Stenographisches Protokoll

695. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Freitag, 11. April 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

695. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 11. April 2003


Dauer der Sitzung

Freitag, 11. April 2003: 9.05 – 18.43 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Antrag der Bundesräte Herwig Hösele, Anna Elisabeth Haselbach, Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer, Prof. Albrecht Konecny und Univ.-Prof. Dr. Peter Böhm betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes (Schaffung einer verfas­sungsrechtlichen Grundlage für das Stellungnahmeverfahren des Bundesrates zu Gesetzesvorschlägen)

2. Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bun­desministeriengesetz-Novelle 2003)

3. Bundesgesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird

4. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird

5. Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der orientalisch-orthodoxen Kirchen in Österreich (Orientalisch-orthodoxes Kirchengesetz; OrientKG)

*****

Inhalt

Bundesrat

Sitzungsunterbrechungen .....................................................................  63 und 99

Personalien

Krankmeldungen ............................................................................................... 6

Entschuldigungen ............................................................................................. 6

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................... 26

Ausschüsse

Zuweisungen ................................................................................................... 27


Bundesrat
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695. Sitzung / Seite 2

Fragestunde

Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen .................................. 6

Franz Wolfinger (1266/M-BR/03); Harald Reisenberger, Ing. Gerd Klamt

Harald Reisenberger (1270/M-BR/03); Engelbert Weilharter, Stefan Schennach

Ing. Walter Grasberger (1267/M-BR/03); Dr. Elisabeth Hlavac, Dr. Renate Kanovsky-Wintermann

Dr. Klaus Peter Nittmann (1273/M-BR/03); Herta Wimmler, Anna Schlaffer

Günther Kaltenbacher (1271/M-BR/03); Mag. John Gudenus

Germana Fösleitner (1268/M-BR/03); Anna Schlaffer, Ulrike Haunschmid

Johanna Schicker (1272/M-BR/03); Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger, Leopold Steinbichler

Paul Fasching (1269/M-BR/03); Alfredo Rosenmaier, Ulrike Haunschmid

Dr. Robert Aspöck (1274/M-BR/03), Christine Fröhlich, Harald Reisenberger

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend massive Benachteiligun­gen für Frauen durch die geplante Pensionsreform der Bundesregierung (2065/J-BR/03)

Begründung: Albrecht Konecny ...................................................................... 63

Beantwortung: Bundesminister Vizekanzler Mag. Herbert Haupt ..................... 71

Redner:

Johanna Schicker ..................................................................................... 83

Bundesminister Vizekanzler Mag. Herbert Haupt ...................................... 87

Mag. Harald Himmer.................................................................................. 88

Alfredo Rosenmaier .................................................................................. 90

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann ............................................................. 93

Stefan Schennach ..................................................................................... 97

Entschließungsantrag der Bundesräte Johanna Schicker und KollegInnen betreffend massive Benachteiligungen für Frauen durch die geplante Pen­sionsreform der Bundesregierung – Rücknahme der Pensionsreformschritte, die die Frauen benachteiligen ........................................ 86

Ablehnung .................................................................................................... 98

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Verdringlichung des Bedürfnisses freiheit­licher Bundesräte, die Wahrheit über den Kauf der Abfangjäger zu erfahren (2066/J-BR/03)

Begründung: Albrecht Konecny ...................................................................... 99

Beantwortung: Bundesminister Günther Platter .............................................. 101


Bundesrat
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695. Sitzung / Seite 3

Redner:

Günther Kaltenbacher ............................................................................. 103

Dr. Franz-Eduard Kühnel ........................................................................ 104

Reinhard Todt ......................................................................................... 107

Christoph Hagen ..................................................................................... 109

Mag. John Gudenus ................................................................................ 110

Benno Sulzberger ................................................................................... 114

Stefan Schennach ................................................................................... 115

Mag. Gerhard Tusek ............................................................................... 117

Dr. Klaus Peter Nittmann ......................................................................... 119

Bundesminister Günther Platter ............................................................... 119

Verhandlungen

(1) Antrag der Bundesräte Herwig Hösele, Anna Elisabeth Haselbach, Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer, Prof. Albrecht Konecny und Univ.-Prof. Dr. Peter Böhm betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes (Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage für das Stellungnahme­verfahren des Bundesrates zu Gesetzesvorschlägen) (134/A-BR/03 sowie 6772/BR d. B.)

Berichterstatter: Friedrich Hensler ................................................................... 28

(Antrag, der Bundesrat wolle gemäß Artikel 41 Abs. 1 B-VG dem Nationalrat den gegenständlichen Gesetzesvorschlag zur geschäftsordnungsmäßigen Be­handlung unterbreiten)

Redner:

Ludwig Bieringer ...................................................................................... 28

Albrecht Konecny ..................................................................................... 28

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger ................................................................... 29

Stefan Schennach ..................................................................................... 32


Bundesrat
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695. Sitzung / Seite 4

Annahme des Antrages des Berichterstatters, der Bundesrat wolle gemäß Artikel 41 Abs. 1 B-VG dem Nationalrat den gegenständlichen Gesetzesvor­schlag zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung unterbreiten (mit Stim­meneinhelligkeit) .............................................................. 33

(2) Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bundesministeriengesetz-Novelle 2003) (69/A und 30/NR sowie 6771 und 6773/BR d. B.)

Berichterstatter: Gottfried Kneifel .................................................................... 33

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Karl Boden ............................................................................................... 34

Jürgen Weiss ............................................................................................ 35

Reinhard Todt ........................................................................................... 37

Engelbert Weilharter ................................................................................. 39

Stefan Schennach ..................................................................................... 41

und (tatsächliche Berichtigung) .................................................................... 47

Staatssekretär Franz Morak ...................................................................... 43

Dr. Andreas Schnider ............................................................................... 45

Ulrike Haunschmid ................................................................................... 47

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ....................................................... 48

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit)           ............................................................................................................. 50

Gemeinsame Beratung über

(3) Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird (45/A und 28/NR sowie 6774/BR d. B.)

(4) Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (46/A und 29/NR sowie 6775/BR d. B.)

Berichterstatter: Gottfried Kneifel .................................................................... 50

[Antrag, zu (3) und (4) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Vincenz Liechtenstein ......................................................................... 51

Dr. Elisabeth Hlavac .................................................................................. 53

Dr. Peter Böhm ......................................................................................... 54

Ing. Walter Grasberger .............................................................................. 56

Mag. John Gudenus ................................................................................. 59

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (3) und (4) keinen Ein­spruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) ...................................................................................... 62

(5) Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundes­gesetz über äußere Rechtsverhältnisse der orientalisch-orthodoxen Kirchen in Österreich (Orientalisch-orthodoxes Kirchengesetz; OrientKG) (8 und 31/NR sowie 6776/BR d. B.)

Berichterstatter: Josef Saller ........................................................................... 62

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit)      ............................................................................................................. 63

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Werbebeilage für den Eurofighter Typhoon in der Ausgabe des „Kuriers“ vom Samstag, 8. März 2003 (2058/J-BR/03)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Christoph Hagen, Jürgen Weiss und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kompe­tenzschwierigkeiten zwischen Zoll und Gendarmerie (2059/J-BR/03)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Christoph Hagen, Jürgen Weiss und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Inneres betreffend Kompe­tenzschwierigkeiten zwischen Zoll und Gendarmerie (2060/J-BR/03)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend „Spionageaffäre im Herzen Europas“ (siehe „Die Presse“, 20. März 2003, S. 9) (2061/J-BR/03)


Bundesrat
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695. Sitzung / Seite 5

der Bundesräte Christoph Hagen, Wilhelm Grissemann und KollegInnen an den Herrn Bundeskanzler betreffend Lösung der Transitfrage (2062/J-BR/03)

der Bundesräte Christoph Hagen und KollegInnen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung betreffend Anschaffung von Abfangjägern (2063/J-BR/03)

der Bundesräte Christoph Hagen, Wilhelm Grissemann und KollegInnen an den Herrn Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel betreffend ein Exekutivdienstgesetz (2064/J-BR/03)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend massive Benachteiligungen für Frauen durch die geplante Pensionsreform der Bundesregierung (2065/J-BR/03)

der Bundesräte Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Verdringlichung des Bedürfnisses freiheitlicher Bun­desräte, die Wahrheit über den Kauf der Abfangjäger zu erfahren (2066/J-BR/03)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen (1882/AB-BR/03 zu 2049/J-BR/03)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen (1883/AB-BR/03 zu 2050/J-BR/03)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1884/AB-BR/03 zu 2052/J-BR/03)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und KollegInnen (1885/AB-BR/03 zu 2051/J-BR/03)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Frage der Bundesräte Jür­gen Weiss und KollegInnen (1886/AB-BR/03 zu 2053/J-BR/03)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Frage der Bun­desräte Albrecht Konecny und KollegInnen (1887/AB-BR/03 zu 2055/J-BR/03)


 


Bundesrat
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Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr


Präsident Herwig Hösele: Ich eröffne die 695. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 694. Sitzung des Bundesrates vom 13. März 2003 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Johann Kraml, Hedda Kainz, Ilse Giesinger, Margarete Aburumieh und Ing. Franz Gruber.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Anna Elisabeth Haselbach und Man­fred Gruber.

Fragestunde


Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen nun zur Fragestunde. Ich beginne jetzt – um 9.05 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen


Präsident Herwig Hösele: Ich komme nunmehr zur 1. Anfrage, 1266/M, an den Herrn Bun­desminister für soziale Sicherheit und Generationen, der von Frau Staatssekretärin Ursula Haubner vertreten wird, die ich sehr herzlich begrüße. (Allgemeiner Beifall.)

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Franz Wolfinger, um die Verlesung der Anfrage.


Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin! Meine Frage lautet:

1266/M-BR/03

Wie ist die Pensionssicherungsreform im internationalen Vergleich zu beurteilen?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesrat Wolfinger! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich habe heute sehr gerne die Vertretung des Herrn Bundesministers übernommen, da ich, wie Sie wissen, auf Grund meiner zweijährigen Zugehörigkeit zu diesem Gremium von 1994 bis 1996 eine sehr starke Beziehung und eine sehr positive Einstellung zur Länderkammer habe. Deswegen freue ich mich, dass ich heute die Beantwortung dieser Fragen übernehmen darf. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Zur Pensionssicherungsreform im europäischen Vergleich kann ich – auf einen einfachen Nenner gebracht – Folgendes sagen: Wir haben den richtigen Weg eingeschlagen.

Die EU-Kommission gibt für die Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaften wesentliche neue Empfehlungen auch an Österreich, die seit gestern vorlie­gen; Empfehlungen, die da lauten: Senkung der Abgabenbelastung, Reform der Pensionsver­sicherung, insbesondere Bindung der Höhe der Leistungen an die Beiträge während des ge­samten Erwerbslebens, Erhöhung des niedrigen tatsächlichen Pensionsantrittsalters und stär­ke­re Erwerbsbeteiligung der Frauen und der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Das sind die Punkte, bei denen wir ansetzen müssen, denn nur gut ein Viertel der Österreicher über 55 Jahre steht im Berufsleben. In keinem anderen europäischen Land sind die Aufwen­dungen der gesetzlichen Rentenversicherung so hoch wie in Österreich. Ich möchte hinzufügen,


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695. Sitzung / Seite 7

die Aufwendungen sind zwar hoch, aber wir haben grundsätzlich eines der besten Pensions­systeme. In Österreich machen diese Aufwendungen zirka 14,5 Prozent des BIP aus, der EU-Durchschnitt beträgt zirka 10,4 Prozent.

Was den Anteil der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Erwerbsleben betrifft, so liegen wir im europäischen Vergleich im hinteren Feld. Im Jahr 2001 standen in Österreich nur 28,6 Prozent der 55- bis 64-Jährigen im Berufsleben, in der EU sind es im Durchschnitt 38,8 Prozent.

Ich denke daher, dass wir den ersten Schritt, die Pensionen auch für die Zukunft zu sichern, im europäischen Einklang machen sollten, vor allem auch deswegen, weil das Pensionsantrittsalter in Österreich eines der niedrigsten EU-weit ist.


Präsident Herwig Hösele: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.


Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Wird nach der Pensionssicherungsreform weiterhin das Lebensstandardprinzip gewahrt bleiben?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.



Bundesrat
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Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Es ist eine Grundvoraussetzung, dass nach einer Pensionssicherungsreform weiter das Lebensstandardprinzip gewahrt wird. Das geschieht selbstverständlich durch ein künftiges Modell der Alterssicherung, das sich einerseits nach wie vor auf das Standbein der staatlichen Pension verlassen muss – die staatliche Pension ist eine der wichtigsten Säulen –, aber andererseits auch auf zwei weiteren Säulen aufbaut. Die zweite Säule ist das Mitarbeitervorsorgeprinzip, mit dem wir bereits durch das Modell der „Abfertigung neu“ begonnen haben. Und die dritte Säule ist ein zukunftsorientiertes persönliches Altersvor­sorgemodell.


Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Harald Reisenberger gemeldet. – Bitte.


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Frage lautet: Wie wurde im internationalen Vergleich eine der­art massive, in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifende Pensionsreform vorbe­reitet?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: In diesem Zusammenhang kann ich sagen, dass einige europäische Länder diesen Schritt schon vor uns gemacht haben, vor allem was die Anhebung des Pensionsantrittsalters anlangt.

Österreich ist zusammen mit Frankreich jenes Land, in dem es noch ein relativ frühes Pensions­antrittsalter gibt. In den anderen europäischen Ländern ist in den vergangenen Jahren bereits die entsprechende Umstellung geschehen.


Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ing. Gerd Klamt gemeldet. – Bitte.


Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Im Rahmen der EU wurde mehrfach vereinbart, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Be­schäftigungsquoten in Europa langfristig deutlich anzuheben. Welcher Handlungsbedarf ergibt sich dabei für Österreich?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Wir haben, wie ich schon in meiner ersten Beantwor­tung gesagt habe, in Österreich natürlich Handlungsbedarf, vor allem in der Altersgruppe der 55- bis 59-Jährigen. In Österreich ist es so, dass nur noch 446 von 1 000 Personen in dieser Altersgruppe beschäftigt sind; das ist also bereits weniger als die Hälfte des entsprechenden Erwerbspotenzials. Die Erwerbsbeteiligung bei den 60- bis 64-jährigen Österreichern fällt bei­nahe in die Bedeutungslosigkeit.

Ich meine, der derzeit vorliegende Entwurf, über den sehr intensiv, sehr nachhaltig diskutiert wird, geht in die richtige Richtung. Diese Diskussion ist sehr notwendig, mit ihr werden auch wichtige Maßnahmen in der gesetzlichen Altersvorsorge und Altersbeschäftigung gesetzt. Die Altersvorsorge betrifft nicht nur die Anhebung der vorzeitigen Alterspension in Schritten bis zum Jahr 2009, sondern es muss vor allem dafür Vorsorge getroffen werden, dass abfedernde Maß­nahmen für jene gegeben sind, die arbeitslos sind oder in Arbeitslosigkeit kommen und die vor­zeitige Alterspension nicht in Anspruch nehmen können. Das geschieht in Form eines Alters­über­gangsgeldes.

Wichtig ist auch, dass in diesem Entwurf eine Beschäftigungsoffensive für ältere Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer einerseits durch die Senkung der Lohnnebenkosten für die Betriebe und andererseits auch durch die Erhöhung des Malussystems vorgesehen ist, sodass es für die Betriebe wesentlich teurer wird, wenn ältere Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer entlassen werden.

Lassen Sie mich noch einen dritten Punkt sagen, der mir in diesem Zusammenhang sehr wichtig ist: Es ist geplant, die Altersteilzeit unbegrenzt weiterzuführen – ein Modell, das beson­ders auch den Frauen sehr entgegenkommt.


Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 1270/M. Die krankgemeldete Bundesrätin Hedda Kainz hat gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung ihr Einverständnis be­kannt gegeben, dass Herr Bundesrat Harald Reisenberger in das Fragerecht eintritt.

Ich bitte den Anfragesteller um die Verlesung der Anfrage.


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Frau Staatssekretärin! Meine Frage lautet:

1270/M-BR/03

Wo sehen Sie den von Ihnen in der Öffentlichkeit dargestellten Änderungsbedarf gegenüber der in Begutachtung ausgeschickten Pensionsreform („das Papier sei noch nicht die letzte Erkennt­nis“, APA 630/31. März 2003)?


Präsident Herwig Hösele: Frau Staatssekretärin, bitte.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat Reisenberger! Es ist richtig: Es handelt sich hiebei um einen Entwurf, und dieser Entwurf kann noch nicht die letzte Erkenntnis sein, sonst hätte man ihn nicht in Begutachtung schicken müssen. Daher ist es wichtig, dass zusätzlich auch die ent­sprechenden Anregungen und Änderungen eingebracht werden.

Dieser Entwurf ist an rund 200 Stellen zur Begutachtung versendet worden, und jede dieser Institutionen hat nun die Möglichkeit, bis zum 25. April Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen sind auszuwerten, auch entsprechend zu würdigen und dann zu verwenden.

Aus meiner Sicht ist es, wie gesagt, in diesem Modell begrüßenswert, dass es erste Schritte be­treffend Besserstellung von Frauen bezüglich des Pensionsalters gibt. Das möchte ich hier posi­tiv anmerken. Aber ich meine auch, dass Anpassungen im Detail notwendig sind – Anpassun­gen vor allem auch was die Erhöhung des Aufwertungsfaktors anlangt. Das gilt besonders für die weiter zurückliegenden Erwerbszeiten, aber auch für die Ersatzzeiten, für die Kindererzie­hungszeiten von Frauen. Diese sollen besser bewertet werden.


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Aus meiner Sicht ist es auch notwendig, so rasch wie möglich eine Harmonisierung der ver­schiedenen Pensionssysteme in Angriff zu nehmen, aber auch zugleich sämtliche Sonderrege­lungen, die es in den verschiedenen Pensionssystemen gibt, zu vereinheitlichen. Das gilt auch für die Politikerpensionen und Politikerprivilegien.


Präsident Herwig Hösele: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Die von Ihnen genannten Verbesserungen habe ich zwar nicht mitbekommen, stelle dazu aber meine Zusatzfrage.

Die SPÖ wird heute dieses Thema in einer dringlichen Anfrage thematisieren. Wie stehen Sie zur Kritik der ÖVP-Landeshauptleute an Ihrem Entwurf für eine Pensionsreform, die insbe­sondere die Auswirkungen auf Frauen und die mangelnde soziale Symmetrie kritisieren?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Vielleicht habe ich mich nicht ganz klar ausgedrückt, wo ich diesbezüglich Verbesserungen sehe. Es ist diese Diskussion auch über die Medien in den letzten Wochen geführt worden, und zwar nicht nur von mir, sondern auch von vielen anderen, die das ähnlich sehen. Ich möchte das jetzt nicht noch einmal wiederholen.

Da Sie die Landeshauptleute ansprechen, die ihre Ideen, ihre Vorschläge bringen: Ich bin eine, die immer gesagt hat, es ist notwendig, dass Vertreter aus den Ländern der Bundesregierung sagen, wo Handlungsbedarf gegeben ist, wo Änderungen notwendig sind. Ich schließe hier keinen einzigen Landeshauptmann aus, egal, ob das der Landeshauptmann von Kärnten, von Oberösterreich oder von Salzburg ist. Wie auch immer: Wir werden diese Forderungen sehr ernst nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Engel­bert Weilharter gemeldet. – Bitte.


