Stenographisches Protokoll
695.
Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich
Freitag, 11. April 2003
Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier
695. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich
Freitag, 11. April 2003
Dauer der
Sitzung
Freitag, 11. April 2003: 9.05 –
18.43 Uhr
*****
Tagesordnung
1. Antrag der Bundesräte Herwig Hösele, Anna Elisabeth Haselbach, Jürgen
Weiss, Ludwig Bieringer, Prof. Albrecht Konecny und Univ.-Prof. Dr. Peter
Böhm betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes (Schaffung einer verfassungsrechtlichen
Grundlage für das Stellungnahmeverfahren des Bundesrates zu
Gesetzesvorschlägen)
2. Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird
(Bundesministeriengesetz-Novelle 2003)
3. Bundesgesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird
4. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der
Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird
5. Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der
orientalisch-orthodoxen Kirchen in Österreich (Orientalisch-orthodoxes
Kirchengesetz; OrientKG)
*****
Inhalt
Bundesrat
Sitzungsunterbrechungen
..................................................................... 63 und 99
Personalien
Krankmeldungen ............................................................................................... 6
Entschuldigungen ............................................................................................. 6
Nationalrat
Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................... 26
Ausschüsse
Zuweisungen ................................................................................................... 27
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Fragestunde
Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen .................................. 6
Franz Wolfinger (1266/M-BR/03); Harald Reisenberger, Ing. Gerd
Klamt
Harald Reisenberger (1270/M-BR/03); Engelbert Weilharter, Stefan
Schennach
Ing. Walter Grasberger (1267/M-BR/03); Dr. Elisabeth Hlavac,
Dr. Renate Kanovsky-Wintermann
Dr. Klaus Peter Nittmann (1273/M-BR/03); Herta Wimmler, Anna
Schlaffer
Günther Kaltenbacher (1271/M-BR/03); Mag. John Gudenus
Germana Fösleitner (1268/M-BR/03); Anna Schlaffer, Ulrike Haunschmid
Johanna Schicker (1272/M-BR/03); Dipl.-Ing. Dr. Bernd
Lindinger, Leopold Steinbichler
Paul Fasching (1269/M-BR/03); Alfredo Rosenmaier, Ulrike Haunschmid
Dr. Robert Aspöck (1274/M-BR/03), Christine Fröhlich, Harald
Reisenberger
Dringliche Anfragen
der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für
soziale Sicherheit und Generationen betreffend massive Benachteiligungen für
Frauen durch die geplante Pensionsreform der Bundesregierung (2065/J-BR/03)
Begründung: Albrecht Konecny ...................................................................... 63
Beantwortung: Bundesminister Vizekanzler Mag. Herbert Haupt
..................... 71
Redner:
Johanna
Schicker ..................................................................................... 83
Bundesminister
Vizekanzler Mag. Herbert Haupt ...................................... 87
Mag. Harald
Himmer.................................................................................. 88
Alfredo
Rosenmaier .................................................................................. 90
Dr. Renate
Kanovsky-Wintermann ............................................................. 93
Stefan
Schennach ..................................................................................... 97
Entschließungsantrag der Bundesräte Johanna
Schicker und KollegInnen betreffend massive Benachteiligungen für
Frauen durch die geplante Pensionsreform der Bundesregierung – Rücknahme
der Pensionsreformschritte, die die Frauen benachteiligen ........................................ 86
Ablehnung .................................................................................................... 98
der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für
Landesverteidigung betreffend Verdringlichung des Bedürfnisses freiheitlicher
Bundesräte, die Wahrheit über den Kauf der Abfangjäger zu erfahren
(2066/J-BR/03)
Begründung: Albrecht Konecny ...................................................................... 99
Beantwortung: Bundesminister Günther Platter .............................................. 101
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Redner:
Günther
Kaltenbacher ............................................................................. 103
Dr. Franz-Eduard
Kühnel ........................................................................ 104
Reinhard
Todt ......................................................................................... 107
Christoph
Hagen ..................................................................................... 109
Mag. John
Gudenus ................................................................................ 110
Benno
Sulzberger ................................................................................... 114
Stefan
Schennach ................................................................................... 115
Mag. Gerhard
Tusek ............................................................................... 117
Dr. Klaus
Peter Nittmann ......................................................................... 119
Bundesminister
Günther Platter
............................................................... 119
Verhandlungen
(1) Antrag
der Bundesräte Herwig Hösele, Anna Elisabeth Haselbach, Jürgen Weiss, Ludwig
Bieringer, Prof. Albrecht Konecny und Univ.-Prof. Dr. Peter Böhm betreffend Änderung des
Bundes-Verfassungsgesetzes (Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage
für das Stellungnahmeverfahren des Bundesrates zu Gesetzesvorschlägen)
(134/A-BR/03 sowie 6772/BR d. B.)
Berichterstatter:
Friedrich Hensler ................................................................... 28
(Antrag, der
Bundesrat wolle gemäß Artikel 41 Abs. 1 B-VG dem Nationalrat den
gegenständlichen Gesetzesvorschlag zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung
unterbreiten)
Redner:
Ludwig
Bieringer ...................................................................................... 28
Albrecht
Konecny ..................................................................................... 28
Dipl.-Ing. Dr. Bernd
Lindinger ................................................................... 29
Stefan
Schennach ..................................................................................... 32
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Annahme des Antrages des Berichterstatters,
der Bundesrat wolle gemäß Artikel 41 Abs. 1 B-VG dem Nationalrat den
gegenständlichen Gesetzesvorschlag zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung
unterbreiten (mit Stimmeneinhelligkeit) .............................................................. 33
(2) Beschluss
des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem
das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bundesministeriengesetz-Novelle
2003) (69/A und 30/NR sowie 6771 und 6773/BR d. B.)
Berichterstatter:
Gottfried Kneifel .................................................................... 33
(Antrag,
keinen Einspruch zu erheben)
Redner:
Karl
Boden ............................................................................................... 34
Jürgen
Weiss ............................................................................................ 35
Reinhard
Todt ........................................................................................... 37
Engelbert
Weilharter ................................................................................. 39
Stefan
Schennach ..................................................................................... 41
und
(tatsächliche Berichtigung) .................................................................... 47
Staatssekretär
Franz Morak ...................................................................... 43
Dr. Andreas
Schnider ............................................................................... 45
Ulrike
Haunschmid ................................................................................... 47
Bundesministerin
Maria Rauch-Kallat ....................................................... 48
Annahme des Antrages des Berichterstatters,
keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) ............................................................................................................. 50
Gemeinsame
Beratung über
(3) Beschluss
des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem
das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird (45/A und 28/NR sowie 6774/BR d. B.)
(4) Beschluss
des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem
das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des
Nationalsozialismus geändert wird (46/A und 29/NR sowie 6775/BR d. B.)
Berichterstatter:
Gottfried Kneifel .................................................................... 50
[Antrag, zu (3) und (4) keinen Einspruch zu erheben]
Redner:
Dr. Vincenz
Liechtenstein ......................................................................... 51
Dr. Elisabeth
Hlavac .................................................................................. 53
Dr. Peter
Böhm ......................................................................................... 54
Ing. Walter
Grasberger .............................................................................. 56
Mag. John
Gudenus ................................................................................. 59
Annahme des Antrages des Berichterstatters,
zu (3) und (4) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) ...................................................................................... 62
(5) Beschluss
des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundesgesetz über
äußere Rechtsverhältnisse der orientalisch-orthodoxen Kirchen in Österreich
(Orientalisch-orthodoxes Kirchengesetz; OrientKG) (8 und 31/NR sowie 6776/BR d.
B.)
Berichterstatter:
Josef Saller ........................................................................... 62
(Antrag,
keinen Einspruch zu erheben)
Annahme des Antrages des Berichterstatters,
keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) ............................................................................................................. 63
Eingebracht
wurden
Anfragen
der
Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für
Landesverteidigung betreffend Werbebeilage für den Eurofighter Typhoon in der
Ausgabe des „Kuriers“ vom Samstag, 8. März 2003 (2058/J-BR/03)
der vom
Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Christoph Hagen, Jürgen Weiss
und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Finanzen betreffend
Kompetenzschwierigkeiten zwischen Zoll und Gendarmerie (2059/J-BR/03)
der vom
Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Christoph Hagen, Jürgen Weiss
und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Inneres betreffend
Kompetenzschwierigkeiten zwischen Zoll und Gendarmerie (2060/J-BR/03)
der
Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an die Bundesministerin für
auswärtige Angelegenheiten betreffend „Spionageaffäre im Herzen Europas“ (siehe
„Die Presse“, 20. März 2003, S. 9) (2061/J-BR/03)
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der
Bundesräte Christoph Hagen, Wilhelm Grissemann und KollegInnen an
den Herrn Bundeskanzler betreffend Lösung der Transitfrage (2062/J-BR/03)
der
Bundesräte Christoph Hagen und KollegInnen an den Bundesminister
für Landesverteidigung betreffend Anschaffung von Abfangjägern (2063/J-BR/03)
der
Bundesräte Christoph Hagen, Wilhelm Grissemann und KollegInnen an
den Herrn Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel betreffend ein
Exekutivdienstgesetz (2064/J-BR/03)
der
Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für
soziale Sicherheit und Generationen betreffend massive Benachteiligungen für
Frauen durch die geplante Pensionsreform der Bundesregierung (2065/J-BR/03)
der
Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für
Landesverteidigung betreffend Verdringlichung des Bedürfnisses freiheitlicher
Bundesräte, die Wahrheit über den Kauf der Abfangjäger zu erfahren
(2066/J-BR/03)
Anfragebeantwortungen
des
Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der
Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen (1882/AB-BR/03 zu
2049/J-BR/03)
des
Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der
Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen (1883/AB-BR/03 zu
2050/J-BR/03)
des
Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Frage der
Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger
(1884/AB-BR/03 zu 2052/J-BR/03)
des
Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss
und KollegInnen (1885/AB-BR/03 zu 2051/J-BR/03)
des
Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Frage der Bundesräte Jürgen
Weiss und KollegInnen (1886/AB-BR/03 zu 2053/J-BR/03)
der
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Frage der Bundesräte
Albrecht Konecny und KollegInnen (1887/AB-BR/03 zu
2055/J-BR/03)
Präsident
Herwig Hösele: Ich eröffne die
695. Sitzung des Bundesrates.
Das Amtliche
Protokoll der 694. Sitzung des Bundesrates vom 13. März 2003 ist aufgelegen,
unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.
Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des
Bundesrates Johann Kraml, Hedda Kainz, Ilse Giesinger, Margarete Aburumieh und
Ing. Franz Gruber.
Entschuldigt haben sich die Mitglieder des
Bundesrates Anna Elisabeth Haselbach und Manfred Gruber.
Fragestunde
Präsident
Herwig Hösele: Wir gelangen nun zur Fragestunde.
Ich beginne jetzt – um 9.05 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.
Bundesministerium
für soziale Sicherheit und Generationen
Präsident
Herwig Hösele: Ich komme nunmehr zur
1. Anfrage, 1266/M, an den Herrn Bundesminister für soziale Sicherheit
und Generationen, der von Frau Staatssekretärin Ursula Haubner vertreten wird,
die ich sehr herzlich begrüße. (Allgemeiner Beifall.)
Ich bitte den
Anfragesteller, Herrn Bundesrat Franz Wolfinger, um die Verlesung der Anfrage.
Bundesrat
Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr
geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine Frage
lautet:
Wie ist die
Pensionssicherungsreform im internationalen Vergleich zu beurteilen?
Präsident
Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter
Herr Bundesrat Wolfinger! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und
Kollegen des Bundesrates! Ich habe heute sehr gerne die Vertretung des Herrn
Bundesministers übernommen, da ich, wie Sie wissen, auf Grund meiner
zweijährigen Zugehörigkeit zu diesem Gremium von 1994 bis 1996 eine sehr starke
Beziehung und eine sehr positive Einstellung zur Länderkammer habe. Deswegen
freue ich mich, dass ich heute die Beantwortung dieser Fragen übernehmen darf. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Meine Damen und
Herren! Zur Pensionssicherungsreform im europäischen Vergleich kann ich –
auf einen einfachen Nenner gebracht – Folgendes sagen: Wir haben den
richtigen Weg eingeschlagen.
Die EU-Kommission
gibt für die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der
Gemeinschaften wesentliche neue Empfehlungen auch an Österreich, die seit
gestern vorliegen; Empfehlungen, die da lauten: Senkung der Abgabenbelastung,
Reform der Pensionsversicherung, insbesondere Bindung der Höhe der Leistungen
an die Beiträge während des gesamten Erwerbslebens, Erhöhung des niedrigen
tatsächlichen Pensionsantrittsalters und stärkere Erwerbsbeteiligung der
Frauen und der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Das sind die Punkte, bei denen wir ansetzen müssen, denn nur gut ein Viertel der Österreicher über 55 Jahre steht im Berufsleben. In keinem anderen europäischen Land sind die Aufwendungen der gesetzlichen Rentenversicherung so hoch wie in Österreich. Ich möchte hinzufügen,
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die Aufwendungen sind zwar hoch,
aber wir haben grundsätzlich eines der besten Pensionssysteme. In Österreich
machen diese Aufwendungen zirka 14,5 Prozent des BIP aus, der
EU-Durchschnitt beträgt zirka 10,4 Prozent.
Was den Anteil der
älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Erwerbsleben betrifft, so liegen
wir im europäischen Vergleich im hinteren Feld. Im Jahr 2001 standen in
Österreich nur 28,6 Prozent der 55- bis 64-Jährigen im Berufsleben, in der
EU sind es im Durchschnitt 38,8 Prozent.
Ich denke daher,
dass wir den ersten Schritt, die Pensionen auch für die Zukunft zu sichern, im
europäischen Einklang machen sollten, vor allem auch deswegen, weil das
Pensionsantrittsalter in Österreich eines der niedrigsten EU-weit ist.
Präsident
Herwig Hösele: Wird eine Zusatzfrage
gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.
Bundesrat
Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Wird nach
der Pensionssicherungsreform weiterhin das Lebensstandardprinzip gewahrt
bleiben?
Präsident
Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
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Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Es ist eine
Grundvoraussetzung, dass nach einer Pensionssicherungsreform weiter das
Lebensstandardprinzip gewahrt wird. Das geschieht selbstverständlich durch ein
künftiges Modell der Alterssicherung, das sich einerseits nach wie vor auf das
Standbein der staatlichen Pension verlassen muss – die staatliche Pension
ist eine der wichtigsten Säulen –, aber andererseits auch auf zwei
weiteren Säulen aufbaut. Die zweite Säule ist das Mitarbeitervorsorgeprinzip,
mit dem wir bereits durch das Modell der „Abfertigung neu“ begonnen haben. Und
die dritte Säule ist ein zukunftsorientiertes persönliches Altersvorsorgemodell.
Präsident
Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat
sich Herr Bundesrat Harald Reisenberger gemeldet. – Bitte.
Bundesrat
Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau
Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Frage lautet: Wie wurde
im internationalen Vergleich eine derart massive, in die Rechte der
Bürgerinnen und Bürger eingreifende Pensionsreform vorbereitet?
Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen Ursula Haubner: In diesem Zusammenhang kann ich
sagen, dass einige europäische Länder diesen Schritt schon vor uns gemacht
haben, vor allem was die Anhebung des Pensionsantrittsalters anlangt.
Österreich ist
zusammen mit Frankreich jenes Land, in dem es noch ein relativ frühes Pensionsantrittsalter
gibt. In den anderen europäischen Ländern ist in den vergangenen Jahren bereits
die entsprechende Umstellung geschehen.
Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat
sich Herr Bundesrat Ing. Gerd Klamt gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Ing. Gerd Klamt
(Freiheitliche,
Kärnten): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Im Rahmen der EU wurde
mehrfach vereinbart, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Beschäftigungsquoten
in Europa langfristig deutlich anzuheben. Welcher Handlungsbedarf ergibt sich
dabei für Österreich?
Präsident Herwig Hösele:
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Wir
haben, wie ich schon in meiner ersten Beantwortung gesagt habe, in Österreich
natürlich Handlungsbedarf, vor allem in der Altersgruppe der 55- bis
59-Jährigen. In Österreich ist es so, dass nur noch 446 von 1 000 Personen
in dieser Altersgruppe beschäftigt sind; das ist also bereits weniger als die
Hälfte des entsprechenden Erwerbspotenzials. Die Erwerbsbeteiligung bei den 60-
bis 64-jährigen Österreichern fällt beinahe in die Bedeutungslosigkeit.
Ich meine, der
derzeit vorliegende Entwurf, über den sehr intensiv, sehr nachhaltig diskutiert
wird, geht in die richtige Richtung. Diese Diskussion ist sehr notwendig, mit
ihr werden auch wichtige Maßnahmen in der gesetzlichen Altersvorsorge und
Altersbeschäftigung gesetzt. Die Altersvorsorge betrifft nicht nur die Anhebung
der vorzeitigen Alterspension in Schritten bis zum Jahr 2009, sondern es
muss vor allem dafür Vorsorge getroffen werden, dass abfedernde Maßnahmen für
jene gegeben sind, die arbeitslos sind oder in Arbeitslosigkeit kommen und die
vorzeitige Alterspension nicht in Anspruch nehmen können. Das geschieht in
Form eines Altersübergangsgeldes.
Wichtig ist auch,
dass in diesem Entwurf eine Beschäftigungsoffensive für ältere Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer einerseits durch die Senkung der Lohnnebenkosten für die
Betriebe und andererseits auch durch die Erhöhung des Malussystems vorgesehen
ist, sodass es für die Betriebe wesentlich teurer wird, wenn ältere
Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer entlassen werden.
Lassen Sie mich
noch einen dritten Punkt sagen, der mir in diesem Zusammenhang sehr wichtig
ist: Es ist geplant, die Altersteilzeit unbegrenzt weiterzuführen – ein
Modell, das besonders auch den Frauen sehr entgegenkommt.
Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen nunmehr zur
2. Anfrage, 1270/M. Die krankgemeldete Bundesrätin Hedda Kainz hat
gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung ihr Einverständnis bekannt
gegeben, dass Herr Bundesrat Harald Reisenberger in das Fragerecht
eintritt.
Ich bitte den
Anfragesteller um die Verlesung der Anfrage.
Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Frau Staatssekretärin!
Meine Frage lautet:
Wo sehen Sie den
von Ihnen in der Öffentlichkeit dargestellten Änderungsbedarf gegenüber der in
Begutachtung ausgeschickten Pensionsreform („das Papier sei noch nicht die letzte
Erkenntnis“, APA 630/31. März 2003)?
Präsident
Herwig Hösele: Frau Staatssekretärin, bitte.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat Reisenberger! Es
ist richtig: Es handelt sich hiebei um einen Entwurf, und dieser Entwurf kann
noch nicht die letzte Erkenntnis sein, sonst hätte man ihn nicht in
Begutachtung schicken müssen. Daher ist es wichtig, dass zusätzlich auch die
entsprechenden Anregungen und Änderungen eingebracht werden.
Dieser Entwurf ist
an rund 200 Stellen zur Begutachtung versendet worden, und jede dieser
Institutionen hat nun die Möglichkeit, bis zum 25. April Stellung zu
nehmen. Die Stellungnahmen sind auszuwerten, auch entsprechend zu würdigen und
dann zu verwenden.
Aus meiner Sicht
ist es, wie gesagt, in diesem Modell begrüßenswert, dass es erste Schritte betreffend
Besserstellung von Frauen bezüglich des Pensionsalters gibt. Das möchte ich
hier positiv anmerken. Aber ich meine auch, dass Anpassungen im Detail
notwendig sind – Anpassungen vor allem auch was die Erhöhung des
Aufwertungsfaktors anlangt. Das gilt besonders für die weiter zurückliegenden
Erwerbszeiten, aber auch für die Ersatzzeiten, für die Kindererziehungszeiten
von Frauen. Diese sollen besser bewertet werden.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 9 |
Aus meiner Sicht
ist es auch notwendig, so rasch wie möglich eine Harmonisierung der verschiedenen
Pensionssysteme in Angriff zu nehmen, aber auch zugleich sämtliche Sonderregelungen,
die es in den verschiedenen Pensionssystemen gibt, zu vereinheitlichen. Das
gilt auch für die Politikerpensionen und Politikerprivilegien.
Präsident
Herwig Hösele: Wird eine Zusatzfrage
gewünscht? – Bitte.
Bundesrat
Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Die von Ihnen
genannten Verbesserungen habe ich zwar nicht mitbekommen, stelle dazu aber
meine Zusatzfrage.
Die SPÖ wird heute
dieses Thema in einer dringlichen Anfrage thematisieren. Wie stehen Sie zur
Kritik der ÖVP-Landeshauptleute an Ihrem Entwurf für eine Pensionsreform, die
insbesondere die Auswirkungen auf Frauen und die mangelnde soziale Symmetrie
kritisieren?
Präsident
Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Vielleicht habe
ich mich nicht ganz klar ausgedrückt, wo ich diesbezüglich Verbesserungen sehe.
Es ist diese Diskussion auch über die Medien in den letzten Wochen geführt
worden, und zwar nicht nur von mir, sondern auch von vielen anderen, die das ähnlich
sehen. Ich möchte das jetzt nicht noch einmal wiederholen.
Da Sie die
Landeshauptleute ansprechen, die ihre Ideen, ihre Vorschläge bringen: Ich bin
eine, die immer gesagt hat, es ist notwendig, dass Vertreter aus den Ländern
der Bundesregierung sagen, wo Handlungsbedarf gegeben ist, wo Änderungen
notwendig sind. Ich schließe hier keinen einzigen Landeshauptmann aus, egal, ob
das der Landeshauptmann von Kärnten, von Oberösterreich oder von Salzburg ist.
Wie auch immer: Wir werden diese Forderungen sehr ernst nehmen. (Beifall bei
den Freiheitlichen.)
Präsident
Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat
sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter gemeldet. – Bitte.
Bundesrat
Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr
Präsident! Frau Staatssekretärin! Welche Maßnahmen zur eigenständigen
Pensionssicherung sind für Frauen geplant?
Präsident
Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat Weilharter! Es
sind verschiedene Maßnahmen geplant, verschiedene Maßnahmen im Entwurf
vorgesehen. Aber ich denke, wie ich schon in meiner vorherigen Beantwortung
gesagt habe, es ist noch einiges im Sinne einer eigenständigen Alterssicherung
für Frauen nachzubessern.
Die Maßnahmen, die
derzeit vorgesehen sind, umfassen die bessere Anrechnung der pensionsbegründenden
Kindererziehungszeiten. Bisher war es so, dass von vier Jahren an Kindererziehungszeiten
18 Monate pensionsbegründend angerechnet wurden. Nach dem neuen Entwurf,
nach diesem Vorschlag, soll die Zahl von 18 Monate auf 24 Monate
angehoben werden. So ist es für Frauen wesentlich leichter, die
180 Monate, die sie für eine eigenständige Pension brauchen, zu erreichen.
Für mich ist auch
ganz wichtig, dass die so genannte Langarbeitszeitregelung berücksichtigt wird.
Ich sage bewusst nicht „Hacklerregelung“, weil diese nur in eine Richtung
ginge, sie aber letztendlich alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die lange
gearbeitet haben, positiv betreffen soll.
Diese
Langarbeitszeitregelung ist auch für Frauen eine wichtige Einrichtung, weil
Frauen nach 40 Erwerbsjahren in Pension gehen können und ihnen natürlich auch
die Kindererziehungszeiten angerechnet werden.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 10 |
Was in diesem Entwurf
auch noch vorgesehen ist, ist der verbesserte Zugang für Frauen zur
Altersteilzeit. Bisher war es so, dass eine Rahmenzeit von 25 Jahren
gegeben war, das heißt, dass Frauen in den letzten 25 Jahren mindestens
15 Jahre versichert sein mussten. Diese Rahmenarbeitszeit wurde durch die
Kindererziehungszeiten erhöht und bedeutet daher für Frauen einen wesentlichen
Vorteil, wenn sie in die Altersteilzeit gehen wollen.
Weiters: Es gibt
auch eine Verbesserung für die Bäuerinnen. Es ist vorgesehen, das Ausgedinge
künftig geringer zu bewerten, es stufenweise von derzeit 27 Prozent auf
20 Prozent bis zum Jahr 2009 zu senken. Das bedeutet konkret, dass
pensionierte Bäuerinnen dann ihre Pension dementsprechend aufgewertet
bekommen.
Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat
sich Herr Bundesrat Stefan Schennach gemeldet. – Bitte.
Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau
Staatssekretärin! Es ist erstaunlich, dass bereits beim ersten Reformprojekt
der neuen Bundesregierung Auflösungserscheinungen zu bemerken sind, wie es sie
am Ende der letzten Koalition gegeben hat. (Rufe bei den Freiheitlichen:
Frage!) – Warum sind Sie so nervös? – Ein bisschen mehr
Gelassenheit vor Ostern, meine Herrschaften!
Frau
Staatssekretärin! Im ersten Entwurf war noch eine Anpassung der laufenden
Pensionen vorgesehen, im zweiten Entwurf wurde das gestrichen. Wie wir wissen,
war der erste Entwurf die Grundlage der Koalitionsverhandlungen. Wer war dafür
verantwortlich, dass die Anpassung der laufenden Pensionen im zweiten Entwurf
gestrichen wurde?
Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Zu
Ihrer Eingangsbemerkung: Sie sehen mich sehr gelassen, auch wenn die
Kolleginnen und Kollegen vielleicht Ihre Bemerkung nicht so gelassen
hingenommen haben.
Zu Ihrer Frage: Im
Regierungsprogramm wurden keine Details festgehalten, sondern es wurde nur der
Rahmen vorgegeben, nämlich das große Ziel der Pensionsreform mit einigen
Eckpunkten. In den Detailverhandlungen auf Expertenebene hat es dann
verschiedene „Zubesserungen“ gegeben.
Der jetzt
vorliegende Entwurf sieht die Anpassungsfaktoren nicht vor. Aber ich habe schon
eingangs und auch in der Beantwortung anderer Fragen gesagt, dass für mich und
für viele andere – denn ich stehe mit dieser Ansicht nicht alleine
da – die Aufwertungsfaktoren, die Verbesserung der Anpassungsfaktoren,
eine Grundvoraussetzung dafür sind, dass die Pensionen in gleicher oder
ähnlicher Höhe gehalten werden.
Präsident Herwig Hösele: Wir kommen nunmehr zur 3. Anfrage,
1267/M.
Ich bitte den
Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ing. Walter Grasberger, um die Verlesung
der Anfrage.
Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine
Frage lautet:
Welche Maßnahmen
werden Sie im Jahr der Behinderten setzen?
Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich sage Ihnen nichts Neues: Die Europäische Union hat das Jahr 2003 zum Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen erklärt. Es gibt in
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 11 |
Österreich
rund 2,1 Millionen Menschen mit den unterschiedlichsten körperlichen oder
geistigen Beeinträchtigungen. Gerade für diese große Gruppe unserer
Mitbürgerinnen und Mitbürger ist es wichtig, auch politisch die richtigen
Signale zu senden.
Es wurde bereits
in der Vergangenheit unter Vizekanzler und Bundesminister Haupt sehr viel für
die Behinderten getan; man denke nur an die in der letzten Legislaturperiode
erfolgte Einführung der „Behindertenmilliarde“ zur besseren Integration
behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt. (Bundesrätin Schicker: Es
sind nur 700 Millionen geworden!) Wir nehmen dieses Jahr der Menschen
mit Behinderungen zum Anlass, wieder verstärkt Aktivitäten zu setzen.
Die Schwerpunkte
sind in erster Linie unter dem Motto „So viel Hilfe wie nötig, so viel Selbstbestimmung
wie möglich“ zu sehen und sollen helfen, Menschen mit Beeinträchtigungen als
vollwertige Mitglieder in die Gesellschaft integrieren zu können.
Wichtig ist es
auch, die Bevölkerung für dieses Thema zu sensibilisieren, gerade was ihr Bild
von Menschen mit Behinderungen betrifft, und sehr eng mit der Wirtschaft
zusammenzuarbeiten, um die Chancen der Behinderten auf dem Arbeitsmarkt zu
verbessern.
Am 18. März
wurde der Bericht der Bundesregierung über die Lage der behinderten Menschen in
Österreich dem Ministerrat vorgelegt, er wird in der nächsten Sitzung des
Nationalrates diskutiert werden.
Es ist im heurigen
Jahr auch geplant, die Beschäftigungsoffensive für Menschen mit Behinderungen
in Form der „Behindertenmilliarde“ weiter fortzusetzen.
Ich darf in diesem
Zusammenhang vielleicht noch ein Element erwähnen: Es gibt erstmals eine
Einmalzahlung für Menschen, die gepflegt werden müssen, vor allem für Menschen,
die in der Familie gepflegt werden, und zwar ab der Pflegestufe 4.
Insgesamt ist das
Jahr der Menschen mit Behinderungen eines, das alle Ressorts und alle möglichen
Partnerinnen und Partner einbinden soll. Ich denke, nur wenn dieses Bewusstsein
von allen Österreicherinnen und Österreichern entsprechend
getragen wird, dann wird es mehr sein als nur ein Jahr, in dem man vielleicht
das eine oder andere etwas intensiver umsetzt.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 12 |
Präsident Herwig Hösele: Wird eine Zusatzfrage
gewünscht? – Bitte.
Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Frau Staatssekretärin! Wann wird die
Arbeitsgruppe, die ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz erarbeiten soll, ihre
Arbeit aufnehmen?
Präsident Herwig Hösele:
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen Ursula Haubner: Nach Auffassung des
Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen ist für den Antrag
auf Erlassung eines allgemeinen Behinderten-Gleichstellungsgesetzes federführend
das Bundeskanzleramt zuständig, da der erste Abschnitt dieses Behinderten-Gleichstellungsgesetzes
eine Verfassungsbestimmung enthält, die sich auf das Diskriminierungsverbot
stützt.
Wie ich mich
kundig gemacht habe, gibt es auch einen Vier-Parteien-Entschließungsantrag, der
zu Beginn folgendermaßen lautet: „Der Bundeskanzler wird ersucht, zur
Vorbereitung eines Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes beim
Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung
von Experten (...) einzurichten (...).“
Ich vertrete heute
den Herrn Vizekanzler, und ich vertrete natürlich auch ein Ressort, das größtes
Interesse daran hat, dass dieses Gesetz zu Stande kommt. Ich werde mich
natürlich dafür einsetzen, dass so rasch wie möglich die ersten Gespräche, die
ersten Verhandlungen geführt werden und auch die Arbeitsgruppe im
Bundeskanzleramt ihre Tätigkeit aufnimmt.
Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat
sich Frau Bundesrätin Dr. Elisabeth Hlavac gemeldet. Ich bitte um die
Zusatzfrage.
Bundesrätin Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ, Wien): Frau Staatssekretärin! Ich habe eine konkrete Frage zu
einem bestimmten Bereich: Die Gehörlosen-Verbände sind mehrmals an uns alle herangetreten,
weil sie sich wünschen, dass die Gebärdensprache voll anerkannt wird.
Ich möchte Sie
daher fragen, ob Sie vorhaben, Maßnahmen in diese Richtung zu setzen.
Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Die
Anerkennung der Gebärdensprache ist auch im Regierungsprogramm festgehalten.
Dies ist ein Wunsch, eine Forderung – eine jahrelange Forderung – der
Behindertenverbände und der Menschen mit Behinderungen.
Ich kann meine
Erfahrung aus dem Bundesland Oberösterreich dazu einbringen, wo wir in der
letzten Legislaturperiode eingeführt haben, dass bei öffentlichen Auftritten,
bei Veranstaltungen im Landtag ein Gebärdendolmetscher vor Ort ist. Von den
Menschen, die dies brauchen, wird das letztlich sehr gut aufgenommen und sehr
positiv honoriert.
Das soll also
nicht nur im Regierungsprogramm stehen, sondern ich werde mich dafür einsetzen,
dass das auch in der Praxis angewandt wird.
Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat
sich Frau Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann gemeldet. Ich bitte
um die Zusatzfrage.
Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr
geehrte Damen und Herren! Sie haben heute schon auf die Wichtigkeit der
Eingliederung von behinderten Menschen in den Erwerbsprozess hingewiesen.
Ich darf Sie nun
Folgendes fragen: Welche Erfolge konnten Sie beziehungsweise der Herr Vizekanzler
mit seiner Aktion der „Behindertenmilliarde“ in den Jahren 2001 und 2002
in beschäftigungspolitischer Hinsicht verzeichnen?
Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Im
Zentrum der Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Menschen mit
Behinderungen ist im Zusammenhang mit der „Behindertenmilliarde“ vor allem die
berufliche Integration gestanden und wird auch weiter stehen.
Als erste
Zielgruppe sind besonders Jugendliche mit Behinderungen, vor allem mit
sonderpädagogischem Förderbedarf unmittelbar vor oder beim Übertritt von der
Schule ins Berufsleben, zu sehen.
Vor allem sind es
aber als zweite Zielgruppe behinderte Menschen höheren Alters zur Aufrechterhaltung
derjenigen Arbeitsplätze, die sie bereits haben.
Die dritte Gruppe
umfasst behinderte Menschen mit besonderen Schwierigkeiten auf dem
Arbeitsmarkt, vor allem jene, die psychische Behinderungen haben, und
sinnesbehinderte Menschen. – Das sind die drei Zielgruppen.
Neben diesen
direkten Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Integration werden auch begleitende
Maßnahmen gesetzt, wie zum Beispiel Unternehmerservice als Dienstleistung für
Arbeitgeber und verstärkte Förderung der Bereitschaft, die Arbeitsumwelt
behindertengerecht zu gestalten.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 13 |
Ihre Frage, was im
Jahr 2002 mit der „Behindertenmilliarde“ erreicht wurde, kann ich dahin gehend
beantworten, dass nach den derzeit vorläufig vorliegenden Ergebnissen neben
Individualförderungen rund 400 Projekte gefördert wurden. Insgesamt wurden für
rund 17 400 Fälle Förderungen im Gesamtausmaß von 61 Millionen €
geleistet. Diese teilen sich nach folgenden Schwerpunkten auf: Jugendliche,
ältere Personen mit speziellen Schwierigkeiten, begleitende Maßnahmen, wie ich
es vorhin erwähnt habe, zum Beispiel das soziale Umfeld betreffend.
Ich habe schon in
einer anderen Beantwortung gesagt: Die Maßnahmen der „Behindertenmilliarde“
werden auch in den Jahren 2003 und 2004 fortgesetzt.
Präsident
Herwig Hösele: Wir gelangen nunmehr zur
4. Anfrage, 1273/M.
Ich bitte den Anfragesteller, Herrn
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 14 |
Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann, um die Verlesung
seiner Anfrage.
Bundesrat
Dr. Klaus Peter Nittmann (Freiheitliche, Oberösterreich):
Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! So wie du denke auch ich, dass die Grünen
noch sehr lange auf ihre Regierungsbeteiligung werden warten müssen, deshalb
freue ich mich, dir noch recht lange Anfragen stellen zu dürfen. (Bundesrätin Schicker: Das würde ich
nicht sagen!)
Meine Frage
lautet:
Wie entwickelt
sich die Inanspruchnahme des Kinderbetreuungsgeldes insbesondere in Zusammenhang
mit allfälligen Auswirkungen auf die Beschäftigung von Frauen?
Präsident
Herwig Hösele: Frau Staatssekretärin, bitte.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat Nittmann! Danke
für die konkrete Frage. (Bundesrätin Bachner: Man darf sich zu
Weihnachten etwas wünschen, nicht zu Ostern! – Weitere Zwischenrufe bei
der SPÖ.) Ich habe mich für die konkrete Frage bedankt.
Sehr geehrter Herr
Bundesrat Nittmann! Das Kinderbetreuungsgeld hat den Zweck, die Eltern –
also Mütter und Väter – während der Kleinkindphase zu
unterstützen. Das Ziel des Kinderbetreuungsgeldes ist es vor allem, den Eltern
die Wahlfreiheit zu geben, das Kind entweder selbst zu betreuen oder betreuen
zu lassen (Bundesrätin Schicker: Das ist keine Wahlfreiheit!),
Leistungen zuzukaufen und weiterhin einer außerhäuslichen Erwerbstätigkeit
nachzugehen.
Die große
Akzeptanz dieser Einrichtung des Kinderbetreuungsgeldes – ich möchte es
hier noch einmal sagen: Wir liegen, was diese finanziellen Maßnahmen zur
Unterstützung der Familien anlangt, europaweit an der Spitze – ist sehr
erfreulich. Wir können das nicht nur an einem Geburtenplus von 3,6 Prozent
im Jahr 2002 feststellen, sondern auch an der Zahl der gestellten Anträge.
Bis Ende März 2003 wurden rund 80 000 Anträge auf Kinderbetreuungsgeldauszahlung
gestellt. Von den rund 80 000 Anträgen wurden – und das ist auch
interessant, weil wir das Kinderbetreuungsgeld für alle Mütter
und für alle Väter eingeführt haben, was in der Vorphase nicht
der Fall gewesen ist, da galt das nur für die Erwerbstätigen – rund
22 396 Anträge von Müttern und Vätern gestellt, die vor der Antragstellung
nicht erwerbstätig waren, also die Hausfrauen, Hausmänner,
SchülerInnen, StudentInnen, aber auch Arbeitslosengeld- und
NotstandshilfebezieherInnen waren.
Genau
aufgegliedert waren es 11 677 Hausfrauen und leider, muss ich sagen, nur
60 Hausmänner, 1 015 Studentinnen, 52 Studenten und
545 Schülerinnen. Das beweist, dass wir richtig entschieden
haben, das Kinderbetreuungsgeld auch jener Gruppe zukommen zu lassen, die
vorher nicht erwerbstätig war. Erstmals wurde auch ein wesentlicher Beitrag
dazu geleistet, dass alle Kinder gleich sind, vor allem auch, dass alle Mütter
und alle Väter gleich sind.
Präsident
Herwig Hösele: Wird eine Zusatzfrage
gewünscht? – Bitte.
Bundesrat
Dr. Klaus Peter Nittmann (Freiheitliche, Oberösterreich):
Wird es für jene Frauen, die sich dazu entscheiden, beim Kind zu Hause zu
bleiben, nicht negative Auswirkungen auf die Pension geben?
Präsident
Herwig Hösele: Frau Staatssekretärin, bitte.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Sie sprechen
hier ein Thema an, das seit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes sehr
heftig diskutiert wird, und zwar einerseits von denjenigen, die nicht sehr
viel Freude mit dieser Familienleistung haben, die sagen, das Kinderbetreuungsgeld
dränge die Frauen zurück hinter den Herd (Bundesrätin
Schicker: Die Statistiken sagen es schon!) – wobei ich immer
wieder sage: Was versteht man darunter?; wenn, dann steht man vor
dem Herd und nicht hinter dem Herd! –, und andererseits
von denjenigen, die 100-prozentig dieses Kinderbetreuungsgeld verteidigen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dazu kann
ich nur sagen: Diese neue Familienleistung ist etwas, was die Wahlfreiheit erst
möglich macht. Letztendlich hat die Politik nicht vorzugeben, in welcher Form
Eltern mit ihren Kindern leben.
Dass uns aber die
Altersvorsorge für Frauen sehr wichtig ist, zeigt auch, dass wir in der ersten
Phase die 18 Monate zu pensionsbegründenden Zeiten gemacht haben und
dieser Zeitraum jetzt in der zweiten Phase auf 24 Monate erhöht
wird. – Das ist das eine.
Aber ich möchte
auch darauf hinweisen, dass – und das ist etwas, was immer ein bisschen
untergeht – für diese Zeiten der Kinderbetreuung vor allem auch die
Abfertigungsbeiträge gezahlt werden, dass die Beiträge für die Teilzeitkarenz
bei der Kinderbetreuung bezahlt werden und dass auch die Familienhospizkarenz
und die Bildungskarenz da mit hineinfallen.
Wir haben also im
Rahmen unserer Familienleistungen neben dem Kinderbetreuungsgeld auch noch
zusätzlich Leistungen für Zeiten der Familienarbeit vorgesehen, denn unsere
Überlegung ist es, dass die Zeiten, in welchen Frauen zu Hause Familienarbeit
leisten – und diese ist auch wichtig, nicht nur die Kindererziehung,
sondern auch die Pflege von Angehörigen –, für die Berechnung der
Altersvorsorge nicht verloren gehen.
Präsident
Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat
sich Frau Bundesrätin Herta Wimmler zu Wort gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin
Herta Wimmler (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte
Frau Staatssekretärin! Tatsache ist, dass bis jetzt sehr wenig Männer
Väterkarenz in Anspruch genommen haben. Daher lautet meine Frage: Wie wollen
Sie in diesem Zusammenhang die Rolle der Väter aktivieren beziehungsweise die
Männer motivieren, verstärkt Väterkarenz in Anspruch zu nehmen?
Präsident
Herwig Hösele: Frau Staatssekretärin, bitte.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich glaube, es
ist eines der schwierigsten politischen Anliegen, Väter mehr zu motivieren, für
die Familie etwas zu tun. Ich glaube, das muss in der Familie selbst, in der
Partnerschaft beginnen. Dabei sehe ich weniger Probleme bei den ganz jungen
Vätern und Müttern, die diesbezüglich schon ein anderes Denken haben, für die
es schon selbstverständlich ist – ich sage es plakativ –, dass Frauen
einen weiteren Schritt in den Beruf machen und Männer gerne einen Schritt in
Richtung Familie machen. Diesen Schritt in Richtung Familie muss man, wie ich
meine, den Vätern auch im Sinne eines Bewusstseinsbildungsprozesses schmackhaft
machen, denn Väter wissen oft nicht, was ihnen entgeht, wenn sie ihre Kinder
nur neben der beruflichen Tätigkeit sehen oder genießen können, also zu Zeiten,
wo dies nicht möglich ist. (Bundesrat Gasteiger:
Vielleicht müssen die Männer das Geld verdienen, Frau Staatssekretär! –
Bundesrätin Schicker – in Richtung des Bundesrates
Gasteiger –: Das war kein kluger Zwischenruf!)
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 15 |
Es ist das
Bewusstsein zu schaffen, dass Kinder auch Väter brauchen. (Weiterer
Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger.) Daher müssen wir Maßnahmen
im Bereich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie setzen. Gerade da hat man
jahrzehntelang die Aufgabe, Beruf und Familie zu vereinbaren, immer nur den
Frauen zugeordnet und gesagt: Die Frauen müssen schauen, wie sie Beruf und
Familie miteinander vereinbaren können! – Das ist ganz wichtig!
Die Herren von der
SPÖ sind damit nicht ganz einverstanden. (Bundesrat
Gasteiger – die Hand hebend –: Nur ich allein!) Weil Sie
sagten, die Männer müssen .... (Bundesrat Gasteiger:
Ich allein fühle mich angesprochen, weil ich die Erziehung von einem
zweijährigen Sohn zu verantworten habe!) Okay! Ich habe gesagt, es gibt
Ausnahmen. (Neuerlicher Zwischenruf des
Bundesrates Gasteiger.) Das habe ich gesagt, glaube ich. (Bundesrat Gasteiger: Da wehre ich mich dagegen!) Bitte,
Herr Bundesrat, passen Sie ein bisschen auf, dann hören Sie, was ich sage!
Sofern ich es
richtig verstanden habe – aber korrigieren Sie mich, wenn ich es falsch
verstanden habe! –, haben Sie gesagt, dass die Männer das Geld verdienen
müssen. (Bundesrat Gasteiger nickt
zustimmend.) Da müssen wir, denke ich, auch endlich einmal ansetzen! Da ist
nicht nur die Politik, sondern da sind auch die Gewerkschaften, die
Sozialpartner gefordert, die dafür sorgen müssen, dass Frauen auch in
frauentypischen Bereichen endlich jenen Lohn beziehungsweise jenes Einkommen
erhalten, das ihnen eigentlich zusteht. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Daher hat
auch ... (Bundesrat Gasteiger:
Das soll kein Lippenbekenntnis sein, das müsst ihr umsetzen!) Wir haben es
im Regierungsprogramm festgeschrieben, wir werden es auch umsetzen. Aber in der
Vergangenheit ist leider zu wenig geschehen, das muss man ganz ehrlich sagen! (Bundesrat
Gasteiger: Ihr seid in der Regierung! – Bundesrat Dr. Böhm –
in Richtung des Bundesrates Gasteiger –: Ihr habt 20 Jahre Zeit
gehabt! – Bundesrat Gasteiger, replizierend: Wie lange seid ihr in
der Regierung?)
Ich möchte wieder
auf die Väterkarenz zu sprechen kommen: Wir werden in diesem Zusammenhang bei
unseren Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie ganz stark die
Väterkarenz miteinbinden beziehungsweise die Väter dazu motivieren. Wenn wir
den Evaluierungsbericht betreffend das Kinderbetreuungsgeld haben, dann
sollten wir überlegen, ob nicht die Zuverdienstgrenze noch einmal anzuheben
wäre, um den Vätern vermehrt Möglichkeiten, Chancen und Anreize zu geben, die
Kinderbetreuung zu übernehmen.
Ich habe auch,
weil es zu meinem unmittelbaren Bereich gehört, die so genannte Männerabteilung,
die schon für viel Aufsehen gesorgt hat ... (Bundesrätin Schicker: Wird sie abgeschafft?) Sie ist jetzt
in meinen Zuständigkeitsbereich gekommen. Die Frauenarbeit kam sozusagen zur
Männerabteilung. – Da haben wir schon im Arbeitsprogramm den Schwerpunkt
festgelegt, dass mehr Männer die Familienarbeit übernehmen sollen. Wir werden
unsere Studien und unsere punktuelle Arbeit in dieser Richtung auch in der
Männerabteilung gestalten. Dann hat sie, so denke ich, eine wirklich gute
Berechtigung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
Präsident
Herwig Hösele: Danke, Frau Staatssekretärin! (Bundesrat
Rosenmaier: Wie werden Sie es schaffen, dass die Männer nicht arbeitslos
werden, wenn sie in Karenz gehen? – Bundesrätin Schicker – in
Richtung des Bundesrates Rosenmaier –: Die Frauen werden auch nicht
arbeitslos! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Das ist eine sehr interessante Debatte, aber an sich sind die
Fragesteller am Wort. Insofern bitte ich Frau Bundesrätin Anna Schlaffer um
ihre Zusatzfrage. – Bitte.
Bundesrätin
Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte
Frau Staatssekretärin! Entgegen manch Ihrer Ausführungen ist einer neuen
Wifo-Studie zu entnehmen, dass die Inanspruchnahme des Kinderbetreuungsgeldes
bewirkt, dass Frauen vom Arbeitsmarkt verdrängt werden. Während früher
54 Prozent der Frauen nach dem zweiten Geburtstag ihres Kindes in das
Berufsleben zurückkehrten, sind es jetzt nur noch 35 Prozent. Auch ist der
Anteil der Väter in Karenz von 2,5 Prozent auf 2 Prozent gesunken.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 16 |
Damit das bei der
Einführung des Kinderbetreuungsgeldes gemachte Versprechen, dass Mütter eine
freie Entscheidung zwischen Erwerbstätigkeit und Familienarbeit treffen können,
Wahrheit wird, muss die Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen.
Welche Maßnahmen
planen Sie konkret, um die Bedingungen für Frauen zu verbessern?
Gestatten Sie mir
eine kleine Zusatzfrage, vielleicht können Sie auch darauf eingehen: Wie stehen
Sie selbst zu einem einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld?
Präsident
Herwig Hösele: Danke für die zwei
Zusatzfragen. – Ich bitte die Frau Staatssekretärin um die Antwort.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich kenne
natürlich diese Wifo-Studie, die in den letzten Wochen für sehr viel Aufregung
gesorgt hat, aber ich möchte verhindern, dass wir da zwei Dinge vermischen.
Das Ziel dieser
Wifo-Studie war, die Erwerbstätigkeit von Frauen, die Kinder haben, die Familie
haben, zu durchleuchten. – Das ist das eine.
Zweitens haben
wir, wie ich schon gesagt habe, die Evaluierung bezüglich des Kinderbetreuungsgeldes
laufen, wo es darum geht, zu untersuchen, wie das Kinderbetreuungsgeld
angenommen wird. Daher ist es, glaube ich, jetzt noch zu früh, diesbezüglich
klare oder seriöse Aussagen zu treffen, denn gerade beim Kinderbetreuungsgeld
haben wir erst einen Zeitraum von eineinviertel Jahren hinter uns. Wir haben
erst im Jänner 2002 damit begonnen, und daher ist meiner Meinung nach die Aussage,
dass auf Grund des Kindergeldes weniger Väter zu Hause bleiben, nicht ganz
seriös, denn es ist, wie Sie wissen, im Rahmen des Bezuges des
Kinderbetreuungsgeldes geplant, dass Väter zumindest das letzte halbe Jahr in
Anspruch nehmen. Ich meine, nach eineinviertel Jahren können wir dazu noch
keine Aussage treffen, da es kaum Männer gibt, die dieses Geld schon bezogen
haben.
Daher würde ich
bitten, auch hier in der Diskussion diese beiden Dinge auseinander zu halten.
Ich denke, wenn diese Studie vorliegt und wir ein erstes Ergebnis haben, dann
können wir auch mit entsprechenden Zahlen aufwarten. Wichtig ist aber auch,
dass man im Rahmen dieser Studie feststellt, dass bis zu 93 Prozent der
Frauen innerhalb der ersten sechs Jahre wieder in den Beruf zurückkehren
wollen. Das heißt für mich, dass Frauen sehr wohl wissen, was sie möchten. Aber
es gibt auch sehr viele Frauen, die sagen: In den ersten Lebensjahren sind mir
meine Kinder so wichtig, dass ich bei meinem Kind bleiben möchte! Schließlich
ist das Kinderbetreuungsgeld auch eine Unterstützung zum Wohle des
Kindes. – Das sei zu dieser Studie gesagt.
Zum Zweiten, zum
einkommensabhängigen Karenzgeld: Ich halte von einem einkommensabhängigen
Karenzgeld nichts, denn ich denke, dass wir damit wieder Mütter zweier Klassen
schaffen, denn letztendlich ist es doch so, dass die gut verdienende Mutter
viel oder mehr Karenzgeld bekommt als die schlechter verdienende Mutter. Die
große Masse der Frauen, die in frauentypischen Berufen arbeiten, haben einen
Niedriglohn, und diese bekommen dann weniger Kinderbetreuungsgeld. Ich möchte
nicht, dass wir uns in Richtung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft bewegen, was
das Kinderbetreuungsgeld anlangt.
Präsident
Herwig Hösele: Wir kommen nunmehr zur
5. Anfrage, 1271/M.
Ich bitte den
Anfragesteller, Herrn Bundesrat Günter Kaltenbacher, um die Verlesung seiner
Anfrage.
Bundesrat
Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident!
Frau Staatssekretärin! Meine Frage lautet:
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 17 |
Nehmen Sie als
Staatssekretärin eine Kürzung von Pensionen im Ausmaß von bis zu 30 Prozent
durch fehlende Anpassungen bei den Aufwertungsfaktoren in Kauf?
Präsident Herwig Hösele:
Frau
Staatssekretärin, bitte.
Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich
habe in meiner Beantwortung der vorherigen Fragen immer wieder klar zum
Ausdruck gebracht, dass diesbezüglich ein Entwurf vorliegt, der verschiedene
Details enthält, über die intensivst diskutiert wird, und in welchem auch
Änderungen gefordert werden. Ich glaube, dass in Zukunft die staatliche Säule
bei der Altersvorsorge, die staatliche Pension in jenem Ausmaß gewährleistet
sein wird, wie es sich die Menschen verdienen, die gearbeitet haben. Da müssen
wir auch im Bereich der Anpassungsfaktoren etwas machen.
Präsident Herwig Hösele:
Zu einer
Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus gemeldet. –
Bitte.
Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau
Staatssekretärin! Welche weiteren Maßnahmen im Zusammenhang mit der
Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes sind denkbar?
Präsident Herwig Hösele:
Bitte, Frau
Staatssekretärin.
Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Bisher
war es so, wie Sie wissen, dass die 15 besten Jahre als Durchrechnungszeitraum
angerechnet wurden beziehungsweise gegolten haben. Jetzt ist geplant, den
Durchrechnungszeitraum auf 40 Jahre auszuweiten, und in dem Moment, in welchem
der Durchrechnungszeitraum verlängert wird, kann es Nachteile vor allem für
jene geben, die Zeiten haben, die nicht so gut bewertet sind, oder auch Zeiten,
die schon länger zurückliegen. Daher müssen wir, denke ich, in diesem Bereich
noch auf jeden Fall nachbessern. Das betrifft in erster Linie Frauen, und zwar
Frauen, die sehr unterschiedliche Erwerbsläufe haben, die von Familienzeiten
unterbrochen sind. Daher sollten wir das im Rahmen der Diskussion
berücksichtigen und dann bei der Umsetzung die entsprechenden Schritte setzen.
Dazu kann ich Ihnen aber auch sagen, dass im Ressort vom Herrn Vizekanzler und
auch in meinen Abteilungen schon seit Tagen verschiedene Modelle ausgearbeitet,
verschiedene Beispiele berechnet werden, um da Abfederungen zu erreichen.
Präsident Herwig Hösele:
Wir gelangen
nunmehr zur 6. Anfrage, 1268/M.
Ich bitte die
Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Germana Fösleitner, um die Verlesung ihrer
Anfrage.
Bundesrätin Germana Fösleitner (ÖVP, Oberösterreich): Herr
Präsident! Sehr geschätzte Frau Staatssekretärin! Die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf ist für berufstätige Eltern ein ganz großes Anliegen. Meine Frage
lautet daher:
Welche Pläne haben
Sie, um die für berufstätige Eltern besonders wichtige Vereinbarkeit von Beruf
und Familie zu erleichtern?
Präsident
Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Das ist mir ein ganz großes Anliegen. Ich habe das auch bei meiner Arbeit in Oberösterreich immer wieder zum Ausdruck gebracht. Ich sage: Es ist zu wenig, wenn wir den Familien die wichtige finanzielle Unterstützung, die sie unbedingt brauchen, als zusätzliches Einkommen geben, um Familie leistbar zu machen. Für müssen da-
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 18 |
neben
noch für andere Unterstützungen sorgen, und zwar vor allem für jene Frauen,
aber auch für jene Väter, die Beruf und Familie vereinbaren wollen oder auch
vereinbaren müssen, weil sie berufstätig sind.
Daher ist mir der
enge Kontakt mit der Wirtschaft ein besonderes Anliegen. Ich halte es für besonders
wichtig, dass wir verstärkt Anreize schaffen, dass Unternehmen
familienfreundliche Arbeitszeitmodelle anbieten, und zwar die Möglichkeit
schaffen, nicht nur in Teilzeit, sondern auch in Vollzeit neben der Familie zu
arbeiten, weil, wie wir wissen, das auch letztendlich für die Pensionshöhe eine
grundsätzliche Voraussetzung ist.
Wir werden daher
im Ressort den Bereich Audit Familie und Beruf, der bereits vor zwei Jahren begonnen
wurde, weiter fortsetzen. Es hat erste Gespräche meinerseits mit der Wirtschaft
dahin gehend gegeben, ob wir die Anreize, die da enthalten sind, noch
verbessern können, damit sich noch mehr Betriebe daran beteiligen. Ich glaube,
dass es zwar positiv ist, wenn es zum Beispiel österreichweit 68 auditierte und
300 interessierte Unternehmen gibt, aber wenn wir sehen, wie groß und wie
wichtig unsere Wirtschaft österreichweit ist, dann müssen wir danach trachten,
dass noch wesentlich mehr dazukommen. Da werden wir verstärkt nachhaken müssen.
Wir haben auch mit
dem Nachweis der Familienkompetenzen als Schlüsselqualifikation für mehr Erfolg
im Beruf bereits erfolgreich begonnen. In diesem Bereich werden wir noch sehr
aktiv arbeiten. Wir haben weiters die kinder- und familienfreundlichen
Gemeinden zu betreuen begonnen, denn gerade auf Gemeindeebene ist es, wie ich
meine, wichtig, in diesen Bereichen etwas zu tun.
Ergänzend sei auch
noch gesagt, was die Kinderbetreuung anlangt, weil das auch ein wesentlicher
Bereich ist, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können: Ohne mich jetzt
aus irgendeiner Verantwortung stehlen zu wollen, muss ich trotzdem sagen:
Kinderbetreuung ist Länderkompetenz! Aber wir haben – und ich bin da sehr
dahinter – festgehalten, dass wir seitens des Bundes auch entsprechende
Projekte in den Ländern fördern, und zwar Projekte, die vor allem innovativ
sind, was die Öffnungszeiten anlangt, was die Dauer der Öffnung auch zu Zeiten,
die eher ungewöhnlich sind, wie Ferien und Sommer, anlangt. Wir haben zugesagt,
dass wir derartige Betreuungseinrichtungen vom Bund aus unterstützen. Ich
glaube, es ist wichtig, da intelligente Modelle anzubieten. Die Arbeitszeiten
werden immer unterschiedlicher und flexibler, und da muss den Frauen, den Müttern
und den Vätern noch sehr viel angeboten werden.
Präsident
Herwig Hösele: Wird eine Zusatzfrage
gewünscht? – Bitte.
Bundesrätin
Germana Fösleitner (ÖVP, Oberösterreich): Im
Regierungsprogramm ist auch eine Bundeskoordinationsstelle für Familie und
Beruf vorgesehen.
Meine Frage lautet
daher: Welche Aufgabe kommt dieser Bundeskoordinationsstelle für Familie und
Beruf zu?
Präsident
Herwig Hösele: Frau Staatssekretärin, bitte.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Diese
Koordinationsstelle ist ein von der EU gefördertes Projekt, das Österreich
umsetzen kann und umsetzen wird, um die Vereinbarkeitsmaßnahmen gebündelt zu
verbessern. Es geschieht schon sehr viel auf allen Ebenen, auf Länderebene,
auf Gemeindeebene, auch zum Teil auf Bundesebene, und eine Bündelung, eine Koordinierung
ist da sehr wichtig.
Das Ziel beziehungsweise der Zweck dieses Vorhabens ist, dass es eine einheitliche Anlaufstelle gibt, dass die Synergien, die vorhanden sind, besser vernetzt werden und dann auch besser genutzt werden können, dass innovative Maßnahmen im Kinderbetreuungsbereich und auch im Wirtschaftsbereich, von denen ich soeben gesprochen habe, dementsprechend gefördert werden, dass es grundsätzlich eine Anlauf- und Servicestelle gibt. Wir alle wissen, wie
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 19 |
schwierig es ist, dass
man, je höher man in die Verwaltung kommt, einen direkten Zugang hat, und
alles, was als Servicestelle gebündelt und einheitlich koordiniert ist, wird
auch besser angenommen.
Außerdem ist es
auch wichtig, dass wir uns international und europaweit besser austauschen,
dass wir ein bisschen über die Grenzen blicken und schauen, was in anderen
Ländern geschieht, dass wir also auch in diesem Bereich etwas tun.
Wichtig ist auch,
dass wir Forschung und Dokumentation vor allem im Bereich der Statistiken und
Publikationen haben. Informationsmaterial und natürlich auch die entsprechende
Öffentlichkeitsarbeit sind wichtig. Ich denke, dass das eine gute und sinnvolle
Sache ist. Wir werden sie ganz rasch in Angriff nehmen.
Präsident
Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat
sich Frau Bundesrätin Anna Schlaffer zu Wort gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin
Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte
Frau Staatssekretärin! In ihrem Arbeitsprogramm kündigt die Bundesregierung
eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten sowie eine allgemeine
Arbeitszeitflexibilisierung, das heißt, einen noch flexibleren Umgang mit der
Zeit der Beschäftigten an. Nicht nur, dass davon mit überwältigender Mehrheit
berufstätige Frauen betroffen wären, würde die Umsetzung dieser Pläne natürlich
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erheblich erschweren.
Welche Maßnahmen
planen Sie, um zu verhindern, dass das soziale und auch finanzielle Gefüge
einer Familie nicht noch mehr durch die Wahrnehmung der Interessen der
Wirtschaft beeinträchtigt wird?
Präsident
Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Die
Liberalisierung der Öffnungszeiten ist im Regierungsprogramm verankert. Sie
sind aber dahin gehend abgefasst, dass die Möglichkeit besteht, in den Ländern
die Entscheidungen zu treffen. Wenn die Länder mit den Öffnungszeiten zufrieden
sind, dann soll nichts geändert werden.
Sie haben sicher
in der Diskussion der vergangenen Wochen gemerkt, dass es bisher kein Bundesland
gibt, in welchem die Ladenöffnungszeiten verändert werden, und zwar deshalb,
weil letztendlich die Mechanismen so sind, dass in besonders frequentierten
Gebieten, wie zum Beispiel Tourismusgebieten, eine längere Öffnungszeit
möglich ist. Darüber bin ich sehr froh, denn ich persönlich sehe gerade die
Situation der arbeitenden Frauen im Bereich des Handels immer sehr kritisch.
Ich weiß, welchen Belastungen Frauen heute schon durch die doch sehr
unterschiedlichen Arbeitszeiten ausgesetzt sind, die zum Teil geblockt sind und
zum Teil dann anfallen, wenn es kaum Kinderbetreuung gibt.
Mir und auch
dieser Regierung ist es aber ganz wichtig – und das haben wir explizit
festgehalten –, dass es keinesfalls zur Liberalisierung des bisher
arbeitsfreien Sonntags kommen darf. Diesbezüglich gibt es von den Ländern
dementsprechende Bewegungen, Vereinbarungen mit den Sozialpartnern, auch mit
der Kirche. Ich glaube, gerade der arbeitsfreie Sonntag ist etwas ganz
Wichtiges, und zwar nicht nur für unsere Familien, damit das Familienleben
funktionieren kann und damit auch Frauen da ihre Chance haben, sondern auch für
unsere gesamte gesellschaftliche Struktur, was das Vereinswesen auf
Länderebene, im ländlichen Raum, aber auch im städtischen Raum betrifft.
