und eine bessere Kontrolle des Verwalters ermöglicht worden. Auch das ist etwas Wichtiges.

Letztlich ist mit dieser Novelle auch etwas bewirkt worden, was Ihnen auch wichtig sein müsste: Es haben nunmehr auch sozial schwächere Menschen, egal in welchen Branchen sie tätig sind, egal in welchem Alter sie sind, die Möglichkeit, wenn sie selbst ein bisschen Hand anlegen, Eigentum zu erwerben.

Der letzte, aus meiner Sicht ebenfalls wichtige Punkt, den ich auch bereits angesprochen habe, ist: Mit dieser Gesetzesnovelle haben wir einen Schritt in Richtung Autonomie und Selbstbestimmung der Menschen gesetzt, und ich meine, dass wir damit am richtigen Weg sind, wenn wir die Menschen in Zukunft weniger von oben herab mit irgendetwas beglücken, sondern ihnen die Chance geben, Eigentum zu erwerben, wenn sie es wollen – oder eben in einer Substandard-Mietwohnung zu bleiben, wenn sie diese nicht erwerben wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.38

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz über das Wohnungseigentum.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Wohnungseigentumsbegleitgesetz 2002.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Bundeswettbewerbsbehörde (Wettbewerbsgesetz – WettbG) erlassen und das Kartellgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert werden (1005 und 1047/NR sowie 6612 und 6618/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Bundeswettbewerbsbehörde (Wettbewerbsgesetz – WettbG) erlassen und das Kartellgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert werden.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Anna Schlaffer übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Anna Schlaffer: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Bundeswettbewerbsbehörde (Wettbewerbsgesetz – WettbG) erlassen und das Kartellgesetz 1988, das Strafgesetzbuch und das Bundesfinanzgesetz 2002 geändert werden. (Präsidentin Pühringer übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte.

13.41

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Es ist nicht so, dass ich mich deshalb als einziger Kontraredner gemeldet habe, damit ich einmal aus dem Windschatten von Herrn Aspöck trete. Das ist nicht der Fall, sondern .... (Bundesrat Dr. Böhm: Der SPÖ!) Auch das nicht, wobei ich neugierig bin, die Argumente der SPÖ zu hören, auf Grund deren sie diesem Gesetz letztlich doch zustimmt, was ich nicht verstehe. – Das zum einen, aber so ist es eben.

Das Gesetz erinnert ein bisschen an die Tradition, gegen die die Freiheitliche Partei so lange aufgetreten ist, an diesen rot-schwarzen Doppelproporz, den man herstellt, indem man Dinge verdoppelt. Jetzt bekommen wir ein Bundeskartellamt und eine Wettbewerbsbehörde, das eine in einem schwarzen Ministerium, das andere in einem blauen, zumindest blau zuordenbaren. – Das ist einmal eine Sache, die hier besonders auffällt.

Zweiter Punkt: Erlauben Sie mir, als Mediensprecher meiner Partei doch vor allem auf den Bereich der Medienpolitik einzugehen. Letztlich gingen die Initiativen zu dem neuen Kartellgesetz doch von jenen denkwürdigen Erlebnissen und Ereignissen aus, in deren Folge der Herr Minister sagte: Jetzt machen wir ein Kartellgesetz, das seinen Namen auch verdient!


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Ich habe mir damals erlaubt zu sagen: Das habe ich schon von vielen Ministern gehört, und ich glaube es nicht, dass solch ein Gesetz kommen wird. – Der Herr Minister hat Wort gehalten, das Gesetz liegt da, und es ist auch ein Gesetz, das in einigen Bereichen durchaus positive Ansätze enthält. Es drängt nämlich einen Bereich zurück, und zwar jenen der Sozialpartner, die bei jenem Ereignis, das zum Auslöser dieses Gesetzes wurde, nicht gerade eine glückliche Figur abgegeben haben. Österreich ist aber ein Land, das in seinem Medienmarkt ausschließlich mit Marktbeherrschung konfrontiert ist – egal, ob das jetzt bundesweite Marktbeherrscher oder Konzerne sind oder ob das regionale Marktbeherrscher sind, wobei mitunter die regionalen Marktbeherrscher derzeit in der Realität am regionalen Markt sogar noch eine größere Wirksamkeit haben als bundesweite Marktbeherrscher.

Zu den Verbesserungen gehört sicherlich auch die Erweiterung der Anwendungsmöglichkeiten von Enflechtungsmaßnahmen im Falle eines Missbrauchs.

Ich verstehe allerdings nicht, warum nur Amtsparteien – das Bundeskartellamt oder die Wettbewerbsbehörde – die Prüfung von Zusammenschlüssen beantragen können. Was ich noch weniger verstehe, liebe Kollegen auch von der Sozialdemokratie, ist, warum ausschließlich die Arbeiterkammer die Interessen der KonsumentInnen vertritt. Das ist Geschichte! Wenn man das an dem Punkt betrachtet, der zur Auslösung dieses Gesetzes führte, dann stand wohl die Arbeiterkammer damals in einem beschämenden Licht da. Dieses Gesetz aber macht bei der Missbrauchsaufsicht und Fusionskontrolle wiederum die Arbeiterkammer – ausgerechnet die Arbeiterkammer, die schon eine so seltsame Rolle gespielt hat – zum Vertreter der Interessen der KonsumentInnen. Es gibt heute doch neue Vereinigungen verschiedenster Art, die die Interessen von Konsumentinnen und Konsumenten vertreten, und denen hätte man eine erweiterte Antragsmöglichkeit einräumen müssen.

Trotzdem wurde allein die Arbeiterkammer mit diesem Recht ausgestattet. – Sie alle kennen das Urteil des Kartellgerichts und wissen, dass eine Richterin zu 90 Prozent auf der Seite argumentiert hat, warum man einen solchen Zusammenschluss nicht bewilligen dürfte, und dann in den letzten 10 Prozent nüchtern festgestellt hat: Aber die beiden Sozialpartner wollten es nicht so. – Das heißt, die gerichtliche Entscheidung wurde hier "overrolled" – und das sollte hier und jetzt nicht zur Verleihung eines "Ordens" für die Arbeiterkammer dadurch führen, dass sie erneut mit dem alleinigen Antragsrecht ausgestattet wird.

Medienfreiheit und Medienvielfalt sind in einer Demokratie von ganz besonderer Bedeutung. Deshalb ist es auch notwendig, dem wirtschaftlichen Wettbewerb in einer Weise zu begegnen, die darin besteht, dass man sagt: Hier kann nicht nur die Kraft des freien Markts wirken, weil nämlich dann die Medienvielfalt untergeht. – In diesem Zusammenhang ist ein Kartellrecht von ganz besonderer Bedeutung.

Dieses Kartellrecht – und das, Herr Bundesminister, muss, bei allen positiven Bemühungen, die im Zusammenhang mit diesem Gesetz unternommen wurden, angemerkt werden – zielt auf eine noch konservative Sicht des Kartellrechts oder der Definition des Missbrauchs ab, indem nämlich nur wettbewerbsbezogene, wirtschaftliche Missbräuche geahndet werden sollen. Dass das wichtig ist, Herr Bundesminister, darüber sind wir alle uns hier in diesem Haus einig. Aber es gibt darüber hinaus auch noch verschiedene andere Arten von Missbräuchen, die wir feststellen:

Zum einen bestehen diese darin, dass die marktbeherrschenden Konzerne natürlich auch einen Missbrauch als Arbeitgeber betreiben können, nämlich wenn sie allein einen Markt, zum Beispiel eines Bundeslandes, auch als Arbeitgeber beherrschen.

Das Zweite ist, dass der Missbrauch auch in der wirtschaftlichen Ausnützung der publizistischen Macht bestehen kann, auch hinsichtlich der eigenen Stellung.

Wir hätten uns dringend gewünscht, dass nicht nur der wettbewerbsbezogene wirtschaftliche Missbrauch geahndet wird, sondern – pro futuro und in einem neuen Licht gesehen – auch jener der Arbeitgeberrolle und auch jener der publizistischen Machtausnützung.


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Wenn wir uns heute den österreichischen Markt anschauen, so sehen wir, dass wir drei große Konzentrationen haben: Die eine Konzentration sind die Eigentümer, die zweite Konzentration ist der Werbemarkt, und die dritte ist der Vertrieb.

Für den Vertrieb brauchen wir ein Presseförderungsgesetz. Da brauchen wir eine Gegenwirkung, die vom Monopol der Vertriebe wegführt. Das geht nur, wenn man mittels des Presseförderungsgesetzes entgegenwirkt.

Bei den Eigentümerstrukturen brauchen wir das Kartellrecht, das heute vorliegt.

Und den dritten Bereich, den Werbemarkt, kann man, so denke ich, getrost dem Markt überlassen. Dieser wird sich auch dort letztlich klären.

Wichtig wäre uns im Zusammenhang mit der Novellierung des Kartellgesetzes auch eine juristische Bestimmung ex nunc gewesen, nämlich dass wir davon ausgehen, dass eine Marktbeherrschung, als die jetzt ein Marktanteil von ab 30 Prozent angesehen wird, nicht ab heute, ab dem Zeitpunkt der Gesetzeswerdung existiert, sondern dass wir auch frühere Zusammenschlüsse unter diesem Aspekt betrachten und auch – so wie auch in anderen europäischen Ländern – eine rückwirkende Entflechtung ermöglichen. Mit diesem Kartellrecht bewirken wir nämlich, dass wir all das, was wir bisher an Konzentration haben, nach der Art "urbi et orbi" absegnen: Alles, was bisher zusammengeschlossen ist, ist zusammengeschlossen; und alles, was sich künftig fusionieren wird, fällt nun unter die Bestimmungen dieses Kartellrechtes.

Damit ist dieses Gesetz im Grunde eine Schutzbestimmung für bestehende marktbeherrschende Strukturen, und letztlich entzieht es Medienunternehmen dieser Konzentrationskontrolle.

Ich bedauere sehr, dass dieser Vorgang hier eine so große und überwältigend ausgestattete Mehrheit erhält. – Danke.

13.50

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte, Herr Minister.

13.50

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte auf die Ausführungen des Herrn Bundesrates Schennach sofort reagieren, weil ich einige Missverständnisse aufklären möchte.

Erstens: zur Doppelfunktion der Bundeswettbewerbsbehörde und des Bundesanwaltes. Diese ist sinnvoll. Die Bundeswettbewerbsbehörde ist eine Behörde, die auch andere, sehr breit gefächerte Aufgaben hat und sie ist weisungsfrei gestellt. Trotzdem kann es passieren, dass von ihr Vereinbarungen geschlossen oder Zusammenschlüsse akzeptiert werden, die einer anderen Betrachtung, einer vielleicht noch kritischeren Betrachtung, nicht standhalten, und dazu gibt es den Bundesanwalt, der auch weisungsgebunden ist.

Wir haben hier unaufgefordert von amerikanischer Seite Unterstützung bekommen. Es gibt einen berühmten Wirtschaftswissenschafter, der in Österreich einen Vortrag gehalten hat, und in diesem wurde uns ausdrücklich bestätigt, dass diese zweifache Ausprägung keine unnötige Doppelgleisigkeit ist, sondern sehr guten Sinn macht.

Ich glaube, Herr Bundesrat, Sie haben das Thema hier nicht ganz richtig dargelegt, indem Sie das so gebracht haben, wie Sie es getan haben. Außerdem kostet der Bundesanwalt praktisch nichts: Es gibt dafür eine Planstelle, vielleicht zwei; das ist schon sehr billig. Das muss man bitte auch akzeptieren. Die Bundeswettbewerbsbehörde ist von der Funktionalität her sehr geschickt eingerichtet.

Was den Missbrauch anlangt, haben Sie, so glaube ich, übersehen, dass Missbräuche, die jetzt stattfinden, auch dann, wenn sie alte Wurzeln haben, jetzt geltend gemacht werden können.


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Sie haben Recht, dass im Zusammenschlussverfahren nur die Amtsparteien tätig werden konnten und dass das im Prinzip so beibehalten wird. Dies erfolgt aber aus gutem Grunde, nämlich um die Werkspionage – um es banal auszudrücken – zu unterbinden. Es könnte ja ansonsten der Konkurrent unter dem Vorwand, er beteilige sich am Verfahren, in die Bücher des Konkurrenten schauen, und das wollen wir in dieser Variante nicht.

Aber – was Sie übersehen haben, Herr Bundesrat – bei einem Missbrauchstatbestand kann jeder Konkurrent das Kartellgericht anrufen. Hier ist also diese Restriktion, die Sie kritisiert haben, nicht gegeben.

Ich möchte auch in Erinnerung rufen, dass die Medienvielfalt neu definiert wurde. Man kann durchaus zugestehen, dass das vielleicht ein kleiner Fall der Anlassgesetzgebung ist, aber Medienvielfalt heißt in Zukunft Medieneigentümer vielfalt und nicht Medientitel vielfalt.

Ansonsten teile ich, wie, so glaube ich, sehr viele Österreicher – ich nehme an, das ist eine große Mehrheit im gesamten Land –, Ihre Sorge vor den Zusammenschlüssen. Da muss man sehr viel Aufmerksamkeit an den Tag legen. Man darf auch nicht verschweigen, dass natürlich das ausländische Kapital auch nach den österreichischen Medien greift. Hier müssen wir ganz besonders sorgfältig sein.

Ich habe das auch im Nationalrat schon gesagt. Ich stehe zu jedem dieser Worte, die ich im Nationalrat zu diesem Thema gesagt habe. Wir sind kein Einwanderungsland für ausländisches Kapital im Medienbereich. Wir wollen das nicht. Wir wollen eine Medienvielfalt, die unsere Medien belebt und nicht von riesigen ausländischen Konzernen diktiert oder mitdiktiert wird. Darin sind wir uns völlig einig, und ich wiederhole das, was ich im Nationalrat gesagt habe: Ich stehe diesbezüglich jederzeit zu Gesprächen zur Verfügung und stehe Verbesserungsvorschlägen offen gegenüber. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.54

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herwig Hösele. – Bitte, Herr Bundesrat.

13.54

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Verehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister, für Ihre klarstellenden Worte zu den Ausführungen des Kollegen Schennach, der in vielerlei Hinsicht sehr bedenkenswerte Dinge angesprochen hat, aber ich glaube, die Schlussfolgerungen, die Sie gezogen haben, mit zu bedenken ist auch sehr wichtig.

Zu Kollegen Schennach möchte ich überhaupt ganz allgemein feststellen: Bei allen Vorbehalten und Sorgen, die man haben mag, und auch bei aller Unzufriedenheit, die man verspüren mag – man kann immer Kritik üben, und man kann immer sagen, es ist zu wenig –, aber vor die Alternative gestellt, einen kleinen oder mittleren Fortschritt oder aber gar keinen Fortschritt zu erzielen, sage ich: Lieber einen Fortschritt als keinen Fortschritt! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte aus Überzeugung feststellen, dass die Einrichtung einer unabhängigen Bundeswettbewerbsbehörde und die Novellierung des Kartellgesetzes, die durch dieses Bundesgesetz erfolgen, nicht nur einen kleinen Fortschritt, sondern auch einen wichtigen Fortschritt darstellen, also sogar einen größeren Fortschritt. Dieses Gesetz ist aus mehreren Gründen, vor allem aus zwei Gründen besonders begrüßenswert:

Ich habe, genauso wie Sie, Kollege Schennach, und die meisten Kolleginnen und Kollegen, in den letzten 25 Jahren anlässlich von Medienkonzentrationsprozessen und auch Handelskonzentrationsprozessen immer ein kurzes, heftiges, aber mehr oder minder folgenloses Räsonieren über diese ach so furchtbar zahnlose Kartellgesetzgebung und darüber, dass der Staat nichts unternimmt, erlebt. Diese Diskussionen sind nach dem jeweiligen Anlassfall dann immer relativ rasch eingeschlafen, um dann wieder heftig zu erwachen. Jetzt möchte ich doch feststellen: Diesmal ist gehandelt worden.


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Zweitens – und das möchte ich in Richtung SPÖ sagen –: Es ist durch den breiten Konsens der beiden Regierungsparteien und der großen Oppositionspartei eine Verfassungsmehrheit und damit die Schaffung einer unabhängigen Wettbewerbsbehörde möglich geworden. Das ist ein gutes Zeichen für den demokratischen Grundkonsens, wie er leider etwa im Zusammenhang mit der Medienpolitik nicht möglich war. Diese staatspolitisch verantwortungsbewusste Haltung der SPÖ beim Kartellrecht und bei der Wettbewerbsbehörde – wie es sie erfreulicherweise auch beim Nationalen Sicherheitsrat gegeben hat – ist positiv hervorzuheben.

In einem möchte ich Ihnen jetzt noch Recht geben, Kollege Schennach: Die Gleichstellung "Arbeiterkammer ist gleich Konsumenteninteresse" ist für mich auch außerordentlich fragwürdig. Vielleicht hat der Herr Minister beim VKI auch daran gedacht.

Mit dem heutigen Beschluss zeigt die Republik auch ordnungspolitisch Flagge: ein klares Nein zu einem Marktfundamentalismus, der glauben machen will, der Markt könne alles und jedes regeln. Es ist doch sehr interessant, wenn George Soros, einer der größten Gewinner eines ungeregelten Devisenmarktes, letzte Woche im "Spiegel" ausgeführt hat – ich zitiere –:

"Märkte an sich kennen keine Moral, das macht sie so effizient. ... Doch was Marktfundamentalisten gern übersehen, ist die Tatsache, dass Gesellschaften nun einmal nicht wie Märkte funktionieren, zumindest nicht die Art von offener Gesellschaft, wie wir sie wollen." – Zitatende.

Mit den heutigen Gesetzesbeschlüssen wird zumindest im Zusammenhang mit weiteren Monopolisierungs- und Konzentrationsproblemen, mit den weiteren Gefahren von Marktmissbrauch und Wettbewerbsbeschränkungen ein Zeichen für den Primat der Politik gesetzt, um Rahmenbedingungen für die Marktentwicklung zu setzen.

Neben der unabhängigen Wettbewerbsbehörde beim Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft wird – der Herr Bundesminister hat das schon ausgeführt – ein Bundeskartellanwalt im Ressortbereich des Justizministeriums geschaffen. Diese beiden Bereiche sollen keine – auch das haben Sie vorhin ausgeführt – parallel agierenden, miteinander konkurrierenden Einrichtungen sein, sondern sich in ihrer Aufgabenerfüllung ergänzen. Denn ein funktionierender Wettbewerb liegt im Interesse der Wirtschaftspolitik, des funktionierenden Binnenmarktes, der Standortpolitik und vor allem des Konsumentenschutzes.

Ich möchte im Hinblick auf die Meinungs- und Medienvielfalt, die erfreulicherweise ebenfalls im § 35 besser definiert ist, festhalten, dass in diesem Zusammenhang diese Gesetzwerdung ein demokratiepolitisches Anliegen ersten Ranges vertritt.

Es werden auch wirksamere und finanziell einschneidendere Sanktionen gegen Gesetzesverstöße verankert, zum Beispiel im § 142 Kartellgesetz.

Mein Dank gilt allen, die am Zustandekommen dieser Gesetze mitgewirkt haben, insbesondere auch den beiden Bundesministern. Diese Gesetze sind in summa ein wichtiger demokratiepolitischer, wirtschaftspolitischer und konsumentenschutzpolitischer Fortschritt. Meine Fraktion wird ihnen daher gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.00

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher. – Bitte, Herr Bundesrat.

14.00

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich gestehe, etwas unsicher zu sein, weil ich mich nämlich den Ausführungen aller drei Vorredner anschließen kann, daher kann ich nicht ganz ausschließen, dass in meinen eigenen Überlegungen irgendwo ein Denkfehler enthalten ist. Ich muss also meine eigene Rede noch einmal kritisch durchgehen.

Kollege Schennach! Ich habe kurz überlegt, meine Rede überhaupt zurückzuziehen und die Grünen im Unklaren zu lassen darüber, warum wir zustimmen, aber ich möchte fair sein.


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Ehrlich gesagt, habe ich den Ausführungen nicht ganz entnehmen können, warum die Grünen nicht zustimmen. Die Kritik, was den Medienbereich angeht, ist nachvollziehbar; das ist überhaupt keine Frage. Es ist aber auch die Antwort des Bundesministers nachvollziehbar.

Ich glaube, dass das Gesetz auch in diesem Bereich Verbesserungen bringt. Das Problem, dass in der Vergangenheit Dinge passiert sind, die nicht hätten passieren sollen, ist unbestreitbar, wiewohl, wie ausgeführt wurde, im Verfahren eines fortgesetzten Marktmissbrauches hier neuerlich Möglichkeiten gegeben sein werden, einzuschreiten. Was die Möglichkeit betrifft, rückwirkend per Gesetz eine Entflechtung vorzunehmen, hege ich ernste Bedenken – auch als Geschäftsführer eines nicht allzu kleinen Unternehmens, der Interesse hat, wirtschaftlich zu agieren.

Zum Gesetz selbst: Ich meine, mit dem Gesetz liegt uns heute eine Materie vor, die – ginge es nach Kollegen Maier, der heute leider nicht hier sein kann – eigentlich gar nicht behandelt werden dürfte, denn so etwas wie Marktversagen gibt es seiner Meinung nach nicht; das hat er hier mehrfach betont. Dennoch hat sich die Bundesregierung entschlossen, den kartell- und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften der Vergangenheit ein weiteres Kapitel hinzuzufügen. Und da man auch für eine international kompatible Lösung eingetreten ist, für die man eine Verfassungsmehrheit benötigt, ist man wieder einmal an die SPÖ herangetreten, in Verhandlungen einzutreten – wie man dies zumeist dann tut, wenn es um eine Verfassungsmehrheit geht.

Nach der FMA in der vergangenen Sitzung gibt es nunmehr die nächste wirtschaftsrelevante Aufgabenstellung, der wir zustimmen werden, eben mit Verfassungsbestimmung, weil ihre Bewältigung einer sachlichen und kooperativen Diskussion entspringt, wiewohl dieser Diskussionsprozess – das wurde mehrfach betont – sicher noch nicht beendet ist.

Die zu lösende Problematik hat ihre Wurzel darin – ich glaube, auf den Medienbereich speziell nicht mehr eingehen zu müssen –, dass Märkte nur unter "Laborbedingungen" – unter Anführungszeichen – effizient agieren und bereits das Fehlen vollständiger Information – das ist der Regelfall in der Realität des Wirtschaftslebens – zum Versagen der Märkte führt, in unterschiedlichem Ausmaß und sicher auch mit unterschiedlichen Konsequenzen.

Da also die vielzitierten unsichtbaren Hände in Wirklichkeit deshalb unsichtbar sind, weil sie nicht existieren, benötigen Märkte in der Regel gewisse Aufsichts- und Regulierungssysteme. Die Marktwirtschaft neigt eben in bestimmten Bereichen dazu, genau das, was sie selbst als höchstes Ziel bewertet, nämlich den freien Wettbewerb, aus sich selbst heraus zu behindern und letztendlich zu beseitigen. Dort, wo nicht die Ordnungspolitik anderes gebietet – auch diese Fälle gibt es zweifelsohne –, sind Kartelle, Oligopole und Monopole in jeder Hinsicht suboptimal, sowohl für den Konsumenten als auch für die Gesamtheit der Wirtschaftstreibenden.

Es ist durchaus verständliches Ziel jedes im Wettbewerb befindlichen Unternehmens, den Markt beherrschen zu wollen, es ist aber auch durchaus verständliches Ziel einer sinnvollen Wettbewerbspolitik, genau dies zu unterbinden. Das muss, so glaube ich, insbesondere auch dann beachtet werden, wenn man einer Liberalisierungs- und Deregulierungspolitik ohne Wenn und Aber huldigt. Deregulierung bringt ohne Zweifel kurzfristig mehr Wettbewerb – das ist keine Frage –, mittelfristig birgt sie ohne begleitende Regulierung aber die Tendenz zu oligopolistischen und monopolistischen Strukturen in sich – mit all den negativen Begleiterscheinungen wie zu geringe Leistungsbereitstellung, zu hohe Preise, mangelhafte Qualität und so weiter, also all das, was unter dem Begriff "Marktversagen" zu subsumieren ist. Empirische Beispiele aus den Bereichen Telekommunikation, Bahn, Medien, kommunale Versorgung, Energie sind international vielfach eindrucksvoll belegt.

Wettbewerb ist in vielen Bereichen etwas Positives, führt zu Weiterentwicklungen, begünstigt Konsumenten ebenso wie den Arbeitsmarkt, und schon aus diesem Grund sind sinnvolle Überarbeitungen wettbewerbsrelevanter Vorschriften zu begrüßen.

Die Mängel des bisherigen Systems, das schon mit der Kartellgesetznovelle 1999 deutliche Verbesserungen erfuhr, sind vielfach diskutiert worden. Ich möchte nur einige Punkte noch


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einmal erwähnen: Das effiziente amtswegige Aufgreifen von kartellrechtlichen Angelegenheiten war schwer erreichbar. Die Mitwirkungsbefugnisse gestalteten sich mangelhaft. Die europäische und die nationale Ebene waren eigentlich schlecht vernetzt. Die personellen Ressourcen waren insbesonders beim Kartellgericht in keinster Weise ausreichend. Es gab eine zumindest optisch unschöne Verquickung der Rollen von Richter und Ankläger. Und der Druck auf die Amtsparteien – auch das wurde unter anderem von Kollegen Schennach erwähnt – war von Seiten verschiedenster Lobbies sehr groß; auch bei der Arbeiterkammer, keine Frage.

Allerdings muss man in diesem Zusammenhang schon erwähnen, dass es gerade die Arbeiterkammer war, die in vielen Fällen da eingeschritten ist; im Gegensatz etwa zur Wirtschaftskammer – das wurde auch in der Nationalratsdebatte von allen Parteien so festgehalten –, wiewohl die Wirtschaftskammer eigentlich als Erste der Anwalt des freien Wettbewerbes sein sollte.

Zielsetzung waren daher für meine Fraktion in den Verhandlungen mit den Regierungsparteien unter anderem: eine institutionelle Unterstützung des Kartellgerichts durch eine weisungsungebundene Behörde, eine bessere Ausstattung mit personellen Ressourcen bei den zuständigen Einrichtungen, die Schaffung einer effizienten Aufgriffsstruktur, die Beschleunigung der Verfahrensdauer sowie die Ermöglichung einer größeren Transparenz in der Wettbewerbspolitik. Zumal die Wettbewerbspolitik von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen werden soll, war auch uns die weitere Einbindung der Sozialpartner, wenn auch nicht als Amtsparteien, ein wichtiges Anliegen.

Bei den erwähnten Parteiengesprächen konnte letztlich ein Kompromiss gefunden werden, der die vorliegende Materie zwar, wie gesagt, sicher nicht abschließend regelt, der aber doch, glaube ich, eine durchaus herzeigbare Reform ermöglicht. Die Schaffung der Wettbewerbskommission etwa wird den Druck, wettbewerbsbeschränkende Aktivitäten überhaupt aufzugreifen und zu untersuchen, erhöhen, zumal auch Transparenz mit der Veröffentlichungspflicht im Internet besteht.

Jedes Kommissionsmitglied – das war uns auch wichtig – ist zudem berechtigt – natürlich unter Einhaltung der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht, das ist klar –, Einsicht in die Unterlagen zu nehmen. Im Rahmen des Amtshilfeverfahrens wurde eine Vernetzung mit den Regulierungsbehörden erreicht.

Von besonderer Bedeutung erscheint mir auch die nunmehrige Normierung erheblicher Bußgelder, die nicht mehr aus der Portokassa bezahlt werden können. Bis dato war es bei einschlägigen Verfahren so, dass sie fast als Kavaliersdelikt behandelt wurden, Haftstrafen wurden ohnehin nicht verhängt, wiewohl ich ohnehin meine, dass da Haftstrafen fehl am Platz wären, weil sie in der Regel den Falschen und sicher nicht den sozusagen verantwortlichen Unternehmenseigentümer treffen würden. Ich hätte mir jedoch bei den Geldbußen eine Zweckbindung für wettbewerbsfördernde Maßnahmen gewünscht – aber wünschen darf man sich viel.

Die Verschärfung des Rückabwicklungsrechtes hingegen, die ebenfalls enthalten ist, ist eher als symbolische Geste aufzufassen, da es nach wie vor in der praktischen Abwicklung relativ schwierig sein wird, rückwirkend zu entflechten. Das muss einem auch klar sein!

Ich glaube, um das zusammenzufassen, dass das hier gewählte Gerichtsmodell durchaus zielführend ist: Gerichte sind in der Regel weit weniger unter Druck setzbar als Behörden, selbst wenn diese Behörden unabhängig sind.

Zur Unabhängigkeit der Behörden muss man etwa nur § 6 heranziehen, der da lautet: "Der Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde wird auf Vorschlag der Bundesregierung ... ernannt. Neuerliche Ernennungen sind zulässig." – Dem braucht man, so glaube ich, nichts mehr hinzuzufügen.

Bleibt man bei der Gerichtsbarkeit, dann muss man dem Gericht eben eine Behörde vorlagern, die für effiziente Aufgriffsstrukturen sorgen kann! Einerseits kommt es also zu einem Zurückdrängen politischer Einflussmöglichkeiten, andererseits – und da kommen wir zum Kartell


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anwalt – wird die Politik auch nicht ganz aus ihrer Verantwortung entlassen, zusätzlich gibt es eben diesen weisungsabhängigen Kartellanwalt. Da ist eine Doppelgleisigkeit gegeben, das ist keine Frage, sie macht aber in gewisser Weise Sinn. Es ist – da muss ich Kollegen Hösele widersprechen – unter Umständen doch ein gewisser Wettbewerb zwischen den Behörden zu erwarten, was hier sozusagen ein sinnvoller Wettbewerb sein kann. Und vor allem kann nunmehr die Politik einen Prüfantrag nicht verhindern, sie kann ihn aber einleiten, wenn es etwa die Behörde nicht tut.

Bleibt als Kritik trotzdem die große Vielfalt an nebeneinander bestehenden Einrichtungen und gesetzlichen Vorschriften – wie gesagt: Drei stehen für Wettbewerbspolitik, zusätzlich eine Reihe von Regulierungsbehörden, teilweise Überschneidungen bei den Zuständigkeiten. Ich glaube, dass das Ziel einer Gesamtkonsolidierung weiterhin bestehen bleibt, aber die konstruktiven Parteiengespräche haben uns zu einer durchaus zielführenden Lösung geführt. Auch ich möchte mich bei den Beamten bedanken, insbesondere bei den Beamten des Wirtschaftsministeriums, die hier über lange Jahre unbestreitbare Kompetenz in Wettbewerbsfragen aufgebaut haben, und natürlich auch beim Justizministerium. Wir werden zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

14.09

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Ich darf kurz die Rednerliste unterbrechen, weil ich jemanden in unserer Mitte begrüßen möchte.

Es ist mir eine ganz besondere Ehre und auch Freude – das betone ich –, die Präsidentin des australischen Senats, Margaret Reid, die sich für einige Tage in Österreich zu einem offiziellen Besuch aufhält, hier im Bundesrat willkommen zu heißen.

Ich sage bewusst: "auch Freude", weil wir einander in diesen Tagen bereits einige Male begegnet sind. Das dichte Programm, das die Frau Präsidentin hier in Wien hat, hat sie auch einige Male hier zu uns ins Parlament geführt.

Ich freue mich, dass Sie, Frau Präsidentin, die Zeit gefunden haben, zu uns in den Bundesrat zu kommen und auch Ihren Gatten und den Herrn Botschafter mitgebracht haben.

Ich bitte, sehr geehrte Damen und Herren, unsere Gäste gemeinsam herzlich willkommen zu heißen! (Allgemeiner Beifall.)

Frau Präsidentin! Wir sind eigentlich 64 Bundesräte, aber es ist gerade die Zeit, in der viele zum Essen gehen. Ich denke, Sie kennen das auch aus Ihrem Bereich.

Ich darf in der Rednerliste weitergehen. Als Nächster ist Herr Bundesrat Dr. Robert Aspöck zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.10

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin Reid! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann meine Ausführungen jetzt wirklich ganz kurz fassen.

Nachdem diese Materie fast mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen werden wird und meine Vorredner alles gesagt haben, inklusive der Aufklärung durch den Herrn Bundesminister über den Medienbereich, darf ich mich darauf beschränken, der SPÖ dazu zu gratulieren, dass sie wenigstens in diesem Punkt von ihrer Fundamentalopposition wieder zu einer konstruktiven Mitarbeit gelangt ist (Zwischenrufe bei der SPÖ) und bei diesem Entwurf mitstimmt. – Ich danke herzlich! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.1


Bundesrat
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686. Sitzung / Seite 88

1

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

14.12

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte mich noch einmal ganz kurz zu Wort melden, weil es auch für mich ein Bedürfnis ist, dem Wirtschaftsminister und seinen Beamten für die produktive und sehr sachkundige Zusammenarbeit zu danken. Ich bedanke mich bei Herrn Dozenten Dr. Handler, bei dem anwesenden Herrn Ministerial Dr. Fuchs, bei Herrn Dr. Auer und bei dem ebenfalls anwesenden Herrn Dr. Mayer.

Es ist gut, wenn unsere Beamten merken, dass nach der monatelangen Arbeit, die sie oft sehr aufopfernd durchführen und die dann ihre Früchte trägt und die auch zu einer guten Stimmung im Plenum führt, für sie persönlich noch eine Sekunde vorhanden ist, um ihnen ein Dankeschön zu sagen. Wir können hoffen, dass wir dadurch weitere Konsensmaterien zu Stande bringen. (Allgemeiner Beifall.)

14.12

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Damit ist die Debatte geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenzrechtseinführungsgesetz, die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, das Finalitätsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Insolvenzrechts-Novelle 2002 – InsNov. 2002) (988 und 1048/NR sowie 6619/BR der Beilagen)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung, die Zivilprozessordnung, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Grundbuchsgesetz, das Grundbuchsumstellungsgesetz und das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2002) (962 und 1049/NR sowie 6620/BR der Beilagen)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir kommen nun zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

eine Insolvenzrechts-Novelle 2002 und

eine Zivilverfahrens-Novelle 2002.


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Die Berichterstattung über diese beiden Punkte hat Frau Bundesrätin Anna Schlaffer übernommen. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Berichterstatterin Anna Schlaffer: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenzrechtseinführungsgesetz, die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, das Finalitätsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Insolvenzrechts-Novelle 2002).

Der Ausschussbericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Des Weiteren bringe ich den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung, die Zivilprozessordnung, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Grundbuchsgesetz, das Grundbuchsumstellungsgesetz und das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2002).

Auch dieser Ausschussbericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen nun in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. – Bitte.

14.16

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Präsidentin Reid aus Australien mit der Delegation! Hoher Bundesrat! Das Problem, das zu dieser Insolvenzrechts-Novelle geführt hat, ist Folgendes: Es hat sich herausgestellt, dass missbräuchlich Unternehmen zu einem unangemessen niedrigen Preis an eine vom Schuldner geführte Auffanggesellschaft verkauft wurden. Dies ist natürlich keineswegs fair gegenüber den Gläubigern.

Es werden mit dieser Novelle zusätzlich auch vereinzelt aufgetretene Mängel der Insolvenzgesetze bezüglich Privatkonkursregelungen beseitigt. Ich möchte einige mir wichtige Änderungen herausstreichen.

Es wurde zum Beispiel festgelegt, dass, wenn auf Grund der EU-Insolvenzverordnung ein Hauptinsolvenzverfahren im Ausland eröffnet wird und der Schuldner bei uns in Österreich eine Niederlassung hat, die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens auch in Österreich öffentlich bekannt zu geben ist.

Weiters wird sichergestellt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu einem möglichst frühen Zeitpunkt vom Masseverwalter verpflichtend über eine Konkurseröffnung ihres Arbeitgebers informiert werden müssen.

Neben weiteren Änderungen wurde auch die Auswahl des Masseverwalters neu geregelt. Das Gericht muss zum Beispiel darauf achten, dass der Masseverwalter Kenntnisse der Betriebswirtschaft, des Insolvenzrechtes und des Steuer- und Arbeitsrechtes hat. Er muss außerdem unabhängig sein und darf kein Naheverhältnis zum Betrieb haben.


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Es ist mir noch ein besonderes Bedürfnis, eine persönliche Bemerkung dazu zu machen: Ein Insolvenzverfahren, sei es betrieblich oder privat, ist für beide Teile unangenehm. Ganz schlimm wird es jedoch, wenn eine Art Kettenreaktion entsteht und andere Betriebe mithineingezogen und dadurch auch insolvent werden.

Es stellt sich die Frage, wo und wie Fehler gemacht wurden und grobe Mängel entstanden sind. Ich denke, dass niemand aus der persönlichen Verantwortung entlassen werden kann, und dessen sollten wir uns alle bewusst sein. Dies gilt für Betriebe gleichermaßen wie für Privatpersonen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.19

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk. – Bitte.

14.19

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Mrs. President! Dear Guests! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir eine kurze Bemerkung zu Kollegen Aspöck und seiner immer wieder in den Mund genommenen Formulierung "Fundamentalopposition". (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck. )

Herr Kollege Aspöck! Gute und erfolgreiche Oppositionspolitik oder Politik überhaupt zu betreiben, das setzt voraus, dass man ein gutes politisches Fundament hat. Und auf diesem Fundament fühlt sich die SPÖ sowohl als Regierungs- als auch als Oppositionspartei sehr wohl! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Aspöck: Deshalb haben ja wir uns als Oppositionspartei verfünffacht!)

Nun aber zu den vorliegenden Gesetzesmaterien: Einen Teilbereich, nämlich die positiven Aspekte dieser gesetzlichen Änderungen, hat Kollegin Giesinger bereits angesprochen. Wie auch im Nationalrat, Herr Bundesminister, verhehlt die SPÖ in diesen speziellen Fragen nicht die Zustimmung zu dieser Tatsache.

Neben den positiven Aspekten gibt es aber auch bedenklich Hintergründiges. Der Herr Minister weiß, wovon ich spreche: Hintergründiges insofern, als in der ursprünglichen Regierungsvorlage beabsichtigt war, das Rechtsmittel des Widerspruchs gegen das Versäumnisurteil zu streichen, das heißt, es nicht mehr zu ermöglichen.

Dass es da zur Zusammenarbeit und Kooperation mit den Oppositionsparteien gekommen ist, dass es ein sehr lautes und nachweislich sehr effizientes Expertenveto gegeben hat, hat dazu geführt, dass diese bedenkliche Passage aus dem Gesetz genommen wurde. So gesehen ist auch die sozialdemokratische Fraktion mit dieser Passage einverstanden.

Geschätzter Herr Minister! Die Tatsache – und das ist nur ein kleines Beispiel –, dass beabsichtigt war, das Rechtsmittel des Widerspruchs, ein klassisches Konsumentenrecht, ein Recht des Konsumenten von Gesetzen, so quasi zu streichen, kann nicht, wie ich einmal annehme, aus dem Geist entstanden sein – Sie werden das dann erläutern und erklären –, dass man da eine Effizienzsteigerung erzielen und Verfahren beschleunigen möchte.

Bedauerlicherweise finde ich das durch Ihre jüngsten Äußerungen, Herr Bundesminister, bestätigt, und zwar bezüglich der – in Wirklichkeit – Liquidierung des Konsumentenschutzvereines durch einfache Streichung der öffentlichen Mittel. Das ist ein Geist, den ich in dieser Form in der Republik Österreich weder in einem Gesetz noch in der praktischen politischen Umsetzung gelebt haben möchte.

Herr Minister! Sie sind ein Experte aus dem juristischen Bereich – Ihre renommierte Kanzlei Böhmdorfer ist dafür bekannt. Sie sind als Experte Minister geworden, und ich denke, dass auch Ministern zugestanden werden muss, ihnen aber auch abverlangt werden muss, dass sie sich insbesondere um Bereiche, für die sie Änderungen angedroht haben, kümmern. – Sie sagen, eine andere Führungsgruppe solle da kommen. Da muss ich aber nicht gleichzeitig alle Fördermittel streichen, das eine hat mit dem anderen nicht ursprünglich etwas zu tun, wenn


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man diese positive Arbeit nicht durch eine andere Form, durch andere Tätigkeiten oder Experten ersetzen will.

Herr Minister! Ich ersuche Sie, ich fordere Sie dazu auf und gestehe Ihnen zu, dass sich auch ein Experte als Politiker die Zeit nehmen sollte, eine Ankündigung wie jene, den Konsumentenschutzverein zu liquidieren, zu überdenken. Es zeugt auch von Qualität, von gelebter Politik, wenn man dann, wenn man vielleicht das eine oder andere nicht berücksichtigt hat, am Ende des Nachdenkprozesses zur Erkenntnis kommt, dass eine Liquidierung dieser erfolgreichen Institution nicht vonnöten ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein zweiter, durchaus positiver Bereich – das wurde auch schon angesprochen – ist der legistische Versuch der Einschränkung des nachweislichen, exzessiv praktizierten Missbrauchs im Falle von Konkursen und Insolvenzen. Das ist tatsächlich ein Problem, und ich denke, das verbindet alle Parteien und vereint auch alle ideologischen Positionierungen. Dass mit diesem Gesetz ein erster Ansatz gemacht wurde, dieses große, auch volkswirtschaftliche, nicht nur betriebswirtschaftliche Problem in den Griff zu bekommen, ist zu begrüßen, aber ich denke, wir sollten uns auch anschauen, wie dann die Praxis ausschaut.

Ich sage das nicht, weil ich eine Pessimistin bin, sondern ich kann mir durchaus vorstellen, dass trotz des Elements, dass jetzt ein Gläubiger-Ausschuss obligatorisch eingesetzt werden muss, der seine Zustimmung geben muss, wenn es nach einer Auffanggesellschaft zu einer neuen Betriebsübernahme kommt – das kann sich sehr positiv auswirken, aber wir wissen, Herr Minister, es gibt auch in unserem Land sehr trickreiche Menschen –, trickreiche Menschen die gute Absicht dieser Intention wieder ad absurdum führen. Nach einem Erfahrungszeitraum von ein, zwei Jahren sollte man dann Rechnung legen und überprüfen, ob das so geschehen ist.

Es ist durchaus anzumerken, dass die Befristung für Sachverständige eine positive Angelegenheit ist. Ich stehe auch nicht an, hier den Argumenten einiger Abgeordneter aus dem Nationalrat, die ich nicht wiederholen muss, weil Sie sie ohnehin kennen, zu folgen. Sie müssen Ihre Ministerzeit im Nationalrat und bei uns im Bundesrat – ich wollte schon sagen: absitzen, das sage ich nicht  – verbringen, und daher erspare ich mir eine Wiederholung dieser Argumente.

Ich denke, das ist äußerst positiv, weil es in der Praxis tatsächlich in einigen Bereichen hinsichtlich der Form der Arbeitsweise von Sachverständigen, Befristungen, Zeiträumen, riesige Probleme gibt. Die negativ Betroffenen sind letztlich die Bürgerinnen und Bürger.

Herr Minister! Ich habe, bevor Sie diese Idee von der Liquidierung des Konsumentenschutzvereines hatten, überlegt, hier zu sagen: Ich gestehe der ÖVP zu, dass sie von einem riesigen Reformwerk spricht. Man vergibt sich wenig, wenn man dafür auch einen politischen Preis bekommt. Das heißt, das sind einige positive Ansätze, wir können auch zustimmen.

Herr Minister! Sie machen es mir aber nicht möglich, zuzustimmen. Wenn Ihnen in der Tat in Zukunft keine legistischen Reformen einfallen, die etwa eine Einschränkung der Demokratie bedeuten – wir hatten da einige bedenkliche Gesetze in der Vergangenheit zu verabschieden –, wenn Ihnen nichts mehr zur Relativierung von Verfassungsbestimmungen einfallen würde – und heute am Vormittag sind einige bedenkliche Äußerungen die Verfassung betreffend gefallen, auch wenn das so flott dahingesagt wird –, wenn Ihnen nichts mehr zur Infragestellung der bestehenden Rechtsstaatlichkeit einfallen würde, dann würde ich durchaus gerne sagen: Herr Minister! Das ist ein großes Reformwerk. Ihre jüngsten Äußerungen machen es mir aber nicht möglich, und daher ersuche ich Sie, durchaus im Sinne der politischen Kultur, nicht im Sinne des fruchtlosen, nicht-konzeptiven Auseinandersetzens von Regierung und Opposition, vielleicht noch einmal mit Experten in eine Gesprächsphase einzutreten und vielleicht etwas Besseres daraus zu machen.

Letzter Punkt, der angesprochen werden muss – dieser trifft aber nicht den Justizminister –, ist die Tatsache, dass man in der Frage von Konkursen, nicht vorhandener Liquidität in Zukunft mehr Know-how der österreichischen Politik brauchen wird. Denn Gesetzesmaterien zu


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reformieren, um eine bessere Effizienz zu erreichen, um zu beschleunigen, ist das eine, aber die Tatsache, dass sowohl die Zahl als auch die Höhe der Konkurse im Ansteigen begriffen ist, dass auch Privatkonkurse im Steigen sind, braucht politisches Know-how und eine wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Konzeption, die ein positives Fangnetz errichtet, damit wir diese Gesetze, die an sich sehr gut sind, letztlich nicht in Anspruch nehmen müssen.

In diesem Sinne, Herr Minister, haben Sie Verständnis dafür, gehen Sie in sich, und lassen Sie den Konsumentenschutzverein der Republik Österreich, der so erfolgreiche Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes geleistet hat, auch in Zukunft weiter erfolgreich arbeiten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.28

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

14.29

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Frau Bundesrätin! Ich bedanke mich dafür, dass ich zum VKI etwas sagen kann, Sie haben mir die Möglichkeit dazu eröffnet – ich mache es ganz kurz –, weil mir das ein sehr wichtiges Anliegen ist.

Woher Sie die Idee haben, dass ich den VKI liquidieren möchte, weiß ich nicht. Das höre ich heute zum ersten Mal, Sie haben es vier- oder fünfmal gesagt, ich weiß nicht, woher das kommt, welche Zeitung Sie lesen (Bundesrätin Mag. Trunk: Alle! "Presse", "Salzburger Nachrichten", ...!), welche Medien Sie verfolgen. – Dann müssen Sie es noch ein bisschen genauer lesen.

Ich darf Folgendes sagen – ganz kurz, damit ich niemanden aufhalte, der auf ein anderes Thema eingestellt ist –: Es hat im Jahr 1995 die Republik Österreich mit den Sozialpartnern über Wunsch des damaligen Ministers Ettl – der seit 1991 Konsumentenschutzminister war, als es eine Krise gab – einen Stimmbindungsvertrag abschließen lassen, das heißt einen Vertrag, der ein gemeinsames Vorgehen der vier Sozialpartner und der Republik Österreich im VKI sicherstellen sollte.

Dieser Vertrag wurde vor sechs Monaten aufgekündigt – nicht von uns, sondern von der anderen Seite. Deshalb hat die Republik Österreich für die Mitgliedsbeiträge, die sie bezahlt – das sind 20 bis 30 Millionen Schilling jährlich –, nicht mehr die geringste Kontroll- und Verfolgungsmöglichkeit. Ich habe mich nie eingemischt, was dort zu geschehen hat; ich konnte es aber nach dem Verfassungsprinzip der Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit bei Mittelverwendung von Subventionen nicht mehr verantworten, dass diese Gelder völlig unkontrolliert in den VKI wandern und man uns seitens der Sozialpartner von der Mitarbeit ausschließt.

Ich habe heute eine Pressekonferenz in der Länge von einer Stunde gegeben. Dabei ist eine ORF-Kamera mitgelaufen. Ich persönlich bin damit einverstanden, wenn Ihnen das gesamte Rohmaterial davon zur Verfügung gestellt wird; ich weiß nicht, was gesendet wird. Alle Behauptungen, dass ich den VKI liquidiere, sind falsch. – Richtig ist, dass wir in Zukunft einen freien, unbefangenen Konsumentenschutz wollen – frei von Zugriffsmöglichkeiten der Republik Österreich, aber auch frei von Zugriffsmöglichkeiten der Sozialpartner. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin auch dafür, dass der VKI für alle gesellschaftlich relevanten Gruppen geöffnet wird, und zwar für Senioren (Bundesrat Mag. Gudenus: Bravo!)  – das sind in Österreich zwei Millionen Leute –, für Jugendverbände und noch für viele andere. Alle sollen hineindürfen und nicht, so wie es die Sozialpartner jetzt wollen, in einem Beirat quasi vor der Türe stehen müssen. – So viel sei bitte nur zur Klarstellung gesagt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)


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Ich möchte aber die sachliche Atmosphäre in diesem Hause nicht stören – ganz im Gegenteil! Ich möchte mich für diese bedanken und auf die Sachargumente, die Sie genannt haben, eingehen:

Was den Widerspruch anlangt, so ist es richtig, dass er gleichzeitig mit dem Konsumentenschutzgesetz 1979 eingeführt wurde, aber er ist auch ein Instrument des möglichen Missbrauchs geworden. Nach einer Fallstudie des Oberlandesgerichtes Wien kann man durch missbräuchliche Verwendung oder missbräuchlichen Einsatz des Widerspruches ein Verfahren um bis zu zwei Jahre verzögern. Das hat uns Sorgen bereitet. Kein Konsumentenschutzverband, weder unsere Sektion im Hause, noch die Arbeiterkammer, noch der VKI konnten wirklich drastische Fälle darlegen, denen zufolge der Widerspruch eine negative Entwicklung verhindert hätte. Es war nach meiner restlosen Überzeugung ein Akt des Goodwill, diesen Widerspruch im Gesetz zu belassen; wirklich notwendig dürfte er nach allem, was wir nach wissenschaftlicher Forschung wissen, nicht sein.

Das gab es aber einen sehr klugen Vermittlungsvorschlag der Arbeiterkammer. Daran sehen Sie, wie sehr ich Ihnen dafür auch dankbar bin. Da gab es tatsächlich einen sehr klugen Vermittlungsvorschlag der Arbeiterkammer, die eine neue Variante des Widerspruchs angeboten hat. Diese Variante haben wir aufgegriffen, sie war die Brücke zum vollen Konsens. Ich bedanke mich bei der Arbeiterkammer, auch bei Frau Mag. Kubitschek, die zum Beispiel beim Kartellrecht mitgearbeitet hat, für die Zusammenarbeit. Es war dies wirklich ein Beispiel guter und wirklich produktiver Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern.

Damit komme ich schon zum Ende. Ich halte es für richtig, insbesondere darauf hinzuweisen, Frau Bundesrätin, dass wir heute sehr wohl ein großes Paket beschließen. Beamte unseres Hauses sagen – und ich sage das wertneutral weiter –, dass seit Jahrzehnten kein so großes, gemeinsames Justizpaket im Hohen Hause behandelt wurde. Ich bedanke mich für diese Zusammenarbeit! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Alle Materien, die heute beschlossen werden – Vereinsgesetz, Wohnungseigentumsgesetz, Wettbewerbsgesetz, also Kartellgesetz aus unserer Sicht, und Insolvenzrechtsgesetz inklusive ZPO –, wurden von Herrn Sektionschef Dr. Hopf, der alle diese Abteilungen führt, begleitet. Auch die zuständigen Sachbearbeiter Dr. Haller und Dr. Dimmel sind hier anwesend. Ich bedanke mich bei ihnen, es ist ihnen zu danken, dass sie in vielen schwierigen Phasen nicht den Mut verloren haben, sodass wir heute doch noch einen guten Abschluss finden können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.35

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

14.35

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Präsidentin Reid! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Uns liegt heute – um auch mit den Worten des Herrn Bundesministers zu sprechen – ein umfassendes Paket der Justizreform vor. Lassen Sie mich vorerst in aller Kürze die Insolvenzrechts-Novelle behandeln!

Wie meine VorrednerInnen treffend bemerkt haben, will diese Neuregelung primär einen in der Praxis leider vielfach eingerissenen, schwer wiegenden Missbrauch des Insolvenzverfahrens abstellen, nämlich, wie erwähnt, den Verkauf eines Unternehmens zu einem unangemessen niedrigen Preis an eine Auffanggesellschaft des Schuldners.

Bei einer solchen beabsichtigten Unternehmensveräußerung hat neben dem Konkursgericht künftig – auch das wurde schon erwähnt – auch ein Gläubigerausschuss die Veräußerung zu genehmigen.

Unzulänglichkeiten hat es leider in der Praxis auch bei der Bestellung von Masseverwaltern gegeben. Die Auswahl wird zwar auch künftig durch das Konkursgericht geschehen – das ist


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grundsätzlich auch in Ordnung –, sie muss sich aber an jenem Anforderungsprofil orientieren, das im konkreten Insolvenzfall notwendig ist. Bei fehlender Unabhängigkeit oder sonstigen Bestellungshindernissen ist die als Masseverwalter in Aussicht genommene Person zur entsprechenden Bekanntgabe verpflichtet.

Die Einrichtung einer Insolvenzverwalterliste soll die Gerichte in die Lage versetzen, die Bestellung auf Grund einer verbesserten Übersicht über die dazu geeigneten Personen zu treffen. Die zentrale Führung der Liste beim Oberlandesgericht Linz soll unerwünschte regionale Verflechtungen und Abhängigkeiten nach Möglichkeit verhindern.

Sinnvoll erscheint es auch, die Stellung des Treuhänders im Abschöpfungsverfahren im Zuge des Schuldenregulierungsverfahrens im Konkurs natürlicher Personen zu stärken.

Noch wichtiger ist mir persönlich – das wird man mir von meiner Profession her verzeihen – die Zivilverfahrens-Novelle 2002. Sie bildet zweifellos einen Meilenstein in der neueren Geschichte der österreichischen Zivilprozessreform. In zeitgemäßer Form kehrt sie nämlich zum leider zwischenzeitig oft verwässerten Grundkonzept Franz Kleins von 1895 zurück, das damals – für seine Zeit – ein rechtspolitisch genialer Wurf war und europaweit als Vorbild diente, geht es doch dabei im Wesentlichen um ein zeitloses Dilemma jeglicher Rechtspflege: Auf der einen Seite soll das Prozessergebnis, das richterliche Urteil, möglichst tatsachen- und rechtsrichtig sein, auf der anderen Seite nützt das beste Urteil selbst der erfolgreichen Partei nichts, wenn es zu spät kommt. Das Beklagen überlanger Verfahrensdauer ist daher ein ewiges Thema der rechtspolitischen Diskussion.

Das zentrale Anliegen der heute zu beschließenden Novelle waren demgemäß vorrangig die Vereinfachung, Beschleunigung und gesteigerte Effizienz des Zivilprozesses. Dieses Reformziel ist vom Justizminister und von den – heute schon erwähnten – Fachreferenten seines Hauses den zunächst widerstrebenden Kräften in Anwalt- und Richterschaft mühsam abgerungen worden. Dafür gebühren ihnen unser Dank und unsere höchste Anerkennung. Als Mitglied der diese Novelle vorbereitenden Arbeitsgruppe kann ich all das aus eigener Wahrnehmung und voller fachlicher Überzeugung bestätigen.

Der anwaltlichen Standesvertretung musste klar gemacht werden, dass eine Beschleunigung des Zivilprozesses nur gelingen kann, wenn der Anwalt als der professionelle Rechtsberater und -vertreter stärker in die Pflicht genommen wird; und das nicht etwa nur vordergründig als Vertreter solcher Beklagter, die nicht allzu selten an der Verschleppung des Prozesses interessiert sind, sondern auch als Rechtsfreund des Klägers, als der er sich nicht immer so früh wie möglich ausreichend über den streitgegenständlichen Sachverhalt und die zur Verfügung stehenden Beweismittel informiert.

Diesen in der Praxis aufgetretenen Defiziten trägt vorrangig eine grundsätzliche Neuregelung Rechnung, und zwar die gesetzliche Verankerung einer Prozessförderungspflicht der Parteien. Sie sind, kurz gesagt, nunmehr dazu verhalten, die für ihren Prozessstandpunkt notwendigen beziehungsweise günstigen Tatsachenbehauptungen bereits zum vorbereitenden Termin vorzutragen und die Beweismittel zu deren Untermauerung möglichst früh vorzulegen.

Die dagegen geäußerten Bedenken, dass selbst sorgfältig agierende Anwälte dieser strengen Anforderung vielfach nicht entsprechen könnten, ließen sich durch folgendes Korrektiv zerstreuen: Zur Präklusion, das heißt, zum Ausschluss und damit zur Zurückweisung eines Vorbringens, das objektiv verspätet erstattet wurde, kann es nur dann kommen, wenn der Nachtrag des Sach- und Beweisvorbringens auf einem groben Verschulden der Partei beziehungsweise ihres Vertreters beruht.

Zudem ist die Berücksichtigung des objektiv verspäteten Vorbringens nur dann unzulässig, wenn es zu einer erheblichen Verzögerung des Prozesses führt. Darin sehe ich einen ausgewogenen und sachgerechten Ausgleich zwischen dem Interesse an einer richtigen Entscheidung auf umfassender Sachgrundlage einerseits und jenem an einer redlichen und zügigen Prozessführung andererseits. Im Gegenzug zu den hiemit erhöhten Anforderungen an


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den Rechtsanwalt wird auch der erkennende Richter nicht aus seiner Mitverantwortung für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Entscheidungsgrundlagen entlassen. Das wird daran deutlich, dass das Gericht die Parteien nicht erst im Urteil und in seiner tragenden Begründung mit seiner ihnen im vorangegangenen Verfahren nicht erkennbaren Rechtsansicht überraschen darf. Dieses Verbot, das schon bisheriger Praxis entsprochen hat, ist nunmehr im Gesetz festgeschrieben. Es trägt zur Fairness des Verfahrens und zum Prozessziel einer möglichst richtigen Entscheidung ganz erheblich bei. Zum anderen entfallen zwar sowohl die so genannte erste Tagsatzung als Vortermin, also auch das Erfordernis der Fassung eines so genannten Beweisbeschlusses, worauf sich in aller Regel die erste mündliche Streitverhandlung, vielfach also bereits der zweite Gerichtstermin, beschränkt hatte. An die Stelle dieser Institute tritt aber die Anforderung an den Richter, in der vorbereitenden Tagsatzung die Rechtssache im Sinne eines Prozessfahrplans bereits im Vorfeld des Beweisverfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht mit den Parteien und ihren Vertretern zu erörtern und dadurch den Parteien offen zu legen, auf welche rechtlichen Gesichtspunkte es seiner Auffassung nach ankommt und welche Sachverhaltselemente somit rechtlich relevant sein werden. Das bietet den Parteien gegebenenfalls die Gelegenheit, ihr Tatsachen- und Beweisvorbringen entsprechend zu ergänzen.

In der zunächst kritisch beurteilten – auch heute wieder – Ausweitung des Anwendungsbereiches des Mahnverfahrens auf Zahlungsbefehle bis zum Streitwert von 500 000 € erblicke ich keine echte Gefahr für den Rechtsschutz der beklagten Partei. Anders als bisher wird nämlich künftig im Gerichtshofverfahren für den Einspruch gegen den bedingten Zahlungsbefehl, dessen Frist von zwei auf vier Wochen verlängert wird, Anwaltspflicht vorgesehen.

Zur Beschleunigung und Effizienz des Rechtsschutzes für unstrittige Ansprüche trägt nicht zuletzt die Zurückdrängung des Widerspruches gegen ein Versäumungsurteil bei. Darin kann ich leider meiner Vorrednerin Kollegin Trunk nicht folgen. Ohne jede Ideologie: Ich muss Ihnen sagen, bei Einführung des Widerspruchs im Konsumentenschutzgesetz war die Lehre einhellig dagegen, in der Sorge, wie sich die Praxis mittlerweile bewährt hat, dass das nämlich ein probates Verzögerungsmittel werden könnte. Auch dabei ist meines Erachtens durchaus keine echte Verkürzung des Rechtsschutzes des Beklagten zu erwarten.

Die bei den höheren Streitwerten im bezirksgerichtlichen Verfahren und durchwegs im Verfahren vor den Landesgerichten eingreifende Anwaltspflicht und nicht zuletzt der Rechtsbehelf auch der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bieten dem Beklagten ausreichende Abwehrmöglichkeit.

Aus denselben Erwägungen ist auch die Erweiterung des bisher so genannten echten Versäumungsurteils auf den Fall zu begrüßen. Wenn der Kläger nach Erhebung der Klage oder der Beklagte nach rechtzeitiger Erstattung der Klagebeantwortung oder des Einspruchs gegen einen Zahlungsbefehl nicht zur vorbereitenden Tagsatzung erscheint, dann fehlt es ihm offensichtlich an einer echten Streitbereitschaft.

Aber noch zu einer weiteren Verbesserung: Hält man sich vor Augen, wie häufig es heute in der komplexen, gesellschaftlich-technischen Entwicklung in einem Zivilprozess der Beiziehung eines Sachverständigen bedarf, wird klar, wie sehr auch dieser Umstand neben der Verteuerung des Prozesses zur Verlängerung des Verfahrens führt.

Die Novelle sieht eine Fristsetzung für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens und die Mitwirkungspflicht der Parteien daran vor. Der Gerichtsentlastung mag es überdies künftig dienen, dass die Streiterledigung durch private Schiedsrichter gefördert wird. Es werden Schiedsgerichte der Rechtsanwaltschaft und des Notariats institutionalisiert.

Insgesamt bewerte ich all diese Neuerungen als wesentlichen Fortschritt in dem Bestreben, den Rechtsschutz in Österreich sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher Hinsicht erheblich zu verbessern.


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Meine Fraktion wird daher dieser Novelle, die einen Markstein der Justizreform in Österreich bildet, mit voller Überzeugung zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.45

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenzrechtseinführungsgesetz, die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, das Finalitätsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung, die Zivilprozessordnung, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, die Notariatsordnung, das Grundbuchsgesetz, das Grundbuchsumstellungsgesetz und das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird (960 und 1058/NR sowie 6621/BR der Beilagen)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die linienmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Kraftfahrliniengesetz – KflG) geändert wird (Kraftfahrliniengesetz-Novelle 2001) (961 und 1059/NR sowie 6622/BR der Beilagen)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir kommen nun zu den Punkten 7 und 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird und

die Kraftfahrliniengesetz-Novelle 2001.


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Die Berichterstattung über die Punkte 7 und 8 hat Herr Bundesrat Ing. Klamt übernommen. – Bitte.

Berichterstatter Ing. Gerd Klamt: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen vor. Ich verzichte daher auf die Verlesung und stelle folgenden Antrag:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die linienmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Kraftfahrliniengesetz – KflG) geändert wird.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich verzichte daher auf die Verlesung und stelle folgenden Antrag:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Grasberger. – Bitte, Herr Bundesrat.

14.49

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich möchte hier nur einige Sätze zum Eisenbahngesetz einbringen, weil es mir wesentlich erscheint, dass gerade dieses Gesetz für die Modernisierung der österreichischen Hochleistungsstrecken im Sinne des europäischen Konzeptes, nämlich der europäischen Richtlinie von 1996 herangezogen wird.

Ich hatte vor einigen Jahren die Gelegenheit, mich persönlich von der Effizienz einer Hochleistungsbahn zu überzeugen. Ich hatte diese Gelegenheit bei der Benützung des – sicherlich auch Ihnen vom Begriff her bekannten – TGV auf einer Strecke in Frankreich und habe dabei selbst erlebt, wie ein moderner Bahnbetrieb die Menschen beeindrucken kann und wie die Menschen diesen modernen Bahnbetrieb – so er geschaffen ist – auch tatsächlich – ich möchte fast sagen in überfüllten Waggons – als Angebot annehmen.

Wir in Österreich werden jetzt ähnlich wie in anderen EU-Mitgliedstaaten diese Richtlinie von 1996 in nationales Recht umsetzen. Das Ziel hiebei ist, dass in der gesamten Europäischen Union verschiedene technische Parameter aufeinander abgestimmt werden. Auf meine Frage, die ich in der Ausschusssitzung an die Vertreter des Bundesministeriums für Infrastruktur gerichtet habe, wurde mir ein technisches Detail mitgeteilt, nämlich die Abstimmung des Schienenabstandes bei HL-Strecken innerhalb der EU.

Als Vertreter des Bundeslandes Niederösterreich freut es mich, hier auch sagen zu können, dass als ein wesentlicher Schritt der Ausbau der Westbahn schon im Sinne dieses Gesetzes erfolgt. In Niederösterreich ist mittlerweile ein Streckenabschnitt von mehr als 67 Kilometern von der HL-AG fertig gestellt worden. Ein wesentlicher Abschnitt fehlt noch: Das ist der Abschnitt zwischen St. Pölten und unserer Bundeshauptstadt Wien, und rund 27 Kilometer sind derzeit im Bau.


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Summa summarum – ich habe eingangs, glaube ich, schon erwähnt, dass ich mich kurz halten möchte, noch dazu, da dies eines der Gesetze auf unserer heutigen Tagesordnung ist, das voraussichtlich einhellig beschlossen werden wird – ist es mit diesem Gesetz nun möglich, den Ausbau der österreichischen Hochleistungsnetze nach europäischen Grundregeln und nach europäischen Richtlinien so vorzunehmen, dass als wesentliches Ziel wiederum mehr Menschen in unserer Republik das Angebot der Bahn annehmen.

Bekannt ist auch allen, die mit der Bahn zu tun haben oder selbst Bahn fahren, dass auf den Hauptstrecken, auf den wichtigsten Strecken das Angebot der Bahn jetzt schon angenommen wird, weil es einfach insgesamt bequemer und auch angenehmer ist.

Eine wichtige abschließende Zahl möchte ich hier noch nennen. Man geht davon aus, dass, wenn die Westbahn als HL-Strecke fertig ausgebaut sein wird, rund 4 500 LKW von der Westautobahn auf den Bahntransport wechseln werden. Ich nehme auch an, dass die meisten in diesem Saal die Westautobahn kennen, wie sie vor Jahren ausgesehen hat. Sie wurde insbesondere nach der Ostöffnung massiv befahren. Es gab innerhalb kürzester Zeit beträchtliche Schäden. In den letzten Jahren wurde auch die Westautobahn klar und erkennbar modernisiert. Wenn es gelingt – und ich bin zuversichtlich, dass es gelingen wird –, diese 4 500 LKW ab dem Jahr 2010 auf den Bahntransport umzuleiten, dann ist, so glaube ich, ein Meilenstein in der österreichischen Verkehrspolitik gesetzt.

In diesem Sinne gibt die Volkspartei selbstverständlich ihre Zustimmung zu diesem Gesetz. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

14.54

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gstöttner. – Bitte, Herr Bundesrat.

14.55

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! In dieser Novelle zum Eisenbahngesetz 1957 geht es im Sinne einer EU-Anpassung um Hochgeschwindigkeitsstrecken, ein für uns Österreicher und für die Österreichischen Bundesbahnen interessantes Thema. Es geht um technische Harmonisierungen der Sicherheitssysteme, also um sehr wichtige Fragen nicht nur für die Fahrgäste der Bundesbahn, sondern auch für die Bewohner, die entlang der Eisenbahnlinien wohnen.

Dabei darf man auch den Arbeitnehmerschutz und die manchmal auftretenden sprachlichen Schwierigkeiten auf Grenzbahnhöfen nicht unerwähnt lassen, womit ich natürlich nicht die Vorarlberger, Tiroler, Salzburger oder uns Oberösterreicher meine, sondern das geht in die andere Richtung, was sich von selbst versteht.

Sicherheit muss immer an erster Stelle stehen. Die Österreichischen Bundesbahnen nahmen dies immer ernst und werden dies auch in Zukunft sehr ernst nehmen. Das ist auch notwendig, wenn wir zum Beispiel an Gefahrenguttransporte denken – egal, ob auf der Straße oder auf der Schiene – und daran, mit welchen Gefahren diese für uns alle verbunden sind.

Wir Sozialdemokraten meinen jedenfalls, dass ein gemeinsamer, vernetzter Betrieb der Österreichischen Bundesbahnen besser und für die Zukunft zielführender wäre, besonders in Blickrichtung Öffnung des österreichischen Schienennetzes. Festhalten möchte ich jedenfalls, dass die ÖBB auf den technischen Standard höchsten Wert legen, wenn aber, was leider nicht immer auszuschließen ist, einmal etwas passiert, zum Beispiel ein Unfall, dann wird immer hervorragend und korrekt gehandelt und bestens reagiert. Dafür sage ich allen Verantwortlichen und Mitarbeitern ein herzliches Danke.

Wenn hohe Geschwindigkeiten gefahren werden, ist es wichtig, dass nicht nur unsere Eisenbahnnetze entsprechend ausgebaut werden, es ist auch wichtig, durch Schulungsmaßnahmen etwaige Mängel auszugleichen und damit höchste Sicherheitsstandards zu erreichen.