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Staatssekre­tärin! Welche Maßnahmen zur eigenständigen Pensionssicherung sind für Frauen geplant?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat Weilharter! Es sind verschiedene Maßnahmen geplant, verschiedene Maßnahmen im Entwurf vorgesehen. Aber ich denke, wie ich schon in meiner vorherigen Beantwortung gesagt habe, es ist noch einiges im Sinne einer eigenständigen Alterssicherung für Frauen nachzubessern.

Die Maßnahmen, die derzeit vorgesehen sind, umfassen die bessere Anrechnung der pensions­begründenden Kindererziehungszeiten. Bisher war es so, dass von vier Jahren an Kinder­erziehungszeiten 18 Monate pensionsbegründend angerechnet wurden. Nach dem neuen Ent­wurf, nach diesem Vorschlag, soll die Zahl von 18 Monate auf 24 Monate angehoben werden. So ist es für Frauen wesentlich leichter, die 180 Monate, die sie für eine eigenständige Pension brauchen, zu erreichen.

Für mich ist auch ganz wichtig, dass die so genannte Langarbeitszeitregelung berücksichtigt wird. Ich sage bewusst nicht „Hacklerregelung“, weil diese nur in eine Richtung ginge, sie aber letztendlich alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die lange gearbeitet haben, positiv betreffen soll.

Diese Langarbeitszeitregelung ist auch für Frauen eine wichtige Einrichtung, weil Frauen nach 40 Erwerbsjahren in Pension gehen können und ihnen natürlich auch die Kindererziehungs­zeiten angerechnet werden.


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Was in diesem Entwurf auch noch vorgesehen ist, ist der verbesserte Zugang für Frauen zur Altersteilzeit. Bisher war es so, dass eine Rahmenzeit von 25 Jahren gegeben war, das heißt, dass Frauen in den letzten 25 Jahren mindestens 15 Jahre versichert sein mussten. Diese Rah­menarbeitszeit wurde durch die Kindererziehungszeiten erhöht und bedeutet daher für Frauen einen wesentlichen Vorteil, wenn sie in die Altersteilzeit gehen wollen.

Weiters: Es gibt auch eine Verbesserung für die Bäuerinnen. Es ist vorgesehen, das Ausge­dinge künftig geringer zu bewerten, es stufenweise von derzeit 27 Prozent auf 20 Prozent bis zum Jahr 2009 zu senken. Das bedeutet konkret, dass pensionierte Bäuerinnen dann ihre Pen­sion dementsprechend aufgewertet bekommen.


Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach gemeldet. – Bitte.


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Es ist erstaunlich, dass bereits beim ersten Reformprojekt der neuen Bundesregierung Auflösungser­scheinungen zu bemerken sind, wie es sie am Ende der letzten Koalition gegeben hat. (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage!) – Warum sind Sie so nervös? – Ein bisschen mehr Gelassenheit vor Ostern, meine Herrschaften!

Frau Staatssekretärin! Im ersten Entwurf war noch eine Anpassung der laufenden Pensionen vorgesehen, im zweiten Entwurf wurde das gestrichen. Wie wir wissen, war der erste Entwurf die Grundlage der Koalitionsverhandlungen. Wer war dafür verantwortlich, dass die Anpassung der laufenden Pensionen im zweiten Entwurf gestrichen wurde?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Zu Ihrer Eingangsbemerkung: Sie sehen mich sehr gelassen, auch wenn die Kolleginnen und Kollegen vielleicht Ihre Bemerkung nicht so gelassen hingenommen haben.

Zu Ihrer Frage: Im Regierungsprogramm wurden keine Details festgehalten, sondern es wurde nur der Rahmen vorgegeben, nämlich das große Ziel der Pensionsreform mit einigen Eckpunk­ten. In den Detailverhandlungen auf Expertenebene hat es dann verschiedene „Zubesserun­gen“ gegeben.

Der jetzt vorliegende Entwurf sieht die Anpassungsfaktoren nicht vor. Aber ich habe schon ein­gangs und auch in der Beantwortung anderer Fragen gesagt, dass für mich und für viele andere – denn ich stehe mit dieser Ansicht nicht alleine da – die Aufwertungsfaktoren, die Ver­besserung der Anpassungsfaktoren, eine Grundvoraussetzung dafür sind, dass die Pensionen in gleicher oder ähnlicher Höhe gehalten werden.


Präsident Herwig Hösele: Wir kommen nunmehr zur 3. Anfrage, 1267/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ing. Walter Grasberger, um die Verlesung der Anfrage.


Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Staatssekretä­rin! Meine Frage lautet:

1267/M-BR/03

Welche Maßnahmen werden Sie im Jahr der Behinderten setzen?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich sage Ihnen nichts Neues: Die Europäische Union hat das Jahr 2003 zum Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen erklärt. Es gibt in


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Österreich rund 2,1 Millionen Menschen mit den unterschiedlichsten körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen. Gerade für diese große Gruppe unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger ist es wichtig, auch politisch die richtigen Signale zu senden.

Es wurde bereits in der Vergangenheit unter Vizekanzler und Bundesminister Haupt sehr viel für die Behinderten getan; man denke nur an die in der letzten Legislaturperiode erfolgte Ein­führung der „Behindertenmilliarde“ zur besseren Integration behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt. (Bundesrätin Schicker: Es sind nur 700 Millionen geworden!) Wir nehmen dieses Jahr der Menschen mit Behinderungen zum Anlass, wieder verstärkt Aktivitäten zu setzen.

Die Schwerpunkte sind in erster Linie unter dem Motto „So viel Hilfe wie nötig, so viel Selbst­bestimmung wie möglich“ zu sehen und sollen helfen, Menschen mit Beeinträchtigungen als vollwertige Mitglieder in die Gesellschaft integrieren zu können.

Wichtig ist es auch, die Bevölkerung für dieses Thema zu sensibilisieren, gerade was ihr Bild von Menschen mit Behinderungen betrifft, und sehr eng mit der Wirtschaft zusammenzuarbei­ten, um die Chancen der Behinderten auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.

Am 18. März wurde der Bericht der Bundesregierung über die Lage der behinderten Menschen in Österreich dem Ministerrat vorgelegt, er wird in der nächsten Sitzung des Nationalrates dis­kutiert werden.

Es ist im heurigen Jahr auch geplant, die Beschäftigungsoffensive für Menschen mit Behinde­rungen in Form der „Behindertenmilliarde“ weiter fortzusetzen.

Ich darf in diesem Zusammenhang vielleicht noch ein Element erwähnen: Es gibt erstmals eine Einmalzahlung für Menschen, die gepflegt werden müssen, vor allem für Menschen, die in der Familie gepflegt werden, und zwar ab der Pflegestufe 4.

Insgesamt ist das Jahr der Menschen mit Behinderungen eines, das alle Ressorts und alle möglichen Partnerinnen und Partner einbinden soll. Ich denke, nur wenn dieses Bewusstsein von allen Österreicherinnen und Österreichern entsprechend getragen wird, dann wird es mehr sein als nur ein Jahr, in dem man vielleicht das eine oder andere etwas intensiver umsetzt.



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Präsident Herwig Hösele: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Frau Staatssekretärin! Wann wird die Arbeitsgruppe, die ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz erarbeiten soll, ihre Arbeit auf­nehmen?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Nach Auffassung des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen ist für den Antrag auf Erlassung eines allgemeinen Behinderten-Gleichstellungsgesetzes feder­führend das Bundeskanzleramt zuständig, da der erste Abschnitt dieses Behinderten-Gleich­stellungsgesetzes eine Verfassungsbestimmung enthält, die sich auf das Diskriminierungsver­bot stützt.

Wie ich mich kundig gemacht habe, gibt es auch einen Vier-Parteien-Entschließungsantrag, der zu Beginn folgendermaßen lautet: „Der Bundeskanzler wird ersucht, zur Vorbereitung eines Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes beim Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Experten (...) einzurichten (...).“

Ich vertrete heute den Herrn Vizekanzler, und ich vertrete natürlich auch ein Ressort, das größtes Interesse daran hat, dass dieses Gesetz zu Stande kommt. Ich werde mich natürlich dafür einsetzen, dass so rasch wie möglich die ersten Gespräche, die ersten Verhandlungen geführt werden und auch die Arbeitsgruppe im Bundeskanzleramt ihre Tätigkeit aufnimmt.


Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Dr. Elisa­beth Hlavac gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrätin Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ, Wien): Frau Staatssekretärin! Ich habe eine konkrete Frage zu einem bestimmten Bereich: Die Gehörlosen-Verbände sind mehrmals an uns alle her­angetreten, weil sie sich wünschen, dass die Gebärdensprache voll anerkannt wird.

Ich möchte Sie daher fragen, ob Sie vorhaben, Maßnahmen in diese Richtung zu setzen.


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Die Anerkennung der Gebärdensprache ist auch im Regierungsprogramm festgehalten. Dies ist ein Wunsch, eine Forderung – eine jahrelange Forderung – der Behindertenverbände und der Menschen mit Behinderungen.

Ich kann meine Erfahrung aus dem Bundesland Oberösterreich dazu einbringen, wo wir in der letzten Legislaturperiode eingeführt haben, dass bei öffentlichen Auftritten, bei Veranstaltungen im Landtag ein Gebärdendolmetscher vor Ort ist. Von den Menschen, die dies brauchen, wird das letztlich sehr gut aufgenommen und sehr positiv honoriert.

Das soll also nicht nur im Regierungsprogramm stehen, sondern ich werde mich dafür einset­zen, dass das auch in der Praxis angewandt wird.


Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben heute schon auf die Wichtigkeit der Eingliederung von behinderten Menschen in den Erwerbsprozess hingewiesen.