Präsident
Herwig Hösele: Zu einer
weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid zu Wort
gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Frau Staatssekretärin! Wie du die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern kannst, hast du bereits zur Genüge erörtert. Du hast es im Land Oberösterreich zum großen Teil auch schon erfolgreich umgesetzt. Ich darf
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 20 |
dich
aber fragen: Was wird geplant, um familien- und kinderfreundliche
Lebensbedingungen zu schaffen, welche die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
überhaupt erst ermöglichen?
Dazu eine
spezielle Frage, die mich natürlich interessiert: Wie schaut es aus mit
Selbständigen und vor allem mit unseren Klein- und Kleinstbetrieben, damit es
auch wieder eine Motivation gibt, selbständig zu werden?
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 21 |
Präsident Herwig Hösele:
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen Ursula Haubner: Verehrte Frau Bundesrätin! Ich habe
schon bei der vorhergehenden Beantwortung einige Beispiele aufgezählt, die sich
vor allem auch auf Gemeindeebene bewegen, besonders was familienfreundliche
Gemeinden anlangt. Gerade in den Gemeinden gibt es sehr viele selbständige
Frauen, die ihre kleinen oder mittleren Unternehmen führen. Ich möchte auch
noch einmal darauf hinweisen, dass durch das Kinderbetreuungsgeld erstmals auch
Selbständige in den Genuss einer solchen Leistung kommen.
Ich denke, die
Partnerschaft mit der Wirtschaft ist etwas ganz Wesentliches. Ich halte es für
sehr wichtig, arbeitsnahe Kinderbetreuung zu schaffen. Ich sage bewusst nicht
Betriebskindergärten, sondern arbeitsnahe Kinderbetreuung, um auch
verschiedene kleinere oder mittlere Betriebe dabei mit einbinden zu können.
Gerade weil du aus
dem Saisonbereich, aus der Gastronomie kommst, möchte ich darauf hinweisen,
wie wichtig es ist, Frauen auch für jene Zeiten, in denen sie in der Saison
arbeiten, die Möglichkeit zu geben, ihre Kinder gut versorgt zu wissen. Das
kann mit öffentlichen Einrichtungen erfolgen, aber auch mit privaten Modellen
wie Tagesmüttern und Ähnlichem.
Ich wiederhole,
dass dabei in erster Linie die Länder gefordert sind, aber der Bund wird auch
entsprechende Unterstützung geben.
Präsident Herwig Hösele:
Danke, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen nunmehr
zur 7. Anfrage, 1272/M.
Ich bitte die
Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Johanna Schicker, um die Verlesung der Anfrage.
Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident!
Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine Frage lautet:
Streben Sie eine
Änderung bei der unsozialen Regelung über die Unfallrentenbesteuerung an?
Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen Ursula Haubner: Sehr
geehrte Frau Bundesrätin! Regelungen im Zusammenhang mit der Besteuerung der Unfallrenten
aus der gesetzlichen Unfallversicherung fallen laut Bundesministeriengesetz
ausschließlich in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Finanzen.
Bekanntlich hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom
7. 12. 2002 Bestimmungen über die Unfallrentenbesteuerung als
verfassungswidrig aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem
Erkenntnis auch ausgeführt, dass die aufgehobene Gesetzesbestimmung auf die
Einkommensteuerbemessung für die Jahre 2001 und 2002 nicht mehr anzuwenden
ist, soweit eine Abgeltung nach dem Bundesbehindertengesetz nicht erfolgt ist.
Im Übrigen hat der Gesetzgeber eine so genannte Reparaturfrist bis
31. Dezember 2003 eingeräumt, sodass ab 1. Jänner 2003 die
Unfallrentenbesteuerung bis zu einer allfälligen Neuregelung aufrecht bleibt.
Präsident
Herwig Hösele: Wird eine Zusatzfrage
gewünscht? – Bitte.
Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Frau
Staatssekretärin! Nachdem Sie jetzt gesagt haben, dass ab 1. 1. 2004
eine andere Gesetzesvorlage zu erwarten ist, möchte ich Sie trotzdem fragen:
Welche Nettoeinnahmen werden auf Grund dieser unsozialen Maßnahmen, die ich
erwähnt habe, für das Jahr 2003 auf dem Rücken der Unfallrentenbezieher,
also der Ärmsten der Armen, erwartet?
Präsident Herwig Hösele:
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Frau Bundesrätin, darf ich Ihnen das
schriftlich nachreichen? – Ich möchte hier keine falschen Zahlen nennen,
und bei diesem Bereich muss ich ehrlich sagen, das fällt nicht in meine
Zuständigkeit.
Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Ja gerne, vielen
Dank.
Präsident Herwig Hösele:
Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dipl.‑Ing. Dr. Bernd
Lindinger gemeldet. – Bitte.
Bundesrat
Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr geehrte
Frau Staatssekretärin! Im Zusammenhang mit der Besteuerung der Unfallrenten
wurden auch Verbesserungen in der Sozialversicherung für Schwerversehrte
vorgenommen. Sind diese Verbesserungen nun durch die Aufhebung der Besteuerung
der Unfallrenten in ihrem Bestand bedroht?
Präsident
Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen Ursula Haubner: Sehr
geehrter Herr Bundesrat! Ich kann Ihnen sagen, dass bisher 46 000 Anträge gestellt wurden, und
zirka 40 000 Personen haben bisher eine Leistung aus dem Unterstützungsfonds
zur Abgeltung der Mehrbelastung erhalten.
Präsident Herwig Hösele:
Zu einer weiteren
Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Leopold Steinbichler gemeldet. –
Bitte.
Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Frau
Staatssekretärin! Wie viele Personen bekommen derzeit die Unfallrentenbesteuerung
zurückerstattet?
Präsident Herwig Hösele:
Bitte, Frau
Staatssekretärin.
Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich
muss mich entschuldigen, ich habe dem schon vorgegriffen. Was ich soeben
erwähnt habe, war bereits die Beantwortung Ihrer Frage, aber ich
sage es noch einmal: Es sind 46 000 Anträge gestellt worden, und zirka
40 000 Personen haben bisher eine Leistung aus dem Unterstützungsfonds
erhalten.
Präsident Herwig Hösele:
Wollen Sie die Zusatzfrage von Herrn Bundesrat Dr. Lindinger auch
noch beantworten, oder war das unter einem, Frau Staatssekretärin? Oder wollen
Sie Ihre Zusatzfrage für beantwortet erklären, Herr Bundesrat? (Bundesrat
Dr. Lindinger erklärt seine Zusatzfrage
für beantwortet.) – Danke.
Wir kommen nunmehr zur 8. Anfrage, 1269/M.
Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Paul Fasching, um die
Verlesung der Anfrage.
Bundesrat
Paul Fasching (ÖVP,
Burgenland): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Frage lautet:
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 22 |
Welche
Schwerpunkte haben Sie sich für die Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans zur
Umsetzung der Kinderrechte, wozu sich Österreich beim Weltkindergipfel der
Vereinten Nationen 2002 verpflichtet hat, vorgenommen?
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 23 |
Präsident
Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat!
Österreich gehört zu jener Gruppe von Ländern, die das UN-Übereinkommen über
die Rechte des Kindes bereits am 26. Jänner 1990 unterzeichnet haben.
Dieses Übereinkommen, bekannt unter dem Namen „Kinderrechtskonvention“, wurde
Anfang 1993 mittels Bundesgesetzblatt kundgemacht und ist formal schon 1992 in
Kraft getreten.
Es stimmt, wir
haben uns beim Weltkindergipfel der Vereinten Nationen 2002 in New York, wo
Österreich durch Herrn Bundesminister Herbert Haupt vertreten war, zur
nationalen Umsetzung der Kinderrechte mittels eines Nationalen Aktionsplanes
verpflichtet.
Mir ist es ein
besonderes Anliegen, im Bereich der Kinderrechte Maßnahmen zu setzen, Maßnahmen
zu entwickeln und diese dann auch umzusetzen.
Wir halten uns
dabei an vier Grundsätze, die ganz wesentlich sind. Das ist erstens der Schutz
vor der Diskriminierung von Kindern; zweitens die Berücksichtigung des Wohles
der Kinder in allen politischen Aktivitäten; drittens das Recht des Kindes auf
Leben und Entwicklung und viertens vor allem auch das Recht des Kindes auf
Meinungsbildung, Meinungsäußerung und entsprechende Berücksichtigung seiner
Meinung.
Wir haben dazu ein
erstes Treffen abgehalten: Ende März gab es die Veranstaltung zur Umsetzung
der Kinderrechtskonvention. Als Folge dieser Veranstaltung werden entsprechende
Arbeitsgruppen und Arbeitskreise eingerichtet, mit sehr vielen Teilnehmerinnen
und Teilnehmern. Es gab über 100 Interessierte aus diversen
Organisationen, von den NGOs, Experten und Fachleute. In diesen Arbeitsgruppen
wird bis Ende des Jahres intensiv gearbeitet. Die entsprechenden Vorschläge
werden dann präsentiert, und wir werden sie im Rahmen der Umsetzung dann in
unsere politische Arbeit einbringen.
Präsident
Herwig Hösele: Wird eine Zusatzfrage
gewünscht? – Bitte.
Bundesrat
Paul Fasching (ÖVP, Burgenland): Frau
Staatssekretärin! Welchen Zeitplan haben Sie sich vorgenommen? Wann konkret
wird diese Umsetzung erfolgen?
Präsident Herwig Hösele:
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr
geehrter Herr Bundesrat! Die Umsetzung – ich habe es schon
angesprochen – soll bis Ende 2003 erfolgen, bis wir die Ergebnisse haben,
das ist ganz wichtig. Das ist der Zeitplan für das heurige Jahr. Ich denke, es
würde zu weit führen, wenn ich Ihnen wochenweise berichten würde, welche
Arbeitsgruppen und Steuerungsgruppen jeweils tagen.
Die Umsetzung muss
dann sofort geschehen, denn wir haben uns – und darauf möchte ich hinweisen –
in diesem Regierungsübereinkommen auch verpflichtet, eine aktive
Familienpolitik, vor allem eine aktive Kinder- und Jugendpolitik zu machen. Und
wir haben uns in diesem Regierungsprogramm auch dazu verpflichtet, dass wir
die Kinderrechte in der Verfassung festschreiben und verankern.
Bisher gibt es ja
nur ein Bundesland, nämlich
Oberösterreich, das die Kinderrechte in der Verfassung verankert hat, aber ich
wünsche mir sehr, dass wir das so schnell wie möglich auch in der
österreichischen Bundesverfassung festhalten.
Präsident
Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat
sich Herr Bundesrat Alfredo Rosenmaier gemeldet. – Bitte.
Bundesrat
Alfredo Rosenmaier (SPÖ, Niederösterreich): Frau
Staatssekretärin! Halten Sie den derzeitigen Stand für fortgeschritten? Gibt es
darüber einen Bericht, beziehungsweise wo liegen Ihre persönlichen Prioritäten?
Präsident
Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr
Bundesrat! Ich halte das, was bisher gemacht wurde, für grundsätzlich sehr gut.
Wir haben seitens der Europäischen Union beziehungsweise seitens der UNO auch
entsprechendes Lob für das bekommen, was bisher von uns im Bereich der Kinder-
und Jugendpolitik gemacht wurde. Aber ich denke, wir dürfen nicht stehen
bleiben, sondern wir müssen das, was wir geschaffen haben, auch
weiterentwickeln.
Für mich als Staatssekretärin für Generationen ist es sehr wichtig, dass
wir die Mitbestimmung, die Mitsprache, die Partizipation von Kindern und
Jugendlichen stärken.
Ich habe schon erste
Gespräche mit den Vertreterinnen und Vertretern der österreichischen
Jugendvertretung geführt, die sich sehr intensiv einbringen und mitarbeiten.
Sie bringen vor allem ihr Wissen und ihr persönliches Erleben ein.
Ein zweiter
Bereich ist mir sehr wichtig, und zwar der Schutz der Kinder vor Gewalt und Diskriminierung.
Da ist gerade, was die Information und die Betreuung der Opfer anlangt, wenn
derartige Dinge passieren, aber auch hinsichtlich der Prävention in den letzten
Jahren einiges geschehen. In diesem Bereich müssen wir unbedingt weiter
arbeiten. Kinder sind etwas sehr Wertvolles. Und wenn Menschen im Kindesalter,
in der Jugend entsprechende Schäden erleiden, dann werden aus ihnen nie
glückliche Erwachsene und auch nie wertvolle Mitglieder der Gesellschaft. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Präsident
Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat
sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin
Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich):
Frau Staatssekretärin! Wie will die Regierung der UN-Forderung nach
Partizipation nachkommen?
Präsident
Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr
geehrte Frau Bundesrätin! Das ist mir gerade jetzt ein besonderes Anliegen,
wenn wir diesen Nationalen Aktionsplan erarbeiten. Wie ich schon gesagt habe,
es werden die Grundsätze der Partizipation erprobt und auch künftige machbare
Strukturen erarbeitet.
Wir planen, in den nächsten Monaten und im nächsten Jahr in ganz
Österreich Kinderkonferenzen abzuhalten. In Zusammenarbeit mit dem
Bildungsministerium, also auch mit den Schulen, wollen wir auch die
Kinderrechte wieder verstärkt zum Thema in der Ausbildung machen. Wie schon
erwähnt, sind da vor allem die Kinder- und Jugendorganisationen sehr aktiv und
hoch motiviert, und auch da werden wir sie verstärkt einbinden, damit dieses
Thema im NGO-Bereich, im Bildungsbereich, aber auch im gesamten politischen
Bereich entsprechend aufbereitet und präsentiert wird.
Präsident Herwig Hösele: Wir
kommen nunmehr zur 9. Anfrage, 1274/M.
Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Aspöck, um die
Verlesung der Anfrage.
Bundesrat Dr. Robert Aspöck
(Freiheitliche, Salzburg): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Anfrage
lautet:
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 24 |
Welche
Überlegungen stellen Sie zur strategischen Ausrichtung der
Konsumentenschutzpolitik an?
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 25 |
Präsident
Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Sie wissen, dass
der Bereich der Konsumentenschutzpolitik nun aus dem Justizministerium in das
BMSG gewandert ist. In den letzten Jahrzehnten war der Konsumentenschutz immer
wieder ein Bereich, der von einem Ressort zum anderen gewandert ist. Ich
erachte die Aufgabe des Konsumentenschutzes als sehr wichtig, sehr notwendig,
weil er alle Bürgerinnen und Bürger betrifft.
Für mich ist der
Konsumentenschutz, wie er sich jetzt darstellt, eine Querschnittsmaterie, und
daher habe ich in unserem Bereich in erster Linie Koordinierungsaufgaben
wahrzunehmen.
Wir müssen –
das ist ganz wichtig – strategisch denken und zunächst einmal die Weichen
richtig stellen. Wir müssen uns anschauen: Wie ist der Konsumentenschutz in
Österreich organisiert? Kann wirklich jeder Bürger und jede Bürgerin zu
seinem/ihrem Recht kommen? Hat jeder Bürger und jede Bürgerin den Zugang zum
Recht? Gibt es im Bereich der Verbraucherbildung, der Verbraucherinformation
den Stand, den wir brauchen, oder müssen wir da noch etwas nachfordern?
Das sind die
Dinge, die uns derzeit sehr intensiv beschäftigen. Durch die Öffnung der
EU-Grenzen und durch die Liberalisierung des gesamten Marktes wird der Konsumentenschutz
für den Einzelnen sehr wichtig werden. Wir müssen darauf achten, dass er in
Österreich gut organisiert ist, und vor allem auch darauf, dass die
Verbraucherbildung und die Verbraucherinformation für jeden Einzelnen
zugänglich sind.
Präsident
Herwig Hösele: Wird eine Zusatzfrage
gewünscht? – Bitte.
Bundesrat
Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Frau
Staatssekretärin! Eine Frage zu einem ganz konkreten Konsumentenschutzthema:
Was werden Sie gegen die zunehmend bedenklichen Methoden der Keilergruppen im
Bereich der Stromanbieter unternehmen?
Präsident
Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Sie sprechen
damit ein Thema an, das in den letzten Wochen immer wieder an mich
herangetragen wurde. Dabei geht es um Verkaufsgeschäfte, um Haustürgeschäfte,
wenn man es vereinfacht ausdrücken möchte. Ich finde, wir müssen absolut etwas
dagegen tun.
Zur Zeit gibt es
ein Rücktrittsrecht innerhalb von sieben Tagen. Wir wollen in diesem Zusammenhang
eine Vereinheitlichung der verschiedenen Gesetze herbeiführen, weil die
unterschiedlichen Konsumentenschutzgesetze auch unterschiedliche
Rücktrittsrechte aufweisen. Das müssen wir vereinheitlichen, damit der
Konsument auch genügend Zeit hat, um von diesem Recht Gebrauch zu machen.
Wir haben in
Zusammenarbeit mit dem VKI bereits eine Klage gegen die sehr aggressiven Anbieter
mit eingebracht, denn ich denke, es ist notwendig, auch in diesem Klagsbereich
entsprechende Weichen zu stellen.
Im Rahmen der
Informationskampagne überarbeiten wir auch derzeit eine Broschüre betreffend
das Thema Haustürgeschäfte, die schon längere Zeit in der
Konsumentenschutz-Sektion aufliegt und die dann auch den betroffenen –
oder hoffentlich noch nicht betroffenen! – Konsumentinnen und Konsumenten
übermittelt wird.
Präsident
Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat
sich Frau Bundesrätin Christine Fröhlich gemeldet. – Bitte.
Bundesrätin
Christine Fröhlich (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau
Staatssekretärin! Wie wollen Sie im Informations-, Beratungs- und
Rechtsdurchsetzungsbereich einen effizienten, bürgernahen Konsumentenschutz
sicherstellen?
Präsident
Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Sie sprechen
zwei Bereiche an, nämlich den Informationsbereich und den
Rechtsdurchsetzungsbereich. Im Rechtsdurchsetzungsbereich gibt es einen
bestehenden Werkvertrag mit dem VKI, der bisher auch gemeinsam mit dem Bund die
entsprechenden Klagen durchgeführt hat.
Wir haben dahin
gehend erste Gespräche geführt, und da es diesbezüglich großen Handlungsbedarf
gibt, beabsichtige ich, für diese Klagstätigkeit auch erweiterte finanzielle
Mittel zur Verfügung zu stellen. In diesem Bereich ist in der Vergangenheit
unter Justizminister Böhmdorfer bereits einiges geschehen, und wir sollten den
Konsumentinnen und Konsumenten wirklich auch auf dieser Ebene zu ihrem Recht
verhelfen. – Erster Punkt.
Zweiter Punkt: Die
Information scheint mir sehr wichtig zu sein, und zwar Information auf den
verschiedensten Ebenen. Wir überarbeiten gerade die Homepage, den
Internetbereich der Konsumentenschutzsektion, weil er einfach den
Gegebenheiten entsprechend adaptiert werden muss, um auch ein entsprechendes
Diskussionsforum zu schaffen. Das ist ungeheuer wichtig.
Wir überprüfen
derzeit alle Broschüren und Publikationen in Bezug auf ihre Aktualität und auch
dahin gehend, wie wir sie an die einzelnen Zielgruppen heranbringen. Für mich
sind zwei Zielgruppen sehr wichtig, und zwar einerseits die Senioren und
andererseits die Jugendlichen. Die Jugendlichen sind immer mehr von
Überschuldung bedroht, und zwar schon in einem Alter, wo sie vielleicht noch
als Schüler oder Lehrling tätig sind. Aber auch die Senioren sind in diesem
Bereich gefährdet, gerade was Haustürgeschäfte, Verkaufsgeschäfte und so weiter
anlangt. Da werden sie sehr oft über den Tisch gezogen. Das sind vorrangig
meine beiden Zielgruppen, für die sehr viel zu tun ist.
Präsident
Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat
sich Herr Bundesrat Harald Reisenberger gemeldet. – Bitte.
Bundesrat
Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Frau Staatssekretärin!
Für eine erfolgreiche Konsumentenschutzpolitik ist es auch wichtig, dass
legislative Maßnahmen rasch
gesetzt werden können. Wenn man Schaden von den KonsumentInnen abwehren will,
dann stellt sich die Frage: Welche legislativen Primärkompetenzen können Sie in
Ihrem Ressort für den Bereich Konsumentenschutz wahrnehmen?
Präsident
Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich denke, die
Prävention ist in allen
Bereichen wichtig. Es kann nicht die Linie des Konsumentenschutzes sein, dass
man sagt, durch Schaden wird man klug, sondern man muss darauf schauen, wie man
den Schaden im Voraus
abwenden kann. Dabei geht es zunächst einmal um Information.
Die Information, die Verbraucherbildung sind ganz wichtig. Ich habe gestern ein Gespräch mit Vertretern der Arbeiterkammer geführt, die das ähnlich sehen wie ich. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir demnächst in einer Arbeitsgruppe zusammenkommen und prüfen, wie wir die Verbraucherbildung auf den verschiedensten Ebenen – etwa auch im Schulbereich, aber nicht nur – verstärken können. Da ist absolut Nachholbedarf gegeben, vor allem hinsichtlich dessen,
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 26 |
was ich immer die Eigenverantwortung des Konsumenten nenne. Dieser Bereich ist
sehr wichtig.
Das zweite
wichtige Anliegen ist, dass der Zugang
zur Information verbessert werden muss, egal, ob das ein telefonischer Zugang
ist oder der Zugang in den Ländern zu Beratungsstellen. Die Konsumentinnen und
Konsumenten müssen wissen, wohin sie sich wenden können, und da darf es
natürlich keine Unterschiede geben.
Derzeit befinden
wir uns leider in der Situation, dass die Beratung in den Ländern für Arbeiterkammermitglieder
kostenlos ist. Wenn sich ein Bauer, eine Bäuerin, eine Hausfrau, ein Unternehmer
dort an die Beratung wenden, dann muss das bezahlt werden. Ich finde, das
gehört abgeschafft. Da müssen wir eine gemeinsame Lösung finden, denn der
Zugang zum Recht muss für alle gleich sein, ganz egal, welchen Beruf jemand
hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Präsident
Herwig Hösele: Eine weitere Zusatzfrage ist von der Geschäftsordnung aus nicht
vorgesehen, aber wenn die Frau Staatssekretärin dem zustimmt, dann machen wir
das gerne. (Staatssekretärin Haubner
stimmt einer weiteren Zusatzfrage zu.)
Bundesrat
Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Frau Staatssekretärin!
Auf Länderebene ist das natürlich gut und wichtig. Aber dort, wo es im Land nicht funktioniert: Gibt es auch
auf Bundesebene Vorstellungen dazu, den Konsumenten den Zugang zur Information
zu erleichtern?
Präsident Herwig
Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.
Staatssekretärin
im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr
geehrter Herr Bundesrat! Wir haben eine gut funktionierende Sektion für
Konsumentenschutz, die diese Dinge bisher zum Großteil wahrgenommen hat, zum
Beispiel was Information anlangt.
Aber wie ich in
der vorhergehenden Beantwortung gesagt habe: Wir bauen derzeit gerade im
Internetbereich einiges aus. Wenn Sie den VKI auf Bundesebene ansprechen, dann
müssen Sie wissen – aus den Medien oder aus anderen Gesprächen –,
dass wir da eine gemeinsame Lösung suchen. Ein erster Schritt im Rahmen eines Sanierungskonzeptes
wurde gesetzt. Dieses wurde mehrheitlich beschlossen.
Noch kurz zum VKI:
Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage – ich habe es bereits wiederholt
erklärt –, ich möchte den VKI weiter erhalten, weil er wichtig ist, weil
er gut ist, aber ich möchte nicht, dass irgendwelche parteipolitischen
Tendenzen dort Platz greifen. Das ist mein persönliches Anliegen. Aber ich
weiß, welches Know-how die Mitarbeiter dort haben, und auf dieses Know-how
sollte der Konsumentenschutz in Österreich nicht verzichten.
Präsident
Herwig Hösele: Danke, Frau Staatssekretärin, für
die Beantwortung aller Fragen und Zusatzfragen.
Die Fragestunde
ist beendet.
Einlauf und
Zuweisungen
Präsident Herwig Hösele:
Eingelangt sind
sechs Anfragebeantwortungen, 1882/AB bis 1887/AB, die den Anfragestellern
übermittelt wurden.
Die
Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern
des Bundesrates zugegangen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im
Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.
Weiters eingelangt
sind zwei Beschlüsse des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein
Bundesgesetz, mit dem eine vorläufige Vorsorge für das Finanzjahr 2003
getroffen wird, Gesetzliches Budgetprovisorium 2003, und ein Bundesgesetz über
die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses für das Jahr 2001.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 27 |
Gemäß
Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz unterliegen diese
Beschlüsse nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates.
Den eingelangten
Wildschadensbericht 2001 des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft habe ich dem Ausschuss für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur weiteren
geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zugewiesen.
Eingelangt sind
ferner jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung
sind. Ich habe diese Beschlüsse, so wie den schon zu einem früheren Zeitpunkt
eingelangten und zugewiesenen Antrag 134/A-BR/03 den in Betracht kommenden
Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen.
Die Ausschüsse haben
ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte
erstattet. Ich habe alle diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen
Sitzung gestellt.
Behandlung der
Tagesordnung
Präsident Herwig Hösele:
Ich beabsichtige,
die Debatte über die Punkte 3 und 4 der Tagesordnung unter einem abzuführen.
Werden dagegen
Einwendungen erhoben? – Dies ist nicht der Fall.
Ich werde daher in
diesem Sinne vorgehen.
Wird zur
Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.
Ankündigung einer
dringlichen Anfrage
Präsident Herwig Hösele:
Bevor wir in die
Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des
§ 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche
Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Professor Albrecht Konecny und Kolleginnen und Kollegen
betreffend massive Benachteiligungen für Frauen durch die geplante
Pensionsreform der Bundesregierung an den Herrn Bundesminister für soziale
Sicherheit und Generationen vorliegt.
Im Sinne des
§ 61 Abs. 4 der Geschäftordnung verlege ich die Behandlung dieser
Anfrage an den Schluss der Sitzung. Sollte die Sitzung jedoch bis 14 Uhr
nicht beendet sein, werde ich die Tagesordnung zu diesem Zeitpunkt zum Aufruf
der an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen gerichteten
dringlichen Anfrage unterbrechen.
1. Punkt
Antrag der
Bundesräte Herwig Hösele, Anna Elisabeth Haselbach, Jürgen Weiss, Ludwig
Bieringer, Prof. Albrecht Konecny und Univ.-Prof. Dr. Peter Böhm betreffend Änderung des
Bundes-Verfassungsgesetzes (Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage
für das Stellungnahmeverfahren des Bundesrates zu Gesetzesvorschlägen)
(134/A-BR/03 sowie 6772/BR der Beilagen)
Präsident Herwig Hösele:
Wir gehen nunmehr
in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Antrag der Bundesräte
Herwig Hösele, Anna Elisabeth Haselbach, Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer,
Professor Albrecht Konecny und Univ.-Prof. Dr. Peter Böhm betreffend Änderung des
Bundes-Verfassungsgesetzes (Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage
für das Stellungnahmeverfahren des Bundesrates zu Gesetzesvorschlägen).
Die
Berichterstattung hat Herr Bundesrat Friedrich Hensler übernommen. Ich bitte um
den Bericht.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 28 |
Berichterstatter
Friedrich Hensler: Herr Präsident! Hoher Bundesrat!
Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus. Der
Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich beschränke mich auf den
Gesetzesvorschlag:
Der Bundesrat
wolle beschließen:
Gemäß
Artikel 41 Abs. 1 B-VG in Verbindung mit § 21 der
Geschäftsordnung des Bundesrates wird dem Nationalrat der nachstehende
Gesetzesvorschlag zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung unterbreitet:
Der Nationalrat
wolle beschließen:
Bundesverfassungsgesetz,
mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 in der Fassung von 1929 geändert wird
Der Nationalrat
hat beschlossen:
Bundesverfassungsgesetz,
mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 in der Fassung von 1929 geändert
wird:
Artikel 41a
lautet:
„Artikel 41a
(1) Gesetzesvorschläge und Volksbegehren sind gleichzeitig an die Mitglieder
des Nationalrates und des Bundesrates zu verteilen.
(2) Der Ausschuss
des Bundesrates, dem ein Gesetzesvorschlag oder ein Volksbegehren zugewiesen
wurde, kann hiezu bis zum Abschluss der Beratungen im Ausschuss des
Nationalrates eine Stellungnahme beschließen.
(3) Nähere
Bestimmungen trifft die Geschäftsordnung des Bundesrates.“
Präsident
Herwig Hösele: Ich danke für die
Berichterstattung.
Wir gehen in die Debatte
ein.
Zu Wort gemeldet
hat sich Herr Bundesrat Ludwig Bieringer. Ich erteile ihm dieses.
10.28
Bundesrat
Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Die Präsidiale des
Bundesrates hat den vom Schriftführer verlesenen Antrag eingebracht. Wir haben
ihn deshalb eingebracht, weil wir der Meinung sind, dass es zweckmäßig wäre,
wenn sich die sachlich zuständigen Ausschüsse des Bundesrates vor der Behandlung der Materie
im Nationalrat, also während
der Gesetzwerdung, mit dieser Gesetzesinitiative befassen würden. Wir meinen,
dass das wichtig und richtig wäre, weil die Interessen der Länder
dadurch – durch den Bundesrat – besser eingebracht und schon in der
Gesetzwerdung entsprechend berücksichtigt werden könnten.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Aus diesem Grund wird die ÖVP-Fraktion dem gerne
zustimmen, und wir werden alles daran setzen, dass dieser Antrag dann auch
tatsächlich in den sachlich zuständigen Ausschüssen des Nationalrates behandelt
wird und dass das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 in der Fassung von 1929 dahin
gehend geändert wird. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
10.30
Präsident Herwig Hösele: Ich erteile nun Herrn Bundesrat
Albrecht Konecny das Wort. – Bitte.
10.30
Bundesrat
Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Es ist dies kein neues Thema, und auch ich kann mich daher
kurz fassen, möchte aber doch an den Grundgedanken dieser Initiative des
Bundesrates erinnern.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 29 |
Wir haben
öffentlich und mehr noch in Gesprächen zwischen Kolleginnen und Kollegen die
Verfassungssituation bedauert, die uns an das Ende des Gesetzgebungsprozesses
setzt. Fertig in Paragraphen gegossene Entwürfe, Beschlüsse des Nationalrates
kommen zu uns in den Bundesrat, und wir sind lediglich mit der Möglichkeit
konfrontiert, ja oder nein zu sagen. Die Debatte – und das ist letztlich
das Leben des Parlamentarismus – über die Details eines Gesetzes, über
einzelne Paragraphen, über einzelne Bestimmungen, kann als Debatte zwar geführt
werden, ist aber folgenlos!
Es bleibt dem
einzelnen Bundesrat oder den gesamten Fraktionen überlassen, daraus die Konsequenz
zu ziehen, ein als negativ empfundenes Detail so wichtig zu nehmen, um einen
gesamten Gesetzesbeschluss des Nationalrates abzulehnen, aber der Eingriff in
den Gesetzesformulierungsprozess ist uns nicht möglich.
Der Vorstoß
mittels des nun vorliegenden Antrages ist ein Versuch, dieses Manko zumindest
teilweise zu beheben. Wenn der Bundesrat dieses Stellungnahmerecht eingeräumt
bekommt, dann würde uns das die Möglichkeit eröffnen, vorsorglich und im
Vorfeld der Beschlussfassung des Nationalrates auf bestimmte, aus unserer Sicht
bedeutsame Aspekte hinzuweisen und sie zwar nicht zu bestimmen, aber in den
Entscheidungsprozess der anderen Kammer des Parlaments einzubringen.
Das ist ein
produktiver Gedanke. Er wird das Gesetzgebungsverfahren nicht vom Kopf auf die
Beine stellen, aber es ist ein produktiver Gedanke, der den Dialog zwischen den
beiden Kammern des Parlaments vielleicht auch in anderen Bereichen anregen
könnte.
Wenn wir heute
hier erneut den Beschluss fassen, eine solche Vorlage dem Nationalrat zuzuleiten,
weil unsere schon einmal getroffene Initiative durch das Ende der Gesetzgebungsperiode
nach den Regeln des Nationalrates verfallen ist, dann verbinden wir dies mit
dem Appell an die Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat, sich diesen Vorstoß
gründlich zu überlegen und vielleicht auch zu der Überzeugung zu kommen, dass
das nicht nur im Interesse des Bundesrates, sondern auch im Interesse der
Qualität des Gesetzgebungsprozesses sein könnte.
Es ist dies eine
von allen Fraktionen des Bundesrates getragene Initiative. Ich meine, dass es
richtig und notwendig ist, diesen Beitrag dem Nationalrat erneut zur Beratung
vorzulegen, und möchte außerdem darauf verweisen, dass, wenn im
Verfassungskonvent auch über die Gesetzgebungsprozesse gesprochen wird, auch
dort dieser Gedanke seinen richtigen Platz hat, um weiter behandelt zu werden. (Allgemeiner
Beifall.)
10.33
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr
Bundesrat Dr. Lindinger. Ich erteile es.
10.34
Bundesrat
Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger
(Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und
Herren des Hohen Hauses! Gerade in den letzten Wochen haben sich die Stimmen
sehr gemehrt, die die Sinnhaftigkeit des österreichischen Bundesrates, insbesondere
was seine Zusammensetzung und vor allem aber seine Kompetenz betrifft, in Frage
gestellt haben. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Antrag heute vermehrte
Bedeutung, auch wenn er in diesem Gremium schon öfter gestellt worden ist.
Eine Stellungnahme
des Bundesrates sollte um so mehr Gewicht haben, als der Bundesrat doch ein
Gremium ist, das nicht aus derselben Wahl wie der Nationalrat hervorgeht –
eine Wahl, die schließlich auch die Zusammensetzung der Regierung bestimmt,
wenn auch nicht direkt.
Abgesehen von Volksbegehren, die weitgehend vom „Volkswillen“ – das möchte ich unter Anführungszeichen gehört haben – initiiert und getragen sind, werden Gesetzesvorschläge fast ausschließlich als Regierungsvorlagen eingebracht. Wenn auch der Nationalrat Gesetze beschließt, so verliert gerade durch diese Vorgangsweise die vom Gesetz gewünschte Gewalten-
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 30 |
trennung, hier im Besonderen zwischen Legislative
und Exekutive, an Unterscheidbarkeit. Durch diese Unschärfe der
Gewaltentrennung vor dem Hintergrund einer Mehrheit im Plenum, die auch die
Regierung stellt, reduzieren sich die drei Gewalten zu einer Kraft, höchstens
aber zu zwei Kräften, die dann in der Kontrolle nur schwer bis fast unmöglich
aktiv werden können.
In dieser
undefinierten Zone der Gewaltenteilung soll nun der Bundesrat aus seiner
marginalen Beteiligung an der Beschlussfassung von Gesetzen heraustreten. Der
vorliegende Antrag, der von FPÖ, ÖVP und auch SPÖ eingebracht worden ist, kann
ein erster Schritt dazu sein. Dieser Schritt soll nicht von Klage über die
eigene Bedeutungslosigkeit getragen sein, sondern von gezielten Vorschlägen
aus unseren Reihen, also das bei der Beschlussfassung eines Gesetzes einzubringen,
was dem Nationalrat wegen seiner wahltechnischen Nähe zur Regierung nicht
möglich ist.
Dazu bedarf es
aber einer neuen Qualität der Eigenständigkeit des Bundesrates. Nicht die
Mehrheitsverhältnisse in den Landtagen sollen die Zusammensetzung des
Bundesrates bestimmen, sondern, wie ich glaube, direkt gewählte
Bundesratsmandate sind anzustreben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ich denke etwa an
Zweitstimmen einer Landtagswahl. Auch eine ausschließliche Persönlichkeitswahl,
das heißt eine Kandidatur nicht auf einer Liste einer politischen Partei, ist
denkbar. Hier wäre der gewählte Bundesrat seinem Wähler direkt verantwortlich
und nicht über den Umweg über eine politische Partei, die schon bei den Wahlen
bewusst den Unterschied zwischen der Regierung, dem Parlament und dem Landtag
verwischt.
Einen schon vor
der Wahl fixen Landeshauptmann oder Minister mittels Vorzugsstimmen in den
Landtag, also in ein Legislativorgan, wählen zu lassen, ist Heuchelei und auch
ein Betrug am Wähler – auch wenn der Wähler weiß, dass der von ihm
gewählte Abgeordnete sein Mandat gar nicht annehmen wird, weil ein Ministeramt
oder das Amt eines Landeshauptmannes auf ihn wartet. (Bundesrat Weiss: Schade, dass Herr Haider das nicht hört!) –
Das, Herr Kollege, gilt im gleichen Maß auch für die anderen acht
Landeshauptleute.
Auch in diesem
Politspiel sehe ich eine Chance des Bundesrates, denn bei der Konstituierung
des Bundesrates steht keine Regierungsbildung an.
Der Bundesrat aber
muss mit nötiger Kompetenz ausgestattet sein. Der österreichische Föderalismus
verschwindet anderenfalls vor dem grellen Hintergrund der EU und ihrer nicht
lobbyfreien Politik. Die wirklichen Probleme der österreichischen Regionen
dürfen nicht auf dem Altar der heiligen Kuh, genannt EU, geopfert werden, denn
diese heilige Kuh ist nicht mehr die Gestalt des Gottes Zeus, als Europa
geboren wurde, sondern es sind die finanziellen Interessen nicht einmal
europäischer Großkonzerne. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Mit dem progressiv
zunehmenden Verlust unseres europäischen Selbstwertgefühls sind wir empfänglich
geworden für die heuchlerische Vorstellungswelt US-amerikanischer Ersatztheologien.
Wir erleben dies gerade in der Berichterstattung über den Irak-Krieg. Wo blieb
der Aufschrei der EU-Staaten, als die USA einen Eroberungskrieg gegen den Irak
anzettelten? Wo bleiben die Sanktionen gegen das EU-Mitglied Großbritannien?
Oder hat man bei den Sanktionen gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ im
Jahr 2001 schon alles Sanktionspulver verschossen? (Bundesrätin Schicker: Das hat mit dem Bundesrat nichts zu tun!)
Oder ist das Gerede auch nur eine politische Waffe – nicht gegen den
Täter, sondern gegen den innenpolitischen Gegner? – Einige blinzeln hier,
weil sie es ohnehin wissen: Auch das Glück im Schoß einer Partei hat seinen
Preis. (Bundesrat Konecny: Oh!)
Die „Kronen
Zeitung“ vom 9. April dieses Jahres schreibt in ihrer bemerkenswerten
Berichterstattung ein Gedicht, das amerikanischen Schülern zum Beten vorgelegt
wurde. Ich nehme an, viele kennen dieses Gebet. Ich darf es hier nicht deswegen
vortragen, weil ich empfehlen möchte, es in Ihr Sonntagsgebet aufzunehmen,
sondern weil es ein Musterbeispiel an Heuchelei beinhaltet. Dieses Gebet
lautet:
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 31 |
„Lasst uns die Ungläubigen mit Glaubensraketen beschießen. Lasst uns
beten, dass die Führer unserer Feinde von ihnen betäubt werden und dass ihnen
die Augen aufgehen für den Krieg, den Jesus zu ihrer Bekehrung führt!“
Wir kennen die
Berichterstattung aus dem Fernsehen. Man sieht dort, wie wirksam die
„Glaubensraketen“ gewesen sind. (Präsident
Hösele: Das ist eine interessante Stellungnahme zum Stellungnahmerecht!) –
Ja.
Sanktionen gegen
diesen Krieg, der nie erklärt worden ist, auch von der UNO nie gebilligt worden
ist, werden genauso wenig zu finden sein wie die Massenvernichtungswaffen des
Saddam Hussein. Man wird aber sicher eine irakische Wehrmachtsausstellung
zusammenbasteln, die die amerikanischen Kriegsziele rechtfertigen wird. (Bundesrat Gasteiger: Zur Sache!)
„Blut für Öl“
heißt ein Buch, das unser EU-Abgeordneter Hans Kronberger geschrieben hat. Dieses
Buch hat an Aktualität nichts verloren, es hat – im Gegenteil! – an
Aktualität gewonnen. In diesem Buch kann man von den Kriegszielen im Ersten
Weltkrieg lesen. Einer der Gründe war der geplante Bau der Bagdad-Bahn. Die
damals gesuchten Massenvernichtungswaffen waren eine moderne Technologie, um
eine Eisenbahn nach Bagdad zu bauen. Der Grund heute sind nicht gefundene
Massenvernichtungswaffen.
Hans Kronberger
hat mir sein Buch geschenkt und hineingeschrieben: „Auf eine friedliche
Zukunft!“ – Das ist lange verspielt.
Meine Damen und
Herren! Unsere Vorstellungswelt von Demokratie ist eine andere. Diese Vorstellungen
sind eng mit den Idealen der Revolution von 1848 verbunden. Dabei wird Demokratie
als bestmögliche Ausformung der Volkssouveränität verstanden und nicht als
Kratzfuß vor dem Thron der Heuchelei. Ich fürchte, dieses Szenario wird
bleiben. Gestern war es Afghanistan, heute ist es der Irak, und morgen wird es
ein anderer Ölstaat sein.
Die EU ist in
dieser Frage gespalten. Wir werden aber dieser Frage genauso wenig aus dem Weg
gehen können wie den regionalen europäischen Problemen. Mit der zukünftigen
Funktion des Bundesrates wird auch sein Stellenwert in der EU verbunden sein.
Das heißt, das Gewicht der Regionen in der EU wird darauf gelegt werden müssen,
für Minderheitenrechte einzutreten, die nicht mehr nur ethnisch definiert
werden können. In einem vereinten Europa sind „Menschheitsrechte“ durchaus
auch regional und funktional zu definieren: die Minderheit der Transitzonen –
ich denke hier an Tirol –, die Minderheit der Notstandsgebiete – ich
denke hier an das Waldviertel und andere Gebiete –, damit verbunden die
Minderheit der Arbeitslosen, und ich denke auch an die Minderheit der alten
Menschen und so weiter.
Die Minderheiten
dürfen sich nicht allein aus der vermeintlichen oder wirklichen Diskriminierung
heraus definieren und schon gar nicht anhand des Strafgesetzbuches.
Minderheiteninteressen zu vertreten ist ganz allgemein der föderative Auftrag
dieses Verfassungskörpers, unseres Bundesrates. Überlassen wir die Zukunft
unseres österreichischen Föderalismus nicht parteipolitischen
Zweckmäßigkeiten! Nur gemeinsam können wir das politische Instrument des Bundesrates
stärken, nicht aber im Auftrag von Parteien. Diese Botschaft vernehme ich aus
dem anschwellenden Bocksgesang um die anstehende Bundesratsreform.
Meine Damen und
Herren! Mit diesen Worten möchte ich mich auch von Ihnen aus diesem Hohen Haus
verabschieden. Mein Mandat ist nach der Wahl zum Niederösterreichischen Landtag
ausgelaufen. Es war eine Zeit, die ich in meiner Biographie nicht missen
möchte. Viele Reden hier hätte ich lieber nicht gehört, aber unsere Waffe im
Plenum ist das ... (Rufe bei der
SPÖ: Wir auch!) – Ich gebe Ihnen recht, Herr Thumpser! Sie haben das
Rechenbeispiel mit den hinterlassenen Schulden nie verstanden, aber ich möchte
das hier nicht noch einmal wiederholen.
Viele Reden hätte ich lieber nicht gehört, aber unsere Waffe im Plenum ist das Wort, und damit habe ich viele Damen und Herren, auch von der Opposition, trefflich fechten gehört. Wenn ich
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 32 |
auch nicht immer derselben Meinung war, so habe ich doch an
der Brillanz so mancher Formulierung und auch der Inhalte Gefallen gefunden.
Meinen
freiheitlichen Kollegen danke ich für ihre uneingeschränkte Kameradschaft und
Wertschätzung, ebenso meinen koalitionären Kollegen, die die Wendepolitik
mitgetragen haben. – Glück auf dem österreichischen Parlament, Glück auf
dem Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)
10.46
Präsident
Herwig Hösele: Herr Bundesrat Lindinger! Auch ich
möchte Ihnen im Namen des Hauses unseren Dank aussprechen und Ihnen für die
Zukunft das Allerbeste wünschen. (Allgemeiner Beifall. – Bundesrat
Dr. Lindinger: Danke!)
Zu Wort gemeldet
ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.
10.47
Bundesrat
Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Bundesrat Lindinger! Es
ist jetzt nach Ihrer Rede, die uns in viele Bereiche der Welt geführt hat, ein
bisschen schwierig für mich, zum Stellungnahmerecht des Bundesrates
zurückzukommen. Ich verstehe, dass Sie diese Gelegenheit genützt haben, und
möchte auch auf zwei Punkte Ihrer Ausführungen eingehen.
Sie haben über den
Begriff „Demokratie“, auch aus der Sicht Ihrer Partei, und über die Grundwerte
der Französischen Revolution gesprochen. – In dem Buch Ihres früheren
Parteichefs über die dritte Republik finde ich diese Grundwerte nicht. Wenn ich
dieses Buch lese, habe ich eher den Eindruck eines autoritären
Gesellschaftsbildes und nicht jenen des hehren Wertebildes der Französischen
Revolution, von dem Sie gesprochen haben. (Bundesrat
Dr. Nittmann: Dann haben Sie es nicht gelesen!) – Ich habe
es gelesen, Herr Kollege! (Bundesrat
Dr. Nittmann: Dann haben Sie es nicht verstanden! – Bundesrat Konecny: So schwierig war es auch wieder nicht! – Bundesrat Dr. Nittmann:
Sonst können Sie das nicht behaupten!) – Herr Kollege, das kann ich schon
behaupten.
Auch alle
Bemühungen seitens der Freiheitlichen Partei, die verschiedenen gewählten
Vertretungsbereiche einzuschränken, zu verkleinern, eine Art Mini-Nationalrat
und einen Bundesrat nach den Vorstellungen des Herrn Prinzhorn zu schaffen,
gehen nicht in die Richtung eines großen demokratischen Gesellschaftswurfes
nach dem Bild, das uns heute Herr Lindinger gezeichnet hat.
Es war
Trauerarbeit – klar. Er hat gemeint, über die Direktwahl zum Bundesrat
sollten wir bei der Reform diskutieren. Angesichts des Gesamtergebnisses glaube
ich aber nicht, dass die Direktwahl das niederösterreichische Wahlergebnis für
den Bundesrat verändert oder verbessert hätte. Wir beide kennen das
Wahlergebnis, Herr Kollege, wir kennen auch andere Wahlergebnisse. Wenn man
schon 7 Prozent minus in Kärnten als Erfolg verkauft, dann frage ich mich,
wo der wirkliche Misserfolg beginnt. Da muss das Ergebnis wohl mehr als minus
10 Prozent ausweisen.
Kommen wir zu der
vorliegenden Initiative, Herr Klubobmann Konecny! Ich würde sagen, das ist ein
Präsidialantrag, denn – gut, wir sind rein geschäftsordnungstechnisch noch
keine Fraktion – mit mir wurde darüber kein Gespräch geführt. Ich werde
aber, da ich auch in früheren Debatten zur Reform des Bundesrates dieser Idee
immer sehr positiv gegenübergestanden bin – Herr Präsident Weiss weiß
das –, diesen Antrag heute unterstützen, obwohl dahinter durchaus einige
Fragezeichen zu setzen sind.
Erstens: Wenn wir nun dieses Stellungnahmerecht für den Bundesrat einfordern und verfassungsmäßig verankern, um aus der unerträglichen Situation herauszukommen, dass wir immer am Ende eines Prozesses stehen und nur mehr ein Zwangsmittel zur Verfügung haben, um unsere Meinung zum Ausdruck zu bringen, um entweder ja oder nein zu sagen, nein im Sinne eines Vetos, dann ist das natürlich eine wünschenswerte Verbesserung, nur: Bringen wir damit den Bundesrat nicht auf eine ähnliche Ebene wie zum Beispiel die Sozialpartner, Interessen-
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 33 |
vertretungen, Ministerien?
Ist die Stellung des Bundesrates im Gesetzwerdungsprozess nicht eine andere als
jene eines Stellungnahmerechtes?
Die nächste Frage,
die sich meiner Meinung nach daran anschließt, ist: Die einzelnen Länder haben
ein Stellungnahmerecht. – Wartet der Bundesrat bis zu seiner Stellungnahme
zu einem Gesetz jetzt jene der einzelnen Länder ab oder nimmt er vorher
Stellung?
Die nächste Frage
lautet: Schaffen wir mit dieser stückchenweisen Reform auch tatsächlich eine
Verbesserung der Position des Bundesrates, eine Aufwertung?
Herr Lindinger,
der hier seine Abschiedsrede gehalten hat, möchte die Direktwahl. Er hat aber
einem Antrag von ÖVP und FPÖ, der den Bundesrat in Richtung eines gebundenen
Mandates führen sollte, zugestimmt!
Es gibt eine ganze Reihe von Vorschlägen, die zum Teil auch schon abgestimmt
wurden. SPÖ und Grüne haben damals gegen das gebundene Mandat gestimmt. Wie
verhält sich denn ein gebundenes Mandat mit einem Direktmandat? – Das ist
absolut unverträglich, das ist wie Feuer und Wasser.
Wir hatten im
letzten Jahr eine kleine Reform, wir setzen jetzt eine kleine Reform nach, aber
irgendwo wartet das große Reformstück. Ich halte diese Initiative heute für
positiv, ich werde sie auch unterstützen, aber wir sollten das große Ziel der
Reform nicht aus dem Auge verlieren. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)
10.53
Präsident
Herwig Hösele: Weitere Wortmeldungen liegen nicht
vor.
Wünscht noch
jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.
Die Debatte ist
geschlossen.
Wird von der
Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der
Fall.
Wir kommen somit
zur Abstimmung.
Ich bitte jene
Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag des Ausschusses für Verfassung
und Föderalismus ihre Zustimmung geben, den gegenständlichen Gesetzesvorschlag
gemäß Artikel 41 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz dem Nationalrat
zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zu unterbreiten, um ein
Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.
Der Antrag ist
somit angenommen.
2. Punkt
Beschluss des
Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem
das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bundesministeriengesetz-Novelle 2003)
(69/A und 30/NR sowie 6771 und 6773/BR der Beilagen)
Präsident
Herwig Hösele: Wir gelangen nunmehr zum
2. Punkt der Tagesordnung: Bundesministeriengesetz-Novelle 2003.
Die
Berichterstattung hat Herr Bundesrat Gottfried Kneifel übernommen. Ich
bitte um den Bericht.
Berichterstatter
Gottfried Kneifel: Herr Präsident! Meine sehr
geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses
für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom
26. März 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird,
Bundesministeriengesetz-Novelle 2003.
Der Bericht liegt
in schriftlicher Form vor, ich darf mich deshalb auf den Antrag beschränken.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 34 |
Der Ausschuss für
Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April
2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.
Präsident
Herwig Hösele: Danke für die Berichterstattung.
Wir gehen in die
Debatte ein.
Zu Wort gemeldet
ist Herr Bundesrat Karl Boden. Ich erteile dieses.
10.55
Bundesrat
Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr
Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Herr Kollege Lindinger! Herr Kollege
Sulzberger! Auch ich bedauere es sehr, dass wir von den beiden Herren Abschied
nehmen müssen. Im Sinne der Demokratie haben wir, so glaube ich, in diesem Haus
eine gute Zusammenarbeit gehabt.
Ich möchte aber
nicht im Raum stehen lassen, dass das Waldviertel ein Notstandsgebiet ist, so
wie es Dr. Lindinger behauptet hat. – Vielleicht ist es das aus Sicht
der Freiheitlichen Partei, aber nicht aus meiner Sicht. (Beifall bei der
SPÖ. – Bundesrat Sulzberger: Großer Nachholbedarf ist gegeben!)
Geschätzte Damen
und Herren! Die Arbeit bleibt hart – so lautete ein Werbeslogan der ÖVP im
niederösterreichischen Wahlkampf. Ich glaube, das Leben wird hart, meine Damen
und Herren, nämlich für die Menschen dieser Republik, wenn man nur an die
Grauslichkeiten dieser Regierung und an die Steuerbelastung in der Höhe von
46 Prozent denkt. (Beifall bei der SPÖ.)
Das Recht jeder
Regierung ist es, mittels Bundesministeriengesetz die Kompetenzen in den Ministerien
so zu verteilen, dass man effizient arbeiten kann. Der Herr Bundeskanzler sagt
immer: Wir müssen sparen! Meine Damen und Herren! Wer muss sparen? Wen meint
der Herr Bundeskanzler damit, wenn er sagt: Wir müssen sparen!? Meint er auch die Regierung? – Das
kann ich mir nicht vorstellen. Wir haben nach dem neuen Gesetz ein Ministerium
mehr, wir haben zwei Staatssekretäre mehr, und wir wollen auf keinen Fall auf
die Abfangjäger verzichten. Also wer wird hier zum Sparen aufgerufen?
Sinn dieser
Kompetenzverschiebungen, Aufteilungen oder Zusammenlegungen ist es aus meiner
Sicht: Alles, was rot ist, von den Posten zu entfernen, um sie schwarz zu
besetzen. Es wird zugesperrt, es wird zusammengelegt, es wird aufgeteilt, und
es wird verschoben.
Oder dient diese
Kompetenzverschiebung wirklich nur der Familienzusammenführung, damit der Onkel
mit dem Neffen und der Bruder mit der Schwester wieder zusammenkommt? (Heiterkeit
und Beifall bei der SPÖ.) Die
Regierungsparteien, meine Damen und Herren, geben sich nach wie vor als
Familienparteien (Bundesrat Weilharter:
Was haben Sie gegen Familien?), und das Allerwichtigste dabei ist die
Kontrolle, denn auch die wird gleich in das Ministerium mit verschoben, damit
ja niemand auf die Idee kommt, auch von außen zu kontrollieren. (Bundesrat Weilharter: Herr Kollege,
was haben Sie gegen eine Familie?)
Ein weiteres
Kriterium dieses Gesetzes ist der Herr Frauenminister, meine Damen und Herren!
Wir können uns noch gut daran erinnern, als er behauptet hat, er werde das
Frauenministerium gut führen. – Diesen Zuständigkeitsbereich hat man ihm
weggenommen. Anscheinend war man mit diesem Frauenminister nicht zufrieden. (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann:
Nein, nein, das stimmt nicht!)
Bei seinem
Amtsantritt hat er gemeint, er sei der richtige Mann für die
Frauenagenden. – Wir Männer, gestehen wir es doch ein, werden die Frauen
nicht verstehen können! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)
Gestehen wir es
uns doch ein! Eine Autobahn über den Ozean ist wesentlich schneller gebaut, als
eine Frau verstanden. Also machen wir uns nichts vor: Der Herr Frauenminister
hat versagt! (Bundesrat Ing. Grasberger:
Das war frauenfeindlich!) Nein, das ist nicht frauenfeindlich. Ich verstehe
die Frauen auch manches Mal nicht. (Allgemeine
Heiterkeit.)
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 35 |
Schade um die Frau
Staatssekretärin für Tourismus, meine Damen und Herren! Dieses für Österreich
so wichtige Ressort haben wir ganz einfach aufgelassen. Ich glaube, dass der
Tourismus ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor für Österreich ist – und
genau dort fängt man an, den Sparstift anzusetzen!
Aber man hat auch
dem Herrn Justizminister den Konsumentenschutz weggenommen. Auch der ist zu
teuer, wenn er immer wieder auf die Banken losgeht.
Böse Zungen
behaupten, die Zahl der Staatssekretäre wurde nur deshalb vermehrt – ich
kann dem eigentlich nicht sehr viel abgewinnen –, damit die Minister nicht
immer in den Bundesrat kommen müssen, wenn von der SPÖ eine dringliche Anfrage
gestellt wird. (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrätin
Dr. Kanovsky-Wintermann: ... sehr
„witzig“, Herr Kollege!) – Nun,
ich kann dem auch nichts abgewinnen.
Schade ist es im
Sinne der Demokratie, dass der Freiheitlichen Partei sämtliche Kompetenzen entzogen
wurden, dass sie am Gängelband der Österreichischen Volkspartei vorgeführt wird
und eigentlich in dieser Regierung nichts mehr zu sagen hat.
Abschließend
möchte ich noch bemerken: Diese Regierung hat zwar einen Haupt, aber agiert
nach wie vor kopflos. (Beifall bei
der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)
11.01
Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr
Vizepräsident Jürgen Weiss. Ich erteile ihm dieses.
11.01
Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident!
Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit welcher
Ressortverteilung die Bundesregierung ihre Zuständigkeiten wahrnimmt, ist
letztlich eine autonome Entscheidung des Bundes und ohne unmittelbare
Auswirkungen für die Länder.
Solche wären unter Umständen mittelbar gegeben, wenn die Bundesregierung
ihre Arbeitsteilung so unzweckmäßig vornähme, dass darunter die
gesamtstaatliche Aufgabenerfüllung litte. Das kann aber wohl nicht ernsthaft
behauptet werden. Das hat kein Land getan, und auch Herrn Kollegen Boden ist
eine solche Beweisführung absolut nicht gelungen.
Ungeachtet der Zustimmung zu der nach jeder Regierungsbildung üblichen
Änderung des Bundesministeriengesetzes gibt es aus Ländersicht zu diesem
zentralen Bereich der Verwaltungsorganisation des Bundes allerdings schon
einige Anmerkungen und Vorschläge:
Zunächst wird am Beispiel dieses Gesetzes gut sichtbar, wie sehr die
österreichische Bundesverfassung die Länder bevormundet. Die organisatorische
Struktur der Bundesministerien kann mit einem einfachen Bundesgesetz geändert
werden – das ist auch richtig so –, während vergleichbare
Regelungen für die Ämter der Landesregierungen mit einem aus dem Jahr 1925
stammenden Bundes-Verfassungsgesetz genau vorgegeben sind und Änderungen ihrer
Geschäftseinteilung der Zustimmung der Bundesregierung bedürfen.
Das B-VG selbst regelt in Artikel 106 sogar die erforderliche
Berufsausbildung eines Landesamtsdirektors. Das ist ein exemplarisches
Beispiel für die notwendige Straffung unseres Verfassungsrechts und ein
Betätigungsfeld für den in Aussicht genommenen Verfassungskonvent.
Nach einer neu eingefügten Bestimmung kann die Bundesregierung unter
bestimmten Voraussetzungen zu den ihr obliegenden Akten der Vollziehung auch
den zuständigen Bundesminister ermächtigen. Ich kenne durchaus Fälle, bei denen
das Sinn machen wird, möchte allerdings auf folgendes Problem hinweisen: Wenn
die Bundesregierung zuständig ist, schließt das begrifflich den im Gesetzestext
angeführten „zuständigen Bundesminister“ eigentlich aus, denn zwei gleichzeitig
können nicht zuständig sein! Gemeint ist wohl: den der Natur der Sache nach am
ehesten zuständigen Bundesminister.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 36 |
Ich bin auch dafür, von dieser Bestimmung aus Gründen der
Bürgerfreundlichkeit und Klarheit nur mit Maß und Ziel Gebrauch zu machen. Das
setze ich jetzt einmal voraus. Wenn sich der Bürger oder auch eine andere
staatliche Einrichtung nicht mehr darauf verlassen kann, dass das in der
Vollzugsklausel eines Bundesgesetzes angeführte Organ auch tatsächlich
zuständig und verantwortlich ist, dann kann das außerordentlich problematisch
werden.
Zudem ist völlig offen, in welcher Form der Verantwortungsübergang
kundzumachen ist. Es wäre wohl anzunehmen, zweckmäßigerweise mit einer
Verordnung, damit das auch entsprechend nachvollziehbar ist.
Die Beseitigung von Doppelgleisigkeiten ist ein wichtiges Anliegen der
Bundesregierung. Dabei sollte man allerdings nicht nur die anderen
Gebietskörperschaften im Blick haben, sondern auch die eigenen
Bundesministerien. Ich denke hier in erster Linie an die vielen und immer
zahlreicher werdenden Zuständigkeiten von Ministerien, die nur im Einvernehmen
mit anderen, teilweise sogar mehreren Ressorts ausgeübt werden können. Es
liegt auf der Hand, dass damit ein erheblicher Verwaltungsaufwand verbunden
ist.
Dass aus der Tierschutzzuständigkeit von neun Landesgesetzgebern die
einvernehmlich auszuübende Zuständigkeit von gleich vier Bundesministerien
werden soll und künftig insgesamt acht
Ministerien überhaupt mit Tierschutzangelegenheiten befasst sein werden,
dürfte wohl kein wirklicher Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung werden.
Mit der zunehmenden Verbreitung der Informationstechnologie in der
Verwaltung steigen auch die Möglichkeiten, effiziente Datenregister aller Art
einzurichten. Das hat unter anderem zur Folge, dass Länder und Gemeinden mit
ganz neuen Gesichtspunkten von Einheitlichkeit befasst sind.
Manche Bundesministerien sollten hier allerdings mit etwas besserem
Beispiel vorangehen. Das vom Wirtschaftsministerium neben dem zentralen
Gewerberegister vorbereitete bundesweite Anlagenregister und das, getrennt
davon, vom Landwirtschaftsminister vorbereitete ebenfalls anlagenbezogene
abfallwirtschaftliche Stammdatenregister sollten angesichts der zahlreichen
Überschneidungen eigentlich in ein einziges, integriertes Register münden, so
wie das auch auf Landesebene konzipiert wird.
Die österreichische Ministerialverwaltung ist im Unterschied zu anderen
Staaten von einem strikten Ressortprinzip mit starker Eigenständigkeit
geprägt. Bereits in der letzten Gesetzgebungsperiode hat die Bundesregierung
eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, mit denen solche Doppelgleisigkeiten
abgebaut und gebündelt werden sollen. Ich erwähne nur die viele Jahrzehnte lang
tabu scheinenden Vorhaben, drei Cluster räumlich benachbarter Ressorts zu
schaffen, die Buchhaltung, EDV-Dienste, Kraftfahrzeugbetreuung, Druckereien,
Handwerksdienste und so weiter gemeinsam betreiben sollen.