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Wenn wir wollen, dass unsere Bundesbahn als öffentliches Verkehrsmittel attraktiv bleibt, muss man auf viele Punkte Rücksicht nehmen: zum Beispiel einen zeitgemäßen Fuhrpark, den barrierefreien Ausbau für behinderte Menschen und den schnellen Ausbau der Bahnhöfe, verbunden mit Verbesserungen der Einstiegsmöglichkeiten für ältere und behinderte Menschen sowie für Mütter mit Kinderwägen und Gepäck.

Zur Mobilität im öffentlichen Verkehr in der Europäischen Union gehören besonders auch vernünftige Möglichkeiten von Zugverbindungen und die Beibehaltung von – soweit es natürlich finanziell tragbar ist – auch nicht so attraktiven Linien, die für die ländliche Bevölkerung von großer Bedeutung sind.

Der Ausbau der Westbahn ist natürlich positiv. Dabei kommt mir allerdings in Erinnerung, dass wir schon einmal darüber gesprochen haben und auch eine schriftliche Anfrage meinerseits eingegangen ist, dass wir Bedenken haben, dass auf der Hochleistungsstrecke Wels – Passau oder Passau – Wels, die die Verbindung einerseits der Strecke Wien – Budapest, andererseits die Verbindung der Strecke Regensburg – Nürnberg und weiter nach Hamburg oder Berlin ist, der internationale Personenverkehr verringert und der Güterverkehr verstärkt werden soll und dass der internationale Personenverkehr auf die Strecke Linz – Wels – Salzburg verlagert werden soll. Das wäre natürlich für unsere Region – ich darf es auch heute wieder sagen – ein großer Nachteil. Ich meine, dass man darüber wirklich ernsthaft reden muss.

Ich habe bei einer Verkehrsdiskussion in unserer Nachbarstadt Passau einmal angemerkt, dass es mich eigentlich wundert, dass die Universitätsstadt Passau so ruhig zusieht, wenn solche Vorhaben erwogen werden und dass sie sich nicht mehr auf die Füße stellt und sagt, dass diese bedeutende Strecke Passau – Wels beziehungsweise deren Verlängerungen nicht aufgelassen werden dürfen.

Das Eisenbahngesetz 1957 und das Kraftfahrliniengesetz sind wichtig und bedeutend für unser Land. Ich darf bekannt geben, dass die SPÖ-Bundesräte ihre Zustimmung dazu erteilen werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Abschließend darf ich die Feststellung treffen: Auch ich bin natürlich der Meinung, dass das Sozialstaat-Volksbegehren unterstützt werden muss. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Hösele: Dafür gibt es keinen Applaus von uns!)

14.59

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Als nächster Redner hat sich Herr Bundesrat Grissemann zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

15.00

Bundesrat Wilhelm Grissemann (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Willkommen, Herr Bundesminister! Ich glaube, Sie sind zum ersten Mal als Minister im Bundesrat. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was im ersten Augenblick als reine EU-Anpassung erscheint, entpuppt sich in weiterer Folge als ein Hoffnungsstrahl – ich bezeichne es als einen Hoffnungsstrahl – für eine Renaissance unserer etwas verschlafenen Bundesbahn.

Die Novellierung des Eisenbahngesetzes 1957 gibt Gelegenheit, einige grundsätzliche Dinge zu sagen. Die Umrüstung der ÖBB von einer Institution mit etwas rauem Charme – vorsichtig gesagt – zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen ist in vollem Gang, und es wird im Saal wohl kaum jemanden geben, der dies nicht wohlwollend zur Kenntnis nimmt. Freilich, wenn man weiß, dass rund 42 Milliarden Schilling, das sind rund 3 Millionen € vom Bund aufgewendet werden müssen, um den Betrieb der ÖBB überhaupt aufrechtzuerhalten, ist man schon ein bisschen weniger begeistert, bleiben doch vom Bundeszuschuss dann nur noch 12 Milliarden Schilling, also weniger als 1 Milliarde €, für einen weiteren Ausbau der Strecke übrig.

Nur zum Vergleich: Das Landesverteidigungsbudget, also das gesamte Heeresbudget, beträgt nur 21 Milliarden Schilling beziehungsweise rund 1,5 Milliarden €. Im Klartext: Mehr als doppelt


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so viel wird für die ÖBB vom Bundesbudget aufgewendet. Das muss man sich schon immer wieder in Erinnerung rufen.

Noch ein Vergleich – er wurde im Nationalrat schon vom Kollegen Kukacka gemacht –: Wie bescheiden machen sich da die jährlich 2 Milliarden Schilling für die Abfangjäger aus? – Bitte, das immer in Erinnerung zu haben.

Hoher Bundesrat! Die technische Gleichstellung beziehungsweise Harmonisierung ist natürlich Voraussetzung für Hochgeschwindigkeitsstrecken und der Schritt in die richtige Richtung. Wir Freiheitliche bekennen uns zum Ausbau der Bahn, und niemand will, dass die Bahn auf der Strecke bleibt, wir Freiheitliche wollen allerdings auch mehr Kostenwahrheit. Wir alle wissen, wie finanziell effizient die Schweizer Bundesbahnen ihren Betrieb abwickeln. Hievon sind wir mit den ÖBB noch meilenweit entfernt.

Ich habe es von dieser Stelle aus schon einmal gesagt: Auch die ÖBB werden in Zukunft noch nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu führen sein. Kollege Grasberger hat von seinen Erfahrungen mit dem Hochgeschwindigkeitszug TGV gesprochen, und er hat auch davon gesprochen, dass diese Züge durchaus ausgelastet sind und dadurch natürlich finanziell effizient abgewickelt werden.

Wir Freiheitliche glauben an die Bahn – eine Kernaussage – und stimmen der Vorlage natürlich zu. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Glauben würde ich nicht gerade an die Bahn!)

15.03

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

15.03

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Mathias Reichhold: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen des Bundesrates! Hoher Bundesrat! Zunächst einmal herzlichen Dank für den freundlichen Empfang hier in diesem Hause. Wie einige Vorredner bereits gesagt haben, ist die Verkehrspolitik insgesamt eine sehr wichtige wirtschaftspolitische und, wie ich meine, auch enorm bedeutende volkswirtschaftliche Aufgabe.

Wir sind – das erleben Sie täglich mit – in einem Umwandlungsprozess begriffen, der nicht nur, aber auch mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union zusammenhängt, denn die Wettbewerbsrichtlinien, die jetzt ausgearbeitet werden, greifen schön langsam, und wir müssen uns – das muss uns allen bewusst sein, das haben einige Vorredner, zuletzt auch Bundesrat Grissemann, sehr klar gesagt – auf einen sehr scharfen Wettbewerb einstellen, dem sich in einigen Jahren auch unsere Unternehmungen werden stellen müssen. Um diesem Wettbewerb auch gewachsen zu sein, ist es einfach notwendig, gute Strukturen zu schaffen, flexible Betriebe zu erreichen und gute Manager auch in unseren ehemals verstaatlichten Betrieben zu etablieren.

Ich habe heute ein sehr langes Gespräch mit dem Vorstandssprecher der Österreichischen Bundesbahnen geführt, und wir sind uns in vielen – in vielen, nicht in allen – Bereichen einig. Wir wissen um die Herausforderungen Bescheid, und wir wissen, dass es in den nächsten Jahren zu einem strengen Management kommen wird müssen, zu Strukturveränderungen, die auch vor dem Unternehmen ÖBB nicht Halt machen können. Das wird natürlich zu Diskussionen, zu Aufregungen, zu politischen Richtungsdiskussionen führen, aber am Ende der De-batte muss ein Unternehmen entstehen, das motivierte Mitarbeiter hat und das auch wettbewerbsfähige Strukturen aufweist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich, wenn Sie so wollen, meinen Dienst als Minister angetreten habe, war es mein ganz großes Ziel, schon zu Beginn meiner Amtszeit viele wichtige Projekte in Gang zu setzen. Meine Vorgängerin Monika Forstinger hat hier wirklich gute Basisarbeit geleistet (ironische Heiterkeit bei der SPÖ) und mit dem Generalverkehrsplan


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auch ein sehr umfassendes Konzept hinterlassen, auf das wir jetzt sehr erfolgreich aufbauen können.

Wir haben in den ersten Amtstagen bereits eine eigene Abteilung in unserem Haus einrichten können, die sich ausschließlich – das sage ich hier in der Länderkammer, wenn Sie mir den Begriff gestatten – darauf beschränken wird, die Verfahren, die jetzt anstehen, zu beschleunigen. Sie wissen, es gibt die Verländerung der Bundesstraßen (Bundesrat Konecny: Das ist das nächste Chaos!), Sie wissen, es gibt auch sehr viele eisenbahnrechtliche Verfahren, die in sehr engem Konnex mit den Bezirkshauptmannschaften und den Ländern abzuwickeln sind. Wir wollen einfach unter Beweis stellen, dass die Behörden in der Lage sind, dass unsere Beamtenschaft in der Lage ist, diese schwierigen Verfahren in sehr kurzen Zeiträumen abzuwickeln. Das ist nicht nur ein Wunsch der Wirtschaft, sondern auch eine, wie ich schon eingangs erwähnte, sehr wichtige volkswirtschaftliche Aufgabe, und wir haben die große Motivation, die Dinge zu verbessern.

Punkt 2: Wir haben in den letzten drei Wochen Projekte in einem Ausmaß von insgesamt – in Schilling ausgedrückt – fast 50 Milliarden Schilling in Gang gesetzt, meine sehr verehrten Damen und Herren – ich möchte das hier noch einmal betonen: 50 Milliarden Schilling! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP)  –, über die wir jetzt entschieden haben, darunter die Unterinntaltrasse, das Tullnerfeld, die Koralmbahn, die 10. Eisenbahnübertragungsverordnung, die sehr viele, auch kleinere Bauprojekte für unsere Wirtschaft beinhaltet.

Ich möchte auch eines nicht verhehlen – ich habe das heute auch Herrn Direktor vorm Walde unmissverständlich und klar gesagt –: Wenn die ÖBB nicht in der Lage sind, rechtzeitig gute und wirklich durchdachte Unterlagen zu liefern, dann werden wir in Zukunft Probleme bekommen.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die 10. Eisenbahnübertragungsverordnung umfasst ein Volumen von fast 11 Milliarden Schilling für sehr viele größere, vor allem auch kleinere Bauprojekte. Obwohl die ÖBB und die Verantwortlichen in der Infrastruktur der ÖBB wissen, welche Richtlinien da herrschen, was das Gesetz verlangt, haben sie – ob bewusst oder unbewusst, das will ich jetzt nicht beurteilen – Unterlagen geliefert, die nicht evaluiert waren, die unvollständig sind und die ich, wenn ich bösartig wäre, jetzt so auslegen könnte, als hätten es die ÖBB nahezu darauf angelegt, 10 oder 11 Milliarden Schilling zu blockieren – und das in einer Phase, in der die Bauwirtschaft am Boden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Haunschmid: Das sind eure Leute, die da noch drinnen sitzen! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! So können wir nicht arbeiten, und ich habe heute Herrn Vorstandsdirektor vorm Walde gesagt, ich will hier Konsequenzen haben. (Bundesrat Kraml: Das müssen Sie aber nicht uns sagen!) Jene in den ÖBB, meine sehr verehrten Damen und Herren, die glauben, sie können verhindern, sie können blockieren, die werden mich als Minister und als Eigentümervertreter kennen lernen, denn wir sind für die Menschen da, wir sind für die Wirtschaft und für die Arbeitsplätze da. Und das müssen auch die Verantwortlichen in den ÖBB wissen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Ich möchte mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, ganz offiziell und in aller Form beim österreichischen Rechnungshof bedanken, der kurzfristig und unbürokratisch bereit war, mir diese Unterschrift für die 10. Übertragungsverordnung zu erlauben, mit der Einschränkung, dass die noch fehlenden Unterlagen beizubringen sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn Sie jetzt nicht einverstanden sein mögen, Herr Vorstandsdirektor vorm Walde hat das verstanden, und er war in der Lage, eine Frist bis heute zu setzen, um diese noch fehlenden Unterlagen auch beizubringen. (Bundesrat Mag. Hoscher: Wo waren Sie in den letzten zwei Jahren?) Ich bin neugierig, ob jene in den ÖBB, die das nicht verstanden haben, das auch akzeptiert haben und dazu in der Lage waren.


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Ich möchte jedenfalls hier neue Maßstäbe setzen, und da braucht mir niemand zu kommen und zu erklären, dass das nicht geht. Gesetze sind einzuhalten, Unterlagen sind vollständig beizubringen (Bundesrat Kraml: Das müssen Sie nicht uns sagen!), und dann schaffen wir ein Unternehmen, meine sehr verehrten Damen und Herren, das auch in der Lage sein wird, die künftigen Herausforderungen in diesem Bereich zu bewältigen.

Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zur Transitdiskussion sagen! Die Transitdiskussion nimmt eine sehr zentrale Rolle in der österreichischen Verkehrspolitik, aber auch in der Innenpolitik insgesamt ein, und das wird auch in Hinkunft so sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir ist das Thema deshalb sehr ernst, weil ich von meinen Besuchen in Tirol, von meinen Besuchen in Salzburg und von meinen vielen Gesprächen, die ich seinerzeit schon als Verkehrslandesrat in Kärnten mit Anrainern führen konnte, weiß, welche menschlichen Probleme sich mit dem Verkehr und mit dem Transit ergeben, aber auch, welche wirtschaftlichen Probleme damit einhergehen. Das ist vielen von uns nicht bewusst, das war auch mir lange nicht bewusst, aber ich möchte es Ihnen auch nur anhand eines Beispiels verdeutlichen.

In Zederhaus, in dem Alpental im Unterinntal, ist es auf Grund der Verkehrsbelastung nicht mehr möglich, Betriebe anzusiedeln, weil einfach der Schwellwert für die Schadstoffimmission überschritten wird. Junge Familien können keine Häuser mehr bauen, weil durch die Lärmentwicklung, durch die Abgasentwicklung keine zusätzlichen wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet werden können.

Wissen Sie, das ist deswegen ein sehr ernstes Problem, weil doch junge Menschen, die in ihrer Heimat bleiben wollen, keine Möglichkeit mehr haben, sich dort niederzulassen, sich dort ihren Lebensmittelpunkt aufzubauen. Das ist deshalb auch nicht nur ein politisches Problem, sondern ein zutiefst emotionales und menschliches Problem, und das müssen auch die Kollegen der Europäischen Union verstehen, wenn sie glauben, sie können jetzt nach Auslaufen der Transitregelung über Österreich drüberfahren. Das wird es nicht geben, zumindest nicht, so lange wir in Österreich die Kraft haben, in diesem Punkt mit einer Zunge zu sprechen und das für Österreich Maximale herauszuholen. Das Maximale herauszuholen heißt für mich, eine Nachfolgeregelung zu verhandeln, die in der Wegekostenlinie der Europäischen Union ihren Niederschlag finden soll und, wie ich hoffe, auch ihren Niederschlag finden wird.

Uns geht es darum, durchzusetzen, dass in so genannten sensiblen Zonen – und diese müssen definiert werden in der Europäischen Union, aber auch in Österreich – eine höhere Bemautung erlaubt ist, um damit auch im Wege einer Querfinanzierung Schienenprojekte prioritär voranzutreiben. Das stößt bei vielen der EU-Mitgliedsländer und Kollegen auf Widerstand. Das ist natürlich, denn eine der Grundfreiheiten ist ja der freie Warenverkehr durch Europa, und manche sehen sich als Hüter einer dieser vier Grundfreiheiten und wollen da keine Einschränkung hinnehmen.

Der zweite Punkt, den wir erreichen müssen, ist, dass bis zur Einführung dieser Wegekostenrichtlinie auch eine Zwischenlösung ermöglicht werden muss, und die wurde bereits im EU-Ministerrat verhandelt, und zwar insofern verhandelt, als die Kommission einen Vorschlag einbringt, der die Beibehaltung der Öko-Punkte-Regelung enthält, nicht aber die Deckelung mit den berühmten 108 Prozent. Unsere Strategie war es, immer zu sagen, Öko-Punkte-Regelung ja, 108 Prozent dann, wenn wir Verbündete finden, doch leider haben wir für diese Deckelung in ganz Europa keinen einzigen Verbündeten.

Deshalb sind die Länder gefordert – und ich sage das ganz bewusst hier vor der Länderkammer, denn Sie sind die Repräsentanten der Bundesländer –, über das Umweltimmissionsgesetz Schwellwert- und Grenzwertverletzungen über ein zugegebenermaßen schwieriges Ermittlungsverfahren zu erfassen und auf Grund dessen auf der Basis der EU Richtlinien, aber auf der Grundlage des nationalen Rechtes Maßnahmen zu ergreifen. Diese Maßnahmen können sein: Nachtfahrverbote, sektorale Fahrverbote, strenge Verkehrskontrollen, die auch dazu führen, dass eine verkehrsdämpfende Entwicklung in den Transitregionen entsteht.


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686. Sitzung / Seite 103

Parallel dazu werde ich mich als zuständiger Minister bemühen, über die Straßenverkehrsordnung entsprechende Schritte zu setzen, wenngleich ich hier einschränkend auch die Konsultation der Europäischen Union brauche. Das heißt, ich tue mir als Minister etwas schwerer als die Landeshauptleute.

Ich sage das deshalb, weil ich meine, dass es für uns alle ein sehr wichtiges Thema ist und dass auch hier nur im Zusammenwirken, und zwar im engen Zusammenwirken mit den Ländern eine für den Menschen tragbare Situation erreicht werden kann. Ich kann Ihnen jedenfalls versichern, dass wir uns bemühen werden, für diese Linie auch in Europa Verbündete zu finden. Wir werden schon in nächster Zeit wieder nach Italien reisen, um mit meinem Amtskollegen aus Italien eine gemeinsame Initiative zu Stande zu bringen, die eine sofortige und schnelle Einführung der Wegekostenrichtlinie ermöglicht.

Ich kann Ihnen und auch den Herrschaften der Opposition das Angebot machen, dass in verkehrspolitischen Fragen, in sachlich orientierten Fragen von unserem Haus jederzeit alle Informationen zu bekommen sind. Mir geht es hier nicht um Parteipolitik, sondern mir geht es um eine Politik, die für die Menschen dieses Landes gedacht ist. Und da werden Sie für mich ein fairer Partner sein. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.16

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Daher ist die Debatte geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz mit dem das Bundesgesetz über die linienmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen geändert wird. Es ist dies die Kraftfahrliniengesetz-Novelle 2001.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Sie schauen so entsetzt zu mir, Herr Bundesminister! (Bundesminister Ing. Reichhold: Das habe ich nicht erwartet! – Bundesrat Konecny: Wir haben zugestimmt! Ist Ihnen das nicht recht? – Heiterkeit.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2002 betreffend ein Abkommen zur Ergänzung des Abkommens vom 21. Februar 1989 zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über die Erleichterung von Ambulanzflügen in den Grenzregionen


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bei dringlichen Transporten von Verletzten oder Schwerkranken (748 und 1056/NR sowie 6623/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung: Abkommen zur Ergänzung des Abkommens vom 21. Februar 1989 zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über die Erleichterung von Ambulanzflügen in den Grenzregionen bei dringlichen Transporten von Verletzten oder Schwerkranken.

Die Berichterstattung hat wieder Herr Bundesrat Ing. Klamt übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Ing. Gerd Klamt: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2002 betreffend ein Abkommen zur Ergänzung des Abkommens vom 21. Februar 1989 zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über die Erleichterung von Ambulanzflügen in den Grenzregionen bei dringlichen Transporten von Verletzten oder Schwerkranken.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich verzichte daher auf die Verlesung und bringe nur den Antrag.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Keuschnigg. – Bitte.

15.20

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Das vorliegende Ergänzungsabkommen der Republik Österreich mit der Italienischen Republik bringt Vereinfachungen des 1989 geschlossenen Abkommens, das die Ambulanzflüge geregelt hat. Darin ging und geht es vor allem um die Rückholung von Patienten.

Neu im vorliegenden Abkommen ist die Ausweitung auf die echte Katastrophenhilfe. Für das Tourismusland Tirol mit den vielen Bergen und Gletschern in den Grenzbereichen, aber auch für alle Staatsbürger ist das von besonderer Bedeutung.

Bei Unfällen im Hochgebirge jedweder Art – von Lawinen bis zu Abstürzen und Hochwässern; und für diese Art von Katastropheneinsätzen kommt dieses Abkommen zur Anwendung – geht es vor allem darum, dass das nächstgelegene beziehungsweise nächstverfügbare Fluggerät so rasch wie möglich zum Einsatz gelangen kann, das heißt, dass zum Beispiel von einer österreichischen Rettungsleitstelle ein Hubschrauber in Südtirol oder auch sonst irgendwo im Ausland angefordert und zum Einsatz gelangen kann. Diese Einsatzmöglichkeit ist mit dem nunmehrigen Abkommen, das uns heute vorliegt, gewährleistet.

In der Praxis ist es bereits heute vor allem mit Südtirol schon weitgehend gelungen, einen einwandfreien Einsatz der Flugrettung sicherzustellen. Jetzt ist dieser Einsatz auch formal geregelt. Früher hat es gelegentlich Probleme bei der Anwendung des Abkommens 1989 in der Frage der Kostentragung gegeben, jetzt wird auch hier vertraglich vereinbart, dass den Leitstellen keine Kosten vorgeschrieben werden, das heißt, dass die Rettung und der Katastropheneinsatz unabhängig von der zivilrechtlichen Vorschreibung der Kostentragung stattfinden.

Mit diesem Abkommen wird der Ring der erforderlichen Vereinbarungen mit den Nachbarländern geschlossen. Das heißt, dass jetzt mit allen Nachbarländern solche Vereinbarungen


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bestehen. Damit wird ein wichtiges Maßnahmenpaket für den Schutz und die Sicherheit der Bevölkerung vervollständigt.

Meine Fraktion wird diesem Abkommen die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Grissemann. )

15.22

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thumpser. – Bitte.

15.22

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich inhaltlich den Ausführungen des Kollegen Keuschnigg anschließen. Auch wir werden dieser Materie zustimmen, auch unter dem Gesichtspunkt, dass es eine der wenigen Maßnahmen dieser Bundesregierung ist, die auch einen sozialen Hintergrund haben. (Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass das Sozialstaat-Volksbegehren von jedem unterstützt werden muss. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.23

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort zu gemeldet ist Herr Bundesrat Grissemann. – Bitte.

15.23

Bundesrat Wilhelm Grissemann (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Es ist erfreulich, dass wir mit diesem Tagesordnungspunkt ein weiteres Konsensthema vor uns liegen haben. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Rettung von Menschenleben immer der Vorrang zu geben ist vor bürokratischen Hindernissen. Noch vor dem Abkommen von 1989 kam es allerdings durchaus zu dramatischen Vorfällen im Grenzgebiet zu Südtirol, und die Situation konnte oft nur durch Zivilcourage und unter Missachtung der damaligen Gesetzeslage bewältigt werden, was ein unbefriedigender Zustand war, denn oft genug kam es im Anschluss zu unangenehmen zwischenstaatlichen Verstimmungen.

Was 1989 und 1991 einigermaßen gut geregelt wurde, wird nun entsprechend präzisiert und angepasst. Sicher ist es sinnvoll, dass ein italienisches Unfallopfer von einem italienischen Hubschrauber geborgen wird und umgekehrt. Freilich gilt in erster Linie doch der Grundsatz: Wer rasch hilft, hilft doppelt! – ohne Ansehen der Nationalität des Opfers beziehungsweise der Retter. Die verunfallten Patienten werden es uns danken.

Wir stimmen der Vorlage zu. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.24

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Von der Berichterstattung wird, so nehme ich an, auch kein Schlusswort gewünscht.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen daher zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .


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10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2002 betreffend Änderungsurkunde zur Konstitution der Internationalen Fernmeldeunion (Genf 1992), geändert durch die Konferenz der Regierungsbevollmächtigten (Kioto 1994) samt Anlage; Von der Konferenz der Regierungsbevollmächtigten (Minneapolis 1998) angenommene Änderungen samt Anlage, Erklärungen und Vorbehalte (873 und 1057/NR sowie 6624/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung: Änderungsurkunde zur Konstitution der Internationalen Fernmeldeunion (Genf 1992), geändert durch die Konferenz der Regierungsbevollmächtigten (Kioto 1994) samt Anlage; Von der Konferenz der Regierungsbevollmächtigten (Minneapolis 1998) angenommene Änderungen samt Anlage, Erklärungen und Vorbehalte.

Die Berichterstattung hat wieder Herr Bundesrat Ing. Klamt übernommen. – Bitte.

Berichterstatter Ing. Gerd Klamt: Frau Präsidentin! Herr Minister! Hoher Bundesrat! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2002 betreffend Änderungsurkunde zur Konstitution der Internationalen Fernmeldeunion, geändert durch die Konferenz der Regierungsbevollmächtigten samt Anlage; Von der Konferenz der Regierungsbevollmächtigten angenommene Änderungen samt Anlage, Erklärungen und Vorbehalte.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich verzichte daher auf die Verlesung und bringe folgenden Antrag:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Lindinger. – Bitte.

15.27

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Zur Beschlussfassung stehen heute die Änderungen der Konstitution der Internationalen Fernmeldeunion an. Als einziger Redner zu diesem Punkt weiß ich, dass die Materie etwas spröde ist, und ich möchte deswegen jetzt auch nicht unbedingt von den Dingen sprechen, die ich vielleicht aus meiner beruflichen Praxis weiß und die sicher etwas schwieriger nachzuvollziehen sind.

Die Internationale Fernmeldeunion ist eine sehr alte Institution. Sie wurde 1865 als Welttelegraphenverein gegründet. Österreich war eines der damaligen Gründungsländer. Wenn man bedenkt, wie lange das zurückliegt! 1865 ging gerade der amerikanische Bürgerkrieg zu Ende, und es war dies 27 Jahre vor der Gründung zum Beispiel einer unserer renommiertesten Telefonfabriken, der Firma Kapsch. So lange sind diese Konstitutionen schon in Geltung.

Die zu beschließenden Satzungen regeln die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Telekommunikation und legen den für die internationalen Telekommunikationsdienste notwendigen Rahmen fest. Wie Sie wissen, gibt es keine andere Technologie, die sich in den letzten Jahren weltweit so schnell entwickelt und geändert hat wie die Telekommunikation. Wer sich zurückerinnert an die Zeit vor zwanzig Jahren, glaubt nicht, dass das noch das Gleiche ist. Was etwa gleich geblieben ist, ist der Telefonhörer, alles andere dazwischen ist völlig anders geworden.

Die Telefonie war ehedem ein Monopol, aber die fortschreitende Liberalisierung hat auch einen immer größer werdenden Einfluss privater Anbieter zur Folge gehabt. Diesen neuen Anforderungen muss auch der internationale Fernmeldevertrag nun gerecht werden.


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Die heute zu beschließenden Satzungsänderungen betreffen im Wesentlichen drei Punkte: erstens die Öffnung der Union für den privaten Sektor, zweitens die Finanzen der Union und drittens Struktur- und Organisationsfragen.

Zu Punkt eins, zur Öffnung für den privaten Sektor: Die Satzung wird dahin gehend erweitert, dass die Teilnahme von Rechtsträgern und Organisationen zu fördern ist. Rechtsträger sind auch private Betreiber von Telekommunikationsnetzen sowie Hersteller und auch andere Organisationen, die mit dem Fernmeldewesen befasst sind.

Zu Punkt zwei, zu den Finanzen der Union: Bis jetzt haben die Regierungsbevollmächtigten der Internationalen Fernmeldeunion den Höchstbetrag aller Ausgaben für den Finanzzeitraum beschlossen. Neu ist nun, dass ab jetzt die Obergrenze für die Höhe der Beitragseinheit festgelegt wird. Der Etat wird daher nicht mehr von der Ausgabenseite bestimmt, sondern von der Einnahmenseite – eine Weisheit, die sich auch die österreichischen Finanzminister der letzten dreißig Jahre zum Leitsatz hätten nehmen sollen. Durch dieses Verfahren soll sichergestellt werden, dass nur solche Projekte realisiert werden, für die auch entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden können.

Zu Punkt 3, Struktur- und Organisationsfragen: Die Konferenzen sollen nicht alle zwei Jahre einberufen werden, sondern es kann auch ein Zeitraum von drei Jahren gewählt werden. Die Zahl der Mitglieder kann erhöht werden. Sie darf aber 6 Prozent der Mitgliederanzahl nicht übersteigen. Die Zahl der Mitgliedstaaten des Rates wird von der Konferenz festgelegt.

Die Änderungen, meine Damen und Herren, sind schon wegen des darin gezeigten Sparwillens zu befürworten. Meine Fraktion wird dieser Änderung auch zustimmen (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Ich nehme an, auch die Berichterstattung wünscht nicht das Wort.

Die Debatte ist geschlossen.

Daher kommen wir zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Neugründungs-Förderungsgesetz, die Gewerbeordnung 1994, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitsmarktförderungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Bundessozialämtergesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (Konjunkturbelebungsgesetz 2002) (977 und 1039/NR sowie 6610/BR und 6625/BR der Beilagen)


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12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz und das Bundesfinanzgesetz geändert wird (1040/NR sowie 6611/BR und 6626/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 und 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

Kunjunkturbelebungsgesetz 2002 und

ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz und das Bundesfinanzgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 11 und 12 hat Frau Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann übernommen. Bitte um die Berichte.

Berichterstatterin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe Ihnen den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Neugründungs-Förderungsgesetz, die Gewerbeordnung 1994, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitsmarktförderungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Bundessozialämtergesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (Konjunkturbelebungsgesetz 2002), zur Kenntnis.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich brauche ihn daher nicht vorzulesen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich Ihnen den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz und das Bundesfinanzgesetz geändert wird, zur Kenntnis.

Dieser Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Hoscher. – Bitte.

15.33

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Landespartei ... Entschuldigung, Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute über spezielle wie auch grundsätzliche Fragen der Wirtschaftspolitik diskutieren ... (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. ) – Diskutieren wir nachher darüber! Wenn du zu uns kommen möchtest, gerne. (Bundesrat Freiberger: Bei uns gibt es eine Aufnahmsprüfung!)

Wenn wir heute über diese Fragen der Wirtschaftspolitik diskutieren können – leider nicht am Beginn der Tagesordnung, wie es ursprünglich geplant war, aber dieses Mal doch zumindest zu vernünftiger Zeit für ein Wirtschaftsthema –, so tun wir das in einem Umfeld, das nach wie vor international von hoher Unsicherheit geprägt ist.


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So weist etwa das WIFO in den Monatsberichten 2 dieses Jahres darauf hin, es gebe zwar erste Hinweise auf eine Erholung der Industriekonjunktur, hält aber andererseits die Binnennachfrage für schwach und sieht weitere Probleme in der Arbeitsmarktlage. Laut eben dieser WIFO-Studie lag die Zahl der unselbständig Beschäftigten ohne Präsenzdiener und Karenzgeldbezieher im Jänner mit 11 000 unter sowie jene der Arbeitslosen um 40 000 über dem Niveau des Vorjahres.

Ich glaube, besonders zynisch mutet es da an, wenn Abgeordneter Mitterlehner diese Zahlen im Nationalrat damit kommentiert, es sei doch – ich zitiere – "müßig, über einige Fälle zu diskutieren, denn im Wesentlichen haben wir eine Beschäftigung auf sehr hohem Niveau".

Da wird auch sein Einwurf, jeder Fall sei bedauernswert, nicht glaubhafter, vor allem dann, wenn wir auch in Betracht ziehen, dass hinsichtlich der Realeinkommensentwicklung in der Europäischen Union Österreich mittlerweile auf dem Abstiegsplatz liegt.

Die immer wieder von Seiten der Regierung ins Treffen geführte Verantwortung, man habe in Wahrheit kaum Spielraum und Zeit für nationale Maßnahmen, das Erbe der Vorgängerregierung sei so schwer, und im Übrigen mache man ohnehin alles, was man tue, richtig, muss in diesem Zusammenhang, so glaube ich, einmal im Lichte eigener Aussagen betrachtet werden.

Da betont etwa der ehemalige Wirtschaftsminister Farnleitner – angeblich auch heute noch Berater der Regierung –, dass man selbstverständlich von der Höhe der Schulden gewusst habe, zumindest diejenigen, die bis vier zählen können, wie er selbst hinzufügte.

Altparteiobmann Haider richtet an die Himmelpfortgasse den Vorwurf der herzlosen Technokratiepolitik. Die Frau Vizekanzlerin betont, man habe bei der Besteuerung der Unfallrenten nicht sozial ausgewogen agiert. Der Sozialdemokratie nicht gerade nahestehende Landesräte lehnen die Ambulanzgebühren ab. Der Budgetexperte Lehner betont, die Länder seien – ich zitiere – "ein bißchen hineingelegt worden". Die FPÖ-Spitze kündigt für 2003 eine große Steuerreform an. Führende ÖVP-Politiker sehen dafür wenig Spielraum, dafür umso höheren für Lohnnebenkostensenkungen. Letztere seien notwendig, wird argumentiert, um unter anderem ausländische Investoren ins Land zu holen. Gleichzeitig lässt sich etwa General Motors von den derzeit "hohen" Lohnnebenkosten nicht abhalten, kräftig in Wien zu investieren.

Minister Bartenstein hält in diesem Haus anlässlich des Antrittes der blau-schwarzen Koalition fest: "Ich stehe nicht eine Minute an, zu sagen, dass die (gute) Ausgangslage, die wir heute vorfinden, natürlich auch das Verdienst der abgetretenen Bundesregierung ist".

Klubobmann Khol meint zu den letzten beiden Budgets der rot-schwarzen Regierung: "Ich denke, dass die Regierungsparteien zufrieden sein können, dass sie ein Budget vorlegen, das den Konsolidierungskurs, den wir nunmehr in den letzten Jahren eingeschlagen haben, zu einem Höhepunkt und Endpunkt führt. Ich danke der Regierung und dem Finanzminister."

Abgeordneter Stummvoll, heute offenbar ein vehementer Gegner seiner eigenen jahrzehntelangen Politik, hält das Budget 1999 für "ein Signal der Stabilität und Kontinuität". – Soviel also zur angeblichen Verwerflichkeit der vorgefundenen Rahmenbedingungen.

Es wäre indes – und das ist zuzugeben – auch nicht richtig, zu behaupten, die Wirtschaftspolitik der neunziger Jahre sei in all ihren Facetten vom Makel der Unfehlbarkeit behaftet, genausowenig wie das vorliegende Konjunkturbelebungsgesetz in allen Punkten ablehnenswert ist.

Das tiefere Problem scheint mir vielmehr darin zu liegen, dass jener Teilbereich, der in den neunziger Jahren tendenziell falsch angelegt wurde, von der nunmehrigen Regierung zur Perfektion gebracht wird. Denn die bisherige wirtschaftspolitische Performance der FPÖ-ÖVP-Koalition war geradezu ein Paradebeispiel für prozyklische Wirtschaftspolitik.

Während ÖVP und SPÖ in den neunziger Jahren zum Teil in guten Jahren die Ausgaben unzweifelhaft zu hoch belassen haben und Steuerreformen durchführten, über deren Notwendigkeit man ebenfalls diskutieren kann, haben FPÖ und ÖVP – und es sollte auffallen, dass


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686. Sitzung / Seite 110

in beiden Spielarten die ÖVP maßgeblich beteiligt war und ist – in Zeiten wirtschaftspolitischer und volkswirtschaftlicher Probleme die Ausgaben zurückgeschraubt und Steuern sowie Abgaben erhöht.

Es ist dabei völlig unerheblich, ob diese ökonomischen Probleme nun als Rezession, Stagnation auf hohem Niveau oder Delle bezeichnet werden. Glauben Sie mir, einem Arbeitslosen ist es, und zwar völlig zu Recht, völlig egal, ob er seinen Jobverlust einer Rezession, einer Stagnation oder einer Delle zu verdanken hat. Er erwartet, und zwar ebenfalls zu Recht, dass von Seiten der Wirtschaftspolitik kurzfristig etwas dagegen unternommen wird.

Den furchtbaren 11. September des Vorjahres und seine Auswirkungen allein für wirtschaftliche Schwierigkeiten in Österreich verantwortlich zu machen, ist ebenso verfehlt. Bereits vor über einem Jahr haben Wirtschaftsforscher wie auch Opposition davor gewarnt, dass es zu Abschwächungstendenzen der heimischen Wirtschaft kommen könnte. Von Seiten der Regierung wurde allerdings genau das getan, was man nun auch versucht, nämlich derartige Stimmen ins Lager der Schwarzmaler zu verbannen. Damals wie heute geht es aber in keinster Weise um Schwarzmalerei.

Die österreichischen Unternehmen und ihre Beschäftigten leisten nach wie vor hervorragende Arbeit. Nur die von der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Rahmenbedingungen können bei dieser hervorragenden Arbeit leider nicht mithalten.

Wir haben inzwischen in vielen Makrodaten die in den Neunzigern noch eingenommene Überholspur verlassen, und das ist ein Faktum, das nicht einmal vom Finanzministerium bestritten wurde; ein Faktum zudem, das nach zwei Jahren FPÖ-ÖVP-Koalition nicht der Vorgängerregierung, der auch dieselbe ÖVP mit praktisch denselben Ministern – der Vorwurf trifft nicht Sie – angehörte, angelastet werden kann, jedenfalls nicht in glaubwürdiger Art und Weise, wie ich meine.

Statt also in einer derartigen ökonomischen Situation zum Beispiel die Masseneinkommen zu stärken, was bereits kurzfristig antizyklische Wirkung entfaltet hätte, wurde der genau gegenteilige Weg beschritten. So hielt etwa der Leiter des WIFO, das vom Finanzminister in den letzten Wochen so gerne zitiert wird, zu den Maßnahmen im Bereich der Verbrauchssteuern und Gebühren wörtlich Folgendes fest:

"Im unteren Drittel der Einkommensverteilung übertrifft die durch diese Maßnahmen ab Mitte 2000 wirksame Mehrbelastung die vorhergehende Entlastung aus der Lohnsteuersenkung deutlich." Und weiter: "Durch die Änderung des Einkommensteuerrechts ab 2001 büßen somit sowohl aktive Arbeitnehmer als auch Pensionisten der mittleren Einkommenskategorie am meisten von den Vorteilen aus der Steuerreform 2000 wieder ein."

Zusammenfassend meint der Leiter des WIFO, dass die familien- und steuerpolitischen Maßnahmen der früheren Bundesregierung "die Einkommensverteilung relativ massiv zugunsten der niedrigen und mittleren Einkommen verschoben" hätten. Die so genannten Konsolidierungsmaßnahmen der nunmehrigen Regierung – ich zitiere wieder – "trafen und treffen ab Anfang 2001 besonders Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen, die ein Jahr zuvor als stärker begünstigt erschienen." (Bundesrätin Haunschmid: Da kannst du nur mehr lachen!)

Dass damit genau jenen Einkommen Kaufkraft entzogen wird, die generell über die höchsten Konsumquoten verfügen, muss in ökonomisch logischer Konsequenz dämpfende Konjunktureffekte nach sich ziehen.

Ebensolche Effekte hatten verschleppte Infrastrukturprojekte hohen Ausmaßes, denn das Einzige, was sich im zuständigen Ministerium politisch permanent bewegte, war der Ministersessel. Das "angebliche" Nulldefizit – zumindest der Herr Staatssekretär wird verstehen, warum ich "angeblich" sage – wurde erkauft mit einer Verschärfung der Rezessionstendenzen. Das wird von sämtlichen Wirtschaftsforschungsinstituten ebenso belegt – und zwar egal, ob sie jetzt von Ihnen zusammengelegt werden wollen oder nicht, und egal, ob Sie noch Hunderte


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Wirtschaftsforschungsinstitute selbst gründen – wie auch von der EU-Kommission, die im Übrigen die historisch höchste Steuerquote in Österreich kritisierte.

Wenn aber die Wirtschaftsforscher und die Opposition wirklich so daneben gelegen sind mit ihren Prognosen und "Schwarzmalereien", dann stellt sich die Frage, wozu wir das heute vorliegende Konjunkturbelebungsgesetz überhaupt benötigen, noch dazu unter diesem Titel. Denn von konjunkturell greifenden Maßnahmen ist in diesem Gesetz wirklich kaum etwas zu finden.

Dass Teile des Gesetzes antizyklisch wirken könnten, wurde im Übrigen zuletzt nicht einmal mehr von der Bundesregierung selbst behauptet. Dabei gibt es für mich einige Punkte, die wenn schon nicht konjunkturell so doch zumindest standortpolitisch durchaus ihre Berechtigung haben. Ich gestehe hier offen ein, dass ich es bedauere, dass wir hier im Bundesrat nicht die Möglichkeit haben, getrennt abzustimmen.

Die Einführung eines neuen Forschungsfreibetrages sowie vor allem einer Forschungsprämie und der teilweise auf internationale Standards erweiterte Definitionskreis in diesem Bereich werden ohne Zweifel positive Standorteffekte haben. Insbesondere die Forschungsprämie wird Impulse setzen, da sie gewinnun abhängig in Anspruch genommen werden kann.

Forschung und Entwicklung können damit verstetigt werden, und auch Start-up-Unternehmen werden sicherlich begünstigt werden. Kritisch ist anzumerken, dass damit nunmehr zwei Definitionen von F&E-Ausgaben nebeneinander existieren, was international unüblich ist und zudem sicherlich auch die Administration in den Unternehmen selbst nicht gerade erleichtern wird.

Von der absoluten Wirkung her ist festzuhalten, dass gegenüber der bisher gültigen Variante des Forschungsfreibetrages die nunmehrige Begünstigung relativ gering ausfällt, eine gewisse Benachteiligung zwischen den Begriffen also nicht ausbleibt, wenngleich – und das ist zuzugeben – im gesamten Bereich der F&E-Förderung aber eine Verbesserung eintritt.

Positiv zu sehen sind meiner Ansicht nach unter anderem auch der Bildungsfreibetrag und abermals die entsprechende Prämie sowie die Möglichkeit einer zeitlich begrenzten vorzeitigen Abschreibung für Teile des Baubereiches. Damit liegt in Wirklichkeit aber auch schon die einzige Maßnahme vor, die den Titel "Konjunkturbelebung" verdient. Und unter diesem Titel wurde das Gesetz immerhin dem Parlament zugeleitet.

Die Artikel 4 bis 10, also die überwiegende Mehrheit des vorliegenden Entwurfes, haben unterdessen weder etwas mit einer Konjunkturbelebung noch mit einer Standortqualitätsverbesserung zu tun.

Auch über das konkret erforderliche Ausmaß von wirtschaftspolitisch sinnvollen Maßnahmen kann man geteilter Meinung sein, das ist zuzugeben. Gerade was die erwähnte vorzeitige Abschreibung angeht, glaube ich, dass man wesentliche Teile des Baubereiches eben nicht erfasst hat. Gerade bei Sanierung und thermischen Maßnahmen im Althausbereich hätte ich mir stärkere Akzente gewünscht, zumal dort auch die größten Beschäftigungseffekte zu erzielen sind. Mittel wären dafür vorhanden, denn die zumindest von der Bundesregierung erwarteten Steuereinnahmen aus der Konjunkturbelebung wurden in der Berechnung der finanziellen Auswirkungen des Gesetzes laut Erläuterungen zur Regierungsvorlage nicht berücksichtigt. Begründet wurde dies mit – ich zitiere – "mangelnder ausreichender Quantifizierbarkeit". Ich glaube, das ist eine äußerst schwache Begründung, wenn man in Betracht zieht, dass selbstverständlich jede Budgeterstellung derartige Quantifizierungen enthält, ja bei der Budgeterstellung geradezu darauf aufgebaut wird. Aber die Bundesregierung wird schon wissen, warum sie diese zusätzlichen Steuereinnahmen verschweigen möchte.

Wenig sinnvoll ist es auch, wenn der Finanzminister in diesem Zusammenhang von einer "virtuellen Rezession des Jahres 2001" spricht. Konsequent ist es allerdings, wenn er nunmehr auch nur virtuelle Konjunkturbelebungmaßnahmen entgegensetzt.


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Liberalisieren, Deregulieren, Privatisieren  – all das klingt sehr gut, ist aber ohne Abstellen auf den konkreten Einzelfall nichts anderes als virtuelle Wirtschaftspolitik. Liberale oder neoliberale Reißbrettwirtschaft ist ebenso sinnlos wie bedingungsloser staatlicher Allmachtsanspruch. Beides hat in moderner ökonomischer Praxis keinen Platz, und beides verliert diesen zunehmend sogar in der wirtschaftstheoretischen Diskussion.

Markt und Staat sind komplementäre Instrumente. Das heißt, wir brauchen sinnvolle Standortpolitik, wir brauchen auch effiziente Konjunkturpolitik. Die Maßnahmen dazu können aber nur bedingt identisch sein, schon allein auf Grund der unterschiedlichen zeitlichen Dimension.

Ich verhehle also nicht, dass einzelne Teile des vorliegenden Gesetzes standortpolitisch interessant sein könnten, aber, wie gesagt, der Anspruch einer aktiven Konjunkturbelebung wird mit dem Gesetz nicht erreicht – mit Ausnahme des Baubereiches.

Aber vielleicht hat man sich da an Abgeordneter Baumgartner-Gabitzer orientiert, die im Nationalrat meinte: "Wir wollen keine nationalen aktionistischen Programme". – Dann hätte man sich auch das vorliegende Gesetz ersparen müssen, denn es ist zumindest mir entgangen, dass dieses Gesetz eine Umsetzung von EU-Richtlinien ist.

Eine Geisteshaltung wie diese verneint nämlich grundsätzlich die Möglichkeit nationaler wirtschaftspolitischer Maßnahmen. Zweifelsohne hat sich hier der Spielraum in der EU nicht erweitert, aber er ist nach wie vor vorhanden, wie kürzlich auch die Nobelpreisträger Stiglitz und Sen in Wien ausführten und letztlich auch Bundeskanzler Schüssel beim Europäischen Rat in Barcelona mit beschlossen hat.

Stiglitz etwa hat vor kurzem betont, dass eine Volkswirtschaft nur dann erfolgreich sein könne, wenn sie Arbeitsplätze für alle schaffe, da nur dann für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft die notwendige Risikobereitschaft erzielbar sei. Nur am Rande soll angeführt werden, dass der Nobelpreisträger als Grundvoraussetzung dafür ein starkes Netz sozialer Sicherheit als notwendig erachtet, das naturgemäß auch einer gewissen Abgabenquote bedarf.

Der erwähnte Europäische Rat in Barcelona wiederum hat unter anderem die Korrelation zwischen Konjunkturbelebung und Vollbeschäftigung ebenfalls festgehalten und zu Steuersenkungen bei niedrigen Einkommen ebenso aufgefordert wie zu Anreizen zur Investitionsförderung. Bereits seit längerer Zeit hat die SPÖ daher eine entsprechende Steuersenkung im Ausmaß von etwa 3 Milliarden € vorgeschlagen, zu je einem Drittel für niedrige Einkommen, mittlere Einkommen und Unternehmen.

Finanziert werden könnte dies aus der groß angekündigten Verwaltungsreform ebenso wie aus dem Verzicht auf Abfangjäger, abgesehen davon, dass eine Stärkung der Masseneinkommen das Steueraufkommen naturgemäß auf der anderen Seite wieder erhöht, und zwar um rund ein Drittel, wie wir aus der Empirie wissen.

Nachzuweisende Wachstumszuwächse bei Investitionen sollten ebenso steuerlich begünstigt, baureife Infrastrukturprojekte im Ausmaß von immerhin über 3 Milliarden € endlich in Angriff genommen werden. Hier ist die Gegenfinanzierung über das LKW-Road-Pricing ohnehin bereits längst überfällig. All dies hätte unmittelbare konjunkturelle Auswirkungen ebenso zur Folge wie eine weitere Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich.

Noch einmal zu Abgeordneten Mitterlehner: Er hat in seinem Debattenbeitrag im Nationalrat die Zukunftsperspektive der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung meiner Ansicht nach wirklich auf den Punkt gebracht und wörtlich gemeint, die Zukunftsperspektive "heißt Hoffnung". Wirtschaftspolitik, deren Credo es ist, sich auf das Prinzip Hoffnung zu konzentrieren, ist mir als Ökonomen doch etwas zu wenig. (Beifall bei der SPÖ.)


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686. Sitzung / Seite 113

15.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Aburumieh. – Bitte.

15.49

Bundesrätin Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kollegen! Lieber Kollege Hoscher! Es wäre mühsam, jetzt all Ihre Zitate, die Sie aus dem Zusammenhang gerissen haben, zu ergänzen. Ich erlaube mir nur, das erste und das letzte Zitat Mitterlehner so zu ergänzen, wie es tatsächlich im Zusammenhang war.

Dort hieß es nach Ihrem Zitat: "Wir haben für heuer schon ein Wachstum in der Höhe von 1,2 Prozent zu erwarten, für das nächste Jahr werden 2,8 Prozent prognostiziert. Damit liegen wir besser als die USA, liegen wir besser als Japan und liegen wir auch besser als Deutschland, das Sie immer so gerne als Musterbeispiel erwähnen. Deutschland hat für dieses Jahr eine Wachstumserwartung von lediglich 0,8 Prozent." – Das sei nur zur Ergänzung gesagt.

Ich freue mich, dass Sie zumindest die Kernpunkte dieses Konjunkturbelebungsgesetzes begrüßen, nämlich jene von Bildung und Forschung, weil wir alle wissen, dass zwei Trends die Arbeitswelt der Zukunft determinieren, und zwar sind das auf der einen Seite die Bedeutung der neuen Arbeitskräfte als Know-how-Träger für die Wirtschaft und damit Schlüsselfiguren für die Wirtschaft und auf der anderen Seite die Änderung von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. Sie haben völlig richtig erkannt, dass Wissen Produktionsfaktor der Zukunft ist. Schätzungen zufolge macht dieser Produktionsfaktor Wissen heute bereits mehr als 50 Prozent der Wertschöpfung aus.

Das heißt, Förderung von Bildung und Wissen kann uns nicht ernst genug sein, kann nicht Anliegen genug sein und ist daher, wie der Kollege erwähnt hat, der Schwerpunkt des vorliegenden Konjunkturpaketes. Es erfolgte eine Anhebung des Freibetragssatzes für den Bildungsfreibetrag von 9 Prozent auf 20 Prozent. Wahlweise dazu wurde für jene Betriebe, bei denen sehr niedrige oder keine Gewinnerwartungen vorliegen, die Bildungsprämie geschaffen mit einem Prämiensatz von 6 Prozent, um den Ausbildungsstand der Mitarbeiter zu verbessern, um die österreichischen Betriebe in ihrer Position im nationalen und im internationalen Vergleich zu stärken und im nationalen und im internationalen Wettbewerb voranzubringen.

Diese Regierung ist zweifelsohne angetreten, um optimale Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen. Dieses Konjunkturpaket setzt genau dort an, wo es bisher Schwächen im System gegeben hat. Diese Schwächen waren, dass von den technologieorientierten Neugründungen bisher der Freibetrag nicht genutzt werden konnte, weil die jungen Neuunternehmer keine Gewinne aufweisen. Daher sind Jungunternehmer, neu geschaffene Technologiebetriebe kaum, selten oder nie in den Genuss des Freibetrages gekommen.

Neu ist auch der Forschungsfreibetrag in der Höhe von 10 Prozent, neu die Forschungsprämie wieder alternativ dazu in der Höhe von 3 Prozent.

Dass Bildung und Forschung nicht nur Thema auf Bundesebene sind, muss, glaube ich, in der Länderkammer erwähnt werden. Wir haben natürlich dieses Thema auch zu unserem Schwerpunkt in den Ländern gemacht. Ich darf hier nur Landeshauptmann Pröll zitieren: "Unser Ziel ist es, in den nächsten fünf Jahren zusätzlich 20 000 Jobs zu schaffen. Ein wichtiger Eckpfeiler ist dabei die zukunftsorientierte Bildungspolitik."

Das Land Niederösterreich verdoppelt heuer, also 2002, die Aufwendungen für Fachhochschulen und für die Universität Krems auf 72 Millionen €. Das ist für unser Bundesland ein Bildungsinvestitionsschub, den es bisher nie gegeben hat. Wir sorgen im Sinne der Wirtschaft für Bildung, Fortbildung und Forschung, aber wir schaffen damit vor allem Arbeitsplätze für die Zukunft.

Die Bundesregierung hat im Konjunkturpaket 2002 natürlich auch auf die schwierige Lage der Bauwirtschaft Bedacht genommen. Das Konjunkturbelebungsgesetz sieht zur Ankurbelung der Bauwirtschaft für das Jahr 2002 für in diesem Jahr begonnene Bauvorhaben eine vorzeitige Abschreibung vor. Diese wird mit 7 Prozent auf das Kalenderjahr 2002 entfallenden Herstellungskosten oder Teilherstellungskosten bemessen werden, maximal aber mit 3,8 Millionen €. Das heißt, wir wollen dadurch vor allem die Klein- und Mittelbetriebe stärken. Wir beschäftigen


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den Großteil unserer Arbeitnehmer in den Klein- und Mittelbetrieben. Von dort kommt ein großer Anteil an Steuerleistungen. Dort wird die Wertschöpfung erwirtschaftet, und daher erfolgt dort eine Stärkung.

Wenn der Herr Kollege meint, dass Althaussanierungsbereiche, Energiesparbereiche ausgeklammert sind, dann darf ich nur darauf verweisen, das ist Länderkompetenz. Ich kann auch hier die Zahlen für Niederösterreich nennen. Wir haben beim Baugipfel das Investitionsvolumen auf über 400 Millionen € erhöht und haben mehr als zwei Drittel für den Althaussanierungs- und Energiebereich vorbehalten, um auch die Konjunktur anzukurbeln – eine Finanzierungsinitiative, die Arbeitsplätze in den Winter hinein sichern wird. Wir wollen im Frühjahr zum Teil mit Rohbauten beginnen und Energiemaßnahmen im Bereich der Althaussanierung im Winter setzen.

Das vorliegende Maßnahmenpaket der Bundesregierung, festgeschrieben im Konjunkturbelebungsgesetz, das auch noch die Steuerbegünstigungen für Betriebsneugründungen auf Betriebsübertragungen ausweitet und die Neuregelung für private Arbeitsvermittler beinhaltet, dient zur Ankurbelung der Wirtschaft, aber auch zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich.

Meine Damen und Herren! Moderne Standortpolitik ist Strukturpolitik, moderne Standortpolitik heißt, die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs zu verbessern, und moderne Standortpolitik heißt auch, den Standort Österreich aufzuwerten, keine neuen Schulden zu machen und nicht scheinbare Konjunkturpolitik, wie wir das lange genug erlebt haben, zu betreiben.

Schulden sind verbrauchte Zukunft. Sie sind der Feind unserer Arbeitsplätze, der Einkommenschancen und der sozialen Sicherheit. Wenn Kollege Hoscher unsere Standortpolitik anzweifelt, dann darf ich nur an einigen Beispielen zeigen, dass sie richtig ist, nämlich an einigen sichtbaren Beispielen. Wir haben General Motors mit einer Getriebeproduktion, 300 Millionen € werden hier in Österreich investiert. Wir haben BMW-Magna in Steyr mit dem größten Auftrag, den Österreich je im Automobilbereich hatte. Der BMW-Konzern selbst investiert in sein Motorenwerk in Steyr. In Niederösterreich wird der US-Pharmakonzern Baxter 205 Millionen € am Standort Krems in eine Impfstoffproduktion investieren. Das sind 300 hochwertige Arbeitsplätze. Wir werden weitere 300 Arbeitsplätze im Projekt-Engineering in St. Valentin haben. (Bundesrätin Schicker: Semperit sperrt zu! Bei Semperit haben wir früh genug aufgezeigt, und es ist eingetreten, was wir damals befürchtet haben!)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Wenn das für Sie keine Fakten sind, sondern Anlass für Pessimismus, für Krankjammern, für Verbreitung von Horrormeldungen und Angstmacherei, dann kann das wirklich nur Ihre politische Glaubwürdigkeit erschüttern.

Daher lade ich Sie ein, diesen erfolgreichen Weg für unser Land mitzugehen und vielleicht doch diesem Konjunkturbelebungsgesetz zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es hat sich Herr Kollege Mag. Hoscher zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. Die Redezeit für eine tatsächliche Berichtigung ist 5 Minuten.

Herr Kollege Hoscher! Wenn Sie mit der verbleibenden Zeit bis 16 Uhr auskommen, dann erteile ich Ihnen gerne das Wort. – Bitte.

15.58

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Ich werde mich bemühen, ansonsten müssen Sie mir das Wort abschneiden.

Frau Kollegin! Ich weiß schon, dass es unter Umständen möglich ist, 13 Jahre Regierungsbeteiligung zu vergessen, aber das sollte doch nicht sozusagen bei der kurzen Zeitspanne von 13 Minuten meiner Rede passieren. Ich habe die Standortpolitik der Regierung nicht kritisiert,


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sondern sie im Gegenteil gelobt und insbesondere das General Motors-Werk. Sie können es im Protokoll nachlesen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.59

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Da ich nicht annehme, dass Kollege Freiberger mit verbleibendenden zwei Minuten Redezeit zufrieden ist und dann unterbrochen wird, schlage ich vor, dass wir jetzt für zwei Minuten die Sitzung unterbrechen und dann um 16 Uhr die dringlichen Anfrage aufrufen.

(Die Sitzung wird um 15.58 Uhr unterbrochen und um 16.01 Uhr wieder aufgenommen. )

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Darf ich die Kolleginnen und Kollegen daran erinnern: 2 Minuten sind an sich sehr kurz. Darum möchte ich bitten, dass alle Platz nehmen. Wir nehmen die Verhandlungen wieder auf.

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Professor Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundeskanzler betreffend Österreich muss ein Sozialstaat bleiben sowie Wider der Verschwendungspolitik der Bundesregierung von FPÖ und ÖVP (1924/J-BR/02)

der Bundesräte Professor Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Österreich muss ein Sozialstaat bleiben sowie Wider der Verschwendungspolitik der Bundesregierung von FPÖ und ÖVP (1925/J-BR/02)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen zur Verhandlung über die dringlichen Anfragen der Bundesräte Professor Konecny und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler sowie an den Herrn Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen.

Da diese Anfragen inzwischen allen Bundesräten zugegangen sind, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Professor Konecny als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

16.02

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Ich möchte einleitend meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass wir diesmal die Möglichkeit haben, den Herrn Bundeskanzler unsere Fragen beantworten zu hören, was keine ... (Bundesrat Bieringer: Wir haben immer die Möglichkeit!) – Die Möglichkeit haben wir immer, aber die Chance haben wir selten. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Das soll keine Kritik an den Antworten des Herrn Staatssekretärs sein, die wir – wenn ich das Kompliment, das Sie Fidel Castro gemacht haben, zurückgeben darf – professionell sehr schätzen, was die Sprechtechnik anlangt. (Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren! Wir wollen mit dieser dringlichen Anfrage versuchen, etwas herauszuarbeiten, was wir als einen nicht untypischen, tiefen Widerspruch in der Politik dieser Bundesregierung ansehen. Diese Bundesregierung, die mit dem – durch nichts was sie vorgefunden hat, legitimierten – Anspruch aufgetreten ist, Schulden abzubauen und all das zu verändern, hat in Wirklichkeit nur eines verändert: Sie hat die Österreicherinnen und Österreicher massivst belastet, sie hat diesem Land die höchste Steuer- und Abgabenquote in seiner Geschichte beschert, sie hat massive Leistungsverschlechterungen im Sozialbereich durchgeführt, und sie hat auch dort neue Belastungen geschaffen. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Was hat sie noch gemacht?)

All dies wurde mit dem Argument begründet, man müsse in einem Zeitalter knapper Kasseninhalte sparen – auch wenn wir bei der Beschlussfassung jeder einzelnen dieser Maßnahmen darauf verwiesen haben, dass es ein sehr einseitiges Sparen zu Lasten der sozialen Schwa


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chen ist. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Wie bei der SPÖ-Parteifinanzierung! Wie die SPÖ-Sanierung derzeit!)

Das ist die Aufgabe von Menschen, die eine gemeinsame politische Überzeugung haben, dass sie für dieses Ziel etwas aufbringen. Herr Kollege! Wenn wir diesen Vergleich heranziehen, dann kenne ich eine Menge österreichischer Steuerzahler, die es vorziehen würden, auszutreten. Bei einer Partei kann man das, bei der Republik ist das relativ schwierig. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich erspare mir einen länger ausgeführten Seitenhieb darauf, dass diese grundlegende Veränderung zu 50 Prozent von Politikern und einer Partei mitgetragen wird, die so tun, als ob sie im Februar 2000 vom Himmel gefallen wären. Wenn ich mich düster erinnere – selbstverständlich auch Sie, Herr Bundeskanzler –, hat an alldem, was da angeblich ein so fürchterliches Schlamassel ist, eine Partei namens Österreichische Volkspartei – offensichtlich gibt es hier doch eine Rechtskontinuität – nicht unwesentlich als Regierungspartner der Sozialdemokratie mitgewirkt. Wenn wir also ... (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Die hat aber keinen Finanzminister gehabt!) – Sie hat keinen Finanzminister, aber eine Menge teurer Minister gehabt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage nochmals: Wir haben es mit einer massiven Verschlechterung des sozialen Klimas in diesem Land zu tun. Sie werden uns in der Anfragebeantwortung und in der Debatte sicherlich erklären, dass mit dem Kindergeld gewissermaßen alles wettgemacht sei. – Nein, das ist es nicht, und zwar auch nach der Überzeugung der großen Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher! (Bundesrat Bieringer: Das werden wir sehen!)

Herr Kollege! Natürlich werden wir das sehen! Das ist das Gute an der Demokratie, dass man sich immer dem Urteil der Wählerinnen und Wähler stellen muss. Da erlebt man manchmal seine Überraschungen, manchmal angenehme wie in Wien, manchmal unangenehme wie in anderen Bundesländern, manchmal auch unangenehme oder angenehme auf Bundesebene – aber das ist das Wesen der Demokratie, dass unser Souverän sein Urteil fällt. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Schön, dass Sie das anerkennen, mittlerweile!)

Herr Kollege! An den demokratischen Credentials der Sozialdemokratie zu zweifeln ist etwas, was nach einem Jahrhundert treuen Einstehens für diese Grundsätze nicht wirklich legitimiert ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie mögen es als eine überzogene Ausdehnung des Fragerechtes ansehen, aber ich glaube, im Kern spitzt es sich darauf zu, ob wir eine Sozialpolitik wollen, in der sich in Wirklichkeit – unter welchem Titel auch immer, mit welchem Mascherl auch immer – jeder einzelne Betroffene seine soziale Versorgung selbst zahlt, was dann heißt, dass sie ziemlich mickrig ausfällt, wenn die Zahlungsfähigkeit beschränkt ist, oder ob wir an dem guten Grundsatz einer Solidargemeinschaft festhalten, die auch und gerade das Element der Umverteilung beinhaltet. Wie gesagt, man mag es als weitherzige Ausdehnung unseres Fragerechtes ansehen, wenn wir Ihnen, beiden Herren, hier ausdrücklich ein Zitat aus einer freiheitlichen Zeitschrift zur Beurteilung vorlegen.

Ach Gott, der Herausgeber hat uns verlassen! Herr Professor Böhm! Haben Sie Kollegen Gudenus schon wieder Stubenarrest gegeben? (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist nicht mein Stil!) Also gut, immer dann, wenn man ihn zum Zeugen aufrufen könnte und müsste, ist er nicht da! Aber ich kann das ertragen. Ja, Kollege, ich kann es ertragen, dass er nicht da ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Es steht also in jener "Zur Zeit", die vom Kollegen Gudenus mit herausgegeben wird: "Soziale Wärme entsteht, wie jeder Genosse weiß, durch die Verteilung von durch bürgerliche Eliten zu finanzierenden Wohltaten an Tagediebe und Minderleister."

Meine Damen und Herren! Denken Sie einen Augenblick mit! (Bundesrat Freiberger: Das wird schwer!) Hier wird also jene große Gruppe der Bevölkerung, die tatsächlich – im EU-Jargon würden wir es so sagen – Nettoempfänger unseres Sozialsystems sind, als "Minderleister" und


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"Tagediebe" beschimpft. Wir haben Hunderttausende Menschen, die beispielsweise einen so geringen Pensionsanspruch haben, dass nur die Ausgleichszulage ihr ohnehin mickriges finanzielles Überleben sichert. (Bundesrat Ledolter: Bauern! Selbständige! Kleine Gewerbetreibende! Und so weiter!)

Lassen Sie einmal. (Bundesminister Mag. Haupt: Herr Professor! Ist das Sozialmissbrauch, was Ihre Fraktion fordert?) – Nein. (Bundesminister Mag. Haupt: ... das vorzusehen in diesem Zusammenhang? – Bundesrat Dr. Aspöck: Deswegen soll Charlie Blecha eine Erhöhung ...! – Weitere Zwischenrufe.)

Diese Menschen – und jeder von Ihnen hat in seiner ... (Zwischenruf des Bundesministers Mag. Haupt. ) Herr Minister! Es ist in diesem Haus allerhand üblich, aber nicht, dass man von der Regierungsbank Zwischenrufe macht. (Bundesminister Mag. Haupt: Es ist unter Umständen angebracht ...! – Bundesrat Dr. Aspöck: ... soll Charlie Blecha eine Erhöhung seiner Pension ...!)

Meine Damen und Herren! Sie alle – so unterstelle ich Ihnen – stehen in Kontakt mit Ihren Wählerinnen und Wählern, mit den Mitbürgern in Ihrem jeweiligen politischen Wirkungsbereich. Meinen Sie tatsächlich, dass die Ausgleichszulagenbezieher oder andere vergleichbare Gruppen – einige habe ich ja zugerufen bekommen, kein Problem, das zu unterschreiben – die Tagediebe und Minderleister dieser Republik sind? (Bundesrat Dr. Böhm: Ist ja auch nicht unsere Meinung!) Okay, das hätte ich gerne von Ihnen im Beisein des Herausgebers gehört, der vermutlich über die Publikation dieses Artikels entschieden hat.

Aber darum geht es im Kern: Ja, wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bekennen uns zu einem solidarischen Prinzip der Sozialversicherung und des gesamten Sozialsystems! Das beinhaltet Umverteilung, so wie das Steuersystem auch. Wenn an diesem Grundsatz unserer solidarischen Gesellschaft gerührt wird, dann zerschlägt man etwas, was man nachher, im Fall von dessen Nichtexistenz, bitter bedauern würde. (Bundesrat Dr. Aspöck: Das sollten Sie sozialdemokratischen Spitzenverdienern sagen! ... Abfertigungskünstlern!)

Alle jene, die Spitzenverdiener sind – und wir alle haben relativ anständige Saläre –, gehören zu den Nettozahlern dieses Systems. Die Frage ist nur, ob ich mich dazu bekenne – und wir bekennen uns dazu – oder ob ich darüber dauernd lamentiere und die Empfänger diffamiere. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Nun unterstelle ich Ihnen nicht – aber Sie werden uns das sagen –, dass dieses Zitat Ihre persönliche Meinung zum Ausdruck bringt. Ich bin mir da sehr sicher, und ich hoffe auf klare Worte. Doch die Politik, die hier objektiv durchgeführt wurde, stand zwar nicht unter dieser Überschrift, aber sie ließe sich sehr wohl als eine Verwirklichung solcher Überlegungen deuten. Das, was geschehen ist, und das, was man angekündigt hat und bei dem man manchmal, wenn man hingegriffen hat, gleich wieder zurückgezuckt ist, weil man gemerkt hat, wie stark die Reaktion der Öffentlichkeit ist, geht schon in diese Richtung.

Die Besteuerung dessen, was – im Übrigen fälschlich – umgangssprachlich "Unfallrenten" heißt, ist ein, wirklich nur ein gutes Beispiel dafür. Da wird eine Leistung, die objektiv eine Schadenersatzzahlung ist – was unter allen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, völlig unbestritten ist –, mit einer Quasi-Einkommensteuer belegt, also versteuert. Dann lassen Sie – gerade Sie, Herr Minister! –, weil es eine breite öffentliche Empörung darüber gibt, dass die Ärmsten der Armen solcherart zur Kasse gebeten werden, sich ein kompliziertes und für die Betroffenen durchaus entwürdigendes Verfahren einfallen, um einige Härtefälle zu sanieren.

So kann man nicht Sozialpolitik machen! (Bundesrätin Haunschmid: So wie ihr!) Das ist Willkür nach dem Motto: "Hier gibt es ein Geld, von dem ich mir steuerlich noch etwas holen könnte, und das tue ich." (Beifall bei der SPÖ.)