Ich darf Sie nun Folgendes fragen: Welche Erfolge konnten Sie beziehungsweise der Herr Vize­kanzler mit seiner Aktion der „Behindertenmilliarde“ in den Jahren 2001 und 2002 in beschäfti­gungspolitischer Hinsicht verzeichnen?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Im Zentrum der Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderungen ist im Zusammenhang mit der „Behindertenmil­liarde“ vor allem die berufliche Integration gestanden und wird auch weiter stehen.

Als erste Zielgruppe sind besonders Jugendliche mit Behinderungen, vor allem mit sonderpäda­gogischem Förderbedarf unmittelbar vor oder beim Übertritt von der Schule ins Berufsleben, zu sehen.

Vor allem sind es aber als zweite Zielgruppe behinderte Menschen höheren Alters zur Aufrecht­erhaltung derjenigen Arbeitsplätze, die sie bereits haben.

Die dritte Gruppe umfasst behinderte Menschen mit besonderen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt, vor allem jene, die psychische Behinderungen haben, und sinnesbehinderte Men­schen. – Das sind die drei Zielgruppen.

Neben diesen direkten Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Integration werden auch be­gleitende Maßnahmen gesetzt, wie zum Beispiel Unternehmerservice als Dienstleistung für Arbeitgeber und verstärkte Förderung der Bereitschaft, die Arbeitsumwelt behindertengerecht zu gestalten.


Bundesrat
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695. Sitzung / Seite 13

Ihre Frage, was im Jahr 2002 mit der „Behindertenmilliarde“ erreicht wurde, kann ich dahin ge­hend beantworten, dass nach den derzeit vorläufig vorliegenden Ergebnissen neben Individual­förderungen rund 400 Projekte gefördert wurden. Insgesamt wurden für rund 17 400 Fälle Förderungen im Gesamtausmaß von 61 Millionen € geleistet. Diese teilen sich nach folgenden Schwerpunkten auf: Jugendliche, ältere Personen mit speziellen Schwierigkeiten, begleitende Maßnahmen, wie ich es vorhin erwähnt habe, zum Beispiel das soziale Umfeld betreffend.

Ich habe schon in einer anderen Beantwortung gesagt: Die Maßnahmen der „Behindertenmil­liarde“ werden auch in den Jahren 2003 und 2004 fortgesetzt.


Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, 1273/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn


Bundesrat
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695. Sitzung / Seite 14

Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann, um die Verlesung seiner Anfrage.


Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! So wie du denke auch ich, dass die Grünen noch sehr lange auf ihre Regie­rungsbeteiligung werden warten müssen, deshalb freue ich mich, dir noch recht lange Anfragen stellen zu dürfen. (Bundesrätin Schicker: Das würde ich nicht sagen!)

Meine Frage lautet:

1273/M-BR/03

Wie entwickelt sich die Inanspruchnahme des Kinderbetreuungsgeldes insbesondere in Zusam­menhang mit allfälligen Auswirkungen auf die Beschäftigung von Frauen?


Präsident Herwig Hösele: Frau Staatssekretärin, bitte.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat Nittmann! Danke für die konkrete Frage. (Bundesrätin Bachner: Man darf sich zu Weihnachten etwas wünschen, nicht zu Ostern! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Ich habe mich für die konkrete Frage bedankt.

Sehr geehrter Herr Bundesrat Nittmann! Das Kinderbetreuungsgeld hat den Zweck, die Eltern – also Mütter und Väter – während der Kleinkindphase zu unterstützen. Das Ziel des Kinder­betreuungsgeldes ist es vor allem, den Eltern die Wahlfreiheit zu geben, das Kind entweder selbst zu betreuen oder betreuen zu lassen (Bundesrätin Schicker: Das ist keine Wahlfreiheit!), Leistungen zuzukaufen und weiterhin einer außerhäuslichen Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Die große Akzeptanz dieser Einrichtung des Kinderbetreuungsgeldes – ich möchte es hier noch einmal sagen: Wir liegen, was diese finanziellen Maßnahmen zur Unterstützung der Familien anlangt, europaweit an der Spitze – ist sehr erfreulich. Wir können das nicht nur an einem Geburtenplus von 3,6 Prozent im Jahr 2002 feststellen, sondern auch an der Zahl der gestellten Anträge. Bis Ende März 2003 wurden rund 80 000 Anträge auf Kinderbetreuungsgeldaus­zahlung gestellt. Von den rund 80 000 Anträgen wurden – und das ist auch interessant, weil wir das Kinderbetreuungsgeld für alle Mütter und für alle Väter eingeführt haben, was in der Vorphase nicht der Fall gewesen ist, da galt das nur für die Erwerbstätigen – rund 22 396 Anträge von Müttern und Vätern gestellt, die vor der Antragstellung nicht erwerbstätig waren, also die Hausfrauen, Hausmänner, SchülerInnen, StudentInnen, aber auch Arbeitslosengeld- und NotstandshilfebezieherInnen waren.

Genau aufgegliedert waren es 11 677 Hausfrauen und leider, muss ich sagen, nur 60 Haus­männer, 1 015 Studentinnen, 52 Studenten und 545 Schülerinnen. Das beweist, dass wir rich­tig entschieden haben, das Kinderbetreuungsgeld auch jener Gruppe zukommen zu lassen, die vorher nicht erwerbstätig war. Erstmals wurde auch ein wesentlicher Beitrag dazu geleistet, dass alle Kinder gleich sind, vor allem auch, dass alle Mütter und alle Väter gleich sind.


Präsident Herwig Hösele: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann (Freiheitliche, Oberösterreich): Wird es für jene Frauen, die sich dazu entscheiden, beim Kind zu Hause zu bleiben, nicht negative Auswirkungen auf die Pension geben?


Präsident Herwig Hösele: Frau Staatssekretärin, bitte.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Sie sprechen hier ein Thema an, das seit der Ein­führung des Kinderbetreuungsgeldes sehr heftig diskutiert wird, und zwar einerseits von den­jenigen, die nicht sehr viel Freude mit dieser Familienleistung haben, die sagen, das Kinderbe­treuungsgeld dränge die Frauen zurück hinter den Herd (Bundesrätin Schicker: Die Statistiken sagen es schon!) – wobei ich immer wieder sage: Was versteht man darunter?; wenn, dann steht man vor dem Herd und nicht hinter dem Herd! –, und andererseits von denjenigen, die 100-prozentig dieses Kinderbetreuungsgeld verteidigen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dazu kann ich nur sagen: Diese neue Familienleistung ist etwas, was die Wahlfreiheit erst möglich macht. Letztendlich hat die Politik nicht vorzugeben, in welcher Form Eltern mit ihren Kindern leben.

Dass uns aber die Altersvorsorge für Frauen sehr wichtig ist, zeigt auch, dass wir in der ersten Phase die 18 Monate zu pensionsbegründenden Zeiten gemacht haben und dieser Zeitraum jetzt in der zweiten Phase auf 24 Monate erhöht wird. – Das ist das eine.

Aber ich möchte auch darauf hinweisen, dass – und das ist etwas, was immer ein bisschen untergeht – für diese Zeiten der Kinderbetreuung vor allem auch die Abfertigungsbeiträge ge­zahlt werden, dass die Beiträge für die Teilzeitkarenz bei der Kinderbetreuung bezahlt werden und dass auch die Familienhospizkarenz und die Bildungskarenz da mit hineinfallen.

Wir haben also im Rahmen unserer Familienleistungen neben dem Kinderbetreuungsgeld auch noch zusätzlich Leistungen für Zeiten der Familienarbeit vorgesehen, denn unsere Überlegung ist es, dass die Zeiten, in welchen Frauen zu Hause Familienarbeit leisten – und diese ist auch wichtig, nicht nur die Kindererziehung, sondern auch die Pflege von Angehörigen –, für die Berechnung der Altersvorsorge nicht verloren gehen.


Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Herta Wimmler zu Wort gemeldet. – Bitte.


Bundesrätin Herta Wimmler (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Tatsache ist, dass bis jetzt sehr wenig Männer Väterkarenz in Anspruch genommen haben. Daher lautet meine Frage: Wie wollen Sie in diesem Zusammenhang die Rolle der Väter aktivieren bezie­hungsweise die Männer motivieren, verstärkt Väterkarenz in Anspruch zu nehmen?


Präsident Herwig Hösele: Frau Staatssekretärin, bitte.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich glaube, es ist eines der schwierigsten politischen Anliegen, Väter mehr zu motivieren, für die Familie etwas zu tun. Ich glaube, das muss in der Familie selbst, in der Partnerschaft beginnen. Dabei sehe ich weniger Probleme bei den ganz jungen Vätern und Müttern, die diesbezüglich schon ein anderes Denken haben, für die es schon selbstverständlich ist – ich sage es plakativ –, dass Frauen einen weiteren Schritt in den Beruf machen und Männer gerne einen Schritt in Richtung Familie machen. Diesen Schritt in Richtung Familie muss man, wie ich meine, den Vätern auch im Sinne eines Bewusstseinsbil­dungsprozesses schmackhaft machen, denn Väter wissen oft nicht, was ihnen entgeht, wenn sie ihre Kinder nur neben der beruflichen Tätigkeit sehen oder genießen können, also zu Zeiten, wo dies nicht möglich ist. (Bundesrat Gasteiger: Vielleicht müssen die Männer das Geld verdie­nen, Frau Staatssekretär! – Bundesrätin Schicker – in Richtung des Bundesrates Gasteiger –: Das war kein kluger Zwischenruf!)


Bundesrat
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Es ist das Bewusstsein zu schaffen, dass Kinder auch Väter brauchen. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger.) Daher müssen wir Maßnahmen im Bereich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie setzen. Gerade da hat man jahrzehntelang die Aufgabe, Beruf und Familie zu vereinbaren, immer nur den Frauen zugeordnet und gesagt: Die Frauen müssen schauen, wie sie Beruf und Familie miteinander vereinbaren können! – Das ist ganz wichtig!