Auch das neue Regierungsprogramm enthält erfreulicherweise derartige
Pläne, nämlich die Gründung einer zentralen Buchhaltungsagentur für alle
Ressorts und die Einrichtung einer BundesserviceGesmbH zur Erbringung von
Unterstützungsleistungen, bei denen eine zentrale Wahrnehmung sinnvoll ist.
Das sind mutige Vorhaben, die auch aus Sicht der Länder Unterstützung
verdienen.
In diesem Zusammenhang möchte ich eine zusätzliche Überlegung zur
Diskussion stellen: Die gesetzesvorbereitenden Abteilungen der einzelnen
Bundesministerien könnten durchaus beim Verfassungsdienst des
Bundeskanzleramtes zusammengefasst, und es könnte eine einheitliche
Bundeslegistik geschaffen werden. Das böte nicht nur die Möglichkeit
erheblicher Einsparungen, sondern meiner Überzeugung nach auch eine Reihe
anderer, sachlicher Vorteile. Es ist evident, dass die Qualität von
Gesetzentwürfen sehr unterschiedlich ist und durch eine einheitliche
Handschrift verbessert werden könnte. Das gilt auch für die häufig mangelhafte
Beachtung der vom Bundeskanzleramt herausgegebenen legistischen Richtlinien
und der nach dem Bundeshaushaltsgesetz und dem Konsultationsmechanismus
notwendigen, aber häufig missachteten Darlegungen der Folgekosten.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 37 |
Natürlich braucht die Gesetzesvorbereitung den fachspezifischen
Sachverstand. Die oft beklagte Detailverliebtheit unserer Rechtsordnung ist
aber ein deutlicher Hinweis darauf, dass er oft überschießend wirksam wird und
auch durch Einwände im Begutachtungsverfahren, vor allem auch vom
Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes, nicht wirklich zu bändigen ist.
Eine Zusammenführung würde notwendigerweise auch den Vorteil bringen,
dass Schwerpunkte gesetzt werden müssen und die Gesetzgebungsvorhaben insgesamt
transparenter werden. Quantitative Gesichtspunkte sind für die Gesetzgebung
zwar nur bedingt tauglich, aber es liegt beim Zustand unserer Rechtsordnung
doch auf der Hand, dass weniger mehr wäre.
Nicht zuletzt sei erwähnt, dass sich dieses System einer gemeinsamen,
einheitlichen Gesetzesvorbereitung in den Ländern seit langem bewährt hat. Im
Sinne der allgemeinen „Einheitlichkeitsfreudigkeit“ sollte dieser Bereich
daher nicht ausgeblendet werden.
Es gibt aus Ländersicht nach meiner Überzeugung keinen sachlichen Grund,
der Bundesregierung die ihr zweckmäßig erscheinende Änderung des
Bundesministeriengesetzes verwehren zu wollen.
Es gibt aus der Vollziehungserfahrung der Länder allerdings eine Reihe
von Anregungen, durch die Beseitigung von Doppelgleisigkeiten und die Nutzung kostensparender
Zusammenarbeit die Ministerialverwaltung weiter abzuschlanken und solche
Möglichkeiten auch, aber nicht nur bei den Ländern und Gemeinden zu
suchen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der
Freiheitlichen.)
11.10
Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr
Bundesrat Reinhard Todt. Ich erteile ihm dieses.
11.10
Bundesrat
Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Selbstverständlich ist es das Recht
jeder Bundesregierung, das Ministeriengesetz zu verändern, um die
Bundesministerien so zu gestalten, wie sie es vorschlägt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)
Ich möchte diese
Fragen daher von einem etwas anderen Standpunkt aus betrachten und sie aus
einem etwas anderen Blickwinkel sehen: Die Bildung dieser Bundesregierung
beziehungsweise das Bundesministeriengesetz – das auch der Ausdruck dafür
ist, wie man mit seinem Koalitionspartner umgeht – zeigt ganz einfach
auf, dass diese Bundesregierung vom Prinzip her, wenn man sich das ganz genau
anschaut, eine schwarze Alleinregierung mit einigen freiheitlichen oder blauen
Einsprengseln ist. (Zwischenruf des
Bundesrates Bieringer.) – Ja, es ist ganz einfach so! –
Das Bundesministeriengesetz dient dazu, das in dieser Form Installierte auch
abzusichern. Ich möchte im Folgenden aufzeigen, was da alles passiert ist und
wie sich der Koalitionspartner FPÖ vom Herrn Bundeskanzler über den Tisch
ziehen hat lassen:
Interessant ist,
dass der Vizekanzler, der Tierarzt ist, jetzt auch noch die Kompetenz des
Veterinärwesens verloren hat. Das ist ganz witzig, dass diese Kompetenz im
Prinzip jetzt nicht mehr beim Tierarzt Haupt liegt, sondern in Wirklichkeit bei
der schwarzen Reichshälfte. Vielleicht hat er euch von der ÖVP und vor allem
dem Landwirtschaftsminister da ein bisschen zu viel auf die Finger geschaut,
sodass man diese Kompetenz jetzt auch „zentralisieren“ musste, um sie Herrn
Haupt, dem Tierarzt, wegzunehmen. Sie liegt jetzt bekanntlich bei der Frau
Gräfin, bei Frau Ministerin Rauch-Kallat, die wahrscheinlich sehr viel vom
Veterinärwesen versteht. (Heiterkeit bei
Bundesräten der SPÖ.)
Schauen wir uns jetzt das Innovationsministerium an: Es hat einiger Anläufe von Seiten der Freiheitlichen Partei bedurft, um dort jetzt jenen Minister zu installieren, der wahrscheinlich am meisten von diesem Bereich versteht. Vielleicht hätten die Freiheitlichen das schon früher tun können. Tatsache ist: Sie haben es erst jetzt getan. Aber trotzdem ist etwas passiert, was auch nicht uninteressant ist, und zwar musste der freiheitliche Innovationsminister die sehr „budgetträchtigen“ Verkehrsagenden – einen Bereich, in dem man sehr viel machen kann – an den
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 38 |
schwarzen Staatssekretär Kukacka abgeben. Auch das ist ein Beispiel, an
dem sichtbar wird, wie man die Freiheitlichen über den Tisch gezogen hat.
All das zeigt auf,
dass die schwarze Macht in Österreich um einiges ausgebaut worden ist. (Bundesrat
Bieringer: Der Wähler hat entschieden!) – Der Wähler hat
natürlich entschieden, aber Tatsache ist, dass die 10 Prozent starke FPÖ
jetzt genauso viele Ministerien hat wie seinerzeit in der rot-blauen
Koalition, nur hatte sie damals nur 5 Prozent der Wählerstimmen erreicht.
So sieht es aus!
So haben die Schwarzen euch Freiheitliche über den Tisch gezogen! Das konnten
sie mit anderen Parteien nicht machen, daher haben sie sich diesen
Koalitionspartner ausgesucht (Bundesrat
Boden: Sie haben keine andere Wahl gehabt!): um mit ihm entsprechend
umspringen zu können – so wie die Schwarzen eben mit euch Freiheitlichen
umgesprungen sind. (Bundesrat Gasteiger:
So ist es!)
Wenn man sich das
Ganze weiter anschaut, dann sieht man, dass sich die ÖVP aus den verbliebenen
FPÖ-Ministerien dann noch die entsprechenden „Filetstücke“ geholt hat: Infrastrukturminister
Gorbach hat – ich habe es bereits erwähnt – die Verkehrsagenden
verloren (Bundesrat Gasteiger –
in Richtung der Freiheitlichen –: Ja, ja, so ist es!), Minister
Böhmdorfer hat die Wettbewerbskontrolle aus seinem Ministerium
verloren – diese ist jetzt bei Bartenstein –, und Tierarzt Haupt hat
die Veterinärkompetenzen verloren. (Bundesrat
Gasteiger: Ja, ja, so ist es!)
Es ist so –
und das stellt sich immer klarer und immer deutlicher dar –, dass in
diesem Land im Prinzip alles in schwarzer Hand ist. (Bundesrat Gasteiger: Ja, ja, so ist es!) Ich sage das auch
deswegen, damit vielleicht der eine oder andere Wähler dann im Internet
nachschaut, um zu sehen, wie sich denn das mit dieser „schwarzen Hand“ verhält.
Ich sage dazu hier einmal Folgendes: Die Schwarzen stellen in Österreich den
Bundeskanzler, neun Minister, zwei Staatssekretäre, den Präsidenten des
Nationalrates, den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes (Bundesrat Boden: Und des
Bundesrates!), den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes; acht von
14 Verfassungsrichtern sind Konservative; 64 von
84 Bezirkshauptleuten werden von der ÖVP gestellt (Bundesrat Gasteiger: Ja, ja, so ist es!); und 1 582
von 2 600 Bürgermeistern werden von der ÖVP gestellt! (Bundesrat Bieringer:
Aber die sind schon vom Volk gewählt? – Beifall bei der ÖVP.) Noch
einmal: 1 582 von 2 600 Bürgermeistern! (Ruf bei der ÖVP: Das bürgt für Qualität!) – Ja, das bürgt
nicht nur für Qualität, sondern das zeigt auch, wie man mit Macht umgeht. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Meine Damen und
Herren! Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch auf einen anderen Punkt zu
sprechen kommen. Ich musste – ich darf das unabhängig davon
anmerken – leider zwangsläufig drei Wochen meiner Zeit in
Niederösterreich verbringen (Ruf: Warum
„leider“?) – „leider“ deshalb, weil ich mich einem Kuraufenthalt
beziehungsweise einem Erholungsaufenthalt nach einer Operation unterziehen
musste. Ich war also in Niederösterreich und hatte die Gelegenheit, die
schwarze Macht während des Landtagswahlkampfes in Niederösterreich ganz genau
zu beobachten. (Bundesrat Boden:
Direkt!)
Ich habe mir die
Sendung „Niederösterreich heute“
täglich angeschaut – es bestand ja keine andere Möglichkeit. (Ruf bei
der ÖVP: Nicht „Wien heute“?) Nein, „Wien heute“ habe ich mir nicht
angeschaut, denn „Wien heute“ sehe ich so und anders. In einem Punkt
unterscheidet sich „Wien heute“ sehr gewaltig von „Niederösterreich heute“: In Wahlzeiten ist das niederösterreichische
Fernsehen (Bundesrat Boden: „Pröll
heute“!) ausschließlich Herrn Landeshauptmann Pröll gewidmet. (Rufe bei der SPÖ: „Pröll heute“! –
Bundesrätin Bachner: Nicht nur in Wahlzeiten, das ganze Jahr!) So
ist es kein Wunder, dass er sich mit Unterstützung des niederösterreichischen
ORF die absolute Mehrheit ganz leicht geholt hat. – Das sind die Fakten!
Wenn man sich den ORF ein bisschen anschaut, dann gelangt man auch dort klipp und klar zu der Feststellung: 16 von 35 Stiftungsräten – Sie haben ja das ORF-Gesetz entsprechend geändert, natürlich mit Hilfe Ihres Koalitionspartners – sind von der ÖVP. Die Redezeit in der „ZiB“ ist wie folgt verteilt: 44,4 Prozent hat die ÖVP, 20 Prozent die FPÖ, 19,9 Prozent die SPÖ, und 15,7 Prozent haben die Grünen. Dieses Verhältnis muss man sich einmal vor Augen halten:
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 39 |
Über 60 Prozent ist in Regierungshand! – Das
sind die Fakten, sehr verehrte Damen und Herren!
Ihr
Bundesministeriengesetz dient nun dazu, Ihre Macht weiter auszubauen (Beifall des Bundesrates Boden),
und daher werden wir dieses Bundesministeriengesetz auch ablehnen! (Beifall
bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)
11.18
Ankündigung einer
dringlichen Anfrage
Vizepräsident Jürgen Weiss:
Bevor ich dem
nächsten Redner das Wort erteile, darf ich Folgendes bekannt geben: Es liegt
mir ein weiteres Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung
des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte
Professor Albrecht Konecny und Kolleginnen und Kollegen betreffend Verdringlichung des
Bedürfnisses freiheitlicher Bundesräte, die Wahrheit über den Kauf der
Abfangjäger zu erfahren, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung
vor.
Im Sinne des
§ 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den
Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus, und zwar in
unmittelbarem Anschluss an die Behandlung der an den Bundesminister für
soziale Sicherheit und Generationen gerichteten dringlichen Anfrage.
Fortsetzung der
Tagesordnung
Vizepräsident Jürgen Weiss:
Nächster Redner ist
Herr Bundesrat Weilharter. Sie haben das Wort.
11.19
Bundesrat
Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr
Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Ich darf noch einmal
kurz auf die Ausführungen des Kollegen Boden zurückkommen. Er sprach – um
seine Diktion zu verwenden – von „Grauslichkeiten“ (Bundesrat Gasteiger: Das ist, wie es der Wähler sieht!) und
hat im selben Atemzug das Sparen genannt. Herr Kollege! Ich frage Sie (Bundesrat Boden: Kommen Sie mir
jetzt nicht mit dem „Scherbenhaufen“!): Was haben Sie gegen Sparen? (Bundesrat Boden: Die FPÖ ist
so ..., dass ihr gar kein Geld mehr habt!) Ist Sparen wirklich so
unanständig? Ist Reform so unanständig, Herr Kollege? (Bundesrat Boden: Ihr habt kein Geld mehr!) Was haben Sie
gegen Sparen? (Bundesrat Boden:
Ihr seid fertig! Erzählt mir nichts vom Sparen!)
Herr Kollege
Boden! Sie haben in Ihren Ausführungen auch von Familienzusammenführung, von
Familie gesprochen. Auch da frage ich Sie: Was haben Sie gegen eine Familie? (Ruf bei der SPÖ: Nichts, im Gegenteil!) Was
haben Sie gegen Familienzusammenführung? (Bundesrat Winter: Aber
nicht auf Staatskosten! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Was, Herr Kollege,
ist an Familie, an Familienzusammenführung so „grauslich“ – um in Ihrer
Diktion zu bleiben? Ist das der neue Weg der SPÖ? (Bundesrat Boden: ... nicht, wenn das Ministerium dazu
missbraucht wird!) Sind Sie jetzt gegen das Sparen? Sind Sie gegen die Familie?
Sind Sie gegen Familienzusammenführung? – Wenn es so ist, Herr Kollege,
dann habe ich Sie verstanden. (Weitere
Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Herr Kollege Todt!
Sie haben die Kompetenzverschiebung innerhalb der Bundesregierung bemängelt.
Ich frage Sie: Was sind Ihre
Qualifikationen für eine Regierungsbeteiligung? Besteht die Voraussetzung
darin, SPÖ-Funktionär zu sein? Ist die Mitgliedschaft im ÖGB zwingend erforderlich?
Oder ist es erforderlich, dass man Arbeiterkammerfunktionär ist? – Die
Wirtschaftskompetenz kann es nämlich nicht sein, Herr Kollege Todt und Herr
Kollege Boden, das haben Sie in der Vergangenheit beim „Konsum“, in der
Verstaatlichten und in ähnlichen Bereichen hinlänglich bewiesen. (Bundesrat Boden:
... Rosenstingl ...! – Bundesrat Thumpser: ... die
eigenen Leute! – Ruf bei der SPÖ: Der glaubt ja selbst nicht, was er
erzählt!)
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 40 |
Meine Damen und
Herren! Die Sozialdemokraten bemängeln, dass sie nicht Mitantragsteller bei der
Bundesministeriengesetz-Novelle sind. Beantragt wurde sie von den beiden
Klubobleuten, den Abgeordneten Molterer und Scheibner, und zwar, so glaube ich,
einerseits deshalb, weil es eben notwendig ist, die Kompetenzen innerhalb, aber
auch außerhalb der Regierung zu regeln (Bundesrat
Boden – zu Bundesrat Gasteiger –: Weißt du jetzt, warum die so
viel Prozent verloren haben?), und – Herr Kollege Boden, das ist
jetzt sehr wichtig für Sie – andererseits deshalb, weil sich die SPÖ und
die Grünen verweigert haben, weil ihnen der Mut zum Regieren in diesem Land
gefehlt hat. (Ironische Ah!– Oh!– und
Oje!-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrat Thumpser: Den Mut habt ihr in
Niederösterreich eh schon bezahlt!)
Herr Kollege
Boden! Ihr Vorsitzender Gusenbauer führte ja Verhandlungen, und er hat aus meiner
Sicht durchaus signalisiert, dass er an einer Regierungsbeteiligung
interessiert wäre. (Ruf bei der SPÖ: Aber
nicht um jeden Preis! – Bundesrat Boden: Nicht, wie die FPÖ, um
jeden Preis!) Aber Sie als seine Funktionäre, als seine Parteileute haben
ihm die Gefolgschaft versagt! (Ruf bei
der SPÖ: Geh!) Das ist Ihr Problem, Herr Kollege, das ist der Punkt in dieser Sache. (Bundesrat Boden: In Knittelfeld werden wir feststellen, ob wir
die Gefolgschaft versagt haben! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Deshalb
nehmen Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, immer eine ablehnende Haltung
gegenüber der Regierung ein: weil Sie ein Gespaltener sind, weil Sie in
dieser Frage mehrere Gruppen in Ihrer Partei haben. (Bundesrat Thumpser: Ihr wärt froh, wenn ihr noch mehrere
Gruppen hättet! Ihr habt keine Gruppen mehr!) Sie sind gespalten – und
im Zweifelsfalle sagen Sie nein. (Bundesrat
Boden: Der krampfhafte Versuch, irgendwo einen Faden zu finden, wo man
sich noch festhalten kann!)
Meine Damen und
Herren! Nun einige Bemerkungen zur neuen Kompetenzregelung der Ministerien:
SPÖ und Grüne kritisieren, dass zwei Staatssekretariate mehr eingerichtet
worden sind, dass zwei Staatssekretäre mehr – gegenüber der vergangenen
Regierung – eingesetzt worden sind. (Bundesrat
Schennach: Ich hab’ ja noch gar nicht geredet! – Heiterkeit und
Beifall bei der SPÖ.)
Meine Damen und
Herren von der SPÖ! Sie müssen zugeben, dass die Kompetenzen, die Aufgaben
durchaus mehr geworden sind. Ich erinnere mich noch an eine Zeit, in der
Österreich keine europäische Kompetenz hatte, in der wir nicht in der
Europäischen Union vertreten waren. (Bundesrat
Boden: Sie wollen ja gar nicht in die EU! Sie können sich doch nicht als
Beitrittskandidat aufspielen! Seit wann will die FPÖ in die EU? – Das ist
ganz etwas Neues!) Es gab lediglich einen Vorsitzenden, einen
Sozialdemokraten als Bundeskanzler, als Vorsitzenden der Regierung, und
damals, Herr Kollege, war es gang und gäbe, dass eine Regierung 20 Köpfe
und mehr hatte! Da waren Sie
in der Regierung: Sie stellten den Bundeskanzler, hatten keine Kompetenzen
betreffend die Europäische Union und hatten 20 und mehr Regierungsmitglieder!
Für Sie hat immer der Leitsatz gegolten: wenig Kompetenz, aber mehr
Regierungsmitglieder. – Daher sollten Sie sich über die Frage der zwei
Staatssekretäre mehr gegenüber der vorangegangenen Regierung nicht alterieren.
Meine Damen und
Herren! Mit der Errichtung eines Staatssekretariates für Frauenangelegenheiten,
für die Generationen, für die Jugend, für die Senioren, also für alle Menschen
in diesem Land, ist eine Spezialisierung erfolgt, nämlich insofern, als man
jenen Reformweg, den Bundesminister Haupt begonnen hat, kompetent fortsetzen
wird. (Bundesrat Boden: Das hat
der Herr Minister Haupt auch schon behauptet, dass er kompetent ist für die
Frauen!) Man hat in dieser Frage also eine Spezialisierung vorgenommen, und
zwar im positiven Sinne, denn es wird in Hinkunft weiter darum gehen, dass die
Suchtprävention ausgebaut wird, dass die Jugend einen kompetenten
Ansprechpartner hat und vor Gewalt geschützt wird, dass die Anliegen der Frauen –
die Ihnen immer so wichtig gewesen sind, wie aus der Art und Weise, wie Sie in
der Vergangenheit agiert haben, zu schließen ist – auch entsprechend
eingebracht und umgesetzt werden und dass die Pensionen der älteren Generation
in der Gegenwart und in der Zukunft gesichert sind. (Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Boden:
Wer sichert die Pension? Die FPÖ? – Die FPÖ hat noch niemandem eine
Pension gesichert! – Diese Arroganz habe ich schon lange nicht gehört!)
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 41 |
Meine Damen und
Herren! Herr Kollege Boden! Das Gleiche könnte man analog auch im Hinblick auf
das Staatssekretariat für Sport sagen.
Daher, meine Damen
und Herren, werden wir dieser Bundesministeriengesetz-Novelle gerne zustimmen,
denn mit dieser Novelle, die von den Regierungsparteien eingebracht wurde und
im Alleingang beschlossen wird, wird der Reformweg Österreichs fortgesetzt. SPÖ
und Grüne wollen zwar, aber sie können nicht (Bundesrat Schennach: Jetzt wird er sich wiederholen! – Bundesrat
Boden: Das ist zu befürchten!), und zwar deshalb, weil SPÖ und Grüne
eine Führungskrise haben und die Basis bei der SPÖ und bei den Grünen ein
anderes Ziel verfolgt als ihre Spitzenrepräsentanten (Bundesrat Boden: Lesen Sie aus dem FPÖ-Parteiprogramm, oder
was?) und weil SPÖ und Grüne keine Verantwortung in diesem Land tragen
wollen (Bundesrat Thumpser: Der
war auf einer Schulung! Warst du auf einer Schulung, Kollege Weilharter?) und
weil Sie, Herr Kollege Boden, sich mit Ihrer Fraktion den Reformen verweigern.
Wir werden daher
dieser Novelle zum Bundesministeriengesetz gerne unsere Zustimmung geben und
keinen Einspruch dagegen erheben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei
Bundesräten der ÖVP.)
11.27
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich
Herrn Bundesrat Stefan Schennach das Wort. – Bitte.
11.27
Bundesrat
Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr
Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Botschafter! Meine Damen und Herren! Ich
möchte meine Rede mit einer tatsächlichen Berichtigung beginnen.
Zuerst möchte ich
Herrn Kollegen Todt tatsächlich berichtigen: Es ist nicht wahr, Herr Kollege
Todt, dass das niederösterreichische Fernsehen, die Sendung „Niederösterreich
heute“, in Wahlkampfzeiten ein Pröll-Fernsehen ist. Richtig ist vielmehr, dass
es ganzjährig ein Pröll-Fernsehen
ist (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ), und zwar mit einer Beitragshäufigkeit von vier bis fünf
Landeshauptmann-Berichten pro Sendung. Das können Sie im Schnitt messen. (Bundesrat Boden: „Den haben wir gut
in der Hand, den ORF“! – Bundesministerin Rauch-Kallat: Er ist eben
ein guter Landeshauptmann!)
Frau
Bundesministerin! Dann müssten Sie ja die anderen ÖVP-Landeshauptleute, die da
wesentlich mehr Zurückhaltung an den Tag legen, als schlechte Landeshauptleute
bezeichnen. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.) Das wollen wir nicht.
Zweitens: Herr
Kollege Weilharter! Auch Sie muss ich berichtigen. Sie haben gesagt, SPÖ und
Grüne würden kritisieren, dass es um zwei Staatssekretäre mehr gibt. Ich sage Ihnen
ganz ehrlich: Wenn es eine sinnvolle Aufgabenverteilung gibt, dann habe ich
überhaupt nichts dagegen, dass eine Regierung auch mehr Mitglieder hat. Und ich
sage Ihnen auch Folgendes – und nicht deshalb, weil die Frau
Bundesministerin jetzt anwesend ist –: Um ein Frauenressort mehr zu schaffen,
dafür soll jedes Geld aus dem Budget zur Verfügung gestellt werden. Ich halte
die Wiedereinführung eines Frauenressorts für einen der wichtigsten Punkte in
diesem Bundesministeriengesetz! (Demonstrativer Beifall bei Bundesräten
der ÖVP. – Bundesrat Boden: So ist es! – Bundesrat Weilharter:
Sie sind eine gespaltene Partei!)
Herr Kollege
Weilharter! Ich weiß nicht, was Sie beruflich machen, aber Sie dürften
irgendwie mit einer Detektei-Agentur zusammenhängen, denn Sie haben hier
dermaßen viel Spannendes aus dem Innenleben berichtet, um zu erklären, warum
SPÖ oder Grüne nicht in dieser Regierung vertreten sind. Ich glaube, die
Rechnung ist einfach: Die FPÖ ist wieder Regierungspartner, weil sie einfach
der billigste Partner war – das ist doch völlig klar! (Beifall und
Bravo-Rufe bei der SPÖ) –,
und es ist auch gut, dass sich die FPÖ in vielen Bereichen des Regierungsprogramms
einer eigenen Handschrift entschlagen hat.
Kommen wir nun zum vorliegenden Kompetenzverteilungsgesetz. Da kritisieren wir, dass die Forschungsagenden – das ist eine ganz wichtige Materie, das sagt auch Bundeskanzler Schüs-
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 42 |
sel immer – wiederum nicht gebündelt
sind, wiederum auf verschiedene Bereiche aufgeteilt sind.
Nun zu den Fragen
der Unterordnung: Nach wie vor ist das Umweltressort dem Landwirtschaftsressort
untergeordnet. Meine Damen und Herren! Es gibt zwischen Umwelt und Landwirtschaft
Interessenkonflikte, und zwar maßgebliche Interessenkonflikte. Diese Unterordnung
von Umwelt in Landwirtschaft haben wir schon bei der letzten Regierungsbildung
kritisiert. Wir werden nicht müde, sie auch bei dieser zu kritisieren.
Das gilt auch für
den nächsten Punkt, nämlich Arbeit der Wirtschaft unterzuordnen. Meine Damen
und Herren! Arbeit gehört nicht dem Wirtschaftsbereich untergeordnet. Man kann
Arbeit und Soziales zusammengeben, aber nicht Arbeit und Wirtschaft. Da haben
wir massive Interessengegensätze. (Bundesrat
Weilharter: In Deutschland gibt es das auch!)
Insgesamt sind die
sozialen Agenden problematisch. Das sehen wir derzeit bei den Diskussionen um
die Pensionen. Ich habe es heute schon einmal gesagt – und Sie haben sich
heute in der Früh wahnsinnig darüber aufgeregt –, dass die Regierung bei
diesem Reformprojekt Pensionen derzeit jenes Bild bietet, das sie am Ende der
letzten Legislaturperiode geboten hat. Das ist einfach eine Tatsache. Wenn Sie
sagen, die Basis hat nicht wollen, dann erinnere ich Sie an die freiheitliche
Basis und an Knittelfeld. Sie sollten das gar nicht mehr in den Mund nehmen,
denn wir alle haben miterlebt, wie sich die freiheitliche Basis mitten in einer
Legislaturperiode der Regierungsarbeit entzogen hat.
Frau
Frauenministerin! Ich bin froh, dass es Sie in dieser Regierung gibt, dass es
Ihr Ressort gibt, aber gleichzeitig haben wir eine größere Regierung und
weniger Frauen, denn der Frauenanteil in dieser Regierung ist gesunken.
Nächster
Punkt – das ist jetzt, da wird mir Kollege Weiss vielleicht Recht geben,
eine Frage der Verfassung und auch der Rechtssicherheit –: Die
Bundesregierung kann künftig Kompetenzen, die ihr als Bundesregierung durch
einfache Gesetze zugeschrieben werden, an Bundesminister weitergeben. Das
bedeutet rein rechtlich auch eine Form von gesunkener Rechtssicherheit. Dass
die Bundesregierung bei einfachen Gesetzen die Zuständigkeit der
Bundesregierung als Gesamtes nach eigenen Überlegungen an einzelne
Ressortminister weitergeben kann, halte ich aus rechtspolitischer Sicht für
keine richtige Vorgangsweise.
Wir haben große
Bereiche – das ist auch der Grund unserer Ablehnung, nicht deshalb, weil
es zwei Staatssekretäre mehr gibt, Herr Weilharter, darum geht es nicht; es ist
immer eine Frage sachpolitischer Entscheidungen, und diese Entscheidung sehen
so aus –, und diese großen zentralen Bereiche sind zersplittert, Soziales
steht dabei an erster Stelle.
Zweitens: Es gibt
nach wie vor fatale Unterordnungen wie Arbeit und Umwelt unter Wirtschaftsressorts,
denn die Landwirtschaft und die Wirtschaft allgemein sind Wirtschaftsressorts.
Nun komme ich noch
zu einem Punkt, bei dem ich ganz große Bedenken hege: Das Bundesasylamt war
bisher in der Zuständigkeit des Bundeskanzleramtes
als ein Organ, das die Verwaltung zu kontrollieren hatte, und dieses kommt
jetzt in das Innenministerium, also dorthin, wo die Verwaltung auch ausgeübt
wird. Das ist im Aufbau unseres Staates ebenfalls eine bedenkliche Situation,
dass jene, die verwalten, die Zuständigkeit haben über jene, die sie
kontrollieren.
Last but not
least: die Verlagerung der Zollwache in das Innenministerium. Auch das ist ein
Schritt, der meiner Meinung nach nicht richtig war. Die Zollwache ist kein
Exekutivkörper im Sinne von Gendarmerie oder Polizei. Das ist der falsche Weg.
Nun kommen wir zu einem Punkt, den Kollege Vizepräsident Weiss angesprochen hat. Wir hatten gestern im Nationalrat eine Tierschutzenquete. Aber so haben wir uns das mit dem bundeseinheitlichen Tierschutzgesetz nicht vorgestellt, dass aus neun Landesgesetzen ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz wird, jedoch jetzt vier respektive acht Ministerien dafür zuständig sind und das Ganze in die mittelbare Bundesverwaltung geht, das heißt, genau wieder an die Landesräte zurückgeht, wiewohl die Kritik immer am Vollzug geübt wurde und nicht an den
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 43 |
einzelnen Landesgesetzen, die mitunter – siehe Salzburg und
Steiermark – hervorragend ausgestaltet sind. Das heißt, wir spielen
„Buchbinder Wanninger“ und gaukeln eine Effizienz eines einheitlichen
Bundestierschutzgesetzes vor, die sich in der Form in der Bundesverwaltung und
auch in der Regierung nicht findet.
Zum Abschluss,
Herr Kollege Weilharter, muss ich Ihnen, obwohl es billig ist, noch etwas sagen:
Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich bin froh, dass der Konsumentenschutz nicht
mehr bei Minister Böhmdorfer ist. Ich bedaure allerdings, dass er ihm auf
Grund seiner Politik gegenüber den Banken weggenommen wurde, denn mir wäre es
lieber gewesen, er wäre wegen seiner Politik gegenüber dem VKI weggekommen.
Einen Verein wie den VKI dermaßen auszuhungern und an den Rand seiner Existenz
zu treiben als jener Minister, der für Konsumentenschutz zuständig war, das
war für mich eine fahrlässige Politik, weshalb es wichtig war, ihm die Kompetenz
zu entziehen. Ich bedaure, dass es leider mit einer Begleitmusik rund um die
Banken passiert ist. Letztlich zeigt sich daran, wo die Macht im Lande
beheimatet ist.
Dass Sie das
Veterinärwesen, den Verkehr, den Wettbewerb und so weiter verloren haben, liegt
daran, Herr Kollege Weilharter, dass Sie einfach der billigere Partner waren.
Und so sieht es in der Kompetenzverteilung auch aus.
Sie werden
verstehen, dass wir auf Grund der angeführten Punkte – nicht wegen der
Größe und schon gar nicht wegen der Wiedereinführung des
Frauenministeriums – dieser Kompetenzverteilung nicht unsere Zustimmung
erteilen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
11.37
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn
Staatssekretär Franz Morak das Wort. – Bitte.
11.37
Staatssekretär
im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Präsident! Frau
Bundesministerin! Herr Botschafter! Meine Damen und Herren! Herr Bundesrat
Boden! Sie sehen, ich habe Ihre Kritik, was die Staatssekretärinnen und
Staatssekretäre betrifft, ganz ernst genommen und mir gedacht, ein Botschafter
und eine Bundesministerin werden Ihnen reichen, damit das Ganze auch eine
gewisse Form bekommt, die Ihnen Genüge tut. (Heiterkeit
des Bundesrates Boden.)
Lassen Sie mich
nur, bevor ich auf die Materie sachlich eingehe, zwar keine unsachlichen Bemerkungen
machen, aber schon etwas wieder in Erinnerung rufen, weil das dem einen oder anderen
möglicherweise in den letzten eineinhalb Monaten entfallen ist: Wissen Sie, die
Verhandlungen zur Bildung einer Bundesregierung waren hart und lange, lange in
dem Sinne, dass unter anderem – ich erinnere Sie daran – auch die SPÖ
relativ lange gebraucht hat, bis sie gesagt hat, sie möchte wenn schon nicht
verhandeln, so doch sondieren.
Ich verstehe schon
die Zurückhaltung in solchen Sachen, weil es natürlich eine schwierige Aufgabe
war aus der Position heraus, die dieser Wahlkampf bei Ihnen hinterlassen hat,
aber ich möchte schon daran erinnern, dass sich am Ende dieses
Verhandlungsmarathons, der von uns und vom Herrn Bundeskanzler in aller Offenheit geführt wurde, weil die
Problemlage in diesem Land sehr ernst ist, ergeben hat, dass auf Basis der
Reformlage und der Reformbedürfnisse dieses Landes nur eine Partei in der Lage
war, diesen Weg mit uns gemeinsam zu gehen, nur eine Partei diesen Weg mit uns
gehen wollte. (Bundesrat Boden:
Die billigste! Die billigste Variante! – Bundesrätin Schlaffer: Die
billigste!)
Glauben Sie mir,
es ist kein einfacher Weg! Ich weiß schon, es ist einfacher, sich zurückzulehnen
und zu sagen: Lasst sie machen, wir schauen uns das erste Reihe fußfrei an!
Deswegen überrascht es mich auch nicht, dass Sie dieses Bundesministeriengesetz
ablehnen. Das trifft mich also durchaus auf dem richtigen Fuß.
Lassen Sie mich aber trotzdem sagen, dass natürlich jedes Bundesministeriengesetz eine Mixtur aus vielen Faktoren ist: auf der einen Seite des Wahlergebnisses logischerweise, auf der anderen Seite aber auch der äußeren Einflüsse, also wie sich die Gesamtpolitik im europäischen, aber auch im nationalen Kontext darin spiegelt, und natürlich auch auf Basis der Per-
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 44 |
sonen, die zur Verfügung stehen,
und des Profils, das diese Personen ergeben. Ich glaube trotzdem, dass, wenn
wir all das zusammennehmen, hier cum grano salis ein Team angetreten ist, das
durchaus in der Lage ist, die Probleme, die auf uns zukommen, auch zu lösen.
Ich möchte das
hier in meinem Debattenbeitrag nicht zu lange ausführen, aber das zeigt sich
einerseits in der Bündelung – hervorgerufen im Grunde durch die
Bedrohungsszenarien, die auf uns zukommen – der Agenden der inneren
Sicherheit im Bundesministerium für Inneres und auch in der Hinwendung zu den
Pensionssystemen, eines der, wie Sie ganz genau wissen, wirklich schwierigen
Themen in dieser Republik. Jede Bundesregierung hat sich bisher um eine substanzielle
Lösung dieses Problems nicht angenommen, sondern immer nur Lösungen auf Zeit gefunden.
Gerade deswegen,
weil uns das wesentlich ist und weil wir wissen, dass nichts in diesem Land so
sehr verteidigt wird und auf so viele offene Ohren trifft wie der Status quo,
haben wir auch im Ministeriengesetz eine Lösung gefunden und angedacht, dass
das Gesundheits- und Pensionssystem für das 21. Jahrhundert im
Mittelpunkt des Interesses dieser Bundesregierung stehen wird. Dem wird durch
die Schaffung eines Gesundheitsressorts auf der einen Seite und die Trennung
des Gesundheits- und Sozialwesens auf der anderen Seite Rechnung getragen.
Die
fortschreitende Integration der Europäischen Union und die vor sich gehende
historische Erweiterung bringen neue Chancen und Herausforderungen mit sich.
Das ist natürlich auch ganz wesentlich gewesen für die zusätzlichen zwei
Staatsekretäre, weil es natürlich im Rahmen der Verhandlungen, die in Brüssel
und in Straßburg zu führen sind, auch Möglichkeiten der Flexibilität des einen
oder anderen Ministers geben muss. Gerade in diesem Bereich haben wir Lösungen
angedacht und auch durchgezogen.
Ich sage Ihnen
aber auch – mich hat das sehr berührt, weil ich schon im Kabinett
Schüssel I das Bundesministeriengesetz in den Ausschüssen vertreten habe
und ich mich noch daran erinnern kann, wie Frau Dr. Petrovic gleich mit
dem Jahr 1934 begonnen hat, als es um Arbeit und Wirtschaft gegangen
ist –: Sie wissen ganz genau, Herr Bundesrat, und viele von Ihnen, dass
gerade Deutschland diese Regelung nachvollzogen hat, weil darin kein Gegensatz
zu sehen ist. Wir sehen auch keinen Gegensatz von Wirtschaft und Arbeit. (Beifall
bei der ÖVP und des Bundesrates Weilharter.)
Glauben Sie mir,
nur auf Basis einer funktionierenden Wirtschaft wird es Arbeitsplätze geben,
die genügend Einkommen sichern, so wie wir uns das vorstellen, wird es
Frauenbeschäftigung geben und so weiter und so fort, das sind also all die
Dinge, die uns alle in diesem Raum am Herzen liegen, und, wie ich glaube, auch
am politischen Herzen liegen.
In einigen
Bereichen wurden mit diesem Gesetz Nachjustierungen vorgenommen. Darunter verstehe
ich etwa die Fokussierung der Frauenagenden und deren Zusammenlegung mit dem Gesundheitsbereich,
auch wenn es sich bei der Frauenpolitik um eine Querschnittsmaterie handelt.
Das ist auch eine Problemlage, auf die viele Regierungen vor uns gestoßen sind
und nach uns noch stoßen werden. Es gibt zunehmend Querschnittsmaterien, es
gibt zunehmend Materien, die nicht nur in einem Ministerium abgehandelt werden
können. Sehen wir uns – weil schon darauf hingewiesen wurde – den Tierschutz
an, dessen Agenden wir gerade im Bundeskanzleramt gebündelt haben, oder den
Konsumentenschutz, den wir durch eine Staatssekretärin im Sozialministerium
aufgewertet haben. Das hat auch Ihre Zustimmung gefunden, wenn auch aus anderen
Gründen, Herr Bundesrat! Schließlich werden durch die Umsiedlung der Zuständigkeiten
für die Frauengleichstellung am Arbeitsmarkt und den damit verbundenen Förderungen
die Frauenagenden um ein wichtiges Element angereichert.
Für mich war es immer – schon im Nationalrat, aber auch schon im Ausschuss – unter anderem auch eine Frage: Wieso mehr Staatssekretäre, wieso so viele Staatssekretäre mehr? Glauben Sie mir, wenn Sie das einerseits mit Bundesregierungen, die vor uns dieses Land regiert haben, aber auch im europäischen Kontext vergleichen, werden Sie sehen, dass wir im Grunde ein sehr sparsames Kabinett sind. Es haben sich die Ministerposten nicht vervielfältigt, sie haben sich auch nicht erweitert, es sind zwei Staatssekretäre dazugekommen. Ich erinnere Sie aller-
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 45 |
dings auch daran, dass die Kabinette Vranitzky I und IV
21 Regierungsmitglieder, die Regierungen Kreisky IV und Sinowatz etwa
22 Regierungsmitglieder hatten. Dabei sind wir noch lange nicht dort, wo
wir auch sein könnten: in Griechenland mit 19 Ministern und
29 Staatssekretären, in Irland mit 15 Ministern und
17 Staatssekretären. Ich möchte Sie damit nicht weiter traktieren, aber
ich möchte nur sagen, wir sind da im Rahmen des Möglichen und auch im Rahmen
des Notwendigen geblieben.
Der
Bundesasylsenat ist eine Thematik, die immer wieder auf uns zukommt. Er wird
immer eine Thematik sein, hinsichtlich der wir meinen, dass Unabhängigkeit nur
dadurch gesichert wird, dass es insbesondere nicht in dem zuständigen
Ministerium angesiedelt ist. Dazu muss ich Ihnen sagen, das ist ein Misstrauen
einerseits der Verfassung gegenüber, aber andererseits auch den Beamtinnen und
Beamten gegenüber, die von der Verfassung her lebenslänglich, also solange sie
diesen Beruf ausüben, unabhängig gestellt werden. Sie unterstellen nämlich damit
diesen Menschen, ein Rückgrat wie ein Gartenschlauch zu haben.
Daher noch einmal:
Ich stehe dazu, dass sie sich auf dem Boden der Verfassung befinden und unabhängig
sind – das ist der erste Punkt –, und zweitens haben sie natürlich
auch einen Charakter, dazu zu stehen. Abgesehen davon gibt es die Regelung auch
im Gericht selbst, das heißt im Justizministerium; die Richter sind natürlich
auch dem Justizministerium zugeordnet. – Das sei nur am Rande erwähnt.
In diesem Sinne,
glaube ich, ist das nicht mehr und nicht weniger als eine Arbeitsgrundlage, damit
die Bundesregierung arbeiten kann. Dass Sie nicht alle die Zustimmung zu diesem
Gesetz geben können, verstehe ich natürlich. Ich würde das möglicherweise als
Opposition ähnlich sehen wie Sie. Ich glaube nur, dass es für diese
Bundesregierung ein Weg ist, die Aufgaben der nächsten Zeit, die auf uns
zukommen – es werden schwierige sein, und es sind schwierige –, für
dieses Land und für seine Zukunft zu lösen. – Danke schön. (Beifall bei
der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)
11.46
Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat
Dr. Andreas Schnider. Ich erteile ihm das Wort.
11.46
Bundesrat
Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter
Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Lieber Herr Staatssekretär! Sehr
geehrter Herr Botschafter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass
politische Arbeit ganz konkrete Rahmenbedingungen benötigt, erst recht dann,
wenn es nicht nur um eine visionär-inhaltliche Arbeit, sondern um ganz konkrete
Umsetzungsarbeit geht. Eines der wichtigsten Kriterien ist wohl, einen Ordnungsrahmen
zu schaffen, in dem man umsetzen kann. Ein klares, strategisches
Regierungskonzept, ein Personalkonzept, ein Ministerienkonzept gehören auf
einem festen Fundament aufgebaut. In idealer Form müssen diese drei Konzepte
aufeinander abgestimmt sein.
Erlauben Sie mir
den Vergleich mit einem gemalten Bild, das auch einen dazupassenden Rahmen
braucht, der das Gemalte in richtiger Form oder in der Form, in der es gemeint
ist, zur Geltung bringen kann!
Das bedeutet
weiters, dass es im Sinne einer sinnvoll gebündelten und gemanagten Regierungsarbeit
einerseits und einer klaren und raschen Kommunikation der geleisteten
politischen Arbeit andererseits ein stringentes Instrument zu erstellen und zu
beschließen gilt. Diesem Instrumentarium muss es in meinen Augen gelingen,
inhaltlich Benachbartes oder Übergreifendes zusammenzuführen, aber
gleichzeitig inhaltlich Aktuelles und politisch Akutes zu gewichten, und ich
denke, das ist hier in einem sehr großen Maße gelungen. Es ist aber nicht
überall geglückt: Der Bereich Forschung ist angesprochen worden, bei dem es
nicht so ganz gelungen ist.
Aber schauen wir uns einige Bereiche an. Gerade im Bereich – es wurde soeben angesprochen – der inneren Sicherheit ist einiges gelungen. Ich möchte hier auch dazusagen, dass damit nicht erst jetzt begonnen wurde, sondern bereits im Jahr 2000. Es ist auch gesagt worden – und das halte ich für sehr sinnvoll –, dass es ein Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 46 |
gibt, dass es ein
Bundesministerium für Landwirtschaft und Umwelt gibt, das sich Lebensministerium
nennt. Ich möchte jetzt nicht noch einmal das europäische Beispiel Deutschland
zitieren, sondern ein anderes Beispiel, bei dem sogar noch ein Stück
weitergegangen wird, nämlich das Beispiel Irland. Dort wurden wirtschaftliche
und beschäftigungspolitische Anliegen zusammengeführt, bei denen es also um
Unternehmen, Handel, Beschäftigung geht, wobei nach meinen Recherchen sogar die
Bereiche Sozial- und Arbeitsrecht mit eingeschlossen wurden.
Wenn wir uns unser
Ministerium für Arbeit und Wirtschaft ansehen, so kann man doch wohl sagen,
dass es sehr gut arbeitet. Das sieht man vor allem, wenn man sich die Daten im
EU-Durchschnitt anschaut, was zum Beispiel die Arbeitslosen- und
Beschäftigungszahlen betrifft. Immerhin liegt Österreich auf dem dritten
Platz von 15 Staaten, was die Beschäftigungslosen betrifft, und das ist
doch wohl nicht so schlecht. Es ist noch nicht das Beste, aber es ist wohl
nicht schlecht.
Vielleicht darf
ich hier aus dem steirischen Umfeld ein gelungenes Beispiel der Bündelung zitieren,
weil es gerade vor drei Tagen über die Bühne gegangen ist. Frau Landeshauptmann
Waltraud Klasnic ist es gelungen, alle Bildungsagenden – alle, auch die
der landwirtschaftlichen Fachschulen, auch die der Fachhochschulen, auch die
der Berufsschulen – in ein Bildungsressort zusammenzubringen. Ich denke,
das könnte ein Anreiz in Richtung Wien sein, vielleicht auch zu überlegen, ob
man nicht Bildung in ein großes Ressort bringen könnte. Mit dieser Ressortbildung
in der Steiermark wurde außerdem die neu bestellte jüngste österreichische Landesrätin,
Mag. Kristina Edlinger-Ploder, beauftragt.
Doch es muss uns
auch bei allen möglichen gewollten und durchgeführten Einsparungspotenzialen
klar sein, dass bestimmte Aufgaben, die sich gerade heute innerhalb eines
großen vereinten Europas stärker entwickelt haben, sowohl vom zeitlichen als
auch vom personellen Aufwand her zunehmen werden und zunehmen müssen. Denken
wir an die Bereiche Verkehr, Infrastruktur, Bahn und Straße, aber denken wir
auch an unterschiedliche Großereignisse, etwa im Bereich des Sports, wo ich
sehr wohl meine, dass die Qualität auch einen vernünftigen Personalstand
innerhalb einer Regierung verlangt!
Schließlich denke
ich – um auf den Vergleich mit dem gemalten Bild zurückzukommen –,
müssen politisch umzusetzende Schwerpunkte auch entsprechend Berücksichtigung
finden. Wenn wir alle hier also behaupten, dass es wichtig ist,
zukunftsweisende Impulse im Bereich Soziales, Gesundheitswesen und Finanzen zu
setzen, dann müssen wir das auch wie in einem Bild darstellen und das von
unserem Personal her innerhalb der Regierung entsprechend gewichten.
Wenn weiters all
die letzten Jahre hindurch immer wieder der Wunsch nach einer eigenen Frauenministerin,
insbesondere auch von Seiten der politischen Mitbewerber, geäußert wurde, dann
sollen aber auch diese jetzt zugeben, dass unter der Regierung Wolfgang
Schüssel II diesem Wunsch nachgekommen wurde.
Schließlich noch
zu einem politischen Schwerpunkt, der meines Erachtens gerade durch die Ressortzuordnung
auf eine bestimmte Gewichtung hinweisen will: Die Agenden des e-Governments
sind ganz wichtig, und ich glaube, es ist richtig, dass diese zur Chefsache
erklärt wurden, denn erstens sind gerade diese eine Querschnittsmaterie,
zweitens können gerade diese im Einsparungspotenzial, wenn sie richtig gemacht
und durchgeführt werden, vieles erreichen, und zwar auf zwei Schienen: erstens
in der Verwaltung, zweitens hinsichtlich des Wissensmanagements überhaupt. Das
heißt, dieses e-Government müssen wir endlich von ganz oben – ich sage das
bewusst so – angreifen und es nicht nur bei einer reinen Technologiediskussion
belassen. Dann werden wir wahrscheinlich auch die eine oder andere Diskussion
im Rahmen von Bildungsreform, wenn es um Stundenkürzungen geht, anders
anschauen, wenn wir auch diese Schienen ganz anders für uns bauen und für uns
in die Zukunft legen.
Meine Damen und
Herren! Hohes Haus! Wenn wir uns nun dieses hier vorliegende Gesetz als ein von
mir gerade skizziertes Bild vorstellen, dann kann, so glaube ich, niemand
behaupten, dass die Pinselstriche nicht richtig gesetzt wurden. Dass für jeden,
der ein Bild betrachtet, dieses Bild vielleicht anders aussehen könnte,
verstehe ich auch.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 47 |
Ein Letztes: Ich
glaube, wir sollten uns in Zukunft überhaupt etwas vor Augen halten: Wir
sollten, wenn es etwas zu diskutieren gibt, wenn etwas zu begutachten ist, aus
einer Begutachtungsphase nicht immer nur eine „Beschlechtachtungsphase“
machen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
11.55
Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung
hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach gemeldet. Ich erteile ihm unter
Hinweis auf die Redezeitbeschränkung von 5 Minuten das Wort.
11.55
Bundesrat
Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Keine Angst, Herr Kollege
Schnider, ich berichtige nicht Sie, sondern ich muss leider den Herrn
Staatssekretär berichtigen.
Der Herr
Staatssekretär hat gemeint, ich hätte gesagt, die Beamten hätten ein Rückgrat
wie ein Gartenschlauch.
Das habe ich nicht
gesagt. Ich habe vielmehr von der Problematik der Zusammenführung des UBAS mit
dem Innenministerium gesprochen, und zwar davon, dass bis zum Jahr 1997
genau diese zweite Instanz im Innenministerium war und die Regierung von SPÖ
und ÖVP 1997 erkannt hat, dass es da einen Missstand gibt, wenn diese zweite
Instanz im selben Haus ist. Aus dieser Erkenntnis heraus wurde 1997 das UBAS
geschaffen.
Das ist keine
Unterstellung den Beamten gegenüber, dass sie ein Rückgrat wie ein Gartenschlauch
hätten. Das habe ich nicht gesagt, vielmehr habe ich gesagt, dass es da zu
einem tatsächlichen Interessenkonflikt kommt und dass es rechtlich
problematisch ist, die zweite Instanz in der Form im selben Haus zu haben. (Beifall
bei der SPÖ.)
11.56
Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin
Ulrike Haunschmid. Ich erteile ihr das Wort.
11.56
Bundesrätin
Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich):
Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Boden! Jawohl, Sie haben mir vorhin
auch teilweise aus der Seele gesprochen. Auch ich habe es bedauert, dass das
Tourismus-Staatssekretariat weggefallen ist. Aber ich glaube, dass sich dieses
Bundesministerium sehr wohl auch Gedanken darüber gemacht hat, und ich sehe es
als eine Fortentwicklung, auf Grund von Erfahrungen etwas Neues zu machen. Ich
glaube weiters, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist, immer wieder in der
Vergangenheit zu leben und immer wieder rückwärts zu blicken und von
Vergangenem zu zehren oder es zu beklagen. Jeder, der das macht, hat nichts,
aber schon gar nichts daraus gelernt. Ich sage noch einmal: Gestern ist unwiederbringlich
vorbei, und wir müssen das Beste daraus machen.
Ich sehe es auch
als eine Verpflichtung aller unserer Touristiker in diesem Haus an, alle Ministerien –
und es ist eine Querschnittsmaterie; Tourismus geht durch alle
Ministerien – und alle Minister in die Pflicht zu nehmen, denn Tourismus
umfasst rund 70 000 Betriebe, das sind 70 000 Betriebe mit
70 000 Familien, plus 70 000 mal x Mitarbeiter, plus
70 000 mal x Zulieferer, plus 70 000 mal x Gäste. Und das,
meine Damen und Herren, ist keine Kleinigkeit.
Aber, Herr Kollege
Boden, uns ist es wenigstens in den letzten zweieinhalb Jahren gelungen, ein
Staatssekretariat zu haben, wenigstens dieser Branche den Stellenwert zu geben,
der ihr schon längst gebührt hat, und das auch weiter fortzusetzen. Das ist den
Sozialdemokraten 20 Jahre lang nicht gelungen. Das muss ich Ihnen, auch
wenn Sie es nicht hören wollen, immer wieder in das Gedächtnis rufen. (Bundesrat Thumpser: Unter dem Motto:
Gestern ist vorbei!) – Ich muss es aber trotzdem noch einmal sagen. (Bundesrat Konecny: Selektive Vergangenheit!)
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 48 |
Wir als Gruppe der
Touristiker werden mehr oder minder letztlich darüber entscheiden und abwiegen,
was gut oder was schlecht für uns ist. Nichts ist so erfolgreich wie der
Erfolg, den wir uns selbst vorschreiben. Wir werden uns Siege und Erfolge der
Jahre des Staatssekretariats für Tourismus ins Gedächtnis rufen und
gemeinsam – und da ist niemand ausgeschlossen, meine Damen und Herren, und
ich bitte die Damen und Herren der Sozialdemokratie, sich auch in dieses Boot
zu begeben – diese Regierung in die Pflicht nehmen. (Bundesrat Konecny: In Ihr Boot begebe ich mich nicht!
Das ist mir zu unsicher!)
Spätestens letztes Jahr in Obertauern bekannte sich die Regierung zum
österreichischen Tourismus und hat sich verpflichtet, das Beste für die
Tourismusbetriebe, für ihre Betreiber und ihre Mitarbeiter zu tun, um diese
Branche wieder lebenswerter zu gestalten und endlich dieser Branche und den in
ihr Tätigen den Stellenwert zu geben, der ihnen gebührt.
Der Tourismus ist einer der größten Wirtschaftszweige Österreichs, und
die Regierung ist es diesem Land auch schuldig. Daher heißt es, nicht
aufzuhören und sich weiterzuentwickeln, fest daran zu arbeiten und alle
Verantwortlichen für dieses Land, wie ich schon gesagt habe, heranzuziehen.
Vielleicht schaffen wir es gemeinsam.
Der Tourismus ist jetzt zur Chefsache erklärt worden, wie Sie es
vielfach genannt haben. Chefsache heißt nicht allein Repräsentation, Chefsache
heißt Verantwortung, und das wird sich der Herr Bundesminister sehr wohl immer
wieder in Erinnerung rufen müssen. Aber ich glaube, wir sind auch als
Touristiker und als Konsumenten verpflichtet, es zu untermauern, daran zu arbeiten
und ihm dabei zu helfen. Was in den letzten Jahren in Obertauern versprochen
wurde, ist also einzuhalten. Da ist der Finanzminister genauso gefordert wie alle
anderen. Die gut begonnene Arbeit des Staatssekretariats für Tourismus ist
unweigerlich fortzusetzen.
Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen waren die ersten, die das Ohr
beim Volk gehabt haben. Es darf nicht aufhören – und so wird es auch gemacht
werden –, dass diese Regierung das Ohr vor allem bei den Bürgern draußen
haben wird. Das hat sie sich vorgenommen, und sie hat es auch in der ersten
Zeit ihrer Arbeit bewiesen, auch wenn es von den Sozialdemokraten immer wieder
bemängelt und anders ausgelegt wird. Wir haben uns vorgenommen – gerade
wir Touristiker –, diese Chefsache und die Arbeit des Bundesministers für
Wirtschaft zu überwachen und eben dadurch den Stellenwert zu erhalten. (Bundesrat
Boden: Wo haben Sie denn das Ohr?)
Ich glaube, dass sich diese Bundesregierung sehr genau vorgenommen hat,
nachhaltig zu regieren, aber ich glaube kaum, dass sich die Sozialdemokraten
einmal Gedanken darüber gemacht haben, was Nachhaltigkeit bedeutet.
Nachhaltigkeit heißt: sparen und gewinnen, mit dem positiven Beigeschmack einer
Qualitätsverbesserung in der Regierungsarbeit. (Bundesrat Boden:
Minus 10 Prozent! Ist das Nachhaltigkeit: minus 10 Prozent?) Für
mich heißt das: nachhaltige Qualitätsverbesserung für den Tourismus.
Meine Damen und Herren! Natürlich wäre es ein Ziel – und ich
glaube, das Ziel aller Touristiker –, dass wir ein eigenes
Tourismusministerium hätten. Dieses Tourismusland Österreich hätte es sich in
seiner Einmaligkeit und als Tourismusland Nummer eins in Europa wahrlich verdient.
Aber man sollte niemals „nie“ sagen! Träume können vielleicht einmal
Wirklichkeit werden, und wenn wir gemeinsam etwas wollen, dann können auch
Märchen wahr werden. (Bundesrat Boden: Das dauert lange, bis das
Märchen wahr wird, das Sie heute hier erzählt haben!)
Wir alle sollten gemeinsam über Parteipolitik hinweg an einem Erfolg
arbeiten und endgültig – und das ist wirklich ein Appell an die
Sozialdemokraten – effiziente und gute Sachpolitik betreiben. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
12.04
Vizepräsident Jürgen Weiss:
Ich erteile nun
Frau Bundesministerin Maria Rauch-Kallat das Wort. – Bitte.
12.04
Bundesministerin ohne Portefeuille Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Botschafter! Hoher Bundesrat! Lassen Sie mich die heutige Diskussion rund um das
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 49 |
Bundesministeriengesetz zum Anlass nehmen, auch etwas zum Thema Gesundheit
und Frauen zu sagen! Bei der Regierungserklärung habe ich auf Grund der
zahlreichen Wortmeldungen zugunsten einer zweiten Wortmeldung des Herrn
Bundeskanzlers auf meine Wortmeldung verzichtet, daher möchte ich jetzt ganz
kurz auch Ihnen skizzieren, was das Ministerium für Gesundheit und Frauen, das
Sie heute beschließen werden, an Initiativen und Vorhaben umsetzen möchte.
Zuerst freue ich
mich ganz besonders, dass offensichtlich die Wiedereinführung eines eigenen
Sachbereiches Frauen auch im Namen eines Ministeriums so große Zustimmung
findet. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass es auch in der vergangenen
Legislaturperiode selbstverständlich die gleiche Sektion an Frauen – auch
Mitarbeiterinnen, Beamtinnen – im Ministerium für Soziales und
Generationen gegeben hat, dieselbe, die schon unter Johanna Dohnal, Helga
Konrad und Barbara Prammer ihre Aufgabe erfüllt hat. Diese Sektion ist jetzt
natürlich in das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen übernommen
worden, zusätzlich noch mit einer Abteilung für Frauen und Arbeitsmarkt aus dem
Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten – eine
Kompetenzbereinigung, die meines Erachtens sinnvoll ist.
Dieses Ministerium
ist kein zusätzliches. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass ein Bundesministerium
eingespart wurde, indem die Agenden des BMöLS, des Bundesministeriums für
öffentliche Leistung und Sport, an den Bundeskanzler übergegangen sind, sodass
er jetzt diese Agenden übernimmt. Das heißt, die Zahl der Ministerien ist
gleich geblieben. Aber diese Teilung zwischen Sozialem und Gesundheit,
zwischen Generationen und Frauen hat ihre Ursache natürlich auch darin, dass
gerade in diesen Bereichen die großen Herausforderungen der nächsten Jahre auf
uns zukommen werden. Die Diskussion rund um die Pensionsreform zeigt, dass wir
insbesondere in einem zweiten Schritt, was die Harmonisierung der Pensionen anlangt,
noch sehr viel Arbeit vor uns haben.
Das Ministerium
für Gesundheit ist mit der Sicherung eines sehr hohen qualitativen Standards
der österreichischen Gesundheitsversorgung und einem sehr niederschwelligen
Zugang dazu befasst. Wir liegen weltweit an zweiter Stelle, was den sozialen
Zugang zu medizinischen Leistungen – unabhängig von Einkommen und
Alter – anlangt. Wir wollen diesen hohen Qualitätsstandard erhalten und
gleichzeitig die Kosten nicht aus dem Ruder laufen lassen, das heißt, durch
Strukturmaßnahmen, durch Einsparungseffekte, die aber die Patientin, der
Patient nicht spüren soll und nicht spüren darf, müssen wir das System
finanzierbar erhalten.
Ich denke, als ein
zweiter besonders wichtiger Bereich sollte der Bereich des Gesundheitsbewusstseins,
der Gesundheitsförderung und der Prävention gelten, weil letztendlich in einem
Land, in dem Gott sei Dank ein durchaus gutes Einkommensverhältnis, ein
gewisser wohlverdienter Wohlstand auch der älteren Generation gegeben sind,
die Gesundheit und die Lebensqualität an oberster Stelle des einzelnen
Menschen stehen. Wenn wir in den nächsten dreieinhalb Jahren dazu beitragen
können, dass die Menschen, die eine weitaus höhere Lebenserwartung als noch
vor 20 Jahren haben, diese höhere Lebenserwartung auch in guter Gesundheit
und in hoher Lebensqualität erreichen können, dann haben wir unser Ziel
erreicht.
Was den
Frauensektor anlangt, möchte ich ganz besonders darauf achten, dass nicht nur
die im legistischen Bereich bereits erreichte Gleichstellung genügt, sondern
dass wir de facto auch erreichen, dass Frauen und Männer in Österreich
tatsächlich gleiche Chancen haben. Dazu wird es noch intensiver Anstrengungen
bedürfen. Das Prinzip des Gender Mainstreamings werden wir durch alle
Politikbereiche durchziehen. Das heißt, wir werden uns als Frauenministerium
dort, wo es notwendig ist, auch in die Politikbereiche anderer Ministerien
einmischen.