Genau dadurch, so finden wir, ist der Sozialstaat Österreich – Herr Minister, wieso sind Sie so nervös? Sie sind Sozialminister, auch wenn Sie unsozial agieren. Aber Sie werden sich das in


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einer parlamentarischen Körperschaft anhören müssen, auch dann, wenn ich nicht erwarte, dass Sie mir zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Sozialpolitik geht an den Kern dessen, was für die Österreicher auch das Selbstverständnis ihres Landes ausmacht. Es kommt dazu, dass Sie den Menschen wirkungsvoll den Eindruck vermittelt haben, dass man sich in dieser Hinsicht auf nichts verlassen kann außer darauf, dass nichts gesichert ist. Da gibt es einen Finanzminister, der schnell einmal aus der Hüfte schießt und sagt: Das mit der Besteuerung von Grund und Boden könnte man ganz anders machen, viel höher! – Dann gibt es, für ein paar Tage als Versuchsballon in die Welt gesetzt, die Idee: Warum erst 2019? Machen wir das gleiche Pensionsalter der Frauen bald oder überhaupt gleich! (Bundesrat Dr. Böhm: Oft gefordert, für die Landwirtschaft ...!)

Nein, es ist nicht oft gefordert. Hier ist vor geraumer Zeit eine Lösung beschlossen worden, die ... Bitte? (Bundesrat Steinbichler: ... mit Herrn Steger diskutieren, dieses Thema!) Hier haben wir eine Lösung beschlossen, die es – und darauf kommt es im sozialpolitischen Bereich an – den Frauen einer bestimmten Generation ermöglicht, sich auf eine ab dem Jahr 2019 Rechtsbestand seiende Systemänderung einzustellen.

Wenn wir über Pensionen, über das Pensionsalter und im Übrigen auch über Frühpensionen sprechen, dann ist das nichts, was ein geldbedürftiger Finanzminister aus der Hüfte schießen kann, sondern da sprechen wir von Lebensverläufen, von planbaren und gesicherten Lebensverläufen. Darauf müssen sich Menschen einstellen können. (Beifall bei der SPÖ.) Eine Politik, die ein bisschen das Rouletteprinzip zur Maxime erklärt und sagt: heute Grundsteuer, morgen Pensionsalter, rien ne va plus, verunsichert Menschen und macht dieses Element ihres Lebens zu einer zusätzlichen Belastung. (Bundesrätin Haunschmid: Sozialschmarotzer ...!)

Ja, ganz richtig! Sind Sie auch schon draufgekommen, dass man deshalb das Sozialstaat-Volksbegehren unterschreiben muss? Gratuliere zu dieser Einsicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß schon: Auch das wird in der Debatte mit großem Neuigkeitswert vorgebracht werden. – Nein, es ist kein Volksbegehren, das die SPÖ gestartet hat. Aber es ist natürlich eines – keine Frage und kein Problem damit –, das unseren Intentionen in hohem Maß entgegenkommt. Wir senden auf derselben Wellenlänge, und daher solidarisieren wir uns damit. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber die Wurzel dieses Volksbegehrens liegt eben darin, dass es viele Menschen in diesem Land gibt, die von dieser Bundesregierung sozialpolitisch einen falschen Weg verfolgt sehen und die zumindest eine Fundamentalbremse, so möchte ich sagen, einziehen wollen. Niemand kann in einer Verfassungsbestimmung oder in einer ähnlichen Regelung die Details unseres wahrhaft komplexen Sozialsystems festschreiben.

Es ist selbstverständlich, dass sich ein Sozialsystem immer weiterentwickeln muss, immer wieder auf neue gesellschaftliche Situationen und damit auf neue Bedürfnisse eingehen muss und dass man in manchen Fällen auch sagen kann, da haben wir Dinge, die einmal aktuell waren und heute in dieser Form nicht mehr aktuell sind, daher können wir zu Änderungen schreiten. – Aber im Wörterbuch dieser Bundesregierung wird "Weiterentwicklung" immer nur mit "Reduzierung" übersetzt. Diese Übersetzung werden Sie im Duden nicht finden. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist die eine Dimension dieser dringlichen Anfrage. Wir werden naturgemäß nach den Antworten weiterzudiskutieren haben, weil wir uns von diesen Antworten Aufschluss darüber erwarten, in welche Richtung sich die Sozialpolitik in den verbleibenden eineinhalb Jahren weiterentwickeln soll. Es werden sicherlich auch jene aufmerksam ... (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Zum russischen Bodenküsser!)

Ach Gott! Herr Kollege! Sie sind so "originell", es ist nicht mehr auszuhalten! Wissen Sie, ab dem 37. Mal ist ein Witz nicht mehr sehr gut, vor allem, wenn man ihn immer denselben Leuten erzählt. Sie sollten sich ein anderes Publikum dafür suchen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Die Antworten, die hier gegeben werden, sind aber auch für die Menschen in diesem Land von Bedeutung, weil sie sich ein Bild davon machen müssen – und ich nehme an, dieses Bild ist klar –, wie dringend eine solche verfassungsmäßige Verankerung des Sozialstaates in Österreich ist. Wenn die evangelische Kirche dieses Volksbegehren unterstützt ... (Bundesrat Bieringer: Jessas na!) – Antireligiöse Bemerkungen, Kollege Bieringer, bin ich von dir sonst nicht gewöhnt. – Wenn also die evangelische Kirche dieses Volksbegehren unterstützt, wenn namhafte katholische Laiengruppen diese Initiative unterstützen ... (Ruf bei der ÖVP: Zum Teil!) Teile – zur Katholischen Arbeiterjugend hätte ich dich auch nicht gezählt! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sozialdemokraten, Grüne, Gewerkschafter eine Initiative, die, wie gesagt, auf ihrer Wellenlänge ist, unterstützen, dann ist das natürlich nicht überraschend. Aber ich gebe zu, es ist nicht Willkür, sondern es steht tatsächlich in einem engen sachlichen Zusammenhang, warum diese dringliche Anfrage auch noch einen zweiten Themenbereich erschließt.

Wenn wir über Sparen sprechen, wenn wir über die zur Verfügung stehenden Mittel sprechen (Bundesrat Steinbichler: Unsere Wirtschaft ...!), dann sprechen wir nicht von einer feststehenden, unveränderbaren Größe. Es ist immer wieder die Frage zu stellen, ob der Anteil, den die Gemeinschaft an dem Erwirtschafteten bekommt, ausreichend ist und ob die Verteilung in den verschiedenen öffentlichen Haushalten und Töpfen angemessen ist.

Zu sagen, wir haben in der Krankenversicherung zu wenig Geld, und darauf ein Reformprojekt aufzubauen – das am Ende mehr kostet als vorher, aber das nur am Rande – und gleichzeitig die Steuerquote zu erhöhen, das ist doch ein krasses Missverhältnis! Glauben Sie mir, die Österreicherinnen und Österreicher wären, wenn wir die Steuerquote durch gezielte Maßnahmen beispielsweise um ein halbes Prozent senken könnten, sehr gerne bereit, dieses halbe Prozent nicht privat einzukassieren (Bundesrätin Haunschmid: Das brauchten wir alles nicht zu machen, wenn ihr nicht so viele Schulden gemacht hättet!), sondern beispielsweise für den Gesundheitsbereich zur Verfügung zu stellen, von dem alle wissen, dass heute ganz andere und viel kostspieligere Behandlungen als vor 15 oder 25 Jahren möglich sind. Das versteht jeder, das erlebt jeder in seiner unmittelbaren Umgebung.

Gerade diese kostspieligen lebensrettenden Verfahren dürfen, zumindest unserer Überzeugung nach, eben nicht einer Zwei-Klassen-Medizin überantwortet werden: Derjenige, der es sich leisten kann, bekommt es, und die anderen haben leider Pech gehabt, weil sie – wie heißt das so schön? – zu den "Minderleistern", um die freundlichere der beiden Formulierungen zu verwenden, gehören. (Bundesrat Steinbichler: Eine schwache Lesung!)

Es geht also sehr wohl auch darum – auch wenn es formal zum Teil getrennte Töpfe sind –: Wie geht diese Bundesregierung mit den zur Verfügung gestellten Steuermitteln um? – Da gibt es die ... (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) – Herr Kollege! Sie haben an der Genesis jener angeblichen Schulden substanziell und kostspieligst mitgewirkt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steinbichler: Nein! – Bundesrat Dr. Lindinger: Wir zahlen eure Schulden!) Und die FPÖ bemüht sich, wie ich Ihnen gleich zeigen werde, dieses Defizit an Schuldenmachen kräftig nachzuholen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir also darüber sprechen, dass wir Abfangjäger kaufen, wenn wir damit einen Milliardenaufwand – bitte, ich spreche von Euro- und nicht von Schillingbeträgen! – für eine lange Zeit in Angriff nehmen und der Regierung immer nur einfällt, zu sagen: Ja, aber 2003 müssen wir dafür noch gar nichts zahlen, dann muss ich sagen, ist das das Argument eines, der sehenden Auges in den Bankrott marschiert. Das Budget 2003, das offenbar Ihr Letztes sein wird und das daher Ihr dringendes Anliegen ist (Bundesrat Bieringer: Haha, abwarten!), ist also heilig. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber ab 2004 kann die ganze Kostenbelastung dieses zweifelhaften Geschäftes über die österreichische Budgetpolitik hereinbrechen. Ich halte das nicht für eine verantwortungsbewusste und weitsichtige Politik, und es ist, wie wir alle wissen, zudem eine absolut unvernünftige Politik. Schon wieder muss ich – das kommt wirklich nicht oft in einer Rede zum zweiten Mal vor – die


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Abwesenheit des Kollegen Gudenus bedauern. (Heiterkeit.) Aber er könnte in seiner militärischen Kapazität auf Punkt und Beistrich erklären – und er hat es auch in der Öffentlichkeit getan –, warum es absoluter Unsinn ist, Abfangjäger zu kaufen. (Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. ) Der Herr Oberst weiß das sicherlich genauer als Sie, Frau Kollegin, und ich glaube ihm und nicht Ihnen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Haunschmid: Wir haben keinen Parteizwang!)

Aber wir können auch im Kleinen darüber reden. Sehen Sie, meine Damen und Herren, wir haben – und das ist etwas, was in höchstem Maße von den Regierungsmitgliedern der FPÖ veranstaltet wurde – eine gnadenlose Aufblähung der Ministerbüros miterlebt, mit Menschen, die, sagen wir, knapp über dem Existenzminimum versorgt wurden, bar jeder Qualifikation oder zum Teil lediglich mit einer vorgetäuschten Qualifikation (Bundesrat Würschl: Frau Fabel war schon gut!) wie die fabelhafte Dame – (in Richtung Bundesminister Mag. Haupt:) ach, das war ja bei Ihnen, Herr Minister! – mit dem angemaßten Doktortitel. (Bundesrat Würschl: Magister! – Bundesrätin Haunschmid: Kein Doktortitel!)

Das geht pausenlos weiter! Da gibt es Menschen, die sich unter Berufung auf ihren Dienstpass in Diskotheken mit Türstehern prügeln. Da gibt es – das muss man sich einmal in besonderem Maße auf der Zunge zergehen lassen – Pressereferentinnen, die angestellt werden, und dann bekommen sie um eine Million – diesmal in Schilling – eine Ausbildung, damit sie in die Lage versetzt werden, diesen Job auszufüllen. Ganz abgesehen davon, dass es eine Ministerin gibt – "blaues Urgestein" hat man damals gesagt (Heiterkeit bei der SPÖ), aber mit den Steinen allein macht man eben keinen Staat –, also das "blaue Urgestein" Frau Forstinger, die dann um einen etwas geringeren Beitrag, der Steuerzahler natürlich, sprechen lernen darf. (Bundesrätin Haunschmid: Sie vergessen, wie oft Sie die Minister ausgewechselt haben!)

Es gibt in einem Job, sowohl in einem politischen als auch dem in einem Ministerbüro, normalerweise so etwas wie Anstellungsvoraussetzungen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.  – Bundesrat Schöls: "Euroteam" ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das ist also die Nervositätsschwelle von Teilen der Regierungsparteien. Nein, Kollege Bieringer schaut ganz ernst in die Gegend, und Sie auch, Kollege Böhm, aber soweit die FPÖ-Fraktion noch anwesend ist, regt sie sich ebenso fürchterlich auf wie ein Teil der Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP. (Bundesrat Ledolter: Aufregend ist es nicht! Eher merkwürdig!)

Herr Kollege! Wenn ich merkwürdig bin, dann merken Sie sich das, was ich Ihnen jetzt sage. Ich bitte Sie also, sich zu merken, dass diese Regierung, die auf der einen Seite zu Lasten der sozial Bedürftigen spart, auf der anderen Seite zugunsten von Prestigeobjekten und zum Teil auch einer Art Selbstbedienung dieselben Mittel exzessiv ausgibt. Nun weiß ich schon, dass man ob des Gehalts der Frau Fabel die Pensionen nicht einmal um ein Zehntelpromille erhöhen kann. Aber es geht um die Geisteshaltung, die dahinter steht. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben vor vielen dieser Entwicklungen gewarnt. Wir haben darauf hingewiesen, in nahezu jedem einzelnen dieser Fälle, wie falsch Sie politisch liegen. Wir haben hier beispielsweise mit Ihnen, Herr Bundesminister, über die Unfallrentenbesteuerung gestritten. Sie haben nachher einen Rückzieher machen müssen.

Sie haben sich in anderen Fällen vom Verfassungsgerichtshof auf die Finger klopfen lassen müssen, und Sie werden das noch ein paar Mal erleben. (Bundesrat Dr. Böhm: Rein formal!) Ach Gott, Herr Kollege, was heißt schon "formal", wenn zunächst einmal etwas aus formalen Gründen aufgehoben wird und der Verfassungsgerichtshof sagt: Die Substanz schauen wir uns an, wenn es noch einmal zu uns kommt!? Wir sorgen schon dafür, dass es noch einmal dorthin kommt! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.  – Bundesrat Dr. Böhm: Das ist offen!)

Ich weiß schon – nicht Sie persönlich, das wäre ein bisschen schwierig bei Ihnen –, dass die FPÖ mit dem Verfassungsgerichtshof ihre Probleme hat und ihn gelegentlich ein bisschen


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heruntermachen will, aber genau um den geht es. Auch die frühere Bundesregierung, auch die Sozialdemokratie – und ich habe das in einer anderen Debatte hier schon gesagt –, hat mit Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes nicht immer Freude gehabt. Es hat Gesetze gegeben, auch damals, die der Verfassungsgerichtshof aufgehoben hat, und wir haben keine Scheu gehabt zu sagen, dass wir dieses Urteil für falsch halten, dass wir dieses Urteil nicht mögen. Aber wir haben nie – und das unterscheidet uns – die Legitimität des Verfassungsgerichtshofes in Zweifel gezogen, wenn er solche für uns damals unangenehme Entscheidungen getroffen hat.

Wenn wir mit einer jener Beschwerden, die wir jetzt eingebracht haben, beim Verfassungsgerichtshof scheitern, dann werden wir das auch zur Kenntnis zu nehmen haben. Ja, selbstverständlich. Das ist etwas, was die FPÖ erst erlernen muss, mühsam: den Respekt vor dem Recht. Mit dem Recht der Menschen wie dem der Republik haben Sie halt Ihr Problem. Ich verstehe es ein bisschen, aber das ist nichts, worum sich die österreichische Politik ernsthaft kümmern kann, dass Sie mit Entscheidungen, die gegen Sie gerichtet sind, ob es um Fußballschiedsrichter oder um den Verfassungsgerichtshof geht, ein ernstes Problem haben. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesen Tagen – ich habe kein Problem, und das ist sozusagen keine Schleichwerbung, dazu ist der hier anwesende Kreis zu klein und die Zielgruppe irgendwie nicht rasend ergiebig, also ich sage es noch einmal – läuft ein Volksbegehren, das genau das erstrebt: dass auch die sozialen Grundrechte in diesem Land unter den Schutz der Verfassung und damit unter die Beurteilung des Verfassungsgerichtshofes gestellt werden, der kein einfacher, nicht einmal ein völlig irrtumsfreier, aber ein angesehener und letztinstanzlicher Schiedsrichter ist. Denn ein Gemeinwesen kann nur dann funktionieren, wenn nicht die Willkür – und auch eine Mehrheit von 54 Prozent ist in der Lage, Willkür auszuüben ... (Ruf bei der ÖVP: 46 Prozent auch!) Also mit 46 Prozent tut man sich ein bisschen schwer, Willkür auszuüben, es sind ... (Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.) Dem Herrn Kollegen habe ich schon das letzte Mal gesagt, dass er auf seinem Sessel zusammenrücken soll, weil die Wiener ÖVP-Bundesräte auf sehr schmalem Grund sitzen. – Ist Kollege Maier heute nicht da, weil er einen Obmann sucht? (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Kollege Himmer! Es gibt so etwas wie ein Wahlrecht, und es gibt im Übrigen eine klare Mehrheit für die SPÖ in Wien. Also dieser Zwischenruf ist, zumindest historisch, durch die Menschen in Wien sanktioniert. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Lassen Sie das, Sie verlängern Ihr Leiden nur! Ich war an sich beim Schlusssatz, Kollege Himmer, Sie hätten es billiger haben können.

Ich sage noch einmal: Es läuft in diesen Tagen ein Volksbegehren, das ich vorbehaltlos unterstütze. (Bundesrat Dr. Aspöck: Ist das unter Ausschluss der Öffentlichkeit? – Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.) In Wien leiden wir im besonderen Maße unter einer Politik der Bundesregierung, die in massiver Art und Weise Arbeitsplätze vernichtet. Das ist eine Tatsache. Die Möglichkeiten, gegenzusteuern, sind vorhanden und werden genutzt. (Beifall bei der SPÖ.) Aber bei dem Bröckerl, das die Bundesregierung Wien vor die Haustür gelegt hat, ist es verdammt schwer.

Ich sage noch einmal: Dieses Volksbegehren drückt eine echte Sorge der Menschen in diesem Land aus, auch eine Sorge, die die Opposition hat, und ich erwarte mir, auch wenn das nach den Zwischenrufen, deren ich hier teilhaftig wurde, eine ziemlich hoffnungslose Hoffnung ist, dass die Auffassung, die die Menschen zum Ausdruck bringen, von Ihnen ernst genommen wird.

Dieses Bemühen erkenne ich aus Ihren Zwischenrufen und aus Ihrer Haltung nicht wirklich. Aber Sie haben mich darauf angesprochen: Ja tatsächlich, die letzte Entscheidung wird der demokratische Souverän dieser Republik treffen, und wir sind zuversichtlich, dass er sich das, was Sie sozialpolitisch verursacht haben, gut merken und es in sein Urteil einfließen lassen wird. Nicht gerade bei Philippi, aber am Wahltag sehen wir einander wieder! (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)


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Und für alle jene, die es schon wieder vergessen haben: Man sollte zu diesem Volksbegehren hingehen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

16.36

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der an ihn gerichteten Anfrage erteile ich dem Herrn Bundeskanzler das Wort. – Bitte.

16.37

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Herr Präsident! Herr Klubobmann Konecny! Der Bundesrat war für mich eigentlich immer ein Ort, wo man relativ sachlich die Dinge beleuchten konnte (Bundesrätin Haunschmid: Das haben wir schon lang nicht mehr!) und wo diese holzschnitzartigen Schwarzweißeffekte eher weniger zutage getreten sind. Ihre Rede erinnert mich genau an das Gegenteil, das war ein Holzschnitt: das Reich des Lichts, das Reich der Finsternis, die eher merkwürdigen Karikaturen vom Jesus-Biographen Haderer, gut, das gehört offensichtlich auch mit dazu. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das ist doch entzückend! Schauen Sie sich das an!) Ja, ich habe nicht die Qualität des Zeichners bestritten, aber die Qualität des Subjekts. Dass das kein besonders gutes Thema gewesen ist, weder das Jesus-Buch noch dieses Volksbegehren, ist eine zweite Sache.

Herr Bundesrat! Ich habe das Gefühl, dass Sie mit Krampf versuchen, den österreichischen Sozialstaat schlecht zu reden. Und das ist er nicht! Wir haben ein erstklassiges Land! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Schauen Sie sich einmal die Entwicklung der letzten Jahre an! Das ist bitte nicht diese österreichische Bundesregierung, das sind die Zahlen seit dem Jahr 1990. (Der Redner zeigt eine Grafik aus einer Zeitung.) Sie sehen hier den Anstieg, in Euro gerechnet, bei den Ausgaben für die Sozialleistungen: von 35 Milliarden auf 60 Milliarden €. Ich frage Sie: Sehen Sie da irgendwo einen Einbruch? Sehen Sie da irgendwo einen Knick in der Sozialbilanz dieses Landes? – Überhaupt nicht! Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben den Sozialstaat gerettet, wir haben ihn gesichert, und wir haben ihn sogar ausgebaut in manchen Bereichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Unterschied ist nur – auf den lege ich großen Wert, und den soll man ruhig beleuchten und herausarbeiten –, dass wir nicht der Meinung sind, dass man überall "more of the same" geben soll, sondern dass man sich ganz gezielt anschaut: Wo sind Lücken, und wo muss man gegensteuern?

Ich bin jetzt 23 Jahre Parlamentarier, gewählter Parlamentarier, in jeder Wahl direkt gewählt, und seit 13 Jahren in der Bundesregierung, und ich sage Ihnen, wir haben ein erstklassiges Sozialsystem mit großen Lücken. Das sind eben die jungen Familien, die wirkliche Probleme gehabt haben, vor allem hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, und da hilft natürlich ein Kindergeld, das um 50 Prozent bezüglich Dauer ausgeweitet wurde, nämlich von zwei Jahren auf drei Jahre (Bundesrätin Mag. Trunk: Und was tun wir dann?), das auf alle Familien ausgedehnt wurde. – Sie können mir doch als Sozialdemokrat nicht erklären, dass es fair und gerecht war, 15 000 Familien vom Bezug des Karenzgeldes per Gesetz auszuschließen! Wir haben das geändert! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben die Familienbeihilfe erhöht, und wir haben erreicht, dass das Pflegegeld für behinderte Kinder – und das ist ein Verdienst von Herbert Haupt, ich möchte das hier ausdrücklich sagen, denn das war eines seiner wichtigsten Anliegen, und er hat es durchgebracht, wir alle haben ihn unterstützt –, ab der Geburt ausbezahlt werden kann. Das war eine soziale Lücke, die nicht vertretbar gewesen ist.

Wir haben die Kriegsgefangenen in West und Ost, die Zwangsarbeiter entschädigt. Natürlich ist das nicht strittig gewesen, aber Sie können doch in Ihrer gemeinsamen Bilanz auch einmal feststellen, dass in diesen zweieinhalb Jahren sehr viel gelungen ist, was eigentlich außer Streit stehen sollte, Herr Bundesrat! Reden Sie doch nicht immer nur von den Problemen, reden Sie doch auch von den Leistungen, die wir unstreitig gemeinsam zusammengebracht haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Dazu kommt die Gleichstellung der Arbeiter und der Angestellten. Wo waren denn da frühere Sozialminister? – Diese hätten all das machen können! Diese österreichische Bundesregierung ... (Bundesrat Winter: Wart ihr nie in der Regierung? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja ja, das schmerzt, das schmerzt, daher nehme ich das Mikrofon zu Hilfe und wiederhole es: Wir haben es gemacht – Sie haben nur geredet davon! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Oder: Nehmen Sie dieses wirklich bedeutende Reformprojekt der "Abfertigung neu" oder der betrieblichen Mitarbeitervorsorge her! Das war eine Idee unserer Arbeitnehmer. Die freiheitlichen Arbeitnehmer haben das aufgegriffen, wir haben das gemeinsam in das Regierungsprogramm geschrieben, und wir verwirklichen es jetzt. Früher haben 15 Prozent der Arbeitnehmer jedes Jahr eine Abfertigung bekommen, in Hinkunft bekommen 100 Prozent der Arbeitnehmer jedes Jahr einen wachsenden Anspruch. Vergessen Sie das Plakat! Das sind die Taten, das ist die Rhetorik, und die Taten sind besser! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Oder nehmen Sie die Lücken her. Wenn Frauen Kinder erziehen, dann war das bisher bestenfalls eine Ersatzzeit für die Pensionsberechnung. Sie wissen genau – jedenfalls die, die sich auskennen, wissen es –, eine Ersatzzeit ist natürlich ungleich weniger wert als die Pensionsbegründung. Ich sage Ihnen, Herr Bundesrat, ich habe als Wirtschaftsminister und als Parteiobmann später darum gekämpft, dass wir Pensionsbegründungszeiten bekommen. Das haben die Sozialisten immer abgelehnt, weil das nicht notwendig ist, weil wir das nicht brauchen. Heute haben Sie die Linie geändert. Wir haben es nur gemacht! Es geht nicht um Rhetorik, sondern um Taten, gerade für die Frauen, die Kinder erziehen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Mag. Trunk: Bartenstein hieß der damalige Partner der Frauenministerin, Herr Bundeskanzler! Bleiben Sie bei der Wahrheit! Bartenstein war dagegen, und das war der Partner der Frauenministerin! Bleiben Sie bei der Wahrheit!) – Also bitte, seien Sie mir nicht böse, bei den Verhandlungen habe ich Sie nicht gesehen, aber ich war dabei, und ich weiß, wer es abgelehnt hat! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Bundesrat Konecny! Man kann verschiedener Meinung sein, das ist gar keine Frage, und man kann natürlich auch manche Unterschiede herausheben und betonen. Wenn Sie jetzt das Sozialstaat-Volksbegehren – darum geht es letztlich – herausgreifen und dafür Werbung machen wollen, sage ich Ihnen ganz offen: Das Anliegen verbindet uns, das ist überhaupt keine Frage. Jeder, der hier im Raum sitzt, ganz gleich, welcher Partei er angehört, will natürlich den österreichischen Sozialstaat in seiner Qualität, in seiner Substanz bewahren und sogar ausbauen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Winter: Sie machen das Gegenteil!) Aber, Herr Bundesrat, dann muss man auch den Mut haben, über bestimmte Maßnahmen zu reden, und man muss sich auch einigen, welche Linie man vertritt.

Ich lese Ihnen ein paar Zitate vor: Zur Senkung der Lohnnebenkosten hätte man die Arbeitslosenversicherung kürzen können, statt sie für das Budget auszuräumen. – Wer war das? Reich der Finsternis oder des Lichts? Es war dies Michl Häupl in einem Interview vom Jänner, das ist in der "Presse" nachzulesen. Da gibt es Sozialleistungen, sagt er, die treffen nicht, die gehören eingestellt. Man soll sich anschauen, wo Subjektförderungen und Objektförderungen doppelt treffen, und da muss man sagen, so geht das nicht.

Das ist natürlich genau das Gegenteil ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Also entschuldigen Sie, auf die Idee, die Arbeitslosenversicherung zu kürzen und die Lohnnebenkosten zu senken, sind wir jedenfalls nicht gekommen. Das bleibt dem Wiener SPÖ-Vorsitzenden und Bürgermeister vorbehalten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Schauen Sie, Argumente sind doch dazu da, dass man sie sachlich austrägt, daher ein sachliches Argument von meiner Seite. Wie soll ich das verstehen? Ich zitiere wörtlich: Ich glaube nicht, dass die Anhebung des Pensionsalters im Widerspruch zum Sozialstaat steht. Es muss eine allgemeine Zielsetzung europäischer Staaten sein, dass, wenn unsere Lebenserwartung weiter steigt, die Menschen länger gesund arbeiten können. – Stammt diese Aussage vom Reich des Lichts oder vom Reich der Finsternis? – Das ist Alfred Gusenbauer. Sie haben


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gerade gegen die Anhebung des Frühpensionsalters geredet, und Herr Gusenbauer ist genau dieser Meinung, also für das, was wir machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat
Konecny: Nein, nein!)

Alfred Gusenbauer hat in einem anderen Interview das Pflegegeld in Frage gestellt. Er hat gesagt: Eigentlich war das nicht notwendig, das hätte man zu einem anderen Zeitpunkt und ganz anders machen können, was damals – und ich verstehe ihn sehr gut –, Jolly Hesoun, damals Sozialminister, maßlos aufgeregt hat. Er hat gesagt, er verstehe jetzt überhaupt nicht mehr, was die Position seiner Partei ist. Manchen in seiner Partei war das immer zu wenig, und jetzt wird das Pflegegeld auf einmal in Frage gestellt. Die ganze Partei schreit seit zwei Jahren gegen das Nulldefizit, jetzt will man es auf einmal in der Verfassung verankern. Dritte Wende: Jetzt plötzlich will man zwar etwas verankern, aber nicht das Nulldefizit und keine Schulden, sondern eigentlich eine Lizenz zum Schuldenmachen.

Herr Bundesrat! Wenn schon, dann klare Linien, dann können sich der Wähler und natürlich auch die Öffentlichkeit daran orientieren. Bei uns ist das jedenfalls besser aufgehoben als bei Ihnen angesichts Zickzack-Kurses Ihres Parteivorsitzenden oder Ihrer Partei. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie sagen, Wien leide unter dem Bund. Die Wahrheit ist: Von den 38 000 zusätzlichen Arbeitslosen, die wir leider mehr als im vorigen Jahr haben, sind 20 000 Arbeitslose in Wien. (Bundesrat Todt: Arbeitslosenkanzler Schüssel! Arbeitslosenkanzler Schüssel! – Bundesrat Winter: Von wo kommen sie denn? Das sind die Waldviertler! Fahren Sie einmal ins Waldviertel, Herr Bundeskanzler!) Und jetzt erklären Sie mir: Warum kürzt dann Wien die Schulungen, zum Unterschied von allen anderen Bundesländern, die offensichtlich nicht unter der Bundespolitik leiden und es sogar besser machen? – Das ist die Denksportaufgabe für Sie. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Winter: Das erklären Sie im Waldviertel, Herr Bundeskanzler!)

Geradezu entsetzt hat mich Ihre Fundamental-Opposition gegenüber der Sicherheit Österreichs, denn bisher war ich immer der Meinung, die essenziellen Fragen der österreichischen Landesverteidigung oder der Sicherheitspolitik stehen außer Streit. Wann sind denn bitte Abfangjäger angeschafft worden? – Unter der Regierung Sinowatz und Steger war das. (Rufe bei der SPÖ: Wann war das? Wann war das?) Das wissen Sie doch genau! – Sie wissen nicht einmal, wann Sie mit den Freiheitlichen in der Regierung gewesen sind? Schade darum, wirklich! Von wegen Gedächtnis! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Winter: Das waren völlig andere Zeiten! Habt ihr da nicht mitgemacht?)

Der Beschluss über die Abfangjäger ist gefallen unter einem sozialistischen Kanzler Sinowatz mit Vizekanzler Steger. Der hat gewusst ... (Bundesrat Konecny: ... die Russen gewesen!) Nein, nein, das ist nicht die Russenzeit gewesen, Herr Bundesrat! Lernen Sie Geschichte! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Dann kam Bundeskanzler Vranitzky, und dieser hat den Grundsatzbeschluss der Nachbeschaffung mitgetragen.


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(Bundesrat Winter: Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts!) Dann kam Bundeskanzler Klima, SPÖ-Vorsitzender, und hat mit uns die grundsätzliche Beschaffung beschlossen. (Bundesrat Konecny: Lernen Sie Geschichte, Herr Bundeskanzler!) Jetzt muss ich Sie fragen: Warum drehen Sie jetzt völlig ... (Rufe bei der SPÖ: Wo? Wo?) – Im Ministerrat! Wo denn sonst? Wo sitzt ein Bundeskanzler mit seinen Ministern? Er sitzt im Ministerrat, um das zu beschließen! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist damals immer wieder im Landesverteidigungsrat diskutiert und dann einstimmig beschlossen worden, übrigens auch mit den Stimmen – ich sage das hier ausdrücklich – der damaligen Opposition der FPÖ. (Beifall der Bundesräte Dr. Aspöck und Dr. Böhm. )

Jetzt frage ich mich: Warum sind Sie heute nicht in der Lage, diese Grundsatzfragen der österreichischen Landesverteidigung mit uns gemeinsam außer Streit zu stellen? – Sie können mit mir diskutieren: Welche Type ist besser? Welche Qualität der Gegengeschäfte wollen wir haben? Ist der Preis angemessen? – Das ist überhaupt keine Frage, das sind sachliche ... (Bundesrat Winter: Gebt einmal die Gegengeschäfte bekannt!) Entschuldigen Sie vielmals, lesen Sie doch, was damals Bundeskanzler Vranitzky gerade zu den Gegengeschäften gesagt hat! Das ist auch völlig in Ordnung: Wenn ich eine so große Beschaffung mache, dann versuche ich doch, möglichst viel für Arbeitsplätze und industrielle Wertschöpfung herauszuholen. So macht man das! Man geht doch nicht mit dem Einkaufswagerl in den Supermarkt und kauft sich irgendeine Fliegertype, sondern man versucht, das Bestmögliche für unser Land herauszuholen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das möchte ich aber schon wissen, denn das gehört ausdiskutiert. Immerhin hat auch die SPÖ die Verteidigungsdoktrin mitbeschlossen, und da steht natürlich der österreichische Luftraum darin. Auf Grund welcher objektiven Situation kommen Sie dazu, jetzt auf einmal auf dem Absatz kehrtzumachen und zu sagen: Die Verteidigung der österreichischen Souveränität endet 30 cm über dem Boden!?

Natürlich kann ich sagen, ich habe dafür Raketen, ich habe eine Radarsystemüberwachung, und ich habe Boden-Luft-Raketen. Gut, und wenn ein Flieger kommt, dann drücke ich auf den Knopf und schieße ihn ab? Oder wie soll das gehen? – Das ist so, wie wenn wir jetzt plötzlich der Polizei keine schnellen Autos mehr zur Verfügung stellen würden. Wir machen dann zwar eine Radarüberwachung, können aber die Fahrer nicht mehr stoppen – oder wir schießen ihnen hinten nach. Eine solche Lösung ist doch absurd. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich meine das ganz im Ernst: Wer Landesverteidigung und Existenzfragen eines Landes nicht mehr ernst nimmt, der versündigt sich meiner Meinung nach am Gebot, das wir alle gelobt haben, nämlich dieses Land nach Kräften und mit allen demokratischen Mitteln zu verteidigen und zu schützen. Und das nehme ich sehr ernst! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Natürlich kostet das etwas, das ist doch gar keine Frage. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny. ) Aber natürlich kostet das etwas, und natürlich ist das nicht immer populär. Aber dann machen doch bitte wenigstens Sie als Intellektueller nicht die "Äpfelrechnung" auf, indem Sie sagen: Ich kann Abfangjäger gegen eine Pensionserhöhung abtauschen oder Steuersenkungen versus Abfangjäger oder Frauenanliegen verwirklichen statt Abfangjäger kaufen – oder was es noch alles an "intelligenten" Formulierungen in den letzten Wochen dazu gegeben haben mag.

Stehen wir zum gemeinsamen Gebot der Sicherheit, der optimalen Sicherheit für unser Land, und machen wir das Beste aus diesem Projekt! Das wäre ein Thema für den Nationalen Sicherheitsrat, für Bundesrat und Nationalrat, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Erlauben Sie, dass ich nun die Fragen konkret beantworte, soweit ich es kann, denn manche Fragen sind geschäftsordnungsmäßig nicht zu beantworten, weil sie ganz einfach keine Fragen der Vollziehung sind. Sie können mich nur über meinen Ressortbereich fragen, das ist auch völlig klar. Ich werde mich daher geschäftsordnungskonform mit Erlaubnis des Präsidenten auf die Fragen meines Ressorts beschränken.

Die erste Frage ist natürlich klar mit ja zu beantworten. Ich habe Ihnen bewiesen, dass wir mit 60 Milliarden € Ausgaben pro Jahr und mit einer der höchsten Sozialquoten innerhalb der Europäischen Union – mit über 29 Prozent – an dritter Stelle in der Europäischen Union liegen. Kein Mensch denkt daran, den Sozialstaat zu demontieren, im Gegenteil, wir haben ihn weiter ausgebaut.

Zu den Fragen 2 und 3:

Natürlich werde ich das Volksbegehren nicht unterschreiben. Das wäre ja geradezu abwegig, wenn ein Regierungschef ein Volksbegehren, das an ihn selbst gerichtet ist, unterschreiben würde. Das habe ich auch früher nicht gemacht. Ich bin daher absolut logisch in meiner Begründung. Sie hingegen haben etwa beim Temelin-Volksbegehren die freiheitlichen Regierungsmitglieder kritisiert, dass diese ein Volksbegehren, an sie selbst gerichtet, unterschrieben.


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Also bleiben Sie logisch! Sie können genauso gut als Abgeordnete einen Antrag einbringen. Auch Sie brauchen kein Volksbegehren, um initiativ zu werden. Sie haben ganz andere Möglichkeiten, also nützen Sie diese! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Fragen 4, 5 und 6 möchte ich ganz eindeutig so beantworten, dass wir in Österreich heute schon rechtlich verbindliche Regelungen haben, die teilweise sogar im Verfassungsrang stehen. Ich darf Ihnen aus der heutigen "Kronen Zeitung" Walter Schwimmer zitieren, der völlig zu Recht als Generalsekretär des Europarates gesagt hat: Die Sozialstaatsklausel, die jetzt über ein Volksbegehren neu eingeführt werden soll, gibt es in Österreich durch den Beitritt zur europäischen Sozialcharta am 29. Oktober 1969 schon längst. Genauso ist es! (Bundesrat Bieringer: Damals hat es einen ÖVP-Bundeskanzler gegeben!) Damals gab es einen ÖVP-Kanzler, das stimmt, Josef Klaus. – Dazu kommt, dass wir mit dem Beitritt zur Europäischen Union eine ganze Reihe von – Amsterdam- und Nizza-Vertrag – essenziellen sozialstaatlichen Bestimmungen im europäischen Verfassungsvertrag haben, die damit sogar nationales Recht übersteigen und somit natürlich völlig klar einklagbar sind.

Es ist auch so, dass der österreichische Verfassungsgerichtshof – das hat Vizepräsident Korinek jüngst nachgewiesen – selbstverständlich schon heute die Zumutbarkeit, den Vertrauensschutz, die Sozialverträglichkeit ausjudiziert. Natürlich kann man über die vorgeschlagenen Formulierungen in der Sache diskutieren, und wir werden es im Parlament auch tun, denn das Volksbegehren wird sicherlich über 100 000 Unterschriften haben. Wir werden das sachlich diskutieren, und ich bin ganz sicher, dass dabei herauskommen wird, dass wir bereits wesentlich weitreichendere und bessere Formulierungen in unserem Rechtsstaat haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Frage 9 ist offensichtlich nicht an mich gerichtet, wie Sie auch selbst gesagt haben.

Die Frage 10 ist ebenso keine Frage der Vollziehung. Ich bin kein Abonnent und kein Leser der Zeitschrift "Zur Zeit", aber ich freue mich für diese Zeitung, dass Sie in Ihnen einen wertvollen Abonnenten und Leser hat. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf bei der SPÖ.) – Sie nehmen mir das nicht krumm, Sie wissen schon, wie ich das meine.

Zur Frage 11: zunehmende Armutsgefährdung.

Herr Bundesrat! Bleiben wir doch ernst! Von allen europäischen Ländern befindet sich Österreich im Spitzenfeld, was die Vermeidung der Armut betrifft. Wir liegen an dritter oder vierter Stelle in allen armutsrelevanten Indikatoren. Wenn man die Sozialtransfers, die ja Armut verhindern sollen, hernimmt, dann sind wir immerhin auf Rang drei hinter Dänemark und den Niederlanden.

Mit der Einführung des Kindergeldes und verschiedenen anderen Dingen, die Herbert Haupt in seinem Ressortbereich durchgezogen hat, wird die Armut nicht gänzlich verschwinden, das ist klar, da muss man realistisch sein, aber jedenfalls besteht keine Gefahr einer zunehmenden Armutsgefährdung. (Ruf bei der ÖVP: Kollege Konecny, schauen Sie sich um bei den Auslandsreisen! Sie sind eh viel im Ausland!) Das ist ein völlig berechtigter Einwand, wenn man sich etwa das österreichische Gesundheitssystem ansieht und das etwa mit der Labour ... (Bundesrat Konecny: Irgendwie müssen sich ja 30 Jahre Sozialdemokratie positiv ausgewirkt haben!) Also bitte schön, seien Sie mir nicht böse, ich war immer der Meinung, dass das Gesundheitssystem in der Selbstverwaltung der Sozialpartner liest. Das war eigentlich mein Selbstverständnis, aber gut. Schauen Sie sich dagegen das Labour-geführte Gesundheitssystem in Großbritannien an! Also ich möchte nicht damit tauschen. Ich möchte nicht krank sein in England. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zur Frage 12, warum wir die im Maastricht-Vertrag vorgesehene Budgetflexibilisierung nicht genützt haben.

Genau das haben wir doch gemacht, Herr Bundesrat! Wir haben in der Hochkonjunktur des Jahres 2000 Schulden abgebaut, wir haben eingespart und auch Steuern und Abgaben erhöht, eigentlich genau das, was Sie auch unter solidarischer Gesinnung mit verlangt haben. Genau


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das haben wir gemacht und haben damit das Budgetdefizit reduziert. Wir haben als Gesamtstaat keine neuen Schulden gemacht. Wir sind damit im Jahr 2001 ausgeglichen und hoffen auch, dass wir diese historische Trendwende halten können. Aber es wird Disziplin voraussetzen. Was ganz schlecht ist, ist, wenn man dann die Hintertür wieder aufmacht, wie das mit dem SPÖ-Vorschlag betreffend Verankerung in der Verfassung geschehen ist.

Wir haben aber auch gegengesteuert! Das will ich ausdrücklich sagen. Trotz Sparkurs haben wir gegengesteuert: 10 Milliarden Schilling oder 700 Millionen € mehr für Forschung. Wir haben ein Konjunkturpaket vorgelegt, das Sie gerade diskutieren, das ganz wichtige Impulse für die Bauwirtschaft und für die Weiterbildung der Mitarbeiter enthält, und wir haben die Stabilisatoren voll wirken lassen und haben im Jahr 2001 für die aktive Arbeitsmarktförderung immerhin rund 1 Milliarde €, nämlich 12,5 Milliarden Schilling, ausgegeben.

Zur Frage 13:

Wenn man sich die Arbeitsmarktzahlen ansieht, dann muss man sagen, ist das natürlich schon sehr interessant. Nehmen Sie etwa das Jahr 1999 her, in dem ein sozialistischer Kanzler und ein sozialistischer Arbeitsminister tätig gewesen sind: Im März 1999 gab es 3 067 000 Arbeitsplätze in Österreich. Wir haben heute 3 121 000 Arbeitsplätze – ein Plus von 55 000. (Bundesrätin Schicker: Und welche sind dazugekommen? – Bundesrat Winter: Herr Bundeskanzler, Sie leben in einem anderen Land! Fahren Sie einmal ins Waldviertel!)

Bei den Frauen übrigens sind die Zahlen noch interessanter. Wir haben damals 1 340 000 Frauen in Arbeit gehabt, heute haben wir 1 411 000 Frauen, also 70 000 Frauen mehr in Arbeit als damals. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Mit Verlaub, Sie können die Statistiken selbst interpretieren. Trotz schwieriger Konjunktursituation, 11. September, Ölkrise und und und, haben wir Österreich an den Klippen der Weltwirtschaft vorbeigeführt. Wir haben zugegeben mehr Arbeitslose als noch vor einem Jahr, aber zum ersten Mal ist die Zahl der Arbeitsplätze im März wiederum um 10 000 gestiegen. Die Trendwende ist da, das macht uns Hoffnung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Damit komme ich zur Frage 15, Frage 14 habe ich schon im Zusammenhang mit einer früheren beantwortet, aber ich wiederhole es gerne: 910 Millionen € oder 12,5 Milliarden Schilling an aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Damit haben wir bei einem Jahresdurchschnitt von 221 000 Arbeitslosen vergleichsweise 783 Millionen € oder 10,7 Milliarden Schilling aufgewendet. Dieses Niveau wird auch im Jahr 2002 beibehalten.

Zu Frage 15:

Atypisch Beschäftigte, Sie wissen es, sind geringfügig Beschäftigte, freie Dienstnehmer und neue Selbständige. Wir haben mit der Einführung der Selbstversicherung bei geringfügiger Beschäftigung nach § 19 ASVG in der Pensions- und Krankenversicherung eine ganz wichtige Lücke geschlossen. Es zeigt sich, dass auch die Zufriedenheit in diesem Bereich größer geworden ist. (Bundesrätin Bachner: Wer hat das gemacht?) Wir haben eine Studie aus dem Wirtschaftsministerium, die besagt, dass die positiven Merkmale dieser Vertragsform jedenfalls mit zwei Drittel zu einem Drittel überwiegen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das war Hostasch, nicht Schüssel!)

Die Frage 16, die geschlechtsneutrale Regelung zur Abfederung der Nachtarbeit, ist ein klassisches Sozialpartnerthema. Sie wissen, dass die nächste Gesprächsrunde am 15. April stattfinden wird. Wir hoffen sehr – ich habe jetzt auch gerade mit dem Arbeitsminister geredet –, dass es dabei zu einem Konsens kommen wird.

Es gibt daneben noch ein Aktionsprogramm, das ist auch in Frage 17 betreffend Männerabteilung enthalten. – Da ist in der Anfrage ein Zahlensturz entstanden. – Ich würde einmal sagen, dass es nicht schlecht ist, dass es eine solche Projektgruppe und eine Plattform gerade im Frauenministerium, im Generationenministerium gibt, um auch relevante Beschwerden oder Probleme von männlichen Bürgern entgegenzunehmen. Denn so ist es nicht, dass nur die


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Frauen Diskriminierungsprobleme haben. Ich finde es ganz in Ordnung, dass sich der Sozialminister, der Frauenminister, auch gewisser Männerprobleme annimmt, die natürlich auftreten können. Ich glaube, dass sich das sehr gut bewähren wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Gudenus betritt den Saal. – Oh-Rufe bei der SPÖ.)  – Ich darf Sie informieren, Kollege Gudenus: Sie werden schon lang erwartet, lang ersehnt, Bundesrat Kone
cny hat Sie schon zweimal vermisst. (Bundesrat Mag. Gudenus: Er hat seine Rede auf mich aufgebaut und nicht auf Sie, Herr Bundeskanzler!) Und Sie kommen zu spät. Wer zu spät kommt, den bestraft Konecny. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 18:

Wir haben einen Ministerratsbeschluss über das Gender Mainstreaming gemacht, der darauf abzielt, gleiche Chancen in der Rechtsordnung und in der Vollziehung für beide Geschlechter zu schaffen. Es gibt, wie schon erwähnt, auch eine Handlungsplattform im Sozialministerium, das diesem Anliegen dienen soll.

Zur Frage 19:

Die Bundesregierung hat sich intensiv um die Verbesserung der Chancengleichheit für Frauen bemüht. Ich habe die Zahlen genannt. Wir haben wesentlich mehr Frauen in Beschäftigung. Wenn man es mit dem vorigen Jahr vergleicht, so haben wir jetzt immerhin ... (Bundesrätin Schicker: Mit welchem Einkommen?) – Entschuldigen Sie, womit sollen wir es vergleichen? Da ist es doch wohl sinnvoll, die Zeit dieser österreichischen Bundesregierung mit der Zeit, als Sie die Verantwortung gehabt haben, zu vergleichen. Und wenn dabei herauskommt, dass wir mehr Frauen denn je in der Arbeit haben, ist das gut. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn herauskommt, dass wir bei den Maturanten 56,2 Prozent Frauen, bei den Neuzugängen an den Hochschulen 53,6 Prozent Frauen haben, dann gibt es doch eigentlich keinen Grund zur Klage. Freuen wir uns gemeinsam darüber, dass ein Stück Chancengleichheit verwirklicht worden ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Außerdem möchte ich schon darauf hinweisen, dass diese österreichische Bundesregierung den Frauen einen gewaltigen Stellenwert einräumt. Es gibt zum ersten Mal eine Vizekanzlerin, eine Außenministerin, eine Bildungsministerin und eine Staatssekretärin für Tourismus; es gab auch eine Infrastrukturministerin. Ich verweise auch darauf, dass die Volkspartei die erste Sozialministerin gehabt hat, die erste Frau im Präsidium des Nationalrates und die erste Präsidentin der Notenbank. Vor Ihnen brauchen wir uns angesichts dessen nicht zu verstecken, meine Herren Bundesräte von der spö. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 20:

Mit der Einführung des Kindergeldes wurde es erstmals möglich, nach dem Bezug desselben und sogar während des Bezuges Arbeitslosengeld zu beziehen. Darüber hinaus wurde mit der Bestimmung des § 9 (8) Arbeitslosenversicherungsgesetz erstmals geregelt, dass Personen, deren Eingliederung in den Arbeitsmarkt erschwert ist – also Frauen nach der Karenz –, vom Arbeitsmarktservice binnen vier Wochen eine zumutbare Beschäftigung angeboten wird. Wenn das nicht möglich ist, wird den Wiedereinsteigerinnen die Teilnahme an einer Ausbildungs- und Wiedereingliederungsbeihilfe ermöglicht.

Es gibt auch eine Richtlinie des AMS, dass Personen mit Betreuungspflichten die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung angeboten werden muss und dass es nicht, wenn sie eine Vollzeitbeschäftigung ablehnen, zu einer Sperre des Arbeitslosengeldes kommt.

Zur Frage 21, eigenständige Altersvorsorge für Frauen:

Es gibt eine Pensionsreformgruppe unter Professor Tomandl, die noch nicht fertig ist. Sie wird ein Gesamtpaket noch in dieser Legislaturperiode vorlegen, und darin werden natürlich auch die grundlegenden Überlegungen der Finanzierung mit berücksichtigt sein müssen.


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Zur Frage 22:

Ich werde völlig missverstanden, wenn Sie mir unterstellen, dass ich Diskussionsverbote will. Im Gegenteil! Es gibt kein Tabu in der Sozialpolitik und schon gar nicht in der Pensionsvorsorge, denn das ist ein öffentliches und relevantes Thema! Ich habe nur gesagt – und das ist der entscheidende Punkt –, wir haben das, was in Barcelona verlangt wurde, nämlich ein schrittweises Anheben des Frühpensionsalters in dieser Legislaturperiode, bereits gemacht. Die Ergebnisse sprechen für sich: ein deutlicher Rückgang bei den Frühpensionen und interessanterweise kein signifikanter Anstieg bei den älteren Arbeitslosen. Im Gegenteil! Die Wirtschaft – und ich möchte auch ausdrücklich dafür danken – bedient sich des Erfahrungsschatzes und verhält sich hier auch wirklich im Sinne der sozialen Marktwirtschaft.

Zur Frage 23:

Die Wertsicherung ist in der Pensionsreform 2000 verankert. Eine kleine Zahl dazu: Die Durchschnittspensionen sind immerhin von 756 € im Jahr 1999 auf 835 € im Jahr 2000 gestiegen. (Bundesrat Konecny: Aber nicht durch Maßnahmen der Regierung!) Herbert Haupt hat mit uns gemeinsam gerade in der letzten Pensionsanpassungsrunde für kleinere Pensionen die Anhebung um 2,9 Prozent durchgesetzt. Und glauben Sie mir, das war nicht leicht, aber es war fair, und es war gerecht, daher sind wir sehr stolz darauf! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie unterstellen in der Frage 24, dass wir überfallsartige, willkürliche und sogar rückwirkende Eingriffe in das Pensionsrecht vorgenommen haben. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den hinreißenden Vorschlag Ihres Parteivorsitzenden. Ich glaube, dass wir mit unserer Anpassung, mit der schrittweisen Anhebung eine sehr vernünftige, sozial verträgliche Maßnahme gesetzt haben. Es hat auch einen Grund, dass niemand mehr bei Ihnen – nicht einmal Gusenbauer, nicht einmal Häupl – an das Rückgängig-Machen dieser Maßnahme denkt. Sie wissen ganz genau: Wenn die Lebenserwartung steigt, dann muss dies selbstverständlich auch Auswirkungen auf das Pensionsantrittsalter haben! Außerdem glaube ich persönlich, der Arbeitsmarkt wird sich drastisch ändern, und wir werden einen enormen Bedarf nach erfahrenen Arbeitskräften haben, es sei denn, wir öffnen die Türen für schrankenlose Zuwanderung. – Ich sage Ihnen offen, das würde ich nicht für richtig halten. Daher müssen wir diesen Erfahrungsschatz nützen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In Frage 25 unterstellen Sie wiederum den Weg in eine Zwei-Klassen-Medizin, was natürlich ein absoluter Unsinn ist. Wir haben Gott sei Dank ein sehr solidarisches System, das aufbaut auf Beiträgen – übrigens günstiger als in der Bundesrepublik – und gewissen Eigenbezahlungselementen oder Selbstbehaltselementen, die nicht fremd und auch von früheren sozialistischen Ministern durchaus aufgegriffen worden sind. (Bundesrat Winter: Sozialdemokratische Minister!)  – Ist das eine Kränkung, wenn ich "sozialistisch" sage? (Bundesrat Winter: "Sozialdemokratisch" klingt besser!) Gut, in Ordnung. Ich habe Ihnen nicht unterstellen wollen, dass Sie keine Demokraten sind, um das sehr klar zu sagen. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Winter. ) Gut, in Ordnung, nur kann ich damit jetzt im Moment nichts anfangen, aber ich werde noch ein SPÖ-Seminar bekommen.

Was die Ausgaben für die Medizin betrifft, müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir in den letzten zehn Jahren die ärztlichen Leistungen um 67 Prozent gesteigert haben und jene für Medikamente sogar um 114 Prozent. Da ist weder eine Verschlechterung noch eine Zweiklassenmedizin enthalten; im Gegenteil!

Ich darf ein Beispiel aus meinem Bezirk anführen. Durch den neuen Krankenanstaltenplan warten Sie jetzt zum Beispiel in der Orthopädie – durch die Maßnahmen, die Herbert Haupt und Reinhart Waneck ergriffen haben – auf eine Hüft- oder Knieoperation nicht mehr zwei Jahre, sondern ein bis drei Monate. Das ist eine signifikante Verbesserung, die gerade in diesem Bereich gelungen ist.


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Bei den Verwaltungsaufwendungen müssen wir – das ist meine Überzeugung – sparen. Es macht überhaupt keinen Sinn, wenn Arbeiter und Angestellte sozialversicherungsrechtlich und arbeitsrechtlich angeglichen sind, aber zwei unterschiedliche Pensionskassen haben. Es gibt auch überhaupt keinen Grund dafür, dass man nicht auf Grund verschiedener Verschmelzungen oder Kooperationen Verwaltungskosten spart, die letztlich dann dem Versicherten durch niedrigere Beiträge oder weniger Steigerungen zugute kommen sollen.

Nun zu den Fragen 26, 27, 28 betreffend die Bildungsthemen:

Die Bildung der Jugend ist ein ganz wichtiges Kapital, daher haben wir dort nicht gespart. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Trotz der Sparkurse und trotz des Rotstiftes in vielen anderen Bereichen haben wir da nicht eingespart. Jeder siebente Euro wird im Gesamtbudget für Bildung ausgegeben. Die Bildungssteigerungen betragen rund 700 Millionen €, wenn ich als Vergleichsjahr das Jahr 1999 hernehme, und 1 Milliarde €, wenn ich als Vergleichsjahr das Jahr 1998 hernehme.

Die Einführung von Studienbeiträgen halte ich für sinnvoll, das sage ich ausdrücklich. Ich bekenne mich dazu, und übrigens steht auch die Mehrheit der Bevölkerung dazu. Heute im "Format" war eine Umfrage veröffentlicht, wonach 53 Prozent der Bevölkerung dem zustimmen, ich glaube, 30 oder 35 Prozent lehnen sie ab, wobei das Geld den Universitäten beziehungsweise den sozial Bedürftigen zugute kommt.

Die Frage 27 bezieht sich auf den Lehrstellenmarkt. Wir haben einen Anstieg gegenüber dem Vorjahr um 700 sofort verfügbare Lehrstellensuchende und einen Rückgang von 165 bei den gemeldeten offenen Lehrstellen zu verzeichnen. Das heißt, die Lehrstellenlücke beträgt derzeit 565. Für Lehrstellensuchende, die keinen Lehrplatz finden, stehen aber im Rahmen des Jugendausbildungssicherungsgesetzes insgesamt rund 16 Millionen € oder 215 Millionen Schilling zur Verfügung. Damit könnten wir bis zu 2 000 Lehrgangsplätze absichern. Ich glaube, dass wir da gut gerüstet sind.

Die Frage 28 bezieht sich auf die Integration. Ich bin da anderer Meinung. Ich halte das nicht für Schikane, was wir hier machen, im Gegenteil! Ich glaube auch, dass Sie mir innerlich durchaus zustimmen werden: Wenn sich jemand in Österreich niederlassen will, dann ist es für ihn sinnvoll, wenn er die Sprache des Landes lernt. Wir verlangen keinen Universitätskurs, wir verlangen die Basiskenntnisse, um sich in diesem Land auch bewegen zu können.

Ich glaube, dass viele Länder diesen Weg gegangen sind. In Holland, das manchmal als Modell genannt wird, ist die Situation übrigens so, dass es ein 600-Stunden-Programm für ehemalige Kolonialangehörige gibt, das dann ausgedehnt wurde. Das ist zwar gratis, weil es der Staat bezahlt, aber wenn jemand nicht mit einer positiven Prüfung abschließt, muss er die gesamten Kosten zurückzahlen. – Da würde ich allemal sagen, dass unser Modell sinnvoller, fairer und sozialer ist, und ich bekenne mich auch ausdrücklich dazu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 29 betreffend Unfallrenten:

Es ist im Moment sehr schwierig, die Zahlen für das Jahr 2001 zu nennen, weil zum Teil die Anträge noch abgewickelt werden. Es ist so, dass in etwa 2 Milliarden Schilling erwartet worden sind, minus 600 Millionen, die im Rahmen des Härteausgleichs zurückerstattet werden sollten. Im Wesentlichen wird daraus auch die Behindertenmilliarde, die Offensive für die Integration auf dem Arbeitsmarkt, finanziert.

Zur Frage 30:

Es ist so, dass bisher von den Krankenversicherungsträgern bis Ende Februar 2002 rund 21 Millionen € vorgeschrieben worden sind. Zum Teil ist es aber sehr komplex, denn erstens ist diese Regelung später in Kraft getreten – im April und nicht im Jänner –, und zweitens sind zum Teil nicht einmal noch die November-Daten vorgeschrieben worden. Wir können also daher im Moment noch keine genauen Zahlen nennen.


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Bei den Krankenversicherungsträgern – das ist die Frage 31 – ist es so, dass für die Angehörigen bisher 212 Millionen Schilling oder 15,4 Millionen € eingegangen sind. Erwartet wurde natürlich wesentlich mehr, etwa das Vierfache, 60 Millionen €. Der Grund dafür liegt allerdings in den deutlich ausgeweiteten Ausnahmetatbeständen, weil eben viele Mitversicherte dabei nicht erfasst worden sind oder andere Versicherungsmöglichkeiten wählen.

Nun zum Themenblock der Abfangjäger; im Grundsatz habe ich schon Stellung dazu genommen. Die Anschaffungskosten können im Moment nicht präzise beziffert werden, weil wir mitten im Verfahren sind. Wir sind an die Verschwiegenheit gebunden, das Verfahren ist unter Verschluss, die Angebote werden unter Verschluss gehalten und sind noch nicht ausgewertet. Das entspricht auch dem vorher veröffentlichten Verhandlungsverfahren. Zuerst werden die Nutzwerte ermittelt und erst in einem zweiten Verfahrensschritt die Anschaffungskosten.

Zu den Fragen 33, 34:

Wir haben vor – aber das ist einmal intern in der Bundesregierung diskutiert –, dass wir die Zahlungen beginnend vom Jahr 2004 bis 2012 festsetzen. Das ist übrigens auch 1 :  1 genau die gleiche Vorgangsweise, die bei der Draken-Beschaffung gewählt wurde. Es hat noch nie eine solche Beschaffung gegeben, die nicht über sieben, acht, neun Jahre verteilt wurde.

Zu den Fragen 35 und 36:

Selbstverständlich ist eine entsprechende Vertragsklausel – das ist nicht erst der SPÖ eingefallen, sondern schon von sich aus dem Wirtschafts- und vor allem Verteidigungsminister – im Kaufvertrag vorgesehen. Da gibt es einen eigenen code of business. Die Veröffentlichung des Vertragsinhaltes ist – wiederum – aus Datenschutzgründen nicht zulässig.

Genauso ist es bei der Frage 37, denn selbstverständlich gibt es bei diesen heiklen Beschaffungsgeschäften – das ist übrigens nicht nur in Österreich, sondern überall auf der Welt so –, eine klare Verschwiegenheitsregelung, die natürlich auch ganz eindeutig geklärt ist. Wir haben uns dabei daran zu halten.

Zur Frage 38:

Wir haben eine Plattform zur Beurteilung der Gegengeschäftsangebote eingerichtet. Zu den 39 Mitgliedern dieser Plattform zählen die Arbeiterkammer, die Austrian Business Agency, Finanz-, Landesverteidigungsministerium, Industriellenvereinigung, Rat für Forschung und Technologie, WIFO, Wirtschaftskammer, Wirtschaftsuniversität und Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Bisher gab es drei Sitzungen, ein Bewertungsmodus wurde entwickelt und einvernehmlich beschlossen, und es gab eine erste Evaluierung der Gegengeschäftsangebote. Bei der letzten Besprechung am 3. April hat die Plattform beschlossen, die Anbieter zu einer Aktualisierung der Offset-Angebote einzuladen.

Zur Frage 40:

Der unmittelbare Anlassfall einer Beschaffung wird natürlich auch mit anderen Zielsetzungen verknüpft. – Das lese ich Ihnen jetzt nicht vor, weil das relativ technisch ist, aber Sie stimmen mir hoffentlich zu. – Wenn wir so etwas machen, dann versuchen wir, im Bereich High-Tech, im Bereich Arbeitsbeschaffung, Betriebsansiedlungen möglichst viel herauszuholen, wie das auch in der Vergangenheit immer wieder sehr gut gelungen ist.

Ich kann Ihnen als derjenige, der die Draken-Geschäfte abwickeln musste – ich habe nicht daran mitgewirkt, ich habe sie abgewickelt –, sagen, wir haben weit mehr hereinbekommen als ursprünglich angenommen. Wir haben bis zu 250 Prozent Gegengeschäfte bekommen, genauso war es mit der Firma Thomson, genauso wird es jetzt beim Hubschrauberkauf sein, und genauso sollte es hier sein. Aber das muss man gründlich machen, und das wird auch durch das WIFO – aber das kommt noch später in einer Frage – geprüft.


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Nun zur Frage 41:

Jeder Wissenschafter hat selbstverständlich seine eigene Meinung und kann diese auch öffentlich sagen. Ich würde es etwas seltsam finden, wenn Sie mich dazu veranlassen, einem Wissenschafter ein Redeverbot oder eine bestimmte Meinung aufzuoktroyieren. Das ist jedenfalls nicht meine Aufgabe.

Die Frage 42 ist skurril, da muss ich sagen, die können Sie nicht ernst meinen. Wie wollen Sie bitte ein vernünftiges Gegengeschäft ausverhandeln, wenn Sie dem Ministerialbeamten verbieten, mit den Firmen Kontakt aufzunehmen? Wie soll denn das gehen? – Entschuldigen Sie vielmals, aber das ist denkunmöglich! Wer hat Ihnen denn diese Frage aufgeschrieben? – Das ist geradezu absurd, denn das muss verhandelt werden, und da müssen harte Verhandlungen geführt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie fragen: Werden Sie sich dafür einsetzen, dass Kontakte zwischen Ressortbediensteten mit Firmen, die ein Angebot gelegt haben, untersagt werden? – Entschuldigen Sie vielmals, aber da setzt es bei mir aus. Das ist, glaube ich, keine ernst gemeinte Frage von Ihnen. (Bundesrat Konecny: O ja, sehr wohl! – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wirklich? – Na dann mache ich mir Sorgen, Herr Bundesrat! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zur Frage 43:

Die Bewertung wird eine vom Landesverteidigungsministerium eingesetzte Kommission vornehmen. Selbstverständlich werden die Namen dieser Mitglieder nicht bekannt gegeben, damit wir sie auch vor Interventionen von links, rechts, oben und unten, vorne und hinten schützen.

Zur Frage 45:

Es liegen folgende Schätzungen – das ist aber jetzt eine Zahl, die ich nicht überprüfen kann; das sage ich Ihnen nur, weil mir das der Verteidigungsminister mitteilen ließ – vor: Sachaufwände für Ersatzteile, Wartungen außerhalb des Landesverteidigungsministeriums und Kraftstoff machen zirka 22 Millionen € aus.

Infrastruktur: Einmalaufwand 14,5 Millionen €, am Personalaufwand ändert sich nichts.

Nun zur Frage 46: Welche Kosten sind entstanden?

Ich kann wieder nur für mein Ressort reden, und das ist nicht uninteressant. Die Kosten für alle Inserate, Medienkampagne und Informationsbroschüren, die vom Bundeskanzleramt beauftragt worden sind (Bundesrat Konecny: Das haben wir nicht gefragt!)  – aber wir machen schon auch die zentralen Dinge –, betragen seit dem Februar 2002 8,5 Millionen €.

Interessant ist der Vergleich mit der Vorperiode, insbesondere mit den letzten beiden Jahren, 1998, 1999, was damals der Bundeskanzler ausgegeben hat: Das waren 15,5 Millionen €. (Oh-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich glaube, wir liegen da nicht so schlecht.

Nun zu den Beratungskosten: Ich kann natürlich wieder nur über die Dinge sprechen, die ich selbst zu verantworten habe, und da gehören zum Teil natürlich schon auch Studienaufträge und Beratungsaufträge dazu, die wir ganz bewusst in Auftrag gegeben haben, wie das Anderson-Projekt oder auch das SAP-Projekt und das Bundesbeschaffungsagentur-Projekt. Natürlich sind das auch substanzielle Beträge gewesen. Sie haben schon Recht, das geht in eine Größenordnung von 150 bis 250 Millionen Schilling.

Aber wir haben uns dabei auch jedes Jahr enorm viel erspart. Ich darf dazu sagen: Seit der Gründung des Bundesbeschaffungsgesetzes haben wir jetzt schon per anno Einsparungen in der Höhe von 280 Millionen Schilling, also 20 Millionen €. Im Rahmen des Anderson-Beratungsprojektes sind dauerhafte Einsparungen im Ausmaß von 2,25 Milliarden Schilling ermittelt


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worden. Und das SAP-Programm ermöglicht uns eine Buchhaltungsreform, die 70 Millionen € oder zirka 1 Milliarde Schilling an Einsparungen pro Jahr bringen wird.

Dann schaut aber das Preis-Leistungs-Verhältnis von Beratung und Output, glaube ich, nicht so schlecht aus. Ich möchte an dieser Stelle auch den Beratern Kompetenz zusprechen, das war durchaus vernünftig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 48:

Ich stehe dazu, ich habe ein ehemaliges Mitglied der Bundesregierung als kompetente Powerfrau bezeichnet. Ich bin auch bereit, dies nicht zu dementieren, sondern dazu zu stehen. Was in ihrem Bereich an Kosten angefallen ist, da bitte ich, eine Anfrage an das betreffende Ressort zu richten, das fällt nicht in meinen Amtsbereich.

Die Frage 49 bezieht sich auf die Dienstautos. Ich halte die geltenden Bestimmungen für Dienstkraftwagen für völlig ausreichend. Ich bitte Sie, machen Sie es nicht so billig, dass Sie heute ein Autotelefon als eine Luxusgeschichte bezeichnen! Seien Sie mir nicht böse, das ist blamabel! Ein Autotelefon ist im Handyzeitalter wirklich sinnvoll und notwendig! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage das als jemand, der immer sehr vorsichtig gewesen ist, gerade bei der Autobeschaffung, weil ich ohnedies weiß, was da abläuft. Mein Auto habe ich im Jahr 1999 als Außenminister gebraucht gekauft. Ich habe es ins Bundeskanzleramt mitgenommen, und ich fahre dieses Fahrzeug noch heute. Ich glaube daher, dass Sie ein bisschen vorsichtiger sein sollten. Ein Auto ist natürlich ein Arbeitsplatz, viele Minister verbringen dort sehr viel Zeit und sollen natürlich auch telefonieren und arbeiten können. Das ist doch überhaupt keine Frage. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bei den Leiharbeitsverträgen ist es so, dass die Leiharbeitsverträge in den politischen Büros vom Rechnungshof und im Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses vielfach geprüft worden sind. Einen weiteren Handlungsbedarf gibt es darüber hinaus nicht. In meinem eigenen Kabinett orientieren sich alle Leiharbeitsvertragsentgelte an den Vertragsbediensteten- oder Beamtenbezügen; die meisten sind auch Beamte. Das war übrigens in den Kabinetten meiner Vorgänger Klima und Vranitzky nicht immer der Fall, da hat es zum Teil wesentlich höher besoldete Mitarbeiter gegeben. Aber auch da bin ich sehr vorsichtig und nütze das nicht einfach für eine billige Polemik.