Die Herren von der SPÖ sind damit nicht ganz einverstanden. (Bundesrat Gasteiger – die Hand hebend –: Nur ich allein!) Weil Sie sagten, die Männer müssen .... (Bundesrat Gasteiger: Ich allein fühle mich angesprochen, weil ich die Erziehung von einem zweijährigen Sohn zu ver­antworten habe!) Okay! Ich habe gesagt, es gibt Ausnahmen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger.) Das habe ich gesagt, glaube ich. (Bundesrat Gasteiger: Da wehre ich mich dagegen!) Bitte, Herr Bundesrat, passen Sie ein bisschen auf, dann hören Sie, was ich sage!

Sofern ich es richtig verstanden habe – aber korrigieren Sie mich, wenn ich es falsch verstan­den habe! –, haben Sie gesagt, dass die Männer das Geld verdienen müssen. (Bundesrat Gasteiger nickt zustimmend.) Da müssen wir, denke ich, auch endlich einmal ansetzen! Da ist nicht nur die Politik, sondern da sind auch die Gewerkschaften, die Sozialpartner gefordert, die dafür sorgen müssen, dass Frauen auch in frauentypischen Bereichen endlich jenen Lohn beziehungsweise jenes Einkommen erhalten, das ihnen eigentlich zusteht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Daher hat auch ... (Bundesrat Gasteiger: Das soll kein Lippenbekenntnis sein, das müsst ihr umsetzen!) Wir haben es im Regierungsprogramm festgeschrieben, wir werden es auch umsetzen. Aber in der Vergangenheit ist leider zu wenig geschehen, das muss man ganz ehrlich sagen! (Bundesrat Gasteiger: Ihr seid in der Regierung! – Bundesrat Dr. Böhm – in Richtung des Bundesrates Gasteiger –: Ihr habt 20 Jahre Zeit gehabt! – Bundesrat Gasteiger, replizierend: Wie lange seid ihr in der Regierung?)

Ich möchte wieder auf die Väterkarenz zu sprechen kommen: Wir werden in diesem Zusam­menhang bei unseren Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie ganz stark die Väterkarenz miteinbinden beziehungsweise die Väter dazu motivieren. Wenn wir den Evaluie­rungsbericht betreffend das Kinderbetreuungsgeld haben, dann sollten wir überlegen, ob nicht die Zuverdienstgrenze noch einmal anzuheben wäre, um den Vätern vermehrt Möglichkeiten, Chancen und Anreize zu geben, die Kinderbetreuung zu übernehmen.

Ich habe auch, weil es zu meinem unmittelbaren Bereich gehört, die so genannte Männerabtei­lung, die schon für viel Aufsehen gesorgt hat ... (Bundesrätin Schicker: Wird sie abgeschafft?) Sie ist jetzt in meinen Zuständigkeitsbereich gekommen. Die Frauenarbeit kam sozusagen zur Männerabteilung. – Da haben wir schon im Arbeitsprogramm den Schwerpunkt festgelegt, dass mehr Männer die Familienarbeit übernehmen sollen. Wir werden unsere Studien und unsere punktuelle Arbeit in dieser Richtung auch in der Männerabteilung gestalten. Dann hat sie, so denke ich, eine wirklich gute Berechtigung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)


Präsident Herwig Hösele: Danke, Frau Staatssekretärin! (Bundesrat Rosenmaier: Wie werden Sie es schaffen, dass die Männer nicht arbeitslos werden, wenn sie in Karenz gehen? – Bundesrätin Schicker – in Richtung des Bundesrates Rosenmaier –: Die Frauen werden auch nicht arbeitslos! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist eine sehr interessante Debatte, aber an sich sind die Fragesteller am Wort. Insofern bitte ich Frau Bundesrätin Anna Schlaffer um ihre Zusatzfrage. – Bitte.


Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Ent­gegen manch Ihrer Ausführungen ist einer neuen Wifo-Studie zu entnehmen, dass die Inan­spruchnahme des Kinderbetreuungsgeldes bewirkt, dass Frauen vom Arbeitsmarkt verdrängt werden. Während früher 54 Prozent der Frauen nach dem zweiten Geburtstag ihres Kindes in das Berufsleben zurückkehrten, sind es jetzt nur noch 35 Prozent. Auch ist der Anteil der Väter in Karenz von 2,5 Prozent auf 2 Prozent gesunken.


Bundesrat
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Damit das bei der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes gemachte Versprechen, dass Mütter eine freie Entscheidung zwischen Erwerbstätigkeit und Familienarbeit treffen können, Wahrheit wird, muss die Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen.

Welche Maßnahmen planen Sie konkret, um die Bedingungen für Frauen zu verbessern?

Gestatten Sie mir eine kleine Zusatzfrage, vielleicht können Sie auch darauf eingehen: Wie stehen Sie selbst zu einem einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld?


Präsident Herwig Hösele: Danke für die zwei Zusatzfragen. – Ich bitte die Frau Staatssekre­tärin um die Antwort.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich kenne natürlich diese Wifo-Studie, die in den letzten Wochen für sehr viel Aufregung gesorgt hat, aber ich möchte verhindern, dass wir da zwei Dinge vermischen.

Das Ziel dieser Wifo-Studie war, die Erwerbstätigkeit von Frauen, die Kinder haben, die Familie haben, zu durchleuchten. – Das ist das eine.

Zweitens haben wir, wie ich schon gesagt habe, die Evaluierung bezüglich des Kinderbe­treuungsgeldes laufen, wo es darum geht, zu untersuchen, wie das Kinderbetreuungsgeld angenommen wird. Daher ist es, glaube ich, jetzt noch zu früh, diesbezüglich klare oder seriöse Aussagen zu treffen, denn gerade beim Kinderbetreuungsgeld haben wir erst einen Zeitraum von eineinviertel Jahren hinter uns. Wir haben erst im Jänner 2002 damit begonnen, und daher ist meiner Meinung nach die Aussage, dass auf Grund des Kindergeldes weniger Väter zu Hause bleiben, nicht ganz seriös, denn es ist, wie Sie wissen, im Rahmen des Bezuges des Kinderbetreuungsgeldes geplant, dass Väter zumindest das letzte halbe Jahr in Anspruch nehmen. Ich meine, nach eineinviertel Jahren können wir dazu noch keine Aussage treffen, da es kaum Männer gibt, die dieses Geld schon bezogen haben.

Daher würde ich bitten, auch hier in der Diskussion diese beiden Dinge auseinander zu halten. Ich denke, wenn diese Studie vorliegt und wir ein erstes Ergebnis haben, dann können wir auch mit entsprechenden Zahlen aufwarten. Wichtig ist aber auch, dass man im Rahmen dieser Studie feststellt, dass bis zu 93 Prozent der Frauen innerhalb der ersten sechs Jahre wieder in den Beruf zurückkehren wollen. Das heißt für mich, dass Frauen sehr wohl wissen, was sie möchten. Aber es gibt auch sehr viele Frauen, die sagen: In den ersten Lebensjahren sind mir meine Kinder so wichtig, dass ich bei meinem Kind bleiben möchte! Schließlich ist das Kinder­betreuungsgeld auch eine Unterstützung zum Wohle des Kindes. – Das sei zu dieser Studie gesagt.

Zum Zweiten, zum einkommensabhängigen Karenzgeld: Ich halte von einem einkommensab­hängigen Karenzgeld nichts, denn ich denke, dass wir damit wieder Mütter zweier Klassen schaffen, denn letztendlich ist es doch so, dass die gut verdienende Mutter viel oder mehr Karenzgeld bekommt als die schlechter verdienende Mutter. Die große Masse der Frauen, die in frauentypischen Berufen arbeiten, haben einen Niedriglohn, und diese bekommen dann weniger Kinderbetreuungsgeld. Ich möchte nicht, dass wir uns in Richtung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft bewegen, was das Kinderbetreuungsgeld anlangt.


Präsident Herwig Hösele: Wir kommen nunmehr zur 5. Anfrage, 1271/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Günter Kaltenbacher, um die Verlesung seiner Anfrage.


Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Frage lautet:


Bundesrat
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1271/M-BR/03

Nehmen Sie als Staatssekretärin eine Kürzung von Pensionen im Ausmaß von bis zu 30 Pro­zent durch fehlende Anpassungen bei den Aufwertungsfaktoren in Kauf?


Präsident Herwig Hösele: Frau Staatssekretärin, bitte.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich habe in meiner Beantwortung der vorherigen Fragen immer wieder klar zum Ausdruck gebracht, dass diesbezüglich ein Entwurf vorliegt, der verschiedene Details enthält, über die intensivst diskutiert wird, und in welchem auch Änderun­gen gefordert werden. Ich glaube, dass in Zukunft die staatliche Säule bei der Altersvorsorge, die staatliche Pension in jenem Ausmaß gewährleistet sein wird, wie es sich die Menschen ver­dienen, die gearbeitet haben. Da müssen wir auch im Bereich der Anpassungsfaktoren etwas machen.


Präsident Herwig Hösele: Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus gemeldet. – Bitte.