Das gilt
insbesondere auch jetzt hinsichtlich der Pensionen. Aber hier weiß ich mich mit
Ursula Haubner eins darin, dass wir gemeinsam eine Lösung finden werden, die
die Einkommensschere von Frauen und Männern nicht auseinander gehen lassen
wird, sondern verkleinern soll und muss. Wir werden auch auf die Anliegen aller
Frauen achten, sowohl der Berufstätigen als auch derjenigen, die sich temporär
oder ganz der Kinderbetreuung und der Familienarbeit oder Pflegearbeit widmen,
dass ihnen daraus keine Nachteile erwachsen dürfen.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 50 |
In diesem Sinne
hoffe ich sehr auf gute Zusammenarbeit. Ich bin überzeugt davon, dass es uns
gelingen wird, das österreichische Sozial- und Gesundheitssystem, das eines der
besten der Welt ist, durch notwendige Maßnahmen – die nicht immer
angenehm, aber dringend notwendig sind – so abzusichern, dass auch unsere
Kinder und Enkelkinder noch ein qualitätsvolles Gesundheitssystem und ein
sicheres Pensionssystem vorfinden werden. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
12.11
Vizepräsident Jürgen Weiss:
Weitere
Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wünscht noch
jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.
Die Debatte ist
geschlossen.
Wird von der
Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der
Fall.
Wir kommen zur Abstimmung.
Ich bitte jene
Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden
Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein
Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.
Der Antrag ist angenommen.
3. Punkt
Beschluss des
Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird (45/A und 28/NR sowie 6774/BR der Beilagen)
4. Punkt
Beschluss des
Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das
Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus
geändert wird (46/A und 29/NR sowie 6775/BR der Beilagen)
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 3
und 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.
Es sind dies:
ein Bundesgesetz,
mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird, und
ein Bundesgesetz,
mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für
Opfer des Nationalsozialismus geändert wird.
Es freut mich ganz
besonders, dass zur Verhandlung dieser Tagesordnungspunkte der Vorsitzende des
Komitees des Österreichischen Versöhnungsfonds, Herr Staatssekretär a. D.
Botschafter Ludwig Steiner, zu uns gekommen ist. Ich darf ihn auf das
Herzlichste willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)
Die
Berichterstattung über die Punkte 3 und 4 hat Herr Bundesrat Gottfried
Kneifel übernommen. Ich bitte ihn darum.
Berichterstatter
Gottfried Kneifel: Herr Präsident! Herr
Staatssekretär! Herr Botschafter! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!
Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über
den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein
Bundesgesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird, zur Kenntnis
bringen.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 51 |
Der vollständige
Wortlaut liegt Ihnen schriftlich vor, sodass ich mich auf die Antragstellung beschränken
kann.
Der Ausschuss für
Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April
2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,
keinen Einspruch zu erheben.
In weiterer Folge
darf ich Ihnen den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über
den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein
Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik
Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird, zur Kenntnis
bringen.
Auch dieser
Bericht liegt Ihnen vollinhaltlich vor.
Daher werde ich
mich auf die Antragstellung beschränken und teile Ihnen mit, dass der Ausschuss
für Verfassung und Föderalismus nach Beratung der Vorlage am 8. April 2003
mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag
stellt, keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein, die
über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.
Als erstem Redner
erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein das Wort. – Bitte.
12.14
Bundesrat Dr. Vincenz
Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter
Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Lieber Herr Botschafter Dr. Steiner!
Wir haben im Verfassungsausschuss des Bundesrates und zuvor im Nationalrat
einstimmig beschlossen, dem Bundesrat die Verlängerung der Antragsfrist für
den Österreichischen Versöhnungsfonds bis zum 31. Dezember 2003 und der
Funktionsdauer des Fonds der Republik Österreich für die Opfer des
Nationalsozialismus bis zum 31. Dezember 2004 zu empfehlen. Es war in
beiden Fällen nötig, die Fristen zu verlängern, weil man gesehen hat, dass
sich die ursprüngliche Frist trotz des immensen Einsatzes der Mitarbeiter der
beiden Fonds als zu kurz für die Bewältigung der damit verbundenen Aufgaben
erwiesen hat.
Der Vorsitzende
der Historikerkommission, Präsident des Verwaltungsgerichtshofes Dr. Jabloner,
der mit großem Einsatz wirkte, kann heute leider nicht an der Sitzung
teilnehmen. Aber ich darf noch einmal – der Präsident hat es schon
getan – dem anwesenden Vorsitzenden des Komitees zum
Versöhnungsfonds-Gesetz, Herrn Botschafter Dr. Ludwig Steiner, für seine
engagierte Arbeit sehr herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)
Dazu darf ich noch
etwas sagen: Dr. Steiner wirkte als junger Mann und Tiroler an der
patriotischen Tiroler und österreichischen Befreiung Innsbrucks 1945 vom
Nationalsozialismus und von Hitler-Deutschland mit, sodass die US-Truppen in
Innsbruck und im Tiroler Landhaus bereits von Österreichern empfangen werden
konnten. Ebenfalls wirkte er persönlich 1955 in Moskau an Entstehung und
Abschluss des Staatsvertrages mit. Ihm und auch seinem Generalsekretär,
Botschafter Dr. Richard Wotava, der heute leider im Ausland ist, sei für
die Arbeit sehr gedankt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie
bei Bundesräten der SPÖ.)
Nun zu den beiden
Gesetzen, zuerst zum Versöhnungsfonds-Gesetz. – Wir befassen uns heute mit
einer Novelle zum Versöhnungsfonds-Gesetz, einem Gesetz, mit dem Österreich
einen wichtigen freiwilligen Beitrag zur
Vergangenheitsbewältigung leistet. Das Versöhnungsfonds-Gesetz stellt einen
Beitrag zu dieser Bewältigung der Vergangenheit unseres Landes dar, obwohl vom
völkerrechtlichen Standpunkt aus die Republik Österreich zu einem solchen
Beitrag in keiner Weise verpflichtet gewesen wäre, hat doch unser Land während
der Herrschaft des nationalsozialistischen Regimes als Staat nicht existiert.
Vor uns liegt der im Verfassungsausschuss des Bundesrates einstimmig gefasste Beschluss, dem Plenum des Bundesrates die Verlängerung der Antragsfrist für den Österreichischen Versöhnungsfonds bis 31. Dezember 2003 und der Funktionsdauer des Fonds der Republik Öster-
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 52 |
reich für die Opfer des
Nationalsozialismus bis 31. Dezember 2004 zu empfehlen. Wir folgen gerne
dieser einstimmigen Empfehlung des Ausschusses und treten für die Verlängerung
der Antragsfrist und der Funktionsdauer des Österreichischen Versöhnungsfonds
deshalb ein, weil die ursprünglich vorgesehenen Fristen offenbar doch zu kurz
bemessen waren, um den Fonds in die Lage zu versetzen, seinem Auftrag zur
möglichst lückenlosen Erfassung aller potenziellen Leistungsberechtigten zu
entsprechen.
Leistungsberechtigte
in aller Welt ausfindig zu machen, stellt zweifellos eine überaus komplexe,
zeit- und arbeitsintensive Aufgabe dar, hat doch der Fonds bisher die Anträge
von nahezu hunderttausend ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeitern aus
57 Ländern positiv abgeschlossen. Um zu diesem positiven Resultat zu
gelangen, haben die Mitarbeiter des Fonds nicht nur großes Engagement, eine
effiziente und unbürokratische Behandlung der Anträge der ehemaligen Sklaven-
und Zwangsarbeiter an den Tag gelegt, sondern sich auch durch innovative
Aktionen sehr erfolgreich bemüht, an Antragsteller heranzukommen, die in den
Kompetenzbereich des Österreichischen Versöhnungsfonds fallen. So überprüft
der Versöhnungsfonds nach Herstellung des Einvernehmens mit der deutschen
Zwangsarbeiterstiftung die Listen von Partnerorganisationen der deutschen
Stiftung, zumal die Erfahrung gelehrt hat, dass sich in diesen Listen auch
zahlreiche Anträge ehemaliger Sklaven- und Zwangsarbeiter befinden, für die der
Österreichische Versöhnungsfonds zuständig ist.
Durch diese
Vorgangsweise soll verhindert werden, dass nach Abschluss der Tätigkeit des Versöhnungsfonds
nachträglich potenzielle Antragsteller festgestellt werden, die vom Versöhnungsfonds
eine Leistung hätten bekommen sollen oder müssen. Dies würde nicht nur innen-
und außenpolitische Diskussionen zur Folge haben, sondern auch die
staatspolitische Bedeutung der Aktivitäten des Versöhnungsfonds vermindern.
Da bei Beziehern
von Leistungen aus dem Österreichischen Nationalfonds vielfach die Meinung
vorherrschte, dass eine solche Zahlung eine Leistung durch den Versöhnungsfonds
ausschließe, hat der Österreichische Versöhnungsfonds an zirka
30 000 Personen, die den Österreichischen Nationalfonds – über
den ich nachher sprechen werde – kontaktiert hatten, Schreiben gerichtet,
in denen auf die Möglichkeit einer Leistung durch den Versöhnungsfonds
aufmerksam gemacht wird. Auch diese Aktion spricht dafür, dass der
Österreichische Versöhnungsfonds nichts unversucht lässt, um alle nur denkbaren
Leistungsberechtigten zu erfassen.
Die Aktivitäten
und Leistungen des Versöhnungsfonds haben nicht nur großen Goodwill für Österreich
in den Herkunftsländern der Leistungsberechtigen erzeugt, sondern auch sehr
bemerkenswerte Reaktionen der Betroffenen selbst hervorgerufen. In einer
Reihe von Ländern, insbesondere in der Sowjetunion und im vormaligen
Jugoslawien, waren die heimgekehrten Zwangsarbeiter nicht nur sehr
unfreundlich empfangen worden, sondern oft auch deshalb weiteren Verfolgungen
ausgesetzt, weil sie angeblich Kriegsanstrengungen von Hitler-Deutschland gestärkt
hätten. So wurde ihnen oft bis in die Gegenwart die Anerkennung als Opfer des
Nationalsozialismus versagt. Die Zuerkennung einer Leistung für diese
ehemaligen Zwangsarbeiter durch den Österreichischen Versöhnungsfonds war somit
zum ersten Mal auch eine Anerkennung, dass sie als Opfer des NS-Regimes
Unrecht erlitten hatten. Oft haben die mit Leistungen bedachten ehemaligen
Zwangsarbeiter den Vertretern des Versöhnungsfonds versichert, dass für
sie – neben der finanziellen Leistung – die Anerkennung als Opfer des
nationalsozialistischen Regimes mitunter noch wichtiger war.
Das tragische Schicksal solcher ehemaliger Zwangsarbeiter kann wohl
nicht eindrucksvoller unterstrichen werden als durch die Lektüre von
Vernehmungsprotokollen des ehemaligen sowjetischen Geheimdienstes NKWD, wonach
Zwangsarbeiter als Feinde ihres eigenen Volkes entsprechend behandelt wurden,
wobei eine Versendung in die berüchtigten Straflager des Gulag durchaus an der
Tagesordnung war. (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus.)
In diesem Zusammenhang verdient auch die Tatsache Erwähnung, dass während der Verhandlungen zum österreichischen Staatsvertrag von sowjetischer Seite niemals auch nur eine Andeutung hinsichtlich einer Entschädigungsforderung für die Zwangsarbeiter gemacht wurde,
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 53 |
weil sich das
Sowjetregime dieser – unter Anführungszeichen – „Unterstützer des
NS-Regimes“ offenbar schämte.
Wir begrüßen die erfolgreiche Tätigkeit des Österreichischen
Versöhnungsfonds als eine eminent wichtige staatspolitische Aufgabe Österreichs
auf das Wärmste, stellt sie doch einen wertvollen Beitrag zur Überwindung der
leidvollen Vergangenheit und zu einer festen Basis eines zukünftigen
gedeihlichen Zusammenseins der Völker dar!
Als Zweites komme ich zum Bundesgesetz über den Nationalfonds der
Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus. Auch dessen
Funktionsdauer soll verlängert werden, und zwar bis zum 31. Dezember 2004.
Hier gilt es, ein Wort zur Historikerkommission zu sagen. Unter dem
hervorragenden fachlichen Vorsitz des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs
Dr. Jabloner wurde sehr viel – leider in Österreich erst sehr
spät – aufgearbeitet. Dabei geht es um zahlreiche geraubte Güter, vor
allem solche von jüdischen Staatsbürgern Österreichs.
Aus dem vor etlichen Wochen präsentierten und überall beachteten
Bericht, wonach es meist symbolische Aktionen sind, die Österreich und seine
Regierung mit dem Fonds und den beiden Gesetzen gesetzt haben und setzen, lässt
sich heute keine endgültige Meinung bilden und kein endgültiges Urteil über
Österreichs Taten bezüglich der Entschädigungsleistungen in den letzten fast
60 Jahren fällen. Eine zahlenmäßige Aufstellung der Entschädigungen und
Rückstellungen ist leider nicht wirklich möglich, und zwar allein schon
deshalb, weil dies wissenschaftlich und technisch gar nicht zu leisten ist.
In Deutschland wurde mit diesen Rückgaben teilweise bereits unmittelbar nach
Ende des Krieges begonnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Etwas ist jedoch durch die
Historikerkommission begonnen worden, nämlich ein Paradigmenwechsel, der
Folgendes klar aufzeigt: Die Meinung, Österreich habe schlechthin alles wieder
gutgemacht, und in dieser Sache sei längst alles erledigt, kann sicher nicht
aufrechterhalten werden – aber ebenso wenig das Vorurteil, Österreich habe
in Sachen Entschädigung und Rückstellung gar nichts unternommen. Es hat
unternommen!
Mit dem Bericht, mit dem Gesetz und der unermüdlichen Arbeit der Historikerkommission sowie auch des Komitees des Versöhnungsfonds unter dem Vorsitz von Botschafter Dr. Ludwig Steiner haben wir einen wesentlichen Teil an Selbstaufklärung betrieben, sind tätig geworden und sind um einen weiteren Schritt einer modernen, selbstbewussten Gesellschaft näher gekommen. Damit haben wir den Schritt in das Europa getan, das jetzt im EU-Bereich Gott sei Dank auch alle diejenigen einschließt, die damals untereinander diese Schwierigkeiten hatten. – Ich danke sehr. (Allgemeiner Beifall.)
12.26
Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin
Dr. Elisabeth Hlavac das Wort. – Bitte.
12.26
Bundesrätin Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr
Botschafter – ich freue mich, dass Sie heute bei uns sind! Sehr geschätzte
Damen und Herren! Kollege Liechtenstein hat schon sehr viel gesagt, das mir
auch aus der Seele gesprochen ist. Ich kann mich daher kurz fassen.
Ich möchte für
meine Fraktion betonen, dass wir die Maßnahmen, die heute beschlossen werden
beziehungsweise gegen die wir keinen Einspruch erheben werden, sehr begrüßen,
weil dadurch sichergestellt werden soll, dass noch möglichst viele
Anspruchsberechtigte zeitgerecht ihre Ansprüche erheben können und dass alle
Fälle auch zeitgerecht abgeschlossen werden können.
Ich habe in der vergangenen Gesetzgebungsperiode die Ehre gehabt, dem Kuratorium des Versöhnungsfonds angehört zu haben, und kenne daher, so glaube ich, die Problematik recht gut. Trotz der ausgezeichneten und engagierten Arbeit der Fondsmitarbeiter, trotz der ständigen Medienarbeit und des immer wiederkehrenden Versuchs, die Arbeit des Fonds und die An-
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 54 |
spruchsberechtigungen publik zu machen, ist es unerhört
schwer, zu allen ehemaligen Zwangsarbeitern, die noch am Leben sind,
vorzudringen. Obwohl wir schon des Öfteren geglaubt haben, dass jetzt
eigentlich schon jeder Betroffene und jede Betroffene wissen müsste, dass es
diesen Fonds gibt und dass sie Ansprüche erheben können, hat sich doch bei
jeder neuerlichen Berichterstattung immer wieder gezeigt, dass sich neue Anspruchsberechtigte
gemeldet haben, die bis dahin noch nichts von dem Fonds gehört hatten.
Das heißt, es ist
immer wieder wichtig, an die Öffentlichkeit zu gehen und zu informieren. Der
Fonds und die Mitarbeiter haben das auch in vorzüglicher Weise getan. Da es
sich ja zum Großteil um sehr alte Menschen handelt, konnte man prima vista
nicht davon ausgehen, dass sie die Medienberichterstattung aufmerksam
verfolgen. Außerdem hat sich die Bearbeitung der Anträge, die bei der
russischen Partnerorganisation eingebracht wurden, aus Gründen, die nicht von
österreichischer Seite zu verantworten sind, verzögert. Es wurde daher vom
Kuratorium die Antragsfrist um zehn Monate verlängert. Dementsprechend wird
jetzt die Antragsfrist noch weiter verlängert, nämlich bis zum
31. Dezember 2003, und die Funktionsdauer des Fonds selbst wird bis zum
31. Dezember 2004 verlängert.
Neben den
genannten Fällen ist bei der Durchsicht von Listen zweier Partnerorganisationen
der deutschen Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ entdeckt worden,
dass für bestimmte Anträge der Österreichische Versöhnungsfonds zuständig ist.
Es ist anzunehmen, dass auch bei anderen Anträgen noch eine österreichische
Zuständigkeit zu Tage treten wird. Außerdem zeigt sich, dass auch Personen,
die bereits Leistungen vom Nationalfonds erhalten haben, gegenüber dem
Versöhnungsfonds anspruchsberechtigt sind.
Das, was ich über
die Anspruchsberechtigten des Versöhnungsfonds gesagt habe, trifft auch für
jene des Nationalfonds zu. Zahlreiche Opfer des Nazismus konnten ihre Anträge
nicht bis zum 22. Februar 2002 geltend machen. Es ist in unserem
Sinne, dass möglichst viele der Menschen, die unermessliches Leid durch den
Nazismus erfahren mussten, in den Genuss dieser bescheidenen Wiedergutmachung
kommen – auch wenn wir wissen, dass diese Wiedergutmachung, wie gesagt,
bescheiden ist, dass es sich mehr um eine symbolische Geste handelt.
Herr Botschafter
Steiner! Da Sie heute anwesend sind, was mich, wie gesagt, sehr freut, möchte
ich die Gelegenheit dazu nützen, im Namen meiner Fraktion Ihnen, natürlich aber
auch Herrn Generalsekretär Botschafter Wotava und allen Mitarbeitern sehr
herzlich für die bisherige Arbeit zu danken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
Diese Aufgabe ist
so wichtig für Österreich, nicht nur für unsere Reputation im Ausland, sondern
auch für unser eigenes Selbstverständnis. Und es ist gut, zu wissen, dass diese
Aufgabe in guten Händen ist.
All das, was ich
zum Versöhnungsfonds gesagt habe, lässt sich auch zum Nationalfonds sagen. Auch
Frau Dr. Lessing und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gebührt unser
herzlichster Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
Es ist wichtig,
dass die Menschen, denen so vieles angetan wurde, tatsächlich ausgeforscht werden
können, damit sie ihre Entschädigungen bekommen. Ich weiß, dass mit großer
Sorgfalt, Seriosität und größtem Engagement gearbeitet wird, und darf daher im
Namen meiner Fraktion für alles, was da geleistet wird, sehr herzlich danken. (Beifall
bei SPÖ und ÖVP sowie Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus.)
12.32
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat
Dr. Peter Böhm. Ich erteile ihm das Wort.
12.32
Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Botschafter! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Meine Fraktion wird den beiden Gesetzesvorlagen gerne die Zustimmung erteilen; das gerade deshalb, weil wir die Aufarbeitung des historischen Unrechts auf unserem Boden als
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 55 |
grundsätzliches politisches Anliegen sehen. Das war nicht nur Gegenstand des
Programms der letzten Bundesregierung, sondern ist in der letzten
Gesetzgebungsperiode durchaus auch in die Tat umgesetzt worden. Das gilt eben
für diese beiden Gesetze, das Versöhnungsfonds-Gesetz und das
Nationalfondsgesetz, die wir heute novellieren wollen.
Für uns waren sie
schon deshalb unabdingbar, weil wir vom sittlichen Prinzip des Kantschen kategorischen
Imperativs ausgehen. Wenn wir selbst in Bezug auf die Vertreibung der Volksdeutschen
fordern, dass sie nicht folgenlos und ungesühnt bleiben kann, so müssen wir
auch unsere eigenen historischen Hausaufgaben an Unrechtsbewältigung erledigen.
Gerade darauf habe
ich bei unserem jüngsten Besuch im Rahmen einer österreichischen Parlamentarierdelegation,
der auch Herr Kollege Konecny angehört hat, in Prag hingewiesen, um dort unsere Anliegen zu
fördern.
Auch wir in
Österreich haben schmerzvoll erfahren, dass man sich von den Fehlern und von
der Schuld in der eigenen Vergangenheit nicht folgenlos verabschieden kann. Wir
waren bemüht, im Rahmen des heute noch Möglichen das uns zurechenbare
historische Unrecht wenigstens materiell und in gewissen Grenzen auch ideell zu
bewältigen. Und genau das erwarten wir auch von unseren Nachbarn bezüglich des
Unrechts an unseren Vertriebenen und Enteigneten.
Wenn wir heute das
Versöhnungsfonds-Gesetz novellieren und die verlängerten Fristen für den
Fortbestand des Kuratoriums und sein Wirken beschließen, so erklärt sich das
aus seinen Schwierigkeiten, seine Aufgaben zeitgerecht zu erfüllen.
Sosehr sich
nämlich das Kuratorium des Österreichischen Versöhnungsfonds auch angestrengt
hat, alle in den Zuständigkeitsbereich des Gesetzes fallenden und daher
potenziell anspruchsberechtigten ehemaligen Zwangsarbeiter zu erfassen und
die tatsächlich eingelangten Anträge bis zum ursprünglich geplanten Endtermin,
dem 27. November 2003, zu erledigen, so wenig konnte das aus
faktischen Hinderungsgründen gelingen. Darüber haben auch meine Vorredner schon
sehr ausführlich und eindringlich gesprochen.
Bereits in der
Sitzung des zuständigen Ausschusses des Bundesrates haben uns der Vorsitzende
des Komitees, Herr Botschafter Dr. Ludwig Steiner, der uns auch heute die
Ehre seiner Anwesenheit gibt, und der Generalsekretär, Herr Botschafter
Dr. Wotava, denen für ihr Engagement Dank und höchste Anerkennung
gebühren, die Schwierigkeiten dargelegt, die es schon bei der Ermittlung und
faktischen Erreichung des vom Versöhnungsfonds-Gesetz angesprochenen
Personenkreises gab.
Die
Schwierigkeiten reichen – auch das wurde heute schon vom Kollegen Liechtenstein
angesprochen – von in der Vergangenheit gelegenen ideologischen Vorbehalten
der Heimatstaaten gegenüber ihren eigenen repatriierten Zwangsarbeitern, vor
allem in der Sowjetunion und in Jugoslawien, bis zu eher pragmatisch bedingten
Informationsproblemen, die mit medialen Problemen und der Altersstruktur der
betroffenen Opfer zusammenhängen.
Allein diese
Umstände rechtfertigen es, die Antragsfrist, die sonst mit
27. September 2003 auslaufen würde, bis 31. Dezember 2003
zu verlängern. Ich hoffe, dass sie ausreicht und habe meine diesbezügliche
Besorgnis auch im Ausschuss dargelegt.
Entgegen dem
verfehlten Argument im Ausschussbericht hat das an sich mit der Verlängerung
der Funktionsdauer für das Kuratorium des Österreichischen Versöhnungsfonds
selbst unmittelbar nichts zu tun, denn diese erscheint ausschließlich aus dem
bereits erwähnten Grund geboten, dass auch nicht alle derzeit bereits
gestellten Anträge bis zum 27. November 2003 bearbeitet und mit
Auszahlung erledigt werden können.
Es sind immerhin 98 000 Anträge bearbeitet und erledigt worden, allerdings von 115 000 eingelangten. Sie schlüsseln sich in etwa so auf, dass aus der Ukraine etwa 37 000 Antragsteller betroffen waren, aus Polen etwa 18 000, aus Russland und der Tschechischen Republik je 10 000, aus Frankreich zirka 5 000 – und eine entsprechende Quote noch potenziell betroffener
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Opfer wird zu erwarten sein. Deshalb bedarf es also beider
Maßnahmen: sowohl der Verlängerung der Funktionsdauer des Fonds als auch der
Verlängerung der Antragsfrist.
Was die Frist zur
Geltendmachung von Leistungsberechtigten anlangt, gilt das zum Versöhnungsfonds-Gesetz
Ausgeführte noch mehr für das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik
Österreich für Opfer des Nationalsozialismus. Mit ihm sollte bekanntlich eine
seit 1947 bestehende Lücke in bestimmten Teilbereichen der Restitutions- und
Entschädigungsgesetzgebung geschlossen werden. Dabei geht es um eine Regelung
zur Abgeltung von Vermögensverlusten in den Kategorien Bestandsrechte an
Wohnungen und gewerblichen Geschäftsräumen, an Hausrat und an persönlichen
Wertgegenständen. Die daraus resultierenden Ansprüche sollten ursprünglich
innerhalb eines Jahres ab In-Kraft-Treten, dem 23. Februar 2001, erhoben
und gegenüber dem Fonds glaubhaft gemacht werden.
Sofern aber der
Fonds nicht bereits über entsprechende Unterlagen verfügte, war es zahlreichen
Opfern des Nationalsozialismus aus unterschiedlichen, auch schon angesprochenen
Gründen nicht durchwegs möglich, ihre Leistungsberechtigung bis zum Ablauf
dieser Fallfrist, also bis zu diesem Endtermin, geltend zu machen.
Deshalb erscheint
es als Gebot der Gerechtigkeit, die an sich abgelaufene Frist wieder zu eröffnen
und bis zum 31. Dezember 2004 zu verlängern; das umso mehr, als die
bislang nicht ausgeschöpften Mittel des Nationalfonds ohnehin nicht verfallen
und dem Fiskus zufließen, sondern nach ihrer Widmung dem geschädigten
Personen- und Opferkreis erhalten bleiben sollten. Dann gebührt meines
Erachtens jedoch im Zweifel der Entschädigung eines individuellen Opfers
allemal der Vorrang gegenüber einem kollektiven Ausgleich.
Aus all diesen
Erwägungen stimmt meine Fraktion beiden Gesetzesvorlagen zu. – Ich danke
Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
12.40
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat
Ing. Walter Grasberger. Ich erteile ihm das Wort.
12.40
Bundesrat
Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr
geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzter Herr Botschafter!
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundesrat! Nach meinem
schweren Verkehrsunfall hatte ich die Gelegenheit, einmal an einem
Wien-Spaziergang teilzunehmen – den würde ich jedem empfehlen, wenn er die
Zeit dafür einmal aufbringt –, es war „Das jüdische Wien einst und jetzt“.
Eine Historikerin hat dabei qualitativ höchstwertige Aussagen getroffen. Das
ist ein Grund dafür, dass ich
mich zu diesem Gesetz heute hier namens der ÖVP-Fraktion zu Wort gemeldet habe.
Eine Kernaussage
dieser Historikerin war: Es wurde Jahrzehnte hindurch immer nur von Wiedergutmachung
geredet, und erst diese Bundesregierung setzt tatsächlich Schritte, die auch
Gewicht haben. Sie nannte dann ein Beispiel und sagte: Es kann durchaus
vorkommen, dass Sie ins Kunsthistorische Museum gehen und nach einem Gemälde
Ausschau halten, dieses aber nicht mehr an der gewohnten Stelle finden, weil es
zurückgestellt wurde an die Erben der ursprünglichen Eigentümer, an Menschen,
die zu Recht dieses Eigentumsrecht ausüben können. – Ich meine, das sagt
mehr als viel, was man über das Gesetz noch erklären könnte.
Der zweite Grund
dafür, dass ich mich heute hier zu Wort gemeldet habe, ist, dass ich mich namens
der ÖVP-Bundesräte, die das Bundesland Niederösterreich stellt, von Ihnen verabschieden
möchte. Es wird bei der nächsten Plenarsitzung eine besondere Situation
eintreten: Auf Basis des Wahlergebnisses in Niederösterreich werden sieben neue
Persönlichkeiten auf ÖVP-Seite zur Angelobung anstehen. Ich bitte Sie – ich
darf mir das hier herausnehmen –, diese neuen Kolleginnen und Kollegen
dann in der gewohnten freundlichen Weise aufzunehmen.
Kollege Bundesrat Ledolter und Kollege Bundesrat Preineder werden – nach heutigem Stand der Dinge – in den Nationalrat übersiedeln. Kollege Bundesrat Hensler wird in den Landtag übersiedeln. Kollege Bundesrat Mayr wird einen Dienst im Rahmen des Landes Niederöster-
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reich antreten. Kollegin Aburumieh und ich werden als
Mandatsträger aus der Politik ausscheiden.
Ich möchte aber nicht
gehen, ohne Ihnen zumindest in ein paar Sätzen zu sagen, was ich in den
vergangenen fünf Monaten an Schattenseiten des Lebens kennen gelernt habe, und
zwar im Rehab-Zentrum Weißer Hof, von der Allgemeinen
Unfallversicherungsanstalt hervorragend geführt, gemeinsam mit
200 Schwer- und Schwerstversehrten. Ich habe an einem Behindertenprojekt
mitgearbeitet und arbeite auch weiterhin daran mit.
Ich möchte Ihnen
übermitteln, dass Sie in Ihrer politischen Tätigkeit diese zahlenmäßig nicht
überwältigend große Gruppe nicht übersehen dürfen. Es sind zumeist Menschen,
die durch einen schweren Unfall in eine neue Situation des Lebens geraten
sind – in eine völlig neue, es ist fast nichts mehr so, wie es vorher war.
Zu den körperlichen Beeinträchtigungen kommen starke – das hätte ich
früher nie so stark angenommen, wie ich es dann dort erlebt habe – psychische
Probleme. Es geht um die Fragen: Wohin geht mein Weg? Wie wird mein Arbeitgeber
reagieren? – Nicht selten kommt es vor, dass nach einem schweren Unfall relativ
schnell der blaue Brief kommt.
Ich habe –
auch das hatte ich unterschätzt – bei vielen Verunfallten erleben müssen,
dass nicht nur Freunde verloren gehen, sehr oft in Massen, sondern auch Ehen,
Lebenspartnerschaften in die Brüche gehen.
Ich habe in vielen
Gesprächen mit Verunfallten auch erleben müssen, dass die Frage nach dem Sinn
des Lebens gestellt wird. Ich möchte es jetzt kurz machen und bitte alle
Mitglieder dieses Hauses, bei ihrer künftigen politischen Arbeit – ich
nenne nur das Schlagwort „Unfallrentenbesteuerung“ – auf diese Dinge
Rücksicht zu nehmen und eine Lösung zu finden, die erträglich ist.
In dem
Behindertenprojekt, an dem ich nach wie vor mitwirke – es wird vom
Bundesland Wien über den Österreichischen Zivilinvalidenverband betrieben –,
geht es konkret um die Frage: Welchen Sinn kann ein Querschnittgelähmter in
der Gesellschaft finden? – Ich möchte ausdrücklich betonen: Das soziale
Netz ist sehr eng; das heißt, wir haben – international gesehen – ein
sicher sehr engmaschiges soziales Netz, aber Geld ist für einen
Querschnittgelähmten nicht das Allerentscheidendste, sondern es geht um die
Frage: Wo finde ich mich sinnvoll in der Gesellschaft wieder eingebracht?
In diesem
Zusammenhang möchte ich – gestatten Sie mir das bei meiner letzten
Rede – einige Personen namentlich erwähnen: Ich beginne mit
Therapeutinnen am Weißen Hof: Frau Gschossmann, Frau Haas, Frau Klein, die
viel mehr machen, als sie beruflich eigentlich tun müssten, und die – das
möchte ich auch sagen – immer wieder psychisch sehr stark gefordert sind,
und das bei einem verhältnismäßig schwachen Verdienst.
Ein
ausgezeichneter Herr Dr. Linder führt dort die psychologische Beratung von
Schwerstverunfallten in bestmöglicher Form durch. Für viele steht die Frage im
Raum: Warum ist das geschehen, und wie geht es weiter?
Die
Stationsoberschwester Martha Ebner schafft es mit ihrer mütterlichen Art immer
wieder, dass die Patienten untereinander ein gutes Einvernehmen haben.
An der Spitze
steht Primarius Dr. Schrei, er und sein gesamtes Ärzteteam leisten
wirklich hervorragende Arbeit für die Versehrten.
Ich möchte am
Schluss meiner Rede, nachdem ich Bücher liebe, aus einem Buch zitieren: Jörg
Mauthe, „Nachdenkbuch für Österreicher, insbesondere Austrophile, Austromasochisten,
Austrophobe und andere Austriaken“. Unter dem Titel „Die neun Geschwister“
sind die neun Bundesländer meiner Ansicht nach sehr typisch beschrieben. Und
wenn Sie jetzt genau aufpassen, dann werden Sie sicher bemerken, welche
Charakteristika Mauthe für Ihr jeweiliges Bundesland, von dem Sie als Mandatar
entsandt sind, gefunden hat.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 58 |
„Man könnte
Österreich auch einmal als eine Familie von neun Geschwistern betrachten:
Eines hat, weil
das Schicksal oder die Geschichte es so wollte, die Führungsrolle und damit
einen Haufen Scherereien übernommen;
ein
anderes“ – von Wien springen wir jetzt nach Niederösterreich – „dient
dem ersten brav und bieder und betrauert nur leise und gelegentlich den
Verzicht auf ausgeprägte Eigenidentität;
eines“ –
Steirer, bitte aufpassen! – „findet Vergnügen daran, dem ersten
gelegentlich das Haxel zu stellen oder einen Puff zu versetzen und dann so zu
tun, als wär’s ein Zufall gewesen;
das vierte“ –
Oberösterreich – „arbeitet tüchtig vor sich hin, fühlt sich über das
zweite“ – nämlich Niederösterreich – „erhaben und nimmt dem
ersten“ – Wien – „prinzipiell alles übel;
das fünfte“ –
Burgenland – „fühlt sich vom zweiten und dritten über die Schulter
angesehen und setzt alles daran, vom ersten ernst genommen zu werden;
das sechste“ –
Salzburg – „ist die Schönheit der Familie, neigt aber dazu, schlecht
aufgelegt zu sein;
das
nächste“ – Kärnten – „ist das fröhlichste von allen, aber so
unzuverlässig, daß es alle anderen oft an den Rand der Verzweiflung bringt“ (Heiterkeit
und Beifall bei ÖVP und SPÖ) „;
das achte“ –
Tirol – „hingegen bringt das Kunststück zuwege, zugleich überheblich gegen
jedes einzelne und loyal gegen das Ganze zu sein.“ (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.) – Gegen das Ganze zu
sein!
Eines fehlt
noch – Jörg Mauthe schreibt: „Ich
habe mich gehütet, die Namen der Geschwister zu nennen; der Leser mag sie
selbst erraten. Aber daß es in jedem Familienverband einen Nachzügler gibt,
der, weil er der Kleinste ist, besondere Tüchtigkeit entwickelt und den anderen
gegenüber besonders hartnäckige Individualität an den Tag legt, wird jedem,
der sich ein wenig auf Gruppenpsychologie versteht, ebenso klar sein, wie daß
es sich dabei nur um Vorarlberg handeln kann.“ (Heiterkeit und Beifall bei
ÖVP und SPÖ.)
Ich danke Ihnen
für die neuneinhalb Jahre, in denen ich in diesem Kreise mitwirken durfte, und
ich wünsche Ihnen – über alle Parteigrenzen hinweg – das, was
Präsident außer Dienst Schambeck immer wieder sagte: Es kommt bei jedem Bundesrat nicht so sehr auf das Gewicht des Mandates
an, sondern darauf, was jede Persönlichkeit aus diesem Bundesratsmandat macht.
Ich wünsche Ihnen – egal, in welchem Bereich Sie jetzt gerade tätig sind,
welcher Fraktion Sie angehören; Sie haben eine Rolle in einer Gesellschaft zu
erfüllen –, dass Sie dieses Mandat zur Zufriedenheit vor allem der
Wählerinnen und Wähler, die Ihnen das Vertrauen geschenkt haben, und zum Wohle
der föderalistischen Republik Österreich ausüben können. – Ich danke Ihnen
und verabschiede mich hiemit. (Lang anhaltender allgemeiner Beifall. –
Die Bundesräte von ÖVP und SPÖ erheben sich dabei von ihren Plätzen.)
12.52
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Meine Damen und Herren! Ich kann
mich nicht daran erinnern, dass es aus einem solchen Anlass jemals Standing
Ovations für eine Rede gegeben hätte. Das zeigt aber auch, wie sehr sie uns
nahe gegangen ist.
Ich möchte dir,
lieber Walter, stellvertretend für alle ausscheidenden Kolleginnen und Kollegen
aus Niederösterreich, ein herzliches Wort des Dankes sagen. In besonderer Weise
gilt das dem ausscheidenden Ordner Walter Grasberger, der ungeachtet seiner
schmerzhaften Unfallfolgen mit einer bewundernswerten Disziplin seine Aufgabe
bis zur heutigen Sitzung versehen hat, in einer beispielhaften Form der
Pflichterfüllung. Seinem Pflichtbewusstsein entspricht es auch, dass er mit den
von ihm dargelegten Hinweisen und Anliegen in unserer Arbeit weiterleben möchte.
Wir können dir – neben allen guten Wünschen – nicht mehr mit auf den
Weg geben, als dass wir das beherzigen und fortsetzen wollen.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 59 |
Noch einmal
herzlichen Dank und alles Gute, Gottes Segen für die Zukunft! (Allgemeiner
Beifall.)
Nächster Redner
ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.
12.54
Bundesrat
Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr
Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Ich begrüße den Herrn Botschafter
auch als Staatssekretär. Ich habe mich eben weise gemacht: Er war zur Zeit der
Regierung Klaus Staatssekretär, wahrscheinlich später auch noch einmal, aber
wenn man in Österreich einmal einen netten Titel oder Dienstgrad erworben hat,
soll man ihn nicht verlustig gehen lassen. In diesem Sinne meine herzliche
Begrüßung.
Immerhin hat der
Herr Staatssekretär – und jetzt bleibe ich beim Herrn Botschafter, damit
keine Verwechslungen aufkommen – gemeinsam mit Universitätsprofessor und
Präsidenten Jabloner ein epochales Werk geschaffen. Es gab dazu auch einen in
der „Presse“ stattgefundenen
Schriftwechsel in Form von Leserbriefen – „Leserbriefe“ ist vielleicht
untertrieben, aber es war natürlich keine Doktorarbeit von beiden, jedoch
handelte es sich um bedeutende Aussagen Jabloner gegen Herrn
Dipl.-Ing. Butschek.
Der eine Titel,
den Präsident Jabloner geschrieben hat, lautete: Es gibt keinen historischen Schlussstrich. – Dipl.-Ing. Butschek
hat nämlich einen Schlussstrich angetönt. Natürlich, in der Historie gibt es
nie einen Schlussstrich. Alexander der Große wird neu bewertet und neu geschrieben,
die Taten oder Untaten Napoleons ebenso und so auch die letzten 50 Jahre
des sehr mörderischen 20. Jahrhunderts.
Aber es gibt
vielleicht trotzdem einen für diese tragische Angelegenheit materiellen Schlussstrich,
und es ist wirklich Zeit, dass dieser dann auch gezogen wird. Immerhin hat
schon der Staatsvertrag von Wien eine Kommission eingesetzt, die 24 Monate
wirken sollte, um damit schon einen Schlussstrich zu ziehen. Das wäre 1957
gewesen. Aber bei uns in Österreich dauert manch gutes Werk etwas länger, nur
jene, die es betrifft, leben oft nicht mehr, und das ist tragisch.
Vom Kollegen
Liechtenstein wurde schon angesprochen, dass die Republik Österreich, ohne
persönlich als Staat betroffen zu sein – ich betone: auch nicht moralisch,
sondern einfach aus Anstand heraus –, gehandelt und gezahlt
hat. Die Zahlen lassen sich nicht ganz fixieren, aber ich glaube, im
Jahr 1992 – vielleicht war es im Jahr 1993 – hat der
österreichische Botschafter in Tel Aviv, Kröll, einen Bericht an das Außenamt
geschrieben, in dem stand, dass der österreichische Steuerzahler damals rund
300 Milliarden Schilling für, global gesprochen, Wiedergutmachung
geleistet hat.
Es ist schon sehr
zweckmäßig, wenn wir für diesen Opferbereich den Schlussstrich
ziehen, der nicht historisch gemeint ist, sondern materiell,
und das soll dann Ende nächsten Jahres sein.
Seit die
Freiheitlichen in der Bundesregierung sind, hat sich auf diesem Gebiet doch
einiges getan, was andere Regierungen vorher nicht wahrgenommen haben. Es ist
das Thema der Zwangsarbeiter behandelt worden; es ist das Thema der
Restitution an die Juden besprochen worden und zu Gesetz geworden. Und es
wurde erfreulicherweise, aber nicht so gewichtig in der Schilling- oder
Euroquantität, das Thema der Kriegsgefangenen angesprochen, und man hat ihnen
auch einen Ehrensold zukommen lassen. Es ist erfreulich, dass sich dieses Hohe
Haus – spät, sehr spät für alle Betroffenen – mit dem
Thema beschäftigt.
Vor wenigen Tagen
ist mir ein Interview in der „Presse“
aufgefallen, in dem Professor Rathkolb ein Gespräch wiedergibt, welches einen
gewissen Hinweis darauf gibt, warum es so lange dauert.
Er schreibt: „Es gibt ein Schlüsseldokument. Karl Renner hat nach ersten Gesprächen mit sowjetischen Offizieren, bevor er Staatskanzler wurde, eine Denkschrift verfasst, in der er sich auch mit der Frage der Entschädigung auseinander gesetzt hat. Seine Zielrichtung ist die der Zweiten Republik, die er vorgegeben hat, noch ehe es eine provisorische Regierung gab: Die Rückkehr
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 60 |
der Juden muss verhindert werden. Keine Restitution
eins zu eins, sondern einen anonymen Fonds, damit nur ja niemand zurückkommt.“
Es ist
erstaunlich, dass im Frühjahr 1945 – die erste Staatsregierung gab
es, glaube ich, im Mai oder schon im April, ich weiß es nicht mehr, aber in
dieser Zeit wird es wohl gewesen sein – Renner diese Aussage gemacht hat
und dass man sie jetzt durch Rathkolb zur Kenntnis bekommt.
„Der Wiener
Philosoph Burger – er wird in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“
zitiert – „polemisiert seit einiger Zeit gegen die in Österreich wie in
Deutschland vorherrschende Neigung, permanentes Erinnern an schreckliche
Verbrechen zur öffentlichen Pflicht zu machen. Burger fordert statt dessen
mildes, heilsames Vergessen.“
Ich bin nicht für
das Vergessen, aber das soll jeder für sich selbst entscheiden. Ich glaube, man
sollte nicht so sehr einen Staatskult daraus machen, was miserabel in unserer
Geschichte verlaufen ist. Man soll es nicht vergessen, jeder soll es so
halten, wie er will – weniger Staatskult!
Wir wissen – ich
sage das jetzt ausdrücklich in Richtung Sozialdemokraten
und ÖVP –, dass schon zwischen 1933 und 1955 Zwangsarbeit geleistet
werden musste. Ich glaube, allen diesen Opfern – und das ist der Punkt,
bei dem ich sage, der Schlussstrich ist noch nicht zu ziehen – gehört
gleichermaßen gedacht, alle diese Opfer gehören gleichgewichtig entschädigt.
Alle, die zwischen 1938 und 1948 ihres Eigentums beraubt und vertrieben
wurden, sind zu entschädigen, soweit es möglich ist, und nicht nur die eine
oder die zwei Opfergruppen, die wir behandeln. Diese Republik hat sich für alle
Staatsbürger und auch ehemaligen Staatsbürger – es sind nicht mehr alle
hier in Österreich, gerade die Juden sind aus guten Gründen nicht hier, sondern
ausgewandert und kommen nur selten zurück – in gleicher Weise zu
verwenden, und es darf meines Erachtens keine zwei Opfergruppen geben: die
guten und die bösen Opfer. Ich komme vielleicht noch darauf zurück.
Wir haben gestern
im Fernsehen gesehen und in der heutigen oder gestrigen „Kronen Zeitung“ gelesen,
dass es jetzt das Feilschen – sage ich, es wird anders genannt – der
Bundesländer um den ehemaligen Habsburger-Besitz, den Staatsbesitz wie den
Privatbesitz, gibt. Nun wissen wir, im Jahr 1938 bekam ein Habsburger
einiges zurück, um dann sehr schnell wieder vom nachfolgenden Regime enteignet
zu werden. Aber diese Besitze sind noch nicht von dieser Republik
zurückgegeben worden.
Denken wir nur an
das Gelände des Philipp-Hofes! Das war ein Habsburger-Grundstück, ein Habsburger-Haus –
bedauerlicherweise ist es Anfang des Jahres 1945 durch kollaterales Bombardieren,
wie man heute sagen würde, völlig kaputt gegangen. Oder denken wir an einen
Turnsaal in Simmering, der dem Österreichischen Turnerbund gehörte! Er wurde
auch enteignet im Zusammenhang mit dem Anschluss an das Dritte Reich. Es waren
sogar vier Turnhallen! Aber Eingaben an Politiker wie Gusenbauer und Kostelka
blieben entweder ohne Antwort oder wurden mit banalen Feststellungen wie die
von Kostelka beantwortet, dass in einem „sehr gut funktionierenden Rechtsstaat
... man wohl davon ausgehen kann, dass auch in dem von Ihnen angesprochenen
Fall ein korrektes Vorgehen der staatlichen Stellen gegeben war.“
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Wenn wir uns auf so etwas berufen, dann dürften wir auch heute
diese Gesetze nicht beschließen, weil der Staatsvertrag von Wien gewissermaßen
schon einen Schlussstrich gezogen hat. Ich meine, es ist wichtig, den
Schlussstrich für alle Opfergruppen in gleicher Art und Weise zu dehnen,
insbesondere für jene, die noch nichts bekommen haben, die noch immer
materiell nicht entschädigt worden sind. Es ist betrüblich und schrecklich,
was alles passiert ist, es sterben immer mehr und mehr, aber wir müssen darauf
achten, dass wir die Opfer gleich behandeln.
Den Opfern von
1933 bis 1955 wird mit Kenntnissen, Erfahrungen und Dressuren aus der Zeit nach
deren Tod die Ehre abgesprochen, die Lauterkeit ihrer Opfer geleugnet, und es
werden die Schmerzen der Sterbenden wie der Überlebenden, die sich den
Geopferten verbunden fühlen, mit Füßen getreten.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 61 |
Es gibt für mich
keine bösen Opfer, außer sie sind gerichtlich nachgewiesen, und insbesondere
sind die Angehörigen, egal, auf welcher Seite die Opfer gestanden haben, als
wirklich Leidtragende zu sehen – persönlich auf Grund des Verlustes eines
lieben Anverwandten, materiell auf Grund der Gegebenheiten.
Ich muss auch
darauf hinweisen, dass ich vor wenigen Tagen ein Gespräch mit dem tschechischen
Botschafter Gruša hatte. Das war eine Diskussion im privaten Bereich, bei der er auch
ein bisschen über sein Leben berichtete. Natürlich konnte da nicht ausbleiben,
auf mich weisend: Na, was sagst du, Gudenus? – Darauf habe ich ihm gesagt: Die
Bundesregierung stimmt einstimmig dafür, dass Tschechien in die EU aufgenommen
wird, aber ich gehe davon aus, dass früher oder später – ich hoffe,
früher – Recht und Moral deckungsgleich hergestellt werden. Nur das
bringt eine echte moralische Rechtfertigung, wenn die Tschechen bei der EU
sind.
Wir müssen auch
erwähnen, dass 18 Millionen Deutsche und volksdeutsche Altösterreicher mit
Wissen und Zustimmung der Alliierten aus ihrer angestammten Heimat vertrieben
worden sind. Zwei Millionen wurden ermordet, zwei Millionen Frauen wurden
vergewaltigt und Kinder geschändet.
Was das südliche
Österreich betrifft, so kann man nach Durchsicht verschiedener Quellen davon
ausgehen, dass die Tito-kommunistische Mordmaschinerie insgesamt zumindest
300 000 zumeist unschuldige Menschen umgebracht hat. Die Tito-Partisanen
haben zumindest noch bis 1949 den Anschluss halb Kärntens an Jugoslawien
gefordert. Die Tito-Partisanen jetzt noch als Patrioten Österreichs zu
bezeichnen ist gelinde gesagt naiv. Manche glauben es vielleicht wirklich,
aber denen muss man einmal ein bisschen Geschichtsunterricht erteilen, wie sich
die Tito-Partisanen nach dem Krieg im südlichen Österreich aufgeführt haben.
Es muss der
Grundsatz gelten: Verbrechen gegen die Menschheit sind unteilbar, aber leider
wird, wie ich vorher schon angedeutet habe, dieser Grundsatz nicht befolgt, er
wird mit Füßen getreten.
So strahlte zum
Beispiel der ORF im April vergangenen Jahres ein Partisanen-Heldenepos im Fernsehen
aus, das mit keinem einzigen Wort die vielen, hunderttausendfachen Mordtaten
der Tito-Partisanen erwähnte, was in Kärnten zu massiven Protesten führte, die
quer durch alle im Landtag vertretenen Parteien gingen.
Wir sollten nicht
länger bereit sein, für Verbrechen, die wir nicht begangen haben und daher auch
nicht zu verantworten haben, ewig Sühne zu leisten, und insofern ist mit dem
heutigen Gesetz ein Schlussstrich unter diese Dinge gezogen worden.
Jetzt gilt es, das
an allen
Menschen begangene Unrecht zu dokumentieren, umfassend und bis in das kleinste
Detail hinein, unter Einsatz der modernsten Einrichtungen der Massenkommunikation.
Der Kärntner
Heimatdienst unter seinem sehr rührigen Obmann Josef Feldner verwendet sich
sehr dafür und hat mit einer Filmdokumentation über die Partisanen-Verbrechen
den Anfang gemacht. Der Filmtitel lautet: „Die glühende Lava des Hasses“. Ich
habe den Film gesehen und muss sagen, er ist erschütternd. Leider Gottes wird
diese Dokumentation nicht im Fernsehen gebracht, und die Frau Bundesministerin
für Unterricht hat es bislang noch nicht zugelassen, dass diese Dokumentation
auch in den Schulen vorgeführt wird – möglicherweise weil die
Darstellungen zu drastisch sind.
Es gibt also auch
für uns ein moralisches Recht, zu verlangen, den Schlussstrich zu ziehen unter
die heuchlerische, weil absolut unkritische Partisanen-Verherrlichung.
Ich habe vorher den Philipp-Hof erwähnt: Professor Chorherr von der „Presse“ hat heuer wiederum darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Grundstück um ein vergessenes Massengrab handelt. Die sterblichen Überreste von rund 300 Personen befinden sich noch immer unter dem Hrdlicka-Denkmal hinter dem Hotel Sacher. Die durch einen Bombenvolltreffer Verschütteten wurden damals nicht geborgen, es waren die Möglichkeiten im Frühjahr 1945 nicht vor-
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 62 |
handen, die in diesem
Luftschutzkeller Befindlichen zu bergen; es befanden sich auch einige Bekannte
meiner Eltern darunter. Die Klopfzeichen sind noch manchen, die es erlebt
haben, in den Ohren hängen geblieben, aber es war nicht möglich, diese Menschen
herauszuholen.
So glaube ich,
dass diese
Opfer des Zweiten Weltkrieges, die Bombenopfer, die Opfer der Vertreibung, die
Opfer in den Lagern, eine Würdigung durchaus notwendig haben. Ich bedaure es
daher, dass die am 5. Mai stattfindende Gedenkveranstaltung eine
Gedenkveranstaltung nur für einen Teil der Opfer ist. Wir sollten in unserer
Distanz zur Vergangenheit so weit sein, aller Opfer der schrecklichen Zeit
zwischen 1933 und 1955 zu gedenken. Nur dann haben wir die Geschichte
aufgearbeitet! – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
13.11
Vizepräsident Jürgen Weiss:
Weitere
Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wünscht noch
jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.
Die Debatte ist
geschlossen.
Wird von der
Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der
Fall.
Die Abstimmung
über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.
Wir kommen
zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März
2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert
wird.
Ich bitte jene
Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden
Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein
Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.
Der Antrag ist angenommen.
Wir kommen weiters
zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds
der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird.
Ich bitte jene
Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden
Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. –
Das ist Stimmeneinhelligkeit.
Der Antrag ist angenommen.
5. Punkt
Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003
betreffend ein Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der
orientalisch-orthodoxen Kirchen in Österreich (Orientalisch-orthodoxes
Kirchengesetz; OrientKG) (8 und 31/NR sowie 6776/BR der Beilagen)
Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der orientalisch-orthodoxen Kirchen in Österreich.
Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Josef Saller übernommen. Ich bitte ihn darum.
Berichterstatter Josef
Saller: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und
Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend
ein Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der orientalisch-orthodoxen
Kirchen in Österreich
(Orientalisch-orthodoxes Kirchengesetz; OrientKG).
Der Bericht liegt
Ihnen in schriftlicher Form vor, ich kann daher auf die Verlesung verzichten.
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Der Ausschuss für
Bildung, Wissenschaft und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am
8. April 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch
zu erheben.
Ich ersuche um
Einleitung der Debatte und Abstimmung.
Vizepräsident Jürgen Weiss:
Danke.
Wortmeldungen
liegen nicht vor.
Wünscht jemand das
Wort? – Das ist nicht der Fall.
Wird von der
Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der
Fall.
Wir kommen zur Abstimmung.
Ich bitte jene
Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden
Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein
Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.
Der Antrag ist angenommen.
Die Tagesordnung
ist erschöpft.
Ich unterbreche
nunmehr die Sitzung bis 14 Uhr zur Behandlung der an den Bundesminister
für soziale Sicherheit und Generationen gerichteten dringlichen Anfrage.
(Die Sitzung wird um 13.13 Uhr unterbrochen und um 14.03 wieder aufgenommen.)
Präsident Herwig Hösele: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.
Dringliche Anfrage
der Bundesräte Professor
Albrecht Konecny und KollegInnen an den
Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend massive
Benachteiligungen für Frauen durch die geplante Pensionsreform der
Bundesregierung (2065/J-BR/03)
Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung der dringlichen Anfrage der
Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale
Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt.
Da diese
inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch
die Schriftführung.
Ich begrüße neben
dem Herrn Vizekanzler auch die anwesende Frau Bundesministerin Maria
Rauch-Kallat und erteile nunmehr Herrn Bundesrat Professor Albrecht Konecny als
erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.
14.04
Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wir haben den Termin dieser Bundesratssitzung gerne zum Anlass genommen, zu einer Frage, die buchstäblich für jede Österreicherin und für jeden Österreicher von ganz zentraler Bedeutung ist, eine dringliche Anfrage zu stellen. Es ist notwendig, einerseits das, was im Begutachtungsentwurf der Bundesregierung enthalten ist, ganz klar in seinen verheerenden Auswirkungen auf das Leben von Millionen Österreicherinnen und Österreichern herauszuarbeiten und gleichzeitig auch den Appell zu unterbreiten, nach anderen Lösungen für ein zweifellos bestehendes Problem zu suchen.
Ich schicke eines voraus: Es ist keine Frage, dass angesichts einer in höchstem Maße notwendigen und verständlichen Entwicklung, die mehr junge Österreicher und Österreicherinnen in lange und Jahre kostende Ausbildungsgänge bringt und die natürlich die Folge hat, dass die
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Menschen später ins Berufsleben eintreten, und angesichts einer ebenso erfreulichen Entwicklung, dass unsere Bevölkerung in zunehmendem Maße auf einen langen Lebensabend hoffen kann, das Durchschnittsalter, das die Menschen erreichen werden, steigt, dass wir also in einer solchen Situation nicht einfach sagen können, ein System, das sich über Jahrzehnte bewährt hat, wird ohne Veränderung weiter gute Dienste leisten.
Wenn wir es mit kürzeren Beitragszeiten und – ich füge hinzu – mit völlig neuartigen und vielfach gebrochenen Berufsverläufen zu tun haben, die auch zu Versicherungslücken führen können, und wenn die Zeit des Pensionsempfangs völlig unabhängig von einem möglichen Frühpensionsalter einfach durch die höhere Lebenserwartung steigt, dann ist ein solches System an diese neue Herausforderung anzupassen.
Gleichzeitig haben wir eine nahezu 100-jährige – wenn ich die Vorformen dazunehme – Geschichte der kollektiv organisierten Altersversorgung in Österreich, und es ist ein guter Grund, eine solche Reform zum Anlass zu nehmen, Systeme, die jedes für sich eine eigene Geschichte haben, zu harmonisieren und zu einem einheitlichen und gemeinsamen System zu verdichten. Daran ist keine Kritik zu üben.
Diese Einsicht hat, soweit ich das erkennen und mich richtig erinnern kann, jede der Parteien im vergangenen Nationalratswahlkampf unterstrichen. Ich glaube, dass diese Aufgabe – allerdings nur die Aufgabe – gemeinsamer Wissensstand aller politischen Kräfte – nicht nur der politischen Parteien, sondern auch der Sozialpartner und der großen gesellschaftlichen Organisationen dieses Landes – ist.
Aber genau an diesem Punkt bricht die Einheitlichkeit ab. Die Bundesregierung versucht, den Eindruck zu erwecken – nach ihren eigenen Zahlen im Übrigen völlig zu Unrecht –, dass es da gewissermaßen um Minuten geht. Wir haben im letzten Jahrzehnt oder in den letzten acht Jahren an den Pensionssystemen eine Reihe von Veränderungen vorgenommen. Wie es halt bei Pensionsgesetzesänderungen so ist, treten die Wirkungen nicht am Tag nach dem In-Kraft-Treten eines solchen Gesetzes ein.
Wenn ich eine Steuer, welche auch immer, erhöhe oder senke, dann treten die Wirkungen am Tag nach dem In-Kraft-Treten ein, weil die Menschen mehr oder weniger Lohn- oder Einkommensteuer – oder was immer es ist – zahlen. Bei Gesetzen, die einfach versuchen müssen, langfristige Entwicklungen zu beeinflussen, treten die Wirkungen in ihrer vollen Stärke oft erst nach Jahren ein. Jeder, der sich mit diesem Thema beschäftigt, weiß das.
In Ihren eigenen Vorschauen ist daher zu Recht davon die Rede, dass sowohl die Bundeszuschüsse zu den verschiedenen Pensionsversicherungssystemen als auch der gesamtgesellschaftliche auf das Bruttoinlandsprodukt gerechnete Faktor der Belastung durch die Pensionen in den nächsten Jahren – das ist nicht auf die nächsten 30 Jahre gerechnet – im Zurückgehen begriffen sind.
Es gibt keinen
Grund für einen Hüftschuss, es gibt keinen Grund für eine Panikreaktion, und es
gibt schon gar keinen Grund für Maßnahmen, die heute getroffen werden, morgen
in Kraft sind und für die die Menschen keine Vorsorge treffen können.
Wer das
Pensionsrecht in Österreich – natürlich auch in jedem anderen Land – verändern
will, muss sich auf lange Zeiträume einstellen. Wir haben – das ist
durchaus ein Beispiel, auf das ich verweisen möchte – in diesem
Land – wenn ich mich richtig entsinne, war es zumindest ein
Zwei-Parteien-Beschluss im Parlament – im Jahre 1992 einen Beschluss
gefasst, der vorsieht, das Pensionsalter von Männern und Frauen anzugleichen.
1992! Datum des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes:
1. Jänner 1993. In diesem Gesetz ist normiert, dass ab dem
1. Jänner 2019 – davon sind wir immer noch eine Weile
entfernt – in jedem Jahr das Regelpensionsalter für Frauen um sechs
Monate steigt, sodass am 31. Dezember 2033 ein einheitliches
Pensionsalter von 65 Jahren erreicht ist.
Jede Frau kann und konnte vorhersehen, ob sie diese Regelung individuell am Ende ihrer Berufslaufbahn betreffen wird – das hing vom damaligen Lebensalter ab –, konnte sich darauf ein-
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stellen – auch mit Verzicht, wenn es nicht anders geht – oder
konnte, wenn die Mittel dafür vorhanden waren, entsprechend vorsorgen. Diese
Gleichstellung im Jahre 2033 ist versicherungsmathematisch notwendig und
kommt bis zu einem gewissen Grad, weil wir wissen, dass die Altersunterschiede
zwischen Lebenspartnern geringer werden, auch der Lebensplanung der Bevölkerung
tendenziell entgegen.
Das ist ohne große
Aufregung, ohne weitestgehende Proteste, sondern mit der vielleicht nicht emotional,
aber intellektuell jedenfalls fundierten Zustimmung der Betroffenen über die
Bühne gegangen. (Zwischenruf des Bundesrates Ledolter. – Bundesrat Bieringer: Das betrifft keinen!) Es hat
damals sehr wohl lebende und mit Intelligenz begabte Menschen betroffen. Ich
würde nicht allen Frauen, die im Jahr 1992 die Pension noch nicht
unmittelbar vor Augen hatten, die Intelligenz absprechen, das zu begreifen,
Kollege Bieringer!
Jetzt ist eine andere
Vorgangsweise gewählt worden, eine, die gewissermaßen überfallsartig, und ohne
den Menschen die Möglichkeit zu geben, dafür vorzusorgen, jene Perspektive, auf
die sie sich natürlich verlassen haben, unter den Füßen wegzieht.
Meine Damen und
Herren! Das ist ein grundlegend unterschiedlicher Ansatzpunkt ohne zwingende
Notwendigkeit, wie ich noch einmal in Erinnerung rufe, der als Affront
gegenüber den Menschen dieses Landes verstanden werden muss und im Übrigen, wie
Ihnen die Reaktionen zeigen, auch so verstanden wird.