In Summe: Der Sozialstaat in Österreich ist in guter Verfassung, er braucht nicht erst in die Verfassung geschrieben zu werden. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Die Bundesräte der ÖVP erheben sich von ihren Plätzen.)

17.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der an ihn gerichteten Anfrage erteile ich Herrn Bundesminister Mag. Herbert Haupt das Wort. – Bitte.

17.25

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Präambel der Anfrage, die sich über weite Teile mit jener an den Herrn Bundeskanzler deckt, möchte ich nur einige Details hinzufügen.

Sehr geehrter Herr Professor Konecny! Mir sind an Ihren Ausführungen zwei Dinge aufgefallen: Erstens haben Sie mit der Frage 10, die Sie gleichlautend im Zusammenhang mit einem Zitat aus der Zeitung “Die Zeit” sowohl an den Bundeskanzler als auch an mich gerichtet haben, gefragt, wie wir es denn mit diesem Zitat hielten. Ich darf darauf hinweisen, dass Ihre Stellungnahme und Ihre Ausführungen für mich auch einen besonderen Hintergrund beleuchtet haben, denn auf der einen Seite verlangt Ihre Partei, wenn ich das in den Medien richtig verfolgt habe, dass im Strafgesetzbuch nunmehr Sozialmissbrauch verankert wird, und auf der anderen Seite wehren Sie sich in Ihren Ausführungen dagegen, dass es sozialen Missbrauch gibt.


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Wenn man Ihren Ausführungen konsequent folgt und wenn man Ihre Ausführungen auf das reduziert, was schlussendlich über die Rampe gekommen ist, dann meinen Sie sogar, dass die Kritik am sozialen Missbrauch eigentlich unzulässig wäre. (Bundesrat
Konecny: Wo ist da eine Kritik am sozialen Missbrauch?) Ich glaube, Herr Professor, Sie sollten zuhören. Ich habe gesagt, wenn man Ihre Ausführungen auf das reduziert, was über die Rampe gekommen ist.

Ich würde daher meinen, dass, wenn man schon solch eine hehre Ansicht über die Höchstgerichte – zu Recht – in Österreich vertritt, man auch angesichts der österreichischen Rechtssituation nicht vergessen sollte, dass die Kritik an Urteilen für jeden in diesem Staate zulässig ist und dass es in der Vergangenheit und auch vermutlich in der Zukunft im Zusammenhang mit Höchstgerichtsurteilen sehr unterschiedliche Meinungen gibt.

Für meinen Bereich, Herr Professor, darf ich darauf verweisen, dass sehr viele Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes, die uns nunmehr zwingen, Neuerungen durchzuführen, aus einer Zeit stammen, in der diese Bundesregierung noch nicht im Amt war. Ich darf Sie etwa an das jüngste Verfassungsgerichtshofserkenntnis von letzter Woche vor Ostern erinnern, wonach wir die Pauschalierung im Bereich der Krankenversicherungen nunmehr innerhalb eines Jahres neu zu gestalten haben.

Ich sage aber auch klar dazu: Ich habe die seinerzeitige Pauschalierungsmöglichkeit als durchaus gangbaren Weg gesehen. Das Höchstgericht hat uns korrigiert, und ich – wie Sie auch in meinen Ausführungen in entsprechender Form nachlesen konnten – und Gott sei Dank auch die Mehrheit dieser Bundesregierung sind der Meinung – im Unterschied zu einem einzigen Vertreter des Finanzministeriums, wohlgemerkt einem Beamten und keinem auf der politischen Ebene des Finanzministeriums, wenn Sie sich auch die dortigen Ausführungen vergegenwärtigen wollen! –, dass eine entsprechende Nachfolgeregelung im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zu ergehen hat.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass diese Bundesregierung mit den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs einen anderen Umgang pflegen muss (zustimmender Beifall des Bundesrates Konecny ), weil schlussendlich nicht die Möglichkeit besteht, sich mit einer satten Zweidrittelmehrheit im Hohen Hause über die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs hinwegzusetzen, wie es in den letzten 40 Jahren – wenn man sich die entsprechende Judikatur und die Beschlüsse des Nationalrates ansieht – gang und gäbe war. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube daher, für alle, die am Verfassungsstaat und am Zustandekommen des Verfassungsstaats interessiert sind, kann die jetzige Situation, nämlich dass sich der Gesetzgeber mit einfacher Mehrheit auch der Kritik des Höchstgerichtes zu stellen hat und dann, wenn diese Kritik, die am Höchstgericht vorgetragen worden ist, Änderungen erzwingt, diese Änderungen auch in entsprechender Form zu berücksichtigen und nicht – wie in der Vergangenheit die große Koalition – die Möglichkeit hat, sich über Verfassungsgerichtshoferkenntnisse einfach hinwegzusetzen, zufrieden stellend sein.

Ich glaube, dass das auch für die weitere Entwicklung des Pensions- und des Sozialversicherungsrechts in Österreich gut ist, weil dadurch viel mehr um die Zustimmung weiter Bevölkerungskreise zu ringen ist, als sich mit einfachen parlamentarischen Möglichkeiten über gute Entscheidungen der Höchstgerichte hinwegzusetzen.

Sehr geehrter Herr Professor! Ich darf auch darauf verweisen, dass 13 von 15 europäischen Staaten die Anliegen des Volksbegehrens in mehr oder weniger breiten Teilen in ihren Verfassungen berücksichtigt haben: die Bundesrepublik Deutschland etwa im Grundrecht, andere Staaten direkt in ihrer Verfassung, so wie es sich die Initiatoren des Volksbegehrens wünschen.

Ich glaube, man sollte die Initiatoren des Volksbegehrens und jene Damen und Herren, die es sich noch überlegen, dieses Volksbegehren zu unterschreiben, auch darauf aufmerksam machen, dass etwa so prominente Staaten wie Finnland, Schweden und Holland auf Grund der Schuldenpolitik der Vergangenheit Konsequenzen in ihrem Pensions- und Krankenversicherungswesen ziehen mussten. Sie haben ihr Pensionssystem, das aus einer starken ersten


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Säule einer Pensionsversicherung auf Basis des Generationenvertrags mit hohen Umverteilungseffekten bestanden hat, hin zu einem Drei-Säulen-Modell transformiert und entwickelt, so wie es heute bei der Mehrheit der 15 Staaten der Europäischen Union üblich geworden ist.

Man sollte daher mit der Unterschriftsleistung und der geforderten Absicherung dieses Volksbegehrens in der Verfassung den Menschen nicht vorgaukeln, dass sich damit das starke Ein-Säulen-Modell der österreichischen Pensionsversicherung weiter tradiert. Das ist ein Irrtum, dem, glaube ich, sehr viele Menschen heute noch unterliegen, die daher auch die Möglichkeit, dieses Volksbegehren zu unterzeichnen, unter Umständen ins Auge fassen werden. Es erscheint mir daher wichtig, anhand dieses Details auch auf die Auswirkungen der verfassungsmäßigen Verankerung hinzuweisen.

Da Sie in Ihrer Präambel und Ihren Ausführungen auch auf die Nachhaltigkeit im Gesundheitssystem Bezug genommen haben, darf ich darauf hinweisen, dass ich ein Krankenversicherungssystem übernommen habe, bei dem es etwa möglich war, trotz gleicher Beitragssätze im Burgenland, in Kärnten und in Vorarlberg für ein Kind, das eine Kieferregulierung bekommt, in Vorarlberg 20 000 S Zuzahlung zu erhalten, im Burgenland und in Kärnten jedoch nur 4 000 S.

Ich finde daher, dass wir ein System übernommen haben, das schon auf dem besten Wege zur Zwei-Klassen-Medizin war: Auf der einen Seite geben jene Bundesländer, die es sich leisten konnten, hohe Zuzahlungen für medizinische Leistungen, und auf der anderen Seite gibt es Bundesländer, in denen sich die sozial schwachen Schichten durch zu geringe Zuzahlungen notwendige Gesundheitsmaßnahmen etwa für ihre Kinder nicht oder bedeutend schwerer leisten können.

Unsere Bemühungen, innerhalb der Sozialversicherungsträger, innerhalb der Verwaltung Einsparungen zu lukrieren und dieses Einsparungspotenzial für ein gerechtes, gleiches, flächendeckendes Leistungssystem in Österreich frei zu machen, müssten eigentlich Ihre Zustimmung finden, nämlich dann, wenn Sie ohne parteipolitische Brille Ihre Umverteilungsüberlegungen auf das richten, was wir derzeit bereit sind, umzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Oder nennen Sie mir einen Grund, warum bei gleichen Beitragszahlungen ein Arbeitnehmer in Vorarlberg mehr Zuzahlung bekommen soll als ein Arbeitnehmer im Burgenland.

Herr Professor Konecny! Sie wissen, und Ihre Fraktion weiß es auch, dass viele Sozialversicherungsträger über eminente Strukturschwächen verfügen. Das liegt an der sehr hohen Anzahl von Pensionisten, von Arbeitslosen, von Mitversicherten, aber auch am geringen Einkommen, weil sich die Einkommen in Österreich in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich entwickelt haben.

Dass daher gerade von sehr vielen Sprechern Ihrer Fraktion vehement dagegen opponiert wird, ein gleiches Leistungssystem und gleiche Leistungen für alle Beitragszahler in Österreich umzusetzen und die Gefahr zu vermeiden, ein Zwei-Klassen-System zu haben, wundert mich! Es geht doch darum, das System wieder umzudrehen und für alle Beitragszahler für gleiche Prozentsätze den gleichen Leistungsanspruch, die gleiche schnelle und zügige Versorgung auf hohem Niveau zu erreichen.

Die Unterschriftsleistung zum Volksbegehren wird am derzeitigen System nichts ändern, aber die Umsetzungen der Ziele der Bundesregierung im Bereich der Pensions- und Krankenversicherungsträger sehr wohl.

Wir haben heute Früh in der Fragestunde darüber diskutiert, wie viel etwa die Einsparungspotenziale in der Pensionsversicherung ausmachen werden: 10 Prozent beträgt das unbestrittene Einsparungspotenzial, auch nach Ansicht der Vertreter der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten. Das ist gemäß den dortigen Zahlen von mehr als 300 Millionen Schilling pro Jahr kein "Lercherl", um es volkstümlich auszudrücken. Dieses Geld kann man sinnvoller verwenden, statt es in der Verwaltung versumpfen zu lassen, etwa in entsprechender Form im Leistungsrecht der österreichischen Pensionsversicherung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Ich darf Sie auch darauf aufmerksam machen, dass die jüngsten Studien über die Beitragszahlungen – sowohl privat als auch öffentlich, sowohl Krankenversicherung als auch Länder und Gemeinden einschließlich der Pflegeleistungen in Österreich – ausgewiesen haben, dass wir nicht 8,3 Prozent oder 8,6 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes für Gesundheit und Pflege ausgeben, sondern dass wir für Gesundheit und Pflege 10,6 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes aufwenden. Damit werden wir innerhalb der EU nur von Deutschland übertroffen.

Dass sich in dieser Situation dann auch prominente Ärzte als Mitunterstützer des Volksbegehrens hergeben, die etwa die Funktion eines Präsidenten einer Landesärztekammer innehaben, über ein Salär eines Generalstäblers verfügen und darüber hinaus noch je eine Kassenpraxis in Wien und im Burgenland betreiben, verwundert mich. Denn jene Personen, die das Volksbegehren unterstützen – wenn Sie in das Internet schauen, können Sie das nachlesen –, hätten es eigentlich leicht, dieses Volksbegehren bei sich selbst umzusetzen und etwa die zwei Praxen an junge Ärzte abzugeben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Professor! Ich glaube, wenn man sich öffentlich für etwas einsetzt, dann muss man es sich auch gefallen lassen, dass man öffentlich aufgefordert wird, mit seinen Möglichkeiten direkt etwas zur Linderung der Situation beizutragen. Das muss man sich durchaus gefallen lassen. Ich glaube, sehr geehrter Herr Professor, dass damit die Frage 3 ausreichend – samt der Anfragebeantwortung heute in der Früh im Rahmen der Fragestunde – beantwortet ist.

Ich darf Sie, sehr geehrte Damen und Herren, auch noch darauf aufmerksam machen, dass in Ihren Ausführungen auf die Situation der behinderten Menschen in Österreich vergessen worden ist – ich nehme an, unabsichtlich. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass von dieser Bundesregierung der Zuschlag für Schwerstversehrte – zu 70 Prozent und mehr – von 20 Prozent auf 50 Prozent erhöht worden ist, was trotz der Besteuerung der Invaliditätsrenten diesem Bezieherkreis ein Mehreinkommen pro Jahr von bis zu 40 000 S ermöglicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sehe schon ein, dass es für die Opposition nicht opportun ist, auch die positiven Leistungen dieser Bundesregierung fair und umfassend darzustellen. Ich möchte daher auch noch in der Einbegleitung der Beantwortung der einzelnen Fragen darauf hinweisen, dass selbstverständlich auch das Projekt der Behindertenmilliarde bei jenen Menschen, die damit endlich Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt bekommen haben, auf durchaus fruchtbaren Boden gefallen ist. Ich bin davon überzeugt, dass die Behindertenmilliarde in den Jahren 2002 und 2003 ihren positiven Rückschlag finden wird, sodass Menschen mit Behinderungen endlich einen besseren Zugang zur ersten Arbeitswelt bekommen.

Ich darf auch darauf hinweisen, sehr geehrte Damen und Herren, dass im Rahmen dieser Behindertenmilliarde auch Projekte laufen, die langfristige Auswirkungen haben. Wir reden in Österreich schon seit mehr als zehn Jahren darüber, dass die Umwelt und das Umfeld in unserer Gesellschaft behindertengerechter auszugestalten ist. Diese Bundesregierung hat als Erste begonnen, nunmehr auch alle öffentlichen Gebäude in Österreich danach aufzulisten, inwieweit sie behindertengerecht sind, und wir werden dann in einer zweiten Stufe dort mit entsprechenden Maßnahmen beginnen, wo die behindertengerechte Ausgestaltung öffentlicher Bereiche noch nicht vorhanden ist.

Ich glaube, wir haben damit einen wichtigen Schritt gesetzt, um endlich auch in Österreich das zur Umsetzung zu bringen, was etwa in Amerika in diesem Bereich schon seit 15 Jahren gang und gäbe ist, vom Wirtshaus bis zum Bahnhof und vom Amt bis zum Krankenhaus.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass wir hinsichtlich der Ausstattung der Gruppenpraxen vorgeschrieben haben, dass auch diese behindertengerecht auszugestalten sind. Sie von der SPÖ haben das gemeinsam mit der grünen Opposition lange bezweifelt, aber schlussendlich ist es uns gelungen, diesen Beschluss im österreichischen Parlament – im Übrigen gegen die Stimmen der Oppositionsparteien – mehrheitlich zu fassen. Ich glaube, es war ein guter Beschluss, weil auch die behinderten Menschen im Hinblick auf die Versorgung durch Ärzte mehr


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und bessere Zugangsmöglichkeiten zu den Ordinationen und den Gruppenpraxen bekommen sollen, als sie heute bestehen.

Ich finde daher, dass wir ein breites Spektrum von Maßnahmen im Sozialbereich begonnen haben, die wir in dieser Legislaturperiode und, wie ich hoffe – die Meinungsumfragen geben dieser Bundesregierung immer eine satte Mehrheit vor der Alternative Grün/Rot –, auch in den nächsten Jahren weiter umsetzen werden.

Damit möchte ich Frage 2 beantworten. Ich bin davon überzeugt, dass ich das Volksbegehren "Sozialstaat Österreich" nicht unterstützen muss, weil diese Bundesregierung diesen Sozialstaat Österreich auf jenem hohen Niveau, das in der Frage 1 angesprochen ist, nicht nur weiterentwickelt hat, sondern in Zukunft auch weiterentwickeln wird, und dass daher die Sorgen der Menschen, die von einigen Wenigen aus tagespolitischen Gründen geschürt werden, langfristig durch die überzeugende Arbeit dieser Bundesregierung obsolet sein werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf Sie auf die Beantwortung der Frage 4 verweisen. Ich bin der Überzeugung, dass die Umsetzung der inhaltlichen Forderungen des Volksbegehrens "Sozialstaat Österreich", bei denen es darum geht, ein gerechtes Pensionssystem für alle Generationen zu schaffen, und nicht nur den Senioren, wie Sie es formuliert haben, sondern allen Bevölkerungsschichten ein planbares, zukünftiges Sozialsystem in Österreich zu ermöglichen, schon weit gediehen ist.

Mein Ministerium hat gemeinsam mit dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger endlich das komplizierte Sozialversicherungsrecht für alle Österreicherinnen und Österreicher mit den neuen Möglichkeiten der IT-Gesellschaft ins Netz gestellt, sodass es den Menschen jederzeit in der letzten Fassung mit allen Abänderungen und Möglichkeiten zugänglich ist.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass damit aus meiner Sicht ein Mangel sehr vieler Sozialgesetze, den es in der Vergangenheit gegeben hat, nunmehr zumindest für die jüngere Generation und für jene der älteren Generation, die sich des Internets bedienen, abgewehrt ist: nämlich der Mangel, dass sehr gute soziale Ausnahmeregelungen in unserem Sozialsystem nur für gut beratene Menschen zugänglich sind. Ich werde mich bemühen, diese wichtigen Informationen allen, für die sie gedacht sind, zugänglich zu machen, wie etwa die Regelungen im Zusammenhang mit den diversen Härtefonds der einzelnen Krankenversicherungsträger.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist endlich an der Zeit, dass auch jene Menschen, die knapp über der Einkommensgrenze für die Rezeptgebührenbefreiung liegen, darauf aufmerksam gemacht werden, dass schon seit Jahren die Möglichkeit besteht – schon die vorangegangenen Regierungen haben mit diesen Fondsregelungen daran gedacht –, um Rückerstattung anzusuchen, weil es in unserem Gesundheitssystem bei aller Vorsorge Individualfälle gibt, die man als Gesetzgeber nicht befriedigend und umfassend regeln kann. Es geht darum, dass alle Menschen darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie die Möglichkeit haben, bei unvorhergesehenen, schwierigen Lebenssituationen infolge Krankheit oder Unfall aus diesen Fonds die entsprechenden Rückerstattungen zu bekommen. Ich finde, es wäre höchste Zeit gewesen, dass die Träger selbst und die dortigen Versicherungsvertreter diese Regelungen in den letzten Jahren positiver gestaltet hätten.

Da Sie glauben, dass diese Bundesregierung soziale Kälte ausstrahlt, darf ich Ihnen auch mitteilen, dass ich einem Aufruf, den viele in letzter Zeit erhoben haben, gefolgt bin. Ihre Sorge, dass Menschen trotz der neuen medizinischen Erkenntnisse – etwa im Zusammenhang mit Tumorerkrankungen auf Grund von Asbestose – von diesem Staat allein gelassen werden, habe ich zum Anlass genommen, um der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt in den letzten Tagen ein Schreiben zu übermitteln, in dem ich sie als Aufsichtsbehörde ersuche, sämtliche abgelehnten Akten aus diesem Bereich neu zu bearbeiten und auf Grund der neuen medizinischen Erkenntnisse ihre seinerzeitige ablehnende Haltung zu überdenken. (Beifall der Bundesrätin Haunschmid. )  – Ich denke, das ist im Rahmen der Bemühungen um die Arbeitnehmerin


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nen und Arbeitnehmer mit diesen schweren Erkrankungen schon längst fällig gewesen! (Neuerlicher Beifall der Bundesrätin Haunschmid. )

Ich darf Sie auch darauf aufmerksam machen, dass sofort nach Bekanntwerden der vermuteten oder vielfach behaupteten Steuer- und Sozialversicherungshinterziehungen im Transportgewerbe von meinem Ministerium an alle Krankenversicherungsträger der Aufruf ergangen ist, eine entsprechende Überprüfung dieser Branche vorzunehmen.

Ich glaube daher, dass der Vorwurf, dass diese Bundesregierung eher für die Schwarzarbeit als für die Bekämpfung der Schwarzarbeit ist, wie es mehrfach in der Öffentlichkeit ausgedrückt wurde, am Thema vorbeigeht. Aber ich sage auch in aller Klarheit dazu: Die Aufsichtsbehörde kann nur so gut sein, wie gut die Träger sind. Und da die Träger – und hier wiederum die Sozialpartnerschaft – immer großen Wert darauf gelegt haben, dass sie selbst dort die operativ Amtierenden und Agierenden sind, haben sie dann auch in solchen Zeiten die Verantwortung für den operativen Teil und für die operative Tätigkeit zu übernehmen. Ich halte es für unfair, wenn man auf der einen Seite das operative Geschehen den Trägern überlässt, aber dann auf der anderen Seite, wenn die Träger nicht dazu in der Lage sind, der Aufsichtsbehörde die Schuld in die Schuhe schiebt.

Ich bin durchaus dafür, die klare Aufgabenteilung, die wir mit der 59. ASVG-Novelle getroffen haben, in entsprechender Form zu vertreten. Jeder soll seinen Teil fair und nach bestem Wissen und Gewissen im Einklang mit den Gesetzen erfüllen. Jene, die für den operativen Teil zuständig sind, sollen ihre Aufgaben erledigen, und ich als Aufsichtsbehörde werde mich bemühen, meine Funktion gemeinsam mit meinen Beamten bestmöglich zu erfüllen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde daher, wenn man sich die Bemühungen dieser Bundesregierung in diesem Bereich ansieht, dann ist es obsolet, das Volksbegehren zu unterschreiben. Durch das Vertrauen in diese Bundesregierung und in die Ergebnisse, in die Eckdaten, die wir geliefert haben – der Herr Bundeskanzler hat sie Ihnen sehr eindrucksvoll vor Augen geführt –, haben wir die besseren Karten auf unserer Seite. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf zur Frage 5 kommen. Ich nehme für die Bundesregierung, ohne auf Vollständigkeit zu plädieren, in Anspruch, dass wir uns bei den sozialpolitischen Errungenschaften in Europa durchaus nicht zu verstecken brauchen. Wir haben etwa Familienleistungen wie das Kindergeld für alle, die Erhöhung der Familienbeihilfe ab 2003, das Pflegegeld für behinderte Kinder ab der Geburt, die Leistungen aus den Mitteln der Behindertenmilliarde, die Entschädigung für Kriegsgefangene in Ost und West, welche nun auch erstmalig den Zivilinternierten zugute kommt, die Entschädigungsleistungen für NS-Opfer, sowohl im Osten als auch im Westen, für die Zwangsinternierten und für die Vertriebenen sowie die Einrichtungen des frauenpolitischen Beirates durchgesetzt.

Wir haben zum ersten Mal in der Geschichte eine gesetzliche Vertretung von Frauen geschaffen, und zwar mit der Einrichtung von regionalen Gleichbehandlungsanwaltschaften in der Steiermark und in Kärnten – das wurde sogar verbreitert –, und wir sind gerade dabei, in Oberösterreich eine fünfte Gleichbehandlungskommission zu installieren.

Zur Unfallrentenbesteuerung muss man klar sagen: Wenn Sie das europäische Umfeld ansehen, dann werden Sie feststellen, diese Entschädigungsleistungen sind in allen europäischen Staaten, teilweise hinsichtlich der Sockelbeträge, teilweise zur Gänze steuerpflichtig! Vergleichbare Entschädigungszahlungen, die vor einem Zivilgericht etwa nach einem Autounfall als bleibende Versicherungsleistung der Versicherung erstritten wurden, waren schon immer steuerpflichtig.

Ich denke daher, dass es systemimmanent war, da die Steuerpflicht einzuführen, und dass es auch gut war, dass die Bundesregierung gemeinsam mit dem österreichischen Parlament erstens für die sozial Schwächsten eine Rückerstattung im Ausmaß von 600 Millionen Schilling beschlossen hat und dass zweitens für die Schwerstversehrten mit der Erhöhung des Zuschla


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ges von 20 auf 50 Prozent trotz der Besteuerung deutlich bessere Einkommensmöglichkeiten geschaffen wurden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, dass damit die Abfederung bei den Unfallrenten doch in einem Ausmaß gelungen ist, wie das in der sozialen Symmetrie dieses Staates nicht nur üblich war, sondern sich auch sehen lassen kann.

Wenn Sie sich die Geschichte der Besteuerung der Unfallrenten ansehen, dann werden Sie zugeben, dass es ein Wechselbad für die betroffenen Personen gegeben hat, aber ich glaube, dass die Lösung dieser Bundesregierung auch unter Berücksichtigung der Umverteilungseffekte, die Sie klar als Ihre Sache angesprochen haben, nicht schlecht ausgefallen ist. Es wird damit nämlich jenen im untersten Einkommensbereich sowie jenen mit schwersten Beschädigungen deutlich hilfreicher unter die Arme gegriffen als jenen, die sich ihr Leben unter Umständen in anderen Bereichen noch selbst gestalten oder mithilfe des einen oder anderen Fonds zusätzlich verbessern können.

Ich darf ferner darauf hinweisen, dass es dieser Bundesregierung gelungen ist, den Heptatitis-C-Fonds zu schaffen. Dabei geht es um ein Problem, das 15 Jahre lang vor den österreichischen Gerichten tradiert worden ist, sodass sehr viele Betroffene die Entschädigungslösung leider nicht mehr erlebt haben.

Ich darf außerdem berichten, dass wir die Grundsatzbeschlüsse für die Familienhospiz-Karenz verabschiedet haben, und zwar im Sinne der einhelligen Resolution aller vier Fraktionen des österreichischen Nationalrates, sich nicht dem holländischen System der aktiven Sterbehilfe anzuschließen, sondern dem österreichischen System der Humanität auch in den letzten Lebensstunden verpflichtet zu bleiben.

Die Abfertigung neu ist, wie ich meine, eine gute Lösung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es war unser Ziel, endlich nicht mehr wie bisher nur 15 Prozent der Betroffenen in den Genuss einer Abfertigung zu bringen, sondern 100 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Ende ihres Arbeitslebens mit einer Abfertigung auszustatten.

Dass es darüber hinaus mit dieser Abfertigung neu auch zu einer steuerlichen Begünstigung für jene kommt, die ihre Abfertigung für eine Zusatzpension verwenden wollen, ist meiner Ansicht nach ein verantwortungsvoller Schritt dahin gehend, auch das österreichische System der Pensionen im europäischen Gleichklang weiter zu entwickeln und nicht den älteren Menschen immer geringere Pensionen zuzumuten.

Wenn Sie den Behandlungsbeitrag der Ambulanzen immer wieder kritisieren, so darf ich Sie darauf hinweisen, dass die in der Öffentlichkeit genannten Zahlen schlicht und einfach einige Unklarheiten aufweisen. Die Wiener Gebietskrankenkasse hat etwa – und es liegen mir einige Beweise dafür vor – erst jetzt im April damit begonnen, Ambulanzbesuche von Anfang November des Vorjahres fiskalisch einzutreiben. (Bundesrat Konecny: Was heißt "fiskalisch"?)  – Ich kann es Ihnen zeigen, wenn Sie es nicht glauben. (Bundesrat Konecny: Das ist in diesem Zusammenhang das falsche Vokabel!)  – Es wurde erst jetzt damit begonnen, den Versicherten die entsprechenden Vorschreibungen zu übermitteln – um das für Sie vielleicht verständlicher auszudrücken. (Bundesrat Konecny: Fiskalisch heißt steuerlich, und wenn Sie von Steuern reden, dann ist das immer eine gefährliche Drohung!)  

Herr Professor! Wir können uns selbstverständlich über semantische Details lange streiten. Ich glaube aber, Ihnen, Herr Professor, und dem gesamten Bundesrat ist es bewusst, was ich meine, nämlich dass Leistungen, die im November 2001 beansprucht worden sind, erst im April des Jahres 2002 vorgeschrieben werden.

Wie also dann von der Wiener Gebietskrankenkasse behauptet werden kann, dass die Erwartungen der Gebietskrankenkassen hinsichtlich der Einnahmen und der Möglichkeiten, weniger Zahlungen an die Krankenanstalten zu leisten, zurückgeblieben sind, mögen Sie selbst einer Beurteilung unterziehen.


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Wenn man den November des Jahres 2001, die seit damals eingegangenen Zahlungen und die Ziele des Gesetzes hernimmt, obwohl man weiß, dass man diese Gebühren großteils von den Versicherten noch gar nicht eingehoben hat, dann ist zumindest der Vergleich zwischen den seinerzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen und den heutigen Erfolgsmeldungen fragwürdig.

Sie bezweifeln auch den Lenkungseffekt, und Ihre Fraktion moniert das in entsprechender Form im derzeitigen Klagsbegehren oder beim Verfassungsgerichtshof.

Diesbezüglich darf ich darauf hinweisen, dass die Ambulanzgebühren in den Jahren 1995 bis 1999 in den österreichischen Krankenanstalten – nach Bundesland und Krankenanstalt unterschiedlich – einen durchschnittlichen zusätzlichen Aufwand und eine zusätzliche Frequenz von 5 bis 10 Prozent betragen haben. (Bundesrat Konecny: Ambulanzgebühren? Meinen Sie Kosten? Oder Frequenz?)  – Die Frequenz meine ich. Sie hat 5 bis 10 Prozent betragen.

Wenn nach den derzeitig vorliegenden Zahlen der Krankenversicherungsträger, die ihre Abrechnungen offensichtlich à jour haben, ein negativer Frequenzeffekt von 3 Prozent gegenüber dem Niveau des Jahres 2000 vorauszusehen ist, dann werden Sie feststellen, dass auch der Lenkungseffekt eingetreten ist. Statt einer Zunahme von mindestens 5 Prozent gibt es ein Minus von 3 Prozent. Das ist ein Lenkungseffekt, der sogar – wenn er sich über alle anderen Träger so bewahrheiten würde – stärker wäre, als es die Bundesregierung erwartet hat.

Ich bin daher der Meinung, dass wir die endgültige Beurteilung – wie ich es hier schon einmal ausgeführt habe – erst dann machen können, wenn tatsächlich vier Quartale lückenlos und umfassend vorgeschrieben sind und auch die derzeitigen Vorstellungen der Bürgerinnen und Bürger bezüglich eines Bescheides der entsprechenden Sozialversicherungsträger erledigt sind. In einem Rechtsstaat ist es für mich selbstverständlich, dass ein Bürger das Recht hat – und die Versichertengemeinschaft hat umgekehrt die Pflicht –, innerhalb der Sechs-Monate-Frist von seiner Versicherung einen Bescheid zu bekommen.

Ich bin überzeugt davon, dass die überwiegende Anzahl jener Bürgerinnen und Bürger – in Salzburg etwa 2 700, in Oberösterreich etwa 11 500 –, die einen Bescheid verlangen, auch tatsächlich von ihrem Krankenversicherungsträger aufmerksam gemacht werden, dass sie diese Ambulanzgebühr zu zahlen haben.

Wir haben etwa den Vergleich mit der Gebietskrankenkasse Tirol. Die Gebietskrankenkasse von Tirol hat nach den vorliegenden Zahlen bei 300 000 Datensätzen 51 falsche Bescheide ausgestellt. Es kann daher also nicht so sein, wie es in der österreichischen Öffentlichkeit behauptet wird, dass einerseits das Gesetz lückenlos wäre, dass man es nicht vollziehen kann, und dass andererseits die Rahmenbedingungen, die vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger noch unter Präsident Sallmutter ausgearbeitet worden sind, so schlecht sind, dass man damit keine mit vertretbaren Fehlern behaftete Vorschreibung machen könnte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube daher, dass man bei den Ambulanzgebühren erst dann eine endgültige Beurteilung machen kann, wenn endgültig – im wahrsten Sinn des Wortes – abgerechnet ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat bereits darauf hingewiesen, dass Kollege Sallmutter im Zuge der Diskussion um die Beitragsgestion der Krankenversicherungen der Jahre 2000 und 2001 zunächst den Vorschlag gemacht hat, das Defizit innerhalb der Krankenversicherungsträger mit einer 0,3-prozentigen Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für alle – 14 Mal im Jahr – zu bekämpfen und für die nach der damaligen Prognose vom März 2000 zusätzlich fehlenden Mittel in der Höhe von 7 Milliarden Schilling entsprechende Zuzahlungen aus dem Arbeitsmarktservice zu lukrieren. Nachdem dann die Arbeitslosigkeit zugenommen hat, hat sich auch die Position geändert: Aus den 0,3 Prozent sind 0,5 Prozent geworden, und aus der Zuzahlung aus dem Arbeitsmarktservice ist nichts mehr geworden.


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Wenn ich nunmehr das System der Ambulanzgebühren betrachte und mit dem seinerzeitigen Vorschlag einer Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge um 0,3 oder 0,5 Prozent Monat für Monat vergleiche, so darf ich Sie darauf hinweisen, dass Letzterer für die sozial Schwächsten – nämlich für die Ausgleichszulagenbezieher, für jene, die gebührenbefreit und damit auch von den Ambulanzgebühren befreit sind – eine deutliche Mehrbelastung in der Höhe von 0,5 Prozent, 14 Mal im Jahr bedeutet hätte. Ich glaube daher, dass die Bundesregierung auch bei der Ambulanzgebühr, für die eine jährliche Deckelung von 1 000 S gilt, eine durchaus systemkonforme Form des Selbstbehaltes gewählt hat. – Es handelt sich dabei übrigens unter allen Selbstbehalten, die im österreichischen Krankenversicherungswesen bestehen, um den einzigen von dieser Bundesregierung eingeführten, denn alle anderen Selbstbehalte sind bereits in der Zeit einer sozialistisch dominierten Bundesregierung eingeführt worden, sehr geehrter Herr Professor!

Ich glaube daher, dass mit der Ambulanzgebühr kein Paradigmenwechsel in der österreichischen Gesundheitspolitik vorgenommen worden ist, sondern eine konsequente Fortführung auch in jenen Bereichen, in denen auf Grund von Inanspruchnahme und Kostenexplosion die Notbremse zu ziehen war, getätigt wurde. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang etwa auf die seinerzeitige Argumentation Ihrer Fraktion zur Einführung der Rezeptgebühr und die dort zum Tragen kommenden Effekte verweisen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube daher, dass wir zu Frage 5 endgültig feststellen können, dass wir den Befund der Europäischen Kommission, dass Österreich bei der Armutsbekämpfung in Europa führend ist, durchaus unterschreiben können, und damit die Frage 5 auch für die Österreicherinnen und Österreicher befriedigend beantworten können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Von wem stammt dieses Urteil der EU?)

Sehr geehrter Herr Professor! Frage 6 möchte ich damit beantworten, dass ich erstens auf die von mir bereits erfolgte Beantwortung der Fragen 1 bis 5 hinweise und zweitens feststellen darf, dass die Bilanz dieser Bundesregierung, die ich und der Herr Bundeskanzler Ihnen vorlegen konnten, durchaus die Zielsetzung dieses Volksbegehrens ad absurdum führt, weil diese Bundesregierung gerade im Bereich der Sozial- und Gesundheitspolitik erfolgreich ist. Wie anders können Sie sich erklären, dass nach einem für den 31. Dezember des Jahres 2001 prognostizierten Defizit in der Höhe von 9 Milliarden Schilling nunmehr eine vorläufige Abschlussbilanz von 2,048 Milliarden Schilling Defizit und 1,967 Milliarden Schilling Rücklagen zu ziehen ist?

Ich glaube, so erfolglos war diese Politik nicht, mit Ausnahme der Ambulanzgebühr und der üblichen Valorisierungen, die Sie in Ihrer Zeit als Verantwortlicher in einer von Ihnen geführten Bundesregierung auch Jahr für Jahr vorgenommen haben.

Zur Frage 7:

Ich möchte mich da der Antwort des Herrn Bundeskanzlers anschließen. Die anderen Bemerkungen dazu habe ich mir schon bei der Präambel zur Anfrage anzubringen erlaubt.

Zur Frage 8:

Ich kenne den von Ihnen angesprochenen Artikel nicht, und ich bitte Sie, ihn bei jenen zu hinterfragen, die ihn geschrieben haben. Für mich ist eines klar: Wir werden in Österreich alles tun, um das Sozialsystem treffsicherer zu gestalten, als es in der Vergangenheit war, und wir werden alles tun, um aus einem Gießkannenprinzip, das auch jenen geholfen hat, die es nicht notwendig haben, ein treffsicheres System zu machen, um jenen, die es notwendig haben, besser unter die Arme zu greifen, als es in der Vergangenheit der Fall war. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Schicker: So wie beim Kindergeld zum Beispiel!)

Zur Frage der Armutsgefährdung: Sehr geehrte Damen und Herren! Die Behauptung, dass die Armutsgefährdung zunimmt, ist falsch. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass die Armutsgefährdung und die Armutsquote in Österreich wesentlich unter dem EU-Schnitt liegen.


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(Bundesrat Kone
cny: Das wäre ja noch schöner!) Ich darf Sie auch darauf aufmerksam machen, Herr Professor, dass die heurige Pensionsanpassung gerade im untersten Bereich der Einkommen mit 2,9 Prozent das erste Mal – das erste Mal! – jene, die den Ausgleichszulagenrichtsatz als Einzelpersonen beziehen, über die Armutsgrenze des Armutsberichtes 1998 gebracht hat. (Bundesrat Konecny: Na ja, eben! 1998!)

Herr Professor! Ich werde nicht innehalten und diese untersten Einkommensschichten auch bei den nächsten Pensionsanpassungen weiter und weiter an ein lebenswertes Niveau heranführen. Aber, Herr Professor, vergessen Sie nicht, dass in jenen Jahren, in denen Sie in der Regierung für den Sozialbereich federführend waren, diese Grenze der Armutsgefährdung für Ausgleichszulagenbezieherinnen und -bezieher nicht möglich war, obwohl Sie zugegebenermaßen in den Jahren 1995 und 1996 die Ausgleichszulagenrichtsatzbezieher besser bedient haben als die anderen, aber dafür im Jahr darauf eine Pensionsanpassung sistiert haben. – Auch das, sehr geehrter Herr Professor Konecny, sollte man nicht vergessen.

Zur Frage 10:

Im Rahmen des angesprochenen Aktionsprogrammes für die Chancengleichheit von Frauen und Männern 2001 bis 2005 gab es 2001 einen ersten Aufruf zur Einreichung von Projektvorschlägen zum Schwerpunktthema gleicher Lohn. Österreich ist bei folgenden drei Regierungsprojekten Partner: die Gleichbehandlungsanwaltschaft bei einem schwedischen Projekt, die Uni-Graz bei einem norwegischen Projekt und das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit bei einem bundesdeutschen Projekt. Alle Regierungsprojekte werden 2002 durchgeführt.

Weiters wurden 19 Projekte von NGOs von der Europäischen Union zur Kofinanzierung ausgewählt: elf Projekte mit dem Schwerpunktthema gleicher Lohn und acht Projekte mit einem der anderen Schwerpunktthemen des Programms. Unter elf Projekten mit dem Schwerpunktthema gleicher Lohn befindet sich auch das vom Bundesministerium für Soziales und Generationen zur Kofinanzierung vorgeschlagene Projekt des Netzwerkes der Frauen- und Mädchenberatungsstellen, "Observatoria Gender Mainstreaming", eine Strategie zur Verringerung der Einkommensdifferenz.

Weiters gibt es österreichische Partnerschaften mit folgenden Projekten: mit dem Projekt Confédération Européenne des syndicats: Das zweite Geschlecht der Europäischen Gewerkschaftsbewegung, revidierte Fassung; mit der Sozialforschungsstelle Dortmund: Erfolgsvoraussetzungen für die Umsetzung des Grundsatzes der Entgeltgleichheit im Einzelhandel; mit dem European Research Institute for Comparative Cultural Policy and the Arts, Cultural Gates, Life: Frauen entwickeln Ökotechnik-EV, Partizipation und nachhaltige Entwicklung.

Das Thema 2002/03 – Antragsfrist ist 15. 4. 2002 – ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Sektion V meines Hauses plant dazu die Einreichung eines Projektes im Rahmen des Aufrufes der Regierungs- und Gleichstellungsfragen.

Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass auch die Arbeitsmarktdaten für diesen Bereich und die zwar nur marginalen, aber immerhin spürbaren Annäherungen in der Gehaltssituation der Frauen zwischen 20 und 45 heute schon in der Fragestunde Thema waren.

Zur Frage 11:

Die Einrichtung der Abteilung VI/6 ist für mich eine Notwendigkeit. In einer Zeit, in der sich die österreichische Bundesregierung und auch die Frauenpolitik Ihrer Fraktion dem Prinzip des Gender Mainstreaming verschworen hat, wäre es nahezu absurd, in der zuständigen Sektion ausschließlich Frauen- und Jugendabteilungen und nicht auch eine Abteilung für Männer zu haben. Aus männerpolitischer Sicht ist zu sagen, dass es in Österreich fast 50 000 allein erziehende Männer gibt, dass mehr als 38 000 Männer vor österreichischen Gerichten um ihre Rechte, bei der Erziehung ihrer Kinder ausreichend berücksichtigt zu werden und Mitsprache zu haben, kämpfen und dass daher auch den Anliegen der Männer in diesem Bereich auf Grund der Änderungen in der Gesellschaft, so wie es sich sehr viele aus dem frauenpolitischen Bereich ge


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wunschen haben, in dieser Abteilung Raum gegeben wird und damit die Notwendigkeit der Schaffung dieser Abteilung eindeutig klar und ausdrucksvoll belegt ist.

Zur Frage 12:

Von einer Einmottung der Frauenpolitik zu sprechen, ist meiner Ansicht nach eine klare Verkennung der Tatsachen. Ich darf darauf hinweisen, dass ich heute in der Früh schon im Rahmen der Fragestunde die Gelegenheit gehabt habe, sämtliche Maßnahmen aus dem Bereich der Frauenpolitik nicht nur aufzuzählen, sondern auch Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, nachvollziehbar zu machen.

Ich glaube daher, über die Kommunikationstechnologien, über die männerspezifischen Bereiche, über die Auditierungen und die Call Centers haben wir heute in der Früh schon hinreichend gesprochen, sodass ich mir aus zeitökonomischen Gründen und vor allem auch wegen meiner Stimme, die auf Grund einer Verkühlung schon hörbar irritiert ist, eine weitere Wiederholung der Ausführungen von heute Morgen vor dem gleichen Gremium, wie ich hoffe, mit Ihrer Zustimmung, ersparen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zur Frage 13:

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Sie die Arbeitsmarktlage seit 1946 betrachten, sehen Sie, dass wir noch nie so viele Frauen in Beschäftigung gehabt haben und dass offensichtlich, wenn wir die Daten des Bundeslandes Kärntens, das bereits ein Jahr früher das Kindergeld eingeführt hat, etwa mit dem Bundesland Wien und anderen vergleichen, der Zugang der Frauen zum Arbeitsmarkt nicht erschwert, sondern, wenn man sich die jüngsten Arbeitsmarktdaten ansieht, verbessert worden ist oder zumindest nicht behindert wird. Ich gehe also davon aus, dass sich die Maßnahmen, so wie sie die Bundesregierung geplant hat, auch in der Praxis bewähren werden.

Ich darf Sie aber auch darauf hinweisen, dass sich mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes der Stellenwert der intensiven Betreuung von Wiedereinsteigerinnen durch das AMS nicht geändert hat. Die speziellen Betreuungsprogramme stellen einen Mix aus Beratung, Qualifizierung, Eingliederungsbeihilfe und Unterstützung bei der Kinderbetreuung dar. Beispielsweise werden Job-coaching- und Weiterbildungskurse angeboten. Es besteht die Möglichkeit, staatlich anerkannte Schul- und Berufsabschlüsse zu absolvieren. Weiter bestehen bleibt unter anderem die Kinderbetreuungsbeihilfe in Form eines einkommensabhängigen Zuschusses als Beitrag zur Förderung der Arbeitsaufnahme.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man die Rahmenbedingungen und die aktuellen Arbeitsmarktzahlen näher betrachtet, kann man, so glaube ich, feststellen, dass die Befürchtungen, die Sie in der Frage 13 formuliert haben, nicht berechtigt sind.

Zur Frage 14:

Die Absicherung der Frauen im Alter ist eine wichtige Frage. Während die jungen Frauen heute zu mehr als 73 Prozent bereits in Beschäftigung stehen und daher für sich selbst eine gute oder zumindest bessere Situation bei der Pensionierung vorfinden, ist es gerade für Frauen, die älter als 50 Jahre und jenseits des Arbeitslebens sind, ein Riesenproblem, dass sich das seinerzeitige partnerschaftliche Pensionsmodell bei Scheidungen sehr häufig als nicht haltbar erweist.

Die ehemaligen Regelungen, sich Sozialleistungen auszahlen lassen zu können, sind für manche Frauen nach der Scheidung geradezu katastrophal. Es gibt Frauen, die etwa vor 20 Jahren, als sie geheiratet haben, ihre sozialen Ansprüche lukriert haben, sie in eine Wohnung oder in einen Hausbau gesteckt haben, mit 49, 57, 58 Jahren geschieden worden sind und auf einmal mit einem Unterhaltsanspruch in der Höhe von 1 600 S oder 2 000 S dastehen und null Absicherung für ihre Pension haben.

Ich habe dieses Problem schon bei meinem Amtsantritt erkannt und daher eine Arbeitsgruppe zur Lösung dieses Themas installiert.


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Ich gebe Ihnen Recht, dass das reine Pensionssplitting nicht das Mittel der Wahl ist. Ich habe daher diese Arbeitsgruppe eingesetzt, die vom Pensionssplittingsmodell von Professor Mazal und von den dem schwedischen Modell nachempfundenen Vorstellungen von Professor Marin ausgeht. Ich habe von Anfang an gesagt, dass diese Beratungen bis Mitte des nächsten Jahres dauern werden, und ich bin guten Mutes, wenn ich mir die Fortschritte ansehe, dass ich das, was ich mir erwartet habe, auch nächstes Jahr präsentieren werde können, nämlich einen brauchbaren Vorschlag, um dieses Problem für die Gruppe vor allem der älteren Frauen befriedigend zu lösen.

Zur Frage 15:

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Sie sich die Beschlüsse des Gipfels von Barcelona und seine Auswirkungen sowie die Benchmarks, die dort beschlossen worden sind, ansehen, werden Sie erkennen, dass es nicht um eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters geht, sondern um ein Heranführen des faktischen Pensionsalters an das gesetzliche Pensionsalter. Wenn Sie sich die Zeiträume, die für dieses Benchmarking vorgesehen sind, betrachten und dem die derzeitige Beschäftigungssituation in Österreich gegenüberstellen, werden Sie sehr bald erkennen, dass die derzeitigen Maßnahmen und Bemühungen der Bundesregierung, die Frühpensionen zu drücken und bei den Frühpensionen die soziale Komponente nicht zu vergessen, richtig sind.

Es gibt eine einzige Gruppe bei den Frühpensionisten, bei der sich der Zugang zur Invaliditätspension verstärkt hat, nämlich bei den ungelernten Arbeitskräften. Jene Menschen, die keinen Berufsschutz haben, haben heute um 38 Prozent bessere Chancen, eine Frühpension zuerkannt zu bekommen als vor drei oder vier Jahren.

Ich glaube daher, dass diese Beschlüsse von Barcelona, die österreichischen Maßnahmen und die europäischen Bemühungen im entsprechenden Einklang stehen werden und sich Österreich, wenn abgerechnet und die Überprüfung stattfinden wird, im europäischen Rahmen bewegen wird.

Die Wertsicherung der Pensionen ist ein langfristiges Thema. Sie werden sich die Pensionstafeln bezüglich der Valorisierung der Pensionen angesehen haben: Es gibt eine Reihe von Jahren, bei denen es null Valorisierung gegeben hat. Es gibt eine Reihe von Jahren, bei denen die Valorisierung der Pensionen deutlich unter der Inflationsrate war, und ich darf Sie darauf hinweisen, dass aus gutem Grund auch Ihre Fraktion, sehr geehrter Herr Professor, 1995 nach der Beratung durch den bundesdeutschen Pensionsexperten Rürup das Nettopensionssystem in Österreich eingeführt hat.

Mit der Pensionsanpassung des heurigen Jahres waren die letzten Reste in der Nettopension anzurechnen und sind nunmehr mit Ausnahme von 0,1 Prozent aufgebraucht worden: Die Pensionisten können aber beruhigt sein, dass sich ihre Pensionen nach dem Nettopensionssystem in Zukunft zumindest so, wie es 1995 im österreichischen Parlament mit Mehrheit beschlossen worden ist, weiter nach oben entwickeln werden.

Aber man muss auch eines klar sagen: Bei diesen Anpassungen hat es, so wie Sie es gesagt haben, Herr Professor, einen Umverteilungseffekt gegeben. Die höchsten Pensionen haben deutlich unter den entsprechenden Prozentsätzen Verbesserungen bekommen, und die untersten Einkommen haben die Inflationsrate im Jahre 2001 voll abgegolten bekommen. Wenn Sie in Ihrem Eingangsstatement zu den beiden Anfragen betont haben, dass Sie für Umverteilung stehen, nämlich von jenen, die sich es leisten können, zu jenen, die es sich nicht oder weniger gut leisten können, so sollten Sie sich das Pensionsanpassungssystem dieser Bundesregierung vielleicht nochmals vor Augen führen und zumindest zugestehen, dass die Grenze aus Ihrer Sicht möglicherweise falsch war. Der Umverteilungseffekt von den Reicheren zu den Ärmeren hat mit Sicherheit stattgefunden! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Zur Frage 17:

Sehr geehrte Damen und Herren! Alle Menschen in unserem Staat haben das Recht, ein länger planendes, vorausschauendes soziales System vorzufinden, und nicht nur die älteren Menschen in diesem Staate. Ich glaube daher, dass es wichtig ist, dass unser Sozialsystem auch in der Gestaltung und in der legistischen Formulierung endlich so transparent wird, dass es wieder von allen Menschen verstanden wird. Nur dann wird es möglich sein, die Akzeptanz der Jungen und der Alten, jener, die in Beschäftigung sind, und jener, die in Pension sind, für die Weiterentwicklung des österreichischen Pensionsversicherungssystems zu bekommen.

Ich glaube daher, dass die Bemühungen meines Hauses unter Professor Tomandl, endlich die Neukodifizierung des gesamten Sozialrechtes voranzutreiben – eine Forderung, die übrigens schon seit 1989 besteht –, höchst an der Zeit sind und dass wir mit dem Projekt, das Sozialversicherungssystem mit all seinen Änderungen seit 1960 bis heute – vom Karenzgeld bis zur Stillzulage, vom Kindergeld bis zur Änderung im Notariats-Sozialversicherungsgesetz und was es sonst alles für Details im Sozialversicherungs- und im Familienrecht Österreichs gibt – transparent zu machen, mit kurzen Stichworten jeden einzelnen Paragraphen auch für jemanden, der ungelernt ist, über Internet abrufbar und nachlesbar zu machen, wichtige Arbeit leisten, um diese langfristige Planung nicht nur im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern, sondern damit auch eine hohe Akzeptanz für unser gutes Sozial- und Gesundheitssystem zu erzielen.

Zur Frage 18:

Das solidarische Gesundheitssystem muss langfristig erhalten bleiben. Sie wissen, sehr geehrte Damen und Herren, dass gerade diese Bundesregierung auch eine in der Gesellschaft immer wieder diskutierte Frage der Erledigung zugeführt hat, nämlich: Versicherungspflicht versus Pflichtversicherung. Es hat einen Arbeitskreis gegeben, der dieses Thema unter den strengen Auflagen, die die freiheitlichen Arbeitnehmer immer verlangt haben, dass nämlich kein Behinderter abgewiesen werden darf, dass kein chronisch Kranker abgewiesen werden darf, dass niemand auf Grund von Erkrankungen ungebührlich mehr belastet werden darf als durch die heutigen Direktzahlungen und Zuzahlungen, behandelt hat. Weder die Versicherungswirtschaft noch sonst ein Partner hat sich gefunden, um aus dem österreichischen Sozialversicherungssystem ein alternatives, anderes Sozialversicherungssystem zu machen, und das ist gut so.

Diese Frage habe ich auch mehrfach im österreichischen Nationalrat beantwortet, und es verwundert mich daher immer wieder, dass diese Frage immer wieder aufs Neue als Zukunftsfrage und als Grundlage dieser Volksabstimmung diskutiert wird. Ich glaube, wir alle haben diese Fragen schon mehrfach beantwortet. Die Beratungen des Arbeitskreises zu dieser Frage sind beendet, und wir haben als Sukkus dieses Arbeitskreises im Rahmen einer Sozialversicherungsanstalt einen Probelauf, nämlich einen Probelauf zwischen der Erstattung, so wie wir es traditionell gewohnt sind, und einer entsprechenden Sach- und Geldleistungsabwägung durchgeführt. Ich bin gespannt, wie das auf drei Jahre befristete Modell, zwischen Sachleistung und Geldleistung entscheiden zu können, ausgeht. Ich bin auch gespannt, wie die wissenschaftliche Evaluierung ausgeht, wie sich das für die unterschiedlichen sozialen Schichten innerhalb dieses Sozialversicherungsträgers auswirkt, aber ich bin guten Mutes, dass nach diesen drei Jahren dann endlich evaluierte Grundlagen für diese schon seit langem in Diskussion befindlichen Fragen erstellt werden können, sodass wir ein für alle Mal die Weiterentwicklung des österreichischen Gesundheitssystems auf gesicherten Daten und nicht auf Glaubensfragen diskutieren können.

Zur Frage 19:

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Weiterentwicklung unseres Systems ist auch im Gesundheitsbereich durchaus vorzeigenswert. Wartezeiten, Schwächen im System, etwa im System Großbritanniens, aber auch Schwächen im schwedischen System, in dem etwa die Zuzahlungen für Medikamente, für alle anderen Bereiche bedeutend höher sind als in Österreich, in dem die Ambulanzgebühren etwa das Dreifache von Österreich betragen – all diese Dinge sollte


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man einer fairen Bewertung unterziehen, weil wir in einem europäisch immer mehr vernetzten Gesundheitsmarkt stehen.

Ich glaube daher, dass wir gut beraten sein werden, auch über die Grenzen zu sehen, weil uns auch entsprechende Erkenntnisse des Europäischen Gerichtshofes immer mehr dazu zwingen, mit unserem System und unseren guten Leistungen anderen europäischen Mitbürgern Hilfestellung zu geben, ohne dass uns die Gerichtshöfe eine entsprechende Kostenerstattung zubilligen.

Die Harmonisierung der Gesundheitssysteme auf europäischer Ebene wird gerade für Österreich mit seinem hohen Niveau eine existenzielle Frage für die Zukunft sein, und zwar dahin gehend, ob wir uns das Gesundheitssystem in dieser Form und mit dieser Ausstattung auf diesem hohen Niveau in Europa, angesichts der Begehrlichkeit anderer Europäer, an unserem System zu naschen, noch leisten werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich werde daher in Zukunft sehr viel Energie darauf verwenden, Überlegungen hinsichtlich dieser Harmonisierung voranzutreiben, denn es ist unübersehbar, dass jene, die heute Defizite haben, begonnen haben, ihre Patientenströme zu transferieren, sie mit dem Urlaubskrankenschein in andere europäische Staaten schicken, um sie dort operieren zu lassen. Manche Länder, wie Großbritannien und die Bundesrepublik Deutschland, lukrieren diese Leistungen, leisten dafür aber auch entsprechende Transferzahlungen. (Präsidentin Pühringer übernimmt den Vorsitz.)

Zur Frage 20:

Ich darf darauf hinweisen, dass gemäß Bundesministeriengesetz die Zuständigkeit für die Berufsausbildung Jugendlicher grundsätzlich beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit liegt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass durch die Teilnahme Jugendlicher an Angeboten der außerschulischen Jugendarbeit deren Grund- und Schlüsselqualifikationen gefördert werden und sie auch am Arbeitsmarkt bessere Chancen haben. Es wird damit aber nicht nur eine Verbesserung der Chancen am Arbeitsmarkt hervorgerufen, sondern es wird auch der Zugang zum Arbeitsmarkt verbessert, sodass die Bemühungen meiner Jugendsektion als Verstärkung der kompetenzmäßig im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit gelegenen Agenden zu betrachten sind.

Ich glaube daher, dass es langfristig notwendig sein wird, auch die parteipolitisch orientierten Jugendorganisationen darauf aufmerksam zu machen, dass sie mit ähnlichen Bemühungen, wie es die Freie Jugend in diesem Bereich bereits zuwege bringt, ihren Mitgliedern einen besseren Einstieg in das Berufsleben ermöglichen könnten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Abschließend darf ich nochmals wiederholen, so wie es der Herr Bundeskanzler auch treffend gesagt hat: Unser Sozial- und Gesundheitsstaat ist in bester Verfassung, und die Österreicherinnen und Österreicher brauchen sich über die Weiterentwicklung des Sozialstaates bei dieser Bundesregierung keine Sorgen zu machen. (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.22

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Johanna Schicker. – Bitte, Frau Bundesrätin. (Bundesrätin Schicker platziert ein Plakat mit der Aufschrift "Jetzt unterschreiben!" vor dem Rednerpult. – Zwischenrufe.)

18.23

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Mein Kollege und Klubobmann Professor Konecny


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hat in seiner Begründung sehr klar die zwei Gesichter des jetzigen Regierungskurses deutlich gemacht.

Die Beantwortung der von uns in der dringlichen Anfrage aufgelisteten Fragen hat jedoch in weiten Teilen an Deutlichkeit beziehungsweise Richtigkeit zu wünschen übrig gelassen. Ich habe den Eindruck, Sie wollen nicht verstehen. Ich habe es zumindest so gesehen. Es war dies quasi ein Durchlavieren oder, wie wir es in der Steiermark, lieber Herr Kollege Missethon, auch formulieren würden: die Kurve kratzen. (Beifall bei der SPÖ.) So habe ich die Beantwortung unseres Fragenkataloges erlebt.

Ich kann nicht zu jeder Frage, die vom Herrn Minister und vom Herrn Bundeskanzler beantwortet wurde, jetzt ein Ko-Referat halten, aber einige Beispiele erlauben Sie mir doch hier anzubringen.

(Zu dem an der Regierungsbank Platz nehmenden Staatssekretär Morak): Herr Staatssekretär! Sie müssen eben jetzt das "Binkerl" mitnehmen, das sich der Herr Bundeskanzler nicht abgeholt hat, weil er nicht mehr da ist. Aber das ist Ihre Aufgabe, und Sie werden sich wahrscheinlich Ihre Aufgabe als Staatssekretär auch anders vorgestellt haben. Aber das ist halt einmal so.

Es gibt einige Unrichtigkeiten bei der Beantwortung – ich betone: Unrichtigkeiten. Leider ist der Herr Bundesminister jetzt hinausgegangen. (Bundesrat Konecny: Der kommt gleich wieder, er hat sich abgemeldet!) Es hat in einigen Passagen geheißen – das haben sowohl der Herr Bundeskanzler als auch der Herr Bundesminister gesagt –, dass durch die Einführung der Unfallrentenbesteuerung Gelder angesammelt werden, wovon dann eine Milliarde für die Behinderten zur Verfügung gestellt wird. Das ist unrichtig. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Auf Rückfrage im Ministerium, und ich glaube, die Beamten und Experten dort werden richtige Auskünfte geben.

Im Jahr 2000 sind genau 558 Millionen Schilling für die Behinderten ausgegeben worden und im Jahr 2001 dann 700 Millionen. Das heißt, der Rest der eingegangenen Besteuerungen der Unfallrenten ist dem Budget zugeführt worden. Das muss man einmal klar und deutlich sagen. (Bundesrat Konecny: Körberlgeld!)

Zu der Behinderten-Milliarde, die keine ganze Milliarde ist, muss man auch Folgendes sagen: Diese Gelder kommen zum Großteil nicht den Behinderten zugute, sondern sie werden auch zum Beispiel in behindertengerechte Einrichtungen in Hotels, in Gasthäusern investiert. (Bundesrat Kneifel: Arbeitsplätze für Behinderte werden geschaffen!) Ich frage mich, ob das Sinn und Zweck ist. Wir müssen unsere Gemeindehäuser, unsere Wohnungen selbst umbauen, damit sie behindertengerecht adaptiert werden können. Aber da werden mit Geldern der Behindertenmilliarde Hotels und Gasthäuser subventioniert! Ob das das Richtige ist, weiß ich nicht.

Noch eine Unrichtigkeit möchte ich hier klarstellen. Es hat geheißen – ich glaube, der Herr Bundeskanzler hat es gesagt; ich bin mit dem Stenographieren angesichts der schnellen Antworten gar nicht mitgekommen, obwohl ich es noch kann –, dass nach der Rückkehr vom Karenzurlaub Frauen sehr wohl die Möglichkeit haben – er hat das zweimal betont –, das Recht auf Teilzeit in Anspruch zu nehmen.

Ich kläre Sie auf: Einen Monat lang dürfen Frauen Teilzeit in Anspruch nehmen. Das ist wirklich zynisch und eine Augenauswischerei! Das muss hier auch ganz offen gesagt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Punkt ist zu korrigieren: Der Herr Bundeskanzler hat gemeint, dass die Arbeitslosigkeit durch die Erhöhung des Pensionsalters für Frauen auf 56,5 und für Männer auf 61,5 Jahre nicht gestiegen sei. Das ist falsch. Es gibt Aufzeichnungen seitens der Arbeiterkammer, die da lauten: Die Arbeitslosenquote der über 60jährigen Männer ist innerhalb eines Jahres um 80 Prozent angestiegen und jene der Frauen zwischen 55 und 60 Jahren um 42 Prozent. – Das ist die Realität!


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme zu meinen weiteren Ausführungen, nachdem ich einige Beispiele, die nicht richtig waren, korrigiert habe.

Faktum bleibt, Herr Bundesminister, Herr Staatssekretär, meine Damen und Herren, dass diese Bundesregierung besonders die vier Hauptsäulen des Sozialstaates, die Kranken- und Unfallversicherung, die Altersvorsorge, die Arbeitslosenversicherung und das öffentliche Bildungswesen, schwächt.

Faktum ist auch, dass sie gleichzeitig ihren Einfluss auf die Sozialversicherung stärkt und die Selbstverwaltung weitestgehend ausschaltet. Unter der Devise "Sozialstaat schlank" wird die Spaltung der Gesellschaft vertieft, Ausgrenzung und Verarmung werden gefördert. Dass sich diese unsoziale Politik gegen die Mehrheit der BürgerInnen in diesem Land richtet und zugleich die Vermögenden begünstigt, liegt natürlich auf der Hand. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Das ist aber Klassenkampf!) – Es ist die Wahrheit!

Vor allem Frauen, Herr Kollege Missethon, Alleinerzieherinnen, Kranke und Personen mit niedrigen Einkommen sind durch diese unsoziale Politik der jetzigen Bundesregierung massiv gefährdet. Diese Regierung hat ihre Maßnahmen verstärkt an den männlichen Alleinverdienern orientiert; anders kann ich es mir nicht vorstellen. Die Absicherung oder gar Förderung der berufstätigen Frauen ist ins Hintertreffen geraten. Eine bessere Absicherung der atypisch Beschäftigten – diese werden immer mehr – liegt uns sozialdemokratischen Frauen sehr am Herzen. Wir meinen, dass in diesem Bereich Änderungen dringend notwendig wären.

Ein sicheres Einkommen der Frauen, die Absicherung bei Scheidung – das haben Sie auch schon angesprochen, Herr Bundesminister – und eigenes Geld in der Pension, von dem man auch leben kann  – das muss man dazusagen! –, sind für Frauen wesentliche Bereiche, in denen es noch vieles zu tun gibt.

Die Basis der Eigenständigkeit der Frauen ist und bleibt das eigene Geld. Eine qualifizierte Berufstätigkeit ist daher besonders für Frauen der Schlüssel zur Unabhängigkeit. Daher brauchen wir den Sozialstaat Österreich, der genügend Infrastruktur zur Verfügung stellt und in dem die dafür notwendigen Gesetze beschlossen werden.

Was hat die jetzige Bundesregierung, meine sehr geehrten Damen und Herren, dagegen in den letzten zwei Jahren für die Frauen gebracht? (Rufe bei der SPÖ: Nichts! Nichts!)  – Frauenpolitische Verschlechterungen am laufenden Band! (Bundesrat Bieringer: Na geh!)  – So ist es, Herr Kollege! Aber Sie sind ja keine Frau, Sie merken es nicht am eigenen Körper. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Regierung drängt Frauen zurück an den Herd. Frauenpolitik wurde durch die Bestellung eines Frauenministers zur Fußnote der Familienpolitik – und Familienpolitik ist nicht Frauenpolitik! Das muss man klar sagen. Das Frauenbild der jetzigen Regierung stellt sich wie folgt dar: Mutter, mehrere Kinder, nicht berufstätig, verheiratet und Hausfrau. – Basta! Das hat so zu sein. (Bundesrat Dr. Böhm schüttelt den Kopf.)

Die Verschlechterungen für Frauen ziehen sich wie ein roter Faden durch die letzten zwei Jahre, meine Damen und Herren! Liebe KollegInnen! Wenn ihr das nachlest, dann müsst ihr das zur Kenntnis nehmen. Das ist Realität, bitte! Im Folgenden nur ein paar Beispiele dazu:

Durch das im Jahr 2000 beschlossene Sozialrechts-Änderungsgesetz sind Frauen mehrfach betroffen. Wir alle wissen: Seit Oktober 2000 können Frauen wegen langer Versicherungsdauer erst mit 56,5 Jahren in Pension gehen. Sie können aber nicht länger arbeiten. Das wissen wir auch.

Jetzt spricht man sogar schon von einer Anhebung des Frauenpensionsalters von 60 auf 65 Jahre, und jeder von uns weiß, dass sich eigentlich das faktische Pensionsantrittsalter von Frauen gegenüber jenem der Männer jetzt schon nur durch eineinhalb Jahre unterscheidet, denn Frauen gehen durchschnittlich mit 57 und Männer mit 58,5 Jahren in Pension.


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Diese Verschlechterungen, so meine ich, sind beliebig fortzusetzen, sei es durch die Änderungen in der Krankenversicherung, sei es durch die Urlaubsaliquotierung bei Beendigung des Dienstverhältnisses (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Kinderbetreuung!), sei es durch die Abschaffung des Hausbesorgergesetzes, sei es durch die Einschränkung der Mitversicherung in der Krankenversicherung (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Kinderbetreuung!) durch das Budgetbegleitgesetz 2000, sei es bei der Arbeitslosenversicherung, sei es durch die Abschaffung der Bildungskarenz nach Elternkarenz, sei es durch die Einführung der Studiengebühren, sei es durch die Kürzung der finanziellen Förderungen für Frauenprojekte, sei es durch die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes und vieles andere mehr. (Bundesrat Mag. Hoscher: Das ist ja unglaublich! Das ist ja ein Skandal! Unerhört!)

Des Weiteren wurden vor allem – und das ist heute auch schon einige Male angesprochen worden – die Kranken und Behinderten durch die Gesetzesänderungen dieser Regierung arg getroffen. Mit der Einführung der Ambulanzgebühren und der Unfallrentenbesteuerung ist dieser Regierung eine wirkliche Untat gelungen. Man muss es sich bildlich vor Augen führen, wie einem beinamputierten Mann oder einer Frau mit derselben Behinderung zumute sein muss, der oder die vielleicht auf Grund eines Arbeitsunfalls nicht nur körperlich, sondern auch psychisch schwer geschädigt wurde und dann auch noch finanziell zur Kasse gebeten wird, damit das Nulldefizit unter allen Umständen erreicht werden kann. – Das ist meines Erachtens menschenverachtend! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. – Bundesrat Mag. Himmer: In Wien müssen sie die Straßenbahn bezahlen!)

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es besonders wichtig, dass die österreichische Bevölkerung mit der Unterstützung des Volksbegehrens "Sozialstaat Österreich" ein deutliches Zeichen setzt: ein Zeichen dafür, dass Sozialstaat für uns alle mehr bedeutet als nur einen großen Budgetposten.

Mit der sozialen Sicherheit, die wir uns in den letzten Jahren gemeinsam erarbeitet haben, sind viele Säulen unseres Zusammenlebens verbunden. Gesellschaftlicher Friede, Chancengleichheit und Gleichberechtigung und Wohlstand für alle – und nicht nur für eine kleine Elite – sollen auch in Zukunft Leitlinien der Politik bleiben. Deswegen werde ich das Sozialstaat-Volksbegehren aus Überzeugung unterschreiben, und ich darf Sie ersuchen, es auch zu tun.