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Staatssekretärin! Welche weiteren Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes sind denkbar?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Bisher war es so, wie Sie wissen, dass die 15 besten Jahre als Durchrechnungszeitraum angerechnet wurden beziehungsweise gegolten haben. Jetzt ist geplant, den Durchrechnungszeitraum auf 40 Jahre auszuweiten, und in dem Moment, in welchem der Durchrechnungszeitraum verlängert wird, kann es Nachteile vor allem für jene geben, die Zeiten haben, die nicht so gut bewertet sind, oder auch Zeiten, die schon länger zu­rückliegen. Daher müssen wir, denke ich, in diesem Bereich noch auf jeden Fall nachbessern. Das betrifft in erster Linie Frauen, und zwar Frauen, die sehr unterschiedliche Erwerbsläufe haben, die von Familienzeiten unterbrochen sind. Daher sollten wir das im Rahmen der Diskus­sion berücksichtigen und dann bei der Umsetzung die entsprechenden Schritte setzen. Dazu kann ich Ihnen aber auch sagen, dass im Ressort vom Herrn Vizekanzler und auch in meinen Abteilungen schon seit Tagen verschiedene Modelle ausgearbeitet, verschiedene Beispiele be­rechnet werden, um da Abfederungen zu erreichen.


Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage, 1268/M.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Germana Fösleitner, um die Verlesung ihrer Anfrage.


Bundesrätin Germana Fösleitner (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Staatssekretärin! Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für berufstätige Eltern ein ganz großes Anliegen. Meine Frage lautet daher:

1268/M-BR/03

Welche Pläne haben Sie, um die für berufstätige Eltern besonders wichtige Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.

Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Das ist mir ein ganz großes Anliegen. Ich habe das auch bei meiner Arbeit in Oberösterreich immer wieder zum Ausdruck gebracht. Ich sage: Es ist zu wenig, wenn wir den Familien die wichtige finanzielle Unterstützung, die sie unbedingt brauchen, als zusätzliches Einkommen geben, um Familie leistbar zu machen. Für müssen da-


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neben noch für andere Unterstützungen sorgen, und zwar vor allem für jene Frauen, aber auch für jene Väter, die Beruf und Familie vereinbaren wollen oder auch vereinbaren müssen, weil sie berufstätig sind.

Daher ist mir der enge Kontakt mit der Wirtschaft ein besonderes Anliegen. Ich halte es für be­sonders wichtig, dass wir verstärkt Anreize schaffen, dass Unternehmen familienfreundliche Arbeitszeitmodelle anbieten, und zwar die Möglichkeit schaffen, nicht nur in Teilzeit, sondern auch in Vollzeit neben der Familie zu arbeiten, weil, wie wir wissen, das auch letztendlich für die Pensionshöhe eine grundsätzliche Voraussetzung ist.

Wir werden daher im Ressort den Bereich Audit Familie und Beruf, der bereits vor zwei Jahren begonnen wurde, weiter fortsetzen. Es hat erste Gespräche meinerseits mit der Wirtschaft da­hin gehend gegeben, ob wir die Anreize, die da enthalten sind, noch verbessern können, damit sich noch mehr Betriebe daran beteiligen. Ich glaube, dass es zwar positiv ist, wenn es zum Beispiel österreichweit 68 auditierte und 300 interessierte Unternehmen gibt, aber wenn wir sehen, wie groß und wie wichtig unsere Wirtschaft österreichweit ist, dann müssen wir danach trachten, dass noch wesentlich mehr dazukommen. Da werden wir verstärkt nachhaken müssen.

Wir haben auch mit dem Nachweis der Familienkompetenzen als Schlüsselqualifikation für mehr Erfolg im Beruf bereits erfolgreich begonnen. In diesem Bereich werden wir noch sehr aktiv arbeiten. Wir haben weiters die kinder- und familienfreundlichen Gemeinden zu betreuen begonnen, denn gerade auf Gemeindeebene ist es, wie ich meine, wichtig, in diesen Bereichen etwas zu tun.

Ergänzend sei auch noch gesagt, was die Kinderbetreuung anlangt, weil das auch ein wesent­licher Bereich ist, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können: Ohne mich jetzt aus irgendeiner Verantwortung stehlen zu wollen, muss ich trotzdem sagen: Kinderbetreuung ist Länderkompetenz! Aber wir haben – und ich bin da sehr dahinter – festgehalten, dass wir seitens des Bundes auch entsprechende Projekte in den Ländern fördern, und zwar Projekte, die vor allem innovativ sind, was die Öffnungszeiten anlangt, was die Dauer der Öffnung auch zu Zeiten, die eher ungewöhnlich sind, wie Ferien und Sommer, anlangt. Wir haben zugesagt, dass wir derartige Betreuungseinrichtungen vom Bund aus unterstützen. Ich glaube, es ist wich­tig, da intelligente Modelle anzubieten. Die Arbeitszeiten werden immer unterschiedlicher und flexibler, und da muss den Frauen, den Müttern und den Vätern noch sehr viel angeboten werden.


Präsident Herwig Hösele: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrätin Germana Fösleitner (ÖVP, Oberösterreich): Im Regierungsprogramm ist auch eine Bundeskoordinationsstelle für Familie und Beruf vorgesehen.

Meine Frage lautet daher: Welche Aufgabe kommt dieser Bundeskoordinationsstelle für Familie und Beruf zu?


Präsident Herwig Hösele: Frau Staatssekretärin, bitte.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Diese Koordinationsstelle ist ein von der EU geför­dertes Projekt, das Österreich umsetzen kann und umsetzen wird, um die Vereinbarkeitsmaß­nahmen gebündelt zu verbessern. Es geschieht schon sehr viel auf allen Ebenen, auf Länder­ebene, auf Gemeindeebene, auch zum Teil auf Bundesebene, und eine Bündelung, eine Koor­dinierung ist da sehr wichtig.

Das Ziel beziehungsweise der Zweck dieses Vorhabens ist, dass es eine einheitliche Anlauf­stelle gibt, dass die Synergien, die vorhanden sind, besser vernetzt werden und dann auch besser genutzt werden können, dass innovative Maßnahmen im Kinderbetreuungsbereich und auch im Wirtschaftsbereich, von denen ich soeben gesprochen habe, dementsprechend geför­dert werden, dass es grundsätzlich eine Anlauf- und Servicestelle gibt. Wir alle wissen, wie


Bundesrat
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schwierig es ist, dass man, je höher man in die Verwaltung kommt, einen direkten Zugang hat, und alles, was als Servicestelle gebündelt und einheitlich koordiniert ist, wird auch besser ange­nommen.

Außerdem ist es auch wichtig, dass wir uns international und europaweit besser austauschen, dass wir ein bisschen über die Grenzen blicken und schauen, was in anderen Ländern ge­schieht, dass wir also auch in diesem Bereich etwas tun.

Wichtig ist auch, dass wir Forschung und Dokumentation vor allem im Bereich der Statistiken und Publikationen haben. Informationsmaterial und natürlich auch die entsprechende Öffentlich­keitsarbeit sind wichtig. Ich denke, dass das eine gute und sinnvolle Sache ist. Wir werden sie ganz rasch in Angriff nehmen.


Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Anna Schlaffer zu Wort gemeldet. – Bitte.


Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! In ihrem Arbeitsprogramm kündigt die Bundesregierung eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten sowie eine allgemeine Arbeitszeitflexibilisierung, das heißt, einen noch flexibleren Umgang mit der Zeit der Beschäftigten an. Nicht nur, dass davon mit überwältigender Mehrheit berufstätige Frauen betroffen wären, würde die Umsetzung dieser Pläne natürlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erheblich erschweren.

Welche Maßnahmen planen Sie, um zu verhindern, dass das soziale und auch finanzielle Ge­füge einer Familie nicht noch mehr durch die Wahrnehmung der Interessen der Wirtschaft beeinträchtigt wird?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Die Liberalisierung der Öffnungszeiten ist im Regie­rungsprogramm verankert. Sie sind aber dahin gehend abgefasst, dass die Möglichkeit besteht, in den Ländern die Entscheidungen zu treffen. Wenn die Länder mit den Öffnungszeiten zufrie­den sind, dann soll nichts geändert werden.

Sie haben sicher in der Diskussion der vergangenen Wochen gemerkt, dass es bisher kein Bun­desland gibt, in welchem die Ladenöffnungszeiten verändert werden, und zwar deshalb, weil letztendlich die Mechanismen so sind, dass in besonders frequentierten Gebieten, wie zum Bei­spiel Tourismusgebieten, eine längere Öffnungszeit möglich ist. Darüber bin ich sehr froh, denn ich persönlich sehe gerade die Situation der arbeitenden Frauen im Bereich des Handels immer sehr kritisch. Ich weiß, welchen Belastungen Frauen heute schon durch die doch sehr unterschiedlichen Arbeitszeiten ausgesetzt sind, die zum Teil geblockt sind und zum Teil dann anfallen, wenn es kaum Kinderbetreuung gibt.

Mir und auch dieser Regierung ist es aber ganz wichtig – und das haben wir explizit festgehal­ten –, dass es keinesfalls zur Liberalisierung des bisher arbeitsfreien Sonntags kommen darf. Diesbezüglich gibt es von den Ländern dementsprechende Bewegungen, Vereinbarungen mit den Sozialpartnern, auch mit der Kirche. Ich glaube, gerade der arbeitsfreie Sonntag ist etwas ganz Wichtiges, und zwar nicht nur für unsere Familien, damit das Familienleben funktionieren kann und damit auch Frauen da ihre Chance haben, sondern auch für unsere gesamte gesell­schaftliche Struktur, was das Vereinswesen auf Länderebene, im ländlichen Raum, aber auch im städtischen Raum betrifft.


Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid zu Wort gemeldet. – Bitte.


Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Frau Staatssekretärin! Wie du die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern kannst, hast du bereits zur Genüge erörtert. Du hast es im Land Oberösterreich zum großen Teil auch schon erfolgreich umgesetzt. Ich darf


Bundesrat
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dich aber fragen: Was wird geplant, um familien- und kinderfreundliche Lebensbedingungen zu schaffen, welche die Vereinbarkeit von Beruf und Familie überhaupt erst ermöglichen?

Dazu eine spezielle Frage, die mich natürlich interessiert: Wie schaut es aus mit Selbständigen und vor allem mit unseren Klein- und Kleinstbetrieben, damit es auch wieder eine Motivation gibt, selbständig zu werden?