Die Menschen haben
ein Recht darauf, sich auf etwas verlassen zu können. Die Menschen haben ein
Recht darauf, innerhalb feststehender Parameter ihr Leben planen zu können, und
es ist unverantwortlich, in derart willkürlicher Weise in die Lebensplanung von
Millionen Menschen einzugreifen. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)
Ich sage das mit
besonderer Erregung (Bundesrat Dr. Nittmann: Wie jedes Mal! Dauererregt, Herr
Professor!), wenn ich lese, dass offensichtlich – ich kann hier nur
die Medien interpretieren – jene, die diesen Begutachtungsentwurf
verfasst haben, einiges an Abfederungsmaßnahmen und längerfristigen
Maßnahmen, was ihnen die Experten vorgeschlagen haben, herausgestrichen
haben, um ein so genanntes Kompromisspotenzial zu haben. Das, meine Damen und
Herren, ist nackter Zynismus, Menschen zu erschrecken und dann zu sagen:
Hoppala, ich habe da noch einen Kasperl in der Tasche!, und dann tut es nicht
ganz so weh, das ist ein bodenloser Zynismus. Wenn es so ist – ich kann
mich nur auf Medienberichte berufen –, dann muss ich das energisch
zurückweisen! Die Lebensvorsorge der Österreicherinnen und Österreicher ist
nichts, mit dem man auf diese Art und Weise spielen darf! (Beifall bei der
SPÖ und des Bundesrates Schennach.)
Das Dritte, was
eingangs zu sagen ist: Wenn das eine Reform ist – das Wort wird damit endgültig
zum Schimpfvokabel degradiert –, dann umfasst sie derzeit lediglich den
Bereich des ASVG und der parallel liegenden Versicherungen und schließt andere
Systeme augenblicklich aus. Wir bekommen zu wiederholten Malen versichert, dass
das nicht so bleiben werde, dass man angeblich im Herbst – das haben Sie,
Frau Ministerin, im Fernsehen gesagt – analoge Lösungen finden werde.
Können Sie mir
erklären, worin die tiefere Logik dieser Vorgangsweise besteht? – Es gibt
zwei Möglichkeiten, und keine davon ist sehr sympathisch. Die eine Möglichkeit
besteht darin, dass man mit dem getrennt Geschlagen-Werden der betroffenen
Gruppen spekuliert, dass man heute den öffentlichen Dienst damit ruhig hält,
dass man ihm augenzwinkernd versichert, so arg werde es schon nicht werden,
was immer dann tatsächlich geplant ist, und auf diese Art verhindert, dass die
nahe liegende Solidarisierung aller Betroffenen stattfindet.
Die andere
Variante – sie ist genau so unsympathisch – besteht darin, dass man
es tatsächlich nicht vorhat, aber mit der Behauptung, dass es kommen wird, eben
eine breite gemeinsame Diskussion verhindert.
Wer das österreichische Pensionsversicherungssystem fundamental verändern will, darf und kann nicht einzelne Gruppen ausnehmen und sagen, dazu kommen wir später. Ein Haus kann
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man aufstocken, das ist schon richtig, das führt üblicherweise zu
gewaltigen statischen Problemen. Ein Neubau in einem Zug ist zweifellos die
Erfolg versprechendere Vorgangsweise, und das ist genau das, wofür wir
plädieren, notabene – ich komme noch einmal darauf zurück –, weil wir
nicht unter dem Zeitdruck einer finanziellen Katastrophe stehen.
Es gibt eine
interessante Meinungsbildung zu diesem Thema. Da haben auf der einen
Seite – ich erinnere an die Diskussion im ORF – Sie, Frau Ministerin,
wann immer es peinlich geworden ist, gesagt: Ja, aber wir werden schon noch
nachbessern. – Da gibt es andere auch nicht ganz irrelevante Akteure wie Herrn
Minister Bartenstein, der bei derselben Gelegenheit immer erklärt: Nein, da
geht nichts. Die wesentlichen Elemente dieser Reform werden nicht verändert.
Nun ist es nicht
mein Recht, hier einzufordern, Sie sollten sich einmal aussprechen, was eigentlich
gilt, ob das nur ein
Begutachtungsentwurf ist, der sozusagen nur den Charakter von Spielmaterial
hat, oder ob das eine Reform ist, die so, wie sie ist, feststeht.
Was wir
feststellen können, ist, dass quer durch die österreichische politische
Landschaft eine Protestwelle gegen diesen Vorschlag läuft. Ich werde keine
einzige Stimme zitieren, die aus dem Bereich der Sozialdemokratie oder der
sozialdemokratischen Gewerkschafter stammt. All das kennen Sie sicherlich
ohnehin, es ist breit und gut berichtet worden. Jene, die das ausgesprochen
haben, haben mich als Verstärker nicht notwendig. Aber es ist schon daran zu
erinnern, dass diese Empörung weit darüber hinaus gereicht hat.
Ich verstehe, dass
die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst in höchstem Maße alarmiert ist, weil ja
zumindest eine der möglichen Vermutungen ist, dasselbe werde 1 : 1 im
Herbst auf sie zukommen.
Da gibt es harte
Stellungnahmen – Stellungnahmen, die ich manchmal nur als Zitat vortragen kann,
also mit mitgesprochenen Anführungszeichen, weil ich mich sonst dem Risiko
eines Ordnungsrufes aussetzen würde.
Präsident
Dinkhauser ist tatsächlich kein Parteifreund von mir, aber ich gebe ihm Recht,
wenn er von einem „schreienden Pensionsunrecht“ spricht, das mit dieser so
genannten Reform verwirklicht werden soll. Ich gebe ihm auch dann Recht, wenn
er von einem „Pensionspfusch“ spricht. Recht hat Dinkhauser.
Ich gebe auch
Herrn Landeshauptmann Pühringer, den da natürlich ganz andere Ängste quälen,
denn er steht vor einer Landtagswahl, absolut Recht, wenn er sagt, an diesem
Entwurf gebe es noch vieles zu ändern, und es müsse günstige Übergangslösungen
geben. Besonders originell finde ich, dass er dem Diskussionsteilnehmer
Bartenstein mehr oder weniger das Mundhalten vorschlägt, indem er meint: Es
ist ganz klar, und ich kann mir nicht vorstellen, dass der Wirtschaftsminister
hier eine besondere Zuständigkeit hat. – Ich kann mir das auch nicht vorstellen.
(Zwischenruf des Bundesrates Dr. Nittmann.) – Er fürchtet sich, das verstehe ich
schon.
Herr Wurmitzer in
Kärnten gehört nicht wirklich zu den großen Gewichten der österreichischen
Innenpolitik, aber auch ihm ist zuzustimmen, wenn er diesen
Begutachtungsentwurf als „verunglückt“ bezeichnet und die Forderung aufstellt,
ihn zurückzunehmen. Er warnt ... (Bundesrat Dr. Lindinger: Der geistige Wurmfortsatz!) – Ich respektiere den
Föderalismus, aber an innerkärntnerischen Diskussionen beteilige ich mich
nicht aktiv. Es gibt – so kündigt er an – politischen Schaden für
die ÖVP. – Wir werden es sehen.
Landesrat Hiesl
aus Oberösterreich bezeichnet diesen Entwurf als ungerecht und meint, er werde
sich mit bloß kosmetischen Reparaturen nicht zufrieden geben.
Kollegin Gubitzer
von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst – da komme ich jetzt in die Nähe
des Ordnungsrufes, daher bitte ich das unter Anführungszeichen zu setzen, Herr
Präsident – sagt: „Das ist modernes Raubrittertum.“ (Beifall bei der
SPÖ und des Bundesrates Schennach.)
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Noch einmal: Sagen
Sie das den Kollegen auf dieser Seite des Hauses, dass sie das Kollegin
Gubitzer ausrichten sollen, dass das absurd ist, Herr Professor Böhm! Ich finde
nicht, dass das absurd ist. Und sie fügt hinzu ... (Zwischenruf des
Bundesrates Bieringer.) Na ja,
Kollegin Gubitzer von der FCG gehört jedenfalls mehr der ÖVP als dieser Seite
des Hauses an, aber wenn es so ist, Entschuldigung, ich nehme das schon zur
Kenntnis, Kollege Bieringer, dass du dich für den öffentlichen Dienst nicht
zuständig erklärst. Kollegin Bachner wird so freundlich sein, die Meinung
auszurichten, dass das absurd ist. (Bundesrätin Bachner: Ich werde
es ihr ausrichten!)
Wir können das
beliebig fortsetzen: Kollege Neugebauer hat sich ähnlich geäußert, ebenso die
FCG-Frauen in einer Resolution oder Kollege Ratzenböck.
Die Kooperation
zwischen Gewerkschaftern ist so intensiv – Kollege Bieringer, das weißt du
vielleicht nicht –, dass dafür keine extra Zeit erforderlich ist, sie
treffen sich nämlich regelmäßig.
Besonders
originell und treffend – Herr Minister, dazu sollten Sie etwas sagen, auch
wenn sich darauf natürlich keine Frage bezieht – war die Feststellung des
Landeshauptmannes Schausberger, der von „Schreibtischtätern“ – bitte
unter Anführungszeichen – gesprochen hat, die vom wirklichen Leben keine
Ahnung haben. – Ich gebe ihm Recht, gar keine Frage, aber wo ist denn dann die
viel zitierte Unterstützung der Koalitionsparteien für diese Reform?
Es gibt so gut wie
keine Landesgruppe der ÖVP, die sich nicht gegen diese Reform ausgesprochen
hat. Es gibt so gut wie keine christliche Gewerkschaftsfraktion in irgendeiner
Einzelgewerkschaft, die sich nicht dagegen ausgesprochen hat. In den letzten
Tagen haben Herr Präsident Leitl und Herr Generalsekretär Mitterlehner, die
doch wohl auch eher der ÖVP als uns beziehungsweise der Opposition zuzurechnen
sind, klar zum Ausdruck gebracht, dass weder diese Reform noch der künstlich
erzeugte Zeitdruck akzeptabel ist.
Jetzt muss ich
mich natürlich entschuldigen. Ich habe die FPÖ irgendwie vernachlässigt. Ich
will das im Hinblick auf eine angemessene Sitzungsabwicklung nicht allzu sehr
nachholen, aber, Herr Vizekanzler, ich will Ihnen nur eines sagen: Ich würde
mir den Brief des Herrn Landesrates Achatz gut durchlesen, der Ihnen
prophezeit, wenn diese Pensionsreform kommt, hat die FPÖ in Oberösterreich
nicht einmal mehr 5 Prozent! (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)
Das ist keine
Reform, das ist Pfuschwerk! Das ist keine Gesamtreform, und es ist –
darauf komme ich naturgemäß jetzt noch zu sprechen – zutiefst ungerecht,
unsozial und vor allem auch undurchdacht. Das mache ich den Autoren in
Wirklichkeit nicht einmal zum Vorwurf. Wer glaubt, in 14 Tagen eine
Pensionsreform zusammenschreiben zu können, irrt einfach von der Sache her. Er muss scheitern, das ist gar kein
Beweis für persönliche Inkompetenz.
Wir haben ein in
Jahrzehnten gewachsenes Pensionssystem, das aus vielen einzelnen Bausteinen
besteht. In vielen Bereichen – das gestehe ich – habe ich den
Eindruck, dass die Autoren Bausteine aus diesem Bauwerk herausgepflückt haben,
ohne auch nur zu bemerken, welche Säulen darauf stehen und was danach
einstürzen wird. Noch einmal: Das ist nicht mangelnde Qualifikation, das war
der künstlich erzeugte Zeitdruck, so kann man ein Pensionssystem nicht reformieren.
Hier wird in Wirklichkeit ein Gebäude zum Einsturz gebracht, weil man glaubt,
mit einzelnen angeblich so guten Maßnahmen kurzfristige Erfolge oder, wenn man
will, eine Budgetentlastung erreichen zu können.
Ich möchte an
dieser Stelle den Vorschlag mit großem Nachdruck unterstreichen, den
Dr. Gusenbauer in vollem Ernst und ohne Polemik dieser Regierung macht.
Eine Veränderung eines solch zentralen Elements einer Gesellschaft wie des
Pensionssystems, auf das die Menschen vertrauen können müssen, muss zwischen
ihren Interessenvertretern und den politisch Verantwortlichen diskutiert,
entwickelt und vereinbart werden. (Bundesrat Kritzinger: Gusenbauer
soll einmal die Karten auf den Tisch legen!)
Die Karten hat er dem Herrn Bundeskanzler während der Sondierungsgespräche auf den Tisch gelegt. Diese Karten haben dem Herrn Bundeskanzler nicht gefallen (Zwischenruf des Bun-
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desrates Bieringer), was
auch wieder sein gutes Recht ist. Aber glauben Sie mir, wir sind in diesem
Augenblick gerne bereit, jede Diskussion zu führen, nur nicht darüber, was
unser Vorschlag ist, sondern über die real drohende Veränderung.
Ich sage
leidenschaftslos, aber mit Verärgerung: Ich habe mit Missmut bemerkt –
obwohl das natürlich ein Thema sein kann –, dass ein Teil unserer Medien
mit größerer Hingabe über die Pensionsansprüche von 21 Menschen als über
das Schicksal von 7 Millionen Österreichern diskutiert. (Bundesrätin Bachner: So ist es!) Ich bin nicht bereit, die Diskussion über diese
Attacke von Schreibtischtätern, und was immer da gesagt wurde, dadurch vom
Tisch zu wischen, dass wir jetzt im Detail über anders lautende Vorschläge
diskutieren und damit der Regierung die Möglichkeit geben, von dem, was sie auf
den Tisch gelegt hat, abzulenken – alles zu seiner Zeit! Ich glaube, dass
wir sehr wohl höchst positive, höchst wirkungsvolle und zum Teil auch originelle
Vorschläge für eine Neufassung unseres Pensionssystems unterbreiten können.
Wir haben kein
Problem damit, wenn uns jemand sagt: Nein-Sagen allein genügt nicht, es geht
auch um Vorschläge. – Selbstverständlich! Aber diese Vorschläge eignen
sich wenig für eine Debatte hier und mit Ihnen, sondern sie eignen sich für
eine Debatte dort, wo ernsthaft um die besten Ideen für die Lösung eines von
allen erkannten Problems gerungen wird, und dort werden wir sie auf den Tisch
legen. Aber die Voraussetzung dafür ist, dass es die Bereitschaft gibt, diesen
Vorschlag anzunehmen – wenn auch natürlich durch Beschluss im Nationalrat
und im Bundesrat legitimiert; obwohl wir sehen werden, ob alle jene, die jetzt
dagegen schreien, dann auch tatsächlich zustimmen oder nicht, das weiß man
nicht, aber wenn es nach der Papierform geht, dann haben natürlich die beiden
Regierungsparteien da wie dort die Mehrheit.
Das ist nicht
unser Konzept, hier ist Konsens gefragt – ein Konsens, bei dem auch die Betroffenen
oder die Vertreter jener, die Betroffene sein werden, durchaus ihre
Bereitschaft mitbringen werden, zu Dingen zuzustimmen, die eine
Verschlechterung darstellen. Es gibt keinen Vierten, der das zahlt, wenn Menschen
erfreulicherweise älter werden und daher die Beiträge nicht ausreichen, um ihre
Pensionsansprüche zu befriedigen. Das müssen die Menschen selbst bezahlen,
gar keine Frage. Aber die Frage ist, wie viel Zeitdruck und wie viel
finanziellen Druck man macht und über welche Zeiträume man die
Neukonstituierung eines solchen Systems erstreckt.
Herr
Bundesminister und Herr Vizekanzler! Nun haben wir in unserer dringlichen
Anfrage ganz besonders auf ein spezifisches Problem verwiesen. – Falls Sie
nicht als Aufpasser für den Herrn Minister da sind, sondern aus Interesse an
der Frage, die wir vor allem hinsichtlich der Frauenpensionen aufwerfen, dann
freue ich mich darüber, dass Sie da sind, Frau Ministerin! – Es geht
natürlich darum, dass diese so genannte Reform oder die Vorschläge für die
Frauen eine substanzielle – mehr, eine existenzielle! –
Verschlechterung ihrer Bedingungen im Alter mit sich bringen. Das ist
nur – ich gebe das ganz offen zu – zum Teil Schuld dieser Gesetzesvorschläge,
aber es ist die Schuld der Ignorierung der Tatsache in diesen Vorschlägen, dass
Frauen in dieser Gesellschaft nach wie vor benachteiligt sind.
Ein
Pensionsrecht – ein soziales Pensionsrecht! –, das diesen Namen
verdient, muss auch eine Komponente der Umverteilung beinhalten, eine
Umverteilung innerhalb des Bereiches bis zur Höchstbeitragsgrundlage –
darüber hinaus geht es nicht –, aber innerhalb der verschiedenen Einkommensklassen
und bei den Einkommensklassen und bei den Berufsverläufen zu Gunsten der
Frauen, sonst verdient dieses System das Element „sozial“ nicht.
Wenn wir sagen,
wir haben eine große öffentlich verwaltete Kassa, in die jeder seinem jeweiligen
Verdienst entsprechend einzahlt, und am Ende wird abgerechnet, und daraus
ergibt sich ein Pensionsanspruch, und sonst passiert gar nichts, dann sage ich
als Sozialdemokrat ganz ehrlich: Dann brauchen wir keine öffentliche
Pensionsversicherung, das kann jede Versicherung auch: Prämien aufaddieren,
aufwerten – in diesem Fall vielleicht sogar mit Gewinnbeteiligung – und
am Schluss wieder „abzinsen“ nach den allgemeinen Sterbetafeln des
österreichischen Versicherungsgewerbes – das kann jeder. Das ist, bitte schön,
nicht das Wesen eines öffentlichen Pensionssystems; das beinhaltet, dass ein
Ausgleich gegeben wird – zum Beispiel für Kindererziehungszeiten, zum
Beispiel für den Dienst beim Bundesheer.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 69 |
Ich weiß nicht,
wer sich da durchgesetzt hat, aber nun sind wir schon bei den Punkten, bei denen
man sich an den Kopf greifen muss: Können Sie mir erklären, Herr Bundesminister,
warum der Wehrdienst eines jungen Mannes versicherungsrechtlich vier Mal so
viel wert ist wie die Kindererziehung durch eine junge Frau? Können Sie mir das
erklären? – Das erinnert mich an die Beweisregeln des Mittelalters: Das
Zeugnis einer Frau ist nur die Hälfte des Zeugnisses eines Mannes wert. Es
erinnert mich aber auch an manch konservative islamische Länder: Das Zeugnis
eines Nicht-Muslimen hat nur ein Viertel des Werts eines islamischen
Zeugen. – Der junge Bundesheerler ist vier Mal mehr wert als die Kinder
erziehende Frau? – Erklären Sie mir das bitte! (Bundesrätin Haunschmid: Was haben Sie 20 Jahre gemacht?)
Was hat das mit
mir zu tun? – Ich war beim Bundesheer, habe keine Kinder geboren –
erstaunlicherweise. (Allgemeine Heiterkeit. – Zwischenbemerkung des
Vizekanzlers Mag. Haupt.) –
Ja, ich habe immer wieder biologische Überraschungen für das Haus zu
bieten.
Es tut mir
entsetzlich Leid, Frau Kollegin, ich weiß Zwischenrufe zu schätzen, weil sie an
sich ein interessantes Element in eine Rede bringen, aber ich gestehe: Ich habe
ihn intellektuell nicht verstanden – das mag an mir liegen. (Bundesrätin Haunschmid: ... hättet ihr schon längst aushandeln können, was Sie jetzt
vorschlagen!)
Das ist ein
typisches Beispiel für jene Haltung, die hinter diesem Entwurf steht, und es
steht mit Sicherheit nicht die Haltung dahinter, dass es Aufgabe eines solchen
Gesetzes ist, real existierende Benachteiligungen so gut es geht – das
Einkommensniveau werden wir nicht nachträglich korrigieren können, die Tatsache,
dass die Schere zwischen Männer- und Fraueneinkommen besteht und weiter
auseinander klafft, werden ... (Heiterkeit des Bundesrates Mag. Himmer.)
Kollege Himmer!
Wenn Sie das lustig finden, dann sind Sie auf der falschen Veranstaltung! Entschuldigen
Sie! Sie brauchen nur mit aller Zurückhaltung die bekannten Statistiken von
ÖSTAT zu lesen. Wir sind in dieser Hinsicht bedauerlicherweise eines jener
Länder innerhalb der EU, die bezüglich der Öffnung dieser Schere weit vorne
rangieren und bezüglich Schließen dieser Schere weit hinten. Wenn Sie das
lustig finden, dann sollten Sie vielleicht einmal den ÖVP-Frauen zu
„verklickern“ versuchen, warum das so lustig ist – soweit ich weiß, teilen
sie da eher meine Meinung; aber jeder lacht darüber, was er für lustig findet.
Meine Damen und
Herren! Ich sage jetzt auch dazu: Das ist keine politische Beschuldigung! Die
Bundesregierung ist an vielem schuld, an dem Auseinanderklaffen von Männer-
und Frauengehältern ist sie nicht konstitutiv schuld. Das ist ein Element
unserer Gesellschaft, und da sind nicht regierende Sozialdemokraten als
Gewerkschafter, als Arbeitgeber, als solche, die personelle Entscheidungen zu
treffen haben, genauso gefragt wie die Regierenden. Ich will das gar nicht auf
eine parteipolitische Schiene stellen; nur auf die Lachnummer möchte ich es
nicht reduzieren.
Da haben wir ein
gesellschaftliches Problem. Es wäre viel zu verkürzt zu sagen, die frühere Regierung,
die jetzige Regierung oder die vorvorige Regierung seien schuld daran. Nein, so
ist es nicht. Die von Männern geprägte gesellschaftliche Struktur ist nicht
ausreichend überwunden. Ganz nüchtern gesagt: Sie ist ganz offensichtlich auch
noch nicht von den jüngsten nachrückenden Generationen von Berufstätigen
hinreichend überwunden. Das ist eine Tatsache, über die sich jene, die sich in
allen Parteien in Österreich damit beschäftigen, einig sind, und es ist eine
Tatsache, gegen die anzukämpfen ist.
Das ist keine
Aufgabe des Pensionsrechtes. Aber die Auswirkungen dieser Ungleichheit im Pensionsrecht
noch zu verschärfen und zu unterstreichen, das ist politisch falsch; ich will
es gar nicht moralisch werten. Es ist unfair und falsch, und das können vor
allem die Frauen in Österreich nicht hinnehmen.
Ich stoße an dieser Stelle – das ist eine abstrakte Diskussion, weil sie sich auf nichts bezieht, aber es stehen so wenige gute Sachen in diesem Begutachtungsentwurf – auf ein zweites Problem. Wir haben Länder und darunter solche, die wahrhaft nicht als links einzustufen sind,
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 70 |
die der ersten Säule des
Pensionssystems – ich sage mit Recht, das ist ein überlegenswerter Gedanke –
einen Sockel gegeben haben, insbesondere ist da das Schweizer Beispiel zu zitieren,
bei dem gegen einen geringen einkommensabhängigen, aber in Wirklichkeit bei der
Pensionsberechnung unberücksichtigten Beitrag – da gibt es keine
Abhängigkeit von den eingezahlten Beiträgen – eine Sockelpension erreicht
wird. Für die einen gibt es, wenn sie sonst nichts haben, nicht sehr viel mehr
als diese Sockelpension, für die anderen gibt es eine deutlich einkommensabhängige
darauf gedoppelte zweite Pension. Aber auch das ist ein Stück sozialer
Ausgleich, in diesem Fall zugunsten der schlechtest Verdienenden.
Solche Elemente,
die Gesellschaftspolitik sind, sind aus einem Pensionssystem nicht zu eliminieren,
weil es, wie gesagt, sonst seine Bezeichnung sozial nicht mehr verdient,
sondern eine pure Versicherung ist.
Dass eine
Ausdehnung jenes Zeitraumes an Versicherungsjahren bei allen Ersatzzeiten, die
notwendig sind, um eine volle 80-prozentige Pension zu erreichen, auf
45 Jahre den Berufsverläufen, heute vor allem der Frauen, nicht
entspricht, ist gar keine Frage. Ich sage auch ganz ehrlich dazu, dass es auch
den sehr viel gebrocheneren Berufsverläufen derer, die heute antreten, nicht
entsprechen wird.
Ich gebe
gleichfalls zu bedenken – ohne dass ich mich darauf konzentrieren will zu
sagen, es dürfen nur ganz wenige besonders gute Jahre sein –, dass die
schrittweise Ausdehnung – immerhin schrittweise – des
Durchrechnungszeitraumes auf 40 Jahre natürlich an die Grenzen eines
Berufslebens stößt, vor allem in Bereichen, die sehr schlecht oder ziemlich
schlecht bezahlt werden, wobei das natürlich immer weiter zurückgeht, je
länger die Pausen dazwischen sind. Wenn jemand, aus welchen Gründen immer,
aussetzt oder aussetzen muss, dann verschlechtert sich diese 40-jährige
Periode entweder, indem sie unterbrochen und nach hinten geschoben wird, oder
weil er während dieser Unterbrechungen ein sehr niedriges Einkommen hat, das
seinen übrigen beruflich aktiven Zeiten nicht entspricht.
Es sind noch
andere skandalöse Dinge enthalten, aber angeblich ist das das Spielmaterial, so
schreiben alle Zeitungen, und von irgendwoher müssen sie es haben – von mir
nicht, weil ich keine Kenntnis dazu habe. Dass die Aufwertung der
zurückliegenden Beiträge weit unter der realen Geldentwertung, weit unter den
Produktivitätssteigerungen, weit unter allen Indikatoren einer Wirtschaft liegt
und in Wirklichkeit die vor 40 Jahren geleisteten Beiträge in diesem Falle
zu einem beträchtlichen Teil Opfer eines – Originaltext
Professor Marin – „Pensionsraubes“ sind, das möchte ich nur noch
ergänzend unterstreichen.
Herr Vizekanzler!
Frau Bundesministerin! Sie haben den Österreicherinnen und Österreichern mit
einer 14-tägigen Begutachtungsfrist und nach einer sehr kurzen Phase der
Ausarbeitung dieses Entwurfes etwas hingelegt, das weder dem Anspruch gerecht
wird, eine Gesamtreform zu leisten, noch sozial verträglich ist. Sie haben die
bestehenden Benachteiligungen von Frauen – wir führen in unserem
Anfragetext zahlreiche Beispiel an, die ich nicht wiederholen und zitieren
will –, die real existierende Benachteiligung von Frauen in Wirklichkeit
ignoriert, und Sie haben sie durch bestimmte Maßnahmen im Gesetzestext noch
verstärkt.
Ich kann durchaus sehr laut und auch sehr emotional werden, und ich
nehme mich jetzt sehr bewusst zurück: Dieser Gesetzentwurf in der Realität des
Landes, wenn er denn beschlossen wird, bedeutet für große Gruppen unserer
Bevölkerung eine substanzielle, existenzielle Verschlechterung dessen, was sie
am Lebensabend zu erwarten haben. Sie können jetzt der Meinung sein, dass das
egal ist. Ich will mich gar nicht auf die moralische Schiene begeben, sondern
ich bleibe sehr bewusst auf der ökonomischen. Wir diskutieren – da ist
diese Bundesregierung ein Partner – über eine Steuerreform, die ganz
gezielt – ich hoffe, das funktioniert, wenn sie so ist wie der Entwurf,
dann funktioniert es ohnehin nicht – dort Geld hingeben soll, wo die
niedrigsten Einkommen sind – das einerseits aus sozialen Erwägungen, aber
andererseits aus der sehr einfachen ökonomischen Überlegung, dass Menschen, die
über ein verhältnismäßig geringes Einkommen verfügen, die ökonomisch positive
Tendenz haben, zusätzliche Mittel auch gleich wieder auszugeben. Das ist
bekanntlich für die Konjunktur, die nicht so ganz grandios läuft, nicht so
schlecht.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 71 |
Wenn ich Spitzeneinkommen steuerlich begünstige, kann ich viel weniger
sicher sein, dass diese dort zusätzlichen zufließenden Mittel wieder
unmittelbar ausgegeben und in den Konsum gesteckt werden, und daher ist die
konjunkturelle Wirkung geringer. Überlegen Sie einmal – von allem anderen
abgesehen, wenn Sie schon für soziale Argumente nicht zugänglich sind –, welche
gewaltigen Beträge an unmittelbar und sofort wieder ausgegebenen Mitteln bei
Bezieher kleiner und kleinster Pensionen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten
verloren gehen und welche Auswirkungen das auf unsere Wirtschaft und unsere
künftigen Konjunkturverläufe hat!
Für diese Reform werden nicht nur jene zahlen müssen, die weniger Geld
bekommen, sondern es werden auch viele zahlen müssen, die das gar nicht
wirklich betrifft, die aber als Teilnehmer am Wirtschaftsprozess auf das Geld
dieser wenig beziehenden Pensionistinnen und Pensionisten angewiesen sind.
Sie setzen da eine Spirale nach unten in Kraft, deren Ende Sie mit Sicherheit
nicht absehen und nicht absehen können! (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)
Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Ich wiederhole: Diese Reform
sollte im Interesse der Betroffenen – das ist praktisch jeder, der noch
nicht in Pension ist, und die auch ein bisschen – nicht Wirklichkeit
werden, aber nicht nur deshalb, weil es hier um – das ist ein ganz wichtiges
Argument – den Lebensabend von Menschen geht, die ihr Leben lang
gearbeitet haben, im Regelfall hart gearbeitet haben, die einen Anspruch,
einen moralischen und auch legistischen Anspruch auf eine entsprechende
Altersversorgung haben, vor allem dann, wenn sie Frauen und damit benachteiligt
waren, sondern diese Reform sollte auch deshalb nicht Wirklichkeit werden, weil
die Auswirkungen auf viele andere Bereiche wie unsere Wirtschaft verhängnisvoll
sein würden. (Beifall bei der SPÖ.)
Sie werden unsere Fragen sicher beantworten, aber ich möchte schon an
dieser Stelle nochmals wiederholen: Es geht uns nicht darum, politisch Recht
zu haben, sondern es geht uns darum, eine zukunftssichere Lösung zu finden.
Sie sind schlecht beraten, wenn Sie das Angebot, das auf der Basis aller im
Parlament vertretenen Parteien und der Sozialpartner neu und vorurteilsfrei zu
diskutieren, kalt lächelnd ablehnen. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesra-tes Schennach.)
14.51
Präsident Herwig Hösele: Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundesminister für soziale
Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt zu Wort
gemeldet. Ich erteile ihm dieses.
14.51
Bundesminister
für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich möchte auf die mir vorgelegte Problematik und die Wortmeldung des
Erstredners der sozialdemokratischen Fraktion zunächst detaillierter eingehen,
weil mich einiges von seiner Beurteilung der Gesamtsituation trennt.
Herr Professor!
Ich hätte mir gewünscht, dass die vorliegenden Schritte des Budgetbegleitgesetzes,
das im Übrigen im Gegensatz zu dem, was in der Öffentlichkeit jetzt in den
letzten Tagen von manchen Seiten diskutiert wird, ein Vorschlag der
Bundesregierung und kein Vorschlag von mir allein ist, weil sehr viele
Facetten zu einem Gesamtvorschlag zusammengesetzt worden sind, damals, also
1995/97, als die Pensionsreform unter dem deutschen Experten Rürup in
Österreich diskutiert wurde, mehr als das Kreisen eines Berges oder die Geburt
einer Maus gewesen wären, denn dann hätten wir, Herr Professor, jetzt keine
fünf- bis siebenjährigen Übergangsfristen, wie Sie es im Zusammenhang mit dem
Pensionsalter für Frauen richtigerweise zitiert haben.
Ich darf auch darauf hinweisen, dass sehr viele der Berechnungen, die nicht nur von der Arbeiterkammer, sondern auch von sehr vielen anderen angestellt werden, fiktive Berechnungen sind. Ich sehe durchaus ein, dass die Sozialdemokratie, die für ein Drei-Säulen-Modell nie sehr viel übrig gehabt hat, in ihren Berechnungen die Komponenten der zweiten und der dritten Säu-le außer Acht gelassen hat. Ich darf aber darauf hinweisen, dass die Bundesregierung mit der
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 72 |
Gesetzwerdung der
„Abfertigung neu“ auch für untere Einkommensschichten die Möglichkeit eröffnet
hat, die „Abfertigung neu“ als steuerfreie Pension zu lukrieren und nicht nur
zu beziehen und wie die „Abfertigung alt“ zu verbrauchen. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
Dieser Anspruch
gilt nunmehr in Zukunft für nahezu 100 Prozent aller ArbeitnehmerInnen und
nicht wie die „Abfertigung alt“ nur für 15 Prozent der ArbeitnehmerInnen.
Hinzu kommt, dass 1,53 Prozent der Bruttolohnsumme sowohl für untere als
auch für obere Einkommensschichten eingezahlt werden und dass es daher
unrichtig ist, was von manchen in der Öffentlichkeit behauptet wird, dass das
nur Dinge sind, die sich die Reicheren und besser bezahlten Arbeitnehmerschichten
leisten können. Es wird für jeden eingezahlt.
Ich möchte weiters
darauf hinweisen, dass gerade in den letzten Tagen die vom Verfassungsgerichtshof
erfolgreich bestätigte Regelung, dass Menschen mit geringerer Beschäftigung nunmehr
wieder zu 550 S Einheitssatz pensions- und krankenversichert werden
können, als Antrag dieser Bundesregierung eingebracht worden ist. Das ist auch
ein wichtiger Schritt für viele Frauen, die in der Kinderbetreuungszeit an der
Geringfügigkeitsgrenze arbeiten und entsprechende Zusatzleistungen bekommen
sollten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ich glaube, dass
darüber hinaus durch das Prämienansparungsmodell auch für jene Schichten, so
wie Sie es anhand des Schweizer Modells skizziert haben, die Möglichkeit
geschaffen worden ist, mittels Eigenvorsorge über die erste Säule unseres
Pensionsmodells hinaus eine Zusatzpension zu lukrieren, die in sehr vielen
Ländern Europas gang und gäbe ist. Ich darf darauf hinweisen, dass in
Großbritannien, wo Ihr Parteifreund Tony Blair regiert, die erste Säule
zwischen 35 und 40 Prozent Nettoersatzrate hat (Bundesrat Konecny: Aber auf Grund eines Pensionssystems,
das die Konservativen aufgebaut haben!), und die höheren Einkommensschichten, wenn ich
mich auf die Statistik der Europäischen Union verlassen kann, durch die zweite
und dritte Säule 112 Prozent Nettoersatzrate haben.
Ich kann mich
erinnern, dass sich Kollege Gusenbauer und sehr viele in Österreich vor kurzer
Zeit noch gerühmt haben, dass der Unterschied in der Pension zwischen den
unteren Einkommen 60 Prozent in der ersten Säule und 80 Prozent in
der zweiten Säule ein wünschenswerter sozialer Ausgleich ist.
Ich darf Sie
weiters darauf hinweisen, Herr Professor (Bundesrat Konecny: Sie brauchen mich nicht darauf
hinzuweisen!), dass
die 1,78 Prozent Steigerungsbetrag bis zum 1. 1. 2000 gegolten
haben und dass die Abschläge und die höheren Verluste nicht auf die Änderung
des Steigerungsbetrages allein zurückzuführen sind, sondern im Zusammenhang
mit den gesamten Änderungen zu sehen sind.
Ich werde Ihre
Fragen so, wie sie gestellt worden sind, ordnungsgemäß beantworten. Ich bitte
aber auch, dabei zu berücksichtigen, dass die Beantwortung mancher dieser
Fragen, die sektoral einem sehr komplizierten Rechenwerk entnommen worden
sind, durchaus richtig und korrekt sind, sich aber im Gesamtzusammenhang
potenzierend oder mindernd auswirken können. Ich bitte daher um Verständnis,
dass wir bei manchen Berechnungen einiges nicht nachvollziehen können, weil
fiktiv Ereignisse und Arbeitsverläufe des Jahres 2020 und später auf das
Jahr 2040 interpoliert worden sind, ohne zu berücksichtigen, dass die
Beschäftigungsquote von Frauen zwischen 20 und 45 Jahren mit
78 Prozent deutlich von den Erfahrungswerten der Vergangenheit abweicht,
wobei im Jahre 1970 die Beschäftigungsquoten nicht einmal die Hälfte
dieser Alterskategorie betragen haben.
Ich bitte Sie auch
daher, zu berücksichtigen, dass die von Ihnen genannten ÖSTAT-Zahlen zwar
richtig sind (Bundesrat Konecny: Sie passen nur nicht!), aber im internationalen Vergleich
mit Pensionssystemen und Arbeitsverläufen in anderen Ländern, in denen das
Pensionsantrittsalter zwischen 64 und 65 Jahren variiert und zwischen
Männern und Frauen größtenteils angeglichen ist, nicht passen.
Ich darf Sie darauf hinweisen, dass die Übergangsfrist, die wir für Frauen beim EU-Beitritt erreicht haben, in der Europäischen Union heute Anlass zur Sorge gibt. Mein Haus konnte mit sei-
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 73 |
ner Stellungnahme in zweiter Instanz eine Klage eines
Mannes aus Oberösterreich, das Pensionsalter von Männern und Frauen
anzugleichen, mit Mühe noch verhindern. Weiters gibt es namhafte
Rechtsexperten, die glauben, dass diese Übergangsfristen, die extrem lange
innerhalb der Europäischen Union sind – noch dazu haben Länder in den
Jahren einen Schlussstrich in den Übergangsregelungen für 2008/09
gesetzt –, bei entsprechenden Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof
unter Umständen im Jahr 2015 nicht mehr halten werden.
Wir sehen also
auch, dass beim Gewährleistungsschutz sehr viele Dinge, die Sie zitiert haben,
im Interesse der österreichischen Frauen heute anders und kritischer betrachtet
werden müssen als 1992 bei der Diskussion. Schlussendlich wollte man auch die
51 Prozent stimmberechtigten Frauen in Österreich für die EU und nicht
für das österreichische Pensionssystem und dessen Weiterschreibung begeistern.
In der heutigen europäischen Situation, in der Übergangsfristen von neun und
zehn Jahren vom Europäischen Gerichtshof als kritisch betrachtet werden, kann
daher die Frage, ob diese Fristen in der Form bleiben oder nicht, nicht
endgültig beantwortet werden.
Ich darf auch
anmerken, dass bei der derzeitigen Gesetzeslage die staatlichen Rentenausgaben
in Prozentsätzen des BIP in den Jahren 2000 bis 2010 von 14 auf etwa
15,2 Prozent ansteigen werden.
Ich gebe Ihnen
völlig Recht, Herr Professor, wenn Sie gesagt haben, dass es sehr viele Ungerechtigkeiten
in unserem Pensionssystem gibt. Aber dieser Entwurf der Bundesregierung hat zumindest
zwei Ziele, die in der Diskussion zur Bildung der Bundesregierung mit allen
Fraktionen besprochen worden sind, eingehalten:
Wir haben der
Generation, die nach dem Zweiten Weltkrieg diesen Staat aufgebaut hat und heute
zum überwiegenden Teil die Pensionisten darstellt – wenn jemand im
Jahr 1945 14 Jahre alt war und als Lehrling seine Arbeitszeit
begonnen hat (Bundesrat Konecny: Ist auch schon in Pension!), dann werden Sie mir Recht geben,
dass mit Ausnahme von einigen Wenigen niemand über das Regelpensionsalter
hinaus gearbeitet hat –, ihre Pensionsansprüche gesichert.
Ich bin gerne
bereit – wir diskutieren in der Bundesregierung noch darüber, und daher
ist dieser Punkt auch im Regierungsentwurf nicht enthalten, weil die
Pensionsexperten aller Parteien und aller Gruppierungen formuliert haben, dass
das Nettopensionsanpassungssystem nicht verständlich und auch in den Jahren,
in denen es funktioniert hat, nicht gerecht war –, dieses System zu
ändern, nämlich in der Richtung, dass die Inflationsrate und die Erhöhung der
Lohnsummen aller Aktiven ein geeignetes Mittel der Anpassung wäre.
Ich bitte Sie
daher um Verständnis, dass ich mich mit ruhiger Stimme, aber gleicher Entschiedenheit
gegen jene Unterstellungen, die in den Medien verbreitet werden und die Sie
auch in Ihrer Medienzitat-Sammlung mit aufgenommen haben, ausspreche, dass
nicht Dinge enthalten sind, um später aufbessern zu können. Es sind Dinge enthalten,
die kompromissfähig waren und bei denen wir den vollen gesetzlichen
Begutachtungsverlauf wollen. Ich verwahre mich auch dagegen, dass dieser
Begutachtungsentwurf verkürzt oder sonst wie in Begutachtung steht. Wir haben
peinlichst genau darauf geachtet, dass die gesetzlichen Begutachtungsfristen
eingehalten werden. Ich darf darauf hinweisen, weil ich hauptsächlich in der
Funktion als Frauenminister angesprochen bin, dass ich als Frauenminister als
Erster – und nicht meine Vorgängerinnen aus der Sozialdemokratie! –
sämtliche Frauennetzwerke in die Begutachtung mit eingebunden habe, sodass
ich am Ende der Begutachtungsfrist auch die Frauensicht kompetent übermitteln
werde.
Sie wissen
selbstverständlich aus Ihrer jahrzehntelangen parlamentarischen Erfahrung, dass
ein Begutachtungsverfahren dazu dient, nach Abschluss des
Begutachtungsverfahrens sinnvolle Änderungen aufzunehmen. Gerade die Frage der
Verfassungsmäßigkeit und des Vertrauens in diese Pensionsreform ist uns von
der Bundesregierung zu gleichen Teilen wichtig.
Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass wir den jüngeren Menschen in diesem Staat, die sehr häufig die Meinung vertreten, dass sie ohnehin keine Pensionen mehr bekommen werden, mit
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 74 |
diesem Entwurf und mit den nachfolgenden Schritten in Richtung
Harmonisierung aller Pensionssysteme entgegenkommen werden. Ich bin sehr
dankbar, wenn sich die Sozialdemokratie und auch die grüne Fraktion im
österreichischen Nationalrat und ihre Interessengruppen in der Öffentlichkeit
in das Begutachtungsverfahren der Pensionsreform einklinken, wodurch die Beschlussfassung
positiv motiviert sein kann. Denn eine entsprechende Absicherung dieses Werkes
und der gänzlichen Harmonisierung aller Pensionssysteme, so wie es alle vier
Parteien im Wahlkampf den Österreicherinnen und Österreichern versprochen
haben, ist sicherlich auch im Interesse der Österreicherinnen und
Österreicher, nämlich dass es für gleiche Beitragsleistungen und gleiche
Arbeitsleitungen am Ende der aktiven Arbeitswelt auch gleich hohe Zahlungen
gibt.
Ich glaube, dass
dieser Regierungsentwurf für jene, die über das Pensionsalter hinaus arbeiten,
mit 4,2 Prozent einen Bonus erhalten und nicht nur Pensionsversicherung
einzahlen, ohne Erhöhungen zu erreichen, auch eine Motivation ist, genauso wie
auch für sehr viele Frauen, die mit 48 oder 50 Jahren geschieden sind und
die sich nach dem alten geltenden Recht ihre Sozialleistungen abkaufen
ließen, um sie für den Hausbau oder für Investitionen in die Familie auszugeben.
Heute gibt es die Möglichkeit, nicht nur über 60 Jahre hinaus arbeiten zu
müssen, sondern für diese Zeiten auch eine Pension zu bekommen, die sich um
diese erhöhte Arbeitsleistung über dieses Alter hinaus auch in jenen Jahren
rentiert, in denen sie nicht mehr arbeiten können oder nicht mehr arbeiten
wollen.
Sehr geehrte Damen
und Herren! Vergleichen wir Ausbildungsjahre, Erwerbsjahre und Pensionsbezugsjahre –
diesbezügliche Tabellen sind auch schon aus dem Fernsehen bekannt –: Im
Jahre 1970 haben wir 18,5 Jahre Ausbildungszeit gehabt, 42,7 Jahre
aktives Arbeitsleben und 8,8 Jahre Pensionsgenuss. Im Jahre 1990 haben wir
19,8 Jahre Ausbildungszeit gehabt – ich möchte ausdrücklich
hinzufügen, dass es eine gute Erscheinung ist, dass im Jahre 2002 bereits
51 Prozent der Mädchen in Österreich eine Mittelschulausbildung gehabt
haben und der Akademisierungsgrad in unserer Gesellschaft gestiegen ist, um
unseren Arbeitnehmern für die Zukunft eine bessere Chance im internationalen
Wettbewerb zu geben, in dem Österreich steht, und um Arbeit und Beschäftigung
zu erhalten. Das ist auch die Grundphilosophie dieser Anreize, die hinter
dieser Pensionsreform und diesen Bemühungen stehen. Beide Parteien in der
Bundesregierung sind der Meinung, das Sozialste in einem Staat ist, Arbeit zu
haben und auf Grund dieser Arbeit sein Leben, seine Lebensqualität und seine
Zukunft gewährleisten zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der
ÖVP.)
Daher betrachten
wir auch jene Maßnahmen, durch die jemand durch längeres Arbeiten in einem sicheren
Arbeitsplatz nichts verliert, als nicht so gravierende Eingriffe im Gegensatz
zu Eingriffen, durch die jemand arbeitslos ist und durch Arbeitslosigkeit
unter Umständen in den Notstand fällt und daher erhebliche Einkommensverluste
hat. Ich glaube daher auch, dass die flankierenden Maßnahmen im Bereiche der
Altersteilzeit und des Überleitungsgeldes – in diesem Falle
20 Prozent mehr Arbeitslose zu bekommen – gerade für die Frauen ein
Vorteil sind.
Sie wissen, dass
sehr viele Frauen, die etwa zu 75 Prozent in die vorzeitige Alterspension
gehen, in der Arbeitslosigkeit mehr Geld bekommen – überhaupt dann, wenn
sie in einer aufrechten Partnerschaft sind und keine Ausgleichszulage
bekommen –, als sie Pension bekommen. Dabei handelt es sich um Frauen,
die im Interesse ihrer Kinder lange nicht an der Arbeitswelt teilgenommen
haben. (Bundesrätin Schicker: Was
ist mit Notstand?)
Es freut mich,
Herr Professor, dass Sie im Gegensatz zur Sozialdemokratie, die sich bis zum
Jahre 1995 um die Frauen- und die Kindererziehungszeiten wenig Gedanken gemacht
hat, nunmehr Frauen und deren Leistungen für Familien in Ihren Überlegungen
besonders berücksichtigen. Dieser Paradigmenwechsel der sozialdemokratischen
Fraktion ist für mich eine erfreuliche Erscheinung. (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
Es ist das für mich auch im Besonderen eine erfreuliche Erscheinung, weil wir wissen, dass in der Vergangenheit jene Frauen, die große Leistungen für die Familien erbracht haben, die Kinder geboren haben, die aus Rücksicht auf die Kinder zu Hause geblieben sind, weil sie im ländlichen Raum wohnten und dort die Arbeitsverhältnisse für Teilzeitarbeit nicht entwickelt waren,
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 75 |
die besonderen
Verlierer des österreichischen Pensionssystems sind, so wie es die Bundesregierung
und die vorangegangene Bundesregierung im Jahre 2000 übernommen hat.
Als Frauenminister
bin ich daher sehr zufrieden, dass sich die österreichische Öffentlichkeit endlich
dafür stark macht, den Frauen ihre familienpolitischen Leistungen endlich
besser zu honorieren, als es in der Vergangenheit der Fall war – gerade
im Hinblick darauf, dass die tragende Säule des österreichischen
Pensionsversicherungssystems noch immer die erste Säule ist, nämlich der
Generationenvertrag. Ich wiederhole es wieder pointiert: Den
Generationenvertrag werden nicht Singles ohne Kinder oder Singles ohne Kinder
mit Hund einhalten können, sondern ihn werden ausschließlich Menschen
absichern, die auch den Mut haben, sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten
der Kindererziehung zu widmen, Kinder zu begleiten und zu betreuen und damit
den Generationenvertrag in der Zukunft einzulösen. (Beifall bei den Freiheitlichen
und bei Bundesräten der ÖVP.)
Daher halte ich es
für wichtig, dass 1995 begonnen worden ist, mit fünf Jahren Ersatzzeiten –
damals 18 Monate, heute 24 Monate Ersatzzeiten – bis zum
7. Lebensjahr oder des Eintrittes des Kindes in die Schule Verbesserungen
einzuführen.
Ich darf Ihre
Frage auch außerhalb des Fragenkatalogs beantworten, die Sie an mich gerichtet
haben betreffend Bundesheer-Zeiten. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass
die Zeiten der Bundesheer-Abgeltung in der Pensionsversicherung daraus
resultieren, dass das durchschnittliche Männereinkommen für die
ausschließlich von Männern geleistete Präsenzzeit interpoliert und angerechnet
wird. Die Auswirkungen darf ich Ihnen deutlich machen.
Nach Auskunft
meines Hauses bringt die Anrechnung der Kindererziehung den Frauen derzeit
90 € pro monatlicher Pension bei rund 100 angerechneten Monaten
Kindererziehung. Der Präsenzdienst bei Neuzugang und einer Dauer von rund
8 Monaten bringt den Männern rund 16 € pro monatlicher Pension. Ich
darf also auf der einen Seite 90 € auf der anderen Seite 16 €
gegenüberstellen. Dazu muss man auch die Wirkung und die Anrechnungsleistung
erwähnen. Daher glaube ich auch, dass bei den Anrechnungszeiten, bei den
Kinderbetreuungszeiten und bei den Zeiten für die Zukunft, Herr Professor, noch
einiges nachzuverhandeln ist. Die Frau Staatssekretärin meines Hauses und die
dankenswerterweise heute neben mir sitzende und teilweise diese Fragen auch
beantwortende Frau Bundesministerin Rauch-Kallat werden sich um die weitere
Entwicklung dieses Systems gemeinsam mit den Beamten meines Hauses nicht nur
kümmern, sondern das auch so finalisieren, dass manches, was heute schon in der
Vorbegutachtung ist, um das so zu bezeichnen, was medial in Diskussion ist und
was im Bewusstsein der beiden Regierungsparteien auch aus der Vergangenheit
unbefriedigend gelöst wird, langfristig positiver gelöst wird.
Bis zum Jahre
2010 – das darf ich schon hinzufügen – werden die jetzigen
ausreichenden Ersatzleistungen für die Frauen durchaus jene Wirksamkeit
haben, dass sie bis dorthin die Nachteile nicht spüren werden, die öffentlich
behauptet werden. Betreffend Pensionszuschuss und akute Probleme – Sie
haben richtigerweise in Ihren Aussagen die Industriellenvereinigung und die
Wirtschaftskammer zitiert – darf ich darauf hinweisen, dass der
Bundeszuschuss zu den Pensionszahlungen, wenn es dieses jetzige Paket nicht
geben würde, im Jahre 2006 14 876 Millionen € betragen würde und
auf Grund dieser Maßnahmen 13 900 Millionen €. Im heurigen Jahr
sind das im Übrigen 13 438 Millionen €.
Ich glaube daher,
dass auf einen Zeitraum von sechs Jahren diese 1 Milliarde Differenz zur
Entlastung des Budgets und der Zukunftsprobleme durchaus angemessen ist. Sie
kennen auch seit Herbst des Vorjahres den Bericht der
Pensionsreform-Kommission, wonach die Gesundheits- und Pensionsleistungen für
die jungen Menschen in diesem Staate, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert
wird und nicht rechtzeitig Maßnahmen für die Zukunft gesetzt werden, nahezu
50 Prozent des Aktivgehaltes der dann 2025 Beschäftigten
wegrationalisieren werden. Ich glaube daher, dass gerade für die soziale
Verträglichkeit und für die Einhaltung des Generationenvertrages eine
möglichst frühzeitige und eine möglichst für alle Bevölkerungsschichten
konforme Regelung eine Conditio sine qua non ist, um den sozialen Zusammenhalt
in unserem Staat nicht zu gefährden.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 76 |
Man sollte auch
nicht vergessen, dass das Rentensystem selbstverständlich nicht aus dem
Steuersystem herausgelöst ist. Herr Professor! Sie haben hier angeführt, dass
Ihnen die unteren Einkommen besonders am Herzen liegen – ebenso wie der
Bundesregierung. Es wird die vorgezogene Entlastung der Steuer mit
1. 1. 2004 den Pensionisten rund 450 € pro Jahr und den Aktiven
nach ASVG knapp über 523 € pro Jahr bringen in einer Einkommenskategorie
bis 14 000 S pro Monat, rund 14 500 € pro Jahr
Bruttolohnsumme. Dass darunter sehr viele Frauen sind, die Teilzeit oder
Halbzeit beschäftigt sind, brauche ich Ihnen als Kenner der Beschäftigungslage
in Österreich nicht nachvollziehbar zu machen. Es verwundert mich nur, dass bei
den Stellungnahmen dort, wo es unter Umständen negativ ist und bei einem
Rechenbeispiel die negativen Beispiele mitgerechnet werden, die positiven
Auswirkungen der vorgezogenen Steuerreform mit keinem einzigen Wort erwähnt
werden.
Diese
Steuerentlastung bis 14 000 S wird im Übrigen nach neuem Geld bis
etwa 1 800 € pro Monat brutto auch nach oben wirken. Dann ist die
Regelung so, dass sie unter 7 € fällt und daher tatsächlich vernachlässigbar
ist. Es ist also auch ein sozialer Ausgleich, der die untersten Schichten,
nämlich jene, die zwischen 10 500 S und 14 000 S verdienen,
voll entlastet und die Kategorie darüber, bis etwa 18 000 S, noch
merkbar entlastet.
Wenn man sich die
Einkommenstabelle in Österreich ansieht, stellt man fest, in den handwerklichen
Berufen, in den Sozialberufen, in sehr vielen anderen Berufen etwa Handel,
Schuhindustrie, Textilindustrie, aber auch Angestellte und Freiberufler wie
etwa ZahnarztassistentInnen, ArzthelferInnen und in anderen Berufen werden wir
damit 1,7 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern entgegenkommen.
Wir werden nahezu 800 000 Pensionisten – davon etwa
240 000 Pensionisten neu – mit dieser Regelung entgegenkommen
können. Ich würde nur um jene Fairness bitten, auch diese Entlastungseffekte
bei den Effekten für die nächsten fünf Jahre mitzuberechnen. (Beifall bei
den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
Ab dem Jahre 2012
wird das erste Mal die Regelung der „Abfertigung neu“ möglich sein, nämlich zu
entscheiden: herausnehmen, verbrauchen und in die Konjunktur setzen oder
bleibenden Pensionsausgleich haben. Zwei Jahre früher wird schon laut
Prämienvorsorgemodell die Entscheidung nach acht Jahren möglich sein.
Sehr geehrte Damen
und Herren! Ich glaube daher, dass es in diesem Bereich besonders wichtig ist,
auch diese Maßnahmen längerfristig für jene Altersschichten, die nach 2012
65 Jahre werden, mit zu berücksichtigen, weil auch das
Drei-Säulen-Modell heute in den 14 europäischen Staaten, die zur
Europäischen Union gehören, schon Standard ist und wir in Österreich
nachhinken.
Herr Professor
Konecny! Ich gebe
Ihnen durchaus recht, dass Schweden, Finnland, Dänemark und Holland heute eine
günstigere Situation haben, weil sie in ihren Budgets auf Grund der in den
Jahren 1995 bis 1997 umgesetzten Pensionsreformen das Einsparungspotenzial und
das Beschäftigungspotenzial langfristig lukriert haben, sodass sie heute unter
wirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen das Geld gezielt aus dem Budget
für Wirtschaftsbelebung verwenden können und nicht ausschließlich für die
soziale Sicherheit verwenden müssen.
Ich glaube, wir in
Österreich sollten auch daran denken, dass wir in der Zukunft jene Budgeträume
brauchen, um in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gegensteuern zu können und
nicht alles bis zum Deckel des Möglichen für ein erstrebenswertes und wünschenswertes
Sozialsystem, das für alle Generationen tragfähig ist, ausschließlich zu
sehen.
Ich würde mir
wünschen, dass unser Staat statt Schulden – gerade im Pensionssystem gibt
es eine 200-prozentige Verschuldung – die Versprechungen, was in den Pensionsvorsorgemaßnahmen
existieren hätte sollen, einlösen könnte. Denn dann könnten wir uns in
wirtschaftlich schwierigen Zeiten gleich wie Schweden und Finnland
Gegenmaßnahmen massiverer Art leisten, als wir sie uns derzeit im Strukturpaket
II geleistet haben.
Das Strukturpaket II 2002 hat uns immerhin statt der prognostizierten 320 000 Arbeitslosen Ende Februar – 320 000 laut Statistik des Arbeitsmarktservice und 340 000 laut Prognose der
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Arbeiterkammer –
einen tatsächlichen Arbeitslosenstand in der Höhe von 294 000 beschert.
Wir haben gegengesteuert. Wir haben immerhin 26 000 Menschen in
Beschäftigung halten können. Aber ich bin mit jedem hier in diesem Raume einig,
dass 294 000 Arbeitslose zu viel sind.
Wir hätten mehr,
schneller und besser gegensteuern können (Bundesrätin Schicker: Es ist gar nicht gegengesteuert worden!), wenn wir im
Budget nicht jene Situation vorgefunden hätten, die wir geerntet haben, sondern
eine Situation vorfinden würden wie etwa im Jahre 1972, als Bundeskanzler
Kreisky mit seiner Regierung bei damals 84 Milliarden Defizit angetreten
ist, um das auch einmal zu sagen.
Die Österreicher
sind bei diesen langfristigen Betrachtungen aber nicht daran interessiert, wo
das Geld vorgestern ausgegeben worden ist, sondern wie sie morgen, übermorgen
und in 20 und 25 Jahren sozialen Frieden haben werden. (Beifall bei den
Freiheitlichen und der ÖVP.)
Ich darf nunmehr
auf die Maßnahmen und auf Ihre Fragen im Einzelnen eingehen. Den allgemeinen
Teil habe ich, so glaube ich, aus meiner Sicht zur Genüge – in manchen
Punkten ergänzend und in manchen Punkten abweichend von Ihren
Vorstellungen – erläutert.
Ich darf nunmehr
zur Frage 1 kommen: Welche Auswirkungen hat die von der Bundesregierung in
Begutachtung entsendete Pensionsreform auf Frauen?
Kurzfristig – so
lange die vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer genützt wird
– sind die individuellen Betroffenheiten von Männern und Frauen in etwa gleich.
Die durchgeführten Simulationsberechnungen zeigen keinen signifikanten Unterschied
in der durchschnittlichen Betroffenheit von Frauen und Männern. Mittel- und
langfristig – nach Auslaufen der vorzeitigen Alterspension – könnten
allerdings Frauen stärker betroffen sein als Männer. Das ist eine Folge des
neuen Berechnungssystems, inhaltlich auch der alten und neuen Steigerungsbeträge
und der sonstigen Faktoren in der Pensionsberechnung.
Während Männer im
alten und im neuen Recht beim Pensionsantritt im Alter von 65 mit
45 Versicherungsjahren 80 Prozent der Bemessungsgrundlage erhalten,
bekommen Frauen beim Pensionsantritt im Alter von 60 bei Vorliegen von
40 Versicherungsjahren derzeit 80, im neuen Recht 71,2 Prozent. Bei
weiterer Beschäftigung von zwei Jahren gleicht sich das um jeweils
4,2 Prozent, aber hin auf 80 Prozent aus.
Ich darf darauf
hinweisen, dass es die Intention dieser Bundesregierung ist, Menschen länger in
Beschäftigung zu halten und nicht Menschen vorzeitig wegen
Beschäftigungsmangel in diesem Staat in die Alterspension drängen zu müssen.
Frauen können die
Pensionsminderung dadurch vollständig kompensieren, wenn sie vermehrt über das
60. Erwerbsjahr – wie ich es hier ausgeführt habe – in
Beschäftigung bleiben. Für manche, die lange Ehezeiten mit Kinderbetreuung
hinter sich haben und die, wie ich ausgeführt habe, mit 48, 50 Jahren
geschieden sind, ist das aber immerhin eine Verbesserung, weil sie mit der
Arbeitsleistung über 60 – wenn sie nach den seinerzeitigen Regelungen ihre
Sozialansprüche bei Heirat, im Vertrauen auf das Familienpensionssystem der damaligen
Zeit, aufgegeben und mit diesem Geld ins Haus oder in sonstige
Ausbildungschancen der Kinder investiert haben – die einzige Möglichkeit
auf eine tragfähige und lebenswerte Eigenpension haben. Es ist das gegenüber
dem Status quo, den wir für viele Frauen vorfinden, zumindest eine deutliche
Verbesserung, dass Arbeitsleistungen trotz Geringfügigkeit auch
pensionserhöhend sind und man nicht dann, wenn man nicht mehr kann, ohne
Ansprüche zurückbleibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ich darf hier nochmals erwähnen, dass die Angleichungen in Belgien 2009, in Deutschland 2004, in Italien und im Vereinigten Königreich, 1993 beginnend, demnächst abgeschlossen sein werden; die anderen Staaten haben das Pensionsrecht für Männer und Frauen schon harmonisiert und gleichgestellt. Ich bitte daher auch bei all den Berechnungen – weil wir uns auch noch immer in einem Versicherungssystem befinden –, die kürzeren Beitragszeiten und die längeren Pensionsbezugszeiten vom 60. Lebensjahr beginnend statt 65 und die längere Lebenserwartung, die Frauen haben, mit zu berücksichtigen und damit auch manche Ihrer Berech-
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 78 |
nungen auf das Maß zu reduzieren, dass tatsächlich in der
Gesamtsumme Einkünfte samt Beitragsleistungen und lukriertes Vermögen aus der
Pensionsversicherung fairer gegenübergestellt werden.
Versicherungsmathematische
Abschläge bei so genannter vorgenommener Inanspruchnahme sind kein
österreichisches Novum, sondern EU-Standard. Ich darf Sie darauf hinweisen,
dass in Deutschland 0,3 Prozent pro Monat – das sind 3,6 Prozent
pro Jahr –, in Spanien 7 bis 8 Prozent pro Jahr, in Portugal
4,5 Prozent pro Jahr und in Schweden 0,5 Prozent pro Monat – das
sind 6 Prozent pro Jahr – abgeschlagen werden.