Ich erlaube mir, Herr Bundesminister, Herr Staatssekretär, Ihnen einen kleinen Aufkleber zu überreichen, damit Sie nicht vergessen, dorthin zu gehen. (Die Rednerin überreicht Bundesminister Mag. Haupt und Staatssekretär Morak jeweils einen Aufkleber. – Heiterkeit des Bundesrates Konecny.  – Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

18.35

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ludwig Bieringer. – Bitte, Herr Bundesrat.

18.35

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Konecny hat sicherlich in brillanter Weise gesprochen, nur: Der Inhalt seiner Reden wird immer schwächer. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schicker: Also, nun bitte! – Bundesrat Mag. Hoscher: Vielleicht versteht er es nicht! Verstanden hat er es nicht!)

Ich möchte ausdrücklich festhalten: Ich habe Kollegen Konecny selten so schwach argumentieren gehört wie heute. Ich weiß, dass er sich schwer tut dabei. Er hat etwas gesagt, da hat es den Herrn Bundeskanzler gerissen, nämlich dass es in diesem Land "angebliche Schulden" gäbe. Ich glaube, der Herr Professor ist der Einzige, der meint, dass es in diesem Land "angebliche Schulden" gäbe. Herr Professor Konecny wird zur Kenntnis nehmen müssen, dass Schulden der größte Feind dessen sind, dass es auch in Zukunft einen Sozialstaat gibt. Das muss man, bitte, mit aller Deutlichkeit sagen, und wenn er meint, dass “angeblich” in diesem Land Schulden gemacht wurden, dann verstehe ich das Wort "angeblich" nicht. Bund, Länder und Gemeinden – damit hier nicht etwas anderes steht – haben in diesem Land genug an Schulden


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angehäuft, und da von "angeblich" zu sprechen, ist schon sehr kühn und weit hergeholt. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Schicker! Sie haben sicherlich Recht, dass Familienpolitik nicht Frauenpolitik ist. Da gebe ich Ihnen 100-prozentig Recht. Nur: Wenn Sie Ihr Volksbegehren so anpreisen, dann muss ich Ihnen schon sagen, dass in diesem Volksbegehren kein einziges Mal das Wort "Familie" vorkommt. Ich glaube, die Familien sind es, die als die ersten Zellen in erster Linie diesen Staat aufrechterhalten (Bundesrat Dr. Böhm: So ist es!), und diese Familien werden – darauf werde ich noch zurückkommen – von dieser Regierung gefördert. (Bundesrätin Schicker: "Soziales" ist alles!)

Meine Damen und Herren! Ich bin stolz darauf, einen Bundeskanzler zu haben, der eine dringliche Anfrage so brillant, fachkundig und kompetent beantwortet, wie er das heute hier getan hat. Da kann man stolz sein, und wir von der ÖVP-Fraktion sind stolz auf unseren Bundeskanzler! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Kraml: Geh bitte!)

Der Herr Bundeskanzler hat ausdrücklich erklärt: Niemand, kein Mensch will in diesem Land den Sozialstaat abbauen. (Bundesrätin Schicker: Was passiert denn schon seit zwei Jahren?) Das Gespenst des Abbaus des Sozialstaates können Sie überall hinmalen, nur wird es Ihnen niemand glauben. (Bundesrätin Schicker: Die Betroffenen wissen es ja sehr wohl!) Es war auch interessant, dem Herrn Bundeskanzler zuzuhören, als er gesagt hat, dass es in Österreich mehr Frauen in Arbeit gibt als jemals zuvor. (Bundesrätin Schicker: In welchem Beschäftigungsverhältnis?) Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen, Frau Kollegin Schicker! Es tut mir Leid, das ist ein Faktum. (Bundesrätin Schicker: Geringfügige Beschäftigung!) Sie können ja nicht etwas wegradieren, was tatsächlich in diesem Land geschieht. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn die Bundesregierung 10 Milliarden Schilling für Forschung ausgibt – zusätzlich ausgibt! –, ein Konjunkturpaket beschließt, eine aktive Arbeitsmarktförderung um fast 1 Milliarde € betreibt, so sind das, glaube ich, doch Zahlen, die man nicht wegdiskutieren kann. Das kann nur jemand tun, der eigentlich nicht zuhören und nicht zur Kenntnis nehmen will, was tatsächlich in diesem Land geschieht. (Bun


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desrat Mag. Hoscher: Glaube versetzt Berge!)

Der Herr Bundeskanzler hat den Generalsekretär des Europarates zitiert, der gesagt hat: "Die Sozialstaatsklausel, die jetzt über ein Volksbegehren neu eingeführt werden soll, gebe es in Österreich durch den Beitritt zur Europäischen Sozial-Charta am 29. Oktober 1969 schon längst."

Ich möchte Ihnen eines sagen: Diese Sozial-Charta wurde in den Jahren 1952 und 1954 vom Europarat beschlossen und zur Ratifizierung gegeben. In Österreich hat es aber bis zur ÖVP-Alleinregierung gedauert, erst während dieser wurde diese Sozial-Charta – unter der ersten Ministerin in diesem Lande, der Sozialministerin Grete Rehor – ratifiziert. (Beifall bei der ÖVP.)

Das sind Daten, die können Sie nicht wegdiskutieren, und wir lassen uns als Christlichsoziale da nicht irgendetwas unterjubeln, denn ... (Bundesrat Mag. Hoscher: Daran erinnert ihr euch noch? Aber 13 Jahre habt ihr vergessen!) – Herr Kollege Hoscher! Vielleicht haben Sie auch schon einmal gehört oder gelesen, dass die Pensionsdynamik in diesem Land auch unter der ÖVP-Alleinregierung unter Grete Rehor eingeführt wurde?! Das müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen. Wir reden nicht darüber, wir setzen Taten! Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schöls: ... Stimmen der Sozialisten!)

Ich darf Ihnen sagen, dass diese Regierung Schüssel die beste Sozialpolitik in den letzten Jahrzehnten gemacht hat, und dafür gibt es... (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Da haben Sie aber jetzt selbst gelacht!)

Sie können lachen, soviel Sie wollen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )  – Frau Kollegin Trunk! Warum regen Sie sich denn so auf? – Es ist doch kein Grund dazu vorhanden! Schauen Sie, Sie müssen doch andere Argumente auch akzeptieren! (Bundesrätin Mag. Trunk: Bitte dem Herrn Minister nicht den Rücken zuzuwenden, wenn Sie ihn gerade loben! – Bundesrat Mag. Hoscher: Er schaut schon ganz böse!) – Na geh! Nun, ich möchte ja Sie sehen, und deshalb muss ich zu Ihnen schauen!

Herr Bundesminister! Bitte das nicht als Unhöflichkeit aufzufassen, aber ich will mit Frau Trunk sprechen! – Danke vielmals, Herr Bundesminister! (Bundesrat Mag. Hoscher: So ist es besser!)

So, Frau Trunk, jetzt hören Sie mir ein bisschen zu! – Sozialer Schwerpunkt Altersvorsorge: Anhebung Frühpensionsalter, Sicherung der Finanzierbarkeit des bestehenden Systems; Abfertigung neu, zweite Säule der Altersvorsorge; 1 000-€-Modell, dritte Säule der Altersvorsorge.

Schwerpunkt Familienförderung: Einführung des Kinderbetreuungsgeldes, Arbeitslosenversicherungsanspruch nach Karenz, Erhöhung der Familienbeihilfe ab 2003.

Schwerpunkt Gesundheit und Pflege: Einführung der Familienhospizkarenz, Reform des Hauptverbandes – das passt Ihnen zwar nicht, das sehe ich ein; aber bitte, das ist möglich –, Ermöglichung von Gruppenpraxen, verschuldensunabhängige Patientenentschädigungen und so weiter. (Bundesrat Mag. Hoscher: Selbstbehaltserhöhung! Heilbedarf-Selbstbehalts-Erhöhung!)

Schwerpunkt Behindertenunterstützung: Beschäftigungsoffensive für Behinderte, Behindertenmilliarde. – Frau Schicker – sie ist jetzt nicht im Saal –, wenn man mit der Behindertenmilliarde behindertengerecht baut, dann frage ich mich: Für wen baut man denn behindertengerecht? – Ich hoffe, für die Behinderten, denn ich kann Gott sei Dank über eine Stiege gehen, und ich weiß auch, wovon ich spreche, weil ich ein behindertes Kind habe. Ich weiß, wie arm diese Menschen sind, wie schwer es für sie ist, über Stiegen oder Stufen hinaufzukommen. Wenn man das behindertengerecht macht, dann ist das, so glaube ich, gut, und dafür gebührt der Regierung unser Dank und sonst gar nichts! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Sozialer Schwerpunkt Arbeiter und Angestellte: Angleichung von Arbeitern und Angestellten (Bundesrat Freiberger: Das hat man gesehen bei der Urlaubskürzung!), Pakt für ältere Arbeitnehmer, Aufbau einer betrieblichen Mitarbeitervorsorge, gemeinsame Pensionsversicherungsanstalt für Arbeiter und Angestellte, Vollbeschäftigungspolitik der Bundesregierung und so weiter. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was haben wir noch gemacht? – Eine Künstlersozialversicherung wurde von dieser Regierung eingeführt. Ihr redet darüber, und diese Regierung arbeitet! Daher bedanken wir uns bei der Regierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Mag. Trunk: Für die Regierung werden wir nicht auch noch arbeiten als Opposition!)

Frau Kollegin Trunk! Wir bedanken uns bei der Regierung dafür, dass sie gut arbeitet.

Ich darf im Folgenden zwei Zeitungen zitieren. Herr Kollege Aspöck hat heute schon die "Neue Zürcher Zeitung" zitiert. Die "Neue Zürcher Zeitung" schreibt am 25. August 2001, dass die Regierung eine deutliche Verbesserung der im internationalen Vergleich ohnehin schon sehr überdurchschnittlichen Familienförderung durchgesetzt hat. – Das ist, so glaube ich, zu unterstreichen, anerkennenswert und lobenswert. Und jetzt bitte ich Sie, gut aufzupassen:

"Österreich tut Buße und zieht einen finanziellen Schlußstrich unter seine NS-Vergangenheit. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende entschädigt die FPÖ-ÖVP-Regierungskoalition ehemalige Zwangsarbeiter und vergütet von den Nationalsozialisten entzogenes Vermögen. Damit schafft das vielgeschmähte Mitte-Rechts-Bündnis, was Vorgängerregierungen vernachlässigt" und verabsäumt "haben." – Das ist nachzulesen in der "Frankfurter Allgemeine Zeitung", 1. Februar 2001. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen und Bravoruf bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Da Sie uns alle auffordern, dieses Volksbegehren zu unterschreiben, sage ich Ihnen: Ich werde meine Unterschrift unter dieses Volksbegehren setzen (demonstrativer Beifall und Bravoruf bei der SPÖ) – aber Sie müssen schon aufpassen, was ich sage: Ich werde meine Unterschrift als Bürgermeister der Gemeinde Wals-Siezenheim unter den Wahlakt


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dieses Volksbegehrens setzen, den ich an die Bezirkswahlbehörde weiterleite. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Kraml: Eine Riesenleistung! – Ruf bei der SPÖ: Zugabe! – Bundesrat Mag. Hoscher: Das kann es ja nicht gewesen sein! Noch was, bitte!)

18.46

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Anna Schlaffer. – Bitte, Frau Bundesrätin.

18.46

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Allmählich wird es ganz heiter in diesem Saal. Herr Kollege Bieringer! Eines möchte ich aber schon klarstellen: Soviel ich weiß – und der zuständige Minister sitzt hier, er kann es vielleicht bestätigen oder korrigieren –, ist die Behindertenmilliarde nicht dazu gedacht gewesen, Stiegen in einem Wohnhaus behindertengerecht zu adaptieren. Sehr wohl ist es hingegen möglich, Arbeitsplätze dahin gehend auszustatten. (Bundesrat Bieringer: Das müssen Sie Kollegin Schicker sagen!) – Sie haben das vorhin erwähnt.

Bei aller Tragik, die mit Behinderungen verbunden ist, sollte man schon klarstellen, dass Behindertenhilfe nach wie vor Landessache ist und meines Wissens in den meisten Ländern auch hervorragend funktioniert. (Bundesrat Schöls: Wie viele SPÖ-Landeshauptleute gibt es denn?) Im Burgenland funktioniert es hervorragend. (Bundesrat Schöls: In Niederösterreich funktioniert es auch, und da haben wir einen ÖVP-Landeshauptmann!)

Ich habe gesagt: Meines Wissens funktioniert es in den meisten Bundesländern hervorragend. Ich habe keine Wertung vorgenommen, ob es irgendwo besser oder dergleichen ist. Das würde ich mir auch nicht anmaßen, denn so viel Insiderwissen habe ich auch wieder nicht. Ich kann nur die burgenländische Situation beurteilen, und da ich in vielen beruflichen Fällen auch mit Niederösterreich zu tun habe, kann ich vielleicht auch das beurteilen.

Aber weiter zum Thema: Ich habe auch den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers aufmerksam und mit zunehmender Verwunderung zugehört, denn laut dessen Ausführungen haben die Investitionen des Bundes in allen Bereichen zugenommen, und dies ohne Neuverschuldung. Sicher ist jedoch, dass der Herr Bundeskanzler, ob bewusst oder nicht, bei vielen Antworten Schönfärberei betrieben hat. (Ruf bei der SPÖ: So wie immer!)

Eines war bei seinen Ausführungen schon sehr interessant – ein Mediziner würde vielleicht eine ernsthafte Krankheit vermuten, aber da von dieser die Hälfte der Bundesregierung betroffen wäre, kann es sich keinesfalls um eine solche gehandelt haben –: Auch in der Biographie des Herrn Bundeskanzlers werden wohl 13 Jahre fehlen, weil sie seinem Gedächtnis entschwunden sind. Einige Splitter scheinen aber noch vorhanden zu sein, denn immerhin hat er wiederholt versucht, Erfolge sozialdemokratischer MinisterInnen seinen Parteikollegen zuzuschreiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Bevor wir jedoch an das Märchen eines übervollen Füllhorns zu glauben beginnen, sollten wir schon klarstellen, woher die Gelder stammen: von Belastungen und Abgaben, mit denen die österreichische Bevölkerung in den letzten zwei Jahren überreich "beglückt" worden ist und die auch der Auslöser für die Einleitung dieses Sozialstaat-Volksbegehrens und im weiteren Sinne auch Anlass für unsere heutige dringliche Anfrage waren.

Ich selbst gehöre einer Generation an, die bei ihrem eigenen Werdegang nicht nur laufend von den sozialen Errungenschaften profitiert hat, sondern deren Chancen sich dadurch auch deutlich erhöht haben. Mir selbst war eine über die Matura hinaus gehende Studienausbildung nur deshalb möglich, weil zum rechten Zeitpunkt die Änderung der Zugangsbestimmungen zu den Stipendien erfolgt ist. 1972 unter Bundeskanzler Kreisky war es dann immerhin auch möglich, dass die Tochter eines Maurers ein Stipendium erhalten konnte; ein Jahr vorher wurde es noch abgelehnt.


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Der Aufbau des Sozialstaates – das kann man ruhig sagen – ist auch untrennbar mit sozialdemokratischen Regierungen und sozialdemokratischen Bundeskanzlern verbunden. (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Vranitzky! Ein "typischer Sozialpolitiker"!) Ich rufe im Folgenden einiges in Erinnerung – es gibt manches davon nicht mehr, aber aus der Dynamik der Entwicklung heraus sieht man, was in kurzer Zeit alles erfolgt ist –:

1973: Heiratsbeihilfe, 1974: erhöhte Geburtenbeihilfe, Mutter-Kind-Pass; ebenso Verlängerung der Mutterschutzfrist und des Karenzurlaubes. (Ruf bei der ÖVP: Auf wie lang?) Der kostenlose Zugang zu schulischen Ausbildungsstätten, kostenlose Schulbücher, die steigende Qualität ärztlicher Betreuung, Witwen- und Witwerpension, Abfertigung, der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, Pflegegeld und vieles andere mehr trugen dazu bei, dass sich die österreichischen Bürgerinnen und Bürger darauf verlassen konnten, dass sich der Staat seiner sozialen Verantwortung bewusst ist.

Die Österreicherinnen und Österreicher haben eines erfahren, nämlich dass sie sich in Notsituationen auf die Hilfe des gesamten Gemeinwesens verlassen dürfen und können. Das heißt nichts anderes, als dass es auch zwischen dem Staat und seinen Bürgerinnen und Bürgern einen gültigen Vertrauensgrundsatz geben muss.

Beinahe 30 Jahre lang hatte dieser Vertrauensgrundsatz Bestand. Das Vertrauen der Bevölkerung ging auch dann nicht verloren, als es darum ging, soziale Maßnahmen den sich ändernden Bedingungen anzupassen. Denn eines ist sicher: Auch Sozialleistungen sind einer ständigen Evaluation zu unterziehen, um neuen Herausforderungen gerecht werden zu können. Es hatte die Heiratsbeihilfe zu ihrer Zeit die gleiche Berechtigung wie zum Beispiel die erhöhte Geburtenbeihilfe. Es kam aber auch der Zeitpunkt, ab dem sie an Bedeutung verloren hatten und durch die Abdeckung neuer Bedürfnisse ersetzt werden konnten.

Bei allen Reformen wurde aber eines nie außer Acht gelassen, nämlich die soziale Sicherheit und der soziale Friede. Die vormaligen Bundesregierungen unter den SPÖ-Bundeskanzlern waren sich der Tatsache bewusst, dass soziale Sicherheit und sozialer Friede für jeden Menschen Voraussetzung sind (Ruf bei der ÖVP: Was ist jetzt anders?) für eine sorgenfreie und zufrieden stellende Lebensführung. Sie sind aber auch Grundlage für die gesamte wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung unseres Landes.

In nur etwas mehr als zwei Jahren hat es die blau-schwarze Bundesregierung geschafft, das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in den Sozialstaat Österreich schwer zu erschüttern. Ein zur "heiligen Kuh" hochstilisiertes Nulldefizit bietet den äußeren Anlass und den Rahmen dafür, in einem noch nie da gewesenen Ausmaß Belastungsmaßnahmen zu setzen. Eine Bundesregierung, die mit dem Versprechen, ausgabenseitig zu sparen, angetreten ist, hat Österreich zu den höchsten Steuer- und Abgabenquoten seiner Geschichte geführt.

Satte 93 Milliarden € beträgt der Beitrag, den Österreicher an Steuern und Abgaben zu leisten haben. Während die Abgabenquote im EU-Durchschnitt bei 41,7 Prozent liegt, erzielt Österreich eine Quote von 45,5 Prozent.

Diese 45,5 Prozent bedeuten, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis zum 20. Juni jedes Jahres nur für den Staat arbeiten, und das sind um neun Tage mehr als noch zweieinhalb Jahre vorher unter einer SPÖ-Regierung.

Dass die derzeitige Sozialpolitik in eine bedenkliche Schieflage geraten ist, zeigt auch die Tatsache, dass seit dem Mai 2001 die Arbeitslosenzahlen kontinuierlich ansteigen. Im März 2002 waren beim Arbeitsmarktservice um 18 Prozent mehr Jobsuchende gemeldet als noch vor einem Jahr.

Erschreckend an den vorliegenden Zahlen ist die Tatsache, dass gegenüber dem Vorjahr die Zahl jener Arbeitslosen, die mehr als sechs Monate vorgemerkt sind, um 40 Prozent angestiegen ist. (Bundesrat Steinbichler: In Wien!) Familienväter, AlleinerzieherInnen, Personen mit Einschränkungen und so weiter – allesamt Menschen, für deren Probleme diese Bundesregierung die richtigen Rezepte schuldig bleibt.


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Schon an zweiter Stelle im Ranking liegt mit einem Anstieg von 25,1 Prozent die Gruppe der unter 25-Jährigen. Diese Gruppe verzeichnet den relativ stärksten Anstieg.

Der Anteil der jobsuchenden Frauen nahm um 16,6 Prozent zu. Ich weiß schon – ich habe es heute ja wiederholt gehört –, dass Sie gerne ins Treffen führen, dass die Zahl der erwerbstätigen Frauen gestiegen ist. Nur verschweigen Sie dabei sehr gerne immer wieder, dass der Großteil davon in sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen sind, und für viele dieser Frauen liegt das monatliche Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze. Es sind dies Beschäftigungsverhältnisse, die Probleme wie jene der fehlenden sozialen Absicherung schaffen und von dieser Bundesregierung aber nicht als Herausforderung für einen modernen Sozialstaat begriffen werden. Anstatt Überlegungen anzustellen und Konzepte vorzulegen, die zu besseren sozialen Chancen der in Österreich lebenden Menschen beitragen, wird in Österreich die Politik gegen den Sozialstaat verstärkt – eine Politik, die Leistungen kürzt, Institutionen schwächt und den Grundsatz der Solidarität untergräbt. (Bundesrat Steinbichler: Da gibt es nur mehr eines: Auswandern! Sofort auswandern!)

Gespart wird aber vor allem an der Zukunft unserer Jugend. Alle reden davon, wie wichtig Bildung ist, und auch Politiker von ÖVP und FPÖ sagen immer wieder, dass wir eine Bildungsoffensive brauchen. (Bundesrat Steinbichler: Auswandern! Es ist nicht mehr auszuhalten!) Was macht die blau-schwarze Bundesregierung? – Das Gegenteil. Durch die Studiengebühren werden Studierende von Universitäten vertrieben (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist doch nicht wahr!), die finanziellen Leistungen für Universitäten, Forschung und Schulen werden dramatisch gekürzt und Leistungen gestrichen. (Bundesrat Steinbichler: Auswandern! – Bundesrat Thumpser – in Richtung des Bundesrates Steinbichler –: Tschüss!)

Klassenschülerzahlen werden erhöht, und damit werden nicht nur der Schulalltag erschwert und die Bildungschancen für unsere Kinder verschlechtert, sondern diese Bundesregierung nimmt auch bewusst in Kauf, dass viele Junglehrer um die Chance eines Arbeitsplatzes gebracht werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Bundesregierung spart an Investitionen in die Bildung und Qualifizierung (Bundesrat Dr. Böhm: Ganz im Gegenteil!), und sie spart dadurch an Investitionen in die Zukunft der jungen Menschen.

Es wird dieser Bundesregierung eines Tages die Rechnung präsentiert werden, wenn sie nicht rechtzeitig Halt macht und erkennt, dass in unserer Gesellschaft Werte wie Menschlichkeit, Geborgenheit, Solidarität und Offenheit weiterhin Platz haben müssen, wogegen bei einem weiteren Abbau der Sozialstaatlichkeit die Spaltung der Gesellschaft vertieft, Ausgrenzung und Verarmung gefördert werden. (Bundesrat Schöls: Da hätten Sie Recht, wenn es so wäre, aber es ist nicht so! Frau Kollegin, es ist nicht so!)

Im Interesse der österreichischen Bevölkerung, für die der Sozialstaat Österreich Teil ihrer Identität und ihres Lebensgefühles ist und die ein Recht auf ein Leben im Bewusstsein einer bestehenden gesellschaftlichen Solidarität hat, erhebt meine Fraktion die Forderung, dass Österreich ein Sozialstaat bleiben muss (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Die schwarz-blaue Bundesregierung sichert ihn ab! Das ist der Unterschied!) und nicht durch eine Ellbogengesellschaft abgelöst werden darf.

Wir alle brauchen soziale Gerechtigkeit und Solidarität, sie garantieren Wohlstand und sozialen Frieden. Vor allem aber brauchen wir eine Bundesregierung, die sich zu einem Sozialstaat Österreich bekennt (Bundesrat Schöls: Die haben wir! Die haben wir!), und wir brauchen eine Bundesregierung, die den Mut aufbringt, dieses Sozialstaat-Volksbegehren zu unterstützen. (Bundesrat Schöls: Wir haben soziale Sicherheit, Frau Kollegin! Nehmen Sie das zur Kenntnis! – Bundesrat Mag. Hoscher: Wo?) Damit würde sie beweisen, dass ihr die Sorgen und Anliegen der österreichischen Bevölkerung am Herzen liegen.

Wir nehmen sie ernst und werden das Sozialstaat-Volksbegehren unterstützen, und wir sind dabei eines Sinnes mit dem Kärntner stellvertretenden ÖVP-Klubobmann Ferdinand Sablatnig.


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Herr Kollege Gruber ist nicht hier ... (Rufe bei der ÖVP: Da ist er ja! – Ruf bei der SPÖ – in Richtung des Bundesrates Ing. Franz Gruber  –: Geh auf deinen Platz!)  – Entschuldigen Sie! Sie haben den Platz gewechselt, nicht wahr? (Bundesrat Ing.  Grasberger: Das war heute schon Ihre zweite Verwechslung! – Bundesrat Thumpser  – in Richtung des Bundesrates Ing. Grasberger –: Walter, da ist der Ordner schuld, denn die sitzen auf falschen Plätzen!)

Herr Kollege Gruber! Sie waren gestern im Kärntner Landtag persönlich anwesend – ich habe das nur gehört –, als Ihr Parteikollege gesagt hat, dass er dieses Volksbegehren nicht nur unterstützen, sondern auch unterschreiben wird, weil er genauso wie wir der Meinung ist, dass dieses Sozialstaat-Volksbegehren unterstützt werden muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Bemerkung noch zum Schluss: Sie können noch so laute Zwischenrufe machen – ich weiß, Wahrheit tut weh! Und je lauter Sie werden, umso mehr weh tut Ihnen die Wahrheit. (Beifall bei der SPÖ.)

19.00

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Christoph Hagen. – Bitte, Herr Bundesrat.

19.00

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Diese dringliche Anfrage ist, um es mit kurzen Worten zu sagen, zahnlos, sie hat nicht einmal eine Prothese. Das hat auch der liebe Kollege Konecny gemerkt, darum hat er den Saal verlassen, weil es ihm selbst verleidet ist. Ich glaube, diese Anfrage ist ein Eigentor für die SPÖ. Nicht einmal der ORF hat sich dafür interessiert, und das sagt ohnedies schon alles. (Bundesrat Thumpser: Er durfte nicht! – Bundesrätin Mag. Trunk: Die versteckte Kamera ist da!)

In dieser Anfrage werden Behauptungen aufgestellt, die mit einer tatsächlichen Berichtigung durch Herrn Konecny sicher aufgeklärt werden können, denn da stimmt einiges nicht. Ich glaube, er hat da wirklich Erklärungsbedarf, denn er ist selbst nicht darauf eingegangen.

Meine Damen und Herren! Österreich ist ein Sozialstaat, und das ist auch gut so. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Jawohl!-Rufe bei der ÖVP.) Manche Bereiche sind etwas übersozial gewesen, und ich glaube, dass es gut ist, dass man Maßnahmen setzt, um diesen sozialen Missbrauch in den Griff zu bekommen. – Kollege Konecny kommt. Sehr schön!

Ich kann Ihnen ein paar Beispiele aus der Praxis mitteilen.

Ein Postbeamter, ein so genannter Briefträger, hat mir mitgeteilt, dass die Briefträger – vor einigen Jahren ist das neu eingeführt worden, damals noch unter SPÖ-Regierung – die Sozialhilfe bei den Sozialhilfeempfängern persönlich abliefern mussten. Das heißt, der Briefträger hat das Geld zum Sozialhilfeempfänger nach Hause gebracht, damit dieser nicht aufs Amt muss, denn das ist anstrengend. Und da ist ihm Folgendes passiert: Er war mehrmals bei einem so genannten Sozialhilfeempfänger und hat ihm die Sozialhilfe auszahlen wollen. Was ist passiert? – Der Herr war nie zu Hause. Jetzt hat er sich bei den Nachbarn erkundigt, wo er ist, und da hat man ihm gesagt, er sei schon seit zwei Monaten in Spanien, denn dort sei das Leben sehr billig. Er sei mit der Familie dort und fliege nur her, um die Sozialhilfe abzuholen.

Das ist absoluter Sozialmissbrauch gewesen. Solche Dinge gehören ausgeräumt, und das wird jetzt von dieser Bundesregierung gemacht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Winter: Das ist ja lächerlich!)

Ein weiteres Beispiel: Ein ÖBB-Beamter – ich glaube oder ich kann es sogar sicher sagen, der sozialistischen Partei sehr nahe stehend (Bundesrat Mag. Hoscher: Warum wissen Sie das? Haben Sie schon wieder in einen Computer geschaut!)  – hat ausnahmsweise einmal blau gewählt, aber jetzt ist er wieder voll auf SPÖ-Linie – zu Ihrem Glück. Dieser Beamte war nicht einmal 53 Jahre alt, ist bei minus 10 Grad mit dem Unterhemd immer wieder auf dem Balkon gestanden, damit er Rückenbeschwerden bekommt. Dann ist er zum Arzt gegangen, um sich


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untersuchen zu lassen, und hat sich so in die Frühpension geschummelt. Mittlerweile, seit er in Frühpension ist, hat er an das Haus angebaut – natürlich alles in eigener Arbeit –, hat den Vorplatz gepflastert, hat ein Traumauto gekauft, das ich mir als Bundesrat nicht zu leisten vermag. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Nur damit Sie einmal sehen, wie sozial treffsicher diese frühere Regierung war.

Ein weiteres Beispiel: Ein Exekutivbeamter hat den Auftrag, die Daten eines Betrügers aufzunehmen. Er geht (Bundesrat Mag. Hoscher: Welche Fraktion?) – nicht meine Fraktion, das kann ich Ihnen sagen (Bundesrat Mag. Hoscher: Ich wollte es nur wissen! Beim anderen haben Sie es ja auch gewusst!) – zu diesem Haus in Bregenz, in dem der Sozialhilfeempfänger – besser gesagt, die ganze Familie hat nichts gearbeitet – lebt. Diese Wohnung, es ist eine zweistöckige Wohnung, zahlt die Sozialhilfe. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, das ist Tatsache! (Bundesrat Grissemann: Wer zahlt die Wohnung?) – Die Sozialhilfe, die Bezirkshauptmannschaft. Diese Wohnung kostet zirka 1 000 € und wird durch die Sozialhilfe bezahlt. Er bezieht Sozialhilfe. (Bundesrat Konecny: Durch die Sozialhilfe leisten sich alle Leute Penthäuser! Das wissen wir ja!) Ja, das ist ein Faktum. Der Kollege hat sich ausgerechnet, dass er als Exekutivbeamter und Alleinverdiener mit drei Kindern ein geringeres Einkommen hat, als dieser Sozialhilfeempfänger an Geld für sich und seine Familie bekommen hat.

Das sind Fakten, meine Damen und Herren! Das ist Sozialmissbrauch! Diese Regierung sorgt dafür, dass das nicht mehr geschieht. (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Die heutige Jugend, meine Damen und Herren, aber auch meine Generation – ich zähle mich da auch noch dazu, ich bin erst 33 Jahre alt – muss für 30 Jahre SPÖ-Sozialstaat – Sie haben das so genannt, in Wirklichkeit war es ein Selbstbedienungsladen – bezahlen, die Rechnung begleichen. Ist das sozial, Herr Konecny?

Sie haben hier von narzisstischen, selbstverliebten Ministern gesprochen. (Bundesrat Konecny: Gesprochen habe ich nicht davon!) Ja, das steht da drinnen! Da müssen Sie einmal schauen, Sie kennen Ihre eigene Anfrage nicht. (Bundesrat Konecny: Ja, in der Anfrage steht es!) Ja, das steht darin! (Bundesrat Konecny: Aber gesprochen habe ich nicht davon! Ich habe nur den Herrn Minister gebeten, präzise Vokabeln zu verwenden!) Ein selbstverliebter Minister war der liebe Kollege Edlinger, Ihr Finanzminister. Wenn ich nur an seinen Wurst-Sager denke, dass er lieber einen Hund auf seine Wurst aufpassen lässt als die ÖVP auf das Budget der Republik Österreich. Dazu kann ich Ihnen sagen, dass er leicht reden konnte, denn diese Wurst hat es zu diesem Zeitpunkt, als er diesen Sager gemacht hat, gar nicht mehr gegeben. So haben die Finanzen im Staate Österreich ausgeschaut! So ist es! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieser liebe Herr Kollege Edlinger hat gestern in einer Aussendung – ich habe sie aus dem Internet ausgedruckt – gesagt: "Investieren und Kredite aufnehmen, wenn es notwendig ist, um Werte zu schaffen, um den Bestand der Firma zu sichern, aber Gewinne und Überschüsse machen, wenn es gut läuft." – So Edlinger in einer Aussendung.

Was hat er beziehungsweise haben seine Kollegen gemacht? – Sie haben, auch wenn es gut gelaufen ist, das Geld mit vollen Händen hinausgeworfen. Darum haben wir heute diese Misere und müssen ein Sparpaket schnüren (Bundesrätin Mag. Trunk: Schon wieder eines?), was Sie übrigens vor einigen Jahren auch gemacht haben. (Bundesrat Konecny: Ist das eine Drohung mit dem Sparpaket? Kommt wieder eines?) – Nicht wieder eines, sondern dieses! (Bundesrat Konecny: Er weiß etwas, was wir nicht wissen? Es kommt schon wieder eines!)

Dieser SPÖ-Kollege, dieser Finanzminister Edlinger ist ein bemerkenswerter Mann. Zuerst hilft er ordentlich mit, das österreichische Staatsbudget und die Finanzen in den Abgrund zu fahren, und jetzt macht er dasselbe mit dem Fußballklub Rapid, dem er vorsteht. Na, sauber! (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Thumpser: Durch was kannst du deine Aussage über Rapid begründen? Wie begründest du deine Aussage über Rapid?)


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Der liebe Herr Klima, sein Vorgänger, macht in Argentinien VW nieder und setzt VW in den Sand. (Bundesrat Mag. Hoscher: Das hat er sich nicht verdient!) Solche Minister haben Sie gehabt! Das sind Ihre guten Leute, die den Sozialstaat verwaltet haben. Danke, darauf kann ich verzichten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sprechen hier immer vom Sozialstaat-Volksbegehren, aber Sie haben nicht gesagt, wie Sie das finanzieren wollen. – Wollen Sie das durch noch höhere Steuern finanzieren, oder wollen Sie denjenigen, die arbeiten, noch mehr abziehen? Wollen Sie Privatvermögen aufteilen? – Das ist blanker Kommunismus, was Sie hier fordern! (Bundesrat Konecny: Oho!) Das sind Fakten. (Bundesrat Steinbichler: Wenn sie Gusenbauer als Vorsitzenden haben, braucht man sich nicht zu wundern!) – Na eh!

Jetzt komme ich auf den stellvertretenden Vorsitzenden zurück. Ich habe gestern die Ehre gehabt, mit Kollegen Konecny einer parlamentarischen Delegation der Slowakei beizuwohnen. Da hat Kollege Fischer in etwas lustiger Runde von seinen Reisen nach Nordkorea in den siebziger Jahren geschwärmt. (Bundesrat Konecny: Geschwärmt hat er nicht!) Die Kollegen in Nordkorea hätten ihm irrsinnig gefallen. Dann hat er vom Besuch in Kuba, vom Fidel Castro geschwärmt. (Bundesrat Thumpser: Davon hat heute auch der Herr Staatssekretär geschwärmt! Der Herr Staatssekretär war anscheinend ganz begeistert!) Ja, sind das Ihre Vorbilder, liebe Kollegen der SPÖ? Wollen Sie so den Sozialstaat aufbauen wie diese Diktaturen? – Das ist Ihre Art!

Sie kritisieren die Ambulanzgebühren, aber schauen Sie nach Schweden! In Schweden ist es so, dass man bei einem Arztbesuch beziehungsweise einem Krankenhausbesuch – und Schweden ist sozialistisch oder sozialdemokratisch regiert – ein Drittel der Kosten aus dem eigenen Sack zahlt. Dort gibt es keinen Höchstbetrag, also keine Grenze, die bei uns bei 1 000 S liegt. Ist das sozial? Wollen Sie so etwas?

Ich habe da kleine Zettelchen (der Redner hält mehrere Blätter in die Höhe), auf denen sehr viel rot markiert ist. Das sind nämlich die Belastungen, die die SPÖ eingeführt hat. (Bundesrat Konecny: Das habe ich beim Herrn Minister auch schon gesehen! Sind das die Standardunterlagen, die er Ihnen abgetreten hat?) Nein, nein! Wir haben eine Krankenscheingebühr in der Höhe von 50 S, einen Behandlungsbeitrag für ärztliche Hilfe von 20 Prozent für bestimmte durch die Satzung festgesetzte Fälle, Kostenbeteiligung für ärztliche Sachleistungen im GSVG mit 20 Prozent Selbstbehalt – alles unter SPÖ-Regierung! –, Behandlungsbeiträge für ärztliche Sachleistungen im BSVG in der Höhe von 92 S, Wahlarzthilfe, Differenz zwischen Erstattungstarif und vom Wahlarzt verrechnetem Honorar, Anstaltspflege mit Selbstbehalten für Angehörige von 10 Prozent der früheren Pflegegebühren, Kostenbeitrag nach § 27a KAG – bundesländerweise unterschiedlich – zwischen 99 S in Vorarlberg und 105 S in Wien.

Nun kommt die nächste Seite. (Bundesrat Konecny: Wissen Sie überhaupt, was Sie da vorlesen?) Ja, ja, ich weiß das schon. (Bundesrat Konecny: Das glaube ich nicht! – Bundesrat Dr. Böhm: Das ist ein roter Faden!) Das ist ein roter Faden, das ist sogar rot untermauert. (Bundesrat Konecny: Das hat man Ihnen gegeben, aber Sie wissen nicht, was Sie vorlesen!)

Zuzahlungen zu Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit, Kuraufenthalte: zwischen 80 S und 203 S pro Tag, je nach Einkommen; Zuzahlung bei Rehabilitationsaufenthalten: 80 S pro Tag; Rezeptgebühr: 56 S pro Medikament; Heilbehelfe: Selbstbehalt mindestens 294 S; Zuschüsse laut Satzung vom dreifachen Messbetrag – in Schilling, ich habe es nicht anders –: 4 406 S, Wiener Gebietskrankenkasse; bis zum Achtfachen des Messbetrages, 11 750 S, Niederösterreichische Gebietskrankenkasse; Hilfsmittel: Selbstbehalt mindestens 294 S.

Ich könnte jetzt die anderen Teile auch noch aufzählen. Zahnprothesen: Zahlungen zu den vertraglich festgelegten Tarifen in der Höhe von 25 Prozent bis 50 Prozent; Kieferorthopädie: Zahlungen zu den vertraglich festgelegten Tarifen in der Höhe von 40 Prozent bis 50 Prozent; Reise-, Fahrkosten: Spannweite von keiner Leistung, Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, bis zur Erstattung nur außerhalb der Ortsgebiete beziehungsweise erst ab einer be


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stimmten Kilometeranzahl; Transportkosten: teilweise verschiedene Kostenanteile bis zur vollen Kostenübernahme. – All das hat die SPÖ eingeführt.

Das, was Sie da unten in Grau sehen (der Redner hält seine Unterlage neuerdings in die Höhe), ist das einzige, was die jetzige Regierung eingeführt hat: Behandlungsbeitrag Ambulanz 150 S beziehungsweise 250 S, maximal 1 000 S pro Jahr. (Bundesrat Thumpser: Jetzt haben Sie überlegt, ob Sie das vorlesen sollen oder nicht!) Da müssen Sie mir einmal erklären, wer Belastungen eingeführt hat, wer da so unsozial war.

Ich sage Ihnen eines: Sozialstaat ja, aber es gibt Grenzen, nämlich dort, wo es die Allgemeinheit ungebührlich belastet. Und diese Regierung ist der Garant dafür, dass so etwas nicht passiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.13

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Ing. Franz Gruber gemeldet. Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhaltes zu beschränken. – Bitte, Herr Bundesrat.

19.13

Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Liebe Frau Schlaffer! Ich bitte Sie, bei der Wahrheit zu bleiben.

Abgeordneter Ferdinand Sablatnig hat gestern im Kärntner Landtag die Aussage zum Sozialstaat-Volksbegehren nicht getätigt. (Beifall bei der ÖVP.)

19.14

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Albrecht Konecny gemeldet. Ich erinnere an die Sätze, die ich vorher gesagt habe. Es gilt dasselbe. (Bundesrat Konecny: Ich brauche nicht so lange!) – Bitte.

19.14

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Es gehört zu den wirklichen Ungewöhnlichkeiten, um das freundlich zu sagen  – der Kollege hat das Haus verlassen, soll sein (Bundesrat Kraml: Hinter dir!), Entschuldigung, er ist am Dienstplatz –, von einem Heurigenabend mit einem ausländischen Parlamentspräsidenten zu berichten, aber wenn man es schon tut, dann soll man es wahrheitsgetreu machen. Es ist richtig, Präsident Fischer hat von einem dienstlichen Besuch in Nordkorea berichtet. Das, was er berichtet hat, war, dass er sich darüber empört hat, dass man ihm zwar ein Referat zu halten angetragen hat, aber ihm in der von ihm nicht wirklich kontrollierbaren Übersetzung ins Koreanische das von ihm strikt verweigerte Hoch auf den großen und geliebten Führer untergejubelt hat.

Wenn Sie daraus irgendwelche Schlüsse ableiten, dann bitte den einen – das war genau das, was Präsident Fischer damit erzählt hat und uns sagen wollte –: dass es halt mit Diktaturen schwierig ist (Bundesrätin Haunschmid: So wie beim Irak!), wenn man dort in freier Rede auftreten will. Und genau diese Erfahrung hat auch er gemacht.

Was Sie da an Vorbild ableiten wollen, Herr Kollege, ist zumindest nicht einsichtig. Genau das Gegenteil von dem, was Sie gesagt haben, war der Inhalt dieses Berichtes, der gegeben wurde. (Bundesrätin Haunschmid: Das kann jeder sagen!) Missdeutungen sind zulässig, Verfälschungen eigentlich nicht mehr. (Beifall bei der SPÖ.)

19.16

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat

19.16

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär und Bundesratsminister! (Heiter


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keit.) Gratulation zuerst einmal an Kollegen Bieringer. Ich gratuliere wirklich. Sie haben es geschafft: Der Kanzler ist nach einem Jahr Trauerarbeit über die Wiener Wahl hierher gekommen, wenn auch nur kurz. (Bundesrat Bieringer: Kurz?) Ja, kurz, eine Stunde und 40  Minuten. (Ruf: Kurz und prägnant!) Aber es ist klar, Trauerarbeit über verlorene Wahlen und über den Zustand der ÖVP in Wien ist sicher eine harte Sache. Ich hoffe – wir haben gerade Ostern gehabt –, Herr Staatssekretär, Sie lassen den Kelch an sich vorübergehen, für den Sie hier genannt werden. Es ist, so glaube ich, besser so. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Giesinger: Mit welchem Recht erteilen Sie hier gute Ratschläge?) – Mein Gott, mit dem Recht der späten Stunde.

Deshalb werde ich mich auch kurz halten, weil hier ohnedies schon sehr viel gesprochen wurde. (Bundesrätin Giesinger: Das ist eine eigenartige Rechtsauslegung!) Es ist eine eigenartige Rechtsauslegung? – Mein Gott, dann mit dem Recht der Jugend, wenn Sie so wollen, vielleicht ist Ihnen das lieber. (Lebhafte Heiterkeit.) Oje, oje!

In einem treffe ich mich mit dem Herrn Bundeskanzler: Ich bin wie er der Meinung, das Nulldefizit hat in der Bundesverfassung nichts zu suchen. Ich bin aber der Meinung, es ist durchaus legitim, statt dem Nulldefizit die Forderung des Sozialstaat-Volksbegehrens in die Verfassung aufzunehmen.

Der Herr Kanzler hat gemeint, Armutsgefährdung gebe es nicht in diesem Land. Na gut, da kommt es darauf an, welche Zahlen man heranzieht. Ich nehme einmal jene der Armutskonferenz. Das ist ein durchaus von allen geschätztes Gremium, und über ihre fachliche Zusammensetzung gibt es, so glaube ich, keinen Zweifel. Diese Armutskonferenz sagt, 10 Prozent sind armutsgefährdet. Das sind 900 000 Leute, davon 340 000 akut; wobei mir der Herr Staatssekretär wahrscheinlich Recht geben wird, wenn ich sage, dass Armut nicht nur monetär zu bewerten ist, sondern sie umfasst auch die Chancen der Teilnahme am gesellschaftlichen oder auch am kulturellen Leben. Das ist eine andere Ebene, die man hier auch einziehen muss.

Nun – ich will mich kurz fassen – ich denke, der Fehler, der gemacht wird, ist, dass man Staatsschuld und soziale Leistungen ständig unter einem diskutiert. Für die Staatsschulden, die gewachsen sind, ist nicht in erster Linie der Sozialstaat verantwortlich. (Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. ) Nein, es ist auch nicht der Wohlfahrtstaat für die Staatsschulden verantwortlich, es sind nationale und globale wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Das reicht von schwankenden Wechselkursen über Rohstoffpreise, Realzinsen bis hin zu boomenden Aktienmärkten, Spekulationsveranlagungen an den Finanzmärkten und und und. Sie wissen all das.

Europa, aber auch Österreich haben schon in den neunziger Jahren reagiert mit Sparpaketen, mit Abbau und Einschränkungen von Sozialleistungen, Krankenversicherungen, Selbstbehalten, Pensionsversicherungen detto. Anspruchsberechtigung und Leistung bei der Arbeitslosenversicherung wurden eingeschränkt. Es gab Einsparungen bei den Lehrern. Neu dazu kamen jetzt die Studiengebühren. Auch die Leistung für behinderte Menschen wurde eingeschränkt. Weiters wurde – was auch hier den Bundesrat immer wieder befasst hat – der ländliche Raum ausgedörrt und ausgedünnt.

Daher: Den Sozialstaat in der Verfassung zu verankern ist durchaus eine respektable Forderung. Sie entspricht auch europäischen Standards. Herr Minister. Ich verstehe nicht, dass Sie stolz darauf sein können, dass wir da nicht dabei sind, wie Sie das heute am Vormittag schon gesagt haben. – Gut, lassen wir jetzt einmal dieses Thema. Schauen wir weiter!

Geld muss vorhanden sein, denn sonst könnte man sich nicht jetzt den Luxus dieser Abfangjägerdebatte leisten. 1,8 Milliarden € kosten die Abfangjäger. 24 plus 6. Ich will hier nicht ständig Herrn Gudenus zitieren, er ist nicht von der Luftwaffe (Heiterkeit), aber der Chef der österreichischen Luftwaffe – soweit man "Luftwaffe" bei derzeit zwei funktionierenden Flugzeugen überhaupt sagen kann –, Herr Wolf, meint, wenn man überhaupt den Anspruch stellen will, eine Luftraumüberwachung durchzuführen, dann ist 70 die Mindestzahl. Was tun wir mit 24, die uns 1,8 Milliarden kosten – übrigens bei 21,8 bis 22 Millionen jährlich kosten? – Ein Flug, um Herrn


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Minister Scheibners unbekannte Flugobjekte – wie er es ausgedrückt hat, UFOs könnte man auch sagen – zu identifizieren, kostet dann 9,5 Millionen €. Ein Flug!

Vor diesem Hintergrund sei gesagt: a) Diese 24 Maschinen schaffen keine Luftraumüberwachung. b) Ein Teil des Staatsgebietes kann nicht überwacht werden. Es ist nicht möglich, Vorarlberg, Tirol zu überwachen. (Bundesrat Konecny: In der Längsrichtung schon!) Sogar die Linienmaschine, die aus Slowenien eingeflogen ist und die ohnehin mit einer Überschallmaschine verfolgt wurde, wurde erst bei Retz, also auf der breitesten Distanz Österreichs, gerade noch vor dem Eintritt in den tschechischen Flugraum identifiziert.

Ich frage mich, ob es außer diesen Prestigeprojekten nicht wichtigere Dinge gibt. Es geht vor allem um das Pathos, mit dem heute der Herr Bundeskanzler in Richtung SPÖ gesprochen hat! Wo bleibt die staatstragende Verantwortung? Mit demselben Pathos könnte man sagen: Und so entdeckte er plötzlich wieder, nach zehn Jahren, die Neutralität, nur weil es darum geht, nun so viel Geld für eine unsinnige Luftraumüberwachung auszugeben. Inmitten von NATO-Ländern ist das nicht notwendig.

Es gibt genügend Leute, die bereits dagegen aufgestanden sind (Bundesrat Schöls: Sie werden das nie verstehen!), auch in der ÖVP. Nein, nennen wir einen Kronzeugen, Herr Kollege Schöls! Der Kronzeuge ist zum Beispiel die ÖVP Steiermark, und ich bin schon neugierig auf das nächste Anti-Draken-Volksbegehren. Jetzt wird es wahrscheinlich anders heißen müssen. Man muss sich überlegen, was da gewählt werden wird. Die Steirer werden wahrscheinlich ... (Bundesrat Schöls: Auch die Steirer können gescheiter werden!) Herr Kollege Liechtenstein hat schon nein gesagt, Herr Gudenus hat schon nein gesagt (Bundesrat Dr. Böhm: Nein!) – er hat zumindest seine Kritik daran geübt –, ebenso Herr Gorbach und Herr Grasser.

Da draußen werden heute die Kunschak-Preisverleihungen durchgeführt. Ich möchte so quasi – wenn man das darf – hier auch einen Preis verleihen, und zwar an einen Landespolitiker, den Sie bestens kennen, an Herrn Wirtschaftslandesrat Manfred Rein. Er meinte gestern: Frauen oder Abfangjäger? Frauen sind wichtiger als Abfangjäger. Vor allem ist ihm wichtig – wörtlich –: "Investitionen in die Absicherung des Pensionssystems, das sich immer rascher der Unfinanzierbarkeit nähert. Statt neue Abfangjäger zu kaufen", sagte der Vorarlberger Landesrat gestern, "sollten die Österreicher besser zur Eigenvorsorge mit privaten Zusatzpensionen motiviert werden." – So Rein. "Für den inneren Frieden und die soziale Sicherheit lässt sich auch auf diese Weise ganz bestimmt mehr erreichen als durch den Kauf von Abfangjägern."

Ich schlage vor, der Herr Wirtschaftslandesrat sollte auch den Kunschak-Preis für diese offenen und klaren Worte bekommen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schöls: Dafür ist der Kunschak-Preis nicht vorgesehen! – Bundesrat Konecny: Für die Wahrheit ist der Preis nicht vorgesehen!) Dann werde ich mit Kollegen Schöls nach meiner Rede überlegen, was wir hier machen könnten. (Bundesrat Schöls: Für staatspolitische Verantwortung ist er vorgesehen!) – Okay.

Jetzt muss ich noch eines korrigieren. Ich will Ihre Zeit wirklich nicht zu lange strapazieren, aber eines möchte ich schon noch ausführen. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, im Nationalen Sicherheitsrat sollten wir die Abfangjägerfrage diskutieren. Das hat er wörtlich gesagt. (Bundesrat Konecny: Aber er hat nicht gesagt, wie!) Man muss dazu sagen, es gab einen Antrag, das auf die Tagesordnung zu setzen, und er hat es nicht auf die Tagesordnung setzen lassen. Leider kann er jetzt nicht dazu Stellung nehmen, aber das ist auch ein Umgang mit der Wahrheit. (Bundesrat Ledolter: Herr Kollege, er hat das ein bisschen umfassender gesagt!) – Ja, Sie können mich gerne berichtigen. (Bundesrat Konecny: Machen Sie eine tatsächliche Berichtigung!)

Aber wie gesagt: Nulldefizit nicht in die Verfassung, den Sozialstaat in die Verfassung – das wäre der richtige Weg. – Ich danke Ihnen.


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686. Sitzung / Seite 161

19.26

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Margarete Aburumieh. (Bundesrat Ledolter: Tatsächliche Berichtigung, Frau Präsidentin!)  – Bitte. Ich verweise auf die 5 Minuten. (Bundesrat Ledolter: Ich brauche nicht so lange!)

19.26

Bundesrat Johann Ledolter (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Die Ausführungen des Kollegen Schennach waren in der Sache nicht korrekt, weil der Bundeskanzler hier vernehmlich und für alle leicht nachvollziehbar in einer sehr eloquenten, aber doch inhaltsreichen Argumentation dargelegt hat – sogar Kollege Konecny kann dem nur beipflichten, wie ich seinem Lächeln entnehme (Bundesrat Konecny: Ich habe nur gelacht über Ihre Art! Wofür wollen Sie werben?), weil es ein Vergnügen war, zuzuhören, wie der Bundeskanzler mit dieser Suada zum Sozialvolksbegehren umgegangen ist; aber zurück zu Kollegen Schennach –, dass der Konnex des Erwerbs von Abfangjägern in Hinblick auf die Neutralitätsfrage ein Thema wäre, das im entsprechenden Gremium zu diskutieren sei, und hat da vom Nationalen Sicherheitsrat gesprochen. Ich halte das nur der guten Ordnung halber fest und möchte ... (Bundesrat Konecny: Ja, das hat er gesagt! Sie geben ihm Recht! Das hat er gesagt!) – Nein, er hat es nicht gesagt. Er hat gemeint, es wäre eine Frage des Umgangs mit der historischen Wahrheit. Und das weise ich hier in aller Deutlichkeit zurück. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Sie bestätigen ihn vollinhaltlich! – Bundesrat Mag. Hoscher: Das war jetzt eine tatsächliche Bestätigung! – Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Ja, das ist richtig! Die ist zwar nicht in der Geschäftsordnung vorgesehen, aber auch ganz nett!)

19.28

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Frau Bundesrätin Aburumieh, bitte.

19.28

Bundesrätin Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Es freut mich, dass Kollege Schennach bedauert, dass der Herr Bundeskanzler nur so kurz da war. (Bundesrat Konecny: Wir können nicht genug von ihm bekommen!) Bundeskanzler Schüssel hat aber kurz und prägnant, in brillanter Weise alle Ihre Fragen beantwortet, und das haben Sie zur Kenntnis genommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Konecny. )

Ich bin absolut bei Ihnen: Österreich muss ein Sozialstaat bleiben. Aber das, was mir nicht gefällt (Bundesrat Konecny: Was machen Sie dann in der ÖVP? – Heiterkeit bei der SPÖ), Herr Professor, ist: Der Ansatz ist mir zu statisch. Dieser statische Ansatz zeigt die politische Richtung der Initiatoren. (Bundesrat Konecny: Ja, diese linksradikale katholische Arbeiterbewegung!) Es geht für sie darum, das Erreichte zu bewahren, und bei Gott nicht darum, den Sozialstaat an die sich ständig wandelnde Gesellschaft anzupassen, damit soziale Sicherheit auch für die kommenden Generationen tatsächlich möglich ist. Dass diese soziale Sicherheit für die kommenden Generationen möglich ist, ist mir als Frau und Mutter – auch diese Rolle zweifeln Sie ständig an – enorm wichtig.

Geschätzte Damen und Herren! Für soziale Solidarität kann nicht der Staat allein verantwortlich gemacht werden. Das ist eine Frage der Gesellschaft, des gesellschaftlichen Zusammenhalts, eine Frage einer Verantwortungsgesellschaft. Ihr Volksbegehren trägt leider zu dieser Verantwortungsgesellschaft wenig bei. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Die Einfügung des von Ihnen geforderten Absatzes in die Verfassung dient weder der Erneuerung noch der Sicherung des Sozialstaates. Jede sozialstaatliche Maßnahme unterliegt ja heute schon der Prüfung durch die Höchstgerichte, und dazu zähle ich auch den Verfassungsgerichtshof.

Was kann und was soll jetzt eine zusätzliche Verfassungsbestimmung in der Realität bewirken? (Bundesrätin Schicker: Man kann nicht mit einfacher Mehrheit drüberfahren! Das ist es!) Schwierige sozialpolitische Entscheidungen würden von den Verfassungsrichtern und nicht mehr vom Parlament getroffen werden. (Bundesrätin Schicker: Man kann mit einfacher Mehrheit nicht mehr drüberfahren!) Das ist für eine parlamentarische Demokratie absolut nicht wünschenswert, und ich könnte mir vorstellen, dass eine der folgenden Dringlichen von Ihnen eine Aufwertung des Parlaments fordert.


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686. Sitzung / Seite 162

Ich will zu diesem Punkt abschließend nur noch den Verfassungsexperten Raschauer zitieren, der im "Standard" sagt, die vorgeschlagene Formulierung würde keinen Juristen bewegen. Und das ist sehr elegant formuliert.

Nicht eine Unterschrift, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, sondern lediglich eine langfristige, umsichtige Sozialpolitik, die Sozialpolitik der Bundesregierung unter Bundeskanzler Schüssel, erhält den Sozialstaat.

Sie äußern sehr oft den Vorwurf, wir, die ÖVP, seien eiskalte Neoliberale (Bundesrat Schennach: Nein, das sagt niemand!), jene, die über alles Soziale drüberfahren. Das ist lächerlich, und das ist ein unsauberer Trick Ihrerseits. (Bundesrat Schennach: Das sagt auch niemand! So hart ist niemand zu Ihnen!) Sie werfen uns die Untergrabung des Sozialstaates vor. Ich höre ständig von den "kleinen Leuten", ich höre ständig von der "Missachtung der Rechte der Frauen". Das, was Sie betreiben, ist Verunsicherung, Angstmacherei. (Bundesrat Schöls: Und verantwortungslos! – Beifall bei der ÖVP.)

Sie werfen uns, weil wir zur Sicherung des Sozialsystems Reformen durchführen, schlicht und einfach Sozialabbau vor. (Bundes


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rätin Schicker: Nichts anderes ist es!) Damit drücken Sie der guten und richtigen Absicht jeglicher Sozialreform von Anfang an, ohne sachliche Auseinandersetzung, den Stempel der Herzlosigkeit auf (Bundesrätin Schicker: Das ist es!), einfach, weil es für Sie opportun ist. Sie interpretieren Reformmaßnahmen aus reiner Opportunität als Sozialabbau. (Bundesrätin Schicker: Sie müssen christlich-sozial und Ihrem Parteiprogramm entsprechend handeln!)

Frau Kollegin! Sie schütteln eifrig Ihren Kopf. (Bundesrätin Schicker: Ja, das kann ich noch!) Ich darf dazu nur eine Bemerkung machen, weil es ständig von Ihnen zum Problem gemacht wird: Wir alle, die wir da sitzen, wollen, dass die Finanzierung des gesetzlichen Pensionssystems gesichert wird. Das zentrale Problem liegt darin, dass sich zu viele Menschen nicht an die Regeln des Pensionssystems halten und zu früh in Frühpension gehen. Wenn dann von uns Reformmaßnahmen gesetzt werden, die das tatsächliche Pensionsalter schrittweise an das eigentliche Pensionsalter annähern (Bundesrätin Schicker: Fragen Sie die Frauen, die mit 40 Jahren nicht mehr genommen werden! Sie leben in einer anderen Welt, Frau Kollegin!) – jetzt würde ich Sie bitten, zuzuhören –, das eine sozialdemokratische Regierung unter einem sozialdemokratischen Sozialminister geschaffen hat, dann ist das in Ihren Augen unsozial, dann stimmt die soziale Welt auf einmal nicht mehr. Nicht derjenige ist unsozial, der das Pensionssystem nachhaltig sichert, sondern derjenige, der sich auf Kosten anderer Beitragszahler und der kommenden Generation frühzeitig aus dem Erwerbsleben abmeldet.

Interpretieren Sie das bitte nicht wieder auf Ihre Gangart! Wir halten am Pensionsalter fest. (Bundesrat Todt: Ich hoffe, auch bei den Beamten, die Sie jetzt in Frühpension schicken!) Alles andere ist Angstmacherei. Wir erneuern, um zu bewahren. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aufgabe unserer Politik ist es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass möglichst viele Menschen möglichst gute Chancen haben, ihre Freiheiten, ihre Fähigkeiten und ihre Wünsche zu verwirklichen. Unsere politische Aufgabe ist es, offensiv Orientierung zu geben und die Funktionen und Aufgaben des Sozialstaates innerhalb unseres Modells der ökosozialen Marktwirtschaft klar zum Ausdruck zu bringen.

Wir orientieren uns an drei Grundsätzen:

Die Versorgung im Fall von Krankheit, Unfall und Alter muss durch das Prinzip der Versicherung gegeben sein. – Das finden Sie auch in unseren Gesetzen.

Armutsvermeidung durch aktive Existenzsicherung – auch das können Sie nicht wegreden –;

Lastenausgleich für Leistungen einzelner Gruppen, wie zum Beispiel der Familien, zum Gemeinwohl.

Es stört Sie offensichtlich, dass der Mensch Mittelpunkt unserer Politik ist. (Bundesrat Freiberger: Das ist aber neu!) Dieser Grundsatz ist in der ÖVP-Sozialcharta festgeschrieben. (Bundesrätin Schicker: Da merkt man aber nicht viel davon!) Unsere Sozialcharta – ich kann sie Ihnen gerne in einem Privatissimum zur Kenntnis bringen – enthält sozialpolitische Forderungen und Festlegungen, die in Ausmaß und Qualität die Initiative "Sozialstaat Österreich" übertreffen. Ich freue mich aber, dass Sie die Gleichstellung von Mann und Frau in der Verfassung verlangen. Nur: Dies steht bereits in der Verfassung! Ich freue mich auch, dass im Sozialstaat-Volksbegehren die Familie nicht erwähnenswert ist. Ich sehe das als Zustimmung zu unserer Familienpolitik.

Nach der brillanten Ausführung und Anfragenbeantwortung des Bundeskanzlers will ich nur mehr erwähnen, welche Maßstäbe diese Bundesregierung gesetzt hat: Wir haben das Kindergeld beschlossen. Wir haben die Abfertigung neu beschlossen, und gerade bei der Abfertigung neu sind es die Frauen, die Vorteile haben, weil es gerade die Frauen sind, die bisher sehr oft als Saisonniers oder eine kürzere Zeit als drei Jahre gearbeitet haben. Auch für diese Frauen gibt es nun die Abfertigung. Wir haben die Pensionsreform durchgeführt. Wir haben die Arbeiter und Angestellten im Krankheitsfall angepasst. Wir haben das Pflegegeld ab der Geburt, hiezu hat der Herr Minister Stellung genommen. Wir fördern Menschen mit Behinderungen. Wir haben die Familienhospizkarenz im Entwurf. Wir gehen neue Wege der Armutsbekämpfung.

Letztlich ist die Voraussetzung für soziale Sicherheit und Stabilität das Leistungsvermögen der Volkswirtschaft und umgekehrt. Wir machen eine gute Wirtschaftspolitik, und daher können wir uns diese ausgezeichnete Sozialpolitik leisten. (Beifall bei der ÖVP.)

19.37

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wert gemeldet ist Herr Bundesrat Thumpser. – Bitte. (Bundesrat Schöls: Du weißt ja, welches Sprücherl du am Schluss sagen musst! – Bundesrat Thumpser: Du wirst mir dann helfen, denn mittlerweile musst du es ja auch schon können, Fredi! – Bundesrat Rosenmaier: Schreib es ihm auf!)

19.37

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Kollege Konecny hat am Beginn seiner Erläuterungen den Herrn Staatssekretär aus dem heutigen “Format” zitiert, in dem der Herr Staatssekretär Herrn Fidel Castro handwerklich-schauspielerisches Geschick attestiert hat. Ich muss sagen, ich möchte das Gleiche dem Herrn Bundeskanzler attestieren. Man könnte meinen, der Herr Bundeskanzler hätte sich von Ihnen coachen lassen, weil er eine einmalige schauspielerische Leistung vollbracht hat, nicht nur wegen der zeitweiligen Redegeschwindigkeit, die zum Teil fast schon Morak’sche Dimensionen angenommen hat, sondern auch wegen des dramaturgischen Aufbaus, der dann in stehenden Ovationen geendet hat. Coachen ist ja innerhalb dieser Regierung anscheinend ziemlich modern.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Bundeskanzler hat in seinen Ausführungen – ob sie kurz waren, ist relativ – von Disziplin, die erforderlich ist, gesprochen. Ich frage mich gleich zu Beginn: Wo ist diese Disziplin im Bereich dieser Bundesregierung? Wo ist diese Disziplin, um dem Spargedanken auch im Bereich des Außenministeriums Rechnung zu tragen, wenn man weiß, dass im Jahr 2000 dem Außenministerium, das einen sehr hohen Budgetüberzug getätigt hat, 21,3 Millionen € nachgeschossen werden mussten? Wo ist da die Disziplin?

Jetzt kann man sagen: Ja, im Jahr 2000 war die Frau Außenministerin viel unterwegs, denn da gab es die Sanktionen et cetera et cetera. Aber siehe da: Im Jahr 2001 mussten dem Außenministerium 25,3 Millionen € nachgeschossen werden. Und da frage ich mich: Wo ist die Disziplin in diesem Bereich?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Bundeskanzler hat es sich sehr einfach gemacht. Er hat gesagt, ich bin nur für mein Ressort zuständig und für alles andere nicht. Der Herr Bundeskanzler hat die Gesamtverantwortung zu tragen, für sein Ressort genauso wie für jeden einzelnen Minister und jede einzelne Ministerin in seiner Regierung. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schöls: Wie heißt das Sprücherl für den Schluss? Wie heißt das Sprücherl? Du kannst es jetzt schon sagen!)


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Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach der ersten Euphorie nach der Regierungsumbildung kommt jetzt bei so manchen Mitgliedern innerhalb der Regierungsfraktionen das böse Erwachen, und im Bereich des Sozialen wird es am augenscheinlichsten. Wenn hier der Herr Bundeskanzler und auch Sie, Herr Bundesminister, versucht haben, die Sozialpolitik dieser Regierung zu glorifizieren, so muss man sagen, sehen das andere ein bisschen anders.

Jemand sagt zum Beispiel: Es braucht geistige und soziale Aufbruchsstimmung und Widerstandsgesinnung in diesem Land, mehr Wärme und Herz, soziale Sicherheit und politische Verlässlichkeit für den Mitmenschen. Die über Jahrzehnte schwer erkämpften Grundpfeiler der Gesellschaft in der Lebenssicherung, der Pension, der Gesundheit und der Arbeit müssen für alle politischen Parteien unantastbar auch in der Verfassung verankert sein. Jede Initiative, die dieses Ziel verfolgt, findet meine volle Unterstützung. – In Richtung ÖVP sagt dieser Herr: Manche bräuchten halt wieder eine Einschulung in christlich-sozialer Politik.

Das ist kein Ausspruch eines Proponenten vielleicht der Sozialdemokraten, kein Ausspruch eines Proponenten vielleicht der Grünen, kein linksradikaler Juso, nein, der Präsident der Tiroler Arbeiterkammer, Herr Fritz Dinkhauser, hat dieses gesagt. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Schicker: Da wird sich Kollege Schöls wahrscheinlich auch anschließen! – Bundesrat Schöls: Wann kommt dein Sprücherl?) – Ich komme schon dazu. Am Ende des Tages weißt du es vielleicht auch, dann kannst du es aufsagen. (Bundesrat Schöls: Hoffentlich vergisst du es nicht!)

Es gibt auch innerhalb der Reihen der FPÖ Vertreter, die das durchaus ein bisschen anders sehen als die Vertreter hier auf der Regierungsbank. Ein Kollege aus Niederösterreich, der Vorsitzende der Amstettner FPÖ, sagt – nachzulesen in den "NÖN" diese Woche –: Mit der Sache selbst, nämlich mit dem Sozialstaat-Volksbegehren, kann ich mich ganz eindeutig identifizieren. – Und er wird es auch dementsprechend unterschreiben. (Bundesrat Dr. Lindinger macht eine abwehrende Handbewegung.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Aussagen, diese Meinungen auch aus den Reihen der Regierungsfraktionen werden immer mehr, sie werden deshalb mehr, weil viele einem zusätzlichen und immer wiederkehrenden Raubbau am Sozialstaat nicht mehr zusehen wollen. Diesen Raubbau bezeichnet der Schriftsteller Michael Köhlmeier als barbarisch. – Herr Kollege Bieringer! Ich gebe es Ihnen dann, dann können Sie das lesen. (Bundesrat Bieringer: Ist das so bedeutend, was du sagen willst?)

Michael Köhlmeier schreibt: Barbarisch allerdings nenne ich es, eine Politik zu riskieren, die für ein Goldenes Kalb mit Namen Nulldefizit viele Menschen über jene Klippe drängt, die in einer zivilisierten Gesellschaft nicht überschritten werden darf. Wenn einem Arztbesuch die Überlegung, ob ich ihn mir leisten kann, vorangeht, so ist das unwürdig, wenn ich weiß, dass anderen in dieser Gesellschaft diese Demütigung erspart bleibt.