Bundesrat
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Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Verehrte Frau Bundesrätin! Ich habe schon bei der vorhergehenden Beantwortung einige Beispiele aufgezählt, die sich vor allem auch auf Gemeindeebene bewegen, besonders was familienfreundliche Gemeinden anlangt. Gerade in den Gemeinden gibt es sehr viele selb­ständige Frauen, die ihre kleinen oder mittleren Unternehmen führen. Ich möchte auch noch einmal darauf hinweisen, dass durch das Kinderbetreuungsgeld erstmals auch Selbständige in den Genuss einer solchen Leistung kommen.

Ich denke, die Partnerschaft mit der Wirtschaft ist etwas ganz Wesentliches. Ich halte es für sehr wichtig, arbeitsnahe Kinderbetreuung zu schaffen. Ich sage bewusst nicht Betriebskinder­gärten, sondern arbeitsnahe Kinderbetreuung, um auch verschiedene kleinere oder mittlere Be­triebe dabei mit einbinden zu können.

Gerade weil du aus dem Saisonbereich, aus der Gastronomie kommst, möchte ich darauf hin­weisen, wie wichtig es ist, Frauen auch für jene Zeiten, in denen sie in der Saison arbeiten, die Möglichkeit zu geben, ihre Kinder gut versorgt zu wissen. Das kann mit öffentlichen Einrichtun­gen erfolgen, aber auch mit privaten Modellen wie Tagesmüttern und Ähnlichem.

Ich wiederhole, dass dabei in erster Linie die Länder gefordert sind, aber der Bund wird auch entsprechende Unterstützung geben.


Präsident Herwig Hösele: Danke, Frau Staatssekretärin.

Wir kommen nunmehr zur 7. Anfrage, 1272/M.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Johanna Schicker, um die Verlesung der An­frage.


Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Meine Frage lautet:

1272/M-BR/03


Streben Sie eine Änderung bei der unsozialen Regelung über die Unfallrentenbesteuerung an?

Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Regelungen im Zusammenhang mit der Besteuerung der Unfallrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung fallen laut Bundesministeriengesetz ausschließlich in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Finanzen.

Bekanntlich hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 7. 12. 2002 Bestimmungen über die Unfallrentenbesteuerung als verfassungswidrig aufgehoben. Der Verfassungsgerichts­hof hat in seinem Erkenntnis auch ausgeführt, dass die aufgehobene Gesetzesbestimmung auf die Einkommensteuerbemessung für die Jahre 2001 und 2002 nicht mehr anzuwenden ist, so­weit eine Abgeltung nach dem Bundesbehindertengesetz nicht erfolgt ist.

Im Übrigen hat der Gesetzgeber eine so genannte Reparaturfrist bis 31. Dezember 2003 einge­räumt, sodass ab 1. Jänner 2003 die Unfallrentenbesteuerung bis zu einer allfälligen Neurege­lung aufrecht bleibt.


Präsident Herwig Hösele: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Frau Staatssekretärin! Nachdem Sie jetzt gesagt haben, dass ab 1. 1. 2004 eine andere Gesetzesvorlage zu erwarten ist, möchte ich Sie trotzdem fragen: Welche Nettoeinnahmen werden auf Grund dieser unsozialen Maßnahmen, die ich erwähnt habe, für das Jahr 2003 auf dem Rücken der Unfallrentenbezieher, also der Ärmsten der Armen, erwartet?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Frau Bundesrätin, darf ich Ihnen das schriftlich nachreichen? – Ich möchte hier keine falschen Zahlen nennen, und bei diesem Bereich muss ich ehrlich sagen, das fällt nicht in meine Zuständigkeit.


Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Ja gerne, vielen Dank.


Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dipl.‑Ing. Dr. Bernd Lindinger gemeldet. – Bitte.


Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Im Zusammenhang mit der Besteuerung der Unfallrenten wurden auch Ver­besserungen in der Sozialversicherung für Schwerversehrte vorgenommen. Sind diese Verbes­serungen nun durch die Aufhebung der Besteuerung der Unfallrenten in ihrem Bestand be­droht?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich kann Ihnen sagen, dass bisher 46 000 Anträge gestellt wurden, und zirka 40 000 Personen haben bisher eine Leistung aus dem Unterstüt­zungsfonds zur Abgeltung der Mehrbelastung erhalten.


Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Leopold Steinbichler gemeldet. – Bitte.


Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Frau Staatssekretärin! Wie viele Personen bekommen derzeit die Unfallrentenbesteuerung zurückerstattet?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich muss mich entschuldigen, ich habe dem schon vorgegriffen. Was ich soeben erwähnt habe, war bereits die Beantwortung Ihrer Frage, aber ich sage es noch einmal: Es sind 46 000 Anträge gestellt worden, und zirka 40 000 Personen haben bisher eine Leistung aus dem Unterstützungsfonds erhalten.


Präsident Herwig Hösele: Wollen Sie die Zusatzfrage von Herrn Bundesrat Dr. Lindinger auch noch beantworten, oder war das unter einem, Frau Staatssekretärin? Oder wollen Sie Ihre Zu­satzfrage für beantwortet erklären, Herr Bundesrat? (Bundesrat Dr. Lindinger erklärt seine Zu­satzfrage für beantwortet.) – Danke.

Wir kommen nunmehr zur 8. Anfrage, 1269/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Paul Fasching, um die Verlesung der Anfrage.


Bundesrat Paul Fasching (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Frage lautet:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
695. Sitzung / Seite 22

1269/M-BR/03

Welche Schwerpunkte haben Sie sich für die Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans zur Um­setzung der Kinderrechte, wozu sich Österreich beim Weltkindergipfel der Vereinten Nationen 2002 verpflichtet hat, vorgenommen?



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
695. Sitzung / Seite 23

Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Österreich gehört zu jener Gruppe von Ländern, die das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes bereits am 26. Jänner 1990 unterzeichnet haben. Dieses Übereinkommen, bekannt unter dem Namen „Kinderrechtskonvention“, wurde Anfang 1993 mittels Bundesgesetzblatt kundgemacht und ist formal schon 1992 in Kraft getre­ten.

Es stimmt, wir haben uns beim Weltkindergipfel der Vereinten Nationen 2002 in New York, wo Österreich durch Herrn Bundesminister Herbert Haupt vertreten war, zur nationalen Umsetzung der Kinderrechte mittels eines Nationalen Aktionsplanes verpflichtet.

Mir ist es ein besonderes Anliegen, im Bereich der Kinderrechte Maßnahmen zu setzen, Maß­nahmen zu entwickeln und diese dann auch umzusetzen.

Wir halten uns dabei an vier Grundsätze, die ganz wesentlich sind. Das ist erstens der Schutz vor der Diskriminierung von Kindern; zweitens die Berücksichtigung des Wohles der Kinder in allen politischen Aktivitäten; drittens das Recht des Kindes auf Leben und Entwicklung und viertens vor allem auch das Recht des Kindes auf Meinungsbildung, Meinungsäußerung und entsprechende Berücksichtigung seiner Meinung.

Wir haben dazu ein erstes Treffen abgehalten: Ende März gab es die Veranstaltung zur Um­setzung der Kinderrechtskonvention. Als Folge dieser Veranstaltung werden entsprechende Arbeitsgruppen und Arbeitskreise eingerichtet, mit sehr vielen Teilnehmerinnen und Teilneh­mern. Es gab über 100 Interessierte aus diversen Organisationen, von den NGOs, Experten und Fachleute. In diesen Arbeitsgruppen wird bis Ende des Jahres intensiv gearbeitet. Die ent­sprechenden Vorschläge werden dann präsentiert, und wir werden sie im Rahmen der Umset­zung dann in unsere politische Arbeit einbringen.


Präsident Herwig Hösele: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrat Paul Fasching (ÖVP, Burgenland): Frau Staatssekretärin! Welchen Zeitplan haben Sie sich vorgenommen? Wann konkret wird diese Umsetzung erfolgen?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Umsetzung – ich habe es schon angesprochen – soll bis Ende 2003 erfolgen, bis wir die Ergebnisse haben, das ist ganz wichtig. Das ist der Zeitplan für das heurige Jahr. Ich denke, es würde zu weit führen, wenn ich Ihnen wochenweise berichten würde, welche Arbeitsgruppen und Steuerungsgruppen jeweils tagen.

Die Umsetzung muss dann sofort geschehen, denn wir haben uns – und darauf möchte ich hin­weisen – in diesem Regierungsübereinkommen auch verpflichtet, eine aktive Familienpolitik, vor allem eine aktive Kinder- und Jugendpolitik zu machen. Und wir haben uns in diesem Regie­rungsprogramm auch dazu verpflichtet, dass wir die Kinderrechte in der Verfassung festschrei­ben und verankern.

Bisher gibt es ja nur ein Bundesland, nämlich Oberösterreich, das die Kinderrechte in der Ver­fassung verankert hat, aber ich wünsche mir sehr, dass wir das so schnell wie möglich auch in der österreichischen Bundesverfassung festhalten.


Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Alfredo Rosenmaier gemeldet. – Bitte.


Bundesrat Alfredo Rosenmaier (SPÖ, Niederösterreich): Frau Staatssekretärin! Halten Sie den derzeitigen Stand für fortgeschritten? Gibt es darüber einen Bericht, beziehungsweise wo liegen Ihre persönlichen Prioritäten?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich halte das, was bisher gemacht wurde, für grundsätzlich sehr gut. Wir haben seitens der Europäischen Union beziehungsweise seitens der UNO auch entsprechendes Lob für das bekommen, was bisher von uns im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik gemacht wurde. Aber ich denke, wir dürfen nicht stehen bleiben, sondern wir müssen das, was wir geschaffen haben, auch weiterentwickeln.