Ich darf Sie
weiters auch darauf hinweisen, dass heute in den Medien, aber auch in den
vergangenen Tagen und Wochen immer die derzeit gültigen 3 Prozent
Abschlag wertfrei und ohne Erläuterungen mit den 4,2 Prozent Abschlag von
den Bruttopensionen pro futuro nach der derzeitigen Begutachtungsvorlage
verglichen werden. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass der Abschlag vom
Steigerungsbetrag der durchschnittlichen ASVG-Pension in der Höhe von
3 Prozent tatsächlich ein Abschlag von der Bruttopension in der Höhe von
nicht ganz 3,79 Prozent ist und daher der Vergleich in den Medien
3,79 : 4,2 fair wäre.
Damit würde man alleine aus diesem Titel nicht auf eine 30-prozentige
Verschlechterung, sondern zu realistischen Werten kommen. Ich bitte nur um
Fairness, dass man nicht Äpfel mit Birnen vergleicht, sondern Gleiches mit Gleichem
vergleicht. (Bundesrätin Schicker: Ich
würde so denken, dass man das in den Begutachtungsentwurf auch
hineinschreibt, dass die Leute es auch verstehen, Herr Minister! Denn wir verstehen
auch die Hälfte von dem nicht, was Sie uns da erklären! Sie reden nicht nur so
schnell, sondern Sie reden darüber hinweg! Viele verstehen es nicht! –
Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ich darf zu den
Einwänden beider Oppositionsfraktionen sagen, dass ich mich nie geweigert habe,
in jener Zeit, seit der ich in der Bundesregierung bin, meine Fachbeamten für
allfällige Fragen allen Klubs des österreichischen Parlaments zur Verfügung zu
stellen. Wir haben sogar unsere Fachbeamten dem deutschen Bundestag für
Erklärungen einzelner Fraktionen, wenn sie es gewollt haben, zur Verfügung
gestellt. Ich glaube daher, dass es sinnvoll ist, wenn die eine oder andere
Detailfrage in den Auswirkungen bei diesem komplizierten Rechenwerk, das die
Pensionsberechnungen in Österreich sind, zur Verfügung gestellt wird. (Bundesrätin
Schicker: Einfach und klar, dass es
die Leute verstehen, die Millionen Leute!)
Ich darf auch
darauf hinweisen, dass ich mich aus diesem Grunde, da sehr vieles in der österreichischen
Öffentlichkeit nicht verstanden wird und es sich daher trefflich für Populismus
von allen Seiten eignet (Bundesrat Konecny: Oh! Oh!), schon seit meinem Amtsantritt
bemüht habe, unter Mithilfe von Professor Tomandl zunächst das ASVG zumindest
einmal für Juristen lesbar zu machen, um dann in einer zweiten Stufe
vielleicht zu einem Pensionsrecht zu kommen, das für alle Staatsbürger lesbar
wird.
Ich glaube, es
wäre höchste Zeit, dass wir nicht nur in Politiker-Sonntagsreden sagen, dass
das ASVG das wichtigste für die Lebensplanung ist, und dabei aber vergessen,
dass wir mehr als 70 Änderungen des ASVG direkt und mehr als
150 Änderungen insgesamt haben, die in ihren Auswirkungen, in ihren
Verklausulierungen, in ihrer Verschränktheit und ihren teilweise sehr unterschiedlichen
Zitierungen für die Mehrheit der Österreicher und oftmals nicht einmal mehr für
Experten übersichtlich sind.
Ich glaube, Sie
rennen bei mir als Erstem offene Türen ein, wenn wir uns alle gemeinsam auf dieses
neue Regelwerk einigen können. Denn das, so glaube ich, wäre nämlich auch für
das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung in das Pensionssystem einer der
eminentesten Schritte, der vielleicht nicht so viel kostet wie viele andere
Schritte, die im Parlament gesetzt werden, aber die für die soziale
Ausgewogenheit und für die Lebensplanung tatsächlich einen Erfolg bringen
würden.
Daher wird auch das Pensionskonto nicht im Husch-Pfusch-Verfahren eingerichtet, sondern wir sind uns mit unseren Fachbeamten und den Fachmitarbeiterinnen und Fachmitarbeitern der Pensionsversicherungsanstalt einig – hier unterscheiden wir uns etwas von den eher juristisch
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 79 |
dominierten Persönlichkeiten unter den
Experten aus der Pensionssicherungskommission –, dass frühestens in drei
Jahren EDV-mäßig und verständnismäßig dieses Pensionskonto so eingerichtet
sein wird, dass es für alle Österreicherinnen und Österreicher dann auch ein
taugliches Instrument sein wird, die eigenen Pensionsansprüche abzulesen und
damit planen zu können, wann man mit welchen Abschlägen von welcher Pension in
Pension geht.
Daher haben wir
heute auch schon, um dieses System umzustellen – von den Steigerungsbeträgen
abgesehen –, die Abschläge von der Bruttopension festgehalten, denn mit
dem Ausweisen der Bruttopension und den dortigen Rechenexempeln können sehr
viele Österreicherinnen und Österreicher das nachvollziehbar gestalten, was sie
heute mit den 3 Prozent Berechnung vom Steigerungsbetrag nicht
nachvollziehen können.
Ich kann Ihnen
sagen, weil ich sehr viele Überprüfungen von Pensionsbescheiden bekomme, dass
sehr viele Menschen Schwierigkeiten damit haben, weil sie gedacht haben, diese
3 Prozent sind von der Bruttopension, oder manche haben sogar gedacht,
die 3 Prozent seien von anderen Pensionsleistungen mitgerechnet, weil sie
nicht berücksichtigt haben, dass sie zeitlebens in ihrem Erwerbsleben nicht
pensionspflichtige Zuschläge zu ihrem Einkommen gehabt haben, was sie nie
realisiert haben. Und dann, wenn diese Zuschläge wegfallen, sind sie in der
Pension auf einmal peinlichst berührt, dass ihr Grundeinkommen maximal
50 Prozent ihrer Lebenshaltungskosten gedeckt hat, und der Rest waren
Zuschläge, Zulagen und sonstige Aufwendungen, die sie bekommen haben.
Ich glaube daher,
dass es für Änderungen im gesamten ASVG-System höchste Zeit ist. Meine Bemühungen
habe ich zumindest begonnen, um das zu verbessern. – Bitte, Kollege Schennach.
(Bundesrat Schennach: Nur hier
wäre es sehr wichtig, dass Sie sagen, welche Frage Sie beantworten! –
Bundesrätin Schicker: Da wird man zu
Tode geredet! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ich darf
hinzufügen, Herr Kollege Schennach, dass ich vor jeder Frage auch immer die
Nummer der Frage mitteile und dann meine Antwort gebe. Wenn Zwischenrufe
kommen, verzeihen Sie mir, dass ich in meine alte parlamentarische
Gepflogenheit zurückfalle und auch auf Ihre Zwischenrufe aktuell antworte.
Daher wird das vielleicht etwas unübersichtlicher. (Bundesrat Konecny: Bitte antworten Sie aktuell: Bei
welcher Antwort sind Sie?)
Ich komme daher
zur Frage 2 (Bundesrat Konecny: Das ist unerhört! Pflanzen Sie
jemand anderen! – ironische Heiterkeit bei der SPÖ) und fasse sie noch einmal zusammen,
damit Sie auch so zusammengefasst ist, dass sie klar ist. (Allgemeine Heiterkeit.)
In der vorzeitigen
Alterspension wegen Arbeitslosigkeit sind 25 Prozent Männer und
75 Prozent Frauen. Auf Grund der Erwerbsbiographie der Frauen führt dies
zu niedrigeren Frauenpensionen. Durch die Schaffung des Altersübergangsgeldes
und die gleichzeitige Anhebung des Arbeitslosengeldes um 20 Prozent sind
diese Leistungen gegenüber des normalen Arbeitslosengeldes für Frauen in
Relation zu sehr vielen Pensionen kein gravierender Nachteil, sondern unter
Umständen sogar ein Vorteil.
Zu Frage 3: Welche
Auswirkungen wird das Auslaufen der Frühpension wegen langer Versicherungsdauer
auf Frauen bewirken?
Durch das
Auslaufen der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer werden zu
72 Prozent die Männer und nur zu 28 Prozent die Frauen betroffen
sein.
Zu Frage 4: Welche
Auswirkungen wird die Ausweitung des Durchrechnungszeitraumes von 15 Jahren
auf 40 Jahre bei gleichzeitiger Beibehaltung der Aufwertungsfaktoren auf Frauen
haben?
Auf der Basis der gegenwärtigen Aufwertungsfaktoren wird ein 40-jähriger Durchrechnungszeitraum Pensionsverluste in der Höhe von rund 25 Prozent mit sich bringen. Dies gilt allerdings nur unter Zugrundelegung der gegenwärtigen Erwerbs- und Einkommensbiographie. Es ist daher anzunehmen, dass sich in den kommenden Jahren die Erwerbsbiographien ändern werden
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 80 |
und eine exakte Abschätzung nach den
vorliegenden, aus der Vergangenheit herüberreichenden Erwerbsbiographien
nicht sinnvoll ist.
Ich darf Sie
darauf hinweisen, dass ich in meiner Präambel erwähnt habe, dass derzeit in der
Alterskategorie bis 45 bereits 78 Prozent der Frauen einer Erwerbsarbeit
nachgehen und dass dies vor 12 Jahren nur etwa 64 Prozent aller Frauen taten.
Frage 5: Welche
Auswirkungen wird die Reduktion des Steigerungsbetrages von 2 Prozent auf
1,78 Prozent auf Frauen bewirken?
Bis zum Jahr 2000
galt durch die Pensionsreform des Jahres 1997 der festgelegte Steigerungsbetrag
in der Höhe von 2 Prozent. Bis zu diesem Zeitpunkt galten bis 1. Jänner
2000 die niedrigeren Steigerungsbeträge von 1,83 Prozent beziehungsweise
1,675 Prozent pro Versicherungsjahr. Dabei handelte es sich um ein
Zurückgehen auf den mittleren Steigerungsbetrag ... (Bundesrat Konecny:
Nein!) – Ja, Sie können es sich leicht ausrechnen. (Bundesrat Konecny:
Das Berechnungssystem ...! Das stimmt einfach nicht!)
Herr Professor!
Sie werden mir Recht geben, Sie haben mich nach den Steigerungsbeträgen
gefragt, und im Hinblick auf die Steigerungsbeträge (Bundesrat Konecny:
Welche Auswirkungen es hat, nicht was im Jahr ...!) wird das ein
Zurückgehen auf die Steigerungsbeträge sein, die seit Mitte der achtziger Jahre
unbestritten waren. Man wird allerdings darangehen, die Auswirkungen, die
sich pro futuro durch die Änderung des Berechnungssystems ergeben, „abmildernd“
zu korrigieren.
Ich darf Sie schon
auch bitten, Herr Professor, dass Sie ... (Bundesrat Konecny:
Entschuldigen Sie! Das ist einfach sachlich unrichtig, was Sie sagen!) –
Nein, Herr Professor! Im Hinblick auf die Steigerungsbeträge nicht. (Bundesrat
Konecny: Wir haben bei dieser Reform eine maximal erreichbare
Pension von 78,5 auf 80 Prozent erhöht! Wir haben gleichzeitig den Berechnungsmodus
verändert! Davor gab es einen Sockelbetrag, der relativ überfallsartig
eintrat! Sie können da nicht Birnen mit Äpfeln vergleichen!)
Herr Professor! Es
steht mir nicht zu, die Fragestellung zu qualifizieren (Beifall bei den Freiheitlichen
und der ÖVP – Bundesrat Konecny: Nein!), aber ich darf Sie
schon darauf hinweisen, dass ich hier bin, um die Fragen, die Sie mir gestellt
haben, zu beantworten. (Bundesrat Konecny: Welche Auswirkungen wird
das haben? Das haben Sie nicht beantwortet! Das würde ich Sie bitten zu
beantworten!) Wenn Sie andere Fragen haben, Herr Professor, bin ich gerne
bereit, Ihre anderen Fragen zu beantworten. (Bundesrat Konecny: Das
sind keine Antworten!)
Es mag sein, Herr
Professor, dass Sie diese Antwort als unbefriedigend im Hinblick auf das empfinden,
was Sie sich vorgestellt haben. (Bundesrat Konecny: Auswirkungen sind
etwas, was in der Zukunft liegt!) Ich darf Ihnen auch sagen, dass die neben
Ihnen sitzende Frau Bundesrätin vor kurzer Zeit in einem Zwischenruf gemeint
hat, dass Ausführungen, die weitergehend sind, die Verständnisfrage eher
negativ beeinflussen. Daher bitte ich Sie, dass die Beantwortung der Fragen
einmal so durchgeführt werden kann, wie sie – für mich lesbar –
gestellt worden sind.
Zu Frage 6: Welche
Auswirkungen wird die Erhöhung des Abschlages bei früherem Pensionsantritt von
3 Prozent auf 4,2 Prozent auf Frauen bedeuten?
Dieser Vergleich
ist unzulässig. Zum einen handelt es sich beim geltenden Recht um den Abzug
von 3 Prozentpunkten von einem bestimmten erworbenen Steigerungsbetrag, zum
anderen handelt es sich bei den Vorschlägen um einen prozentuellen Abschlag von
bereits errechneten Pensionen.
Ich darf Sie
darauf hinweisen, was ich schon vorher zu den 3 Prozentpunkten ausgeführt habe:
Von den Abschlägen sind Männer und Frauen gleichermaßen betroffen. Es ist
anzumerken, dass gerade Frauen durch die Begrenzung der Abschläge mit 15
Prozent stärker profitieren als Männer. Dies gilt insbesondere für
Bezieherinnen von Invaliditätspensionen.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 81 |
Zu Frage 7: Wann
werden Wirkungen durch die Anerkennung von 24 Monaten (statt bisher 18 Monate)
des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld als pensionsbegründend entstehen? Welche
werden dies sein?
Ich darf Ihnen
sagen, die Ausdehnung der pensionsbegründenden Monate der Kindererziehung von
18 auf 24 Monate begünstigt Frauen, die das im Jahr 2002 eingeführte Kinderbetreuungsgeld
beziehen. Diese Frauen werden je nach Lebensverlauf etwa in 25 bis 45 Jahren in
Pension gehen. Inwieweit sie zu diesem Zeitpunkt von diesen Maßnahmen netto
profitieren, hängt von der zukünftigen Erwerbsbiographie ab. Ich kann das daher
auch auf Grund des Gesagten bezüglich der höheren Beschäftigungsquote von
Frauen bis 45 Jahre heute nicht endgültig beurteilen. Berechnungen zu diesem
Zeitraum sind also rein fiktiv, weil sie die heutigen Versicherungs- und
Erwerbsverläufe in das Jahr 2004 vorverlegen und interpolieren. Ich glaube,
dass wir uns alle darin einig sind, dass die Arbeitswelt und die
Wirtschaftssituation nicht dazu geeignet sind, solche Interpolationen
vorzusehen.
Zu Frage 8: Was
haben Sie als Frauenminister in die Pensionsreform eingebracht?
Ich darf darauf
hinweisen, dass es eine Erstreckung der Beitragsmonate von 18 auf 24 Monate
gibt und somit einen Anspruch auf pensionsbegründende Zeiten. Die Senkung des
fiktiven Ausgedinges für Bäuerinnen ist eine besondere Situation; dort, wo es
nämlich zur Pensionstrennung kommt, gibt es bekanntermaßen die
Ausgleichszulage nur einmal. Daher werden jene, die sich zur Trennung ihrer
Pensionen und zum Pensionssplitting aus schlechten oder nicht funktionierenden
Familienverhältnissen heraus entschlossen haben, von dieser Maßnahme besonders
profitieren.
Die Erhöhung um
und die Einführung von 0,1 Prozent allgemeiner Unfallversicherung wird
55 000 Frauen zugute kommen, die Haushaltsunfälle haben und die heute ohne
entsprechende zusätzliche Rehabilitationsleistungen, wie sie in der AUVA
gewährt werden, dastehen. Ich glaube, dass das eine Maßnahme ist, die, wie die
Arbeiterkammer Salzburg und die Arbeiterkammer Kärnten richtigerweise gesagt
haben, gut ist und eben bei Haushaltsunfällen sehr vielen Frauen zugute kommen
wird.
Außerdem ist das
Altersübergangsgeld eine wichtige Maßnahme für Frauen über 55. Die Aktion
„56/58“ bringt 6 Prozent Entlastung, nämlich 3 Prozent für den Arbeitnehmer und
3 Prozent für den Betrieb, um diese Frauen in Beschäftigung zu halten.
Ich darf Sie
weiters darauf hinweisen, dass mit der Aktion „60/65“ zu 12,6 Prozent –
jeweils zur Hälfte Arbeitnehmer und Arbeitgeber – die Altersbeschäftigung
erhöht werden und daher das Problem mit den Altersarbeitslosen verbessert
werden soll.
Ferner werden bei
Kündigungen von Über-50-Jährigen – wobei heute Frauen massiv benachteiligt
sind, weil sie billiger abzubauen sind – nunmehr mit der Anrechnung der
Zugehörigkeit zum Betrieb gerade Frauen dahin gehend begünstigt, doch in
Beschäftigung zu bleiben. Das Thema Kindererziehungszeiten haben wir schon
diskutiert.
Ich glaube daher,
dass die Verlängerung der Altersteilzeit und der erleichterte Zugang zur
Altersteilzeit und die dortigen Möglichkeiten, falls der Betrieb nicht
mitmacht, das Altersübergangsgeld und dann das um 20 Prozent höhere
Arbeitslosengeld zu zahlen, gerade für Frauen mit ihrer schlechteren
Einkommenssituation in manchen frauenspezifischen Berufen eine Verbesserung
und keine Verschlechterung darstellen.
Die Fragen 9, 10
und 11 darf ich in einem zusammenfassen:
Ich habe ein
breites Spektrum an neuen Ideen, die ich zusammen mit meinen Parteifreunden,
aber auch mit dem Regierungspartner diskutieren werde. Manche dieser Vorschläge
sind in den letzten Tagen bereits durchaus auf fruchtbaren Boden gefallen, wenn
ich etwa auf die Aussendung des Kollegen Bartenstein und seine Aussagen im
Fernsehen Bezug nehmen darf, dass nämlich die weit zurückliegenden
Arbeitsleistungen besser valorisiert werden sollen.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 82 |
Ich darf in diesem
Zusammenhang Sie, Herr Professor, und Ihre Fraktion darauf aufmerksam machen,
dass 1 000 € des Jahres 1965, wenn man sie mit der Lohnentwicklung
valorisieren würde, bis zum heutigen Tag knapp über 9 000 € bedeuten
würden und dass man, wenn man die damaligen Einkommen mit dem Pensionssystem
und der üblichen Valorisierung ansieht, diese nur mit 4 800 bis 6 200
€ valorisiert, was etwa ein Drittel weniger ist.
Ich darf Sie
darauf hinweisen, dass gerade die Berufe in der Gastronomie und die Berufe im
Bau- und im Baunebengewerbe in den Jahren 1965 bis 1975, wie aus den
Statistiken zu ersehen ist, die höchsten Realeinkommen hatten und dass daher
für diese Berufsgruppen eine Verbesserung des derzeit gültigen
Valorisierungssockels für diese zurückliegenden Jahre auch für jene, die
nunmehr von den Übergangsregelungen und der Neugestaltung betroffen sind,
Pensionserhöhungen von bis zu 5 Prozent bedeuten würde.
Ich möchte hier nicht polemisch werden, aber diesen Menschen hat man auch bei einem Durchrechnungszeitraum von 15 Jahren auf Grund der schlechten Valorisierung meistens die besten Einkommensjahre bis zum heutigen Tage vorenthalten. Ich glaube daher, dass es an der Zeit wäre, dieses Vorenthalten von mehr als drei Jahrzehnten Arbeitsleben endlich zu beenden, und ich bin sehr zufrieden, dass sich beide Regierungsparteien bereits zu diesem Schritt durchgerungen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
Zu Frage 12:
Sehr geehrter Herr
Professor Konecny! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Begutachtungsentwurf dient dazu,
dass davon abweichende Meinungen formuliert werden können. Tauchen abweichende
Meinungen in einem Begutachtungsverfahren auf, ist nach Abschluss des Begutachtungsverfahrens
darauf Rücksicht zu nehmen, welche der Anregungen sinnvoll sind, ob es für die
gesamte Solidargemeinschaft interessant ist, diese auch umzusetzen, und welche
dieser Vorschläge nur aus Partikularinteressen von der einen oder anderen
Gruppe und auf Kosten der Solidargemeinschaft aller Berufe erhoben werden.
Zweitens wird es
für mich wichtig sein, auf die Verfassungskonformität zu achten und verfassungsmäßige
Bedenken zu berücksichtigen, weil ich glaube, dass es für das Pensions- und Sozialsystem
das Wichtigste ist, sich auf in verfassungsrechtlicher Hinsicht sicherem
Terrain zu bewegen. Daher beunruhigen mich diese Meinungen nicht. Das, was
mich beunruhigt, ist, dass, wie etwa heute in den Zeitungen, Personen aus allen
Parteien und allen Berufsgruppen zur Absicherung ihrer Partikularinteressen
beziehungsweise ihrer regionalen Interessen eine Diskussion führen, die nicht
auf die gesetzmäßigen Gegebenheiten eingehen, sondern die vordergründig etwas
vorstellen, was hintergründig weder sozial noch ausgewogen ist.
Ich meine daher,
dass wir am Ende der Debatte gut beraten sein werden, alle ernst zu nehmenden
Argumente des Begutachtungsverfahrens in die Beschlussfassung aufzunehmen,
nicht aber die jener, die glauben, dass es noch immer möglich ist, sich auf
Kosten anderer die Rosinen aus dem gesamten schwer verdienten Kuchen der
österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der gesamten
österreichischen Wirtschaft – ob staatlich, halbstaatlich oder
ASVG-Bereich – zu picken. (Bundesrat Konecny: Wer sind die, die
das angeblich wollen?)
Wenn man sich die
Zahlen des Budgetbegleitgesetzes ansieht, in welchem Verhältnis die Leistungen
zwischen den Gruppen aufgeteilt sind, und dem die Relation der Betroffenen mit
den Leistungen, die damit finanziert sind, gegenüberstellt, so sollte man nicht
vergessen, dass auch hier weitestgehend eine Ausgewogenheit der Maßnahmen
zwischen den einzelnen Berufsgruppen herrscht.
Am Ende meiner Stellungnahme möchte ich noch Folgendes betonen: Ich wünschte mir, dass Herr Kollege Gusenbauer das, was er in den Medien gesagt hat – ohne sein Programm für eine Pensionsreform vorzustellen –, auch im Hohen Haus Wirklichkeit werden lässt, nämlich eine Harmonisierung aller Pensionssysteme, also auch der Bundes-, Landes- und Gemeindebe-
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 83 |
diensteten sowie der restlichen
Bereiche, die von ASVG-Versicherten immer schon als geschützt und privilegiert
angesehen wurden.
Hinsichtlich der Politikerpensionen bin ich derselben Ansicht wie damals, im Jahre 1995, nämlich dass es höchst an der Zeit wäre, auch unser Pensionssystem endlich so abzuändern, dass die Menschen im ASVG-System dafür Verständnis haben, und dass die Politiker nicht besser gestellt werden. (Bundesrätin Bachner: Wer hindert Sie? Wer verhindert es?) Ich sage das als jemand, der hier nie verschwiegen hat, dass für ihn noch das „uralte“ System gilt, der aber dieses uralte System gegenüber den übrigen Mitgliedern dieser Gesellschaft immer als nicht ausgewogen betrachtet hat. Es wundert mich, Herr Professor, dass diese Frage von Ihnen nicht angesprochen wurde! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
15.44
Präsident Herwig Hösele:
Wir gehen nunmehr
in die Debatte ein.
Ich mache darauf
aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit
jedes Bundesrates mit 20 Minuten begrenzt ist.
Zu Wort gemeldet
hat sich Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile ihr dieses.
15.44
Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter
Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Ich weiß nicht, ob
ich mit 20 Minuten Redezeit auskommen werde, wenn ich jetzt auf all diese
Feststellungen antworten soll, die der Herr Vizekanzler in seiner schnellen
Art, zu sprechen, getroffen hat. Ich werde mich aber bemühen. (Bundesrat Bieringer:
Das ist in der Geschäftsordnung geregelt! Das brauchen wir nicht zu
diskutieren!) – Die Fragen waren schnell beantwortet, die Präambel war
aber sehr lange. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Mag. Haupt.) –
Die Taktik – da kann ich Ihnen Recht geben –, die Sie immer pflegen,
Herr Vizekanzler, ist aufgegangen.
Meine Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit dem Bekannt-Werden der Maßnahmen
dieser geplanten Pensionsreform waren die Medien voll mit Schlagzeilen. Sie lesen
jeden Tag Zeitungen, alle möglichen Zeitungen, in allen Bundesländern und aller
Couleurs.
Es hat
Schlagzeilen gegeben wie: Pensionsraub. Anschlag auf den geruhsamen
Lebensabend. Die Gräben werden vergrößert. Es wird getäuscht und betrogen. Das
ist modernes Raubrittertum. Die Regierung spart bei Alt und Jung. Ein ganzes
System wird zerschlagen. Es ist zum Kotzen. – Entschuldigen Sie diesen
Ausdruck, aber auch das ist in der Zeitung gestanden.
Weiters stand zu
lesen: Aufstand der Wähler. Und – diese dringliche Anfrage
betreffend –: Die Frauen sind härtest betroffen.
Diese und viele
andere Schlagzeilen sowie auch Aussagen von Persönlichkeiten Ihres Koalitionspartners,
der ÖVP, Herr Vizekanzler – die Frau Bundesministerin ist anwesend –,
bestätigen das und kommen nicht von ungefähr. Sie bestätigen, dass die
Versorgung der Frauen im Alter sehr schlecht ist.
Ich zitiere noch
Aussagen von Spitzenrepräsentanten der ÖVP und wiederhole nicht das, was mein
Klubobmann, Professor Konecny, gesagt hat, denn es gibt noch viele andere
Aussagen, die ich Ihnen hier zu Gehör bringen möchte, wenn Sie sie vielleicht
nicht gelesen haben. Vielleicht bringen diese auch Sie zum Umdenken.
Ich entschuldige
mich, wenn ich im Folgenden nicht alle Titel und Funktionen dieser Personen
anführe. Da war zum Beispiel Herr Abgeordneter Spindelegger – bei ihm sage
ich es dazu, er ist der außenpolitische Sprecher der ÖVP –, der meinte:
Diesen Entwurf würden wir so nicht mittragen.
Ich zitiere Herrn
Abgeordneten Fasslabend: Entwurf muss überarbeitet werden. Übergangsregelungen
dürr.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 84 |
Ich zitiere Herrn
Dinkhauser aus Tirol: Pensionsreform – schreiendes Unrecht.
Ich zitiere
nochmals Herrn Dinkhauser: Schüssel kann Regierung nicht weiterführen, wenn er
Pensionsreform so durchziehen lässt.
Ich zitiere die
Kollegin der FCG, Christine Gubitzer: Das ist modernes Raubrittertum.
Ich zitiere
nochmals Frau Kollegin Gubitzer: Pensionsreform als Sammeln von Geld, um irgendwie
das Budget abzusichern.
Ich zitiere Herrn
Abgeordneten Neugebauer: Kurzfristig sind derart gravierende Maßnahmen nicht
notwendig.
Ich zitiere die
FCG-Frauen: Frauen um Alterssicherung betrogen. (Bundesrat Mag. Himmer:
Haben Sie etwas Eigenes auch noch?) – Ich brauche nicht zu zitieren,
ich sage Ihnen, was ich denke. Ich kann aber nur andere Personen zitieren,
lieber Kollege Himmer!
Ich zitiere den
Herrn Verteidigungsminister: Unsoziale Maßnahmen.
Ich zitiere Herrn
Landeshauptmann van Staa: Sonst droht Widerstand aus Tirol, sollte diese unsoziale
Regelung umgesetzt werden.
Ich könnte diese
Liste noch beliebig fortsetzen, will aber nicht ... (Bundesrat Mag. Himmer:
In 20 Minuten?) – Ich habe in diesen 20 Minuten noch etwas anderes zu
sagen und will nicht nur zitieren, Herr Kollege Himmer!
Ich wollte damit
nur zum Ausdruck bringen, dass es nicht immer die Aussagen der Opposition sind,
die Sie zu bekritteln haben, sondern diese kontroversen Aussagen zur
Pensionsreform kommen aus Ihren eigenen Reihen und von der Gewerkschaft, aber
nicht von der FSG, sondern von der FCG! Das sollte Ihnen schon zu denken
geben.
Herr Vizekanzler!
Es gab heute Vormittag eine Fragestunde. Obwohl Frau Staatssekretärin Haubner
in dieser Fragestunde bereits viele verschiedene Schritte einer Nachjustierung
angedeutet hat, um vorgesehene harte Maßnahmen sozusagen abzufedern, bleibt
doch noch vieles offen.
Ich frage mich,
weil so viele Fragen offen bleiben und weil so vieles nachjustiert werden muss:
Warum hat man das nicht vorher in diesen Begutachtungsentwurf eingebaut, wenn
man schon gewusst hat, was alles schief läuft?
Ich will weder die
Experten beschuldigen, die Daten nicht richtig errechnet zu haben, auf welcher
Seite diese Experten auch immer stehen mögen, aber ich muss sagen: Irgendetwas
ist da schief gelaufen!
Es musste schnell
gehen, Herr Vizekanzler! Doch wie immer, wenn etwas schnell gehen muss,
entsteht eine Husch-Pfusch-Vorlage, und wir haben das in den letzten drei
Jahren erlebt. Speed kills – dieser Ausdruck ist noch immer aktuell!
Ich werde mich
jetzt bemühen, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu erklären, wie prekär durch
die geplanten Maßnahmen die Situation für die Frauen wird, wie erheblich sie
sich für sie verschärfen wird.
Zur Ausgangslage:
Aus der Statistik – diese ist nicht anzuzweifeln – ist zu entnehmen,
dass nach den im Jahre 2001 neu zuerkannten Alterspensionen Frauen eine Pension
in der Höhe von durchschnittlich 8 902 S monatlich bekamen, Männer
hingegen eine solche in der Höhe von 23 638 S. Das sagt die Statistik
des Sozialministeriums aus, und diese ist nicht anzuzweifeln. Das heißt: Da
stehen 8 000 S 23 000 S gegenüber. Das ist ein Faktum!
Sie, Herr Vizekanzler, beziehungsweise die Regierung plant nun die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen Arbeitslosigkeit. Es soll die Frühpension wegen Arbeitslosigkeit Ende
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 85 |
2003 auslaufen und durch ein Übergangsgeld ersetzt werden. Da diese
vorzeitige Alterspension wegen Arbeitslosigkeit vor allem von Frauen
beansprucht wird – Ende 2002 waren es 11 860 Frauen und im
Verhältnis dazu nur 2 822 Männer –, werden damit vor allem Frauen
länger in der Arbeitslosigkeit verbleiben müssen.
Wenn ich jetzt
höre, dass die durchschnittliche Höhe des Übergangsgeldes bei Frauen bei
763 € liegen wird, so muss ich feststellen: Sie ist damit annähernd gleich
hoch wie die vorzeitige Alterspension wegen Arbeitslosigkeit bei Frauen mit
760 €. Warum ändert man das? – Das frage ich mich.
Ein nächstes
Beispiel: Mit dem Übergangsgeld wurde für arbeitslose ältere Personen auch nur
eine befristete Lösung geschaffen. Das Übergangsgeld gibt es nur mehr für
Frauen, die vor Juli 1950 geboren sind und zwischen 2004 und 2006 die
Voraussetzungen für das Übergangsgeld erfüllen. Nach Auslaufen dieses
Übergangsgeldes fehlt für viele Frauen eine Absicherung bei Arbeitslosigkeit,
da in erster Linie Frauen von der Kürzung beziehungsweise Streichung der Notstandshilfe
wegen Anrechnung des Partnereinkommens betroffen sind. Das heißt, dass viele
Frauen Pensionszeiten verlieren werden.
Nächster Punkt:
Die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen langer Versicherungsdauer.
Die Frühpension wegen langer Versicherungsdauer soll von Mitte 2004 bis Oktober
2009 auslaufen, so heißt es im Begutachtungsentwurf. Was heißt das? – Der
Durchrechnungszeitraum für die Pensionsbemessung wird von 15 Jahren auf 40
Jahre schrittweise ausgeweitet, beginnend ab 2004 wird bis 2028 der
Bemessungszeitraum um jeweils ein Jahr verlängert.
Für Zeiten einer
Teilzeitbeschäftigung wegen Betreuungspflichten ist aber keine Sonderregelung
vorgesehen. Eine Änderung der Aufwertungsfaktoren ist im Entwurf auch nicht
vorgesehen.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Durch diese Ausweitung des Durchrechnungszeitraumes
bei gleichzeitiger Beibehaltung der Aufwertungsfaktoren werden Frauen in
zweifacher Hinsicht diskriminiert.
Ich könnte diese
Liste von Beispielen oder Durchrechnungen oder von Experten durchgerechneten
Situationen von Frauen noch beliebig fortsetzen, aber das würde nichts daran
ändern. Herr Vizekanzler! Sie wissen ohnehin, wo es die Frauen überall trifft.
Stichwort:
Reduktion des Steigerungsbetrages. Stichwort: Abschläge bei früherem Pensionsantritt.
Stichwort: Valorisierung von Neuzugängen. Stichwort: Pensionsbegründung von
Kindererziehungszeiten und und und.
Nichts gehört habe
ich zu der Frage: Was ist mit dem „Opting-in“ bei geringfügig Beschäftigten?
Werden diese Zeiten in die Bemessungsgrundlage eingerechnet?
Nichts gehört habe
ich zu der Frage: Wie werden die Kindererziehungszeiten in die Bemessungsgrundlage
einbezogen?
Nichts gehört habe
ich zu der Frage: Kann es sein, dass sich Zeiten der Teilzeit negativer auswirken
als eine längere Berufsunterbrechung, weil damit nur die höhere
Bemessungsgrundlage eingerechnet wird? – Und und und.
Viele Fragen sind
offen! Herr Vizekanzler! Frau Frauenministerin! Sie sind am Zug! Wir werden
natürlich sehr genau schauen, wie diese Begutachtungsentwürfe aussehen werden,
wenn sie zurückkommen, beziehungsweise was Sie davon einbauen, Herr
Vizekanzler!
Zusammenfassend
möchte ich und müssen wir feststellen, dass Frauen durch diese geplante Pensionsreform
der Bundesregierung massive Benachteiligungen hinnehmen werden müssen. Meine
Fraktion bringt aus diesem Grund folgenden Entschließungsantrag ein – ich
bemühe mich, so schnell wie möglich zu sprechen, um an Ihr Tempo heranzukommen,
Herr Vizekanzler –:
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 86 |
Entschließungsantrag
der Bundesräte
Johanna Schicker, Roswitha Bachner und KollegInnen betreffend massive Benachteiligungen
für Frauen durch die geplante Pensionsreform der Bundesregierung – Rücknahme
der Pensionsreformschritte, die die Frauen benachteiligen
Auf die von
Bundesminister Haupt und Bartenstein vorgestellte Pensionsreform gab es heftige
und massive Kritik von Seiten der Opposition, unabhängiger Experten, aber auch
hochrangigen Vertretern der beiden Regierungsparteien. Ein Hauptansatzpunkt
der Kritik ist anbei die massive Benachteiligung von Frauen und der negative
Einfluss durch die Pensionsreform auf die sozialen Lebensbedingungen der
Frauen.
Eine umfassende
Begründung dafür und eine umfassende Darstellung der verschiedensten Positionen
ist der Dringlichen Anfrage der Bundesräte Prof. Konecny und GenossInnen betreffend
massive Benachteiligung für Frauen durch die geplante Pensionsreform der
Bundesregierung zu entnehmen.
Der Text des
Entschließungsantrages ist inhaltsgleich mit dem die Frauen betreffenden Punkt
der einstimmig beschlossenen Resolution der Kärntner Landesregierung.
Die
unterzeichneten Bundesräte stellen daher den folgenden
Antrag:
Der Bundesrat
wolle beschließen:
Entschließung:
Der Bundesrat hat
beschlossen:
Die
Bundesregierung wird aufgefordert, die für Frauen und Mütter besonders
benachteiligenden Reformschritte im Rahmen der Pensionsreform zurückzunehmen.
*****
Ich lade Sie,
meine Damen und Herren, ein, im Interesse aller Frauen in diesem Land diesem
Entschließungsantrag beizutreten beziehungsweise ihn zu unterstützen.
Herr Vizekanzler!
Frau Bundesministerin! Ich möchte mit der Einbringung dieses Entschließungsantrages
schon zum Schluss kommen, möchte aber nicht verabsäumen, auf ein Beispiel
hinzuweisen, das mir gestern zur Kenntnis gebracht worden ist. Damit komme ich
auch auf die Situation der Männer zu sprechen, denn in Zeiten von Gender Mainstreaming
sollte man sich nicht nur für eine Sparte einsetzen. Ich bringe jetzt ein
Beispiel der Situation eines Mannes.
Dieser Mann,
dessen Situation ich hier meine, hat mir gestern einen Zettel zugesteckt, auf
welchem er seinen Arbeitsverlauf schildert. Er war verzweifelt und versuchte,
flehentlich zu erkunden, ob das, was er befürchtet, auch so sei.
Dieser Fall ist
wahrscheinlich einer von Zigtausenden. Ich könnte auch eine schriftliche
Anfrage an den Herrn Vizekanzler richten oder in seinem Ministerium anrufen.
Ich schildere den Fall deswegen hier, weil er beispielhaft für viele Männer in
solch einer Situation ist.
Herr Vizekanzler!
Dieser Mann, von dem ich hier spreche, ist am 9. Dezember 1944
geboren. Das heißt, er würde mit Ende nächsten Jahres auf Grund von
45 Versicherungsjahren, die er dann hätte, in Pension gehen können.
Er hat bis April dieses Jahres 522 Versicherungsmonate erworben und würde, wie gesagt, im Dezember nächsten Jahres 45 Versicherungsjahre erreicht haben – nach der so genannten
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 87 |
„Hacklerregelung“, die jetzt als Formulierung auch Eingang in einen
Regierungsentwurf gefunden hat.
Abgesehen von den
erhöhten Abschlägen, die noch hinzukommen würden, kommt bei ihm noch folgender,
wirklich fataler, persönlicher Umstand hinzu: Seine Firma, ein Elektro-Unternehmen,
schließt Mitte dieses Jahres ihre Filiale, weil die Konjunktur sehr schwach ist
und die Mitarbeiter nicht mehr gehalten werden können. Dieser Herr erhielt im
März seine Kündigung per Ende Juni. Nach Auskunft der Pensionsversicherungsanstalt
hätte er jetzt ein Jahr die Möglichkeit, Arbeitslosengeld zu beziehen, und
würde dann in den Notstand gelangen. Notstand ist gleich Sozialhilfe. (Vizepräsident Weiss übernimmt den
Vorsitz.)
Ich bitte da
wirklich um Aufklärung!
Das passiert ihm
ein halbes Jahr vor seinem 60. Geburtstag nach 44 Arbeitsjahren. Er würde
unverschuldet aus der „Hacklerregelung“ fallen, weil er in der Arbeitslose
dieses eine Jahr, die-se 12 Monate, nicht dazuerwerben kann, und würde
dann nach dem heutigen Entwurf bis zum 65. Lebensjahr Sozialhilfebezieher
sein, und das mit 44 echten Arbeitsjahren. Das kann doch nicht möglich sein!
Solche Fälle wie
diesen gibt es Zigtausende. Meine Damen und Herren! Denken Sie einmal nach!
Eines noch: Sie
haben das auch ein bisschen zynisch gemeint, Herr Vizekanzler, als Sie gesagt
haben, manche suchen sich nur die Rosinen aus dem Kuchen heraus, und und und. –
Ich wiederhole: Dieser Mann hat 44 Jahre lang gearbeitet. Er hätte auch
das 45. Jahr voll erreicht, wenn sein Unternehmen nicht schließen würde.
Die zynische
Auskunft eines Beamten der Pensionsversicherung lautete dann: Sie hätten vielleicht
noch die Möglichkeit, in die Invaliditätspension zu gehen, aber dafür waren Sie
viel zu selten krank!
Meine Damen und
Herren! Das muss man sich nach 44 Jahren Dienstzeit sagen lassen –
abgesehen davon, dass diese neue Regelung, die diese gravierenden Änderungen
vorsieht, moralisch nicht gerechtfertigt ist.
Herr Vizekanzler!
Ich ersuche Sie eindringlich, diesen Leuten zu helfen, denn sie verlieren jeden
Glauben an einen Vertrauensschutz, sie verlieren jedes Vertrauen in die
Gesetzgebung, das wir alle eigentlich haben sollten. – Danke schön. (Beifall
bei der SPÖ.)
16.03
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Schicker, Kolleginnen
und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend massive
Benachteiligung für Frauen durch die geplante Pensionsreform der
Bundesregierung – Rücknahme der Pensionsreformschritte, die die Frauen
benachteiligen, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächster zu
Wort gemeldet hat sich der Herr Vizekanzler. – Bitte.
16.03
Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag.
Herbert Haupt: Ich möchte grundsätzlich sagen: Ich
bin gerne bereit, mir all diese Fälle mit den Beamten meines Hauses und jenen
aus dem Bundesministerium meines Kollegen Bartenstein anzusehen, sodass man
auch bei der jetzt vorliegenden Regelung weiß, wie es jemanden betrifft.
Ich möchte nur
ganz kurz in Bezug auf das Altersüberleitungsgeld und die Regelungen, die damit
zusammenhängen, sagen, dass diese Fälle nicht in die Notstandshilfe fallen,
sondern in der 20-prozentig erhöhten Arbeitslosigkeit bleiben. Das resultiert
aus den Regelungen des Ressorts des Ministers Bartenstein. Wir werden das gerne
so machen.
Eine Frage habe ich tatsächlich nicht beantwortet, die Sie gestellt haben, nämlich die Frage, ob sich das Dazuverdienen bei der Kinderbetreuung überhaupt rentiert. Meine Antwort: Es rentiert
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 88 |
sich, weil das Additiv dazugerechnet wird. Es werden
zuerst die Beitragsjahre gerechnet, dann dazu die Kinderbetreuungszeiten, aber
die additive Rechnung ist nicht so, dass es zu 100 Prozent dazugeschlagen
wird, sondern ist eine komplizierte mathematische, sodass es nicht die volle
100-prozentige oder die volle 20-prozentige Erhöhung gibt, sondern eine
Teilerhöhung.
16.05
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat
Mag. Harald Himmer. – Bitte.
16.05
Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Minister!
Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident! Ich glaube, wir haben in dieser
Diskussion, einleitend mit der Wortmeldung des Kollegen Konecny, der bei den letzten dringlichen
Anfragen doch immer im Tiefflug dahergekommen ist, hingegen aber heute Ruhe und
Sachlichkeit ausgestrahlt hat – ich möchte nicht sagen, dass ich da schon
wieder ein bisserl enttäuscht bin (Heiterkeit
bei der SPÖ), aber normalerweise erübrigt sich jede Rede, denn man nimmt
sich einfach die fünf besten Zitate von Kollegen Konecny her und spricht darüber –,
auch die Möglichkeit, inhaltlich auf diese Gesetzesmaterie einzugehen.
Ich glaube, es
haben gerade die Koalitionsverhandlungen oder die Sondierungen in diesem Zusammenhang
gezeigt, dass man im Befund nicht weit auseinander liegt. Es ist hier
wiederholt festgestellt worden, dass man im Jahre 1970 8,8 Jahre in Pension
gewesen ist und dass dieser Zeitraum bis 2001 auf 20,3 Jahre angestiegen ist.
Es ist ebenso klar, dass die Zahl der Geburten abnimmt, dass aber die
Österreicher immer früher in Pension gehen. Österreich hat zwar eines der
besten, aber auch eines der teuersten Pensionssysteme weltweit. Jetzt geht es
darum, unser Pensionssystem gerecht umzubauen und nachhaltig für die Zukunft
zu sichern.
All diese Dinge
sind hier bereits sehr deutlich gesagt worden, und es besteht daher so gut wie
keine Notwendigkeit, sie nochmals zu wiederholen.
Die wesentlichen
Eckpunkte der Reform sind die schrittweise Abschaffung der vorzeitigen Alterspension,
die Fortschreibung der „Hacklerregelung“, die Neuordnung der Steigerungsbeträge,
die Anrechnung der Kindererziehungszeiten und die Valorisierung der
Neupensionen. Über diese Punkte herrscht zum großen Teil mit allen Fraktionen,
wie ich weiß, vom Grundprinzip her Konsens. Natürlich gibt es im Zuge der
Begutachtung noch genügend Zeit, in welcher die politische Diskussion
stattfinden kann und in welcher die verschiedenen Verantwortungsträger auf den
Gesetzwerdungsprozess Einfluss nehmen wollen. Das geschieht zum Teil auch mit
heftigen Worten auch aus meiner Fraktion. Das kann bei solch einer wichtigen
Materie doch wohl niemanden wirklich wundern.
Woran ich trotzdem
erinnern möchte, das sind einige Zitate, die von Seiten der sozialdemokratischen
Fraktion gekommen sind. So hat zum Beispiel der Vorsitzende der Sozialdemokratischen
Partei noch im Jänner über eine Zusammenarbeit mit der Volkspartei so
spekuliert, dass er gemeint hat, eine schwarz-rote Koalition hätte nur dann
einen Sinn, wenn die Reformen so tief greifend sind, dass den Menschen der Mund
offen bleibt. Ich weiß nicht, was er mit den Worten „dass den Menschen der
Mund offen bleibt“ gemeint hat, aber offensichtlich hat er damit zumindest
gemeint, dass sehr fundamentale Reformen notwendig sind.
Derselbe
Vorsitzende hat auch die Angleichung der Pensionssysteme gefordert, und
derselbe Vorsitzende hat sich auch für das Auslaufen der Frühpensionen
ausgesprochen und auch erkannt, dass er wahrscheinlich bis zu seinem
65. Lebensjahr wird arbeiten müssen. In vielen Grundzügen ist das also
das, was auch hier außer Streit steht.
Besonders erwähnen
möchte ich, dass sich der Vorsitzende der SPÖ auch dazu bekannt hat, dass eine
Milliarde bis 2006 eingespart werden muss und dass auch die Lebensarbeitszeit
wird durchgerechnet werden müssen. Das Ganze geht natürlich auch in die
Richtung, dass – und damit ist in erster Linie die Pensionssicherung
verbunden – die Leistungen nicht so wie in der Vergangenheit
aufrechterhalten werden können.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 89 |
Ich glaube, es
stellt sich in diesem Zusammenhang immer wieder die Frage: Wer hat Schuld an
der gegenwärtigen Ist-Situation? – Ich glaube, der Wahlkampf ist zur Zeit
nicht aktuell. Es würde mir zwar einiges dazu einfallen, was
sozialdemokratische Sozialminister betrifft, was unterschiedliche
Versprechungen von Bundeskanzlern anlangt, aber ich würde sagen: Am Ende des Tages,
da das hier ein Parlament ist, muss man zugeben: Wir haben die
Maßnahmen nicht früher gesetzt – welche Regierung auch immer zu welcher
Zeit, welche Opposition auch immer zu welcher Zeit, es sind von diesem Haus die
Maßnahmen nicht früher gesetzt worden. Und dass man dann natürlich, je länger
man mit diesen Maßnahmen zuwartet, desto härter hineinschneiden muss, liegt in
der Natur der Sache.
Ich möchte aber
auf einen Punkt eingehen, der mir wichtig ist. Ich möchte für die jüngere Generation
sagen: Wenn man hier die längeren Übergangsfristen schönredet – das möchte
ich ausdrücklich betonen: schönredet! –, dann muss man
schon auch bedenken, dass das zwar sehr fein für alle diejenigen, die von den
längeren Übergangsfristen bevorteilt sind, ist – und es ist eine durchaus
sachliche, wichtige Diskussion, wenn man überlegt: Wie kann man, auch was die
Lebensplanung betrifft, sinnvoll vorgehen? –, aber man muss gleichzeitig
darauf hinweisen, dass, wenn wir von längeren Übergangsfristen sprechen, das
trotzdem wieder jemand bezahlen muss.
Dass die jüngere
Generation allein mit der Begründung, dass man sich länger darauf einstellen
kann, davon überzeugt werden soll, entweder noch mehr und noch mehr in das
Pensionssystem zusätzlich einzuzahlen oder weniger herauszubekommen, ist für
mich keinesfalls gerechtfertigt. Das Momentum, dass man dafür länger planen
kann, ist für mich nicht ausreichend, um alles zu entschuldigen. Daher finde
ich, dass man über die Frage, wo da das Gleichgewicht liegt, schon engagiert
streiten darf.
Da hier der
berechtigte Standpunkt der älteren Generation wiederholt eingebracht worden
ist, möchte ich – da sich das Gesetz auch noch in Begutachtung
befindet – diesen Punkt in der Diskussion nicht unerwähnt lassen:
Letztendlich muss alles, was wir bei Übergangsfristen großzügiger regeln,
jemand anderer – in Wahrheit die Jungen – bezahlen. (Bundesrätin Schicker:
Der 55-jährige kann nicht mehr vorsorgen, der Junge kann es noch!)
Ja, liebe Frau
Kollegin Schicker, der Junge kann noch vorsorgen. Aber der Junge, der eine Familie
aufbaut, dem teilen Sie zwar mit, dass das ganz toll ist, dass er noch
vorsorgen kann, aber er kann sich dann sein Haus nicht leisten,
er kann sich dann seine Urlaube nicht leisten – er muss das
auch irgendwie bezahlen!
Wir alle sind uns
doch wohl einig darüber, dass ein junger Mensch, der seine Existenz aufbaut,
das Geld möglicherweise auch braucht. (Bundesrätin Schicker: Er hat
das Geld nicht, richtig!) Wenn wir es uns dann genauer anschauen, dann
werden wir sehen, es gibt möglicherweise junge Leute, die das nicht zahlen
können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wenn wir noch
länger diskutieren, dann werden wir zu der „tollen“ Erkenntnis kommen, dass es
junge Leute gibt, die mehr Geld haben, und alte Leute, die weniger haben –
und auch umgekehrt! Aber im Endeffekt können Sie nicht alles auf
die junge Generation übertragen und Fristen verlängern, mit dem einzigen
Argument, die Jungen können das einplanen. Nur weil man langfristig weiß,
dass einem von der Pension nichts mehr übrig bleiben wird, nur weil man
langfristig weiß, dass man entweder höhere Beiträge zahlen muss
oder nichts mehr herausbekommt, ist es deshalb doch nicht besser, ist das doch
kein Argument! Die Tatsache, dass man es schon 20, 30 Jahre vorher weiß,
entschuldigt doch bei weitem nicht alles! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
In diesem Zusammenhang möchte ich auch den meiner Meinung nach nicht ganz fundierten Ausflug des Kollegen Konecny bewerten. – Ich sage in diesem Zusammenhang nicht Professor, denn er ist kein klassischer Professor, vor allem kein Wirtschaftsprofessor. – Er hat gemeint, dass sich die Einbußen der älteren Generation, wenn es bei den Pensionen zu Einschränkungen käme, direkt auf den Konsum auswirken würden, dass sie einen Rückgang im
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 90 |
Konsum zur Folge
hätten, dass sich sozusagen volkswirtschaftliche Wechselwirkungen daraus
ergeben würden. (Bundesrätin Schicker: Das merkt man doch jetzt
schon!)
Wenn ich dabei an
die jüngeren Menschen denke, dann muss ich sagen: Ich habe jetzt keine
Studien bei mir, aber ich darf Ihnen sagen, dass ich mir dessen sehr sicher
bin, dass all das, was den jungen Leuten am Monatsende in der Tasche bleibt,
viel schneller in den Konsum fließt und die Wirtschaft viel schneller
konsumentenseitig ankurbelt.
Ich habe jetzt
keine Zahlen dabei, aber diese gibt es. Ich bin mir ganz sicher, dass das einwandfrei
so ist, und daher war dieser Ausflug von Herrn Professor Konecny in das Gebiet der Volkswirtschaft
etwas „holpertatschig“. (Bundesrätin Schicker: „Holpertatschig“? Wie
schreibt man das? – Weitere Zwischenrufe und ironische Heiterkeit bei der
SPÖ.) Die Grundlage dafür ist offensichtlich, dass man glaubt, dass das
Geld – woher es auch immer kommt –, das man ausgibt, obwohl man es
im Grunde gar nicht hat, dann wieder als Geld zurückkommen kann, das verdient
worden ist.
Zusammenfassend
möchte ich sagen: Es ist verständlich, dass wir in der gegenwärtigen Situation
in den Fraktionen, in den Parteien und zwischen den Parteien während der
Begutachtung eine heftige Debatte haben. Das ist ja auch sehr gut so, und davor
sollten wir nicht zurückschrecken.
Lassen Sie mich
trotzdem festhalten: Gerade all das, was man im Rahmen der Sondierungsgespräche
erfahren hat, war dazu angetan, die Notwendigkeit der Pensionssicherung zu
unterstreichen. Damit meine ich nicht das, was letztendlich immer wieder von
anderen berichtet und interpretiert wurde, etwa von Peter Pilz, der erzählt,
was die ÖVP gesagt hat, sondern in diesem Fall gehe ich von Statements aus, die
die beteiligten Personen selbst gemacht haben, wie etwa Herr Gusenbauer oder
Herr Van der Bellen, die sich nachhaltig zur Notwendigkeit einer Pensionsreform
bekannt haben.
Wir sind im Befund
grundsätzlich einer Meinung, aber wir haben unterschiedliche, sozial wichtige
Aspekte, die zu beachten sind, beleuchtet.
Erlauben Sie mir,
dass ich noch einmal ausdrücklich betone: Bei all dem, was wir bei den Berufsgruppen
jetzt positiv nachverhandeln, weil wir auf soziale Härten, Planbarkeit et
cetera Rücksicht nehmen – und ich halte diese Diskussion nicht für
unnotwendig, im Gegenteil, sie ist sehr wichtig! –, sollten wir immer
wissen: Jeder Kompromiss geht zu Lasten der nächsten Generation. Sehen Sie
sich an, wie sich die Pensionen über die letzten Jahre mit den Pensionsreformen,
die wir gehabt haben, fiktiv reduziert haben! Dabei handelt es sich nicht um
15 Prozent, sondern da reden wir von viel mehr!
Da ich den
Eindruck habe, dass eine Reihe von wichtigen Interessen in diesem Hohen Haus bereits
sehr gut vertreten ist, möchte ich hier abschließend mit Nachdruck sagen:
Vergessen Sie nicht auf die nächste Generation! Vergessen Sie nicht
auf den Generationenvertrag! – Wenn wir das berücksichtigen, dann bin ich
davon überzeugt, dass wir zumindest bei sehr großen Teilen der Materie
gemeinsam mit der Opposition diesen wichtigen Schritt setzen und die Beschlüsse
zur Pensionssicherung für alle Menschen in diesem Land fassen werden können. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
16.18
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich
Herrn Bundesrat Alfredo Rosenmaier das Wort. – Bitte.
16.18
Bundesrat
Alfredo Rosenmaier (SPÖ, Niederösterreich): Herr
Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Ich müsste
eigentlich sagen: Ich bin sprachlos. Wenn man Ihnen, Herr Vizekanzler, zugehört
hat, was Sie alles sehr rasch und „in Kürze mit viel Würze“ von sich gegeben
haben, dann muss ich sagen: Ich verstehe die ganze Aufregung nicht! Es ist doch
völlig unwahrscheinlich, dass sich die Menschen über etwas aufregen, was so
gut ist!
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 91 |
Aber darüber, dass
es doch „ein bisschen Missstimmung“ gibt, sind wir uns doch einig,
nicht? – Daher ist es auch wichtig, sich an einen runden Tisch zu setzen
und diese Missstimmung zu bereinigen.
Dass eine
Pensionsreform eine wirkliche Notwendigkeit ist, ist mittlerweile niemandem
entgangen. Ich denke, dass es auch wichtig ist, diese durchzuführen. Aber es
wird wichtig sein, eine harmonische Form dafür zu finden – und vor allem
Übergangsfristen, die auf die Lebensplanung der Menschen ein bisschen
Rücksicht nehmen. Jeder, der drei bis fünf Jahre vor der Pension steht und
sein Leben lang gearbeitet hat – und nehmen wir an, schwer gearbeitet
hat –, hat doch ein Recht darauf. Er hat ganz bestimmte Vorstellungen für
seinen Lebensabend, und es ist wichtig, dass man ihm auch die Chance gibt,
diesen Lebensabend so verbringen zu dürfen. Auf diese Lebensplanung hat, wie
ich meine, jeder von uns ein Recht.
Die Diskussion um
die Pensionsreform hat die verschiedensten „Früchte“ hervorgebracht. Eine davon
gefällt mir gar nicht, das möchte ich eingangs erwähnen, und zwar ist das ein
Begriff, ein Wort, das in diesem Zusammenhang neu geprägt worden ist.
Ich will gar nicht
wissen, von welcher Seite dieser Begriff geboren worden ist, aber ich muss
sagen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das Wort „Hacklerregelung“ gefällt
mir persönlich überhaupt nicht. Für mich ist das nicht nur ein schreckliches
Wort, sondern es ist auch eine absolut diskriminierende Ausdrucksform. Das
möchte ich hier ganz eindeutig sagen, und ich würde darum bitten, dass wir uns
in Zukunft davon distanzieren.
Dieses Wort zeigt
wirklich mangelndes Einfühlungsvermögen. Es ist für mich eine Beleidigung all
jener Menschen, die mit ihrer Hände Arbeit ihr Brot und ihre Butter aufs Brot
verdienen. So sollte man das sehen.
Mir ist natürlich
klar, Herr Mag. Himmer, dass Menschen, die eine höhere schulische Ausbildung
haben, das vielleicht nicht so drastisch und tragisch sehen wie Menschen, die
eben eine niedrigere Schulbildung haben. Da muss man sehr ehrlich
differenzieren, aber gerade bei Menschen mit niedriger Schulbildung ist das
ein außerordentlich sensibles Thema. Ich würde daher bitten, das so zu
verstehen.
Das Wort
„Hacklerregelung“ ist für mich eine absolut unglückliche Erfindung, und ich
denke, dass es für uns alle sehr entbehrlich sein wird, es zu verwenden.
Bemühen wir uns doch mit Rücksicht auf die Gefühle dieser Menschen, dieses
Wort in die Verbannung zu schicken! Ich bitte Sie wirklich sehr ernsthaft
darum.
Viel wichtiger ist
es doch, die gegenseitige Achtung und Wertschätzung in den Vordergrund zu
stellen. Um die gegenseitige Achtung und Wertschätzung muss es im Arbeitsleben
gehen, und das muss sich letztendlich auch in einer gerechten Entlohnung
widerspiegeln.
Die gegenseitige
Achtung und Wertschätzung muss es aber auch nach dem Arbeitsleben
geben. Diese Anerkennung muss sich in der Pensionshöhe niederschlagen. Das ist
auch eine Form der Wertschätzung!
Es muss eine
Pensionsreform erarbeitet werden, die gerecht ist und für alle Gültigkeit hat.
Es muss ein einheitliches System geben, das – ausgestattet mit
vernünftigen Übergangsfristen – die arbeitenden Menschen harmonisch in ein
faires und gerechtes Pensionssystem beziehungsweise -schema führt, denn nur
dann wird es möglich sein, etwaige Neidgefühle gar nicht erst aufkommen zu
lassen, und das muss das Ziel sein.
Diese
Pensionsreform muss nachhaltig sein – und nicht nur eine momentane
Geldbeschaffungsquelle für den Finanzminister. Das möchte ich hier auch ganz
klar zum Ausdruck bringen.
Als Ergebnis der Arbeit der Kommission für die Pensionsreform, die eingesetzt worden ist und in der Herr Professor Tomandl maßgeblich mitgearbeitet hat, ist sehr wohl herausgekommen, dass es mit Sicherheit – und mit aller Härte – notwendig sein wird, diese Reform in Umsetzung zu bringen. Aber es wurden im letzten Moment bestimmte Absätze im Programm gestrichen,
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 92 |
welche in Härtefällen
mildernd wirken – wir haben das im TV vor einigen Tagen sehr gut verfolgen
können –, und dadurch haben sich wirklich schlimme Dinge für jene Menschen
ergeben, die besonders von dieser Regelung betroffen sind.
Diese Dinge müssen
wir natürlich abfedern. Das ist auch ein sehr wichtiger sozialer Aspekt. Es ist
passiert, dass Absätze, die den Menschen zugute gekommen wären, ganz einfach
herausgestrichen worden sind.
In der
betreffenden TV-Sendung, in der Herr Minister Bartenstein anwesend war, war es
besonders interessant, als er fünf Mal gefragt worden ist, ob er diese
Absätze herausgestrichen hat, dass er fünf Mal irgendetwas erfunden hat. Das
war das berühmte „Schwarze Peter“-Spiel, das sich im Kreis dreht. Niemand ist
schuld – aber letztendlich, wenn es gar nicht mehr anders geht, dann muss
man jemanden schuldig sprechen. Dann wird meistens derjenige schuldig gesprochen,
der nicht dabei ist, der nicht anwesend ist, der sich nicht wehren kann. –
In diesem Fall war es halt ein Beamter. (Bundesrätin Schicker: Die
Beamten waren es!) – Und der Beamte wird vielleicht, wenn er in die
Mangel genommen wird, sagen, es war die Reinigungsfrau.