Daher, werte Kolleginnen und Kollegen, muss uns ein Punkt im Sozialbereich zu denken geben, nämlich die Ambulanzgebühren, die heute des Öfteren auch vom Herrn Minister angesprochen wurden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbst in den eigenen Reihen der FPÖ ist diese Ambulanzgebühr längst nicht mehr unbestritten. Schon im März des Vorjahres hat Kollege Gaugg – ich glaube, er ist Sozialsprecher der FPÖ – zu dieser Ambulanzgebühr gemeint: Ja, ich bin dagegen, dass alles in dieser Eile und in dieser überhasteten Form passiert, weil in der Eile und Hast sind schon Fehler passiert, und ich befürchte dass es unter Umständen wieder zu Pannen kommen wird. – Ich muss sagen, Herr Gaugg hat Recht gehabt. Es sind Pannen passiert, es passieren Pannen, und es ist die Ambulanzgebühr in Summe in Frage zu stellen.

Auch die Gesundheitsexpertin der FPÖ, Beate Hartinger, fordert die Abschaffung der Ambulanzgebühren. (Bundesrat Freiberger: Auf die hören sie auch nicht!): Es sei an der Zeit, die Gebühr abzuschaffen. Reaktion des Herrn Gesundheitsstaatssekretärs: Dieser Vorstoß sorgt für Ärger.


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Werte Kolleginnen und Kollegen! Nicht nur im Bereich der Ambulanzgebühren spielen sich seltsame Dinge ab, wenn zum Beispiel der Vater eines dreijährigen Kindes die Ambulanzgebühr vorgeschrieben bekommt, wenn zum Beispiel ein Patient, der dreimal hintereinander die Ambulanz besuchen musste, ebenfalls für diese und andere Ambulanzbesuche die Rechnung bekommt. Es geht in diesem Bereich drunter und drüber!

Mich wundert es auch nicht, dass es in diesem Bereich drunter und drüber geht. Was soll man denn von einem Hauptverband der Sozialversicherungsträger halten, wenn man dort bis jetzt noch nicht weiß, was der Herr Gesundheitsminister vorhat? Wie sonst, Herr Minister, wäre die Abendausgabe des "Kurier" zu verstehen: Hauptverband lädt Haupt zu Infobesuch ein. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger weiß offenbar noch immer nicht, was Sozialminister Haupt sich unter der von ihm angestrebten Reform der Sozialversicherung vorstellt. (Bundesrätin Schicker: Hört! Hört!) Ein halbes Jahr nach der Konstituierung des Verwaltungsrates lädt das oberste Hauptverbandsgremium den Ressortchef zu einem Informationsbesuch ein. Die Mitglieder des Verwaltungsrates hätten gerne Ihre Vorstellungen hinsichtlich der Entwicklung der österreichischen Sozialversicherungen kennen gelernt, heißt es in dem Schreiben vom Hauptverbandspräsidenten Herwig Frad an den Herrn Bundesminister.

Da haben wir eine Ambulanzgebühr, die zu Schwierigkeiten führt, die zum Teil uneinbringlich ist, die einen Verwaltungsaufwand verursacht, der gigantisch ist, von der wir bis heute noch nicht wissen, was dabei wirklich hereinkommt, und dann wird von dieser Stelle aus behauptet, dass alles in Ordnung sei, dass kein Sozialraub betrieben werde. Herr Minister! Das, was im Bereich der Ambulanzgebühr geschieht, ist Sozialabbau per excellence! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schöls: Dein Sprücherl!!) – Ich vergesse das Sprücherl nicht, aber ein bisschen muss ich noch reden. (Bundesrat Schöls: Nicht vergiss drauf! Das wäre schade! Du wärst der Erste, der vom Rednerpult aus darauf vergessen würde!) Darum haben wir es ja studiert.

Eines noch zum Thema Sozialabbau: Studiengebühr. Werte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt mittlerweile Familien von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die sich überlegen müssen, ob ihre Kinder studieren können oder nicht. Es gibt Familien, die zwei Kinder haben. Deren Budget würde mit zusätzlichen Kosten in der Höhe von 20 000 S im Jahr belastet werden. Das ist bei einem durchschnittlichen Verdiener mindestens ein Monatsgehalt an Belastung, das durch die Studiengebühr aufgebürdet wurde. Das, sehr geehrter Herr Minister, Herr Staatssekretär, ist Sozialabbau pur! (Bundesrat Mag. Himmer: Zwei Drittel der Österreicher sehen das anders!) Die Wiener Wahlen haben es auch schon gezeigt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung spart, sie spart allerdings auf der falschen Seite, nicht bei sich selbst, sondern bei den Klein- und Mittelverdienern. Dass sich dieser Spargedanke schon seit Beginn dieser Regierung durchgesetzt hat, hat schon unser damaliger Kurzzeitjustizminister, Herr Krüger, gezeigt, der den Spargedanken gleich verwirklichen und sich ein entsprechendes Dienstauto in Form eines Jaguars zulegen wollte. Dieser Spargedanke hat sich mittlerweile auch in andere Ministerien übertragen, indem entsprechende Fahrzeuge – zwar keine Jaguar, aber Autos mit vier Ringen – um Millionenbeträge angeschafft und gefahren werden.

Wenn man schon über das Sparen und über die Disziplin beim Sparen redet, dann wäre es doch auch interessant, sich in diesem Zusammenhang einmal kurz anzuschauen, was sich in den letzten zwei Jahren zum Beispiel in den Ministerbüros abgespielt hat. Ich muss sagen, eine Inflation war da los, eine Inflation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in den Ministerbüros beschäftigt wurden. Nicht nur, dass es wesentlich mehr als früher waren, sind diese auch noch wesentlich teurer gekommen, weil die andere Verträge haben und fabelhaft bezahlt wurden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will jetzt gar nicht mehr auf all die anderen Dinge eingehen, bei denen Sie seitens der Bundesregierung den Ausspruch des Herrn Bundeskanzlers, nämlich die Budgetdisziplin zu üben, nicht sehr wörtlich nehmen. Nur eines sei gesagt – ich habe damit begonnen und zum Abschluss möchte ich es euch noch einmal sagen –: Coachen ist modern. Ich habe die Vermutung angestellt, dass Sie, Herr Staatssekretär, den Herrn Bundeskanzler ge


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coacht haben, und ich lasse es mir noch einreden, wenn sich eine Ministerin als Vorbereitung für einen Gipfel, als Vorbereitung für eine wichtige Rede coachen lässt. Das lasse ich mir durchaus einreden, das ist im heutigen Wirtschaftsleben gang und gäbe. (Bundesrat Mag. Himmer: Ihr seid ja auch gecoacht worden!) Dass aber eine Pressesprecherin das Dreifache an Mitteln verbraucht wie die Ministerin, das ist Wahnsinn! Das ist Wahnsinn! Eine Pressesprecherin, die an und für sich dazu da sein sollte, die Ministerin zu briefen, auf diese Auftritte vorzubereiten, braucht selbst ein Coaching im Ausmaß von über 85 000 € (Bundesrätin Schicker: Dann ist sie unfähig, eine Pressesprecherin zu sein!), wobei man heute noch nicht weiß, wer das bezahlen muss.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich komme schon zum Abschluss. (Bundesrat Schöls: Jetzt kommt das Sprücherl!) Jetzt kommt gleich das Sprücherl. (Bundesrat Schöls: Drei, zwei, eins!) Nur eines noch: Wenn man über Sozialpolitik spricht, dann teile ich nicht die Ansicht des Herrn Schweitzer (Bundesrat Mag. Himmer: Albert Schweizer!), der zum Volksbegehren sagt: Das Volksbegehren hilft nichts, der Rechenstift bestimmt, was herauskommt.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Genau das, genau dieser Ausspruch ist der Grund, warum es notwendig und gut ist, dieses Sozialstaat-Volksbegehren nicht nur zu initiieren, sondern auch zu unterstützen. Denn unsere Politik ist jene der Solidarität in unserer Gesellschaft, und diese Solidarität ist die Grundlage des Zusammenlebens und nicht der Ausspruch des Kollegen Schweitzer, seines Zeichens – was ist er jetzt? – Generalsekretär der FPÖ.

Im Übrigen und zum Schluss kommend (demonstrativer Beifall bei der ÖVP) bin ich der Meinung, dass das Sozialstaat-Volksbegehren unterstützt werden muss. Wenn du, lieber Fredi, deinen Kolleginnen und Kollegen der FCG folgst, dann gehst du auch hin und unterschreibst es. – Danke. (Bravorufe und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schöls: Das ist ein Trugschluss!)

19.52

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Dr. Lindinger zu Wort gemeldet. Ich darf ich Sie darauf hinweisen: 5 Minuten Redezeit und Bezug nehmen auf die Stelle, die zu berichtigen ist.

19.52

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Mein Vorredner, Herr Bundesrat Thumpser, hat mich apostrophiert und mir mit dem deutlichen Hinweis "der Abgeordnete der FPÖ aus Niederösterreich" eine positive Wertung Ihres (Bundesrat Thumpser: Nein, überhaupt nicht!)  – oja, ich habe es so verstanden – Volksbegehrens unterstellt. Ich muss dazu schon sagen: Ich habe diese Äußerung weder irgendwann getan noch bin ich aus Amstetten, wie Sie auch gemeint haben.

Anschließend an Ihre Worte kann ich nur sagen: Vielleicht lassen Sie sich auch coachen in Bezug auf bessere Recherchen für Ihre Reden, Herr Thumpser! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

19.53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Klamt. – Bitte.

19.53

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Konstruktive Oppositionspolitik und das Aufzeigen von Alternativen sind für die Demokratie wichtig. Die gegenständliche dringliche Anfrage stellt sich für mich als blanker Aktionismus dar und erschöpft sich bereits im Vorfeld der Anfrage in einer Aneinanderreihung von nicht beweisbaren Unterstellungen und Vorwürfen. Die Sozialdemokratie, die über Jahrzehnte in dieser Republik an den Schalthebeln der Macht saß und Verschwendungspolitik quasi zum Prinzip erhoben hatte, wirft der Bundesregierung der ÖVP und FPÖ, die ehrlich bemüht ist, die hinterlassenen Schuldenberge im Sinne der nachfolgenden Generationen abzubauen, Verschwendungspolitik vor.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist eine Vorgehensweise, die sich selbst entlarvt und von den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes aus meiner Sicht auch entsprechend verstanden werden wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Mag. Trunk: Selbst Ihr Landeshauptmann verlangt mehr soziale Wärme!)

Der Ankauf von Abfangjägern, der von der SPÖ mit eingeleitet wurde, ist nach dieser dringlichen Anfrage Verschwendungspolitik. Die Neutralität und die damit verbundene Sicherung des Luftraumes hat bei der SPÖ auf einmal keine Wertigkeit mehr. Bei diesen Kehrtwendungen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, bei der hohen Drehzahl dieses Gesinnungskarussells kann man anscheinend keine klaren Gedanken mehr fassen. Diese Tatsache schlägt sich in dieser dringlichen Anfrage mehr als nieder.

Jene, die über Jahrzehnte in der Lage gewesen wären, soziale Grundrechte in die Verfassung zu schreiben, verlangen dies zu einer Zeit, in der die Regierung die Weichenstellung zur finanziellen Absicherung der sozialen Standards vornimmt. Der Vergleich zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union macht mich sicher: Spanien und Portugal, Länder, die sehr viele Sozialstandards in der Verfassung verankert haben, liegen mit ihren Sozialausgaben in Prozenten vom Inlandsprodukt sehr deutlich hinter Österreich.

Stellen wir uns die Frage, warum die Regierung Eingriffe in das Pensionsrecht vornehmen musste! Sie musste Eingriffe auch im Sinne des Generationenvertrages vornehmen, weil rechtzeitige, sozial verträgliche, vertretbare Reparaturen in der Vergangenheit ganz einfach nicht durchgeführt worden waren.

Für die Beantwortung der 50 beziehungsweise 20 Fragen muss man schon ein hohes Maß an Professionalität haben, um immer am Pfad der Sachlichkeit zu bleiben. Einige Fragepunkte sind, gelinde gesagt, sehr provokant formuliert. In diesem Sinne muss sowohl dem Bundeskanzler als auch dem Herrn Bundesminister für die sehr sachbezogene Beantwortung in unserem Bundesrat sehr herzlich gratuliert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Anfrage und die vielen Wortmeldungen machen für mich Folgendes klar: Die Regierung lebt Sozialpolitik und bemüht sich um die Absicherung der hohen österreichischen Standards. Die Opposition reduziert sich auf Aktionismus und versucht vergeblich, im Windschatten dieser erfolgreichen Regierung Punkte zu sammeln. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

19.59

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Rosenmaier. – Bitte.

20.00

Bundesrat Alfredo Rosenmaier (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Er ist jetzt wieder hier, ich habe schon geglaubt, er ist abhanden gekommen! (Bundesrat Konecny: Einer bleibt schon da!)

Zur Frau Kollegin Aburumieh – ich entschuldige mich, wenn ich den Namen nicht richtig ausspreche –: Man dichtet uns immer wieder an, dass wir eine Verlängerung der Arbeitszeit vehement ablehnen. Ich glaube, dass man das nicht so einfach sagen und auch nicht so einfach sehen kann.

Ich werde mich ganz kurz fassen. – Wirklich ausschlaggebend ist, dass man, wenn man wie zum Beispiel ich 36 Jahre in der Privatwirtschaft tätig war, sehr wohl einige Dinge über die Situation eines Arbeitnehmers sagen kann, und es verhält sich so, dass man in der Privatwirtschaft in der Regel einem Menschen, wenn er 50 Jahre ist, nahe zu legen beginnt, dass er alt ist, und dass man versucht, wenn er 55 Jahre ist, ihn in der Regel so weit zu haben, dass er auf einvernehmlicher Basis das Unternehmen verlässt. (Ruf bei der ÖVP: Das ist Blödsinn! – Bundesrat Freiberger: Das ist Tatsache! – Bundesrätin Giesinger: Das sind Verallgemeinerungen!)


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Geschätzte Damen und Herren! Ich komme aus einem Privatunternehmen. Sie können mir nichts erzählen! Ich habe nicht in einer geschützten Arbeitsstätte gearbeitet, sondern in einem Privatunternehmen, nämlich in der Firma Semperit in Traiskirchen, in der momentan zusätzlich noch 1 300 Menschen arbeitslos gemacht werden. Ich bin selbst einer Abteilung mit 130 Personen vorgestanden und weiß, wovon ich spreche: Ich hatte des Öfteren vom Topmanagement den strikten Auftrag, so vorzugehen! – Somit weiß ich, wovon ich spreche. (Zwischenruf der Bundesrätin Giesinger. )

Unterstellen Sie niemandem, dass er nicht länger arbeiten möchte! Niemand möchte arbeitslos sein, das möchte ich noch dazu sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Kneifel. )

Ich habe heute zwei Themen zu behandeln, die zwar in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen, aber eine sehr hohe Wichtigkeit haben, nämlich einerseits die Senioren und andererseits die Abfangjäger.

Dass die Senioren verdiente Menschen sind, darüber sind wir uns, wie ich glaube, einig. Gerade die Senioren, die in unserem Land leben, also Menschen – und Gott sei Dank gibt es eine Vielzahl in dieser Altersstufe! – von 75 Jahren aufwärts, gehören der Generation an, welche den Zweiten Weltkrieg erleben musste, und diese Menschen haben sich, wenn sie den Krieg überlebt haben, die Hände blutig gearbeitet, um aus dem Nichts beziehungsweise aus den Trümmern die Zweite Republik wieder aufzubauen. – Ich glaube, auch darüber sind wir uns einig! (Bundesrätin Haunschmid: Das sind die Menschen, die ihr verachtet!) Ich glaube, mit Sicherheit sagen zu können, dass wir gerade dieser und nur dieser Generation unseren heutigen Wohlstand verdanken. Auch darüber sind wir uns einig. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt scheiden sich aber die Geister; Für mich ist es beschämend, dass gerade diese Generation, welche die Zweite Republik aufgebaut und unseren heutigen Wohlstand ermöglicht hat, mit 1,1 Prozent Pensionserhöhung, einem Einmalzuschlag abgefertigt wird. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Sie nehmen Fakten nicht zur Kenntnis!) Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das ist für mich eine moralische Angelegenheit! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Das ist eine Verdrehung der Tatsachen!) Selbstverständlich geht es um das Geld! Aber das ist für mich eine moralische Angelegenheit, und ich möchte betonen: Das unterscheidet die Menschen, die jetzt Verantwortung tragen und diese Entscheidung treffen, ganz einfach von Sozialdemokraten. (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. )

Zum zweiten Thema: Abfangjäger. Dieses Thema beschäftigt jetzt die Geister und ganz besonders jene der blauen Regierungseinheit. Die Einhelligkeit über den Ankauf von Abfangjägern scheint beachtlich zu sein, liebe Freunde! Eine Streifzug durch die Medienlandschaft mit Kurzkommentaren der Betroffenen soll Ihnen das belegen. – Gestatten Sie mir einige Zitate.

Herr Grasser meint am 19. 6. 2001 in der "ZiB 1": "Wir haben kein Geld für Abfangjäger im Budget."

Schweitzer sagt am 25. 3. 2002: "Steuerreform steht in keinem Bezug zu Abfangjägern"

Finanzminister Grasser betont im "NEWS" vom 7. 2. 2002: "Abfangjäger aus finanzieller Sicht nicht leistbar"

Jetzt kommt der Verteidigungsminister, also schon der Dritte, der da mitspielt. – Im "Format" vom 11. 3. 2002 ist zu lesen. "Scheibner erwartet von Grasser Aufstockung des Heeresbudgets."

Grasser sagt im "NEWS" vom 7. 2. 2002: "Steuerreform hat oberste Priorität."

Scheibner in der "Presse" vom 18. 6. 2001: "Abfangjäger haben mit der Steuerreform nichts zu tun." (Zwischenruf des Bundesrates Wolfinger. )


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Grasser in der "ZiB 1" vom 19. 6. 2001: "Mit der Entscheidung warten, bis sicherheitspolitische Rolle Österreichs geklärt ist."

Haider, einfaches Parteimitglied, als Nummer vier, die ins Rennen kommt, sagt im "Mittagsjournal" vom 22. 6. 2001: "Bekenntnis zu Abfangjägern als militärische Notwendigkeit."

Grasser laut APA vom 20. 6. 2001: "Kein grundsätzliches Nein zu Flugzeugen, aber GASP erspart Abfangjäger."

Haider laut APA vom 20. 3. 2002: "Volksabstimmung kann nicht über Abfangjäger abgehalten werden."

Grasser laut "Standard" vom 20. 3. 2002: "In den Grundsätzen skeptisch."

Jetzt zitiere ich Riess-Passer aus der "Presse" vom 2. 3. 2002 und möchte hinzufügen: Die Frauen sind wirklich das einzig konsequente Geschlecht!: "Die Sache ist entschieden."

Schweitzer laut "Standard" am 20. 6. 2001: "Zweifel, ob Abfangjäger notwendig und finanzierbar sind."

Riess-Passer laut "Kurier" vom 20. 3. 2002: "Aufgabe der Luftraumüberwachung nur bei NATO-Beitritt möglich."

Jetzt kommt ein ganz Mutiger, und er ist bereits der Sechste, der sich in dieses Geschehen einmengt, nämlich unser Kollege Gudenus laut APA vom 16. 3. 2002: "Kauf von Abfangjägern nicht vertretbar." (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Kurz darauf erscheint Nummer sieben, der große Klubobmann Westenthaler laut APA vom 19. 3. 2002: "Wenn Österreich neutral bleibt, sind Abfangjäger notwendig." (Zwischenruf des Bundesrates Schöls. )

Aber unser Kollege Gudenus lässt sich nicht leicht unterkriegen. Er spricht von "Skepsis in weiten Teilen des Militärs". – In diesem Punkt kann ich ihn bestätigen. Ich habe in hohen Kreisen gute Freunde, und es herrscht tatsächlich große Skepsis!

Westenthaler laut APA vom 20. 3. 2002: "Mehrheit der Österreicher würde Kauf neuer Abfangjäger unterstützen."

Und wieder Gudenus laut APA vom 16. 3. 2002: "FPÖ darf die Stimmung im Volk gegen Abfangjäger nicht übergehen."

Westenthaler ist laut OTS vom 20. 3. 2002 "gegen tschechische Zeman-Jets über Österreich". (Bundesrätin Haunschmid: Das kennen wir alles!)

Gudenus im "Standard" vom selben Tag: "Es gibt Leute in der FPÖ, die ähnlich denken."

Nochmals Gudenus laut "NEWS" vom 21. 3. 2002: "24 geplante Kampfflieger sind in Friedenszeiten zu viel."

Herr Minister Scheibner im "Kurier" vom 11. 3. 2002: "Kauf von Abfangjägern gesichert."

Jetzt kommt Nummer acht ins Spiel, nämlich die gesamte Kärntner FP laut "Standard" vom 20. 3. 2002: "Abfangjäger nicht um jeden Preis."

Scheibner in der "Pressestunde" vom 17. 2. 2002: "Wenn die Beschlüsse gefasst sind, muss auch das Geld da sein."

Mitwirkende im Zeitraum von 19. 6. 2001 bis dato sind Bundesminister Grasser, Generalsekretär Schweitzer, Bundesminister Scheibner, das einfache Parteimitglied Dr. Haider, Vizekanzlerin


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Riess-Passer, Bundesrat John Gudenus, Klubobmann Westenthaler und die gesamte Kärntner F.

Ich muss sagen: Ganz besonders auffällig ist, dass wir von unserem Schweigekanzler dazu gar nichts gehört haben! Ich habe mich gefreut, dass ich ihn heute gesehen habe, denn ein paar Mal hat er sich ja vertreten lassen. Heute ist er mir aber gar nicht so schweigsam vorgekommen. (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Herr Gudenus hat meine persönliche Hochachtung! Es ist wirklich Mut pur, dass Sie sich in dieser Sache sehr ehrlich und wertfrei aussprechen, und ich kann Ihnen bestätigen, dass hohe Militärs Ihre und damit auch meine und unsere Ansicht teilen. Hohe Militärs sagen auch aus, dass es gescheiter wäre, die grundtechnische Ausrüstung unseres Bundesheeres auf einen ordentlichen Stand zu bringen, und zwar mit der ganz einfachen Begründung, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, damit im Einsatzfall das Leben unserer österreichischen Soldaten geschützt wird. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Reisenberger: So ist es!)

Es ist eine ganz klare Sache, dass der Ankauf der Abfangjäger zum jetzigen Zeitpunkt problematisch ist, weil kein grundlegender Finanzierungsplan vorliegt und die Kosten nicht bekannt sind. Es wird nur vermutet und geschätzt. Der Wirtschaftsforscher Universitätsprofessor Dr. Erich Streissler hat gesagt: "Die Behauptung, dass Kompensationsgeschäfte für die Wirtschaft günstig sind, ist bestenfalls ein Irrglaube, schlechtestenfalls eine glatte Lüge". – Genau diesen Ausspruch hat der Herr Kanzler heute gemieden, diese Aussage löst aber sicherlich etwas Stress in den Regierungsparteien aus. (Zwischenruf des Bundesrates Schöls. ) Das ist mir auch verständlich, noch dazu, da die Thomson-Affäre für unseren Bundeskanzler noch lange nicht ausgestanden ist.

Wir sagen zu den Abfangjägern grundsätzlich zum jetzigen Zeitpunkt nein. (Zwischenruf des Bundesrates Schöls. ) Zu der Frage, die Sie richtigerweise gestellt haben: Warum haben Sie in der Vorgängerregierung einen Grundsatzbeschluss mitgetragen?, möchte ich sagen: Damals war die wirtschaftliche Situation anders, man hat nicht ein Nulldefizit um jeden Preis zu Stande bringen müssen, wobei sogar darauf vergessen wird, dass die Wirtschaft darunter leidet. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch ganz klar und deutlich zum Ausdruck bringen: Niemand von uns – wirklich niemand von uns! – ist gegen das Nulldefizit. Das Nulldefizit ist etwas ganz Wichtiges – einverstanden! Wir sind diesbezüglich à jour beziehungsweise einer Meinung! (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Seit wann?) Ich möchte hier aber auch erwähnen: Das muss zum richtigen Zeitpunkt geschehen, und nicht in Zeiten, in denen es der Wirtschaft schlecht geht und die Leute um ihren Job kämpfen. (Bundesrat Schöls: Jetzt kommt dein Sprücherl!)

Jetzt kommt mein Sprücherl, aber ich möchte vorher noch etwas sagen: Ich und meine Kollegen hatten eigentlich die Hoffnung – das war unser stilles Kommittment –, dass wir es, wenn wir es lange genug sagen, vielleicht im Chor zusammen bringen könnten, aber ich glaube, dass wir es nicht schaffen werden!

Im Übrigen bin ich der Meinung: Tun Sie etwas Gutes, liebe Freunde! Gehen Sie hin und unterstützen Sie mit Ihrer Unterschrift das Volksbegehren! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Haunschmid. – Bitte.

20.12

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, die Behandlung dieser dringliche Anfrage artet jetzt schön langsam zu einem Unfug aus, dass es höher nicht mehr geht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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686. Sitzung / Seite 171

Zur Erhaltung des Sozialstaates Österreich: Wenn Sie von der Erhaltung des Sozialstaates Österreich sprechen, so meinen Sie, dass der Sozialstaat voll und ganz für die Menschen da zu sein hat. – Im Hinblick darauf hätten Sie im Grunde genommen beim Eintritt des Herrn Ministers Haupt eigentlich dafür stehend Applaus spenden müssen, dass er diesen Sozialstaat so vortrefflich verteidigt. Das wäre richtig gewesen. (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Zweitens: Wenn ich Ihre Plakate sehe, dann meine ich, dass man diese Plakate gegen Spiegel austauschen sollte. (Bundesrat Freiberger: Haupt ist fesch darauf!) Dann könnten Sie nämlich hineinschauen und würden darin niemanden anderen als diejenigen sehen, die diesen Sozialabbau unter sozialistischer Regierung verursacht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dass man dauernd von Steuererhöhungen wie etwa Erhöhungen der Lohnsteuer, der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer, der Kapitalertragssteuer, der Umsatzsteuer, der Energieabgabesteuer, der Versicherungssteuer, der Tabaksteuer und der Normalverbrauchsabgabe in der Höhe von 6,8 Milliarden Euro oder rund 94 Milliarden Schilling betroffen war und es Kürzungen in der Höhe von 15 Milliarden Schilling bei der Kinderbeihilfe, beim Karenzgeld, beim Pflegegeld, bei der Arbeitslosenversicherung, beim Bausparen, bei der Steuerfreiheit von Überstunden, bei der Absetzbarkeit von Sonderausgaben sowie beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld gegeben hat und die Geburtenbeihilfe gänzlich gestrichen wurde, das ist der sozialistischen Sozialpolitik allein zwischen 1996 und 1999 zu verdanken, meine Damen und Herren! Erhöht wurden gleichzeitig auch noch viele Gebühren und Abgaben wie etwa die Rezeptgebühr und so weiter. (Bundesrat Freiberger: Die Abgabenquote betrug aber nicht 47 Prozent!)

Meine Damen und Herren der Sozialdemokratie! Sie waren am Hebel! Warum sind Sie entweder im Leerlauf stehen geblieben oder überhaupt im Rückwärtsgang gefahren? Wer hat den Crash vermieden? (Bundesrat Kraml: Sie nicht!) – Wenn man nämlich immer rückwärts fährt und nicht zurück blickt oder ohne zu denken zurückfährt, dann passiert der größte Crash! Wer hat diesen vermieden? (Bundesrat Freiberger: Sie nicht!) – Diese Regierung und niemand anderer, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Regierung redet nicht, sondern sie handelt. Es nützt nichts, wenn der Sozialstaat in der Verfassung verankert ist, vielmehr muss man tatsächlich sozial handeln. Ein Vergleich der sozialen Leistungen und Errungenschaften in jenen europäischen Ländern, welche den Sozialstaat in der Verfassung verankert haben, mit den sozialen Leistungen in Österreich ist wichtig und gerechtfertigt. Österreich braucht sich mit seinen Sozialleistungen nicht zu verstecken. (Bundesrat Dr. Böhm: So ist es!)  – In Deutschland ist der Sozialstaat in der Verfassung verankert, aber Herr Schröder sagt: Es gibt kein Recht auf Arbeitslosenhilfe. Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft. Wer länger ohne Job ist, der bekommt bei uns nur noch eine Stütze nach den Prinzipien der Sozialhilfe. In Portugal ist der Sozialstaat ebenfalls in der Verfassung verankert, gleichzeitig ist Portugal aber der EU-Staat mit der größten Armut. Gleiches gilt für Griechenland. (Bundesrat Mag. Gudenus: Richtig!) Bei der Arbeitslosigkeit führen jene Länder, die den Sozialstaat in der Verfassung verankert haben, wie etwa Deutschland und Frankreich, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie!

Gerade jene Länder, die den Sozialstaat in der Verfassung verankert haben, sind im Hinterfeld sowohl betreffend das Kindergeld als auch das Gesundheitssystem. In den meisten Staaten ist das Pensionsantrittsalter für Männer und Frauen weit höher, es ist nämlich das vollendete 65. Lebensjahr.

Die SPÖ hatte 30 Jahre lang Zeit, um all das zu verwirklichen, was sie jetzt will. Die derzeitige Bundesregierung hat jedoch mehr für den Sozialstaat getan, als sich die SPÖ zu tun getraute. Ich nenne nur die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes und so weiter. All das haben wir heute in vielfältiger Ausgabe gehört.

Die Behindertenmilliarde wurde bereits zur Verfügung gestellt. Das will niemand von Ihnen hören! Es gibt, wenn man den Sozialstaat sichern will – und das wollen die Freiheitlichen auch –, nur eine Konsequenz: gute Finanzpolitik, gerechte Sozialpolitik, sozialer Friede und keine neuen Schulden. Die Schuldenpolitik aus 30 Jahren Kanzlerschaft der SPÖ ist endgültig vorbei!


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Vergessen Sie nicht: Sie sind in das Loch gefallen, das Sie sich selbst gegraben haben! Jetzt gilt es, so zu handeln, dass die sozialen Errungenschaften auch tatsächlich gesichert bleiben.

"Soziale Rechte statt Almosen" heißt es auf einem Plakat der SPÖ in Oberösterreich. –Da hat sie Recht, denn das ist genau das Programm der derzeitigen Bundesregierung. Die SPÖ hat, wie ich zuerst schon gesagt habe, immer nur Steuern, Gebühren und Abgaben abverlangt, um sie dann als Almosen weiter zu verteilen, wobei allerdings leider immer ein großer Teil in der Almosenverwaltung hängen geblieben ist, und trotzdem haben Sie noch eine Menge Schulden gemacht.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Man kann diesen Spruch natürlich auch rein vom parteipolitischen Farbenspektrum sehen: besser eine sozial eingestellte rechte Bundesregierung als eine Almosen verteilende linke Bundesregierung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

20.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Giesinger. – Bitte.

20.18

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Herr Bundesrat Rosenmaier! Wenn Sie hier behaupten, dass es in der Privatwirtschaft üblich sei, Arbeitnehmern im Alter von 50 oder 55 nahe zu legen, dass sie in Pension gehen sollen, dann weise ich das auf das Schärfste zurück! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Würschl. )

Wenn Sie sagen, dass Sie diese Erfahrung gemacht haben und dass das bei Semperit so gehandhabt wird, dann ist das okay, dass Sie aber gleichzeitig sagen, dass das in der Privatwirtschaft so üblich sei, das weise ich zurück! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich möchte Ihnen zu bedenken geben, dass in Österreich zirka 95 Prozent der Betriebe Klein- und Mittelbetriebe mit 15 Beschäftigten sind. Es ist möglich, dass es in dem einen oder anderen Betrieb so gehandhabt wird, wie Sie gesagt haben, sicherlich aber nicht in der Mehrheit dieser Betriebe. Gerade in Klein- und Mittelbetrieben besteht oft ein familiäres Verhältnis. Dort werden Dienstnehmer nicht sofort gekündigt, wenn es wenig Arbeit gibt, sondern da versucht man, miteinander einen Weg und eine Lösung zu finden. Bitte sehen Sie auch das, und machen Sie nicht immer solche unterschwelligen Bemerkungen gegen die Unternehmen! Ich möchte das noch einmal auf das Schärfste zurückweisen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Wenn Frau Bundesrätin Schicker gesagt hat, dass Bundeskanzler Schüssel gemeint habe, dass das Recht der Frauen auf Teilzeitarbeit gesichert sei, dass das jedoch nicht wahr sei, dann möchte ich ihr empfehlen, genau hinzuhören, wenn der Bundeskanzler, ein Minister oder überhaupt jemand spricht. Es ist schade, dass sie jetzt nicht anwesend ist. Der Bundeskanzler hat nämlich gesagt, dass, wenn eine Frau arbeitslos ist und eine Teilzeitbeschäftigung oder Halbtagsarbeit und keine Ganztagsarbeit möchte, trotzdem die Arbeitslose bekommt und ihr diese nicht gestrichen wird. – Das hat er gesagt. Hätten Sie genau zugehört, dann hätten Sie das auch mitbekommen!

Frau Bundesrätin Schlaffer! Ich bin enttäuscht von Ihnen! Sie reden immer wieder von Studiengebühren. Ich möchte hier noch einmal eines erwähnen: Wir waren voriges Jahr in Japan, und auch Ihr Kollege Johann Payer war mit dabei. Wir waren dort beim Bildungsminister. Damals war die Debatte um die Studiengebühr bei uns gerade aktuell, und der japanische Bildungsminister war total entsetzt, dass wir bis dahin keine Studiengebühren hatten. In Japan sind die Studiengebühren relativ hoch, und er hat gesagt, dass es in Japan das Sprichwort gebe, dass das, was nicht kostet, nichts wert ist. – Außerdem möchte ich erwähnen, dass jemand, der die Studiengebühren wirklich nicht bezahlen kann, trotzdem studieren kann. (Beifall bei der ÖVP.)


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Sie argumentieren laufend so, das ist aber dann trotzdem nicht wahr! – Ich habe dann Ihre Rede weiter verfolgt: Sie haben gesagt, dass sich der Sozialstaat weiterentwickeln und den Gegebenheiten angepasst werden muss. Da sind wir einer Meinung! Sie haben zum Beispiel das Heiratsgeld angeführt. Später in Ihrer Rede haben Sie sich jedoch darüber beklagt, dass sich der Sozialstaat weiterentwickelt hat und dass das Soziale den Erfordernissen und Gegebenheiten angepasst wurde.

Ich möchte zur jetzigen Dringlichen noch folgende persönliche Bemerkung machen: Auch wenn Sie von der SPÖ immer wieder wiederholen, dass diese Regierung Ihrer Meinung nach Verschwendungspolitik und Sozialabbau betreibt oder menschenverachtend handelt, dann stimmt das trotzdem nicht! Wenn Sie gut zugehört haben, dann konnten Sie heute von Bundeskanzler Schüssel und von Bundesminister Haupt ausführlich hören, dass der Sozialstaat von dieser Regierung nicht reduziert, sondern weiterentwickelt wurde. (Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. )

Frau Bundesrätin Schlaffer! Wenn Sie sich beim Vereinsgesetz am Schluss nochmals zu Wort gemeldet und sich über die Wortwahl von ÖVP-Rednern beschwert haben, so empfehle ich Ihnen und Ihrer SPÖ-Fraktion: Gehen Sie einmal in sich und überprüfen Sie, welche Worte Sie zum Beispiel auch bei dringlichen Anfragen wählen! (Bundesrat Dr. Böhm: So ist es!) Wenn Sie heute Plakate mit den Worten "Lieber Sozialstaat als SCHMÄHSTAAT aufstellen, dann möchte ich sagen: Ich halte diese Wortwahl und das, was damit gemeint ist, auch nicht gerade für fein! Ich hoffe für Sie, dass die SPÖ-Fraktion das Wort "SchmähSTAAT" nicht auf diese Bundesregierung bezogen hat. Meiner Meinung nach ist es hoch an der Zeit, dass die SPÖ-Fraktion vor der eigenen Tür kehrt! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie andere immer kritisieren, dann wäre es meiner Meinung nach an der Zeit, selbst einmal vorzuleben, was Sie für richtig halten, und nicht selbst anders zu handeln. (Bundesrätin Schlaffer: Amen!) Wenn Sie behaupten, dieses Sozialstaat-Volksbegehren sei unparteiisch, so frage ich mich, warum heute bis jetzt Ihre Redner bei Reden, in welchen es gar nicht um das Sozialstaat-Volksbegehren gegangen ist, am Schluss immer gesagt haben ... (Bundesrat Konecny: Weil wir dafür sind! Ganz einfach! Aus tiefster Überzeugung!) – Lassen Sie mich bitte ausreden! Ich habe Ihnen auch zugehört! (Bundesrat Konecny: Ich habe mich heute gegen 100 Zwischenrufe mühsam durchgekämpft! Einen werden Sie mir jetzt auch erlauben!)

Wenn Ihre Rednerinnen und Redner am Schluss immer gesagt haben: Ich unterschreibe das Sozialstaats-Volksbegehren!, wenn Sie diesbezüglich heute auch zwei dringliche Anfragen gemacht haben und die SPÖ dieses Volksbegehren mit zehn Millionen unterstützt, dann frage ich mich, ob das wirklich noch unparteiisch ist! (Bundesrat Konecny: Zehn Millionen Unterschriften werden wir nicht zusammenbringen, das gebe ich zu!) Ich meinte: Sie unterstützen es mit 10 Millionen Schilling! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) In Anbetracht dessen kann ich Ihre Aussagen dazu leider nicht mehr ernst nehmen!

Außerdem müssen wir bedenken, dass all das, was wir ausgeben, zuerst erarbeitet werden muss. Gerade auf Grund der Schuldenpolitik der letzten Jahren waren strukturelle Änderungen notwendig, und dazu hatte und hat diese Regierung den Mut! Diese strukturellen Änderungen sind notwendig, um unser Sozialsystem zu erhalten beziehungsweise weiterzuentwickeln. – Ich möchte abschließend erwähnen, dass wir uns auch dessen bewusst sein sollten! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

20.26

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rosenmaier. Ich darf darauf hinweisen: Sie haben noch 9 Minuten Restredezeit. – Bitte.

20.26

Bundesrat Alfredo Rosenmaier (SPÖ, Niederösterreich): Liebe Freunde! (Zwischenruf des Bundesrates Schöls. ) Ich sage nicht: Liebe GenossInnen! (Bundesrat Ing. Grasberger: Das wäre eine Freud'sche Fehlleistung! Wir sind keine Genossen! Gott bewahre uns davor! – Bundesrat Dr. Böhm: So ist es!)


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Ich muss jetzt gerade über etwas Lustiges lachen. – Ich nehme an, dass Sie es nicht so gemeint haben, wie ich es aufgefasst habe, als Sie im zweiten Ansatz dann gesagt haben, dass es bei Semperit okay sei, wenn 1 300 Menschen gekündigt werden und nun arbeitslos sind! Ich nehme an, dass das nicht so gemeint war. (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. ) Ich nehme an, dass Sie gemeint haben, dass diese Behauptung okay ist, weil ich selbst 36 Jahre lang in diesem Betrieb tätig war und das daher beurteilen kann. Frau Kollegin! Ich glaube, darauf können wir uns einigen! Einverstanden? (Zwischenruf der Bundesrätin Giesinger. ) – Danke.

Sie haben weiters gesagt, dass das bei dem einen oder anderen Betrieb schon vorkommen könne. Sie sind also dann von der vehementen Behauptung, dass es das überhaupt nicht gibt, wieder sehr weit abgerückt.

Außerdem mache ich nicht immer unterschwellige Bemerkungen. Ich habe hier heute das erste Mal gesprochen. Daher möchte ich Sie bitten, das Wort "immer" in diesem Zusammenhang zu streichen. (Zwischenruf der Bundesrätin Giesinger. )

Ich sage Ihnen noch etwas: In meiner Heimatgemeinde gibt es Gott sei Dank einige Kleinbetriebe, und ich weiß, dass gerade Klein- und Mittelbetriebe für unser Land eine der wichtigsten Säulen sind, daher unterstützte ich sie auch von Seiten der Gemeinden. Sie können mir aber glauben, dass auch diese Klein- und Mittelbetriebe grundsätzlich so handeln, dass Arbeitskräfte, wenn sie zu teuer werden, ausgetauscht werden. Es ist traurig, dass ich das sagen muss, aber es ist so.

Ich gehe davon aus, dass Sie auch etwas von Lohnkürzungen in Betrieben und von Änderungskündigungen gehört haben. (Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. ) In unserem Konzern – ich sage "unserem", weil ich so lange Mitglied dieses Unternehmens war – hat man zum Beispiel in Portugal im Werk in Lusardo – und im Währungsvergleich mit Portugal liegen wir etwa 1: 5 – 2 000 Mitarbeiter mit einer Form der Änderungskündigung gekündigt, weil sie offenbar noch immer zu viel verdient haben. Verschließen wir bitte nicht die Augen vor der Realität! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster ist Herr Bundesrat Mag. Hoscher zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.29

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte einer Aufforderung des Herrn Bundeskanzlers nachkommen, der hier gemeint hat, wir sollten die Argumente etwas versachlichen. – In diesem Zusammenhang liegt es mir nahe, seine Argumente, die er hier zur Bundeshauptstadt angebracht hat, etwas zu versachlichen.

Er hat sozusagen mit dem Finger zeigend gemeint, dass die Arbeitslosenzahlen besonders in Wien steigen. – Das ist keine Überraschung, wenn man sich das ein bisschen ökonomisch ansieht und die Maßnahmen der Bundesregierung wie zum Beispiel den Aufnahmestopp im öffentlichen Dienst analysiert. Da frage ich: Wo soll sich denn ein solcher Aufnahmestopp auswirken, wenn nicht dort, wo die Stellen des öffentlichen Dienstes sind, nämlich zum Beispiel in Wien? (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. )

Wie verhält es sich beispielsweise mit der Frühpensionierungswelle der Beamten ab 55 Jahren? Wo soll sich diese Maßnahme denn auswirken, wenn nicht in Wien? Wenn die Masseneinkommen gesenkt werden – und das haben alle Wirtschaftsforscher bestätigt –, wo soll sich das denn auswirken, wenn nicht im Zentrum des Handelns, nämlich in Wien? (Zwischenruf des Bundesrates  Steinbichler. )

Ich nenne dazu ein paar Zahlen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Der Herr Bundeskanzler hat gemeint, er braucht nur ein bisschen näher zum Mikrofon gehen, wenn es laut wird. Das funktioniert offensichtlich auch hier und jetzt! Wien hat die Landes- und Gemeindeabgaben im Zeit


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raum von 2000 bis 2002 um etwa 1,8 Milliarden Schilling oder rund 130 Millionen j gesenkt. Im selben Zeitraum hat die Bundesregierung die Steuern und Abgaben um 111 Milliarden Schilling oder etwa 8 Milliarden j erhöht. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Die Tarife der Wiener Linien – das wurde mehrfach von Ihrer Fraktion angesprochen –waren seit mehr als drei Jahren, die Kanal- und Wassergebühren seit mehr als sieben Jahren, die Müllgebühren seit neun Jahren und die Kurzparkgebühren seit 16 Jahren unverändert. Das sind Zahlen, und das ist eine Gebarung der Gebührenpolitik, von der diese Bundesregierung nur träumen kann! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Die Kosten medizinischer Behandlung wurden angesprochen: Diese lagen in Wien um 6 Prozent unter dem österreichischen Durchschnitt. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) Diesbezüglich schlagen sich die Maßnahmen der Bundesregierung wie die Einführung der Ambulanzgebühr oder die dreimalige Erhöhung der Rezeptgebühr ebenso zu Buche wie die Erhöhung des Spitalselbstbehaltes und des Selbstbehaltes bei Heilbehelfen. (Zwischenruf des Bundesrates Ledolter. )

In Wien gibt es 48 Arbeitsplätze je 100 Einwohner, in Österreich sind es 39, in Kärnten sind es 34. Mehr als die Hälfte aller ausländischen Betriebe – und auch das sollte Ihnen zu denken geben –, die sich in Österreich ansiedeln, wählen seit dem Jahr 2000 Wien als Standort. Wien wird 2002 laut Budget rund 1,5 Milliarden j investieren, der Bund lediglich 1,2 Milliarden für Gesamtösterreich. (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. )

Gemessen an der Bevölkerung gab es in Wien im Februar 2002 die geringste Zahl an Lehrstellensuchenden von allen Bundesländern. Die höchste Jugendarbeitslosenrate hatte im Februar 2002 Kärnten aufzuweisen. Da verstehe ich wiederum Landeshauptmann Haider, wenn er in Richtung Bundesregierung meint: mehr Herz und mehr soziale Wärme! (Beifall bei der SPÖ.)

20.32


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Giesinger mit einer Restredezeit von 13 Minuten. – Bitte.

20.33

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Herr Bundesrat Rosenmaier! (Bundesrat Rosenmaier: Bei der Arbeit!) Ich wehre mich gegen Verallgemeinerungen, und ich wehre mich dagegen, dass alle Privaten in einen Topf geworfen werden. Ich habe das auch nicht abgeschwächt, weil es sehr viele gute Betriebe gibt. Selbstverständlich gibt es aber auch schwarze Schafe, sowohl bei den Arbeitnehmern als auch bei den Arbeitgebern. (Bundesrat Rosenmaier: Da sind wir uns einig!) Das habe ich zum Ausdruck gebracht. – Wenn Sie mir gut zugehört hätten, dann wüssten Sie, dass ich niemals gesagt habe, dass es richtig sei, dass bei Semperit Leute gekündigt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich bin selbst Unternehmerin. Ich habe 26 Jahre lang einen Betrieb auf privater Basis geführt. Ich musste darauf achten, dass es genügend Arbeit gab und dass die Mitarbeiter ihren Lohn auch in schwierigen Zeiten bekamen. Ich habe den Betrieb jetzt meinem Neffen übergeben, damit es weiterhin Kontinuität gibt.

Mir kann man solche Vorwürfe nicht machen, und ich bitte Sie, mir in Zukunft zuzuhören und von Verallgemeinerungen abzusehen. Ich meinte: Wenn Sie sagen, dass es sich bei Semperit so verhält, dann ist das okay. Ich bin aber nicht glücklich darüber, wenn 1 000 Leute gekündigt werden! Man muss aber natürlich die Situation und die Begleitumstände kennen.

Man sieht, wie schwierig im Moment die wirtschaftliche Lage ist, selbstverständlich auch von der Arbeitgeberseite her, das möchte ich jetzt auch betonen. Ich möchte noch einmal erwähnen, dass ich mich dagegen wehre, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer dauernd unterschwellig angegriffen werden. Das geschieht leider oft von Seiten Ihrer Fraktion! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

20.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nun gelangt Herr Bundesrat Konecny zu Wort. – Bitte.

20.35

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Ich habe jetzt keine Restredezeit, sondern die volle Länge. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Herr Minister! Meine Herren Staatssekretäre! Es sitzen schon wieder zwei Kandidaten für den Wiener ÖVP-Vorsitz auf der Bank, das ist irgendwie merkwürdig bei den Bundesratssitzungen. Aber ich habe nichts dagegen, wenn Sie es sich ausmachen wollen! Ich mache nur darauf aufmerksam, dass Kollege Maier nicht hier ist. Vielleicht schaut der sich ganz woanders um.

Meine Damen und Herren! Ich darf Herrn Staatssekretär Morak als Zeugen anrufen: Ich möchte zunächst auf das wirklich Skurrile in jeder dieser Debatten aufmerksam machen. – Ich nehme es Kollegen Bieringer nicht übel, dass er nicht da ist. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Er sitzt dort in der letzten Bank!) Entschuldigung! Jetzt hätte ich fast etwas gesagt: Üblicherweise sitzen bestimmte Schüler in der letzten Bank! Aber das wäre ordnungsruffähig gewesen! – Ich gebe jedoch freimütig zu: Nach zu aufmerksamem Zuhören bei den beiden Antworten habe ich auch den Saal verlassen und deine Äußerungen verabsäumt. Dennoch möchte ich vorschlagen: Lass dir irgendwann einmal eine andere Rede für die dringlichen Anfragen schreiben!

Ich gebe zu, dass ich für jede Kritik offen bin und mir viel sagen lasse. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Es gab viele Zwischenrufe während meiner ersten Wortmeldung, und das gehört zur demokratischen Auseinandersetzung. Die Argumentation war jedoch wirklich relativ schwach. Oder ich sage es anders: Es gibt das berühmte Wort, dass man mit Ratten nicht über die Vivisektion diskutieren sollte.

Jedes Mal wird von den Vertretern der Regierungsfraktionen festgestellt, dass die dringliche Anfrage schlecht sei, dass mit ihr das Thema verfehlt und sie außerdem noch unzureichend dargeboten wurde. (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. ) Der Kritisierte ist nicht wirklich der Juror bei dieser Schönheitskonkurrenz, aber ehrlich gesagt: Uns fiele zu den Darbietungen des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Sozialministers auch einiges ein! Ich schlage jedoch vor, das jetzt inhaltlich und nicht nach Schönheit der Pirouetten auszutragen, denn sonst fällt mir auch noch einiges ein! (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) – Lieber Herr Kollege! Sie gehören auch zu jenen! Ich zitiere mich ungern selbst, sage aber dennoch: Würden Sie die Qualität Ihrer Zwischenrufe deren Zahl anpassen, wäre das wesentlich besser für die Verhandlungen dieses Hauses! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Ledolter. )

Je später der Abend, umso mehr Recht bekommt Jirí Grusa. – Als geborener Pessimist habe ich etwa in der Mitte dieses Abends gedacht: Ich fürchte, es geht noch tiefer. Und das ist eindeutig bestätigt worden! (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Ing. Grasberger. )

Ich habe mich aber nicht wegen dieser formalen Auseinandersetzung noch einmal zu Wort gemeldet. Vielmehr haben wir hier zwei ausführliche Antworten gehört – eine vom Herrn Bundeskanzler persönlich, was auch bemerkenswert ist –, durch welche in Wirklichkeit zwei Dinge bestätigt wurden: Es wurde bestätigt, dass diese Regierung nichts mehr fürchtet als eine überprüfbare verfassungsrechtliche Sicherstellung jener Grundsätze, zu denen Sie sich hier verbal bekannt haben. (Bundesrätin Haunschmid: So ein Blödsinn!) Das hat die Opposition tatsächlich herausgehört! (Bundesrat Ledolter: Das haben nur Sie herausgehört!) Es ist bemerkenswert, dass hier wiederholt an das Vertrauen für diese Regierung appelliert wurde, dass sie schon nichts Unsoziales machen werde.

Wenn ich es mir aussuchen kann, dann vertraue ich dem Verfassungsgerichtshof, zu dem ich einleitend einiges gesagt habe und der nicht in irgendeiner Form auf SPÖ-freundliche Entscheidungen abonniert ist, wesentlich mehr als dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Sozialminister! – Das wollte ich ganz klar zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Zweitens ist es bemerkenswert, wie politische Werte plötzlich wieder an Aktualität gewinnen: Der Herr Bundeskanzler hat hier in fast eindrucksvoller Weise, wenn man nicht wüsste, was er vorher darüber gesagt hat, die Neutralität hoch gepriesen und die Abfangjäger zum notwendigen siamesischen Zwilling der Neutralität erklärt. (Bundesrat Steinbichler: So ist es!) – Das ist eine Festlegung, der ich nicht folgen kann, denn wenn ich mich richtig erinnere, ist das derselbe Herr, der die Neutralität mit Mozartkugeln und Lipizzanern verglichen hat! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Klubobmann Khol hatte offenbar Recht, als er sagte, dass die Wahrheit eine Tochter der Zeit und gewissermaßen eine sehr kurzlebige Tochter ist. – Diese Tochter, nämlich die Mozartkugeltochter, ist nicht einmal ein halbes Jahr alt geworden, dann wurde sie vom Herrn Bundeskanzler offensichtlich gemeuchelt. Jetzt wurde wieder die Neutralität zu einer legitimen Tochter der Zeit ernannt. Allerdings muss ich aus Erfahrung sagen, dass die Lebenserwartung dieser Tochter wahrscheinlich auch nicht sehr hoch sein wird: Ich nehme an, dass sie bei Gelegenheit wieder über Bord geworfen werden wird und es dann andere Prioritäten geben wird.

Wenn Sie also sagen, wie das einige Sprecher getan haben, dass wir unsere Meinungen oft ändern, dann erwidere ich: Oh nein! Unsere Meinungen sind in den Kernfragen seit Jahrzehnten beziehungsweise in Wirklichkeit seit den mehr als hundert Jahren, in denen unsere Bewegung besteht, dieselben. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Aber natürlich haben Sie Recht: Diese Erweckungserscheinungen, die Sie hier hatten, als gesagt wurde, dass man auch den Sozialstaat modernisieren muss, entsprechen genau der Tendenz, mit welcher ich meine Wortmeldung eingeleitet habe. Natürlich ist eine sozial gerechte Gesellschaft unter verschiedenen gesellschaftlichen Bedingungen auch ein unterschiedliches Ding! (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )

Wenn wir neue gesellschaftliche Probleme haben, dann müssen wir diese daraufhin überprüfen, wie die soziale Gesellschaft beziehungsweise der Sozialstaat darauf antworten kann. (Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. ) Es hat vor 20 Jahren keine atypischen Beschäftigungsverhältnisse gegeben. Vor 20 Jahren hat es praktisch nur Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse gegeben, und das hat andere Maßnahmen beziehungsweise ausschließlich Maßnahmen für diesen Personenkreis erfordert. Heute gibt es Teilzeitbeschäftigung, atypische Beschäftigungsverhältnisse und vielfältige Formen, in denen Menschen ihr Arbeitsleben verbringen, und diese Menschen haben natürlich denselben Anspruch im Rahmen der Solidargesellschaft, zu der wir uns bekennen.

Ich bin der Letzte, der behauptet, dass jede Antwort, die wir gefunden haben, in dieser dynamischen gesellschaftlichen Entwicklung absolut makellos und 100-prozentig treffsicher war beziehungsweise ist und frei von jeder Kritik sein soll. Nein! Natürlich gilt es, annähernd gleich schnell zu sein wie die gesellschaftliche Entwicklung. Manchmal waren die Antworten vielleicht auch nicht so treffsicher. Dafür lasse ich mich gerne kritisieren! – Aber Sie müssen uns zugestehen, dass wir nach entsprechenden Antworten gesucht haben. Sie hingegen ignorieren die Probleme und brauchen deshalb auch gar nicht nach Antworten zu suchen. (Zwischenruf der Bundesrätin Giesinger. )

Frau Kollegin! Ich respektiere Ihre Leistung im Betrieb. Sie haben schon ein paar Mal darüber gesprochen, und ich bin schon länger da, daher ist mir das Thema nicht fremd. Sie haben ein paar Mal von den Problemen gesprochen, die es gibt, und daher verstehe ich ein Prozent von dem, was Sie von Ihrem konkreten Betrieb verstehen. Natürlich gibt es auch in meinem Bekanntenkreis viele Menschen, die ähnlich denken wie Sie. Es geht nicht um Generalisierungen. Frau Kollegin! Ich sage bei allem geziemenden Respekt: Auch Sie sind für die moderne Industriegesellschaft weder die Regel noch die Ausnahme. Es gibt wie überall im Leben vielfältige Abstufungen zwischen denen, die sich für ihren Betrieb und ihre Beschäftigten in Wirklichkeit aufopfern – das kann man ruhig so sagen –, und den wirklichen Schurken, die ihre Geschäftspartner, ihre Kunden und ihre Arbeitnehmer betrügen. Das ist das Weiße und das Schwarze, und dazwischen gibt es 90 Prozent Grau in vielfältigen Abstufungen.

Allerdings haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten einiges erlebt. Das waren nicht nur schwarze Schafe, sondern das ist eine ganze schwarze Schafherde! (Zwischenruf des Bun


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desrates Ing. Grasberger. ) Ich erinnere nur daran, was wir etwa im Bereich des österreichischen Speditionsgewerbes, im Bereich der ehemaligen DDSG und in anderen Bereichen erlebt haben. (Bundesrat Steinbichler: "Konsum"! BAWAG!) – Nein, nein, nein, Herr Kollege! Das ist ein anderes Thema! Ich weiß nicht, was Sie der BAWAG vorwerfen wollen, außer dass der ÖGB diesfalls an einer erfolgreichen Bank mitbeteiligt ist! (Beifall bei der SPÖ.) Was Sie sagen, ist eigentlich geschäftsschädigend! Dem Management des "Konsums" können Sie allerdings vorwerfen, dass es eine skandalöse Pleite gebaut hat. Das ist legitim! (Bundesrat Steinbichler: Das ist dunkelgrau!) – Nein, das ist nicht dunkelgrau!

Sie können dem Betrieb aber nicht vorwerfen, dass er eine Praxis übte, welche die Rechte der Arbeitnehmer nicht respektiert hat. Das ist das Allerletzte, was Sie der BAWAG vorwerfen können, dass sie ihre Beschäftigten unfair behandelt. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Herr Kollege! Sie haben in dieser Hinsicht wirklich keine Ahnung! Das ist aber auch nicht Ihr Metier! Sie haben mit diesem Thema nichts zu tun! Bleiben Sie bitte in Ihrem Schrebergarten! Ich mische mich in die Fragen der Landwirtschaft auch nicht ein. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin! Ich treffe keine Verallgemeinerungen, sage aber bei allem Respekt: Sie sind nicht die Privatwirtschaft, sondern nur ein Stückchen davon! (Bundesrätin Haunschmid: Wir alle sind die Privatwirtschaft!) Über Ihren Betrieb weiß ich weniger, aber ich hoffe, es ist bei Ihnen ähnlich wie bei Frau Kollegin Giesinger. Ich kann das nicht beurteilen. Ich kenne allerdings auch die anderen Beispiele, und an den weißen Schafen in einer ziemlich grauen Herde möchte ich dieses Segment unserer Wirtschaft nicht allein messen. (Beifall bei der SPÖ.)

Kehren wir zurück zum Thema unserer Anfrage und zu den Antworten, die wir erhalten haben! Das Resümee ist, dass uns vom Bundeskanzler und vom Sozialminister versichert wurde, dass alles nicht so arg sei und nur getan wurde, was notwendig sei. – Die Menschen, die unter diesen Maßnahmen leiden, finden das absolut unnotwendig! Es gebe keinen Grund, so meinten die beiden Herren, das Sozialstaat-Volksbegehren zu unterstützen, und es gebe keinen Grund, die sozialstaatlichen Grundsätze in der Bundesverfassung zu verankern.

"Vertraut uns!" lautete der Appell. Der jubelnde Applaus der beiden Regierungsfraktionen hat gezeigt: Sie vertrauen den beiden Herren tatsächlich. – Mit diesem Gefühl sind Sie in Österreich allerdings in einer massiven Minderheitsposition. So lange Sie sich dort wohl fühlen, bleiben Sie dort! Die Mehrheit der Bevölkerung denkt anders über diese Regierung! (Beifall bei der SPÖ.)

20.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Professor Böhm.

20.47

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Herren Staatssekretäre! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich hatte heute nicht vor, mich zu dieser dringlichen Anfrage zu Wort zu melden. Dafür hatte ich Gründe. Ich will Herrn Kollegen Konecny nicht verärgern, indem ich mir als derjeniger, der als kritisiert zu gelten hat, eine Kritik an dieser dringlichen Anfrage herausnehme. Allein die Tatsache, dass ich mich gar nicht zu Wort melden wollte, sollte deutlich machen, was ich davon halte.

Zwei Dinge kann ich aber doch nicht unwidersprochen lassen.

Erstens: Wenn Sie meinen, Ihre Fraktion vertrete immer so geradlinige, kontinuierliche Positionen, dann knüpfe ich jetzt bei dem an, was Sie in Bezug auf die österreichische Sicherheitspolitik gesagt haben. – Sie haben dem Herrn Bundeskanzler vorgeworfen, er ändere seine Position. Er habe die Neutralität in Frage gestellt und sich kritisch dazu geäußert, jetzt nehme er aber eine geradezu fundamentalistische Position zu der Frage ein, was alles im Rahmen einer bewaffneten Neutralität geboten sei.


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Ich darf Sie jetzt daran erinnern, wie Ihre eigenen Positionen dazu aussehen. – Ich will nicht allzu weit in der Geschichte zurückgehen; wie wir alle wissen, waren das andere Zeiten. Jedenfalls war aber der damalige Vizekanzler Schärf, als der Staatsvertrag von Moskau nur unter der Voraussetzung zugebilligt wurde, dass Österreich die immerwährende Neutralität annimmt, ein ganz entschiedener Gegner dieser Lösung, und er war nur mit Mühe auf Neutralitätskurs zu bringen. (Bundesrat
Konecny: Er hat sich aber von Bruno Kreisky überzeugen lassen!) Zugegebenermaßen liegt das lange zurück und war aus der damaligen Situation sicherlich nachvollziehbar. – Das ist historisch erwiesen.

Auf der anderen Seite ist es überraschend, wenn Sie meinen, damit sei das ein für alle Mal sakrosankt geworden. Mir selbst werden Sie diesbezüglich keinen Positionswechsel vorwerfen können. (Bundesrat Konecny: Davon habe ich nicht geredet!) Ich erinnere nur daran, und zwar auch im Rahmen meiner Fraktion, dass ich von diesem Pult aus schon in der Oppositionsrolle darauf aufmerksam gemacht habe, dass es nicht die FPÖ war, die bei parlamentarischen Akten mitgestimmt hat, die nach meiner Überzeugung dazu geführt haben, die Neutralität auszuhöhlen beziehungsweise sie obsolet zu machen. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny. )

Sie wissen, dass es meine persönliche Rechtsmeinung war, und das ist jetzt gar nicht als politisches Credo zu verstehen, sondern es ist meine verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Überzeugung, dass Österreich bereits sehr viele internationale Schritte gesetzt hat, die mit der klassischen Neutralität in keiner Weise vereinbar sind. – Ich verstehe daher nicht, wenn sich Ihre Fraktion – und wie ich annehme, gilt das auch für den Vertreter der Grünen – geradezu als Gralshüter der Neutralität aufspielt! Wenn dem so ist, dann müssen Sie konsequenterweise aber auch wahrnehmen, dass der Luftraum zu sichern ist. Das gehört zu einer bewaffneten Neutralität, sonst ist sie international und völkerrechtlich nicht mehr ernst zu nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.) Wenn also der Vorwurf gekommen ist, dass jemand inkonsequente, inkonsistente und nicht kontinuierliche Positionen einnimmt, dann muss ich das auch Ihrer Fraktion vorwerfen.

Nun komme ich zu einem anderen Punkt: Ich kann es nicht unwidersprochen lassen, wenn Sie meinen, die Regierungsparteien fürchteten eine Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof. Ich möchte aber auch diesbezüglich gar nicht hoch politisch beginnen, sondern nur auf die langwierige verfassungsdogmatische und grundrechtliche Diskussion in Österreich verweisen, die offenbar spurlos an Ihnen und auch an den Betreibern des Volksbegehrens vorbeigegangen ist.

Wie Sie wissen, gibt es eine bis heute nicht aufgelöste Kommission, welche die Grundrechte erneuern sollte. Leider – ich bedaure das sehr – ist sie sanft entschlafen. Sie wurde eines Tages nicht mehr einberufen, wenn sie auch formell nie aufgelöst wurde. Sie hat jahrzehntelang getagt, ungefähr nach dem Motto: Es kreißten die Berge und gebaren ein Mäuslein beziehungsweise nicht einmal das.

Man konnte sich nämlich auf ein einziges Verfassungsgesetz über die Wahrung der persönlichen Freiheit einigen. Das ist das einzig Erfreuliche, allerdings war das das einzige Produkt, das zu Stande kam. Letztlich ist das Ganze an der Diskussion um die so genannten sozialen Grundrechte gescheitert. Man dachte, man könne sich bei einer Modernisierung nicht nur auf die klassischen Kategorien beschränken, wie sie im Jahre 1868 vorfindlich waren. Hiebei handelte es sich im Wesentlichen um Freiheitsrechte und in Ansätzen um politischen Rechte. Soziale Grundrechte waren damals kein Thema.

In der Zwischenzeit waren diese jedoch ein politisches Thema geworden. Dazu muss man sagen – und das kann man nicht ideologisch festmachen –: Natürlich wird jeder Staatsrechtler auch eine politische Position haben, das ist nicht zu bezweifeln. Bei manchen war das auch ganz evident, trotzdem handelte es sich hiebei um ein fachbezogenes Gremium. Die Staatsrechtler waren durch die Bank der Meinung, dass man soziale Grundrechte deshalb nicht in die Verfassung schreiben könne, weil sie letztlich nicht einklagbar wären, zumindest nicht so, wie das klassische Juristen verstehen.


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Denken Sie etwa an eine Festschreibung des Rechtes auf Arbeit oder gar auf Vollbeschäftigung: Dann müsste man ja das ganze Staatsgefüge und das ganze Sozialsystem verändern! Man müsste, um das Kind beim Namen zu nennen, zu einer Planwirtschaft übergehen, denn nur eine zentrale Kommandowirtschaft kann Vollbeschäftigung gewährleisten. Auf welchem Niveau das vor sich geht, haben wir in der alten DDR und in anderen real existierenden Staaten des sozialistischen Systems gesehen! – Vollbeschäftigung kann von Verfassung wegen nicht garantiert werden, jedenfalls nicht in einer noch so sozialen Marktwirtschaft. Das würde nämlich ein planwirtschaftliches System und eine grundstürzende revolutionäre Umgestaltung erfordern.

Abgeschwächt gilt das Gleiche für die meisten so genannten sozialen Grundrechte. Und wenn ich etwas bei der Überprüfung fürchte, dann meine ich, dass man auch dem Verfassungsgerichtshof nichts Gutes tun würde. (Bundesrat Konecny: Der VfGH wehrt sich schon selbst!) Das werden Ihnen die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes selbst bestätigen können! Wir sind nicht frei davon, und auch Sie sind nicht frei davon, Erkenntnisse immer wieder kritisiert zu haben, die Ihnen sachlich nicht richtig erschienen sind und natürlich auch vom politischen Effekt nicht gepasst haben.

Ich erinnere mich sehr gut an die Ausführungen des damaligen Finanzministers Edlinger zum Erkenntnis über die Familienbesteuerung. Ich erinnere Sie daran: Er hat das als politisches Erkenntnis bezeichnet. – Nun leugne ich nicht: Wenn man Politik in einem sehr weiten Sinne versteht, dann ist der Verfassungsgerichtshof natürlich ein politischer Gerichtshof. Natürlich hat er Verfassungsfragen mit politischer Dimension zu entscheiden. Das ist ganz legitim und seine Aufgabe. Edlinger hat jedoch das Verdikt als politisches Erkenntnis bezeichnet. Nicht direkt, aber zwischen den Zeilen ist herausgekommen, dass es sich quasi gut verdienende Leute gerichtet haben. Ich habe das dann in einer Wortmeldung kritisiert, und er hat das auch respektiert, so akzeptiert und nicht dementiert. (Bundesrat Konecny: Sie zitieren aber sehr frei!) Er meinte, dass diesfalls die Verfassungsrichter sehr wohl Familienpolitik gemacht haben. So wurde es auch vielfach in den Kommentaren Ihnen nahe stehender Kritiker dargestellt.

Genau diesem Vorwurf wird der VfGH immer wieder ausgesetzt sein, umso mehr, je programmatisch generalklauselartiger solche schwammigen Zielvorstellungen sind. Sie sehen das auch an der Zielbestimmung des umfassenden Umweltschutzes. Das ist mir sehr sympathisch, ich war immer ein Verfechter davon. Nur frage ich Sie: Wozu hat es geführt? – Ich kenne nicht ein Erkenntnis, das sich auf diese programmatische Klausel des umfassenden Umweltschutzes berufen hat!

Zwei Dinge können Sie nicht haben wollen: Wenn sich der Verfassungsgerichtshof zu stark zurückhält, denn handelt es sich, wie der heute schon zitierte Kollege Raschauer gesagt hat, um eine Formel ohne jeden Wert, die nicht konkretisierbar und kein geeigneter Prüfungsmaßstab ist. Oder aber es wird darauf gesetzt, dass sich der Verfassungsgerichtshof, wenn er mit solchen Anfechtungen konfrontiert wird, veranlasst sieht, sich sehr weit politisch vorwagen zu müssen, weil ihn die Schwammigkeit dieser Generalklauseln dazu zwingt. Dann ist er im politischen Tagesgeschehen, und genau das wollen wir nicht, denn seine Autorität soll nicht in Frage gestellt werden. Politik und nicht zuletzt Sozialpolitik gehören in einer parlamentarischen Demokratie ins Parlament, also in unsere Häuser, und nicht zu einem Gerichtshof, denn ich möchte keine politisierenden Höchstrichter! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

20.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es wünscht niemand mehr das Wort.