So sollte es nicht
sein. Ich muss sagen, das ist mit Sicherheit nicht die richtige Art, ein so
sensibles Thema zu behandeln.
Die Aussage von
Frau Ministerin Rauch-Kallat am 9. Oktober 2002 war für mich auch sehr
schlimm. Frau Ministerin! Vielleicht empfinden Sie das im Nachhinein auch als
etwas unglücklich. Sie haben damals gesagt: Die Opposition solle doch mit der
Panikmache um die Pensionen endlich aufhören! Die ÖVP plane mit Sicherheit keine
weitere gesetzliche Anhebung des Frühpensionsalters.
Das war ungefähr
fünf bis sechs Wochen vor den Wahlen. Gestatten Sie mir, diese Verdächtigung
auszusprechen, und nehmen Sie es nicht zu persönlich: Ich halte nichts davon,
wenn man vor einer Wahl Dinge verspricht, von denen man zu diesem Zeitpunkt
bereits weiß, dass man sie nicht halten wird können. Die Menschen – das sage
ich hier ganz bewusst dazu – sind kein Spielball für die Politik!
Sie haben ein Recht auf die Ehrlichkeit der Politiker! (Rufe bei der ÖVP:
Vranitzky-Brief!)
Es ist, wie ich
meine, nicht verwunderlich, dass wir Politiker grundsätzlich in keinem guten
Licht stehen. Wenn ich mir das alles von Seiten des Otto Normalverbrauchers
anschaue, dann muss ich sagen, ich muss mich leider Gottes dieser Meinung
anschließen. Für uns muss es aber eine Herausforderung sein, dagegen zu wirken.
Dazu gehört auch, dass man zu dem Zeitpunkt, zu dem man ein Versprechen abgibt,
weiß, dass es tatsächlich realisierbar ist.
Wir müssen uns
wirklich mehr bemühen, unsere Versprechen zu halten. Vielleicht sollten wir ein
bisschen weniger versprechen, aber grundsätzlich – auch wenn uns das in
der momentanen Situation jetzt nicht hilft – sollten wir nur Versprechen
geben, die wir auch einlösen können. Das ist wichtig, und das sind wir unseren
Auftraggebern, den Wählern, auch schuldig. Das ist gelebte Moral, meine
geschätzten Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ.)
Die Pensionsreform,
so wie sie sich für mich darstellt, ist ein Entwurf mit allem Drum und Dran,
und dass es viel Ablehnungspotenzial gibt, wissen wir in allen politischen
Lagern; dazu stehen wir auch. Es ist aber wichtig, diese Frage zu einer
nationalen Angelegenheit werden zu lassen und eine nationale Anstrengung zu
tätigen – im Sinne all jener, die in Kürze oder mittelfristig in Pension
gehen.
Wir Politiker
heften uns auch ein besonderes Lippenbekenntnis sehr gern auf unsere Fahnen.
Immer wieder hört man: Unsere Zukunft und die Zukunft unseres Landes liegt in
den Händen unserer Kinder, der Jugend. – Wenn das so ist, dann sollten
wir es aber auch so betrachten und danach handeln, denn die Jungen haben genau
das gleiche Recht wie jene, die schon in Pension sind. Auch sie haben das
Recht, einmal eine Pension beziehen zu können.
Die Menschen, welche es jetzt betrifft, und diejenigen, die es in Zukunft betreffen wird, haben ein Recht auf eine optimale, faire und gerechte Lösung! Und die Menschen, die ein Leben lang
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 93 |
gearbeitet und sich einen Pensionsanspruch erworben haben,
haben auch ein Recht darauf, dass sich alle Parlamentarier für
diese so wichtige Sache ernsthaft und mit ganzer Kraft einsetzen.
Die Menschen haben
auch als Wähler, konkret gesagt, als Auftraggeber an die hohe Politik, das
moralische Recht, sich nicht als Geldbeschaffungsquelle für die Budgetsanierung
missbrauchen zu lassen. Die Menschen haben das Recht, nach einer langen
Lebensarbeitszeit das einzufordern, was ihnen für ihren Lebensabend zusteht,
nämlich eine gesicherte, faire und vor allem gerechte Pension. (Beifall bei
der SPÖ.)
Gestatten Sie mir
noch eine Minute privater Worte! Ich bin heute hier in diesem Gremium das
letzte Mal unter Ihnen. Ich scheide aus dem Bundesrat aus. Ich bin in der
glücklichen Lage – man kann das in diesem Fall ein bisschen lustig
auffassen –, nicht den Freiheitlichen anzugehören, denn ich muss nicht
ausscheiden. Ich übersiedle in den Niederösterreichischen Landtag. Meine neue
Aufgabe wird mir sicherlich Freude und viel Spaß machen, und ich bin sehr stolz
darauf.
Ich bin aber auch
sehr stolz darauf, knapp eineinhalb Jahre hier im Bundesrat gewesen zu sein. Es
war für mich ein tolles Erlebnis. Dieses Gremium ist wie eine sehr große,
angenehme Familie, in der man sich auch vernünftig bewegen kann. Ich habe das
sehr genossen und habe das auch in meinem Freundeskreis so weiter erzählt.
Ich darf Ihnen
allen, die Sie hier im Bundesrat bleiben, für die Zukunft alles erdenklich
Gute, viel Kraft und viel Erfolg wünschen. Ich darf das auch im Namen von Herrn
Bundesrat Thumpser sagen, der heute einen wichtigen Termin wahrnehmen musste.
Es war ihm nicht mehr möglich, es Ihnen selbst zu sagen. – Danke schön. (Allgemeiner
Beifall.)
16.28
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Herr Kollege Rosenmaier! Auch Sie
begleiten unsere guten Wünsche, und wir sagen auch von unserer Seite Dank für
die gute Zusammenarbeit und ein Verhalten in den Sitzungen des Bundesrates, das
die Vorsitzführung immer erleichtert hat.
Nächste Rednerin
ist Frau Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann. Ich erteile ihr das
Wort.
16.29
Bundesrätin
Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten):
Geschätzter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Ministerin! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ich kann einleitend, ähnlich wie meine Vorredner,
berichten, dass ich in den letzten Wochen und Monaten immer wieder mit
Menschen zusammentreffe, mit Personen aller Altersgruppen, aller Berufsklassen
und unterschiedlichster Bundesländerherkunft, bei denen es eigentlich immer nur
ein Thema gibt: Wie wird es mit den Pensionen ausschauen?
Es kommen konkrete
Fragen wie: Wie wird meine Zukunft ausschauen? Von welchen Veränderungen
werde ich konkret betroffen sein?, und vieles andere mehr. Die Personen, mit
denen ich spreche, wissen alle, dass wir Veränderungsschritte setzen müssen.
Sie wollen aber ein klares, gerechtes Konzept, das zunächst die vorhandenen
Privilegien ausräumt und die derzeit gegebenen Schwachstellen verbessert.
Daher ist es für mich eigentlich in Ordnung, dass eine große Oppositionspartei
wie die SPÖ eine Anfrage zu diesem Thema stellt und wir diese Diskussion heute
hier im Bundesrat führen.
Was ich nur nicht
ganz hinnehmen kann, ist der moralische Anspruch, sich als „Pensionshüter“ zu
bezeichnen, der offenbar von Seiten der SPÖ kommt, denn das ist ein Anspruch,
den zu stellen ihr nicht verdient, meine sehr geehrten Damen und Herren von der
SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der övp.)
Ich möchte vielleicht doch einmal erwähnen, dass Sie einige Jahrzehnte lang, einige Dekadien in der Regierung gesessen sind und Ihnen allen die demographischen Veränderungen bewusst waren. Es ist euch auch bekannt gewesen, dass immer höhere Pensionszuschüsse seitens des
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 94 |
Bundes notwendig wurden. Es ist euch bekannt
gewesen, dass die Menschen immer älter werden (Bundesrat Konecny: Das haben wir gemacht!), die Lebenserwartung immer höher
wird, aber Sie haben nichts getan. Im Gegenteil! (Bundesrat Konecny: Dafür waren wir zuständig, dass die
Menschen älter werden! – Bundesrätin Schicker: Wollen Sie nicht
älter werden, Frau Kollegin? Das haben wir erreicht!)
Im Gegenteil! Sie
haben Folgendes gemacht: Sie haben sogar – darauf komme ich aber noch zu
sprechen – die Harmonisierungsmöglichkeit, die letztlich in der Verfassung
gestanden ist, ausgeräumt und mit der Reform 1995, die eigentlich diesen
Namen nicht verdient, nur kosmetische Veränderungen in Sachen Pension
vorgenommen, und zwar in vollem Bewusstsein, dass die notwendigen
Strukturreformen für die Menschen von Jahr zu Jahr belastender werden.
Das heißt, Sie
haben ein hohes Verschulden auf sich genommen. (Bundesrat Boden: Durch Ihre Mitwirkung haben wir ein noch
höheres!) Das muss ich Ihnen vorwerfen, und daher kann ich auch Ihren
moralischen Anspruch auf die Bezeichnung „Pensionshüter“ nicht ernst nehmen.
Ich werfe Ihnen
außerdem vor, dass Sie, so lange es irgendwie möglich war, den Menschen vorgegaukelt
haben, die Pensionen seien in dieser Form ohnehin sicher, es könne in alle Zukunft
und noch ein Stückerl Ewigkeit anhängend nicht daran gerüttelt werden. (Bundesrat Konecny: Das hat der Herr Bundeskanzler noch vor zwei Jahren gesagt! Ein Herr
Bundeskanzler Schüssel!) Ich erinnere nur an die Pensionistenbriefe von Herrn Vranitzky, aber es
gibt auch Bundeskanzler von der Österreichischen Volkspartei, die ebenfalls
Ähnliches von sich gegeben haben; auch das sage ich einmal. (Bundesrat Konecny: Schau! Schau!)
Ich meine, dass es
gescheit wäre, wenn wir uns an die Worte des Herrn Kollegen Rosenmaier, den ich
einmal zitieren darf, halten und etwas mehr Ehrlichkeit in die Politik bringen
könnten. Da schließe ich niemanden aus. (Bundesrat
Fasching: Das sollten Sie dem Jörg Haider aber auch sagen!) –
Ich habe gesagt, ich schließe grundsätzlich niemanden aus.
Zwei Beispiele
habe ich angeführt, und diese beiden Herren haben nachweislich Pensionssicherungen
verkündet, die letztlich nicht eingetreten sind.
Ich meine, um auf
die SPÖ zurückzukommen, es ist nicht in Ordnung gewesen, dass man den Menschen
falsche Tatsachen vorgespielt hat. (Bundesrat
Boden: Bleiben Sie bei der FPÖ, da ist eh zum Aufräumen genug!) –
Das sage ich Ihnen schon. Ich weiß, dass Ihnen das unangenehm ist, aber wenn
Sie sich heute als Pensionsschützer aufspielen, dann ist das so, als würde der
Wolf, der die Lämmer verspeist, plötzlich zum Ehrenpräsidenten des Lämmerschutzvereines
ernannt werden. So kann es natürlich nicht sein. (Beifall des Bundesrates Weilharter.) Sie müssen schon
sehen, wo Ihr eigenes Verschulden gelegen hat, und Sie könnten ein bisserl in
sich gehen und darüber nachdenken, wie Sie es vielleicht irgendwann einmal
besser machen können. (Bundesrat Boden:
Das überlassen Sie mir, wann ich das mache!)
Die Harmonisierung
des Pensionswesens habe ich angeschnitten. Auch das war ein Problem oder eine
Frage, die Sie schon viel früher hätten lösen können, was Sie aber nicht
gemacht haben.
In materieller
Hinsicht ist diese Diskussion heute absolut ernst zu nehmen und auch
berechtigt. Es ist so, dass die Frage: Wie werden Frauen in Zukunft
pensionsrechtlich gleichgestellt oder überhaupt gestellt werden? wirklich
entscheidend ist. Wie schaut es mit den Anrechnungszeiten aus? Aber ich möchte
doch darauf hinweisen, dass die Frau Staatssekretärin heute schon sehr umfassend
und ausführlich darüber gesprochen hat, dass da durchaus Nachbesserungen vorgenommen
werden.
Ich freue mich,
dass die Mitglieder der Kärntner SPÖ jetzt die Petitionsformulierung der Kärntner
FPÖ übernehmen. Ich freue mich, dass auch ihr erkennt, dass sich gewisse
Regelungen in keinster Form nachteilig auf Frauen und Mütter auswirken dürfen.
Ich meine, dass derartige Überlegungen parteiübergreifend,
fraktionsübergreifend zu erfolgen haben. Ich freue mich, dass auch erkannt
wird, dass wir in Kärnten Überlegungen anstellen, damit es in Zukunft zu keinen
Ungerechtigkeiten für Frauen und Mütter kommt.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 95 |
Ich möchte nicht
auf Einzelheiten eingehen, was für die Frauen schon alles verbessert wurde,
aber eines muss ich doch sagen, weil das in der Zeit, als die SPÖ an der
Regierung war, nicht wahrgenommen wurde. Zum Beispiel wurden die
beitragsbegründenden Kindererziehungszeiten von 18 auf 24 Monate erhöht.
Auch einiges andere mehr ist geschehen, was ich aber nicht mehr wiederholen
möchte, denn die Frau Staatssekretärin ist heute schon sehr ausführlich darauf
eingegangen.
Ein Punkt muss
schon erwähnt werden: Das Problem um die Frauenpensionen ist ein großer Teil
der Pensionsreform, aber es ist nicht der einzige. Es ist ein großer und
wichtiger Bestandteil, aber eben nicht der einzige. Die Pensionsreform muss
in einem größeren Umfang gesehen werden. Wir wissen, dass Veränderungen
notwendig sind. Jeder von euch sagt hier: Ja, wir wissen, wir müssen etwas
verändern!, aber eigentlich will niemand bei sich persönlich damit anfangen,
so kommt es mir zumindest immer wieder vor. – Aber so kann es nicht sein.
Veränderungen sind einfach notwendig!
Ich darf nur ein
paar Punkte erwähnen. Zum Beispiel haben Untersuchungen der EU ergeben, dass in
der Altersgruppe der 55- bis 59-Jährigen nicht einmal mehr 55 Prozent der
Österreicherinnen und Österreicher beschäftigt sind; unterboten nur noch von
Belgien, Italien und Luxemburg. Sie werden mir Recht geben, wenn ich sage, dass
es hier natürlich Handlungsbedarf gibt.
Oder: Wir können
nicht außer Zweifel stellen, dass das ansteigende durchschnittliche Lebensalter,
so positiv es für jeden Einzelnen auch ist, das Pensionssystem sprengen wird,
wenn wir nicht rechtzeitig Schritte unternehmen, um die entsprechenden
Zahlungen sicherzustellen.
Was aber auch ein
großes Thema für die Menschen, die sich mit den Pensionen beschäftigen, ist,
ist die Tatsache, dass es unterschiedliche Pensionssysteme gibt. Ich meine,
dass das ein ganz großer Knackpunkt ist, der die Menschen zutiefst berührt. Es
gibt Menschen in gleichen Berufen, die unterschiedlich bezahlt werden, die
unterschiedliche Pensionsansprüche und unterschiedlich hohe Pensionen
haben. – Das ist auch etwas, was Sie von der SPÖ in der Zeit, als Sie
dafür verantwortlich waren mit Ihren Sozialministern, die Sie in vielfacher
Weise gehabt haben, nicht verändert haben, und das geht vielfach zu Lasten der
Menschen, die im Arbeitsprozess stehen, die die Wirtschaft hochhalten und die
für das entsprechende Output in der Volkswirtschaft zu sorgen haben.
Es gibt auch
unterschiedliche Pensionssysteme, ASVG, Beamten, Selbständige, Bauern. Ich brauche
all das nicht in Einzelheiten zu zitieren, aber das ist ein Punkt, der die
Menschen wirklich verärgert, und zwar zu Recht verärgert. Es gibt den zu Recht
verärgerten Staatsbürger, der sich fragt: Wie gibt es denn das, dass die
Politiker noch immer derart hohe Bezüge haben, dass die Politiker noch immer
Pensionen haben, die nicht in Relation zu dem stehen, was der normale Bürger
verdient und dann irgendwann einmal als Pension bekommt?
Daher muss auch in
diesem Bereich eine Veränderung vorgenommen werden. Ich sage das jetzt auch
bewusst in Anwesenheit des Herrn Vizekanzlers; leider ist die Frau Gesundheitsministerin
im Moment nicht da. Ich sage das wirklich absichtlich: Es müssen Veränderungen
vorgenommen werden! Es wird nicht einsichtig sein für die Menschen in unserem
Staat, Einschnitte akzeptieren zu müssen, wenn wir auf der anderen Seite bei
den Ministerpensionen oder auch Abgeordnetenpensionen keine Veränderungen
vornehmen. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.) Ich werde keinen Regelungen
zustimmen, sofern nicht auch die Minister- und die Abgeordnetenpensionen mit
erfasst werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ich möchte noch darauf hinweisen, dass es auch Unterschiede im Pensionssystem gibt, was Länder, Gemeinden und Bund betrifft. Auch das dringt viel zu wenig an die Öffentlichkeit, aber die Menschen, die in diesen Systemen arbeiten – und ich kenne mich da jetzt schon ein bisserl aus, weil ich einmal mit Gemeindepensionen, dann wieder mit Bundespensionen zu tun gehabt habe –, sind verärgert. Gleiche Leistungen werden mit unterschiedlichen Bezahlungen und auch unterschiedlich hohen Pensionen versehen. Die einzelnen Vorrückungen werden anders berechnet, was wiederum zu unterschiedlichen Pensionsleistungen führt, aber es würde zu weit
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 96 |
führen, würde ich jetzt ins Detail gehen. –
Auch das sehe ich nicht ein. Warum können wir nicht Veränderungen sowohl im
Dienstrecht als auch im Pensionsrecht vornehmen?
Der Aufbau eines
Drei-Säulen-Modells, meine sehr geehrten Damen und Herren – und damit befinde
ich mich wahrscheinlich nicht auf der Seite der Sozialdemokratie –, ist
sehr wichtig und sehr richtig. Ich bin sehr froh darüber, dass wir schon in der
Regierung Schüssel I beziehungsweise jetzt in der Regierung
Schüssel II die „Abfertigung neu“ beziehungsweise ein Prämienvorsorgesystem
geschaffen haben und dass das immerhin schon mit dem Jahr 2012 wirksam
werden wird. Das heißt, die Generation der jetzt 50-Jährigen wird sicher schon
in den Genuss dieser Pensionsvorsorge kommen und natürlich auch die Jüngeren,
die das heute aber noch gar nicht so richtig begreifen, weil sie eben die
Folgen noch nicht so richtig abschätzen können. Das war jedenfalls ein ganz
wichtiger Schritt in Richtung einer zweiten Säule, wobei natürlich auch die
dritte Säule, das private System, weiter ausgebaut werden könnte.
Letztlich muss ich
hinterfragen, nachdem ich einleitend festgestellt habe, dass es die Diskussion
um die Pension gibt: Warum gibt es Aufregungen, warum gibt es nicht die
vollständige Zufriedenheit, die wir alle uns wünschen würden, und nicht das
gemeinsame Tragen dieser Pensionsreform, was wir alle uns auch wünschen
würden?
Ich meine, dass
einerseits die Menschen noch nicht richtig darüber informiert wurden, was wirklich
notwendig ist und was wir brauchen. Das heißt, es gibt vielleicht ein gewisses
Informationsdefizit. Daher ersuche ich die Bundesregierung, dieses Defizit
mittels Informationskampagnen, mittels „Runder Tische“, mittels verschiedener
Modelle auszugleichen, um den Menschen die Problematik der Pensionssicherung
näher zu bringen.
Zweitens denke
ich, dass dieses Gefühl in der Bevölkerung, dass einige in Österreich möglicherweise
gleicher als andere sind, ausgeräumt werden muss. Ich habe es schon erwähnt, es
kann nicht sein, dass für gleiche Arbeit unterschiedliche Belohnungen und
unterschiedliche Pensionssysteme gelten, aber, wie gesagt, das ist das Gefühl,
das die Menschen haben. Ich erwarte mir von der Regierung Maßnahmen: Wenn schon
Härten da sind, dann müssen diese auch transparent gemacht werden, sonst wird
die Bevölkerung die Maßnahmen nämlich nicht mittragen. Die Menschen müssen
eingebunden werden, damit sie wissen, worum es überhaupt geht.
Ich meine, eine
bessere Information – worum geht es?, wie stellt man sich die pensionsrechtliche
Zukunft Österreichs vor? – wird notwendig sein, in welcher Form auch
immer. Die Menschen müssen das Gefühl haben, es gibt nicht gleicher als
gleich, dann nämlich werden sie erstens diese Pensionsreform akzeptieren, sie
zweitens mittragen, und drittens wird das Vertrauen in den Staat
Österreich – und das ist mir ganz wichtig – wieder absolut gefestigt
sein.
Es darf nicht
sein, dass die Menschen anfangen, daran zu zweifeln, ob sie überhaupt einmal
eine Pension bekommen, denn wir leben Gott sei Dank nicht in einer
Bananenrepublik. Wir leben in Österreich, und ich bin auf diesen Staat immer
stolz gewesen. Auf dessen Rechtsordnung und auf dessen Verfassung war ich
immer stolz, und das möchte ich auch in Zukunft sein können. Die soziale
Absicherung ist ein Teil unserer gelebten und auch teilweise festgeschriebenen
Verfassung, daher müssen wir alles tun, um dieses Vertrauen weiter
aufrechtzuerhalten.
Daher haben wir
Freiheitlichen in Kärnten eine Petition verfasst, die – ich habe es schon
erwähnt – interessanterweise in Teilen von der SPÖ übernommen wurde. Ich
würde mich aber freuen, wenn nicht nur der eine Punkt bezüglich der
Benachteiligung von Frauen und Müttern von euch übernommen werden kann. Es gibt
auch verschiedene andere Punkte.
Ich würde mich
besonders freuen, wenn auch die Wiener SPÖ zustimmen könnte, dass zum Beispiel
die Pensionsprivilegien in allen gesellschaftlichen Gruppen beseitigt
werden – so zum Beispiel die Sonderpensionsrechte der
Sozialversicherungsbediensteten oder der politischen Funktionäre oder
Mandatare – oder durch eine Zusammenlegung der teuren 28 verschiedenen
Pensions- und Krankenversicherungsträger die über 300 Generaldirektoren
und -direktorinnen auf eine geringere Anzahl reduziert werden.
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Ich würde mich
freuen, würden Sie diese Petition aufnehmen und gemeinsam, parteiübergreifend
Regelungen treffen zum Wohle unserer Österreicherinnen und Österreicher. (Bundesrat Boden: Das heißt, Sie
stimmen dem Entschließungsantrag zu!) – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der övp.)
16.45
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich
Herrn Bundesrat Stefan Schennach das Wort. – Bitte.
16.45
Bundesrat
Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geehrte Damen und Herren! Frau
Kanovsky-Wintermann! Das waren jetzt schon fast Standing Ovations Ihrer
Fraktion. Ich bin mir aber nicht so sicher, auf Grund dessen, wie Sie diese
Regierungsvorlage verteidigt haben, ob das auch der richtige Weg war.
Herr Minister! Sie
haben gesagt, eine Regierungsvorlage wird zuerst ausgesandt, dann wird in der
Öffentlichkeit darüber diskutiert, es gibt viele abweichende Meinungen, und
dann wird es ein Gesetzeswerk. – Aber dieser Sturm der Entrüstung, den
diese Gesetzesvorlage auslöst, scheint mir eher in Richtung eines Fiaskos zu
treiben. Das letzte Mal, als so heftig diskutiert wurde, Herr Minister, ging es
um die Ambulanzgebühren – und jetzt stehen wir knapp vor der Abschaffung
der Ambulanzgebühren! Der Unterschied allerdings zwischen einer Pensionsreform
und den Ambulanzgebühren ist, dass man die Ambulanzgebühren tatsächlich
abschaffen, korrigieren kann – sie haben zwar sehr viel gekostet, aber man
kann sie korrigieren –, Eingriffe in das Pensionssystem aber so nicht mehr
korrigierbar sind. – Das ist der große Unterschied!
Im Zusammenhang
mit der derzeit in der Öffentlichkeit geführten Debatte sprachen Sie von Partikularinteressen,
von Teilinteressen von Menschen. Das, muss ich sagen, finde ich ein wenig hart.
Die Frage nach der sozialen Absicherung im Alter zählt wohl neben der Frage
nach dem Arbeitsplatz zu den Kernfragen, die die Menschen bewegen. Das sind
keine Partikularinteressen, das sind wirklich substanzielle Interessen an der
sozialen Absicherung auch im Alter.
Herr Minister
Haupt! Ich habe nie in Abrede gestellt, dass Sie ein Sozialminister sind, der
weiß, wovon er redet. Das habe ich immer gesagt, und diese Aussage ziehe ich
auch nicht zurück. Aber heute, Herr Minister, haben Sie einen Satz gesagt, der
Ihnen, wie ich glaube, „passiert“ ist, anders kann ich mir das nicht
vorstellen. Sie haben gesagt: Ja, die Auswirkungen werden von den Frauen stark
zu spüren sein, die Frauen werden stärker betroffen sein, aber diese höhere Pensionsminderung
bei den Frauen sei durch eine längere Arbeitszeit kompensierbar. – Herr
Minister Haupt! Aus diesem trockenen Satz spricht entweder sehr viel Kälte oder
eine sehr große Distanz zu den tatsächlichen Sorgen und Nöten der Frauen.
Herr Mag. Himmer
hat gemeint, wir haben das teuerste Pensionssystem. Ich weiß nicht, wer von den
Damen und Herren hier im Saal weiß, wie viel die derzeit höchste ASVG-Pension
ausmacht. – 1 600 €! 1 600 €, das ist die höchste ASVG-Pension! Wissen Sie,
wie hoch die durchschnittliche Pension bei den Frauen ist? – 678 €!
Mehr als 50 Prozent der Frauen haben eine Pension in der Höhe von
678 €! Das sind ganze 35 € über dem Ausgleichszulagenrichtsatz. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Lindinger.)
Lieber Herr
Lindinger! Jetzt passen Sie aber auf! Der Durchschnitt bei den Frauen rettet
Sie ja geradezu. (Bundesrat Dr. Lindinger:
Sie müssen Gleiches mit Gleichem vergleichen! – Bundesrat Konecny: Das tut er!)
Das tue ich! Innerhalb der ASVG-Pensionen verdienen mehr als 50 Prozent
der Frauen gerade 35 € über dem Ausgleichszulagenrichtsatz, nämlich
678 €, und davon wird jetzt reduziert.
Mag. Himmer
hat gesagt, wir haben das teuerste Pensionssystem. – Wenn eine lebenslange
Arbeitszeit monatlich 678 € an Pension bringt, dann frage ich mich: Wohin
fließt dann das Geld für dieses teuerste Pensionssystem?
Herr Mag. Haupt hat mit der zur Begutachtung ausgesandten Regierungsvorlage – ich weiß nicht, ob das passiert ist oder nicht – eine Tabelle mitgeschickt. Diese Tabelle ist äußerst in-
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 98 |
teressant, denn daraus
geht hervor, dass die Gesamtaufwendungen des Bundes keine so übereilte Pensionsreform, wie sie derzeit angezogen
ist, notwendig machen: Vom Jahre 2003 bis zum Jahre 2007 wächst die
Bundeszuwendung von 24 Millionen € auf 27 Millionen €. Da
ist noch nicht Feuer am Dach.
Es gilt das
prinzipielle Bekenntnis dazu, dass wir eine Pensionsreform brauchen. Aber mit
jener, die wir jetzt über den Zaun brechen und die von den Aufwendungen des
Bundes her in dieser Eile nicht notwendig wäre, drücken wir die Frauen in
Richtung Altersarmut – die heutige dringliche Anfrage betraf doch die
Frauen, und ich wundere mich sehr, dass die sehr geschätzte Frauenministerin
diese Möglichkeit ungenutzt gelassen hat, etwas zu dieser Situation zu sagen –,
denn derzeit beträgt die durchschnittliche Männerpension 1 444 €, im
Gegensatz zu jener der Frauen, die bei 678 € liegt. Dazu kommt nun –
und ich bin sehr neugierig, ob Herr Minister Haupt dazu noch etwas sagen
wird –, dass durch die Erhöhung des Durchrechnungszeitraums auf
40 Jahre beziehungsweise durch die Ungleichbehandlung der
Kinderbetreuungszeiten gegenüber der Anrechnung des Präsenzdienstes die
Situation der Frauen noch einmal verschlechtert wird.
Das heißt also:
Wir machen eine Pensionsreform, die auf Grund der Entwicklung der Bundeszuwendungen
zur Pensionsversicherung in dieser Eile gar nicht notwendig wäre, rein auf dem
Rücken und zu Lasten der Frauen! – Diese Frage hat Herr Minister Haupt
insofern beantwortet, als er gesagt hat: Ja, Frauen werden zwar stärker
betroffen sein, wenn die frühzeitige Alterspension wegfällt, aber sie können
dann ja länger arbeiten, um das auszugleichen.
Meine Damen und
Herren! Auf dieser Ebene kann eine gemeinsame Grundlage nicht gelingen, denn der wahre Hintergrund dieser Maßnahme ist
relativ schnell ausfindig zu machen: Es geht darum, auf dem Rücken jener, die
in Pension gehen, das Budget mitzusanieren. Diese Menschen bezahlen schon
jetzt als Erwerbstätige die vielfachen Abgaben- und Steuererhöhungen – und
dann, wenn sie in Pension gehen, tragen sie durch die verringerten Pensionen
nochmals zur Budgetsanierung bei!
Meine Damen und
Herren! Zum Abschluss sei es noch einmal gesagt – vielleicht haben Sie
alle andere Pensionssysteme in der zweiten und dritten Säule –:
1 600 € beträgt die Höchstpension, und die Frauen haben
678 €! – Wenn Sie jetzt Ihre eigene private Kalkulation durchgehen,
dann überlegen Sie bitte einmal, was Sie mit 678 € im Monat von Ihrem
eigenen Lebenswandel finanzieren können! – Ich danke Ihnen. (Beifall
bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrätin Haunschmid: Da kann ich
Ihnen viele Selbständige nennen, Herr Schennach!)
16.54
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht
vor.
Wünscht noch
jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.
Die Debatte ist
geschlossen.
Es liegt ein
Antrag der Bundesräte Schicker, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung
betreffend massive Benachteiligung für Frauen durch die geplante Pensionsreform
der Bundesregierung – Rücknahme der Pensionsreformschritte, die die Frauen
benachteiligen, vor.
Ich lasse nun über
diesen Entschließungsantrag abstimmen.
Ich bitte jene
Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. –
Das ist die Minderheit.
Der Antrag ist abgelehnt.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 99 |
Dringliche Anfrage
der Bundesräte Prof. Albrecht Konecny und
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung
betreffend Verdringlichung des Bedürfnisses freiheitlicher Bundesräte, die
Wahrheit über den Kauf der Abfangjäger zu erfahren (2066/J-BR/03)
Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nunmehr zur
Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den
Herrn Bundesminister für Landesverteidigung.
Da diese
inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch
die Schriftführung.
Ich unterbreche
jetzt die Sitzung bis zum Eintreffen des Herrn Bundesministers. (Rufe: Er ist eh da!) Hier ist er
jedenfalls nicht. (Bundesrätin Schicker: Er sitzt noch in der
Cafeteria!)
Die Sitzung ist unterbrochen.
(Die Sitzung wird um 16.56 Uhr unterbrochen und um 17 Uhr wieder aufgenommen.)
Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und erteile Herrn Bundesrat Professor Albrecht Konecny als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.
17.00
Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und
Herren! Ich gebe zu, dass jene dringliche Anfrage, die wir heute hier stellen,
ungewöhnlich ist. (Bundesrat Bieringer:
So ist es!) Ja. Es sind zweifellos ungewöhnliche Zeiten, es ist auch eine
sehr ungewöhnliche Bundesregierung (Heiterkeit
bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen), und daher gibt es eine
Opposition, die zu ungewöhnlichen Mitteln greift. – Entschuldigen Sie,
meine Damen und Herren! Jedem Redner ist es angenehm, wenn er beachtet wird
und Reaktionen findet, aber kann mir irgendjemand erklären, warum Sie jetzt gelacht
haben? (Bundesrätin Schicker: Über
den Ausdruck „ungewöhnlich“ haben sie sich mokiert!)
Kollege Hagen hat – und das ist eine Initiative, der ich meinen Respekt nicht versagen will – eine sehr knappe, sehr präzise Anfrage zur Anschaffung von Abfangjägern gestellt. (Bundesrat Dr. Nittmann: Hört, hört! – Bundesrätin Schicker: So wird er bekannt!) – Ich kann mich nur begrenzt umdrehen, um in seine Richtung zu blicken, weil ich sonst das Mikrophon mit meiner Stimme nicht erreiche. – Er hat darin auf jene Punkte hingewiesen – das möchte ich ihm ausdrücklich bescheinigen –, die in der öffentlichen Diskussion – und auch wenn diese im Augenblick natürlich von anderen Themen überlagert ist, wird sie geführt und beschäftigt die Menschen in unserem Land – eine Rolle spielen.
Wir haben gemeint, dass es richtig und notwendig ist, diese Anfrage nicht in dem Papierberg, den wir in einigen Wochen als Antworten auf diese und andere schriftliche Anfragen bekommen werden, untergehen zu lassen, sondern sie an einem Tag, an dem die Bundesratssitzung nicht mit Traktanden überfüllt ist, zu behandeln. Ich darf mich bei allen Germanisten des Hauses für die Erfindung des Wortes „Verdringlichung“, das vermutlich im Duden (Bundesrat Dr. Nittmann: Eine Sprachschöpfung!) – ja – nicht enthalten ist, entschuldigen, aber sonst wäre die Satzkonstruktion ein bisschen lang geworden.
Wir klammern, Kollegen Hagen folgend, eine Reihe von Fragen – und ich sage ausdrücklich: die auch gestellt werden könnten und die auch zu debattieren sind – ganz bewusst aus.
Ich kenne das Argument, und es ist auch in dieser Kammer vom Kollegen Gudenus wiederholt vorgetragen worden, dass man sich, rein innermilitärisch betrachtet, Prioritätenfragen stellen muss: Abfangjäger um einen ziemlich großen Betrag oder andere Ausrüstungsmaßnahmen, die
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 100 |
möglicherweise auch Angehörige anderer Waffengattungen für dringlicher halten. – Ich möchte diese Frage hier ausdrücklich nicht berühren.
Wir berühren in unserer dringlichen Anfrage, auch hierbei wiederum Kollegen Hagen folgend, auch nicht die Frage der grundsätzlichen Einstellung zur Form der Luftraumüberwachung, ob Abfangjäger wirklich die einzige Möglichkeit sind, diese Aufgabe in befriedigender Weise zu erfüllen. – Ich betone noch einmal: Auch diese Diskussionen sind zu führen.
Wir konzentrieren uns in unseren Fragen – mit Ausnahme von einer Ergänzung, die aktueller Natur ist, folgen wir auch hier dem Fragenprogramm des Kollegen Hagen – einfach auf die systemimmanente Frage. Wenn man schon die Frage dieser Anschaffung gegen den Willen einer überwältigenden Mehrheit der österreichischen Bevölkerung – was in einer Demokratie eigentlich auch ein Datum sein sollte – mit „ja“ beantwortet, dann sind zumindest folgende Fragen zu stellen: Wie lief der Entscheidungsprozess ab? Ist er wirklich als abgeschlossen zu betrachten? Ist er korrekt verlaufen? Gab es in diesem Entscheidungsprozess außersachliche Gesichtspunkte?
Die Bundesregierung, auch das Ministerium – nicht unter Ihnen, Herr Bundesminister, sondern unter Ihrem Amtsvorgänger – hat sich für die Anschaffung von Eurofightern ausgesprochen. Die in der heutigen Tagespresse erneut erörterte Frage, ob es ausschreibungsrechtlich so ohne weiteres möglich ist, von 24 auf 18 Stück zu reduzieren und zu sagen: Wir haben eine Grundsatzentscheidung getroffen; wie viel wir bei dieser Firma bestellen, ist eigentlich unser Kaffee!, wird von Experten auch anders beantwortet, und ich glaube, dass die Republik damit gegebenenfalls ein sehr hohes Risiko eingeht. Es ist von Klagen die Rede. In der heutigen Tagespresse war von einem Gutachten, das der Republik in dieser Frage ein hohes Risikopotenzial bescheinigt, die Rede.
Es ist mit Recht die Frage angeschnitten worden, wie das denn nun mit den Gegengeschäften sei. Es ist so, dass – was bei der Wirtschaftsstruktur unseres Landes tatsächlich von größter Bedeutung ist – von der einen Form von Gegengeschäften ausschließlich Großunternehmen profitieren, während bei einem anderen Angebot – das ja nicht ein Schrottangebot war – eher klein- und mittelständische Betriebe zum Zug gekommen wären.
Aber es muss natürlich in die Typendiskussion eingegangen werden. Es hat – wie soll ich das sagen? – dreieinhalb Offerte gegeben. Die hier erwähnte MIG ist gewissermaßen ausgeschlossen worden, weil sie in einer anderen Klasse gespielt hat. Ob das gerechtfertigt ist, ist eine wichtige Frage. Ich bin nicht jener, der in eine Typendiskussion mit überwältigenden Sachargumenten einzugreifen beabsichtigt, aber es ist ganz offensichtlich ein Fluggerät, das auch Aufgaben erfüllt. Inwieweit es der Ausschreibung entsprochen hat oder vielleicht entsprechen hätte können, weiß ich nicht, aber es ist dazu eine Meinung von Ihrer Seite sicherlich erforderlich.
Klar ist aber auch – und das unterstreicht die Aktualität dieser Anfrage –, dass es hier ganz offensichtlich – wie soll ich sagen? – im Entstehungsprozess der Entscheidungsgrundlagen ein Hin und Her gegeben hat, denn es bleibt natürlich eine unbestreitbare Tatsache, dass es den Eurofighter nicht wirklich gibt, dass hier sozusagen ein Versprechen gegen ein fliegendes – nachweisbar fliegendes und im Regelfall nicht herunterfliegendes – Gerät evaluiert wird. Wenn ich also sozusagen mein real existierendes Gehalt gegen ein windiges Versprechen des doppelten evaluiere, weiß ich nicht so genau, wie ich mich entscheide. Der Entscheidungsprozess des Bundesheeres ist zu Gunsten des Versprechens ausgefallen.
Allerdings war im Entwurf des Endberichtes der Bewertungskommission als unbestritten erwähnt, dass es ein Nachteil sei, dass der Eurofighter noch keine Truppenreife erreicht hat und daher während der Einführungsphase mit Kinderkrankheiten und mit Verfügbarkeitseinbußen gerechnet werden muss. Dass das nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist, hat uns vor ganz kurzer Zeit ein österreichisches Luftfahrtunternehmen bewiesen, das auch ein Versprechen gekauft hat, wonach sich herausgestellt hat, dass man mit diesem Gerät nicht wirklich fliegen kann, sondern dass dauernd Störfaktoren auftreten, die dieses Unternehmen fast in den Ruin getrieben haben.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 101 |
Das Bundesheer kalkuliert anders, der Ruin wird anders definiert; aber dass Folgekosten und Probleme und möglicherweise der Wegfall jener Luftüberwachung, die man herbeiführen will, für bestimmte Perioden riskiert werden, das ist wohl klar.
Besonders
interessant finde ich in dem Entwurf des Berichtes den Hinweis darauf, dass
EADS, also der Produzent des Eurofighters, von Anfang an dem Anbieter nahe
gelegt hat, 20 – und jetzt sollen es 18 werden – statt 24 derartiger
Flieger zu kaufen. Herr Minister! Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich nicht
so recht glauben kann, dass all das nur Zufall ist! 24 wurden ausgeschrieben,
und angeblich weil es Hochwasser gegeben hat, wollen wir nur 18 kaufen, und wir
kommen damit ganz offensichtlich einem Wunsch nach, denn es ist relativ
unüblich, dass ein Geschäftsmann sagt: Bitte kaufen Sie ein bisschen weniger!
Es muss Gründe für dieses Argument des potenziellen Lieferanten geben, zu
sagen: Nehmen Sie doch ein bisschen weniger ab! – Und etwa dort kommen wir
jetzt auch hin.
Daher sind die
Fragen, die sich mit den Kosten des Eurofighters beschäftigen, aber auch mit
den tatsächlichen Kosten der ausgeschriebenen oder aber nur fiktiven Kosten,
weil nicht in die Ausschreibung gekommenen Konkurrenzangebote betreffend SAAB
und MIG im höchsten Maße relevant.
Ich füge hinzu,
dass uns Informationen zugekommen sind, dass es offenbar für andere Abnehmer
dieses Produktes, nämlich des Eurofighters, Okkasionsangebote gibt, die der
österreichischen Bundesregierung nicht zugänglich sind. Wie gesagt, es sind
uns Informationen zugekommen, und wir bitten Sie, Herr Minister, dazu Stellung
zu nehmen, dass Eurofighter um etwa den halben Preis nach Saudi-Arabien
geliefert werden. Wenn das den Tatsachen entspricht, dann ist es wohl selbstverständlich,
dass das Ergebnis der Ausschreibung in Frage zu stellen ist. Ich formuliere es
einmal so: Das Mindeste, was man erwarten kann, ist, dass Österreich diese
Fighter zu denselben Konditionen und Preisen bezieht wie andere Abnehmer, also
um die Hälfte. Es ist ebenso selbstverständlich, dass in einer weiteren
Bewertungsrunde gegenüber einem Lieferanten, der in der ersten Runde von
Österreich das Doppelte verlangt hat, eine gehörige Portion Misstrauen
angemessen wäre.
Herr
Bundesminister! Jeder militärische Beschaffungsvorgang ist immer von
Verdächtigungen begleitet, ich weiß das. In vielen Fällen hat sich oft Jahre
später herausgestellt, dass diese Verdächtigungen keine Verdächtigungen,
sondern nüchterne Tatsachen waren.
Sie sind wenige
Wochen im Amt. Sie waren nicht Teil dieses Entscheidungsprozesses – ich sage
es einmal ganz rotzig –, Sie haben bisher in dieser Sache nichts falsch
machen können. (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus.) Ich
glaube, Herr Minister, Sie täten gut daran, dafür zu sorgen, dass Sie auch in
Ihrer weiteren Amtszeit nichts falsch machen, und das sollte wohl heißen, dass
wir auf die Eurofighter verzichten. (Beifall bei der SPÖ.)
17.14
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der an ihn
gerichteten Anfrage erteile ich dem Herrn Bundesminister für Landesverteidigung
das Wort. – Bitte.
17.14
Bundesminister
für Landesverteidigung Günther Platter: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte
Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich einleitend eine allgemeine
Bemerkung mache, bevor ich auf die Fragen eine Antwort geben werde: Man muss in
aller Deutlichkeit sagen, dass das höchste Gut für die Bürger ist, dass sie in
Frieden, Freiheit und Sicherheit leben können. (Allgemeiner Beifall.)
Damit Friede,
Freiheit und Sicherheit gegeben sind, bedarf es natürlich auch entsprechender
Mechanismen, und es besteht weit gehender Konsens darüber, dass wir auf dem
Boden die Polizei und die Gendarmerie haben, damit Recht und Ordnung in unserem
Land gegeben sind, damit die Bevölkerung, aber auch unsere Gäste, die bei uns
Urlaub machen, in Sicherheit leben können. (Bundesrat
Konecny: Wann kommen Sie zum Eurofighter?) Herr Bundesrat! Ich habe Ihnen
zugehört, bitte machen Sie das auch! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 102 |
Ich komme auf den
Eurofighter noch zu sprechen. – Aber es ist wirklich eine wichtige Angelegenheit,
dass auch unsere Gäste hier in Sicherheit leben können. Ich möchte den
Irak-Krieg nicht strapazieren, aber die Letzten, die daran gezweifelt haben,
dass wir eine Luftraumüberwachung brauchen, werden gesehen haben, wie wichtig
es zu diesem Zeitpunkt war, dass wir eine ausgezeichnete Luftraumüberwachung
haben und überprüfen können, was sich in der Luft abspielt. Es kann doch bitte
nicht sein, dass die Sicherheit zwei Meter über dem Boden aufhört! In einem
Zeitalter, in dem die Technologisierung weit fortgeschritten ist, braucht es
natürlich neben der Exekutive auf dem Boden auch eine entsprechende
Luftraumüberwachung.
Ich habe mir erst
kürzlich in St. Johann das Radarsystem „Goldhaube“ angeschaut. Wir sind,
was diesbezüglich geleistet wird, sensationell an der Spitze in Europa. Aber
das allein ist zu wenig. Wenn eine Feststellung in der Luft gemacht wird,
braucht man natürlich Luftraumüberwachungsflugzeuge, welche die Möglichkeit
haben, aufzusteigen und eine Identifizierung durchzuführen, die verdächtigen Flugzeuge
zu begleiten und, wenn es notwendig wäre, auch zur Landung zu zwingen.
Nur wenn dieses
Zusammenspiel zwischen dem Radarsystem und den Luftraumüberwachungsflugzeugen
funktioniert, ist es möglich, auch in der Luft entsprechende Sicherheit zu
gewährleisten. Ein verantwortungsvoller Sicherheitspolitiker wird verstehen,
dass das eine unbedingte Notwendigkeit ist. Das ist kein Selbstzweck für das
österreichische Bundesheer, das ist kein Selbstzweck für die
Landesverteidigung, sondern das ist ein Muss, damit für die Bürger die
Sicherheit gewährleistet wird! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Nun gestatten Sie
mir, auf die Fragen einzugehen und diese zu beantworten.
Zur Frage 1:
Österreich ist verfassungs‑ und völkerrechtlich verpflichtet, die Überwachung
und Sicherung des Luftraumes als wesentlichen Teil der Aufrechterhaltung
seiner Souveränität sicherzustellen. Deshalb ist die Fortsetzung der
Nachbeschaffung von Luftraumüberwachungsflugzeugen, wie bereits im
Regierungsprogramm der österreichischen Bundesregierung für die
XXI. Gesetzgebungsperiode auch im Regierungsprogramm für die
XXII. Gesetzgebungsperiode vorgesehen.
Zur Frage 2: Das
umfassende Bewertungsverfahren im Rahmen der Vergabe im Wettbewerb ergab unter
Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Zahlungsmodalitäten, dass
EADS mit dem Produkt Eurofighter der Bestbieter ist.
Zur Frage 3:
Wertungen und Kommentare zu Medienberichten stellen keinen Gegenstand der
Vollziehung im Sinne des Artikels 52 Bundes-Verfassungsgesetz in Verbindung mit
§ 24 der Geschäftsordnung des Bundesrates dar und unterliegen somit nicht
dem parlamentarischen Interpellationsrecht. Ich bitte daher um Verständnis,
dass ich von einer Beantwortung dieser Frage Abstand nehme! (Bundesrat Konecny: Sehr lustig!)
Zur Frage 4: Diese
Frage betrifft keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundesministeriums für
Landesverteidigung und wird daher von meinem Ressort nicht beurteilt.
Zur Frage 5: Hiezu
verweise ich auf meine Beantwortung der Frage 2 und darauf, dass die Marktchancen
der Firma SAAB auf dem Rüstungsmarkt durch jede wie immer geartete Stellungnahme
geschmälert werden könnten. Daher wäre es sachlich falsch, hier eine Aussage zu
treffen.
Zur Frage 6: Das
System „MIG 29“ kommt für die Anforderungen der österreichischen Luftraumüberwachung
nicht in Betracht. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf das Schreiben
meines Amtsvorgängers an den Botschafter der Russischen Föderation vom
21. Jänner 2001, in welchem mitgeteilt wurde, dass dem Angebot nicht näher
getreten werden kann. (Bundesrat
Mag. Gudenus: Das ist eine gute Erklärung!)
Zur Frage 7:
Konkrete Zahlenangaben dazu können auf Grund des noch offenen Beschaffungsverfahrens
und der damit verbundenen Preisverhandlungen nicht bekannt gegeben werden.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 103 |
Zur Frage 8: Hiezu
kann keine über meine Ausführungen zu den Fragen 2 und 7 hinaus gehende
Aussage getroffen werden, da infolge der durch die vorangegangene
Bundesregierung getroffenen Typenentscheidung mit SAAB keine
Preisverhandlungen geführt wurden.
Zur Frage 9:
Da, wie schon zu Frage 6 angeführt, das System „MIG 29“ für die
Anforderungen der österreichischen Luftraumüberwachung nicht in Betracht kommt,
werden über allfällige Kosten keinerlei Verhandlungen geführt.
Frage 10 ist
mit Nein zu beantworten, da ein klares Ergebnis der Bestbieterermittlung
vorliegt und die Reduktion der Stückzahl keinen Einfluss darauf hat. Rechtliche
Gutachten zur Überprüfung dieses Standpunktes wurden in Auftrag gegeben. Ich
werde Sorge tragen, dass da eine klare rechtliche Bewertung vorliegt.
Zur Frage 11:
Die in der Frage aufgestellte Behauptung lässt sich im Lichte der dem Bundesministerium
für Landesverteidigung vorliegenden Fakten nicht nachvollziehen. (Bundesrat Konecny: Wieso?)
Zur Frage 12: Im Hinblick auf meine Ausführungen zu Frage 11 erübrigt sich die Beantwortung dieser Frage. (Beifall bei der ÖVP.)
17.22
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein.
Ich mache darauf
aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit
mit insgesamt 20 Minuten für jeden Bundesrat begrenzt ist.
Als erstem Redner
erteile ich Herrn Bundesrat Günther Kaltenbacher das Wort. – Bitte.
17.22
Bundesrat
Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident!
Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich komme aus der
Region Aichfeld-Murboden, wo ich arbeite, und politisch aus dem Bezirk Murau,
wo ich wohne. Tagtäglich donnern die Draken über unseren Kopf, und wir
verfolgen die Luftraumüberwachung hautnah.
Im Zuge der
heutigen Diskussion über die Pensionsreform wurde wieder offenbar, dass die
Staatsbürger von massiven Belastungen bedroht sind. Als Leiter des AMS
Judenburg weiß ich sehr genau über die Entwicklung der Arbeitslosigkeit und der
Beschäftigtenzahlen Bescheid. Die Jugendarbeitslosigkeit steigt, der
Jahresarbeitslosendurchschnitt in unserem Bezirk liegt weit über jenem der
Steiermark und Österreichs.
Was hat das mit
den Abfangjägern zu tun? – Wir leisten uns den Luxus, 2 Milliarden j für diese Abfangjäger
aufzuwenden. Kompensationsgeschäfte werden immer wieder erwähnt beziehungsweise
wird dargelegt, wie wichtig diese für uns sind. Bis dato konnte uns allerdings
niemand sagen, wie und wo diese Kompensationen stattfinden und wer
letztendlich von diesen profitiert.
Im Zuge dieser
dringlichen Anfrage soll der Prozess dieses Kaufes ein bisschen nachvollzogen
werden. Dass 600 000 Österreicherinnen und Österreicher das
Anti-Abfangjäger-Volksbegehren unterschrieben haben, wurde ignoriert. Bereits
im Jahr 2002 kritisierte der Rechnungshof die äußerst hohe Vorbelastung
im Landesverteidigungsbudget. Die Vorgangsweise der Bundesregierung, die eine
Beschaffung mit diesen extremen Kosten vornimmt, ohne eine entsprechende
plausible Finanzierung darzustellen, ist verantwortungslos.
Der Ankauf, der
nicht nur 2 Milliarden j kostet, liegt auf dem Tisch. Nicht
beantwortet ist die Frage nach den Folgekosten von Instandhaltung und Wartung.
Von der jetzigen Regierung und auch von Ihnen, Herr Bundesminister, wird immer
wieder erwähnt, dass die erste Tranche der Rückzahlung 2005 schlagend wird und
somit nicht in diese Legislaturperiode fällt. – Allein diese Aussage ist
als verantwortungslos abzulehnen!
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 104 |
Ich möchte jetzt
auf die Bewertung zu sprechen kommen. – Schon im Zuge der Bewertung der
Angebote haben die hohen Militärs ihre Ansichten kundgetan, und das ist
wahrlich spannend: In der Einsichtsbemerkung hat der Leiter der Gruppe
Luftzeugwesen in Ihrem Ministerium, der stellvertretende Generalstabschef und
jetzige Generalleutnant Spinka zu den drei Typen Folgendes festgehalten:
Infolge der festgestellten annähernden Gleichwertigkeit der Anbote und der
gegebenen Erfüllung der Anforderungen für die Luftraumüberwachung in Österreich
wird vorgeschlagen, dem Produkt mit den geringeren Anschaffungskosten und
Betriebskosten, also den SAAB Gripen, den Vorzug zu geben.
Der Leiter der Beschaffungsabteilung und der Generaltruppeninspektor
schlossen sich dieser Meinung an. Das wurde jedoch ignoriert. Man hat sich für
den Eurofighter entschieden.
Auf Grund der Hochwasserkatastrophe des Vorjahres kam es zu einer
Reduzierung der Beschaffungszahl von 24 auf 18; das ist erwähnt worden. Die
führenden Militärs sprachen sich gegen die Reduzierung aus, weil die Auftragserfüllung
nicht mehr sichergestellt werden könne. – Nichtsdestotrotz, Herr Minister,
halten Sie und diese Bundesregierung an diesem Kauf fest! Trotz beziehungsweise
wegen der Reduzierung müsste das Ausschreibungsprozedere – das wurde auch bereits
in der Anfrage von Professor Konecny dargestellt – jedenfalls neu bewertet werden.
Bereits im Rechtsgutachten vom 18. 3. hat Universitätsprofessor
Dr. Heinz Krejci vom Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht
zusammenfassend festgehalten, dass Sie, Herr Minister, verpflichtet sind, auf
Grund der geänderten Rahmenbedingungen eine Neuausschreibung vorzunehmen.
Ansonsten könnten von Seiten der anderen Bewerber Schadenersatzansprüche an die
Republik drohen.
Spannend ist auch, dass der stellvertretende FPÖ-Parteiobmann Prinzhorn
im Februar gesagt hat: Sollte keine Neuausschreibung der Abfangjäger erfolgen
oder die Entscheidung nicht zugunsten des relativ günstigen Gripen ausfallen,
nämlich minus 700 Millionen j, dann wird es Neuwahlen geben.
Spannend ist auch, was in der medialen Berichterstattung gestern in
Erscheinung getreten ist, nämlich die Zuspielung sämtlicher
Bewertungsunterlagen und des Endberichts an den Initiator des Volksbegehrens,
nämlich an Herrn Fussi.
Es scheinen schon spannende Dinge im Hinblick auf die kontroverse Militärpolitik beziehungsweise darüber auf, wie es zu dieser Typenentscheidung letztendlich gekommen ist! Herr Minister! Ich meine: Da ist es nicht mit rechten Dingen zugegangen! Das werden zukünftig die Gerichte entsprechend zu überprüfen haben. (Beifall bei der SPÖ.)
Der Aufklärung dieser dubiosen Vorgänge rund um die Entscheidung zu
Gunsten des Eurofighters im Rahmen eines Untersuchungsausschusses hätten Sie,
wenn Sie ein ruhiges Gewissen und nichts zu verbergen hätten, zustimmen
können. Dann wäre alles transparent gewesen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Das macht doch nichts! Es gibt keine Schonfrist! Mit 1. 4. 2004 werden zehn Staaten im Osten der Europäischen Union beitreten. Obwohl wir somit von der EU-Randlage in die geografische Mitte treten, sollten wir Überlegungen betreffend die Verteidigung und Sicherung unseres Luftraumes zukünftig anders anstellen. Im Lichte der jetzigen Situation – Reduzierung des Budgets, Kürzung der Pensionen und so weiter – ist nicht nur der Ankauf dieser nicht notwendigen Eurofighter, sondern auch die gesamte Diskussion über Abfangjäger abzulehnen. Wir werden die Öffentlichkeit nach wie vor dementsprechend informieren. (Beifall bei der SPÖ.)
17.30
Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn
Bundesrat Dr. Franz-Eduard Kühnel das Wort. – Bitte.
17.30
Bundesrat Dr. Franz-Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist dies meine erste Rede, die ich heute vor dem Ho-
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hen Bundesrat halten darf. Es sind heute schon
eine Menge Abschiedsreden gehalten worden, und vielleicht ist das jetzt ein
kleiner Kontrast, wenn es bei so vielen Abgängen wenigstens einen neuen Zugang
gibt. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich darf mir daher
erlauben, mich ein bisschen vorzustellen. – Ich bin Wiener, wohne im
ersten Bezirk und bin stolz, Bürger des ersten Bezirkes zu sein. Ich war bis
November vorigen Jahres im Bereich der Landesverteidigung tätig. Daher ist es
für Sie wahrscheinlich nicht überraschend, dass ich zu dem Thema der heutigen
dringlichen Anfrage Stellung nehme.
Im ersten Bezirk,
meiner politischen Heimat, bin ich seit 1983 Bezirksrat, 1996 wurde ich Klubvorsitzender,
und seit 1997 bin ich dort Bezirksparteiobmann. Ich habe mich in dieser
Funktion vor allem für Bauangelegenheiten und für die Bezirksentwicklung
eingesetzt.
Meine Interessen
gelten einerseits der Außenpolitik und natürlich auch der Sicherheitspolitik,
aber auch an Verfassungsfragen habe ich besonderes Interesse. Ich möchte sowohl
Kultur als auch wirtschaftliche Angelegenheiten keineswegs beiseite schieben.
Letztlich ist mir,
da ich länger in einem Ministerium tätig war, die Verwaltungsreform mit all
ihren Facetten und Verzweigungen ein besonderes Anliegen, und vor allem auch,
dass auf diesem Sektor etwas weiter geht.
Dass ich im
Hinblick auf meinen Hintergrund die Abfangjägerbeschaffung unterstütze –
und zwar ohne Abstriche –, wird für Sie nicht sonderlich überraschend
sein. Ich unterstütze diese einerseits vom Standpunkt meines Berufs,
andererseits aber auch als Jurist. Es ist klar – und das hat der Herr
Bundesminister in seiner Anfragebeantwortung eindeutig gesagt –, dass die
Typenentscheidung, sozusagen die Modellfrage, Sache der Bundesregierung ist.
Diese Frage kann in unserem Gremium sicherlich auch diskutiert werden, vor
allem darf aber auch die Frage der Relevanz gestellt werden.
Ich weiß nicht, ob
ich die Anfrage von Herrn Professor Konecny richtig interpretiert habe: Etwa
zehn Minuten lang habe ich gemeint, dass er eigentlich für die Abfangjäger ist
und ihn lediglich interessiert, ob jetzt das Modell A, B oder C kommt. Diese
meine Auffassung wurde jedoch von meinem Vorredner sofort wieder vernichtet,
denn er hat sich klar gegen die Abfangjäger ausgesprochen. (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.)
Damit bin ich bei
einem anderen Punkt, und das betrifft uns Bundesräte alle, egal welcher Couleur
wir angehören. Wir sind auf die Verfassung und auf die Gesetze angelobt. –
Das Neutralitätsgesetz steht im Verfassungsrang und ist daher für uns von
besonderer Bedeutung. In diesem ist klar festgehalten – dazu haben wir uns am
26. Oktober 1955 bekannt –, dass wir mit allen zu Gebote stehenden
Mitteln unsere Neutralität verteidigen wollen.
Wenn wir eines der
zehn reichsten Länder sind, dann ist es meiner Meinung nach beschämend, wenn
wir uns die Frage stellen, ob wir uns die Abfangjäger leisten können oder
nicht. (Zwischenruf des Bundesrates Rosenmaier.)
Der Herr
Bundesminister hat auch klar gesagt, dass unsere Souveränität – auf die
wir immer so viel Wert legen – nicht etwas ist ... (Zwischenruf der Bundesrätin Schicker. –
Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie können mich nicht so leicht aus
dem Konzept bringen, weil ich etwas schwerhörig bin und daher Ihre Zwischenrufe
nicht so genau höre! (Beifall und Heiterkeit bei der ÖVP.)
Der Herr
Bundesminister hat klar gesagt, dass sich unsere Souveränität nicht nur auf die
Erde, vielleicht bis zur Höhe dieses Rednerpultes, bezieht, sondern
selbstverständlich auch in der Luft zu gelten hat. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Danke für das Kompliment, das habe ich
glücklicherweise verstanden! (Beifall und Heiterkeit bei der ÖVP.)
Ich darf ein wenig in die Geschichte zurückgehen. Ich erinnere mich dunkel an das Jahr 1985, als sich der damalige sozialdemokratische Bundeskanzler – oder damals noch sozialistische
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Bundeskanzler, ich weiß nicht genau, wann diese Umbenennung
erfolgt ist – für die Abfangjäger ausgesprochen und die
Drakenbeschaffung stattgefunden hat.
Damals hat man
allerdings auf die Frage, warum wir diese etwas älteren Flugzeuge bekommen
haben, geantwortet, dass man dem österreichischen Bundesheer Gelegenheit geben
möchte, sozusagen die zweite Generation der Maschinen kennen zu lernen, damit
wir später in die dritte oder vierte Generation einsteigen können.
Außerdem war zum
damaligen Zeitpunkt klar, dass die Anzahl der erlaubten Flugstunden, nämlich
an die 1 000, wahrscheinlich im Jahre 1995 aufgebraucht sein wird.
Eigentlich hätte schon 1995 eine Erneuerung stattfinden müssen. Man hat das
immer wieder hinausgeschoben, aber glücklicherweise hat die letzte
Bundesregierung endlich eingesehen, dass es notwendig ist, diesbezüglich eine
Entscheidung zu treffen.
Jetzt kommt der
typische Widerspruch oder – wie man sagen könnte – die Dialektik: So
lange sozialdemokratische Kanzler im Amt waren, solange hat man seitens der SPÖ
für die Abfangjäger durchaus zumindest ein halbes Herz gehabt. Kaum ist man
aber in der Opposition, ist man dagegen. (Bundesrat
Kaltenbacher: Wir haben kein Geld! – Zwischenruf des Bundesrates Todt.)