Daher ist die Debatte zu den dringlichen Anfragen geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir setzen die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 11 und 12 fort.


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Nächster Redner zu diesen beiden Tagesordnungspunkten ist Herr Bundesrat Freiberger.

20.57

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Konjunkturbelebungsgesetz 2002 verdient seinen Namen ganz sicher nicht. Dieses Gesetz hat nämlich mit Konjunkturpolitik sicherlich nichts zu tun. Mit diesen Maßnahmen wird bestimmt kein Wirtschaftsaufschwung eingeleitet, und die geringen Ansätze kommen zusätzlich auch noch viel zu spät.

Meine Damen und Herren! Durch die Politik der Bundesregierung und das krampfhafte Festhalten an dem Fetisch Nulldefizit haben wir einen drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen. In Österreich betrug die Arbeitslosigkeit Ende März 7,4 Prozent, in der Steiermark ist die Rate noch höher: Hier beträgt sie 8,1 Prozent.

Wir haben das zweitniedrigste Wirtschaftswachstum innerhalb der EU-Staaten, und wir haben die höchste Steuer- und Abgabenquote, nämlich 47 Prozent in der Zweiten Republik. Meine Damen und Herren! Die Steuererhöhung seit dem Jahr 1999 beträgt mittlerweile 8,1 Milliarden j , das sind 111 Milliarden Schilling. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Kollege Steinbichler! Bleibe beim Gen-Mais, da kennst du dich aus. Das ist wahrscheinlich gescheiter für dich. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Es ist zu bedenken, dass jeder Steuerzahler oder jede Steuerzahlerin durch diese Erhöhung seit 1999 um 135 € pro Jahr, das sind rund 1 900 S, höher belastet ist. Das ist das Ergebnis der Politik dieser Bundesregierung. Diese Situation schreit direkt danach, die Nachfrage zu wecken.

Auch der Europäische Rat in Barcelona hat beschlossen, dass seine Mitgliedsländer Maßnahmen zur Konjunkturbelebung und zur Vollbeschäftigung setzen mögen. Die Mitgliedsländer sollen Steuersenkungen für niedrige Einkommensbezieher durchführen, um Nachfrage zu schaffen, und es sollen Anreize zur Investitionsförderung geschaffen werden.

Meine Damen und Herren! Das sind Maßnahmen, die die SPÖ seit Monaten fordert. Wir verlangen eine Steuerreform, die die unteren und mittleren Einkommensbezieher entlastet, um die Nachfrage anzukurbeln. Weiters verlangen wir, Infrastruktur-Investitionen vorzuziehen und baureife Projekte rasch umzusetzen. (Staatssekretär Dr. Finz: Und wieder Schulden machen!) Herr Staatssekretär! Wenn man damit Arbeitsplätze sichern und Arbeitsplätze schaffen kann, dann ist es wahrscheinlich gescheiter, wenn man das in Form einer Investitionspolitik tut, wodurch man auch Werte schafft, statt Arbeitslosenunterstützungen zu bezahlen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Dieses Vorziehen der baureifen Projekte würde die Wirtschaft ankurbeln, und es würden damit Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden. Kollege Hoscher hat es in seinem Redebeitrag bereits aufgezählt: Es gibt noch sehr viele weitere Punkte, die die SPÖ hier vorgeschlagen hat. Ich erspare es mir jetzt, das zu wiederholen, und möchte nur feststellen, dass die SPÖ im Nationalrat dazu einen Entschließungsantrag eingebracht hat, der sich sehr eingehend mit dieser Thematik befasst hat und der vor allem zur Folge gehabt hätte, wenn er beschlossen worden wäre, dass die Wirtschaft tatsächlich angekurbelt und Konjunkturbelebung betrieben worden wären.

Meine Damen und Herren! Die vorliegenden Materien beinhalten keine tauglichen Maßnahmen zur Konjunkturbelebung. Im Bereich der Investitionen geschieht viel zu wenig, und vor allem kommt das, was im Baubereich geregelt wird, zu spät. Oder was soll etwa die Öffnung der Arbeitsvermittlung mit Konjunkturbelebung zu tun haben? (Bundesrat Schöls: Sehr viel!) – Das glaubst du ja nicht einmal selbst! (Heiterkeit.)

Die Übertragung der Kontrollkompetenz an die Zollbehörden wäre grundsätzlich zu begrüßen, da sie mit der Überprüfung oder dem Prüfen von illegalen Beschäftigungen zu tun hat, aber mit Konjunkturbelebung hat auch diese Maßnahme nichts zu tun. Sie ist deshalb von uns aus auch nicht annehmbar, da diese Ausdehnung der Kontrollkompetenz auf die Zollbehörden nur dazu dient, illegale Ausländerbeschäftigung zu kontrollieren. Wo bleibt die Kontrolle der illegalen


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Schwarzunternehmer und überhaupt der Schwarzarbeit? – Es müsste doch ein Ziel sein, dass die Schwarzarbeitsbekämpfung vorangetrieben wird! Dazu wäre diese Ausweitung auf den Zollbereich ein durchaus geeignetes Mittel.

Darüber hinaus werden die Strafen für Betriebe, die Ausländer illegal beschäftigen, nur sehr gering angehoben, nämlich von 700 € auf 1 000 €. Sie können sich vorstellen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, dass diese Erhöhung die Betriebe nicht wirklich abschreckt, weil diese Beträge locker aus der Portokasse bezahlt werden.

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung kündigt schon jetzt an, die Lohnnebenkosten zu senken. Damit wird auch die Nachfrage nicht gesteigert und angeregt. Die Wirtschaftskammer rührt dafür schon kräftig die Werbetrommel, unter dem Slogan: Lohnnebenkostensenkung schafft Arbeitsplätze. – Meine Damen und Herren! Das Arbeitsvolumen wird dadurch sicherlich nicht gesteigert. Dies gefährdet die Entwicklung im sozialen Bereich, weniger Einnahmen bedeuten nämlich eine Gefährdung für den Sozialstaat.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie kürzen Leistungen im Sozialbereich, führen Gebühren ein und erhöhen bestehende Gebühren und Steuern. Sie geben immer vor, für den Sozialstaat zu wenig Geld zu haben. Es darf deshalb niemanden wundern, dass Experten, Wissenschafter und vor allem besorgte Bürger das Sozialstaat-Volksbegehren ins Leben gerufen haben.

Meine Damen und Herren! Der Sozialstaat ... (Bundesrat Steinbichler: Verunsicherte Bürger ...!) Verunsicherte Bürger durch die SPÖ? Frau Gubitzer, Herr Dinkhauser, sie alle sind aus dem SPÖ-Bereich? (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Du kennst nicht einmal deine eigenen Parteileute, die dieses wichtige Vorhaben erkannt haben! (Bundesrat Schöls: Du kennst scheinbar jeden persönlich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Was hast du mehr? Als drittstärkste Partei in dem Land? (Bundesrat Thumpser  – in Richtung ÖVP –: So viele habt ihr nicht, dass ihr nicht jeden persönlich kennt!) Da würde ich ziemlich vorsichtig sein, vor allem was Wien betrifft: Das Wahlergebnis in Wien war für die ÖVP wirklich "hervorragend"! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich habe schon mehrmals auch an diesem Pult anerkannt, dass die steirische ÖVP bei den letzten Landtagswahlen einen hervorragenden Sieg eingefahren hat. Die Sozialdemokratie in der Steiermark hat aber noch immer über 33 Prozent; das ist weit mehr, als die ÖVP oder die FPÖ im Bund haben. Daher solltest du, bitte, etwas relativieren. Gerade bei diesen Wahlergebnissen wäre ich ziemlich vorsichtig! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der Sozialstaat ist ein Teil der österreichischen Identität und des österreichischen Lebensgefühls. Durch diese Bundesregierung ist der Sozialstaat gefährdet – es wurde mehrmals darauf hingewiesen –, es ist soziale Kälte ins Land gezogen. (Bundesrat Schöls: Jetzt kommt der Frühling!) Meine Damen und Herren! Wir unterstützen deshalb mit vielen Hunderttausenden Österreicherinnen und Österreichern das Sozialstaat-Volksbegehren und lehnen die vorliegenden Materien ab. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Das Sprücherl hast vergessen! – Bundesrat Konecny: Hat er eh gesagt!)

21.07

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Gerd Klamt. Ich erteile ihm das Wort.

21.07

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu meinem Vorredner, Bundesrat Horst Freiberger, möchte ich nur Folgendes festhalten: Vieles hat mit vielem viel mehr zu tun, als Sie sich vorstellen können.

Im Wesentlichen handelt es sich bei den gegenständlichen Tagesordnungspunkten um Änderungen im Abgabenrecht, die der Konjunkturbelebung dienen, weiters um den Abbau bürokratischer Hemmnisse im Bereich der Gewerbeordnung und um Umstrukturierungen zur effiziente


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ren Bekämpfung der illegalen Ausländerbeschäftigung. Das sind durchaus positive Maßnahmen, die den Standort Österreich aufwerten und unsere Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.

Für Klein- und Mittelbetriebe ist es sehr wichtig, dass ein Forschungsfreibetrag von 10 Prozent beziehungsweise alternativ eine Forschungsprämie von 3 Prozent eingeführt wird. Damit werden Anreize geschaffen, die wir nicht unterschätzen dürfen. (Bundesrat Freiberger: Das stimmt!) Auf lange Sicht werden unsere Betriebe das für unsere Arbeitnehmer positive, hohe Lohnniveau nur halten können, wenn wir schnell und effizient lernen, in Nischen vorzustoßen, beziehungsweise wenn wir technologisch die Nase vorne haben.

Man kann natürlich – so wie es die Opposition verlangt – hohe Standards im Sozialbereich verfassungsmäßig absichern wollen. Das haben wir in den letzten Stunden ausführlich diskutiert. Dies wird aber nicht zielführend sein, und es wird wieder nur Erwartungen wecken, die nicht erfüllt werden können. Die Mittel zur Absicherung unseres Sozialstaates sind nicht einfach vorhanden – das müssen viele lernen –, diese Mittel müssen zunächst erwirtschaftet werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Arbeitsvermittlung, ein wesentliches und wichtiges Regelelement am modernen Arbeitsmarkt, wird verändert. Dieser Schritt ist notwendig. In einer Zeit, in der vom Arbeitnehmer lebenslanges Lernen erwartet wird, müssen auch die Möglichkeiten einer aktiven Jobvermittlung mit allem, was dazugehört, voll ausgeschöpft werden. Das Arbeitsmarktservice hat in der Vergangenheit in vielen Bereichen gut gearbeitet. Es bekommt nun Konkurrenz und wird auf Grund dieser Konkurrenz – dessen bin ich sicher – zur Höchstform auflaufen.

Der Wettbewerb macht in unserer Zeit vor niemandem Halt. Arbeitnehmer der Privatwirtschaft stellen sich diesem Wettbewerb. Sie müssen sich diesem Wettbewerb stellen und dürfen einen ähnlichen Einsatz auch von staatlichen und halbstaatlichen Einrichtungen einfordern. Die effiziente Kontrolle der illegalen Beschäftigung ist im Sinne der österreichischen und auch der legal arbeitenden ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unabdingbar. Nur so können für die Zukunft faire Arbeitsbedingungen und gerechte Entlohnung wirklich sichergestellt werden. Die Übertragung der Kontrolle auf die Zollbehörden und die Aufstockung des Kontrollpersonals sind in diesem Sinne durchaus zu begrüßen.

Auch die Opposition muss zur Kenntnis nehmen, dass diese Regierung gute Arbeit leistet und wirksame Konjunkturbelebung betreibt, ohne in eine Neuauflage der überkommenen Verschuldungspolitik zurückzufallen. Die österreichische Wirtschaft ist im Jahre 2001 auf Grund der Leistungen der Beschäftigten um mehr als 1 Prozent gewachsen. Die Wertschöpfung ist im Vergleich zum Jahr 2000 um mehr als 5 Milliarden € gestiegen, und 3 148 000 Beschäftigte für das Jahr 2001 sind neuer Rekord in unserer Zweiten Republik.

Die freiheitliche Fraktion des Bundesrates wird den Tagesordnungspunkten 11 und 12 vollinhaltlich zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Schöls. )

21.13

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Günther Kaltenbacher das Wort. – Bitte.

21.13

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Heute wird das Konjunkturbelebungsgesetz 2002, welches auch Änderungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik und der Arbeitskräfteüberlassung vorsieht, beschlossen. Ing. Klamt hat bereits angeschnitten, dass das vor allem das AMS im Bereich der Vermittlung betreffen wird, weil nur durch eine entsprechende Konkurrenz auch das AMS zur Höchstform auflaufen wird. (Bundesrat Ing. Klamt: Habe ich nicht gesagt!) Ich werde auf diese Dinge noch später zu sprechen kommen.

Mit dieser Novelle soll die Zulassung von privaten Vermittlern erleichtert werden. Diese Novelle sieht vor, dass der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit an geeignete Unternehmen und


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Einrichtungen Aufträge nach dem Bundesgesetz überantworten kann. Was das Ganze mit Konjunkturbelebung zu tun hat, weiß ich nicht.

Bereits im August des Vorjahres wurde diese Novelle im Zuge des neuen Arbeitsmarktgesetzes diskutiert, jedoch seitens der Sozialpartner und der Länder abgelehnt. Jetzt geht man den Weg durch die Hintertür – ohne Begutachtung, ohne Einbindung der Sozialpartnerschaft und der Länder. Die Fristen wurden so kurz gesetzt, dass eine seriöse Beurteilung nicht möglich war.

Für meine steirischen Kollegen verweise ich auf die Stellungnahme der Frau Landeshauptmann Klasnic – sie war ja heute auch da – bezüglich der Körperschaftssteuer, in der schärfstens dagegen protestiert wird, weil damit eine Mehrbelastung für das Bundesland Steiermark in der Höhe von 90 Millionen S verbunden und sie daher mit dieser Entscheidung nicht zufrieden ist. Des Weiteren kritisiert sie stark den Fristenlauf: dass die Regierung nur eine Woche Zeit gehabt hat, eine Stellungnahme abzugeben, und nicht in das Begutachtungsverfahren eingebunden war.

Kollege Missethon und Kollegen von der ÖVP-Fraktion! Ich hoffe, dass Sie auf Grund dieser Entscheidung Ihrer Vorsitzenden heute diesem Gesetz nicht zustimmen werden, weil gerade mit diesem Gesetz wiederum eine Mehrbelastung auf uns Steirer zukommt.

Die Ankündigung einer aktiven Einbindung der Sozialpartner in Belange der aktiven Arbeitsmarktpolitik, wie es vereinbart wurde, wurde gebrochen. Private Arbeitsvermittler und Leasingunternehmer stellen für uns als AMS – ich bin seit 23 Jahren in diesem Unternehmen beschäftigt, die letzten 13 Jahre als Leiter einer regionalen Geschäftsstelle – eine Konkurrenz dar. Wir fürchten diese Konkurrenz absolut nicht. Schon in den letzten Jahren haben wir aktiv mit Überlassern und Vermittlern zusammengearbeitet. Ich nenne das Zentrum für Arbeit und Technik, Manpower, Trenkwalder, Unternehmensberater für Führungskräfte.

Die von Privaten gewünschten Kooperationen mit dem AMS haben nie den gewünschten Erfolg mit sich gebracht. Gerade in Zeiten der Hochkonjunktur, wenn es auch um die Vermittlung von schwächer Qualifizierten oder Problemgruppen – in Klammer: Ältere, Frauen mit Betreuungspflichten, Behinderte und so weiter – ging, haben Private eine niedrige Effektivität gezeigt.

Das Arbeitsmarktgeschehen ist in Zeiten erhöhter Flexibilität durch ein Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage gekennzeichnet. Schwer in den Arbeitsmarkt integrierbare Personen können nur mit Begleitung und Förderung, langfristig jedoch kaum dauerhaft in den Arbeitsmarkt integriert werden. Hier wird immer ein öffentliches AMS gefordert sein. Lediglich in Segmenten, die ohnehin über andere Vermittlungskanäle gut funktionieren – Printmedien, Selbstbedienungsgeräte des AMS, E-Jobroom, private Kontakte et cetera –, können private Arbeitsvermittler und -überlasser vielleicht ein Geschäft sehen.

Nur ein paar Daten aus meinem Bezirk, Judenburg: Von 4 500 Vorgemerkten im Jahr 2001 wurden 80 Prozent – 60 Prozent innerhalb von drei Monaten, weitere 20 Prozent innerhalb von sechs Monaten – einer Beschäftigung zugeführt. Der Rest ist der beinharte Sockel, sprich Langzeitarbeitslose und so weiter. Auch mit dieser Klientel werden die Überlasser zukünftig kein Geld machen.

Gerade Arbeitskräfteüberlasser erwarten sich von der gesetzlichen Änderung ein Zusatzgeschäft, indem sie zuerst Arbeitskräfte verleihen und im Anschluss daran, wenn die Arbeitskraft im beschäftigenden Betrieb weitgehend integriert ist, durch eine einfache Vermittlungstätigkeit einen Rechtsanspruch auf Übernahme haben. Somit werden sie dort noch zusätzlich etwas kassieren.

Die im Gesetz festgelegte persönliche und fachliche Eignung von Arbeitskräftevermittlern und Arbeitskräfteüberlasserbetrieben ist dürftig beschrieben. Die Arbeiterkammer stellt immer wieder fest, dass gerade Überlasser hinsichtlich der Sorgfalt gegenüber ihren Arbeitnehmern große Mängel aufweisen und es dadurch viele arbeitsrechtliche Verletzungen in dieser Branche gibt. Das heißt, dass mit diesen Maßnahmen keine Konjunkturbelebung eingeleitet werden kann, weil der Markt mit den jetzigen Trägern recht gut funktioniert.


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Das Konjunkturbelebungsgesetz – wir haben es heute öfters gehört – sollte eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt einleiten. Die Wende ist im negativen Sinn geschehen. Die Arbeitslosenzahlen steigen dramatisch. Allein bei mir im Bezirk Judenburg beziehungsweise Murau ist die Arbeitslosigkeit im Schnitt zwischen 25 und 50 Prozent gestiegen. Vor allem Jugendliche zwischen 15 und unter 25 Jahren, ältere Frauen über 45 und Männer über 50 Jahren sind massiv von Arbeitslosigkeit betroffen.

Da immer wieder gesagt wird, dass das Budget für das AMS für die aktive Arbeitsmarktpolitik gestiegen ist – auch Bundeskanzler Schüssel hat es heute erwähnt –, muss ich einwenden: Richtig ist etwas anderes. Auch Minister Bartenstein hat immer wieder beteuert, dass das Budget für das AMS auf dem Niveau von 2001 eingefroren wird. Tatsache ist, dass in der Steiermark das Budget für aktive Arbeitsmarktpolitik 2002 um 80 Millionen Schilling oder 5,3 Millionen € reduziert wurde.

Entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen, und zwar vor allem bei den EDV-Berufen oder bei den Informations- und Kommunikationstechnologien, können nur gedrosselt beschickt werden, obwohl es gerade in diesem Bereich angeblich Arbeitskräfte geben soll. Beschäftigungsprojekte für Langzeitbeschäftigungslose und Frauen können auf Grund der Reduzierung der Mittel auch nur verringert beschickt werden.

Zur Vermittlung von Frauen mit Betreuungspflichten: Die Diskussion war heute, ob sich Frauen, die eine Teilzeitbeschäftigung suchen, trotz Arbeitslosengeldbezug einen Teilzeitjob aussuchen können. Richtig ist, dass nach dem Phasenmodell des Ministers Bartenstein die Frauen, die Betreuungspflichten haben, diesen Wunsch im ersten Monat ihres Leistungsbezuges äußern dürfen. Danach gilt Ganztagsbeschäftigung. – So viel zu der Aussage des Herrn Bundeskanzlers.

Der Anteil der über 45-jährigen Frauen und Männer an den Arbeitslosen steigt wieder rasant an. Gleichzeitig fordert aber die Regierung die Erhöhung der Beschäftigungsquote. Gerade diesbezüglich wäre der Wirtschaftsminister gefordert, der Wirtschaft entsprechende Rahmenbedingungen schmackhaft zu machen, dass diese Personen nicht freigestellt werden, sondern länger in Beschäftigung bleiben.

Das Konjunkturbelebungsgesetz ist für uns in der Steiermark ein Gesetz, mit dem wir in dieser Form nichts anfangen können. Daher wird es von uns auch keine Zustimmung bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.23

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon das Wort. – Bitte.

21.23

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Ich glaube, man darf das nicht so verallgemeinern, dass man sagt: Wir in der Steiermark sind nicht für das Konjunkturbelebungsgesetz. – Ich bin sehr wohl dafür, ich sage das gleich vorweg. (Bundesrat Konecny: Wir sagen es eh nicht weiter!) Aber ich möchte auch begründen, warum dem so ist.

Wir haben ohne Zweifel eine schwierige Situation, eine wirtschaftspolitisch schwierige Situation. Es hat eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums gegeben. Die Situation in Amerika ist auf Europa und Österreich übergeschwappt und hat uns – das muss man auch dazusagen – eigentlich erst sehr spät getroffen. Es hat uns meines Erachtens auch deshalb sehr spät getroffen, weil wir Gott sei Dank zu den Beitrittskandidaten der Europäischen Union sehr gute wirtschaftliche Vernetzungen aufgebaut gehabt haben. Wir haben im Grunde genommen in der Steiermark sehr davon profitiert, dass insbesondere steirische Unternehmen in Slowenien und in Ungarn zu den größten Investoren gehören, und dort sind eben höhere Wirtschaftswachstumsraten da gewesen. Deshalb hat es, so meine ich, Österreich insgesamt erst viel später und nicht in dieser Dimension erwischt.


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Ich glaube aber, dass richtige Konjunkturpolitik nicht nur daran gemessen wird, was sie kostet, sondern richtige Konjunkturpolitik hat meines Erachtens damit zu tun, welche Effekte und Auswirkungen sie erzielt. Das hat nicht unmittelbar immer nur mit Geld zu tun. Darum glaube ich – und das haben auch einige ausgeführt –, dass die Aktivitäten im Bildungsbereich und im Forschungsbereich insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen wichtige Anreize sind. Ich kann das deshalb sagen, weil ich in diesem Bereich tätig war.

Was das Arbeitsmarktservice und die Arbeitsvermittlung betrifft, so möchte ich aus meiner Sicht ebenfalls eine klare Bemerkung dazu sagen. Ich glaube, dass die Suchprozesse für Arbeitskräfte anders verlaufen, als wir sie uns vorstellen. Der erste Suchprozess, wenn ich Arbeitnehmer suche, ist, dass ich meine Mitarbeiter im Unternehmen frage, ob sie jemanden kennen. Dann versuche ich meine persönlichen Kontakte zu nutzen. Das können beispielsweise Partnerunternehmen, das können Beratungsunternehmen sein, die dort tätig sind. Erst wenn alle diese Suchprozesse nichts helfen, wird der Weg zum AMS gewählt.

Ich meine, dass eine gewisse Ergänzung zu den Vermittlungstätigkeiten des AMS sinnvoll ist und durchaus zu einer Konjunkturbelebung beitragen kann, und zwar deshalb, weil Arbeitskräfte, die ich in einer bestimmten Branche oder Firma brauche, möglicherweise schneller gefunden werden.

Sie haben sehr intensiv ausgeführt und immer wieder gesagt, Sie erwarten von der Bundesregierung, dass jetzt quasi Geld hineingepumpt wird. Horst Freiberger hat das sehr schön dargestellt: Bauen schafft Arbeitsplätze und so weiter. – Ich glaube, dass die Bundesregierung sehr wohl frühzeitig darauf geachtet hat, dass Geld in dieser Weise hineingepumpt wird, allerdings anders, als Sie es gemacht hätten. 9 Milliarden Schilling an Kinderbetreuungsgeld werden in den Regionen ausgegeben. Das ist in Wirklichkeit eine Regionalförderung, diese wird von den jungen Familien in den Regionen entsprechend ausgegeben.

Geschätzte Damen und Herren! Alle Indikatoren zeigen, dass sich die Wirtschaft mit Sicherheit wieder erholt. Österreich liegt auch bei den Frühindikatoren meines Erachtens sehr gut. Ich bin da ein wenig bei Gerhard Schröder, der nicht unbedingt ein politisches Vorbild ist, aber er hat einen sehr richtigen Satz gesagt: Die Zeichen des Aufschwungs müssen gepflegt und nicht zerredet werden. – Vielleicht nehmen Sie, geschätzte Damen und Herren von der SPÖ, sich auch ein bisschen ein Vorbild an dem Bundeskanzler in Deutschland.

Nachdem Herr Professor Konecny in seiner Begründung der dringlichen Anfrage gesagt hat, er möchte den tiefen Widerspruch der Bundesregierung herausarbeiten, möchte ich jetzt noch ein paar Sätze zum tiefen Widerspruch der SPÖ-Politik sagen. Die SPÖ sagt, der Staat solle investieren. Die SPÖ sagt, der Staat solle Schulden machen. (Bundesrat Konecny: Nein!) Die SPÖ sagt, der Staat solle Arbeitsplätze schaffen. Sie fordern das, und damit bin ich durchaus einverstanden. Da haben wir eine unterschiedliche Sichtweise; Sie fordern das.

Geschätzte Damen und Herren! Authentische Politik heißt für mich aber, selbst so zu handeln, wie ich es von anderen fordere. Sie unterstützen – das hat sich heute durchgezogen – sehr intensiv dieses Sozialstaat-Volksbegehren. (Bundesrat Konecny: Ja!) Ich tue das nicht. (Bundesrat Konecny: Schade für Sie! – Bundesrat Thumpser: Weil du das Sprücherl nicht kennst!) Dazu hat es schöne Werbegeschenke gegeben. In Leoben sind Taschentücher verteilt worden, auf denen steht: "Schwarz-Blau gefährdet Ihre Gesundheit". (Bundesrat Konecny: Ja!) "Nicht weinen und unterschreiben" steht weiters auf diesen Taschentüchern.

Darauf steht auch: "Unterstützen Sie dieses Volksbegehren! Ihr Landeshauptmann-Stellvertreter Franz Voves." Wir haben einen neuen sozialdemokratischen Parteiobmann in der Steiermark. (Bundesrat Thumpser: Setzt gleich gute Akzente! – Bundesrat Konecny: Guter Mann!) Interessanterweise war er Vorstandsdirektor bei "Merkur", und er war quasi Proponent eines Zwei-Klassen-Gesundheitssystems. (Bundesrat Konecny: Diffamieren Sie private Krankenversicherer, oder was ist das jetzt?)


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Geschätzte Damen und Herren von der SPÖ! Diese Taschentücher haben Sie nicht in Österreich gekauft. Darauf steht "Made in Italy". Das heißt, Sie beleben die Konjunktur in Italien. (Rufe und Gegenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Sie lassen mit Ihren Aufträgen nicht einmal österreichische Firmen leben – das ist genau die unglaubwürdige Politik, die Sie betreiben! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Ledolter: Sie fördern italienische Arbeitsplätze, indem Sie im Ausland kaufen! So werden Arbeitsplätze in Italien gefördert!) Ich fordere Sie daher auf, sorgsamer und patriotischer mit Ihrem Geld umzugehen und in Österreich einzukaufen.

Ich möchte noch einen zweiten Punkt ansprechen, weil sich auch das heute wie ein roter Faden durchgezogen hat. Sie haben gesagt, die österreichische Bundesregierung betreibe Sozialabbau. Jetzt erzähle ich Ihnen etwas.

Ich wohne in Leoben, in der Mur-Mürz-Furche. Dort oben ist in Wirklichkeit die sozialistische Spielwiese gewesen. Wir hatten im Werk Donawitz im Jahr 1980 7 000 Mitarbeiter; heute haben wir 2 000 – durch Ihre Politik! Wir hatten in der Stadt Leoben 40 000 Einwohner im Jahr 1980, heute haben wir 25 000, und dafür war nur sozialistische Politik verantwortlich. (Bundesrat Kraml: Sie machen es sich aber einfach!) Dort sind Familien auseinander gerissen worden, dort sehen viele ältere Menschen ihre Enkelkinder nur noch zu Weihnachten. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik, geschätzte Damen und Herren, dort haben wir sie in Reinkultur erlebt!

Wir haben in 20 Jahren im Werk Donawitz 5 000 Mitarbeiter abgebaut und haben skurrilerweise heute dreimal so viele Betriebsräte wie 1980 – natürlich sozialistische! (Bundesrat Kraml: Die tun Ihnen weh!) Das ist Ihre Art, das ist Ihre Art von sozialer Verantwortung. (Bundesrat Konecny: Die sind dort gewählt? Komisch – wenn es so schlecht ist, warum wählen die Leute sozialistische Betriebsräte?) Ich frage Sie, ist das sozial gerecht? Ist das sozial gerecht? (Bundesrat Konecny: Fragen Sie die Leute, die sozialdemokratische Betriebsräte wählen! Die werden wissen, warum!) Herr Professor Konecny! Sie haben mit Ihrer Politik in der Obersteiermark die Region wirklich ausgehöhlt!

Ich komme zum Schluss. Es gibt einen Ausbau des Sozialstaates durch diese Regierung, und es gibt einen Abbau sozialistischer Politik. Das tut dem Staat gut! (Beifall bei der ÖVP.)

21.33

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. Ich erteile ihr das Wort.

21.33

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich stehe vor fast leerem Saal. Aber es sind noch einige Herrschaften von der Sozialdemokratie da, das ist besonders wichtig. (Bundesrat Kraml: Ich höre Ihnen zu!) Es geht nicht nur darum, dass diese Schlechtmacherei und Panikmacherei, das Schwarzmalen und das Verdrehen der Tatsachen, wie Sie es heute den ganzen Tag über und in der letzten Zeit in den Medien gemacht haben, das Eingeständnis Ihrer Schuld an einer Fast-Liquidation eines so einmaligen, wunderbaren Landes wie Österreich ist, sondern auch darum, dass all die Aussagen, die Sie heute von sich gegeben haben, langsam einfach widerlich werden. (Bundesrat Kraml: Jetzt höre ich Ihnen nicht mehr zu!)

Sie wissen ganz genau, dass eine Regierung die Verantwortung für das Land und seine Bürger übernommen hat, die nicht – wie in der vergangenen Legislaturperiode – durch Umschichtungen der Gelder kurzfristige Lösungen herbeiführt, sondern längerfristig, aber umso nachhaltiger den Wirtschaftsstandort Österreich durch ihre Arbeit auch für die Zukunft unserer Kinder zu sichern versucht. Es wäre in Ihrer Regierungszeit niemandem eingefallen, ein Konjunkturbelebungsgesetz neu zu verabschieden, das zum Beispiel auch eine Liberalisierung der Gewerbeordnung vorsieht. Das ist von uns Wirtschaftstreibenden nicht so leicht mitzutragen, wir wissen aber auch ganz genau, dass es notwendig ist, mitzuarbeiten und das Unsrige dazu beizutragen.

Sie haben in all den Jahren eine Loch-auf-Loch-zu-Politik betrieben. Ihnen war es gänzlich egal, ob das Loch immer größer geworden ist. In das Loch sind Sie schlussendlich, wie ich schon vorhin gesagt habe, bei der letzten Nationalratswahl gefallen, aber völlig selbstverschuldet. Sie


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haben niemand anderem die Schuld zuzuweisen. (Bundesrat Kraml: Auch Sie werden wieder fallen!) Das Volk – und zwar auch Ihre früheren Wähler, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie – spürte, dass Sie nicht mit ehrlichen Karten spielten und dass Sie dem Volk die Wahrheit über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Staatshaushaltes und die entsprechenden Tatsachen vorenthielten. Langsam müssten Sie ja vor lauter Augen-Zumachen Schlitzaugen bekommen. Denn auch ein fast Blinder erkennt schon, was diese Regierung in den letzten zwei Jahren bereits Positives für dieses Land und seine Bürger geleistet hat.

Diese Regierung reagiert auf Wirtschaftsprognosen sofort. Wir sind zuversichtlich, dass die letzten Prognosen, die eine weitere, fortlaufende Steigerung des Wirtschaftswachstums voraussagen, stimmen werden. Außerdem vertrauen wir – so denken auch wir Freiheitliche – auf die Wirtschaftstreibenden, nicht so wie Herr Kollege Konecny, der sie fast verdammt hat. (Bundesrat Kraml: Da haben Sie nicht zugehört!) Das hat mir als Wirtschaftstreibender besonders wehgetan. Er vergisst total, dass gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen diejenigen sind, die die Arbeitsplätze erhalten und Wesentliches zum Wirtschaftsstandort Österreich beitragen.

Sie von der Sozialdemokratischen Partei würden sagen: "Das Wort in Gottes Ohr, wenn es so kommen wird." Aber wir antworten Ihnen: Das Vertrauen haben Sie nie in die österreichische Bevölkerung und schon gar nicht in die Gewerbetreibenden gesetzt. Daher konnten Sie auch bei den letzten Nationalratswahlen nicht erwarten, dass die arbeitende Bevölkerung das Vertrauen in Sie und in Ihre Politik setzt.

Sie werden es auch für die nächste Wahl nicht erwarten können, weil Sie sich nie ändern werden, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ihre Sozialschmarotzerpolitik, mit der Sie jetzt in den Medien für Ihre Wirtschaftspolitik werben wollen, nimmt Ihnen niemand mehr ab. 100 Millionen j würde dieses Forderungspaket der Sozialdemokratie kosten. (Bundesrat Konecny: In welcher Währung?)

Sie werden nicht müde, alles, was diese Regierung tut, in den Schmutz zu ziehen, auch wenn diese Regierung Dinge erledigt, von denen Sie genau wissen, dass diese schon von Ihnen zu erfüllen gewesen wären. Vieles hätten Sie vielleicht auch erledigen wollen, aber es blieb eben jahrelang und jahrzehntelang nur beim Wollen.

Trotz Ärmel-Aufkrempeln, trotz Fleiß und trotz der guten Arbeit der Regierung kann sich das kleine Österreich von der internationalen Entwicklung nicht trennen und musste nun einen kleinen, aber doch einen Konjunkturabfall hinnehmen. Wir sind eben ein Glied – ein bedeutendes Glied – der Weltwirtschaft. Aber diese Regierung hat nicht einfach resigniert und gesagt, wir können ohnehin nichts ändern, sondern hat klaren Kopf behalten und nicht ideenlos und unkontrolliert die Milliarden in die Nachfrage vertan. Da würden sie genauso an den Schulden scheitern wie Ihre Regierung in alter Zeit. (Bundesrat Kraml: Deshalb gibt es Hunderttausende Arbeitslose!)

Wir zeigen den anderen Ländern, wie es geht, trotz Unkenrufen der Sozialdemokraten. Diese Regierung wird nicht den Fehler machen, eine Politik der Resignation zu machen, sondern diese Politik heißt: Handeln für eine positive Zukunft!

Noch nie zuvor hat eine Regierung – und das habe ich gerade in den letzten zwei Tagen erleben können – dem Tourismus die Bedeutung und den Stellenwert zuerkannt, der ihm gebührt. Diese Regierung ist sich auch der Bedeutung des Tourismus als Arbeitgeber bewusst und hat ihm zwei volle Tage gewidmet, in denen sie positive Ergebnisse und Erkenntnisse erzielen konnte – überparteilich und gut. Wir haben eine Konjunkturbelebung und von vielen denkenden Köpfen Verantwortung und Intelligenz zu erreichen.

Vergleichen wir unsere Konjunktur mit jener in Deutschland: Rekord-Arbeitslosigkeit – 3 Millionen Arbeitslose – und Budgetdefizit. Die Arbeitsmarktdaten der letzten Regierung, Ihrer Regierung, waren nie korrekt und immer nur geschönt. In Portugal hat Staatschef Guterres den blauen Brief bekommen, und zwar nicht aus Brüssel, sondern von den Wählern. Das Gesundheits


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system hat er vor die Hunde gehen lassen, nichts für die Wirtschaft gemacht und um das Geld der EU-Förderungen Prunkbauten gebaut. Das ist die "soziale" Gesundheitspolitik, die auch Sie betreiben wollen. Das haben wir vorhin genau gemerkt, als Sie mit Herrn Bundesminister Haupt verhandelt haben.

Anerkennen Sie einmal die Zahlen, mit denen der jetzige Finanzminister als Erster mit Ehrlichkeit und Offenheit dem Volk Ihre Schuldenpolitik vor Augen geführt hat. Herr Kollege Klamt hat es schon erwähnt hat: 1998 gab es rund 3 Millionen Unselbständige, 2001 waren es 3 148 000, also um 72 000 Beschäftigte mehr. Alle internen Vergleichszahlen zeigen uns, dass Österreich die Konjukturschäden wesentlich besser überstanden hat. Alle Zahlen zeigen keine Senkung, sondern steigende Tendenz.

Die Regierung versucht, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Das muss das Ziel sein – und nicht, wie früher, die immerwährende Abhängigkeit von Banken und vom Staat –: Eigenkapital bilden, erhalten, investieren, Arbeitslosigkeit senken und nicht verstärken mit einer "Ohne Wenn und Aber alle Ausländer rein!"-Politik, wie Ihr Kollege Gusenbauer es möchte, aber nicht erklären kann oder nicht erklären will, warum österreichische Arbeiter durch billige Ausländer ersetzt werden sollen. (Bundesrat Thumpser: Dafür holen wir die Saisonniers! – Bundesrat Konecny: Ich habe mir eingebildet, das ist das, was Sie gerade beschlossen haben!) Das hat nichts mit Saisonniers zu tun. (Bundesrat Konecny: Ach, gar nichts! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Attraktive Arbeitsplätze für unsere Jugend schaffen, auch und vor allem im Tourismus (Bundesrat Konecny: Hat auch nichts mit dem Speditionsgewerbe zu tun! Nichts mit der DDSG! Nichts mit ...!) – daran arbeitet Frau Staatssekretärin Rossmann und hat bereits gute Arbeit geleistet, Herr Kollege Konecny! Dann kann es nicht mehr sein, dass wir zum Beispiel auch im Tourismus wesentlich mehr offene Lehrstellen als Lehrstellensuchende haben. Vergessen Sie endlich diese Schlechtmacherei! Das ist nicht die Politik einer wirtschaftsfreundlichen Regierungspartei.

Jetzt ist erst einmal der Schuldenberg zu sanieren, und dann ist Ihre – ich sage: genau Ihre, Herr Kollege Konecny – Steuerpolitik zu reparieren. (Bundesrat Konecny: Meine persönliche, gut!) Wer hat diesen unsinnigen 13. Umsatzsteuertermin eingeführt, nur um beim Jahreswechsel ein Budget zu beschönigen? – Niemand hat das bis heute verstanden. Dass dieser abgeschafft werden muss, wissen Sie. (Bundesrat Todt: Aber Herr Grasser kann ihn ja abschaffen!) Das hat nicht der Kollege ... (Bundesrat Todt: Das kann er schon!) Ja, wenn Sie nicht so viele Schulden hinterlassen hätten, wäre das schon längst erledigt gewesen. (Bundesrat Todt: Reden Sie nicht so einen Blödsinn daher!)

Was Ihre Steuerpolitik betrifft, die nichtentnommenen Gewinne nochmals zu versteuern, so ist dieser Regierung völlig klar, dass das nicht von Dauer sein kann. Bezüglich Ihre Besteuerung von Geschäftsessen wissen Sie genau, dass Sie damit nicht nur die Wirte getroffen und ihnen das Geschäft weggenommen haben, sondern auch viele Arbeitsplätze ruiniert haben. So hat Ihre ruinöse Finanz- und Wirtschaftspolitik ausgesehen, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie!

Wir machen das nicht, was uns von Ihnen empfohlen wird – das wird das österreichische Volk verstehen und bei der nächsten Wahl anerkennen –, nämlich die Schuldenpolitik der letzten 30 Jahre fortzusetzen (Bundesrat Thumpser: Wer aber ist das Volk?), die Finger in die Staatskasse stecken zu wollen, herauszunehmen, zu entleeren und neue Schulden zu machen. Diese Regierung gibt ein großes Signal, das nicht auf großproporzionelle Staatsbetriebsförderung ausgerichtet ist. (Bundesrat Thumpser: Haben Sie sich auch coachen lassen, Frau Kollegin?) Gas, Strom, auch die Gewerbeordnung – alles ist ausgerichtet auf die Erhaltung und Förderung der wirtschaftlichen Kleinstrukturierung der österreichischen Wirtschaftspolitik. Vor allem die kleinen und mittelständischen Unternehmen werden davon profitieren.

Diese Regierung gibt eindeutig dieses Signal: Kleine und mittelständische Unternehmen sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Sie stellen die meisten Arbeitsplätze, sie zahlen die Steuern in Österreich, und, wie Finanzminister Karl-Heinz Grasser sagt, sie verdienen es, im Mittelpunkt


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der Konjunkturbelebungsprogramme der Regierung und dieses Hohen Hauses zu stehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.44

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Ilse Giesinger das Wort. – Bitte.

21.44

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Beim Konjunkturbelebungsgesetz möchte ich vor allem zu Artikel 3, Änderung des Neugründungs-Förderungsgesetzes, sprechen.

Es ist ein Fortschritt, dass nun auch bei Betriebsübergaben, die seit 1. Jänner 2002 erfolgen, einige Rahmenbedingungen verbessert beziehungsweise den für die Betriebsgründer geltenden gleichgestellt werden. So entfällt zum Beispiel unter bestimmten Bedingungen die Grunderwerbsteuer, und es werden verschiedene Steuer- und Gebührenbefreiungen, die Neugründer bisher schon hatten, nun auch auf Betriebsübergeber ausgeweitet.

Mir persönlich sind gute Rahmenbedingungen auch bei Betriebsübernahmen ein besonderes Anliegen, und ich bedanke mich für das Verständnis des Wirtschafts- und Finanzministeriums. Wir, zum Beispiel der Bund, die Länder, die Wirtschaftskammern und so weiter, tun nämlich sehr viel bei Neugründungen von Betrieben, und das ist auch gut so. Betriebsübergaben sind ebenfalls wichtig, oft jedoch in der Praxis sehr schwierig. Denn es nützt uns allen zum Beispiel wenig, wenn zwar viele Betriebsneugründungen stattfinden, jedoch gleichzeitig bestehende Betriebe nicht mehr weitergeführt werden, weil die Betriebsinhaber in Pension gehen oder krank werden oder andere Dinge passieren. Daher denke ich, dass es sehr wichtig ist, gute Rahmenbedingungen auch für Betriebsübergaben zu schaffen. Das heutige Gesetz ist ein weiter, wichtiger Schritt dazu, wofür ich mich noch einmal bedanke.

Die Praxis einer Betriebsübergabe sieht gerade bei Klein- und Mittelbetrieben – die ja zirka 95 Prozent der Betriebe in Österreich ausmachen – so aus, dass entweder Familienmitglieder oder Außenstehende übernehmen. Zu dieser Zeit sind oft strukturelle und bauliche Änderungen im Betrieb notwendig, die viel Geld kosten.

Betriebsübergeber haben gegenüber Neugründern den Vorteil, dass meistens ein gewisser Kundenstock und gute Mitarbeiter vorhanden sind. Auch das ist ein Grund dafür, warum die Betriebsnachfolge so wichtig ist, damit keine weiteren Arbeitsplätze verloren gehen. Da ist es gerade auch die Aufgabe der Politik, gute Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, die Realität zu sehen und dementsprechend zu handeln.

Als zweiten Punkt möchte ich noch kurz auf die Änderung des Fremdengesetzes und des Bundesfinanzgesetzes eingehen. Eigentlich ist es traurig, dass 98 Planstellen zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung bereitgestellt werden müssen beziehungsweise laut diesem Gesetz nun zur Verfügung stehen. Da müssen wir uns als verantwortliche Politikerinnen und Politiker fragen, warum das notwendig ist und was falsch läuft beziehungsweise schon seit Jahren falsch gelaufen ist. Diese Tatsache, dass 98 Planstellen zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung notwendig sind, stellt uns allen eigentlich kein gutes Zeugnis aus. (Bundesrat Konecny: Uns schon, aber nicht den Betrieben!) Das gibt mir sehr zu denken.

Abschließend möchte ich sagen, dass wir als Verantwortliche in der Politik die Rahmenbedingungen so schaffen müssen, dass mehr Eigenverantwortlichkeit, mehr Selbständigkeit und mehr Herzensbildung des Einzelnen möglich werden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm. ) Dazu sind wir meiner Meinung nach gefordert, und ich denke, das versucht auch diese Regierung. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm. )


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21.49

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Staatssekretärin Mares Rossmann das Wort. – Bitte.

21.49

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Mares Rossmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn auf die Argumentation von Kollegen Freiberger eingehen, dass die Neuregelung der privaten Arbeitsvermittlung keine Dynamisierung auf dem Arbeitsmarkt darstellt. Dem widerspreche ich heftig! Selbstverständlich wird es eine Dynamisierung darstellen, vor allem wenn es darum geht, Konkurrenz zu schaffen. Private Konkurrenz zum Arbeitsmarktservice ist sicherlich angebracht, auch in Richtung einer gezielteren Vermittlung, einer gezielteren Weiterbildungsmöglichkeit und vor allem einer gezielteren Zuteilung.

Was meine ich damit? – Die Praxis zeigt, dass sich viele Arbeitnehmer, viele Arbeitsuchende zwar arbeitslos gemeldet haben – ich bleibe beim Tourismus, zum Beispiel als Koch, aber Koch ist eben nicht gleich Koch – und dann nicht vermittelbar sind. Der Betrieb, der einen Koch sucht, sucht einen bestimmten Koch. Das AMS ist zur Zeit noch nicht in der Lage – oder teilweise noch nicht in der Lage –, dies ganz gezielt zu definieren. (Bundesrat Kaltenbacher: Ihr könnt es nicht! Wir können es schon, Frau Staatssekretärin!) Da sind zum Beispiel private Arbeitsvermittler viel dynamischer, die ganz klare Anforderungsprofile, Analysen ... (Bundesrat Kaltenbacher: Ihr könnt nicht die Anforderungsprofile erstellen! Schauen Sie sich die Anforderungsprofile einmal an!)

Wir haben das, wir sind am Arbeiten. Aber diese privaten Arbeitsvermittlern sind jetzt sicherlich eine Bewegung, um gesunde Konkurrenz zu erzeugen und eine Dynamisierung zu beschleunigen.

Aber ich sage in diesem Zusammenhang auch: Dass jetzt die Arbeitsvermittlung und Arbeitskräfteüberlassung in einer Hand beziehungsweise beides zugleich möglich ist, wird die Vermittlung ebenfalls beschleunigen. In diesem Zusammenhang freue ich mich, dass es endlich gelungen ist, einen KV für Leiharbeiter zu schaffen – eine Forderung, die ich auch an dieser Stelle schon öfters deponiert habe. Ich bin froh, dass das nach langjährigen Verhandlungen nun endlich möglich ist. (Beifall der Bundesräte Dr. Böhm und Ing. Grasberger.  – Bundesrat Konecny: Der Jubel kennt keine Grenzen!)

Eine weitere langjährige Forderung ist, ältere Arbeitnehmer – und ich sage bewusst: ältere, erfahrene Arbeitnehmer – einer größeren Wertschätzung zuzuführen und vor allem älteren Arbeitnehmern, wenn sie noch auf dem Arbeitsmarkt bleiben und nicht in Pension gehen wollen, die Arbeit zu erleichtern, das heißt auch, sie attraktiver zu gestalten, sowohl für den Arbeitnehmer als auch für sich selbst. Dass dabei die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung fallen, ist sicherlich ein erster Schritt in diese Richtung.

Ich sage auch, dass in der Europäischen Union gerade für ältere Arbeitnehmer vieles angedacht wird. Dort wird nicht einmal mehr von älteren Arbeitnehmern gesprochen, sondern nur noch von erfahrenen Arbeitnehmern, um die Wertschätzung der Erfahrung eines älteren Arbeitnehmers herauszustreichen. Ich glaube, das ist ein Schritt in diese Richtung.

Die Kontrolle der illegalen Beschäftigung mit einer Verdreifachung wurde angesprochen. Wir sind sehr froh, dass die Kontrolle nun auf diese Art und Weise möglich ist, und ich sage auch – wie es bereits von Kollegen Klamt angesprochen wurde –, es wird da mehr Gerechtigkeit gegenüber Unternehmern, aber auch gegenüber anderen Arbeitnehmern geben.

Abschließend möchte ich sagen, das Konjunkturbelebungspaket ist in seiner Gesamtheit wirklich ein großes Konjunkturbelebungspaket – auch wenn Sie es nicht hören wollen. Ich möchte nur ein paar Eckpunkte aufzählen, weil das in der Diskussion nicht so herausgekommen ist.

Man darf nicht vergessen, dass auch die gesamte Reform der Gewerbeordnung enthalten ist – das werden wir hier noch diskutieren –, mit der Flexibilisierung der Nebenrechte, mit der Vereinfachung des Gewerbezugangs, mit dem One-Stop-Shop-Prinzip bei der Gewerbeanmeldung, mit der Modernisierung der Meisterprüfung, mit der Anpassung der Befähigungsnachweise an EU-Recht, wovon wir immer gesprochen und was wir immer gefordert haben; Sie haben es nicht zu Stande gebracht, wir machen es. Auch die Verlängerung des Neugründungs-Förde


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rungsgesetzes – Kollege Finz wird vielleicht noch darauf eingehen – ist darin ein wichtiger Passus, ebenso die Verkürzung der Betriebsanlagenverfahren auf drei Monate. Das ist wirklich Konjunkturbelebung, wenn jemand der aufsperren will, beim Aufsperren nicht behindert wird. Letzten Endes sind im Infrastrukturpaket die Ausschreibung von kleinen Baulosen – das ist Konjunkturbelebung – und die Wiedereinführung der vorzeitigen AfA mit 7 Prozent auf bauliche Maßnahmen enthalten. Auch das ist Konjunkturbelebung, auch wenn Sie es nicht hören wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In Summe ist das ein Gesamtpaket, das die Kaufkraft erhöht (Bundesrat Kaltenbacher: ... die Arbeitslosigkeit steigert!) und die Wirtschaft ankurbelt, sodass die Wirtschaft arbeiten kann und entlastet wird. Eine Lohnnebenkostensenkung und eine Steuerreform werden die nächsten Schritte sein. Auch wenn Sie es hier nicht zur Kenntnis nehmen wollen: Die Regierung ist auf dem richtigen Weg! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.54

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Dr. Alfred Finz das Wort. – Bitte.

21.54

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Es ist an diesem Abend sehr viel über die wirtschaftliche Lage gesprochen worden; angeblich soll sie in Österreich so katastrophal sein. Ich möchte dem die nackten Zahlen entgegenstellen.

Wir haben nicht nur das veranschlagte Budgetdefizit, das noch im Jahr 1999 bei 67 Milliarden Schilling lag, erheblich herabgesetzt, sondern wir haben diese Werte im Erfolg auch noch erheblich unterschritten, und zwar im Jahr 2000 um rund 1,1 Milliarden € oder 15 Milliarden Schilling. Auch heuer, im Jahr 2002, werden wir ein um ungefähr 1 Milliarde € besseres Ergebnis gegenüber dem Voranschlag erreichen. Was ist die Wirkung hievon? – Denn das ist das Bedeutende. Würde es nur bei einer Reduzierung bleiben, so wäre das schlecht.

Wir hatten im Jahr 1999 ein Defizit von minus 2,2 Prozent, gemessen am BIP. Die Eurozone hatte zu diesem Zeitpunkt, im Jahr 1999, ein Defizit von minus 1,3 Prozent. Im Jahr 2001 haben wir einen Überschuss von 0,1 Prozent gehabt, die Eurozone weiterhin ein Defizit von minus 1,3 Prozent. Wir haben also die Relation und damit unsere Wettbewerbssituation verbessert, die jetzt vor allem in einem gemeinsamen Binnenmarkt mit einer gemeinsamen Währung wichtig ist, und damit für unseren Wirtschaftstandort eine erheblich bessere Ausgangslage erwirkt.

Wir haben unseren Schuldenstand, der am Bruttosozialprodukt gemessen wird und 64,9 Prozent im Jahre 1999 betrug, inzwischen, im Jahr 2001, auf 61,7 Prozent heruntergedrückt. Was bedeutet das, wenn wir jetzt weniger Schulden haben?

Dann haben wir für alte Schulden, die für Investitionen in der Vergangenheit geleistet wurden – Investitionen, die längst schon ausgelaufen sind –, geringere Zinsen aufzuwenden. Wir hatten im Jahr 1999 noch einen jährlichen Zinsenaufwand von 7,2 Milliarden €. Jetzt hat sich durch diese Maßnahmen, durch die Defizitsenkung, durch die Senkung der Gesamtschulden, dieser Wert auf 6,8 Milliarden € verringert. Damit kommt es für die Zukunft schrittweise zu einer Erweiterung der Ausgabemöglichkeiten, weil wir nicht mehr Budgetgelder für alte Schuldenzinsenzahlungen verwenden müssen. Das ist der Vorteil.

Sie von der Opposition haben heute ein durchaus vernichtendes Urteil gefällt. Sie haben sich aber wahrscheinlich nicht mit dem beschäftigt, was das Ausland sagt. Das Ausland, nämlich der Europäische Rat, sagt am 22. Jänner zu dem im November vorgelegten Stabilitätsprogramm für die Jahre 2001 bis 2005 Folgendes: "Der Rat begrüßt, dass im Jahre 2001 insbesondere im Bereich der Pensionen und der öffentlichen Verwaltung wichtige Maßnahmen zur Realisierung struktureller Einsparungen getroffen worden sind, die dazu beigetragen haben, den gesamtstaatlichen Haushalt im Jahr 2001 auszugleichen."


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Er stellt weiters fest: "Dies entspricht den in den Grundzügen der Wirtschaftspolitik" – nämlich der EU – "enthaltenen Empfehlungen des Rates." Er sagt an anderer Stelle weiter: "Der Rat ist der Auffassung, dass es für Österreich angemessen ist, 2004 bis 2005 den in der Fortschreibung projizierten Haushaltsüberschuss zu erreichen. Mittelfristig ist ein Haushaltsüberschuss eine zentrale Voraussetzung, um die Schuldenquote nennenswert zu senken, was in Anbetracht des von der Bevölkerungsalterung ausgehenden langfristigen Ausgabendruckes notwendig erscheint." Er sagt noch etwas ganz Besonderes: "Kurzfristig fordert der Rat die österreichische Regierung auf, die Senkung der Lohnnebenkosten, die bereits um ein Jahr verschoben wurde, wie geplant im Jahr 2003 vorzunehmen."

Was ist jetzt das Programm der Opposition? – Der ehemalige Bundesminister für Finanzen Edlinger sagt: keine Lohnnebenkostensenkung durchführen. Der Bundesparteiobmann sagt etwas ganz Besonderes: Einerseits sagt er, dass das Schuldenmachen in der Vergangenheit schlecht war; er sagt, ein ausgeglichenes Budget soll sogar in der Verfassung verankert werden – Kelsen wird sich im Grab umdrehen, wenn er das hört; aber gut, das soll verankert werden (Bundesrat Konecny: Er hat etwas anderes auch dazu gesagt! Lesen Sie den ganzen Text!)  –, und andererseits empfiehlt er gleichzeitig eine Steuersenkung um 3 Milliarden €. Das müsst ihr mir vormachen, wie das gehen soll!

Ich wurde jetzt dieser Tage im Budgetausschuss gefragt, was ich von diesen Vorschlägen halte? – Ich habe gesagt, ich komme mit diesen Vorschlägen nicht mehr mit, denn sie kommen schneller als ein Hase Haken schlagen kann. Zu dieser Art von Budgetpolitik: ausgeglichen, gleichzeitig ein Defizit zu machen, nicht zu erklären, wie dieses Defizit in der Höhe von 50 Milliarden Schilling abgedeckt werden soll, dann aber gleichzeitig zu sagen, von dieser ausgeglichenen Budgetquote sind für diese und jene Investitionen Ausnahmen zu machen, kann man nur sagen: Das ist in Wirklichkeit kein ausgeglichenes Budget, sondern eine Lizenz zum Schuldenmachen. Von dieser Lizenz zum Schuldenmachen haben wir dreißig Jahre lang gelebt, und davon haben wir endgültig genug! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.0


Bundesrat
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686. Sitzung / Seite 194

1

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Konjunkturbelebungsgesetz 2002.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag ist angenommen .

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz und das Bundesfinanzgesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag ist angenommen .

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz von Preisen für Erdöl, Mineralölerzeugnisse, Gas, Strom, Arzneimittel sowie der Preisauszeichnungsvorschriften (Preistransparenzgesetz) geändert wird (948 und 1041/NR sowie 6627/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz von Preisen für Erdöl, Mineralölerzeugnisse, Gas, Strom, Arzneimittel sowie der Preisauszeichnungsvorschriften (Preistransparenzgesetz) geändert wird.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann übernommen. Ich bitte sie darum. (Bundesrätin Haunschmid: Wir haben das umgemeldet! Die Vorsitzende erstattet den Bericht!) Ich höre, die Frau Berichterstatterin ist nicht anwesend. An ihrer Stelle übernimmt die Frau Vorsitzende des Ausschusses die Berichterstattung. – Bitte.

Berichterstatterin Ulrike Haunschmid: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 20. März 2002 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz von Preisen für Erdöl, Mineralölerzeugnisse, Gas, Strom, Arzneimittel sowie der Preisauszeichnungsvorschriften (Preistransparenzgesetz) geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich verzichte daher auf die Verlesung und stelle folgenden Antrag:

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2002 betreffend das Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen samt Anlagen (987 und 1060/NR sowie 6628/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung: Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen samt Anlagen.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Anna Höllerer übernommen. Ich bitte sie darum.

Berichterstatterin Anna Höllerer: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Der Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 21. März 2002 betreffend das Protokoll von Kyoto zum


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Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen samt Anlagen liegt in Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Gottfried Kneifel das Wort. – Bitte.

22.05

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Unser Energieverbrauch und die damit verbundenen Wirkungen – Stichwort: Treibhauseffekt – stoßen an Grenzen. Sowohl internationale als auch europaweite und nationale Verpflichtungen geben neue Ziele und Rahmenbedingungen vor. Gefragt sind daher Lösungen, die es ermöglichen, den gleichen oder einen höheren Lebensstandard mit weniger Energieverbrauch zu erzielen und den verbleibenden Energiebedarf möglichst aus umweltverträglichen Quellen zu decken.

Es ist unter anderem angesichts konkreter europäischer Beschlüsse und internationaler Konventionen zur Verringerung der CO2-Emissionen notwendig, das Engagement bei der Förderung der Energieeffizienz der erneuerbaren Energieträger und innovativen Energietechnologien sowohl in Österreich als auch auf europäischer Ebene verstärkt voranzutreiben.

Wenn man wieder zu den Zahlen und Fakten zurückkehrt, muss man sagen, Österreich liegt diesbezüglich im internationalen Vergleich ganz hervorragend: bei den Schadstoffemission insgesamt gemäß einer EU-Statistik, die erst vor wenigen Tagen herausgekommen ist, am zweiten Platz hinter den Niederlanden und bei den Treibhausgasemissionen am achten Platz von insgesamt 21 gereihten Industriestaaten. Diese Bilanz kann sich durchaus sehen lassen. Ich glaube, dass die Energieeffizienz und die erneuerbaren Energieträger Eckpfeiler dieser nachhaltigen Politik, die uns zu diesen hervorragenden Daten geführt hat, sind und dass diese nachhaltige Energiepolitik auch eine erhöhte Versorgungssicherheit, Vorteile für neue Produkte und auch neue Arbeitsplätze bewirkt.

Es gibt in Österreich bereits mehr als 230 Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energietechnologien, also so genannte Ökoenergieunternehmen. Allein im Bundesland Oberösterreich, aus dem ich komme, erwirtschaften bereits insgesamt 102 Ökoenergiebetriebe einen Umsatz von mehr als 2,2 Milliarden Schilling. Das ist auch schon ein beträchtlicher Wirtschaftsfaktor geworden, was zumeist unterschätzt wird. Insgesamt finden dort bereits 1 500 Beschäftigte sichere Arbeitsplätze. Die Exportquote dieser Betriebe – und das ist beachtlich –, die sich dieses Ziel als Unternehmenszweck definiert haben, beträgt bereits über 50 Prozent.

Insbesondere im Lichte der Verpflichtungen von Kyoto muss das gesamte wirtschaftliche Energiesparpotenzial ausgeschöpft werden. Das sind nach Schätzungen der Europäischen Kommission bis zum Jahr 2010 für alle Sektoren zusammen rund 80 Prozent des Endenergieverbrauches des Jahres 1995.

Es geht also, zusammengefasst, um folgende Schwerpunkte: erstens Erhöhung der Energieeffizienz, zweitens verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energieträgern, drittens Nutzung der Wasserkraft bis zu ökologisch definierten Grenzen – das kann natürlich nicht ad infinitum


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fortgesetzt werden – und viertens Minimierung der fossilen Energieträger. Das sind die vier Hauptziele, die zu verfolgen sind.

Das Energiekonzept der Bundesregierung verfolgt diese Ziele unter Umweltminister Molterer ganz konsequent, um eine nachhaltige Energieversorgung unseres Landes zu sichern, die Lebensqualität der Bevölkerung zu steigern, die Wirtschaft zu stärken und die Zahl der Arbeitsplätze in diesen Bereichen auch ständig zu vermehren.

Es ist ganz interessant, wenn man zum Beispiel das Land Oberösterreich näher betrachtet. Ich nenne das nicht deshalb, weil es mein Heimatbundesland ist, sondern weil sich 25 Prozent der gesamtösterreichischen Energiebilanz aus diesem Bundesland rekrutieren. Der Anteil der erneuerbaren Energieträger an der Gesamtenergie, also erzeugte Energie im Vergleich zur Gesamtenergie, beträgt in Oberösterreich bereits – man höre und staune! – 30 Prozent. Österreichweit beträgt dieser Prozentsatz 24 und EU-weit nur 6 Prozent. Man merkt also, wie weit wir in Österreich in diesem Bereich eigentlich fortgeschritten sind. Das ist kein Zufall, bitte, das ist ein Bestandteil und ein Ergebnis einer ganz konsequenten Energiepolitik, einer Energiepolitik, die sich ganz konsequent und kontinuierlich den erneuerbaren Energieträgern zuwendet und auch die bekannten Erfolge zeitigt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Es ist natürlich kein Wunder, dass sich beim letzten EU-Gipfel in Barcelona herausgestellt hat, dass von den 15 EU-Ländern bei insgesamt 47 Indikatoren, die von diesen Ländern geprüft worden sind, Österreich in diesem Bereich auf dem ersten Platz gelandet ist. Aber noch etwas ist bemerkenswert: Bei der Energieeffizienz – das ist der Indikator, inwieweit es Betrieben gelingt, die Energie effizient einzusetzen – landen die österreichischen Betriebe auf dem zweiten Platz im Ranking von allen 15 EU-Staaten. Wir sind also in diesem Bereich schon sehr weit fortgeschritten, und das ist ebenfalls ein Bestandteil einer ganz hervorragenden Energie- und Umweltpolitik in diesem Staate.

Aber man darf sich auf den Lorbeeren nicht ausruhen. Wenn man schon weit vorne ist, hat man auch eine Verantwortung, diesen Weg weiterzugehen, insbesondere bei neuen Technologien. Das heißt, man muss Forschungsprogramme vorantreiben, das, was man forscht, im Lande selbst anwenden und in den Betrieben, in der Praxis umsetzen. Stichworte: Windenergie, Photovoltaik, Biomasse.

Ich denke daran, dass etwa die Firma Fischer, ein High-Tech-Betrieb in Ried in Oberösterreich, Zulieferer für Flugzeugindustrie und so weiter, ihren gesamten Energiebedarf aus Bioenergie, aus erneuerbarer Energie deckt. Das ist ein Meilenstein. Somit können wir nicht nur von der Theorie sprechen, sondern auch auf die Praxis verweisen und darauf, dass wir das umsetzen.

Ich sehe es auch als einen großen Fortschritt an, dass heuer in Wels in Oberösterreich ein Fachhochschullehrgang mit 36 Studenten beginnt, der sich dem Thema Ökoenergietechnologie widmet. Das sind die zukünftigen Ingenieure, die uns auf diesem Weg weiterbringen, der sich nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Bevölkerung, für die Arbeitnehmer und für die Wirtschaft im Gesamten in diesem Staate hervorragend ausgewirkt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

22.14

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Johann Kraml das Wort. – Bitte.

22.14

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! "Klima an der Kippe" hat es diese Woche einmal im ORF geheißen, eine Fernsehsendung, die es diese Woche oder in den nächsten Tagen geben wird. Das zeigt, dass das Klima in einer dramatischen Situation ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Steinbichler: Der Klima und die Klima!)

Meine Damen und Herren! Die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls ist mit Sicherheit ein ganz wichtiger Schritt, und die konsequente Umsetzung dieses Protokolls soll dann zur Gesundung des Weltklimas beitragen. Kollege Kneifel hat einige Zahlen genannt – du brauchst deswegen


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nicht aufzustehen, du kannst ruhig sitzen bleiben (Bundesrat Kneifel: Danke!)  –, es waren imposante Zahlen, und das Bundesland Oberösterreich ist da sicherlich ein Vorreiter.

Allerdings nur erste Plätze und nur zweite Plätze, Herr Kollege, haben wir nicht. Österreich war da sicherlich schon einmal erfolgreicher. Wenn ich mir die Zahlen so ansehe, dann sieht man alleine bei den Treibhausgasen, die europaweit im Durchschnittswert um 4 Prozent gesunken sind, dass diese in Österreich um 2,6 Prozent gestiegen sind.

Oder die CO2-Emmissionen: Da hat es europaweit eine Verringerung von 1,6 Prozent gegeben, bei uns aber eine Zunahme von 5,9 Prozent. Das sind keine erfreulichen Werte. Sie zeigen uns auch, dass wir da etwas tun müssen, dass wir das einbremsen müssen, dass wir eine entsprechende Umkehr erreichen müssen.

Mit dem Kyoto-Protokoll verpflichten wir uns nun zu einer Reduktion in der Höhe von 13 Prozent. Das alleine wird aber nicht genügen, wenn man sich die Steigerungen der letzten zehn Jahre ansieht. Auch der heutige Beschluss alleine wird daran nichts ändern. Dazu bedarf es finanzieller Mittel, von denen Kollege Kneifel auch nichts gesagt hat. Die brauchen wir, doch die hat der Finanzminister bisher noch nicht freigegeben. Sie, Herr Bundesminister, sind mit Sicherheit ein engagierter Kämpfer im Umweltbereich, nur der Finanzminister macht da einfach nicht mit, er ist anscheinend von seinem Nulldefizit-Budget so fasziniert, dass er völlig auf die Umwelt vergisst.

Meine Damen und Herren! Jedes Land hat für sich die entsprechenden Maßnahmen umzusetzen, wenn wir erfolgreich sein wollen. Und wir müssen erfolgreich sein, weil uns die Umwelt bereits jetzt ernste Zeichen gibt, dass das Klimagleichgewicht gefährdet ist. Die Frage, die ich eingangs schon erwähnt habe – Klima an der Kippe? –, ist berechtigt angesichts der Tatsache, dass sich bereits jetzt riesige Eisberge lösen, dass es in ganzen Landstrichen monatelang nicht regnet. Bei uns ist das im Bundesland Kärnten der Fall. Das heißt, da muss wirklich etwas getan werden. (Bundesrat Kneifel: Was sollen wir denn tun? Der Landeshauptmann kann das Klima nicht ändern!)

Wir müssen insgesamt das Klima ändern. Von dort kommt es ja her. Wir können nicht den Regen herbeibeten, das weiß ich schon, und Medizinmänner sind wir auch keine. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das meine ich doch. Da frage ich mich, warum das Ganze dann so schwierig ist, warum seitens der Bundesregierung nicht mehr Druck gemacht wird und warum da auch nicht mehr Geld eingesetzt wird. (Bundesrat Kneifel: Die Bundesregierung tut ohnehin was!)

Es gibt nämlich im ganzen Land ein breites Betätigungsfeld. Das fängt beim Wohnbau und bei der Althaussanierung an – das zeigen wir in Oberösterreich vor, wo die entsprechenden Beschlüsse gefasst worden sind –, wir können noch vermehrt den Bereich der Fernwärme nützen, wir können den Schwerverkehr von der Straße auf die Schiene bringen. Das sind ganz wichtige Bereiche. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn wir über den Generalverkehrsplan sprechen und gesagt wird, dass wir die Schiene sowieso ausbauen, dann müssen wir auch sehen, dass bei der Schiene die Endausbauten für die Jahre 2040 und 2050 geplant sind, für die Straße liegen sie bei 2010 und 2020. Das ist eigentlich wieder ein Ungleichgewicht zu Gunsten der Straße, also ganz genau verkehrt.