Ich darf kurz aus
einer Resolution des Bundesparteipräsidiums der SPÖ vom
17. Oktober 2001 zitieren, in welcher steht, dass Österreich für eine
weitere Integration und Vertiefung – ich betone: Vertiefung! – der Gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik der EU eintritt, um dadurch eine wirkungsvollere
europäische Politik zu gewährleisten. Darüber hinaus postuliert die
SPÖ-Doktrin, dass Österreich an der Planung und Entscheidung im Rahmen der
europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik aktiv – ich betone:
aktiv! – mitwirkt und daher auch über Art und Ausmaß des europäischen
Engagements bei den „Petersberg-Aufgaben“ mit entscheidet.
Die
„Petersberg-Aufgaben“ beziehen sich nicht nur auf das schöne Hotel oberhalb
Bonns, sondern sie beinhalten auch – ich nehme an, Sie wissen das –,
dass man bereit ist, sozusagen kampfunterstützte Durchsetzungsmaßnahmen zu
setzen, und nicht nur bei Katastrophenhilfen und Ähnlichem zugegen ist.
Aus meiner
Erfahrung muss ich Ihnen sagen: Was da steht, ist sehr schön. Ich verstehe
daher die Frage betreffend die Abfangjäger im Grunde genommen nicht. Es müsste
Ihnen als Sozialdemokraten nämlich auch bewusst sein, dass jemand, der nichts
hat und nichts anbieten kann, in Brüssel auch nicht mitentscheiden kann.
Daher ist es
unbedingt notwendig, wenn Österreich in Zukunft einen Stellenwert in Brüssel haben
möchte, dass entsprechende Mittel in Österreich im Allgemeinen und für das
Bundesheer im Besonderen zur Verfügung stehen. (Zwischenruf des Bundesrates Rosenmaier.)
Es war für mich
auch interessant, dass zum Beispiel der sozialdemokratische Premierminister
Blair durchaus etwas für seine Landesverteidigung übrig hat. Offensichtlich
scheint er aber kein Sozialdemokrat zu sein, weil Sie sich distanzieren, Herr
Professor! (Bundesrat Konecny: Ich wollte nur aufschreiben, was ich Ihnen
zurufen wollte!) Sie würde ich ja verstehen, die Kollegen von
der anderen Seite halt ein bisschen weniger!
Herr Professor!
Demjenigen, der jetzt gerade hereinkommt, nämlich Bundesrat Schennach, darf ich
sagen, dass für mich die Äußerungen des Herrn Professors zur Abfangjägerfrage
interessant waren: Er hat zumindest einmal gesagt, dass er, wenn die
Professoren für Verfassungsrecht und Völkerrecht der Meinung seien, dass
Abfangjäger notwendig sind, das akzeptieren würde. Allerdings haben dann einige
aus dem Kreise der Grünen diese Meinung nicht geteilt, und der Herr Professor
ist, wie schon öfters, etwas zurückgekrebst.
Der langen Rede
kurzer Sinn: Es ist bedauerlich, aber es steht irgendwie doch außer Streit,
dass die SPÖ gegen die Landesverteidigung, wenn es ehrlich darum geht, etwas
hat und daher auch diese typische dringliche Anfrage eingebracht hat, die das
Ganze in Frage stellen soll.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 107 |
Noch etwas möchte
ich Ihnen sagen: Wenn Sie jetzt immer wieder darauf hinweisen, dass die
Bevölkerung gegen die Abfangjäger sei, dann ist zu bemerken: Sie haben im
Wahlkampf zusammen mit den Grünen das Thema gespielt, und Sie sind sicherer
Zweiter bei dieser Wahl geworden. Das heißt umgekehrt, dass die Österreicher
durchaus für die Politik der ÖVP und FPÖ etwas übrig haben, denn sonst hätte
die ÖVP keine Mehrheit bekommen. (Zwischenruf
des Bundesrates Todt. – Zwischenruf des Bundesrates Rosenmaier. –
Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Etwas möchte ich Ihnen auch noch sagen: Die SPÖ
fordert für Europa eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, und
Österreich sollte dort entsprechend mitstimmen. Daher mein Appell an Sie:
Bitte unterstützen Sie die Notwendigkeiten für die österreichische
Landesverteidigung!
Der Herr
Bundesminister hat schon einige Argumente vorgebracht, die ich jetzt nicht
wiederholen möchte, aber eines möchte ich Ihnen schon noch sagen: Österreich
hat seit 1955 die allgemeine Wehrpflicht, und diese Wehrpflicht wird
wahrgenommen in der Masse von unseren Söhnen, aber zu einem kleinen Prozentsatz
auch von unseren Töchtern. (Bundesrat Reisenberger:
Für Frauen besteht die Wehrpflicht nicht! – Bundesrat Konecny:
... nicht wehrpflichtig!) Ich verstehe überhaupt nicht, warum man als Österreicher immer wieder
etwas dagegen hat, wenn unsere Söhne und Töchter entsprechend ordentlich
ausgerüstet sind. Denn viele dieser Beschaffungen aus dem Bereich der
Landesverteidigung sind notwendig (Bundesrat Konecny:
Sie sind eben nicht ordentlich ausgerüstet!), um unsere Soldaten ordentlich zu schützen, und
dazu gehören selbstverständlich auch die Abfangjäger. (Bundesrat Konecny: Nein, dazu gehören zuerst
Splitterwesten ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ich darf Sie an
eines erinnern: Sie werden in der letzten Zeit sicherlich ferngesehen und die
Bilder aus dem Irak gesehen haben. (Bundesrat Konecny:
Ja!) Sie haben
einerseits den Amerikaner gesehen, die englischen Royal Marines, wie sie
ausgerüstet sind, und andererseits den irakischen Soldaten. (Bundesrat Reisenberger: Was wollen Sie aus
Österreich machen? Gott schütze uns vor Leuten wie Ihnen!) Aus der Sache
ersehen Sie nämlich, dass es wichtig ist, die Soldaten entsprechend
auszurüsten, damit unsere Söhne und Töchter geschützt sind, sei es im Kosovo,
sei es in Bosnien – wo wir nur noch mit ganz wenigen Soldaten vertreten
sind –, sei es auf dem Golan. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich darf an Ihre
Verantwortung appellieren, dass Sie den österreichischen Soldaten die notwendigen
Waffen und Ausrüstungen geben und nicht vorenthalten. Denn jeder wird
irgendwann einmal aufgefordert, seine persönliche Verantwortung zu übernehmen. (Bundesrat
Rosenmaier: Kaufen wir ihnen auch
einmal ordentliche Socken!)
Zuletzt möchte ich
noch einmal zusammenfassen, indem ich sage, dass eine gute Ausrüstung und
Bewaffnung unseren Soldaten schützt, den Soldaten motiviert, aber auch, bitte,
die Republik und die Europäische Union schützt! – Ich danke. (Beifall
bei der ÖVP.)
17.42
Vizepräsident Jürgen Weiss:
Nächster Redner ist
Herr Bundesrat Reinhard Todt. Ich erteile ihm das Wort.
17.42
Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich wusste nicht, dass wir heute in die Lage kommen, eine Grundsatzdebatte über
den Stellenwert der österreichischen Landesverteidigung zu führen. Ich dachte
mir, wir reden hier über die Abfangjäger, Kampfflugzeuge oder sonstiges Gerät.
Ich wusste nicht, dass wir diese Grundsatzdebatte führen, möchte aber gerne ein
paar Punkte in diese einbringen, bevor ich zu den anderen Fragen komme.
Zu Beginn dieser Regierungsperiode, als Sie Minister wurden, wurden Ihnen einige Fragen gestellt, denn Ihre Partei hatte einige Vorschläge gemacht, die im Zuge des Sparwillens durchaus vernünftig sind und worüber man sicherlich diskutieren könnte. Darin gibt es einige Kernpunkte.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 108 |
Erstens ist dies die Mischung von Berufs- und
Milizheer – man höre: Die Wehrpflicht hat der Kollege vorhin genannt.
Übrigens, Herr
Kollege, möchte ich Ihnen sagen, die Mädchen oder die Damen oder die Frauen haben
keine Wehrpflicht – Wehrpflicht haben die jungen Männer in
Österreich! –, sondern sie können freiwillig Dienst mit der Waffe
durchführen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Reisenberger: So
ist es! – Bundesrat Konecny: Sollte man eigentlich wissen!) Das ist einfach so, das sollte man
schon wissen.
Aber nun zu den
Kernpunkten dieser Diskussion – ich möchte noch ein paar einbringen, vielleicht
können wir dann weiterdiskutieren –: Mischung aus Berufs- und Milizheer, Reduzierung
der Wehrdienstzeit von acht auf sechs Monate – alles Vorschläge von Ihrer
Seite, von Seiten der ÖVP –, zwei Wehrdienstvarianten, eine mit und eine
ohne Waffe, Schließung von Kasernen ... (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.)
Ich rede jetzt von
einem Papier, das von Ihrer Partei erstellt worden ist. Ich sage Ihnen, Herr
Bieringer, ich bekenne mich dazu, bei mir ist es ... (Bundesrat Bieringer:
... Kreisky hat gesagt, sechs Monate sind genug!) Das ist ein Unterschied.
Ich bin einer der Kämpfer für den Zivildienst gewesen, aber ich freue mich,
dass Ihre Partei jetzt auch in die Lage kommt, so etwas zu fordern. Das ist in
einem Papier gestanden, das von Ihrer Partei stammt. Daher bringe ich das jetzt
gerne in diese Debatte mit ein, damit wir über diese Dinge diskutieren können
und damit Sie wissen, dass es auch bei Ihnen Menschen gibt, die darüber
nachdenken (Bundesrat Boden: Die vernünftig sind!), wie denn
dieser Dienst im österreichischen Bundesheer, wie das gesamte Bundesheer, der
Wehrdienst, die Landesverteidigung oder was auch immer verändert werden können.
(Beifall bei der SPÖ.)
Als vierter Punkt
ist dann die Schließung der Kasernen enthalten. Es sollten einige Kasernen in
Österreich geschlossen werden. Als Erste haben daraufhin die ÖVP-Landeshauptleute
aufgeschrien, dass die Kasernen in ihren Bundesländern doch nicht geschlossen
werden können. Das verstehe ich natürlich, denn klarerweise verliert man dann
auch Arbeitsplätze und so weiter und so fort.
Weiters: Bei den
Truppenkosten könnten bis zu 30 Prozent gespart werden. Ich glaube, das
wird man auch tun müssen, denn man muss dieses Fluggerät – Abfangjäger,
Kampfflugzeuge, was auch immer – ja bezahlen.
Eine
Reformkommission soll bis Jahresende die Grundlagen erarbeiten und so weiter.
Künftig soll das Heer aus 15 000 Berufssoldaten bestehen. Die
Grundausbildung soll nicht mehr acht Monate, sondern nur sechs Monate dauern,
und sie soll geteilt werden. – All das sind Punkte und Vorschläge, die nicht
von uns, sondern von Ihrer Fraktion kommen. Ich habe das in die Debatte
eingebracht, weil der Kollege vorhin auch alle Dinge angesprochen hat, die
jemals zum Thema Landesverteidigung in Österreich diskutiert wurden.
Vielleicht noch
ein Punkt zum Bereich der europäischen Verteidigung: Ich denke, wenn man einmal
vernünftig über diese Dinge reden würde – es gibt unterschiedliche
Standpunkte, selbstverständlich! –, dann könnte man auch hier zu einem
Konsens kommen. Man kommt aber zu keinem Konsens, wenn man dem einen dies
vorwirft oder dem anderen das vorwirft.
Ich möchte jetzt
aber gern zu dem zurückkommen, was ich in Ihrer Beantwortung unserer Anfrage nicht
gehört habe, Herr Bundesminister! Ich habe nicht gehört, dass Sie die Fragen
tatsächlich beantwortet hätten, und möchte gerne nachfragen, was Sie zur
ersten Frage: „Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung an der Anschaffung
von neuen Abfangjägern fest, obwohl sich über 70 Prozent der Bevölkerung
gegen diese Anschaffung aussprechen?“ und zur zweiten Frage: Aus welchen
Gründen hält die Bundesregierung an der Type „Eurofighter“ des EADS-Konzerns
fest? sagen.
Sie haben das nicht beantwortet – ich habe nichts davon gehört –, und eine Reihe anderer Fragen auch nicht. Weiteres Beispiel: „Ist es aus der Sicht des Bundesministers für Landesverteidigung richtig, dass beim Ankauf des ‚Saab Gripen’ hauptsächlich das Klein- und Mittelgewerbe
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 109 |
profitieren würde?“ –
Ich habe die Antwort darauf nicht gehört. Auch die Antwort betreffend „MIG“
habe ich nicht gehört. Sie haben die Antworten eigentlich nicht gegeben, Sie
sind uns diese Antworten vom Grundsatz her schuldig geblieben. Ich möchte Sie
bitten, sich diese Anfrage doch noch einmal anzuschauen und zumindest zu
versuchen, darauf Antworten zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)
Sehr verehrte
Damen und Herren! Zum Grundsätzlichen möchte ich, was Abfangjäger betrifft,
auch darauf eingehen und meinen Standpunkt dazu noch einmal ganz klar darlegen.
Ich stelle Abfangjäger auch deswegen in Frage, weil dieses Kriegsgerät
sündteuer ist und weil man nicht bereit ist, darüber zu sprechen. Man ist ganz
einfach nicht bereit, zum Beispiel darüber zu sprechen, billigeres Gerät
anzuschaffen – man ist dazu nicht bereit. Man hat sich für das teuerste
Gerät entschlossen. Ich vermute – das ist mein Problem dabei, und ich sage das
im vollen Bewusstsein dessen, was ich sage –, dass wahrscheinlich das Geld
schon geflossen ist, denn Antworten darauf haben wir bis jetzt noch nicht
bekommen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Nun würde ich
gerne wissen, warum man überhaupt nicht bereit ist, über andere Formen zu diskutieren,
und warum man unbedingt auf diese Abfangjäger ... (Bundesrat Kneifel:
Welches Geld? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Na, für Sie
vielleicht! Immer wieder wird gemunkelt – das steht auch in Zeitungen,
auch solchen Ihrer Couleur, und so weiter –, dass gerade bei militärischen
Beschaffungen entsprechend Schmiergeld bezahlt wird. (Beifall bei der SPÖ
und des Bundesrates Schennach. – Bundesrat Mag. Himmer:
Können Sie das auch ...?)
Sie, meine Damen
und Herren von den Regierungsfraktionen, veranstalten mit dieser Pensionsreform,
die Sie „Reform“ nennen – sie ist das Wort „Reform“ nicht wert –, den
größten Raubzug bei den Pensionisten, denn Sie schröpfen die Menschen um
2 Milliarden Schilling. Der Herr Finanzminister wird das Geld
wahrscheinlich brauchen, um später die Abfangjäger zu bezahlen. Es kommt noch
dazu, dass die Abfangjäger jetzt beschafft werden und die Leute dann später belastet
werden. All das ist etwas, bei dem ich mich frage, wohin das führt! Welche
Verantwortung ist das? – Sie machen keine verantwortungsvolle Politik bei
den Abfangjägern, Sie machen den größten Raubzug bei den Pensionisten! 2
Milliarden nehmen Sie den Pensionistinnen und Pensionisten weg, nehmen Sie
künftigen Generationen von Pensionisten weg, um damit teures Kriegsgerät, teure
Kampfjets zu bezahlen.
Sie machen etwas
Weiteres: Sie beschaffen teures Kriegsgerät und schlagen allen Ernstes Selbstbehalte
im Gesundheitssystem vor, wodurch Sie weiterhin Menschen ... (Ruf bei
der ÖVP: ... 42,3 Prozent, sagt Ihnen das was?) Sie machen einen
weiteren Raubzug, indem Sie sagen: Wir schlagen vor, dass es Selbstbehalte im
Gesundheitssystem geben soll. Ohne darüber nachzudenken, machen Sie all das
gleich, denn Sie brauchen ja Geld für dieses Kriegsgerät. (Bundesrat Ledolter:
... hinausgeschmissenes Geld! – Bundesrat Reisenberger: Das Geld
den Leuten wegnehmen! Das ist die Wahrheit!)
Die Standpunkte,
die es gibt, sind einfach: Wir sind auf Seiten der Bevölkerung,
also jener Menschen, die Sie berauben, und Sie kaufen Abfangjäger!
Das sind die Fakten. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)
17.52
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat
Christoph Hagen. Ich erteile ihm das Wort.
17.52
Bundesrat
Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr
geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Auf der einen
Seite freue ich mich darüber, dass hier meine Anfrage diskutiert wird, auf der
anderen Seite kann ich aber gerne auf die Vormundschaft der SPÖ verzichten. (Beifall
bei den Freiheitlichen.) Die SPÖ kopiert meine Anfragen; das heißt, dass
sie meiner Meinung ist. Ich würde mir wünschen, Sie wären auch in anderen
Angelegenheiten meiner Meinung und würden mich auch dort unterstützen, Herr
Konecny! (Bundesrat Konecny: Lässt sich ja diskutieren!)
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 110 |
Nun zur Anfrage:
Es ist nicht umstritten, was ich darin hinterfragt habe. Ich muss sagen, ich bekenne
mich zu unserer österreichischen Luftraumüberwachung laut Verfassung – es
steht in der Verfassung, dass wir unseren Luftraum sauber zu halten haben (Bundesrat
Boden: Aber die Eurofighter verpesten alles!) –, und das geht
meiner Ansicht nach derzeit, nach der derzeitigen Technologie nur mit
Flugzeugen, ohne dass ich gleich jeden herunterschieße, der mir irgendwie spanisch
vorkommt. Das ist für mich unumstritten, auch wenn im Moment 70 Prozent
der Bevölkerung infolge der Mediendebatte gegen diese Flugzeuge sind. Aber ich
bekenne mich trotzdem dazu, weil ich weiß, dass es notwendig ist.
Zur
Anfragebeantwortung durch den Herrn Minister: Die Anfragebeantwortung war schon
sehr dürftig, muss ich sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der SPÖ
sowie des Bundesrates Schennach.) Herr Minister! Ich erwarte oder
erhoffe mir in Ihrer schriftlichen Beantwortung meiner Anfrage genauere
Ausführungen – ich bin nicht ganz zufrieden –, sonst muss ich mich
noch einmal melden.
Etwas, was mir
sehr wichtig zu sein scheint, ist die Hinterfragung von Presseberichten. Diese
Presseberichte geben die Volksmeinung wieder, und die Leute glauben das, was in
der Zeitung steht. Daher bin ich der Überzeugung, dass es richtig ist, dies zu
hinterfragen und richtig zu beantworten. Ich denke, das hat mir heute etwas
gefehlt.
Etwas ist für mich
sehr maßgeblich: Wenn ich einen Vertrag abschließe, 24 Flugzeuge bestelle
und dann die Zahl der Flugzeuge auf 18 reduziere, dann sind das für mich als
normalen Geschäftsmann – sagen wir es einmal so; oder als kleinen
Geschäftsmann, wenn ich einmal einkaufen gehe – geänderte
Rahmenbedingungen. (Zwischenruf des Bundesrates Ledolter.) Ich
denke, dass in dieser Frage sichergestellt werden muss, ob nicht die
Abfangjäger-Entscheidung neu hätte ausgeschrieben werden sollen.
Bei Herrn Konecny
möchte ich mich noch bedanken. Er hat uns heute mit zwei Anfragen doch etwas
strapaziert. Nachdem er die Erste zu zirka 20 Minuten verschlafen
hatte – man hat hier einen sehr guten Ausblick –, hat er doch dieser
Anfrage, die auch mir gewidmet ist (Bundesrat Konecny: Meine Kondition wieder gewonnen!), die volle Konzentration geschenkt,
und das freut mich. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und
bei Bundesräten der SPÖ.)
17.56
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat
Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.
17.56
Bundesrat
Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr
Präsident! Herr Bundesminister! Das Thema „Schutz des österreichischen
Luftraums“ beschäftigt immer wieder einmal das Parlament, manchmal intensiver,
manchmal weniger intensiv. Manchmal bekommt man von den Ministern bessere Antworten,
manchmal etwas „drübergestreute“ Antworten, manchmal bekommt man auch keine
Antworten. Aber ich beziehe das jetzt nicht auf einen Minister, der hier
anwesend ist, Herr Bundesminister! (Heiterkeit des Bundesrates Konecny.)
Eines ist nicht
gegeben: eine Diskussion im parlamentarischen Raum über die Nachbeschaffung
der Abfangjäger. Auch eine Diskussion darüber, um welche Typen und Preise es
sich handelt, hat im Parlament bestenfalls im kleinsten Kreise stattgefunden,
aber sicherlich nicht im Ausschuss für Landesverteidigung, weder im
Nationalrat noch im Bundesrat. Es wurde eigentlich immer zu einer –
schnippisch gesagt – Kommandosache erklärt, und zwar zu einer geheimen
Kommandosache, so nach dem Motto: Der Staatsbürger darf zahlen, aber er ist zu
blöd, das Thema zu verstehen.
Nun ist es nicht
so, dass das Zahlen eine Freude für den Staatsbürger ist. Er zahlt Dinge –
in den meisten Fällen auch durchaus einsichtig –, wenn er davon überzeugt
ist, dass die Anschaffung oder die Ausgabe gerechtfertigt ist. Wir erkennen
das bei der Diskussion über die Pensionen, worüber hier heute durchaus eine
sehr lebhafte Gesprächsführung stattfand. Sicherlich hat noch keine Einigung
in der Meinung stattgefunden, aber es wird darüber diskutiert.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 111 |
Wir Freiheitliche sind
– wir treten sehr wohl für eine Luftraumüberwachung ein, und zwar auch mit
Luftraumüberwachungsflugzeugen, Herr Bundesminister, darin unterscheiden wir
uns wahrscheinlich etwas stärker von den Sozialdemokraten – durchaus der
Meinung, dass wir ein solches Gerät brauchen. Aber aus dem Neutralitätsgesetz
oder aus einem weiteren Verfassungsgesetz ergibt sich nicht zwingend, sondern
nur ableitungsgemäß, dass wir Luftfahrzeuge zur Luftraumüberwachung benötigen.
Es steht nirgends drin, dass wir es brauchen, es lässt sich nur daraus
ableiten. (Präsident Hösele übernimmt den Vorsitz.)
Der Herr
Bundeskanzler hat am 13. März etwas gesagt, dem ich zustimmen kann.
Bleiben wir bei den objektiven Verfahren, hat der Herr Bundeskanzler gesagt,
sprechen wir darüber ohne jegliches persönliches Interesse, wie ich das tue,
wie Herbert Scheibner das gemacht hat und wie das auch mit Sicherheit Günther
Platter tut, und stehen wir zu der Notwendigkeit, auch den österreichischen
Luftraum zu schützen. – Minister Plattner saß damals neben dem Herrn Bundeskanzler,
als ich – (Rufe bei der ÖVP: Platter!) Platter, ja! –
eigentlich den Anlass gegeben hatte, dass der Herr Bundeskanzler diese
Bemerkung auf diesen Teil meiner Ausführungen machte.
Der Herr
Bundeskanzler sagte, dass wir eine Luftpolizei benötigen. Ich sehe auf den
österreichischen Straßen eine gut ausgerüstete Polizei und Gendarmerie, ich
sehe diese Einrichtungen aber nicht mit einem Maserati fahren, um hier einen
Vergleich mit einem der teuersten Geräte auf dem Automarkt in Hinblick auf ein
Flugzeug herzustellen.
Zur
Aufgabenerfüllung der Luftraumpolizei genügt es, Maschinen zu haben, die gerade
noch – das im Sinne der Steuerzahler, die wir zu vertreten
haben – ihre Aufgaben der Luftraumüberwachung erfüllen können. Wir brauchen
keine – jetzt nehme ich den polemischen Begriff der Sozialdemokraten in den Mund –
Kampfmaschinen. Ich bin sehr nahe bei Ihrer Meinung, der Unterschied ist
jedoch: Ich bin überhaupt für die Luftraumüberwachung.
Jetzt sind eben
hier Zweifel aufgetaucht hinsichtlich der Vorgangsweise, wie sie jetzt vor uns
liegt und bei der man den Eindruck hat, dass eine Entscheidung durchgeboxt
werden soll.
Der Herr
Bundeskanzler hat gesagt: nach zweijähriger sehr gründlicher Prüfung. –
Uns hier im Haus ist von einer zweijährigen Prüfung nur durch diese Aussage
etwas bekannt geworden. Wir haben keine Zwischenberichte, wir haben nichts
bekommen.
Wir haben in der
Zwischenzeit aber ein Rechtsgutachten bekommen – ich gehe davon aus, Herr
Bundesminister, dass du es auch hast –, ein Rechtsgutachten über einige
grundsätzliche Fragen zur Verpflichtung der Republik Österreich gegenüber
Anbietern von Abfangjägern, erstattet von Universitätsprofessor Dr. Heinz
Krejci, Vorstand des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht,
Rechtswissenschaftliche Fakultät Wien. Dieses Gutachten ist erst vor wenigen
Wochen, vielleicht auch nur Tagen herausgekommen, und darin wird sehr wohl
darauf hingewiesen. Ich zitiere jetzt aus diesem Bericht, aus dieser Expertise
von Professor Krejci.
Einleitend: Der
mir zugegangenen Information zufolge gedenkt das Bundesministerium für Landesverteidigung
die mit der Änderung der Stückzahl zusammenhängenden Fragen ausschließlich mit
dem Produzenten des Eurofighters zu erörtern. Die anderen ursprünglich
eingeladenen Bieter wurden hingegen nicht aufgefordert, ihre bisherigen
Angebote in Hinblick auf den nunmehrigen Bedarf von nur mehr
18 Abfangjägern zu adaptieren. Auch wird die Ansicht vertreten, dass
solche Angebote, sofern sie andere Bieter von sich aus einreichen, vom BMLV
nicht mehr beachtet werden müssen, weil die Beschaffungsentscheidung bereits
zugunsten des Eurofighters gefallen ist.
Ich halte das, was der Professor hier sagt, für durchaus bemerkenswert. Ich denke, wir brauchen – und das meint auch der Professor – vergleichbare Angebote, denn die Anzahl verändert den Preis. Die Stückkosten wirken sich auf die Fixkosten aus, und wenn das nicht berücksichtigt wird, haben wir keinen Preis, der für die 18 Eurofighter oder 18 Maschinen stimmt, die wir jetzt kaufen werden. Wir können nicht sagen: Wenn 24 so viel kosten, kosten 18 so viel. Diese Rechnung stimmt nicht! Sie kann betriebswirtschaftlich nicht stimmen. Wir brauchen daher diese
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 112 |
Punkte ... (Bundesrat Kneifel:
Aber eines steht schon fest: 18 sind billiger als 24!) – Das ist
richtig, Herr Kollege, aber es stimmt auch ... (Bundesrat Kneifel: Da
brauchen wir aber keinen Professor! – Heiterkeit.) – Wenn ich
dich ernst nehme, meine ich, dass du es vielleicht ernst gemeint hast. An und
für sich dürfte ich dich nicht ernst nehmen, weil du es unernst gemeint hast.
Es heißt hier:
Zusammenfassend wird somit festgehalten, dass bei freihändiger Vergabe die
Regeln der ÖNORM A 2050 nicht nur im Hinblick auf einige Grundsatzfragen
relevant werden, vielmehr sind trotz des Hinweises im Punkt der
ÖNORM 1.4.2.3, dass die freihändige Vergabe ohne förmliches Verfahren nach
freiem Ermessen erfolgt, zahlreiche Bestimmungen der ÖNORM A 2050
sinngemäß auch auf die freihändige Vergabe anzuwenden. Dies gilt besonders für
die Teilnahme der eingeladenen Bieter zu gleichen Wettbewerbsbedingungen und
für die Gleichbehandlung der Bieter überhaupt bis zum Abschluss des
freihändigen Vergabeverfahrens.
Freihändiges
Vergabeverfahren, liebe Kolleginnen und Kollegen, heißt nicht, dass man einfach
wie auf den Naschmarkt gehen und mit der Karottenfrau den Preis von Karotten
aushandeln kann. Das wäre vielleicht das volksübliche freihändige Verhandeln,
das bedeutet es aber nicht. Im Handelsrecht ist „freihändig“ sehr wohl und aus
gutem Grund an Normen gebunden. (Ruf bei
der ÖVP: Jetzt wird es kompliziert!)
Sofern das
Bundesministerium für Landesverteidigung im vorliegenden Zusammenhang gehalten
ist, die ÖNORM A 2050 im Bereich der Vergabe von Aufträgen, die nicht dem
Bundesvergabegesetz unterfallen, einzuhalten, beruht eine solche
Verpflichtung, sollte nichts anderes angeordnet sein, nicht auf einer Rechts-,
sondern auf einer Verwaltungsverordnung, die lediglich die ministeriellen
Organwalter bindet, nicht aber auch die Rechtsbeziehung zu Außenstehenden
einbezieht. Das Verwaltungsorgan ist lediglich seinem Dienstherren gegenüber
zur Einhaltung der Vergabevorschriften verpflichtet, nicht gegenüber den
Bietern.
Aber mit der
Bindungswirkung des Angebots entsteht dann auch eine Bindung des Bewerbers an
vergaberechtliche Regelungen. Eine unverbindliche Einladung zur Angebotsabgabe
vermag also fürs Erste lediglich den Bewerber selbst an Vergaberegelungen zu
binden, sofern in der Einladung entsprechende Hinweise enthalten sind und das
Angebot darauf Bedacht nimmt. Das bringt für den Vergeber keine Pflichten
beziehungsweise Belastungen, sondern nur Rechte mit sich.
Da im vorliegenden
Fall bestimmte Unternehmen angeschrieben wurden, liegt die Prüfung nahe, ob ein
derartiger Vergabevertrag angenommen werden kann. Der Information des Professors
Krejci folgend kann aus dem Einladungsschreiben ein Wille des BMLV, eine die
Republik verpflichtende rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben, nicht
abgeleitet werden. Insbesondere soll in den Einladungsschreiben der
ausdrückliche Hinweis enthalten sein, dass aus der Entgegennahme der Angebote
dem BMLV keinerlei – wie immer geartete – Verpflichtung erwachse.
Aber auch schon
vor Abschluss eines Vertrages erkennt das Zivilrecht besondere Sorgfalts-,
Rücksichts- und Schutzpflichten zwischen Personen, die miteinander in
geschäftlichem Kontakt sind, insbesondere weil ihre persönliche Sphäre
beziehungsweise ihr Vermögensbereich auf eine intensivere Art, als dies sonst
Personen gegenüber geschieht, bekannt gemacht wird. Außerdem binden solche
Kontakte Geschäfte, die ohne diese Bindung für andere Aktivitäten frei wären.
Solche Bindungen verursachen insbesondere Kosten und beeinträchtigen die Wahrnehmung
anderer Chancen.
Bewerber
beziehungsweise Bieter müssen darauf vertrauen, dass sich das Verwaltungsorgan
wohl auch in seinem Falle an die geltenden Selbstbindungsvorschriften –
zumindest weitgehend und im wesentlichen Bereich – hält, und zwar auch
dann, wenn nach außen hin betont wird, dass es sich bei diesen Vorschriften nur
um interne Anweisungen handelt.
Aus den Sorgfaltspflichten in contrahendo resultiert jedenfalls in Fällen öffentlicher Vergabe auch eine Verpflichtung des Vergebers, die Bewerber – jetzt kommt es! – gleich zu behandeln,
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 113 |
insbesondere einzelne nicht zu diskriminieren,
Herr Bundesminister! – Der Oberste Gerichtshof teilt diese Ansicht.
Selbst für den
Fall, dass ein öffentlicher Auftraggeber weder an gesetzliche noch an verwaltungsinterne
Vergabevorschriften gebunden ist, unterliegt er jedenfalls dem verfassungsrechtlichen
Gleichheitssatz und damit mittelbar der den Gleichheitssatz im Vergaberecht
konkretisierenden ÖNORM A 2050. Die Gleichbehandlung besteht naturgemäß
nicht darin, allen den Zuschlag zu erteilen oder keinem, sondern liegt darin,
alle Teilnehmer am Wettbewerb nach den gleichen Grundsätzen und
Verfahrensweisen zu behandeln. Das heißt insbesondere, allen Teilnehmern die
gleichen Informationen zukommen zu lassen, ihnen die gleichen Möglichkeiten zur
Erarbeitung ihrer Angebote zu gewähren sowie ihre Angebote in gleicher Weise zu
prüfen.
Zusammenfassend
ist festzuhalten, dass die Einladung bestimmter Unternehmen durch das
Bundesministerium für Landesverteidigung zur Teilnahme an einer freihändigen
Vergabe den Eingeladenen zwar keine rechtsgeschäftlichen Ansprüche auf
Einhaltung vergaberechtlicher Regelungen oder auf sonstige Verhaltensweise des
BMLV gewährt, ihnen aber im Hinblick auf die das BMLV treffenden
Sorgfaltspflichten aus rechtsgeschäftlichem Kontakt insbesondere das Recht auf
Gleichbehandlung im laufenden Wettbewerb um den gegenständlichen Auftrag
sichert.
Dieses Ergebnis
entspricht auch der Fiskalgeltung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes.
Es ist daher
folgende Frage zu prüfen: Ob eine nachträgliche Reduktion der beabsichtigten Bestellung
von 24 auf 18 Abfangjäger das Bundesministerium für Landesverteidigung
gegenüber allen Anbotstellern verpflichtet, diese zu einer Anpassung ihrer
Angebote einzuladen.
Man geht davon
aus, dass das Bundesministerium für Landesverteidigung die Entscheidung zugunsten
des Eurofighters bereits gefällt hat, sodass das Bundesministerium für Landesverteidigung
nur mehr mit dem Lieferanten des Eurofighters über die durch die Reduktion der
zu bestellenden Stückzahl geänderten Lieferbedingungen zu verhandeln
brauche. – Dieser Ansicht ist nicht zu folgen, Herr Bundesminister!
Die Entscheidung
über den anzukaufenden Abfangjäger setzt sich aus verschiedenen Grundelementen
zusammen:
erstens: vor allem
aus der Prüfung der technisch-militärischen Eignung des angebotenen Modells,
zweitens: aus der
Summe juristisch-kommerzieller Aspekte sowie
drittens: aus den
Komplexen der Gegengeschäfte.
Nun betrifft der
Umstand, dass statt 24 nur mehr 18 Abfangjäger gekauft werden sollen,
jedenfalls die bisherige Preiskalkulation, Herr Kollege! Es ist dabei ohne
Belang, ob sich durch die Änderung der Stückzahl der Preis erhöht oder
verringert. An sich liegt nahe, dass eine höhere Stückzahl zu günstigeren
Preisen angeboten werden kann, weil sich der Fixkostenanteil bei Aufteilung auf
eine geringere Stückzahl erhöhen müsste; das muss aber nicht notwendigerweise
so sein.
Zweitens: Eine
Verringerung der Stückzahl kann auch Einfluss auf das Ausmaß der in Aussicht
gestellten Gegengeschäfte haben.
Drittens: Hingegen
ist die Verringerung der Stückzahl mit großer Wahrscheinlichkeit ohne Bedeutung
für die technisch-militärischen Eigenschaften der angebotenen Modelle.
Sind aber all die genannten Grundelemente der Entscheidungsfindung miteinander verbunden beziehungsweise ineinander verwoben, dann kann dies nur bedeuten, dass eine Entscheidung zugunsten eines bestimmten Modells ausschließlich aus Gründen seiner technisch-militärischen
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 114 |
Eigenschaften und ohne Rücksicht auf das
Verhältnis zwischen Preis und Leistung und unter Einschluss der Bedeutung der
Gegengeschäfte nicht sachgerecht erscheint.
Wäre von Anfang an
lediglich beabsichtigt gewesen, eine Modellerkundung nach rein technisch-militärischen
Gesichtspunkten durchzuführen und damit das Verfahren zu beenden, dann hätte es
ein faires Vorgehen erfordert, dies den Mitbewerbern entsprechend offen zu
legen.
Trifft zu, dass
die Änderung der zu bestellenden Stückzahl einen maßgeblichen Einfluss auf die
Preiskalkulation hat und dass es überdies möglicherweise auch noch zu sonstigen
Änderungen im Hinblick auf Liefertermine und dergleichen kommt, dann bedeutet
dies, dass während des noch laufenden Vergabeverfahrens die Angebotsbedingungen
geändert wurden.
Präsident Herwig Hösele:
Herr Bundesrat Gudenus! Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie
nur noch 10 Sekunden Redezeit haben. Es handelt sich dabei um eine zwingende
Vorschrift.
Bundesrat
Mag. John Gudenus (fortsetzend): Zusammenfassend ist
festzuhalten, dass das Bundesministerium für Landesverteidigung ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck.)
Präsident
Herwig Hösele: Zu
§ 61 Abs. 7 steht im Kommentar, dass das weder vom Präsidenten noch
vom Bundesrat abgeändert werden kann. Ich bitte Sie daher, zum Schluss zu
kommen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)
Bundesrat
Mag. John Gudenus (fortsetzend): Zusammenfassend ist
festzuhalten, dass das Bundesministerium verpflichtet ist, allen Mitbewerbern
die gleiche Gelegenheit zu bieten, ihre bisherigen Angebote entsprechend zu
adaptieren. Sollte das Gebot der Gleichbehandlung verletzt sein, dann setzt
sich das Bundesministerium möglichen Haftungs- und Schadenersatzansprüchen
aus. – Danke für die 10 Sekunden. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
18.17
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat
Benno Sulzberger. Ich erteile es ihm und mache auf die Redezeitbeschränkung
aufmerksam.
18.17
Bundesrat
Benno Sulzberger (Freiheitliche, Niederösterreich):
Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Sehr
verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich werde die Überschreitung der
Redezeit, die Kamerad John Gudenus begangen hat, einholen, indem ich nur kurz
sprechen werde.
Lassen Sie mich Grundsätzliches zur Landesverteidigung und zum
verfassungsmäßigen Auftrag sagen. Ich als Person, als Benno Sulzberger,
bekenne mich zur aktiven Landesverteidigung – als Freiheitlicher und auch
als Funktionär des Österreichischen Kameradschaftsbundes, der immer eine
Rückenstütze des österreichischen Bundesheeres war, ist und bleiben wird. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der
SPÖ.)
Ich muss mit Befremdung feststellen, dass sich eine ehemalige
staatstragende Partei – ich hoffe, dass sie das weiterhin bleiben
wird –, die so viele Jahre hindurch den ministeriellen Auftrag der
Landesverteidigung hatte, so aus der Verantwortung stiehlt. Das ist für mich
als Staatsbürger beschämend. Ich sage das mit aller Deutlichkeit.
Man kann die Aufgaben nicht teilen und es sich nicht aussuchen, was in
einer bestimmten Situation, einer bestimmten politischen Situation gerade
passt. Wenn ich staatspolitische Verantwortung übernehme und gehabt habe, dann
habe ich sie auch wahrzunehmen. (Bundesrat
Winter: Was sagt denn der Haider?)
Heute eine Anfrage über den so genannten Typenentscheid wieder dazu zu
verwenden, die grundsätzliche Frage zu stellen, ob Luftraumverteidigung
überhaupt notwendig ist, ist nicht in Ordnung!
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 115 |
Ich fordere ... (Bundesrat Winter:
Herr Kamerad! Was sagt denn der Haider dazu?) – Bitte? (Bundesrat Winter: Was sagt der
Haider dazu?) Sie wissen ganz genau, dass im
Sommer/Herbst 2002 ... (Weitere
Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Freiheitliche Partei hat sich immer zur
Landesverteidigung und auch zur Nachrüstung der Luftraumüberwachung bekannt,
und nur wegen des Hochwassers wurde die Frage gestellt, ob es jetzt so
vordringlich ist, ob das vielleicht ein bisschen hinausgeschoben werden kann.
Das ist korrekt. (Bundesrat Winter:
Okay, das ist schon wieder etwas anderes!)
Wenn wir nur 0,79 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für
Landesverteidigung ausgeben und das Bundesheer sozusagen in Grund und Boden
gewirtschaftet haben, dann frage ich Sie: Was sollen wir dann beim Bundesheer
noch einsparen?
Bekennen wir uns jetzt zu einer aktiven Landesverteidigung – ja
oder nein? (Bundesrat Winter: Was
sagt der Haider in Kärnten?) Das hat mit Jörg Haider nichts zu tun, sondern
das ist eine grundsätzliche Frage, an der auch Sie festzunageln sind. Sie als
ehemalige Regierungspartei sind da nicht aus der Verantwortung zu nehmen! So
ist es! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für mich ist das heute hier der
letzte Auftritt. Der Wähler hat bei der Landtagswahl in Niederösterreich am
30. März 2003 entschieden. Wir scheiden aus. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Warum, was ist so schlecht daran?
(Bundesrat Reisenberger: Ist
nichts Schlechtes daran!) Na sicherlich, das wird so unterschwellig von
Ihnen hier gebracht. Ich kenne viele sozialistische Parteigänger, die aktive Mitglieder
im Österreichischen Kameradschaftsbund sind, und das sind gar nicht so wenige,
wenn ich nur meinen Bezirk Zwettl hernehme. Das erzählen Sie Ihren
Parteikameraden! (Bundesrat Reisenberger:
Ich pflege mit solchen Personen keinen Kontakt! Nehmen Sie das zur Kenntnis!)
Aber ich pflege ihn! (Bundesrat Reisenberger:
Ja, haben Sie eh laut und deutlich gesagt!) Ja, ich bekenne mich auch dazu.
Ich habe kein Problem – aber Sie haben ein Problem, das glaube ich schon! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat
Reisenberger: Mit solchen Menschen schon!)
Ich wünsche für alle Zukunft diesem Hohen Haus, diesen beiden Kammern,
dass sie weiterhin von Qualität beseelt sein mögen, die Qualität noch weiter
verbessert wird, von den Inhalten her und vor allem was die Aufgabe und den
Zweck betrifft, nämlich Volksvertreter im wahrsten Sinne des Wortes zu sein, um
die anstehenden Probleme bestmöglich für die Bevölkerung zu lösen und vor allem
den sozialen Zusammenhalt in diesem Staate in Zukunft zu gewährleisten. –
Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der ÖVP und
der SPÖ.)
18.22
Präsident
Herwig Hösele: Herr Bundesrat! Ich danke Ihnen und
darf Ihnen auch auf diesem Wege noch einmal herzlich das Allerbeste für die
Zukunft wünschen. Es tut uns Leid, dass Sie uns nach so kurzer Zeit verlassen. (Bundesrat Sulzberger: Danke schön!)
Zu Wort gemeldet
ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.
18.22
Bundesrat
Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich wollte mich
eigentlich gar nicht mehr zu Wort melden, aber die Wortmeldung des Herrn
Gudenus, die hier im großen Lärm und Unverständnis untergegangen ist, zwingt
mich zu einer Würdigung.
Lieber John
Gudenus! Erstens: Ich habe Sie, glaube ich, ein Jahr lang gebeten, Stellung zu
beziehen, und ein Jahr lang sind Sie bei jeder Debatte über Abfangjäger
vorzeitig aus dem Plenarsaal gegangen. Heute sind Sie geblieben, heute haben
Sie hier Stellung genommen. Möglicherweise hängt das mit dem Ministerwechsel
zusammen. (Allgemeine Heiterkeit.)
Ja, kann man ja sagen, es geht dann leichter, aber trotzdem muss man das
anerkennen.
Aber Sie haben heute hier einen wertvollen Dienst erwiesen, der im allgemeinen Gemurmel untergegangen ist. John Gudenus hat gesagt, dass die größte finanzielle Anschaffung der Zweiten Republik im militärischen Bereich wie ein geheimes Kommandounternehmen geführt
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 116 |
werde. Herr Gudenus hat heute in das Stenographische Protokoll etwas
diktiert, was offensichtlich geheime Sache ist. Wem ist dieses Gutachten
bekannt? – Dem Verteidigungsminister! Wem noch? – Herr Gudenus hat
wahrscheinlich andere Kontakte. (Zwischenruf
des Bundesrates Bieringer.)
Ich danke Herrn
Bundesrat Gudenus, dass dieses Rechtsgutachten heute allen über das Stenographische
Protokoll zugänglich gemacht wurde. Dafür gebührt Herrn Bundesrat Gudenus heute
ein Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bieringer: Das ist der Applaus von der falschen Seite! –
Bundesrat Mag. Gudenus: Nein,
das ist der richtige Applaus! Wenn ihr nicht mitmacht! – Allgemeine
Heiterkeit.) Dafür, lieber Herr Gudenus, gebührt Ihnen ein nochmaliger
Applaus!
Von der
Freiheitlichen Partei sind innerhalb weniger Minuten hier zwei Redner am Pult
gewesen, wobei der eine vom Tag und der andere von der Nacht geredet hat. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist ja überhaupt nicht wahr!) Aber
selbstverständlich, Herr Professor Böhm! (Bundesrat
Dr. Böhm: Entweder haben Sie
nicht zugehört oder es nicht verstanden!) Ich habe Herrn Gudenus wunderbar
zugehört, im Gegensatz zum restlichen Auditorium, wie ich glaube, weil ich das,
was Herr Gudenus gesagt hat, mit großem Interesse verfolgt und gehofft habe,
dass der Herr Präsident große Milde walten und noch möglichst viele solcher
Passagen ins Stenographische Protokoll einfließen lassen wird. (Präsident Hösele: Ich halte mich an die Gesetze, Herr Bundesrat!)
Herr Gudenus hat
gesagt: Wofür brauchen wir als Luftpolizei einen Maserati oder einen Ferrari in
der Luft? (Bundesrat Dr. Böhm: Aber einen VW vielleicht,
nicht?!) – Oder einen VW vielleicht. Aber er hat klar gemacht, dass
dieser Beschaffungsvorgang im Augenblick nicht mehr auf einer gesetzlich
legalen Ebene verläuft. Das heißt, dieser Beschaffungsvorgang ist zu stoppen!
Das sagt dieses Gutachten, und ich hoffe, Herr Minister, das wird auch die
Linie Ihrer Politik sein.
Da, Herr Kneifel,
irren Sie sich nämlich. Wenn Sie glauben, dass 18 billiger sind als 24, dann
irren Sie sich. Denn nur mit 18 kommt man in jenes bewilligte Etat hinein, das
von der Regierung als solches zur Verfügung gestellt wird, mit 24 kommen Sie
nicht hinein! Das heißt, es wird derselbe Betrag verwendet, da wird nichts
billiger für die Steuerzahler und nichts billiger für jene, die dafür auch mit
ihren Pensionen zur Verfügung stehen müssen. Das heißt, es ist derselbe
Betrag.
Das Nächste: Die
Änderung der Ausschreibung war für das Eurofighter-Konsortium von großem
Vorteil und wurde für alle Mitbewerber zu einem erheblichen Nachteil. Das muss
geklärt werden! (Bundesrat Rosenmaier: Das wird doch nicht bewusst
gemacht worden sein!) Das heißt, wenn diese Bundesregierung der Meinung
ist, wir brauchen Maseratis und Ferraris in der Luft, dann müssen Sie neu
ausschreiben! Dieses laufende Verfahren gehört gestoppt, denn sonst wird es
wahrscheinlich auf einer anderen Ebene zu behandeln sein. (Ruf bei der ÖVP: Nach Ihrer Rechnung wären 36 noch billiger!)
Nein! Ich habe nur
gesagt, dass es nicht billiger wird. Ob Sie jetzt 25, 20 oder 18 kaufen, es
wird für den Steuerzahler nicht billiger, denn Sie haben einen bestimmten
Betrag beschlossen. Jetzt werden sechs weniger gekauft, aber die Summe, die
diese sechs ausmachen, wird nicht von dem beschlossenen Betrag abgezogen,
sondern es bleibt ganz genau bei dem Betrag, den Sie beschlossen haben. Wenn
Sie 25 kaufen wollen, kostet es natürlich noch erheblich mehr, als Sie zur
Verfügung gestellt haben.
Das, was mich in
der geheimen Kommandosache der größten militärischen Beschaffung der Zweiten
Republik interessiert – Herr Bundesrat Gudenus, Sie haben damals zu Recht
geschwiegen und sind zu Recht hinausgegangen –, hat uns Herr Minister
Scheibner auch nicht gesagt: Die Fly-away-Kosten haben wir von Herrn Minister
Scheibner hier nie erfahren! Ich danke Ihnen, dass Sie wenigstens jetzt nicken
und sagen, wir haben es nie erfahren. All das ist geheime Kommandosache. Wo
sind die Zahlen der gesamten Kosten, der Anschaffungskosten, der
Fly-away-Kosten und so weiter? – Diese werden der Republik, diese werden
den Steuerzahlern vorenthalten.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 117 |
Herr Bundesminister!
Sie sind jetzt neu im Amt. Ich würde, unter Tirolern gesagt, mir von Ihnen
wünschen, dass Sie hier sagen, ich ziehe einen Schlussstrich unter diesen
ganzen unleidigen und halbseidenen Beschaffungsvorgang.
Übrigens –
das muss man auch noch sagen – ist die FPÖ, was diesen Beschaffungsvorgang
betrifft, in der Regierung Schüssel I praktisch in die Lager der Anbieter
zerfallen, denn die einen waren für jene und die anderen für andere Anbieter,
das wissen Sie, aber lassen wir das, das ist schon Schnee von gestern!
Ich wünsche mir,
dass Sie, Herr Minister, einen geraden Weg gehen, indem Sie sagen: Es gibt
einen sofortigen Ankaufsstopp, und die Angebote, die noch nicht behandelt
wurden, kommen auf den Tisch, sofern es noch welche gibt. Es wird neu ausgeschrieben,
und es werden sowohl die Kosten für die Anschaffung als auch – und das ist
bitte entscheidend – die Fly-away-Kosten endlich auf den Tisch gelegt und
der Bevölkerung gesagt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des
Bundesrates Mag. Gudenus.)
18.29
Präsident
Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat
Mag. Tusek. Ich erteile es.
18.30
Bundesrat
Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr
geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen
und Herren! Ich möchte mich auch zuerst bei Kollegen Gudenus sehr herzlich für
die Vorlesung aus Volkswirtschaft, Betriebswirtschaftslehre und
Wettbewerbsrecht bedanken. Ich habe viel dabei gelernt.
Das Nächste sind
die Argumente von Seiten der sozialdemokratischen Fraktion, die ich zu
durchleuchten versuchen möchte. Ein Argument, das einhellig bei allen Rednern
der Sozialdemokraten kam, war: Wir brauchen keine Abfangjäger! Ich gebe zu,
dieses Argument ist sehr einfach, denn zu sagen, wir brauchen keine, ist ein
Argument für sich, man hat keinen Erklärungsbedarf.
Der Herr
Bundesminister hat das sehr klar in seiner Anfragebeantwortung gesagt: Ein
wichtiges und wesentliches Argument ist unsere Souveränität. Kollege Gudenus!
Ganz gleich, ob im Neutralitätsgesetz explizit der Luftraum erwähnt ist oder
nicht, wir haben erklärt – und das ist der Sinn des Neutralitätsgesetzes
und auch der Sinn unserer Souveränität –, die Hoheit unseres Staates mit
allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen. Und dazu gehört nicht nur der
Boden – der Herr Minister hat es erwähnt –, dazu gehört für mich
völlig klar und absolut auch der Luftraum. Wir können den Luftraum mit so
einfachen Argumenten wie „Wir brauchen keine Abfangjäger!“ nicht freigeben.
Diese Argumente
vor allem von Vertretern der sozialdemokratischen Fraktion kommen natürlich gut
an, es klingt sehr gut, wenn man die notwendige Pensionsreform, die
Gesundheitsreform mit der Anschaffung von Abfangjägern aufrechnet. Bedenken Sie
aber bei diesem populistischen Argument, dass es sich bei dieser sehr hohen
Summe um 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes handelt, während –
und das haben wir zuerst gehört – die Pensionsleistungen jährlich
14 Prozent und mehr ausmachen! Wenn da nicht entsprechend eingegriffen
wird, dann werden wir zu großen Problemen kommen. Mit 0,3 Prozent des BIP,
mit dieser für die Abfangjäger vorgesehenen Summe kann man, wie es aus Ihren
Reden, Kollege Todt und Kollege Kaltenbacher, herausgeklungen ist, sicherlich
keine großartige Finanzierung des Gesundheitssystems oder des Pensionssystems
vornehmen.
Wichtig ist: Wir
brauchen eine verantwortungsvolle, eine sehr gezielte und klare Verteidigung
unseres Territoriums, unseres Staatsgebietes auch in der Luft. Es genügt
nicht – der Herr Bundesminister hat das erwähnt –, mit einem noch so
hervorragenden Radarsystem alles zu überwachen, wenn ich dann im Bedarfsfall
nicht imstande bin, in der Luft irgendetwas zu unternehmen.
Es wird in den Medien viel zu wenig berichtet, dass es jährlich etwa – ich habe hier die Zahlen von 2002 – 30 Einsätze mit höchster Priorität gibt, bei denen unbekannte Luftfahrzeuge zu
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 118 |
identifizieren sind und die, wenn es um eine
Bedrohung, eine Gefahr geht, durchaus nach den Regeln der internationalen
Luftfahrt auch abzufangen sind. Und das kann ich nicht mit einem Gerät, das
diese Aufgaben nicht mehr erfüllt.
Die Diskussion um
die Luftraumüberwachungsflugzeuge ist nicht neu. Ich erinnere mich, Ende der
achtziger Jahre hat es diese Diskussion beim Draken gegeben, und die größten
Kritiker – ich kann hier auch einen ehemaligen steirischen Landeshauptmann
zitieren – waren dann 1991 sehr froh, dass diese Draken angeschafft wurden
und bei einem echten Krisenfall an der österreichischen Grenze präsent waren.
Kollege
Kaltenbacher! Eine Antwort auf Ihre Frage möchte ich auch zu geben versuchen.
Sie haben gesagt, es gibt in der Steiermark Fluglärm, es gibt sehr viele
Arbeitslose in Ihrer Region, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Ich kann
Ihnen sagen, wenn wir Ihrer Empfehlung stattgeben und keine neuen Luftraumüberwachungsflugzeuge
anschaffen, wird es wesentlich mehr Arbeitslose gerade in Ihrer Region um
Zeltweg geben (Bundesrat Kaltenbacher: Das glaube ich weniger!),
denn viele Steirer sind in der Wartung, im Flugbetrieb dieses Gerätes
beschäftigt. (Bundesrat Kaltenbacher: Es gibt
Alternativmodelle!) – Diese Alternativmodelle kenne ich nicht. (Bundesrat
Konecny: Das spricht gegen Sie, aber nicht gegen ...!) Es wird aber auch sehr schwierig
sein, einen Flugzeugtechniker in der Gastronomie oder sonst wo im Dienstleistungssektor
anzustellen.
Es ist auch
wichtig – und auch dieses Argument kommt viel zu wenig durch –, dass
wir unseren Luftraum bei Großveranstaltungen entsprechend schützen, sei das bei
Fußball-Europameisterschaften, sei das bei Olympischen Spielen, um die wir uns
beworben haben. Das wird von uns verlangt! Fürstenfeldbruck 1972 hat gezeigt,
dass es solch eine Bedrohung geben kann. Auch diesen Bedrohungen aus der Luft
müssen wir ... (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.) – In Fürstenfeldbruck, Herr Professor
Konecny, war eine
ganze Reihe von Hubschraubern an diesen Terroraktionen beteiligt! (Bundesrat
Konecny: ... Die Vorstellung eines
Abfangjäger-Angriffes auf Fürstenfeldbruck lässt mich schaudern!)
Herr Professor! Ich
habe ein Beispiel genannt, das zeigt, dass es bei internationalen Veranstaltungen,
bei Großveranstaltungen einfach dazugehört, dass auch der Luftraum entsprechend
gesichert ist.
Ein Argument hört
man auch immer wieder: Andere Staaten sollen unseren Luftraum schützen. Alle
unsere Nachbarstaaten besitzen Luftraumüberwachungsfahrzeuge, daher brauchen
wir sie nicht! Dieses Argument ist ausgesprochen schlecht. Denn wer sollte uns
schützen? Wer kommt dazu, unseren Luftraum zu schützen, wenn wir selbst es nicht
wollen oder wenn wir selbst es nicht tun?
Wichtig ist –
und das scheint mir der zentrale Punkt zu sein –, dass wir momentan Gott
sei Dank in einer sicherheitspolitisch sehr stabilen Situation leben. Aber keiner
von uns, weder auf der Regierungsbank noch hier im Hohen Haus, kann eine
Garantie abgeben, dass es in drei, fünf oder zehn Jahren noch genauso ist. Eine
ernst zu nehmende Sicherheitspolitik hat für alle Fälle, die auftreten können,
auch wenn wir hoffen, dass sie nie eintreten werden, gerüstet zu sein.
Wir benötigen zur
Aufrechterhaltung der Souveränität unseres Heimatlandes die absolute Verteidigungsbereitschaft
und die Möglichkeiten, unser Land sowohl am Boden als auch in der Luft
verteidigen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der
Freiheitlichen.)
18.38
Präsident
Herwig Hösele: Ich freue mich, zum Abschluss
unserer heutigen Beratungen eine große Besuchergruppe aus Wieselburg begrüßen
zu dürfen. (Allgemeiner Beifall.)
Sie können bis zum
Schluss unserer Beratungen anwesend sein, denn es liegen keine weiteren
Wortmeldungen mehr vor. (Heiterkeit.)
Ich frage nur:
Wünscht noch jemand das Wort? – Kollege Nittmann, bitte.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 119 |
18.39
Bundesrat
Dr. Klaus Peter Nittmann (Freiheitliche, Oberösterreich):
Ich werde mich angesichts der fortgeschrittenen Zeit kurz fassen.
Meinem Kollegen
Hagen, der leider im Moment nicht anwesend ist, muss ich widersprechen: Ich
denke, dass der Herr Bundesminister sehr ausführlich geantwortet hat und dass
in der Qualität und in der Quantität seiner Antwort sein Respekt für dieses
Haus vollendet zum Ausdruck gekommen ist. Ich bedaure es jedoch, dass er nicht
die Chance ergriffen hat – aber unter Umständen ergibt sich noch die
Möglichkeit dazu –, zwei Fragen besonders herauszuarbeiten. Vielleicht
hätten Sie noch die Güte, mir darauf eine Antwort zu geben.
Erstens: In Frage
3 der Anfrage wird erwähnt, dass der Ankauf des Eurofighters vor allem
Vorteile für die Firmen von Herrn Stronach und Herrn Androsch bringen würde.
Das ist doch eine Frage – und ich danke den Sozialdemokraten für diese
Offenheit –, die wir wirklich prüfen sollten.
Zweitens: Sie
sagten, dass uns völkerrechtliche Normen zur Luftraumüberwachung verpflichten.
Ich würde gerne hören, welche völkerrechtliche Norm Sie da ganz konkret
meinen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
18.40
Präsident Herwig Hösele:
Zu Wort gemeldet
hat sich noch einmal Herr Bundesminister Platter. – Bitte.
18.40
Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Da ich direkt aufgefordert werde, möchte ich
ganz kurz eine abschließende Bemerkung zu dieser heutigen Debatte machen.
Ich möchte
feststellen, dass es gerade in Fragen der Sicherheit sehr wichtig ist, einen
parteiübergreifenden Konsens zu erreichen. Diese Diskussion habe ich auch mit
Verteidigungsminister Struck bei einem informellen Treffen der
Verteidigungsminister in Athen geführt. Er hat mir mitgeteilt, dass das in
Deutschland sehr wohl möglich ist. Ich würde gerade jetzt, in dieser sensiblen
Zeit, darum ersuchen, dass nicht immer Ausgaben, die mit dem Sozialbereich
verbunden sind, mit der Verteidigung in Zusammenhang gebracht werden. (Bundesrat Todt: Mit den Abfangjägern! Nicht mit der Verteidigung!) Das
ist ein gefährliches Spiel, das hier immer wieder betrieben wird. (Ruf und Gegenruf der Bundesräte Mag. Himmer und Todt.)
Es ist unglaublich
wichtig, dass, wenn man die Sicherheit in einem Land ernst nimmt, für diese
Sicherheit wirklich gesorgt wird und auch die entsprechenden Mittel dafür zur
Verfügung gestellt werden.
Darüber hinaus
möchte ich Ihnen noch Folgendes sagen: Es ist heute die Souveränität Österreichs
mehrmals erwähnt worden. Souverän ist Österreich nur dann, wenn österreichische
Piloten mit österreichischen Flugzeugen den österreichischen Luftraum
schützen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der
Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Gudenus:
Müssen das die teuersten sein, Herr Bundesminister?)
Zum Abschluss
meiner Wortmeldung: Herr Bundesrat Gudenus! Ich garantiere Ihnen, dass das
rechtlich klar über die Bühne geht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
18.42
Präsident Herwig Hösele: Weitere
Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wünscht noch
jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.
Die Debatte ist
geschlossen.
Ich gebe noch
bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt
neun Anfragen, 2058/J bis 2066/J, eingebracht wurden.
Bundesrat | 695. Sitzung / Seite 120 |
Die Einberufung
der nächsten Sitzung des
Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist
Donnerstag, der 15. Mai ... (Die Bundesräte sind im Begriff, den Sitzungssaal
zu verlassen. – Präsident Hösele
gibt das Glockenzeichen.) – Ich hätte mir gedacht, dass wir die dafür
notwendigen 30 Sekunden auch noch gemeinsam aufbringen.
Die Einberufung
der nächsten Sitzung des
Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist
Donnerstag, der 15. Mai 2003, 9 Uhr in Aussicht genommen.
Für die
Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der
Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht
beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.
Die
Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 13. Mai 2003, ab 14 Uhr
vorgesehen.
Ich wünsche Ihnen
einige erholsame Feiertage und Frohe Ostern.
Die Sitzung ist geschlossen.
Schluss der Sitzung:
18.43 Uhr
Wiener
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