Meine Damen und Herren! Klimaschutz heißt Schutz für uns und für unsere künftigen Generationen, aber Klimaschutz auf dem Papier alleine ist zu wenig. Ich hoffe daher sehr, Herr Bundesminister, dass Sie es schaffen, dass Sie auch die entsprechenden Gelder dafür bekommen, damit wir all das, was wir heute beschließen, auch entsprechend umsetzen können. Ich hoffe, dass auch die Bundesländer diese Schritte mitgehen, dass sie sich vielleicht sogar an Oberösterreich anlehnen und das auch so durchführen.

Meine Damen und Herren! Wir werden dieser Ratifizierung zustimmen, weil es eine ganz wichtige Sache ist, und wir hoffen, dass dann auch die entsprechende Umsetzung erfolgt. (Beifall bei der SPÖ.)

22.20


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Vizepräsident Jürgen Weiss:
Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

22.20

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute das Kyoto-Protokoll über die Klimaänderungen behandeln, so meine ich, sollen wir uns nicht über eine kurzfristige Betrachtung oder Mitteilung in den Medien erstaunt zeigen, steht doch im morgigen "Kurier": "... am 20. März gab es Hochwasser, anschließend wurden die Osterurlauber mit mildem Sonnenschein verwöhnt, und jetzt steht eisige Kälte auf dem Programm. Nach der Prognose der Meteorologen von der Hohen Warte in Wien beherrscht am Wochenende trockene russische Kaltluft die Wetterszene. Vor allem in Ostösterreich wird es ungemütlich kalt."

Meine Damen und Herren! Es wäre völlig falsch, eine solche Kurzzeitbetrachtung, die nur eine Wettersituation wiedergibt, als Klima zu bezeichnen. In einer für mich sehr lehrreichen Ausschusssitzung vorgestern, für die ich sehr danke und wofür ich dem Herrn Minister danke, dass er so gute Beamte zu uns entsendet hat (Beifall bei ÖVP), wurde zumindest mir der Unterschied zwischen Wetter, Witterung und Klima erläutert.

Wenn ich jetzt leicht scherzhaft und gegen die Mitternacht rückend behaupte: Natürlich ändert sich das Klima, ist doch Klima nach Argentinien ausgewandert, und dort ist jetzt Hochsommer, das muss ja so sein, dann wäre das, meine Kolleginnen und Kollegen, natürlich auch eine zumindest mittelfristige Betrachtung. (Bundesrätin Schicker: Darauf haben wir gewartet!) Das wäre mittelfristig und würde eher eine Witterung wiedergeben, wir wissen aber, dass das Wetter und das Klima und zwischendurch auch die Witterung Schwankungen unterworfen sind, längeren oder kürzeren Amplituden. (Bundesrat Konecny: Das steht aber nicht im Kyoto-Protokoll!) Angesichts dessen, dass ich zu Hause vor wenigen Tagen ein Buch in die Hand nahm, herausgegeben 1976 von einem deutschen Wetterwissenschafter, mit dem Titel "Kommt eine neue Eiszeit?", kommt mir das doch etwas komisch vor, dass wir uns jetzt über Erwärmung unterhalten.

Ich will den Zeitpunkt – es ist zirka 22.30 Uhr – nicht für eine Wetterstudie ausdehnen. (Bundesrat Konecny: Legen Sie sich keinen Zwang auf!) Ich gebe offen zu: Ich stimme diesem Gesetz zu, weil ich zweifle an dem, was uns immer gesagt wird. Aber in diesem Zweifel muss ich als Vorsorge für unser Volk, für unsere Bevölkerung und unseren Staat diesem Kyoto-Abkommen zustimmen. Ich kann nicht aus purem Übermut nicht zustimmen und sagen, das ist alles falsch, denn das ist etwas, was ich nicht sagen kann. Ich kann nicht sagen, es ist falsch, ich zweifle nur, dass alles so richtig ist. Aber, liebe Freunde, weil ich zweifle, stimme ich diesem Gesetz zu, und ich bin froh, dass wir dieses Gesetz einstimmig beschließen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.25

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Leopold Steinbichler. Ich erteile ihm das Wort.

22.25

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mir noch einen Nachsatz zu Herrn Kollegen Konecny erlauben: In der Sorge um den ländlichen Raum, Herr Kollege, geziemt es sich nicht, sich abfällig über die Schrebergartenbauern zu äußern. Du hast diesen Ausdruck gebraucht. Ich bin stolz darauf, dass wir in Österreich sehr viele Schrebergartenbauern haben. Angesichts dieser Klimaverhältnisse, von denen wir gerade gehört haben, gehört eine Menge Wissen und Können dazu, Landwirtschaft zu betreiben, eine Werkstätte unter freiem Himmel zu haben, und es würde dir gut geziemen, etwas ehrfürchtiger über diesen Berufsstand zu sprechen und in Zukunft abfällige Äußerungen zu unterlassen, Herr Kollege! Dies waren ein Hinweis und eine Empfehlung meinerseits. (Bundesrat Konecny: Ich habe gesagt, du sollst bei deinem Schrebergarten bleiben!)


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Zum vorliegenden Beschluss des Kyoto-Protokolls: Die Industrialisierung der letzten Jahrzehnte hat viele angenehme Seiten mit sich gebracht. Wir haben heute ausreichend diskutiert über Arbeitsplatz, Arbeitsplatzbeschaffung, Wohlstand, sozialen Wohlstand, über einen, wie ich glaube, sehr ansehnlichen Wohlstand im Vergleich zu international vergleichbaren Ländern. Und all das ist natürlich nicht ohne Auswirkungen auf das Klima und die Umwelt geblieben.

Ich denke, es sind heute schon sehr viele Ansätze erwähnt worden. Ich darf vielleicht nur noch ergänzen, das manches Verhalten bei durchaus sinnvollen Projekten, die geplant und durchgeführt werden, sehr widersprüchlich ist zu der Kritik, die jetzt an der Bundesregierung geübt wird. Das Land Oberösterreich – das wurde heute schon genannt – kann auch hier wieder als ein sehr gutes Beispiel dienen.

Kolleginnen und Kollegen! Wenn zum Beispiel beim Thema Temelin in Oberösterreich die Wogen hoch gehen – wir haben es bei der Diskussion erlebt, als unser Herr Landeshauptmann hier bei uns zu Besuch war und zu uns gesprochen hat – und wenn in Oberösterreich, Herr Kollege Schennach, zum Beispiel beim Kraftwerk Lambach eine äußerst sinnvolle, nachhaltige und ökologisch wirksame Kraftwerksanlage gebaut wurde, dann müssen wir uns zurückerinnern, dass zum Zeitpunkt von deren Errichtung Friedensgottesdienste in der Au abgehalten wurden. Ich denke, so manchen, den man damals in den Bäumen gesehen hat, der sich provokant und medienwirksam in den Bäumen versteckt hat, um Schlägerungen zu verhindern, wird man jetzt gelegentlich beim Spaziergang in dem schön gepflegten Kraftwerk sehen. Ganze Besucherströme gehen dort spazieren und suchen als Ausgleich zum Stress im Alltag hier ihre Erholung, die Fischer sind begeistert. Ich denke, das ist eine vorbildliche Anlage (Bundesrat Schennach: Ein vorbildliches Kraftwerk!), die zeigt, wie man bei uns mit der vorhandenen Wasserkraft sinnvolle Projekte machen kann, die diesem Kyoto-Ziel sehr entgegenkommen.

Ich darf ein weiteres Beispiel bringen: Die Bundesregierung hat mit diesem sensationellen Beschluss, der sicherlich sehr geschichtsträchtig ist, einen Rahmen geschaffen, aber beim Verhalten sind alle Fraktionen in diesem Raum angesprochen, auch die Opposition, zu überlegen, was wir täglich dazu beitragen können.

Als jemand, der sehr viel auf der Autobahn unterwegs ist, kann ich, so glaube ich, anregen, dass wir uns darüber unterhalten, wie viel sinnloser Verkehr unterwegs ist. Es macht überhaupt keinen Sinn, wenn die Verkehrsexperten den vierspurigen Ausbau der Autobahnen diskutieren oder eventuell, wie mein Vorredner, Kollege Kraml, gesagt hat, darüber diskutieren, den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlegen, sondern ich glaube, es wäre viel effizienter, darüber nachzudenken und zu forschen, wie viel Verkehr einzusparen wäre. Ich glaube, das wären die effizienteren Maßnahmen.

Das geht natürlich bis zum Urlaubsverhalten jedes einzelnen Kollegen und jeder einzelnen Kollegin hier im Raum. Da spielt keine Entfernung, keine Distanz eine Rolle, da werden Last-Minute-Angebote gebucht, deshalb darf ich hier doch auf eine sehr glaubwürdige lokale Alternative hinweisen. Die Organisation "Urlaub am Bauernhof" hat es nicht nur geschafft, mit der Kennzeichnung mit den Blumen für ihre Betriebe einen gewaltigen Qualitätsschub nach vorne zu machen, sondern sie hat insgesamt, was die Zahl der Betten anlangt, bereits eine Kapazität, die weit über jene der Wiener Hotellerie hinausgeht. Es sind alle Konsumentinnen und Konsumenten herzlich eingeladen, einmal einen Urlaub in der Heimat zu machen, in der regionalen Kulturlandschaft mit Lebensqualität, mit wertvollen Nahrungsmitteln, Lebensmitteln, und einmal darüber nachzudenken, was jeder Einzelne zu diesen Kyoto-Zielen beitragen kann. Ich denke, das wäre sehr sinnvoll. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen sowie Beifall des Bundesrates Schennach. )

Ich möchte noch einen Punkt anbringen: Es muss nicht der Urlaub sein. Wir können mit unserem Konsumverhalten täglich einen Beitrag leisten, denn es muss nicht das ganze Jahr Saison sein, und ich muss nicht vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember jederzeit Erdbeeren, Bananen, "Ja, natürlich!", "Fair trade" im Haus haben, sondern ich glaube, wir können vielmehr auch die regionalen Saisonfrüchte in Anspruch nehmen. (Zwischenruf des Bundesrates Thumpser. ) Vielleicht, Herr Kollege, können wir dann ein bisserl glaubwürdiger über ein brauchbares


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Trinkwasser, über den CO2-Ausstoß und über die Erreichung der Kyoto-Ziele diskutieren. Ich denke, das sind die Beiträge, die wir täglich leisten können.

Die Regierung hat den Rahmen geschaffen. Wir sind aufgefordert, Vorbild zu sein, täglich einen Beitrag zu leisten, und zu diesem lade ich ganz herzlich ein.

Wir werden selbstverständlich diesem Gesetz zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

22.31

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger. Ich erteile ihm das Wort. (Bundesrat Konecny: Hoffentlich die letzte Wortmeldung! – Präsidentin Pühringer übernimmt den Vorsitz.)

22.31

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr oder Frau Präsidentin! (Heiterkeit. – Vizepräsident Weiss: Wie Sie wollen!) Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht um das Kyoto-Protokoll, um die Reduktion von Schadgasemissionen. Dabei sind halogenierte Kohlenwasserstoffe gemeint, polychlorierte Biphenyle, im Wesentlichen aber die CO2-Emissionen. Die CO2-Emissionen sollen das Klima auf der Erde verändern, es soll wärmer werden, es ist aber auch bekannt, dass seit dem Zu-Ende-Gehen der so genannten kleinen Eiszeit in den vierziger Jahren eine kontinuierliche Erwärmung der Erde stattfindet.

Ich kann es nicht, ich kenne auch keine Quelle, die quantifizieren könnte, wem die Klimaveränderung, die Erwärmung der Erdatmosphäre, der Erde selbst anzurechnen ist, ob es mehr das Zu-Ende-Gehen der so genannten kleinen Eiszeit ist oder ob es der vermehrte CO2-Ausstoß von uns ist, der sich in der Atmosphäre bemerkbar macht. Es ist auch nicht ganz sicher, in welchem Maß Infrarotstrahlung von CO2 absorbiert wird. Aber ähnlich wie mein Vorredner, John Gudenus, kann ich nicht das eine leugnen, ich will es auch nicht. Es wird sicher ein gewisser Prozentsatz davon abhängig sein.

Wenn man jetzt sparen will, um die Klimaveränderung hintanzuhalten, dann muss man dort zu sparen beginnen, wo der meiste Ausstoß ist, wo am meisten Energie verbraucht wird. Das ist die Raumwärme, und das ist der Verkehr. Nur dort ist es sinnvoll zu sparen, bei den anderen nicht, weil der Prozentsatz zu klein ist, und wenn eine Sache nicht sehr viel ausmacht, dann schlagen dort auch Einsparungen in der Höhe von 50 Prozent nicht zu Buche.

Der Einsatz erneuerbarer Energie ist das Ziel, das wir erreichen sollten. Ich bin nur etwas skeptisch, denn ich glaube, dass die Ölmultis das nicht zulassen werden, dass wir wirklich einsparen beim Verbrauch von Erdöl, vielleicht auch beim Verbrauch von Kohle, denn nicht umsonst wird um diese Dinge im Golf Krieg geführt. Man will den Verbrauch weiterhin haben, um daraus Profit zu erzielen.

Im Übrigen meine ich als Chemiker, es ist eigentlich sehr schade, den fossilen Brennstoff Erdöl zu verwenden, nur um zu verheizen. Das ist ein derart wertvoller Chemierohstoff, den wir in vielen Jahren, in hundert Jahren noch genauso brauchen werden, und wenn wir das heute verheizen, geht auch diese Rohstoffquelle irgendwann einmal zu Ende.

Die Wärmedämmung ist angesprochen worden, für die auch sehr viel Geld zur Verfügung gestellt wird. Der Transport ist auch ein Thema, also der Verkehr, und da muss ich die Forderung stellen, den Verkehr, insbesondere das Transportwesen auf die Schiene, auf die Wasserstraße zu verlagern. Es ist nicht sinnvoll, dass das Transportgewerbe Güter kreuz und quer über den Kontinent führt, aber das wird gemacht. Man kann beispielsweise österreichisches Bier in Berlin trinken, dafür gibt es bei uns Bier aus Holland. Das mag für den einen oder anderen schön sein, aber sinnvoll ist es nicht. Bei diesem Hin- und Herfahren verschwindet sehr viel Geld, ebenso beim Zur-Verfügung-Stellen der Straßenbedingungen.

Alle Maßnahmen, die wir jetzt zur Energieeinsparung vorschlagen, kosten viel Geld. Geld fordern heißt aber auch, Energie verbrauchen, denn das Geld muss bei einem Energie ver


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brauchenden Arbeitsprozess ja erst verdient werden. Ich glaube, sinnvoller ist es, das Geld in Forschung und Technologie zu investieren, um saubere Energie zu erzeugen. Man kann durchaus saubere Energie erzeugen, ohne die Gewohnheiten einer Industrienation, sprich die Verkehrsgewohnheiten, zu ändern. Man kann aus Zuckerrüben, man kann aus Getreide Alkohol erzeugen, und das ergibt dann eine saubere Verbrennung ohne die Rückstände, die wir so befürchten. Hinzu kommt vor allem: Es ist in einem biologischen Kreislaufe begriffen.

Man kann jetzt natürlich einwenden, in Zeiten, in denen die Dritte Welt hungert, wäre es obszön, Zuckerrüben und Getreide zu Alkohol zu verarbeiten, aber zur gleichen Zeit verlangen die EU und auch einzelne Staaten Einschnitte, wonach Bauern Felder brachliegen lassen, um irgendwelche Quoten zu erfüllen. Lassen wir diese Anbauflächen nicht brachliegen, erzeugen wir Zuckerrüben und Getreide, und machen wir aus diesen Produkten Alkohole! Man kann sämtliche andere chemische Produkte, die für die Energieerzeugung notwendig sind, auch daraus synthetisieren, und wir haben einen idealen Kreislauf. Das CO2-Aufkommen wäre da neutral.

Ich halte für unsere Breiten nicht sehr viel von der Solarenergie und der Windenergie. Das ist wohl alles machbar, aber mit diesen Energieformen können wir in unseren Breiten Energieversorgung nicht sicherstellen, das ist einfach unmöglich. Das geht vielleicht in Afrika, wo die Sonneneinstrahlung wesentlich höher ist, aber nicht bei uns, noch dazu bei unserem Energiebedarf. Das ist nicht möglich.

Nicht für Projekte, die wieder subventioniert werden müssen, die letztlich wieder nur Energie fressen, also Energie vernichten, sollen wir unser Geld ausgeben, sondern ich glaube, Herr Minister, wir sollten Geld in die Forschung stecken, um eine umweltfreundliche Energieerzeugung zu erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie der Bundesrätin Fösleitner. )

22.37

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer. – Bitte, Herr Minister.

22.37

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Sehr geehrter Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist tatsächlich eine historische Beschlussfassung in diesem Kyoto-Protokoll insofern gegeben, als es das erste Umweltübereinkommen ist, das weltweit geschlossen wurde, das mit einem rechtsverbindlichen Rahmen versehen ist, das Sanktionsmechanismen vorsieht, das letztendlich auch klare Einhaltungsregime beherrscht und das damit eine neue Dimension in der globalen Umweltpolitik eröffnet.

Ich sage Ihnen aber auch sehr offen, dass mit der österreichischen Ratifizierung des Kyoto-Protokolls zwar ein Schritt getan ist, aber das Ergebnis tatsächlich noch nicht endgültig umgesetzt ist. Und zwar warum? – Wir brauchen zur internationalen Anerkennung nicht nur die Ratifikation von 55 Staaten – das werden wir sehr leicht erreichen –, sondern es müssen sich auch 55 Prozent der Emissionsmenge dieser Verpflichtung unterziehen. Die Haltung der Vereinigten Staaten in diesem Zusammenhang ist aus meiner Sicht nicht verantwortungsvoll, und die offene Frage ist, ob Russland der internationalen Verpflichtung nachkommt. Davon wird es abhängen, ob wir wirklich den durchschlagenden Erfolg für Johannesburg haben.

Zweitens: Ich bin dankbar für den breiten nationalen Konsens in der Frage, denn wie im Nationalrat zeichnet sich auch hier im Bundesrat eine einstimmige Beschlussfassung ab. Ich appelliere aber an Sie, genauso wie ich an das Hohe Haus, Abteilung Nationalrat, appelliert habe, dass es, wenn es darum geht, konkret in die Umsetzung zu gehen, ebenfalls diesen breiten Schulterschluss gibt, um den nationalen Konsens zu haben. Denn ich sage Ihnen sehr offen: Es ist relativ einfach, ein Protokoll zu ratifizieren, womit wir uns zu minus 13 Prozent verpflichten, aber es wird ein blutiges Stück Arbeit – um das etwas bildlich zu sagen –, diese Reduktion auch in der Praxis tatsächlich umzusetzen. Sie haben es angesprochen – eigentlich alle Redner.


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Wir werden es uns nicht leisten können, meine Damen und Herren, dass wir ein Entweder-Oder diskutieren, entweder das eine oder das andere, wir brauchen das Sowohl-als-auch. Wir brauchen die rechtlichen Maßnahmen, wir brauchen die Maßnahmen bezüglich Förderung, etwa erneuerbarer Energien, wir brauchen die Forschung, wir brauchen die Maßnahmen der Bundesländer im Bereich der Althaussanierung, der Gebäudesanierung, der Wärmedämmung, und wir brauchen natürlich auch in den sensiblen Punkten Verkehr und Raumwärme – das sind die Sorgenkinder – entsprechende Umsetzungsschritte.

Natürlich müssen wir uns auch mit der Frage des Energiesparens und der Energieeffizienz permanent auseinander setzen, auch dann, wenn wir auf erneuerbare Energien umsteigen, denn diese haben wir ebenfalls nicht schon automatisch im Überfluss, auch das ist ein knappes Gut. Aber da gibt es Perspektiven, etwa im Bereich der Stromerzeugung aus erneuerbaren Ressourcen, in der Rohstoffpolitik generell, vor allem aber auch im Bereich des Treibstoffsektors. Angesprochen ist nicht nur Biodiesel, sondern aus meiner Sicht auch die Ethanolproduktion als eine der wirklich langfristigen Perspektiven.

Ich appelliere daher an Sie, diese Konsequenz in der breiten Zustimmung auch dann zu haben, wenn es um die Umsetzungsschritte in den einzelnen Rechtsmaterien geht. Ich bitte auch zu sehen, dass es nicht Aufgabe des Umweltministers allein ist, unsere Kyoto-Verpflichtung zu erreichen, sondern jeder politisch Verantwortliche dazu seinen Beitrag zu leisten hat, ganz egal, für welchen Bereich er verantwortlich ist, weil es keinen Bereich gibt, der letztendlich nicht direkt oder indirekt eine Mitverantwortung trägt.

Damit komme ich zum Schluss. Meine Damen und Herren! Ich meine, dass es ganz spannend wäre, jetzt sozusagen die wissenschaftliche Debatte fortzusetzen, die hier begonnen wurde. Sie werden nie einen Sektor finden, bei dem es eine einheitliche Meinung der Wissenschaft gibt, aber hier gibt es einen überwiegenden Konsens der Mehrheit der Wissenschaftler. Auch den Zweiflern sei gesagt: Das erste Mal in der Geschichte der Klimaänderungen haben wir es mit Klimaänderungen zu tun, die vom Menschen verursacht sind. Das ist aus meiner Sicht der springende Punkt. Wir haben daher als Menschen die Verpflichtung, zu korrigieren, weil nur wir es sind, die korrigieren können. (Allgemeiner Beifall.)

22.42

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung .

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen .

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegen


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ständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

15. Punkt

Sechster Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Berichtszeitraum 1997 bis 2000) (III-227 sowie 6629/BR der Beilagen)

16. Punkt

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Anwendung der EMAS-V (Verordnung EG 761/2001) und die Vollziehung des Umweltgutachter- und Standorteverzeichnis-Gesetzes (UGStVG) sowie des Umweltmanagementgesetzes (UMG) (III-228 sowie 6630/BR der Beilagen)

17. Punkt

Wildschadensbericht 2000 des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-233 sowie 6631/BR der Beilagen)

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Wir gelangen nun zu den Punkten 15 bis 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies: der Sechste Umweltkontrollbericht,

ein Bericht über die EMAS-Verordnung und die Vollziehung des UGStVG und des UMG und

der Wildschadensbericht 2000.

Da sowohl der vom Ausschuss gewählte Berichterstatter als auch der Ausschussvorsitzende verhindert sind, bestimme ich auf Basis des § 45 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung Frau Bundesrätin Anna Höllerer zur Berichterstatterin. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Berichterstatterin Anna Höllerer: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Zunächst der Bericht zu Tagesordnungspunkt 15: Der Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Sechsten Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Berichtszeitraum 1997 bis 2000 liegt in schriftlicher Form vor. Ich verzichte daher auf die Verlesung und komme zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2002 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Zu Tagesordnungspunkt 16: Der Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Anwendung der EMAS-Verordnung und die Vollziehung des Umweltgutachter- und Standorteverzeichnis-Gesetzes sowie des Umweltmanagementgesetzes liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich verzichte auf die Verlesung und komme zur Antragstellung.


Bundesrat
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Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Zu Tagesordnungspunkt 17: Auch der Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Wildschadensbericht 2000 des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft liegt in schriftlicher Form vor. Ich verzichte auf die Verlesung und komme zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 3. April 2002 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Reinhard Todt. – Bitte, Herr Bundesrat.

22.47

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Der vorliegende Sechste Umweltkontrollbericht ist eine sehr gute Grundlage und beschreibt die österreichische Umweltsituation wirklich hervorragend. Mein Dank dafür gilt vor allem den Beamten, die diesen Bericht erstellt haben.

Ich möchte aber zu diesem Bericht eine Anmerkung machen und einen Punkt herausnehmen, weil ich mir denke, dass da etwas gemacht werden sollte, und zwar dringend: Das betrifft die Nitratbelastung unseres Grundwassers. Das ist an sich ein Hauptproblem bei der Grundwasserbewirtschaftung.

Da als Hauptverursacher großräumig nur die Landwirtschaft in Frage kommt, kann auch nur durch Veränderung der landwirtschaftlichen Praxis eine Verbesserung erwartet werden. Das System der Ausweisung von Sanierungsgebieten, wie es mit der Grundwasserschwellenwertverordnung errichtet worden war, hat sich bisher offenbar nicht so bewährt.

Herr Landwirtschaftsminister! Ich möchte Sie fragen, wann dieses Problem angegangen wird.

Zum Wildschadensbericht einige Anmerkungen: Waldbesitzer, Jagdverbände schränken den Zugang zum Erholungsraum Wald massiv ein. (Bundesminister Mag. Molterer: Wie viel Prozent der Waldfläche?) – Das können Sie mir ja dann sagen. (Bundesminister Mag. Molterer: Das werde ich Ihnen sagen!) Herr Bundesminister! Sie verwalten seit Jahren den Wildschadensbericht, und es gibt keine Änderungen bei diesen Verbissschäden und den Wildschäden. (Lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte gerne zu ein paar Punkten kommen. Es geht auch darum, wenn nichts daran geändert wird, dass genügend Wild – ich werde Ihnen ein paar Dinge dazu sagen – für bestimmte Menschen da ist, damit es auch abgeschossen werden kann. Es geht nicht um das Fleisch, es geht dabei im Prinzip um die Trophäen. (Bundesrätin Haunschmid: Wollen Sie noch mehr Wild abschießen?) Es geht um die Trophäen, und ich sage Ihnen dann eine Stellungnahme dazu. (Bundesrätin Haunschmid: Sie wollen das Wild ausrotten!)

Sie betreiben vom Prinzip her Lobbypolitik für Jagdverbände und große Waldbesitzer. Sie wollen die Kritik der alpinen Verbände – zum Beispiel des Alpenvereins, zum Beispiel der Naturfreunde, zum Beispiel von Tourismusverbänden – nicht hören. Mit der Änderung des Waldgesetzes verlassen Sie im Grunde das konstruktive Miteinander von Waldbesitzern und Konsumenten.

Zwei Beispiele dazu:


Bundesrat
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Erstens: Große Waldstücke der Österreichischen Bundesforste werden verkauft.

Zweitens: Die Novelle zum Forstgesetz bedeutet, dass aus einem hervorragenden Umweltgesetz eigentlich ein Wirtschaftsgesetz geworden ist. Sie machen Lobbypolitik für – zum Beispiel nur – den obersten Jäger Österreichs, für Christian Konrad, und ich verstehe sogar, dass Sie für Raiffeisen Lobbyismus betreiben müssen. (Bundesrat Bieringer: Wer, Maier, oder wer? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ihr alle werdet das machen müssen, und ihr macht es auch vom Grundsatz her und in der Realität, denn das zeigt auch dieser Wildschadensbericht auf. (Bundesrat Bieringer: Keine Ahnung!)

Sie werden jetzt natürlich sagen, Jagd sei Landessache. (Bundesrat Steinbichler: Ist es auch!) Dazu auch einige Punkte aus dem Wildschadensbericht: "Die Gesamtergebnisse der Wildschadensmeldungen 2000 der Bezirksinspektionen zeigen abermals eine Verschlechterung der Verbisssituation im österreichischen Wald an. Rund zwei Drittel aller österreichischen Wälder sind durch Verbiss so stark beeinträchtigt, dass die Verjüngung mit den waldbaulich erforderlichen Baumarten nicht oder nur mit Hilfe von Schutzmaßnahmen möglich ist."

Ich möchte zum Wildschadensbericht aber auch etwas Positives anmerken und dazu die Wiener Situation zitieren. (Bundesrat Steinbichler: Die Wiener Waldbauern am Stephansplatz! – Bundesrätin Haunschmid: Waldbauern am Stephansplatz! – Bundesrat Hagen: Oder im Rathauspark!) Das ist im Wildschadensbericht eindeutig enthalten. Ich zitiere aus dem Wildschadensbericht, da steht es darin, er ist vorgelegt worden.

"Die grundsätzliche positive Wildschadenssituation des Bundeslandes Wien hat sich im abgelaufenen Jahr 2000 gegenüber dem Vorjahr nicht wesentlich verändert, sie ist positiv verblieben." (Bundesrätin Schicker: Das will man in Niederösterreich nicht hören!) "Die Verbisssituation im Bundesland Wien konnte auf dem positiven Stand der letzten Jahre gehalten werden. Zusammenfassend kann die Wildschadenssituation in Wien für das Jahr 2000 so beurteilt werden, dass keine ernsthafte flächenhafte Gefährdung des forstlichen Bewuchses durch jagdbare Tiere gemäß § 16" und so weiter "vorlag. Es erfolgte auch keine Abgabe eines entsprechenden Gutachtens an die Jagdbehörde."

Ein weiterer Punkt, den ich hier zitieren möchte: "Forstverein fordert geändertes Jagdgesetz". Einen waldverträglichen Wildbestand fordert der Tiroler Forstverein im Zuge der Novellierung des Tiroler Jagdgesetzes. Er fordert, das Thema Jagd generell zu hinterfragen. Das Wild wird domestiziert, und die Trophäen stehen eigentlich im Vordergrund. – Das sagt der Tiroler Forstverein. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) – Das sagt der Tiroler Forstverein. Ich habe aus einem Artikel zitiert. (Bundesrat Steinbichler: Du brauchst uns diesen Artikel nicht vorzulesen, wir wissen eh, was drinnen steht!)

Walderhaltung hat für uns Wiener absolute Priorität. Wir haben für das Trinkwasser ein eigenes Verfassungsgesetz im Wiener Landtag beschlossen. Wald ist nicht nur Schutzwald, Wirtschaftswald und Wasserspeicher – Sie haben natürlich völlig Recht –, Wald ist auch Erholungsraum, und es muss ganz einfach auch ein Miteinander von Erholungssuchenden, Touristen – zum Beispiel auch von Mountainbikern, Wanderern und so weiter – geben. Es darf keine einseitige Bevorzugung von Jägern und Großgrundbesitzern geben. Wald ist für alle da! (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

Herr Bundesminister! Ich fordere Sie auf, den Ausverkauf des Waldes zu stoppen. Weiters sollten Sie dringendst mit den Landeshauptleuten über die Wildschäden reden. Sie sollten von den Landeshauptleuten die Erstellung von Zwangsabschussplänen fordern und diese Zwangsabschusspläne auch kontrollieren. Sie müssen kontrolliert werden, denn dieser schlechte Bericht kann eigentlich nur verbessert werden, wenn Sie diese Maßnahmen ergreifen. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Ich bitte und ersuche Sie, Herr Bundesminister: Verwalten Sie nicht diesen schlechten Bericht, agieren Sie und verbessern Sie diese Situation! (Beifall bei der SPÖ.)


Bundesrat
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Im Übrigen bin ich der Meinung, dass das Sozialstaat-Volksbegehren unterstützt werden muss. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steinbichler: Jawohl! Darauf haben wir gewartet! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

22.55

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Georg Keuschnigg. – Bitte, Herr Bundesrat.

22.55

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Todt! Ich möchte das, was ich jetzt feststelle, ganz leidenschaftslos sagen: Ich beobachte Ihre Debattenbeiträge schon zum zweiten und zum dritten Mal, und ich stelle fest, dass Sie immer wieder dazu neigen, Stehsätze zu verwenden, die seit Jahren immer wieder irgendwo in der politischen Auseinandersetzung gebraucht werden (Bundesrat Todt  – seine Redeunterlage in die Höhe haltend –: Sind das Stehsätze? Ich habe aus dem Wildschadensbericht zitiert! – Zwischenrufe bei der ÖVP), die nicht wirklich hinterfragt werden, die auch Entwicklungen negieren und die kein Beitrag zum Dialog sind. Ich kann das leider nicht anders sagen. (Bundesrat Todt: Sie haben heute nicht viel zum Dialog beigetragen!) Sie müssen schon gelegentlich auch über die andere Seite der Medaille nachdenken. Ich glaube, das ist einfach notwendig, damit wir zu einer Qualität der Diskussion kommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Bezüglich der Frage Nitratbelastung wissen Sie möglicherweise ganz genau, dass die österreichische Landwirtschaft in Europa keinen Vergleich zu scheuen braucht, weder in der Frage der umweltgerechten Landwirtschaft noch in der Frage des ÖPUL, des Programms für umweltgerechte Landwirtschaft. Das ist überhaupt mustergültig. Das gibt es nirgends sonst in dieser Ausformung und in diesem Standard. Da wird flächendeckend etwas geleistet, das man einfach sehen sollte, auch in der Diskussion. (Bundesrat Todt – neuerlich seine Redeunterlage in die Höhe haltend –: Die "Stehsätze" habe ich aus diesem Bericht heraus! Aus diesem vom Landwirtschaftsministerium vorgelegten Bericht!) – Das ist ja genau der Stil! Sie picken sich zwei Sätze heraus und stellen sie einfach in den Raum (Bundesrat Mag. Hoscher: Wir lesen die Berichte – im Gegensatz zu Ihnen!) , ohne den Zusammenhang herzustellen. (Lebhafte Rufe und Gegenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Todt: Die Konsumenten sind wir, und wir müssen das Wasser trinken!) Da sind wir selbstverständlich dafür. Eine gute Diskussion zum Thema Wasserschutz hat selbstverständlich stattzufinden. Da finden Sie in uns jederzeit einen guten Partner. (Anhaltende Rufe und Gegenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Der Umweltkontrollbericht steht, so glaube ich, weitgehend außer Streit. Er ist ein umfassendes Werk, das hier einstimmig über die Bühne gehen wird. Ich erspare es mir daher für heute, dazu Bemerkungen zu machen, ich möchte aber zu Ihrem Beitrag bezüglich der Wildschäden etwas sagen: Landwirtschaft im Sinne von Waldweide, Forstwirtschaft und Jagd sind Stärken des ländlichen Raumes. Alle drei Sektoren sind Stärken des ländlichen Raumes.

Sie haben Tirol zitiert. Wir erleben in Tirol gerade derzeit einige Polemiken, die nicht unbedingt Standard sind, aber wir dürfen das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Gesucht ist ein ausgewogenes Miteinander. Wir müssen dieses ausgewogene Miteinander einfordern und, wenn es notwendig ist, auch in der Praxis durchsetzen, politisch durchsetzen. Völlig falsch ist es aber, diese Bereiche gegeneinander auszuspielen, denn sie alle drei sind Stärken des ländlichen Raumes. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

22.59

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte.

23.00

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Angesichts der fortgeschrittenen Stunde sage ich nur noch wenig und im Telegrammstil. Es geht aber einfach darum, die Arbeit, die hinter diesem Umweltkontrollbericht steht, auch zu würdigen.


Bundesrat
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Der Sechste Umweltkontrollbericht mit stolzen über 800 Seiten ist ein sehr informatives, ausführliches und durchaus kritisch gehaltenes Werk, das für die österreichische Umweltpolitik nicht nur ein penibles Nachschlagewerk darstellt, sondern für uns in der Politik und auch für den Herrn Minister eine perfekte und sehr ernst zu nehmende Schwachstellenanalyse der österreichischen Umweltpolitik ist. (Zwischenruf des Bundesministers Mag. Molterer. )

Herr Minister! Ich sprach von Stärken und Schwächen! So wie Sie den Bericht kommentiert haben, haben Sie offensichtlich nur Stärken gesehen. (Zwischenruf des Bundesministers Mag. Molterer. ) – Sie haben dazu sehr wohl etwas gesagt! Hier haben Sie noch nichts gesagt, aber Sie sind ein öffentlicher Mensch, und ich habe mir einiges notiert. Sie sind eher oberflächlich über diesen Bericht hinweggegangen, der den Finger auf doch sehr wunde Punkte legt, und ich möchte sagen, dass Sie die Misserfolge, die dieser Bericht im Bereich der Umweltpolitik aufzeigt, verharmlost haben.

Sehen wir uns das einmal an: In vielen Bereichen der Umweltpolitik ist das Niveau laut Bericht gleich geblieben. Man hat sich auf demselben Niveau eingependelt, Verbesserungen wurden kaum erzielt, etwa auch bei der Luftreinhaltung. Sie sagen, dass es diesbezüglich kontinuierliche Verbesserungen gibt. – Auf Schwefeldioxid trifft das zu. Die CO2-Emissionen sind jedoch ein großes Sorgenkind. Sie sind seit 1990 um 5,2 Prozent gestiegen. Auch im Abfallbereich und beim Gewässerschutz sind die Erfolge, die Sie immer wieder behaupten, laut diesem Bericht nicht nachvollziehbar.

Jetzt komme ich zum Thema Nitrat: In Ostösterreich leben 200 000 Menschen mit nitratbelastetem Trinkwasser. Das ist eine Realität! Das ist in diesem Bericht nachzulesen.

Herr Minister! Ein weiteres Thema, mit welchem ich Sie von dieser Stelle aus schon öfters kritisch konfrontiert habe, ist, dass Sie die Müllberge mit Ihrer Plastikflaschenverordnung begünstigt und im Grunde verschärft haben.

Insgesamt zeigt dieser Bericht auch – der Bericht sagt es nicht, aber ich sage es jetzt –, dass es ziemlich sicher ein falscher Weg der Bundesregierung war, die Landwirtschaft und die Umwelt in ein Ministerium zusammenzulegen. – Das ist einfach unvereinbar! (Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesminister Mag. Molterer: Der Bericht bezieht sich auf den Zeitraum, in dem das noch nicht der Fall war!) Herr Minister! Wir haben aber jetzt schon sehr viele Defizite! Wir alle können nachvollziehen, in welchem Interessenkonflikt Sie zum Beispiel beim Schweineskandal gesteckt sind.

Ich komme zum nächsten Punkt. – Es ist dem Bericht zu entnehmen – und das tut mir Leid, liebe Vertreter des Bauernbundes –, dass es verschiedene Umweltbelaster gibt: Umweltbelaster Nummer eins ist der motorisierte Verkehr, Umweltbelaster Nummer zwei ist die Industrie. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Kollege Steinbichler! Wer liegt an dritter Stelle? – Es ist die Landwirtschaft! Dieser Tatsache muss man sich stellen, auch wenn es Ihnen nicht gefällt. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) – Selbstverständlich stimmt das, das wissen Sie ohnedies! Die Augen zu verschließen nützt allerdings nichts! Auch wenn Sie das immer wieder sagen! Der Dialog, den Sie einfordern, muss ein beidseitiger sein. Ihr Bauernvertreter tut immer so, als ob ihr am Gipfel der Wahrheit säßet und alle anderen hinaufklimmen müssten, weil ihr euch von dort oben nicht hinunter bewegt. So geht ein Dialog aber nicht, und das geht an den Fakten vorbei! Tut mir Leid! (Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Würschl. )

Zusammenfassend sage ich noch einmal ganz kurz: Es ist dies ein hervorragender Bericht der Expertinnen und Experten des Umweltbundesamtes. Herr Minister! Nicht wirklich schmeichelhaft ist, dass wir festhalten müssen, dass die Ozonbelastung nach wie vor hoch und die Nitratbelastung ein Hauptproblem für unsere Gewässer ist. Im Boden sind erhöhte Werte bei Blei und Kadmium festzustellen. Außerdem gibt es hohe Zuwachsraten beim Verkehr. Seit zehn Jahren stehen wir betreffend Roadpricing in Diskussion. In der Abfallwirtschaft liegen wir mit allen Indikatoren im europäischen Spitzenfeld.


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Herr Minister! Ich bin nie unfair, das wissen Sie! Deshalb: Fraglos gibt es Erfolge bei der Altlastensanierung. Das gebe ich gerne zu. Auch das sagt der Bericht. – Insgesamt besteht aber jedenfalls Handlungsbedarf.

Kommen wir zum nächsten Punkt: Zum EMAS-Bericht ist wenig zu sagen. Das Gesetz war erst seit einem halben Jahr in Kraft, also beschreibt er letztendlich nur die EMAS-Verordnungen und das UMG. Doch obwohl es hier nur um ein halbes Jahr geht, erheben sich einige Fragen, etwa Fragen zur Zahl der eingetragenen Betriebe, aber auch zu den vergebenen Förderungen. Herr Minister! Wurde bis dato etwa das Instrument des konsolidierten Genehmigungsbescheides in Anspruch genommen? (Bundesminister Mag. Molterer: In zwei Fällen!) – In zwei Fällen! Wunderbar! Das geht ja ganz schnell!

Welche Anlagenänderungen wurden auf Grund des UMG nun anzeigenpflichtig? (Zwischenruf des Bundesministers Mag. Molterer. ) Wurde von einer Verwaltungsstrafe wegen tätiger Reue auf Grund des UMG schon abgesehen? (Zwischenruf des Bundesminister Mag. Molterer. ) – Auch nicht! Na wunderbar! Dann haben wir auch diese Frage geklärt. – Diesen beiden Berichten werde ich gerne zustimmen. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

23.06

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Bundesrat Mag. John Gudenus. – Bitte, Herr Bundesrat.

23.06

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute diesen Berichten zustimmen beziehungsweise diese Gesetze einstimmig oder mehrstimmig beschließen, dann zeigt das für mich, welch ungeheuerliche Bedeutung der ländliche Raum und die Personengruppe, die man als Bauern bezeichnet, für die Republik Österreich haben.

Es geht nicht nur um den Umweltkontrollbericht und den Wildschadensbericht, den Grünen Bericht und den Waldbericht, sondern es gibt noch weitere Berichte, die wir zu diesem Thema behandeln. Aber allein die vier aufgezählten Berichte zeigen, dass der ländliche Raum und die Landwirtschaft ganz im Gegensatz zur sinkenden Zahl der Personen, die dieser Gruppe angehören, mehr als nur einen Liebhaberwert haben.

Das zeigt sich auch an der besonderen Qualität der Berichte, die uns vorliegen. Wenn ich mir den Umweltkontrollbericht 1997 bis 2000 ansehe beziehungsweise darin schmökere, dann erkenne ich, wie ungeheuerlich wirkungsvoll die Tätigkeit der österreichischen ländlichen Bevölkerung ist.

Es handelt sich hiebei um ein enzyklopädisches Werk. Es wird darin zum Beispiel das Immissionsgesetz vom 1. April 1998 erwähnt, welches in Österreich verbindliche Immissionsgrenzwerte für Schadstoffe wie Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid, Schwebestaub, Kohlenmonoxid, Benzol und Blei festlegt. Besondere Aufmerksamkeit ist auch der Schwebestaubbelastung gewidmet. Wir erkennen in diesem Bericht, dass besonders Großstädte wie Wien, Graz und Linz Schwerpunkte der Belastung sind. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Die Nitratbelastung, auf welche Kollege Todt eingegangen ist, stellt ein ernstes Problem dar. Ohne Kollegen Keuschnigg jetzt tadeln zu wollen, der Kollege Todt der Äußerung von Stehsätzen bezichtigt hat: Ich glaube, Kollege Keuschnigg, dass Kollege Todt, so wie Sie und ich, Sorge hat! Er hat nur einen unterschiedlichen Zugang zu diesem Problem. Ich meine, es ist aber jedenfalls ein berechtigtes Anliegen, die Sorge im Zusammenhang mit diesem Thema auszudrücken. Ich habe viel Verständnis für Kollegen Todt. Wir beide – ich weniger, er mehr – leben in einer ländlichen Gegend, und Kollege Todt ist aus Sorge um uns alle mit diesen Worten zu zitieren, und das ist in Ordnung! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Würschl: So ist es!)

Kollege Todt! Erfreulich ist, dass auch die Nitratwerte im Grundwasser besser werden. Das geht aber nicht so schnell! Diesbezüglich wurden vierzig oder fünfzig Jahre verpfuscht, und es dauert


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länger, bis man manche Schäden beseitigt. (Zwischenruf des Bundesrates Todt. ) Sie werden sehen: Wenn wir in fünf Jahren wiederum einen solchen Bericht diskutieren, dann wird sich zeigen, dass die Nitratbelastung der Gewässer wieder besser geworden ist.

Aber Sie haben Recht: Drücken Sie Ihre Sorge nur aus und penzen Sie! Das ist richtig! Wir brauchen auch diese Kritik! Es ist nicht alles phantastisch gut. Aber so schlecht, wie es manche aus politischen Gründen gern darstellen wollten – Sie haben es zum Glück nicht getan –, ist es wirklich nicht. Wir können uns auf ein sehr gutes Fundament stützen. Wir sprechen hier über die Leistungen eines Berufsstandes, der leider immer kleiner wird, der aber eine gute Schulung hat und zum Vorteil für uns alle tätig ist.

Betrachten Sie doch die positive Bilanz bei Flüssen und Bächen! 1971 waren noch 17 Prozent der Gewässer in der Gewässergütecharta in Skala drei oder schlechter eingestuft, heute sind es hingegen nur noch unter 3 Prozent, die Güteklasse drei aufweisen oder noch schlechter sind. Ich bin zwar nicht unbedingt der Mensch, der gerne in einen Badeteich oder in den Wolfgangsee oder Wörthersee eintaucht und dort trinkt, aber die Seen haben durchwegs gute Wasserqualität, nämlich Trinkwasserqualität. Aber wenn ich dort Wasser tränke, dann würde ich unsere Bierbrauer oder Weinbauern schädigen, und das soll auch nicht der Fall sein! (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Ich bleibe also dabei: Ich trinke das, was ich trinken möchte, außerhalb. (Zwischenruf des Bundesrates Todt. )

Wir wissen, dass der Verkehr starke Einwirkung auf unsere Umwelt hat. Ich nenne hier den Energieverbrauch, die Schadstoff- und Lärmemission, den Flächenverbrauch, die Oberflächenversiegelung, den Zerschneidungseffekt von Ökosystemen und die Auswirkungen auf das Landschaftsbild. – All diesen verkehrsbedingten Einwirkungen auf unser Ökosystem müssen wir besonderes Augenmerk zuwenden.

Bedingt durch die spezielle geographische Lage und Situation ist Österreich besonders stark vom Straßengüterverkehr und vom Gütertransitverkehr betroffen. Allein von 1987 bis 1998 stieg die Transportleistung des Straßengüterverkehrs um 120 Prozent an, hat sich also in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt.

In diesem Zusammenhang weise ich auf einen Punkt hin, der von den vorangegangenen Regierungen vielleicht auch deshalb übersehen wurde, weil die entsprechenden Erkenntnisse noch nicht vorhanden waren. – Ich bin kein Techniker und nenne jetzt sicherlich falsche Begriffe. Jedenfalls weiß man jedoch etwa über Rußpartikel aus Dieselmotoren erst aus jüngster Zeit, dass diese der menschlichen Gesundheit besonders abträglich sind. Vorher hatte man sie nicht wahrgenommen. Jetzt gibt es aber Messmöglichkeiten zur Erkennung dieser Diesel-Rußpartikel, und ich meine, dass diese Messmöglichkeit der Diesel-Rußpartikel auch eine Messgröße für den Transit in Tirol zu sein hat, wo der Schwerlastverkehr den Anrainern besonders zu schaffen macht. Das gilt übrigens auch für den Wiener Raum.

Das Roadpricing-System wird bei uns hoffentlich Abhilfe schaffen, und erfreulicherweise ist vorgesehen, dass 100 Prozent der eingegangenen Mittel in den Straßenbau fließen sollen. Ich hoffe, dass das auch geschieht!

Jetzt zum Wildschadensbericht: Die Betrachtung im Wildschadensbericht ist erstaunlicherweise bis 1998 positiv, ab 1998 wird es dann wieder schlechter. Ich kenne die Ursachen dafür nicht. Tatsache ist aber, dass der Wald durch Wildschäden stark geschädigt wird und waldbauliche Maßnahmen notwendig sind, um den Aufwuchs junger, insbesondere nicht immer standortgerechter Bäume sicherzustellen.

Die Frage an den Bundesminister, denn das Forstgesetz ist doch ein Bundesgesetz, lautet: Warum werden in sieben Bundesländern sowie in der Bundesforste AG eigene Verjüngungskontrollverfahren vorgenommen und nicht einheitliche Verjüngungskontrollverfahren angewandt? Letzteres wäre doch eine Vereinfachung der Verwaltung auch bei der Überprüfung dessen, was geschehen ist.


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Vermutlich – das ist meine Annahme – ist der Anstieg der Verbissschäden auf die verstärkte Konkurrenz verschiedener Interessen der Waldbenützer zurückzuführen. Der Mensch ist auch ein Teilnehmer im Wald, aber auch die Tiere brauchen ihre Umwelt. Diesbezüglich müssen wir einen vernünftigen Kompromiss finden. (Zwischenruf des Bundesrates Todt.  – Rufe und Gegenrufe bei den Freiheitlichen und der SPÖ.)

Die Umsetzung der Jagdgesetze obliegt den Landeshauptleuten. Letztere sind aufgerufen, die notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung der Wildschadenssituation zu setzen. Wenn jemand eine Jagdprüfung machen will, dann wird heutzutage eine Schießleistungsprüfung verlangt, wobei mir noch nie ganz verständlich war, warum diese notwendig ist. Besser wäre es wahrscheinlich, wenn die Kandidaten im Rahmen der Jagdprüfung auch etwas über den Waldschutz zu hören bekommen und darüber geprüft werden. (Bundesrat Mag. Tusek: Es wird sehr viel geprüft, Herr Kollege!) Ich habe den Jagdschein schon seit 45 Jahren, Herr Kollege, da war vielleicht manches etwas anders. (Bundesrat Mag. Tusek: Damals hat man noch nichts darüber gehört, heute jedoch sehr wohl!) Sie sind ein spätberufener Jäger, vielleicht einer modischen Erscheinung folgend! Ich habe den Schein noch ohne modische Erscheinung gemacht. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Interessant ist, dass zur österreichischen Waldinventur keine neuen Ergebnisse vorliegen, obwohl die Ergebnisse der letzten Inventurrunde 1992 bis 1996 mehrfach veröffentlicht wurden. Da erhebt sich für mich die Frage: Warum liegen noch keine Ergebnisse vor?

Kollege Todt erwähnte auch den Wiener Raum. Herr Kollege Todt! So gut schaut es im Wiener Raum auch nicht aus! Wäre Kollege Konecny hier, der mich heute erfreulicherweise mehrfach erwähnt hat, als ob er der Jedermann auf dem Salzburger Domplatz wäre ... (Heiterkeit und Ruf bei der SPÖ: Er kommt gerade!) Kommt er? – Ich wollte ihn nur herbeigerufen haben!

Kollege Konecny hat mich heute dankenswerterweise – oder wie auch immer: vielleicht auch undankenswerterweise – erwähnt. Daher möchte ich ihn hier auch erwähnen. (Beifall bei der SPÖ.) Ich nütze die Möglichkeit zu einer höflichen Replik. (Bundesrat Konecny: Hätte ich das gewusst, dann wäre ich nicht gekommen!) Ich erspare mir heute gegenüber dem Herrn Professor jede Spitze, denn auf Wildschweine geht man heutzutage mit dem Gewehr und nicht mehr mit der Lanze los, wie man das früher gemacht hat. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Wenn schon, dann gehöre ich zum Rotwild und nicht zum Schwarzwild!) Ich habe gar nicht gewusst, dass der Herr Professor mit den Schwarzen so viel gemein hat. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny .  – Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Professor! Herr Kollege Todt! Tatsache ist: Im Lainzer Tiergarten müssen 100 Prozent der Verjüngungen geschützt werden, 30 Prozent durch Einzelschutz und 70 Prozent durch Einzäunung. Es ist also nicht ganz so, wie Sie es dargestellt haben. Die Sorge der Forstleute betreffend den Schutz des Lainzer Tiergartens, aber auch all der anderen Waldungen auch im niederösterreichischen Raum ist groß. Wenn ich Ihnen sage, dass in der Genossenschaftsjagd ELS, in der ich ein bisschen zu Hause bin, ehedem keine Wildschweine vorhanden waren und der letzte Pächter der Genossenschaftsjagd ELS ab heuer nicht mehr Pächter sein wollte und nicht mehr ist, weil die Wildschadenrechnung so groß ist, dann will ich damit nur aufzeigen, dass das Problem der Wildschweine sehr groß ist und sich Jäger und Zoologen noch nicht darüber einigen konnten.

Ich war bis jetzt der Meinung, dass mich eine Wildsau im Wald nicht stören kann. Ich musste mich durch diesen Waldschadenbericht aber belehren lassen, dass Wildschweine ab einer gewissen Zahl für den Wald sehr wohl schädlich sind. Wir werden uns daher auch vermehrt dem Wildschaden durch Wildschweine im Wald zuwenden müssen.

Dem Bericht ist zu entnehmen, dass besonders der Forstinspektionsbezirk Korneuburg und der Wienerwald sowie in Niederösterreich der Forstinspektionsbezirk Wien und Umgebung geschädigt sind. Über den Grund, warum die Zahl der Wildschweine so stark zugenommen hat, gibt es Vermutungen. – Möglicherweise waren die Fütterungsqualität und die Einsichten in das Leben der Wildschweine falsch. Diesbezüglich, Herr Kollege Konecny, könnten Sie noch etwas


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lernen! (Bundesrat Konecny: Ich halte keine Wildschweine!) Als Hausbesitzer, der Sie sind, sollten Sie Ihr an und für sich enzyklopädisches Wissen auch diesbezüglich abrunden und sich hie und da auch den Wildschweinen zuwenden. (Beifall und Heiterkeit bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Tusek. )

23.23

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Germana Fösleitner. – Bitte, Frau Bundesrätin.

23.23

Bundesrätin Germana Fösleitner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich in meiner Rede dem Wildschadensbericht des Jahres 2000 widmen. – Dieser Wildschadensbericht zeigt in sehr eindrucksvoller Weise die diesbezügliche Situation in den einzelnen Bundesländern und sogar in den einzelnen Bezirken auf.

Es wurde schon darauf hingewiesen, dass sich die Schadenssituation verschlechtert hat. Im Allgemeinen trifft das eigentlich nicht zu. Es konnten sogar Verbesserungen erreicht werden. Hinsichtlich der Verbisssituation trifft es jedoch zu, dass da und dort leichte Verschlechterungen festzustellen sind.

Meine Damen und Herren! Natürlich muss man sich auch die Frage nach den Ursachen für diese Schäden stellen, und die Ursachen hiefür sind sehr vielfältig. Eine Ursache liegt im überhöhten Schalenwildbestand, eine andere liegt in der Nutzung der Waldweide. Weiters sind – das wurde schon von meinem Vorredner angesprochen – unter anderem Fehler in der Wildfütterung und auch in der Waldbewirtschaftung festzustellen. So bieten zum Beispiel Monokulturen kaum Äsungsflächen für das Wild.

An die Adresse von Kollegen Todt möchte ich feststellen: Durch die Beunruhigung des Wildes im Wald ... (Bundesrat Todt: Es gibt zu viel Wild und zu wenig Abschüsse! Das steht im Bericht!) – Das ist vielleicht eine Ursache! Warum kommt es aber in bestimmten Regionen zu einem überhöhten Wildbestand und zu entsprechenden Schäden? – Das Wild wird durch die touristische Nutzung, durch den Verkehr und dergleichen zurückgedrängt, und der Lebensraum des Wildes wird immer mehr eingeschränkt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!)

Ich gebe Ihnen Recht – darüber sind wir uns alle einig –, dass die Zahl der Schäden im allgemeinen Bereich und im Verbissbereich und der damit verbundenen wirtschaftlichen und ökologischen Schäden natürlich zu groß ist. Auch wenn die Zahl der Schäden weniger wird, so ist es immer noch zu viel.

Ich sehe eine Chance darin, dass alle Beteiligten miteinander an diesem Problem arbeiten. Das ist in den Bundesländern vielfach auch schon der Fall, und es sind auch bereits Erfolge zu verzeichnen: Jäger, Forstleute, Almbewirtschafter – es geht in diesem Zusammenhang auch vielfach um die Almen und um die Waldweidenutzung –, für den Tourismus Verantwortliche und auch Erholungssuchende setzen sich zusammen und suchen gemeinsam nach Lösungen. Man bemüht sich verstärkt, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wald und Wild und ein Minimum an Beunruhigung des Wildes zu erreichen.

Ich freue mich, dass in Zukunft die Wald-Weide-Trennung mehr Bedeutung haben wird. In vielen Gegenden unseres Landes ist es eine langjährige Forderung der Almbewirtschafter, Wald und Weide zu trennen, weil das nicht nur ein Vorteil für den Wald ist, dieser so vor Verbiss- und Trittschäden des Viehs geschützt wird, sondern weil wir mittels entsprechender Pflege auch Qualitätsweiden für das Weidevieh ermöglichen. – So gesehen bin ich sehr froh, dass die Wald-Weide-Trennung in Zukunft als notwendige Maßnahme mehr an Bedeutung gewinnen wird.

Weitere Lösungsansätze sind ein flexibel gestalteter Mindestabschuss, eine Verstärkung der ökologischen Aspekte in der jagdlichen Aus- und Weiterbildung – das wurde von meinen Vor


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rednern schon erwähnt –, ferner eine Förderung der naturnahen Waldbewirtschaftung, eine ganzheitliche Betrachtung des Ökosystems Wald und der Bedürfnisse des Wildes. Die Verantwortlichen sollen verstärkt eingebunden werden, und ebenso muss es zu verantwortungsvollem Verhalten der Erholungssuchen im Wald kommen.

Herr Kollege Todt! Wenn Sie vorhin verlangt haben, dass man den Wald noch mehr öffnet, noch mehr Möglichkeiten zur Erholung bietet, und auch die Mountainbiker angesprochen haben, dann muss ich sagen: Wir haben bereits im Einvernehmen mit allen Beteiligten bei uns in Oberösterreich entsprechende Möglichkeiten in einer Qualität geschaffen, die sich sehen lassen kann. Dieses Angebot wird gut angenommen, und alle, auch die Waldbesitzer und die Jagdausübenden, können damit gut leben.

Es geht hiebei auch um die Haftungsfrage. Im Wald wird gearbeitet, im Wald entsteht Schneedruck, im Wald gibt es Windwürfe. Aus der Praxis her ist daher nicht zu verstehen, dass gewisse Forderungen gestellt werden. Außerdem geht es auch um die Berücksichtigung der Ruhezonen für das Wild. Auch das Wild hat ein Recht auf Ruhe! (Zwischenruf des Bundesrates Todt. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Bericht ist nicht nur sehr anschaulich und übersichtlich gestaltet, sondern er ist für jeden Bezirk eine wirklich brauchbare Grundlage, entsprechende Maßnahmen zu setzen und er gibt auch Anregungen zur Lösung der verschiedenen Probleme.

Ich möchte mich ganz herzlich bei allen, die diesen Bericht erstellt haben, bedanken. Es ist dies ein hervorragender, qualitativ hochwertiger Bericht. Wir werden diesem Bericht selbstverständlich unsere Zustimmung geben.

23.30

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer. – Bitte, Herr Bundesminister.

23.30

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Umweltkontrollbericht ist eine nüchterne Darstellung der Situation. Er beschönigt nichts, er verheimlicht nichts, sondern er zeigt die reale Situation auf.

Herr Kollege Schennach! Zur realen Situation gehören fraglos sowohl die positiven Seiten als auch die schwierigen Bereiche. Wir sollten uns aber nicht, wie es in vielen anderen Bereichen in Österreich offensichtlich Mode wird, schlechter machen, als wir sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich meine, es gibt sehr viele Regionen auf dieser Welt, wo man glücklich wäre, in einer derartigen Umweltsituation leben zu können wie wir in Österreich! (Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!) Ich meine daher, dass wir das auch in jenen Bereichen so beurteilen sollten, in denen es Schwächen auszumerzen gilt.

Selbstverständlich wissen wir – und ich komme auf die Ausführungen des Kollegen Todt noch zu sprechen –, dass der Bereich der Nitrate derzeit unser Hauptsorgenkind ist. Wir wissen aber auch, dass wir seit einigen Jahren in diesem Bereich vorerst eine Stabilisierung erreicht haben und seit kurzem auch eine positive Trendwende erkennbar ist.

In diesen Bereich ist noch viel zu investieren. Sicherlich wird es aber nicht angehen, dass in der Diskussion hier exklusiv einem Sektor die Verantwortung übertragen wird. Wir in der Landwirtschaft wissen sehr genau, welche Verantwortung wir haben, und wir unternehmen auch etwas gegen gewisse Entwicklungen. Aus der Praxis kann ich aber sagen, dass es Unsinn ist, zu sagen, dass es nur eine Ursache gibt! Gerade in Wien respektive in Siedlungsgebieten sollte man sehr vorsichtig mit Vorverurteilungen sein, weil wir wissen, dass es immer um die Summe der Ursachen geht, und diese beinhaltet sowohl die Industrie, das Gewerbe und die Landwirtschaft als auch die Siedlungstätigkeit, wenn zum Beispiel die Kanalisation nicht


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funktioniert; und das reicht bis zur Senkgrube, bei der nach wie vor die Bierflasche eine Rolle spielt. – Sie wissen, was ich meine!

Wenn wir daher Erfolg erzielen wollen, dann werden wir diesen sicherlich nicht dadurch erreichen, dass wir die ideologische Keule schwingen, sondern nur dadurch, dass wir etwas tun, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Wir haben etwa im Bereich der Luft hinsichtlich fast aller relevanter Schadstoffe eine positive Entwicklung zu verzeichnen. Richtig ist, das wir bei den klimarelevanten Gasen Probleme haben. Das habe ich nicht beschönigt, da habe ich auch beim Tagesordnungspunkt betreffend das Protokoll von Kyoto so berichtet. Es stellt sich aber im zunehmenden Maße heraus, dass es für uns Grenzen der nationalen Gestaltungsmöglichkeit gibt: Denken Sie etwa an Ozon oder Ozonvorläufer! Diesbezüglich stellen wir fest, dass wir zumindest europaweite Handlungen brauchen, und insofern beinhaltet die EU-Erweiterung einen entscheidenden ökologischen Aspekt, weil in diesen Staaten dann auch Standards eingeführt werden, die dazu beitragen, dass sich unsere Umweltsituation verbessert.

Ich meine daher, dass der Umweltkontrollbericht insgesamt – und ich möchte mich ebenfalls bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken – eine realistische Sichtweise bietet. Er stellt genau dar, wo Handlungsbedarf besteht, er sagt aber auch aus, dass wir gut sind. Und ich meine, dass wir das auch sagen können sollen und müssen! Wir sollten uns nicht schlechter machen, als wir sind! (Beifall bei der ÖVP .)

Zur Frage des EMAS-Gesetzes beziehungsweise des Umweltmanagementgesetzes: Diesbe-züglich liegen wir – klarerweise relativ gesehen – mit der Zahl der Betriebe, die an dieser Zertifizierung teilnehmen, europaweit an der Spitze. Ich habe vorgestern Abend – darum weiß ich, dass wir zwei konsolidierte Genehmigungsbescheide haben – an einer Veranstaltung mit Wirtschaftsunternehmen teilgenommen, die in dieser neuen Philosophie eine wichtige Perspektive und einen Anreiz sehen, daran teilzunehmen. Warum? – Weil sie davon etwas haben! Ich halte es für ganz natürlich und menschlich, dass es eine Motivation gibt, und der konsolidierte Genehmigungsbescheid stellt eine derartige Motivation dar.

Schauen Sie sich einmal die Beispiele an! Es geht da etwa um ein Unternehmen, das seit dem Jahr 1920 besteht und in dem man eigentlich nicht mehr wusste, welche Bescheide es insgesamt gegeben hat, weil es ursprünglich als Mühle begonnen hatte und heute ein Unternehmen im Elektronikbereich ist. Der Unternehmer war glücklich, dass wir mit dem Umweltmanagementgesetz entsprechende Möglichkeiten geschaffen haben.

Zum Thema des Wildschadensberichtes: Auch in diesem Bericht wird nichts beschönigt. Wer diesen wirklich genau liest, wird feststellen, dass das einzige, was sicherlich nicht hilft, die ideologische Keule ist. Meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion! In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen sehr klar sagen, dass Sie sich entscheiden müssen! Sie können nicht im Nationalrat ständig fordern, dass der Wald endlich unbegrenzt für Mountainbiking geöffnet werden soll, und sich gleichzeitig wundern, dass es Wildschäden gibt. Ziel kann doch nur geordnete Nutzung sein, und unter geordneter Nutzung verstehe ich vertragliche Nutzung, weil alles andere Waldschaden bedeuten würde.

Ich sage Ihnen: Diesbezüglich gilt es, Prioritäten zu setzen! Wir haben den besseren Weg gewählt, weil wir die vertragliche Vereinbarung gegen die vollständige Öffnung gesetzt haben. Das bewährt sich.

Zur Frage des Forstgesetzes möchte ich sagen: Der freie Waldzugang ist durch das Forstgesetz selbstverständlich gewährt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Todt. ) – Hören Sie endlich damit auf, Märchen zu erzählen. Ihre Argumente werden durch deren Wiederholung nicht richtiger! Die forstlichen und jagdlichen Sperrgebiete haben insgesamt ein Ausmaß von weniger als einem Prozent! Und es besteht mit dem Forstgesetz jetzt sogar eine Möglichkeit der Überprüfung dieser Sperrgebiete. Das, was Sie behaupten, ist also einfach nicht wahr!


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
686. Sitzung / Seite 214

Ebenso ist es nicht wahr, dass der Wald ausverkauft wird. (Zwischenruf des Bundesrates Todt. ) Ich habe noch keinen Hektar österreichischen Wald über die Grenze gehen gesehen! Ich sage Ihnen: Es kann doch nicht sein, dass nur der öffentliche Waldbesitz der gute Waldbesitz ist! Wissen Sie, wie viel Prozent des Waldes sich im Besitz der öffentlichen Hand befindet? – Es sind weniger als 20 Prozent! 80 Prozent werden von privaten Waldeigentümern hervorragend gepflegt.

Ich sage Ihnen noch etwas: Ich kann mich an die Bundesforstediskussion gut erinnern, weil ich diese schon seit längerer Zeit verfolge. Den Bundesforsten wurde vorgeworfen, dass sie im Gegensatz zu den Privaten eigentlich Raubbau am Wald betreiben. – Was stimmt jetzt also? Was wollen Sie? (Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. ) Die Fläche der Bundesforste hat in den vergangenen 20 Jahren um 50 000 Hektar zugenommen! Jetzt geben wir einige Tausend Hektar, aber weniger als zehntausend Hektar, privaten Interessenten zurück. (Bundesrat Todt: Was meinen Sie mit "Zurückgeben"?)  – Sagen Sie daher, was Sie wollen! Wollen Sie eine Verstaatlichung des Waldes? Wollen Sie eine Verstaatlichung des Forstbesitzes? – Sagen Sie es! Sagen Sie, welches ideologische Ziel Sie verfolgen! Offensichtlich sind Sie ein Verstaatlicher. Ich sage Ihnen: Private Waldbesitzer gehen pfleglich mit der Natur um. Dafür sollen wir dankbar sein! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Herr Kollege Todt! Ich habe keine Jagdprüfung! Hören Sie auf, dieses Märchen zu erzählen! (Zwischenruf des Bundesrates Todt. ) Wissen Sie, wem ich verpflichtet bin? – Ich bin einzig und ausschließlich den österreichischen Gesetzen verpflichtet! Ich sage Ihnen: Hören Sie mit diesen Verunglimpfungen auf! Ich halte das für einen Griff in die tiefste und letzte Schublade, wenn jemandem kein anderes Argument mehr einfällt. Ich habe Ihnen auch nicht gesagt, wie viele Jäger es gibt, die ein rotes Parteibuch haben. Hören Sie jetzt endlich mit diesem ... – jetzt sage ich kein Wort mehr, sonst bekomme ich einen Ordnungsruf, aber Sie wissen genau, was ich meine – auf! Die ideologische Keule hilft niemandem! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

23.40

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung noch ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Berichte erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Sechsten Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Berichtszeitraum 1997 bis 2000).

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichts ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Anwendung der EMAS-V (Verordnung EG 761/2001) und die Vollziehung des Umweltgutachter- und Standorteverzeichnis-Gesetzes (UGStVG) sowie des Umweltmanagementgesetzes (UMG).

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichts ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Wildschadensbericht 2000 des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
686. Sitzung / Seite 215

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichts ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich darf noch bekannt geben, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt elf Anfragen, 1919/J bis 1929/J, eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermin ist Freitag, der 3. Mai 2002, 11.30 Uhr, in Aussicht genommen.

Ich darf den Termin 11.30 Uhr noch einmal betonen und daran erinnern, dass um 10 Uhr unsere gemeinsame Gedenkveranstaltung mit dem Nationalrat zum Thema "Gegen Rassismus und Gewalt" im Reichsratssaal stattfinden wird.

Für die Tagesordnung der Bundesratssitzung am 3. Mai 2002 kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Montag, den 29. April 2002, ab 14 Uhr, vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen, und ich wünsche vor allem in Anbetracht der späten Stunde, dass Sie alle gut heimkommen und Ihnen nichts passiert!

Schluss der Sitzung: 23.43 Uhr