Für mich als Staatssekretärin für Generationen ist es sehr wichtig, dass wir die Mitbestimmung, die Mitsprache, die Partizipation von Kindern und Jugendlichen stärken.

Ich habe schon erste Gespräche mit den Vertreterinnen und Vertretern der österreichischen Jugendvertretung geführt, die sich sehr intensiv einbringen und mitarbeiten. Sie bringen vor allem ihr Wissen und ihr persönliches Erleben ein.

Ein zweiter Bereich ist mir sehr wichtig, und zwar der Schutz der Kinder vor Gewalt und Dis­kriminierung. Da ist gerade, was die Information und die Betreuung der Opfer anlangt, wenn derartige Dinge passieren, aber auch hinsichtlich der Prävention in den letzten Jahren einiges geschehen. In diesem Bereich müssen wir unbedingt weiter arbeiten. Kinder sind etwas sehr Wertvolles. Und wenn Menschen im Kindesalter, in der Jugend entsprechende Schäden erlei­den, dann werden aus ihnen nie glückliche Erwachsene und auch nie wertvolle Mitglieder der Gesellschaft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid gemeldet. – Bitte.


Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Frau Staatssekretärin! Wie will die Regierung der UN-Forderung nach Partizipation nachkommen?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Das ist mir gerade jetzt ein besonderes Anliegen, wenn wir diesen Nationalen Aktionsplan erarbeiten. Wie ich schon gesagt habe, es werden die Grundsätze der Partizipation erprobt und auch künftige machbare Strukturen erarbeitet.

Wir planen, in den nächsten Monaten und im nächsten Jahr in ganz Österreich Kinderkonferen­zen abzuhalten. In Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium, also auch mit den Schulen, wollen wir auch die Kinderrechte wieder verstärkt zum Thema in der Ausbildung machen. Wie schon erwähnt, sind da vor allem die Kinder- und Jugendorganisationen sehr aktiv und hoch motiviert, und auch da werden wir sie verstärkt einbinden, damit dieses Thema im NGO-Bereich, im Bildungsbereich, aber auch im gesamten politischen Bereich entsprechend aufbe­reitet und präsentiert wird.


Präsident Herwig Hösele: Wir kommen nunmehr zur 9. Anfrage, 1274/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Aspöck, um die Verlesung der Anfrage.


Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Anfrage lautet:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
695. Sitzung / Seite 24

1274/M-BR/03

Welche Überlegungen stellen Sie zur strategischen Ausrichtung der Konsumentenschutzpolitik an?



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
695. Sitzung / Seite 25

Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Sie wissen, dass der Bereich der Konsumenten­schutzpolitik nun aus dem Justizministerium in das BMSG gewandert ist. In den letzten Jahr­zehnten war der Konsumentenschutz immer wieder ein Bereich, der von einem Ressort zum anderen gewandert ist. Ich erachte die Aufgabe des Konsumentenschutzes als sehr wichtig, sehr notwendig, weil er alle Bürgerinnen und Bürger betrifft.

Für mich ist der Konsumentenschutz, wie er sich jetzt darstellt, eine Querschnittsmaterie, und daher habe ich in unserem Bereich in erster Linie Koordinierungsaufgaben wahrzunehmen.

Wir müssen – das ist ganz wichtig – strategisch denken und zunächst einmal die Weichen rich­tig stellen. Wir müssen uns anschauen: Wie ist der Konsumentenschutz in Österreich organi­siert? Kann wirklich jeder Bürger und jede Bürgerin zu seinem/ihrem Recht kommen? Hat jeder Bürger und jede Bürgerin den Zugang zum Recht? Gibt es im Bereich der Verbraucherbildung, der Verbraucherinformation den Stand, den wir brauchen, oder müssen wir da noch etwas nachfordern?

Das sind die Dinge, die uns derzeit sehr intensiv beschäftigen. Durch die Öffnung der EU-Gren­zen und durch die Liberalisierung des gesamten Marktes wird der Konsumentenschutz für den Einzelnen sehr wichtig werden. Wir müssen darauf achten, dass er in Österreich gut organisiert ist, und vor allem auch darauf, dass die Verbraucherbildung und die Verbraucherinformation für jeden Einzelnen zugänglich sind.


Präsident Herwig Hösele: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Frau Staatssekretärin! Eine Frage zu einem ganz konkreten Konsumentenschutzthema: Was werden Sie gegen die zunehmend be­denklichen Methoden der Keilergruppen im Bereich der Stromanbieter unternehmen?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Sie sprechen damit ein Thema an, das in den letzten Wochen immer wieder an mich herangetragen wurde. Dabei geht es um Verkaufsgeschäfte, um Haustürgeschäfte, wenn man es vereinfacht ausdrücken möchte. Ich finde, wir müssen absolut etwas dagegen tun.

Zur Zeit gibt es ein Rücktrittsrecht innerhalb von sieben Tagen. Wir wollen in diesem Zusam­menhang eine Vereinheitlichung der verschiedenen Gesetze herbeiführen, weil die unterschied­lichen Konsumentenschutzgesetze auch unterschiedliche Rücktrittsrechte aufweisen. Das müssen wir vereinheitlichen, damit der Konsument auch genügend Zeit hat, um von diesem Recht Gebrauch zu machen.

Wir haben in Zusammenarbeit mit dem VKI bereits eine Klage gegen die sehr aggressiven An­bieter mit eingebracht, denn ich denke, es ist notwendig, auch in diesem Klagsbereich entspre­chende Weichen zu stellen.

Im Rahmen der Informationskampagne überarbeiten wir auch derzeit eine Broschüre betreffend das Thema Haustürgeschäfte, die schon längere Zeit in der Konsumentenschutz-Sektion auf­liegt und die dann auch den betroffenen – oder hoffentlich noch nicht betroffenen! – Konsumen­tinnen und Konsumenten übermittelt wird.


Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Christine Fröhlich gemeldet. – Bitte.


Bundesrätin Christine Fröhlich (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Wie wollen Sie im Informations-, Beratungs- und Rechtsdurchsetzungsbereich einen effizienten, bürger­nahen Konsumentenschutz sicherstellen?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Sie sprechen zwei Bereiche an, nämlich den Infor­mationsbereich und den Rechtsdurchsetzungsbereich. Im Rechtsdurchsetzungsbereich gibt es einen bestehenden Werkvertrag mit dem VKI, der bisher auch gemeinsam mit dem Bund die entsprechenden Klagen durchgeführt hat.

Wir haben dahin gehend erste Gespräche geführt, und da es diesbezüglich großen Handlungs­bedarf gibt, beabsichtige ich, für diese Klagstätigkeit auch erweiterte finanzielle Mittel zur Ver­fügung zu stellen. In diesem Bereich ist in der Vergangenheit unter Justizminister Böhmdorfer bereits einiges geschehen, und wir sollten den Konsumentinnen und Konsumenten wirklich auch auf dieser Ebene zu ihrem Recht verhelfen. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Die Information scheint mir sehr wichtig zu sein, und zwar Information auf den verschiedensten Ebenen. Wir überarbeiten gerade die Homepage, den Internetbereich der Kon­sumentenschutzsektion, weil er einfach den Gegebenheiten entsprechend adaptiert werden muss, um auch ein entsprechendes Diskussionsforum zu schaffen. Das ist ungeheuer wichtig.

Wir überprüfen derzeit alle Broschüren und Publikationen in Bezug auf ihre Aktualität und auch dahin gehend, wie wir sie an die einzelnen Zielgruppen heranbringen. Für mich sind zwei Ziel­gruppen sehr wichtig, und zwar einerseits die Senioren und andererseits die Jugendlichen. Die Jugendlichen sind immer mehr von Überschuldung bedroht, und zwar schon in einem Alter, wo sie vielleicht noch als Schüler oder Lehrling tätig sind. Aber auch die Senioren sind in diesem Bereich gefährdet, gerade was Haustürgeschäfte, Verkaufsgeschäfte und so weiter anlangt. Da werden sie sehr oft über den Tisch gezogen. Das sind vorrangig meine beiden Zielgruppen, für die sehr viel zu tun ist.


Präsident Herwig Hösele: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Harald Reisenberger gemeldet. – Bitte.


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Frau Staatssekretärin! Für eine erfolgreiche Konsumentenschutzpolitik ist es auch wichtig, dass legislative Maßnahmen rasch gesetzt werden können. Wenn man Schaden von den KonsumentInnen abwehren will, dann stellt sich die Frage: Welche legislativen Primärkompetenzen können Sie in Ihrem Ressort für den Bereich Konsumentenschutz wahrnehmen?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich denke, die Prävention ist in allen Bereichen wichtig. Es kann nicht die Linie des Konsumentenschutzes sein, dass man sagt, durch Schaden wird man klug, sondern man muss darauf schauen, wie man den Schaden im Voraus abwen­den kann. Dabei geht es zunächst einmal um Information.

Die Information, die Verbraucherbildung sind ganz wichtig. Ich habe gestern ein Gespräch mit Vertretern der Arbeiterkammer geführt, die das ähnlich sehen wie ich. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir demnächst in einer Arbeitsgruppe zusammenkommen und prüfen, wie wir die Verbraucherbildung auf den verschiedensten Ebenen – etwa auch im Schulbereich, aber nicht nur – verstärken können. Da ist absolut Nachholbedarf gegeben, vor allem hinsichtlich dessen,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
695. Sitzung / Seite 26

was ich immer die Eigenverantwortung des Konsumenten nenne. Dieser Bereich ist sehr wich­tig.

Das zweite wichtige Anliegen ist, dass der Zugang zur Information verbessert werden muss, egal, ob das ein telefonischer Zugang ist oder der Zugang in den Ländern zu Beratungsstellen. Die Konsumentinnen und Konsumenten müssen wissen, wohin sie sich wenden können, und da darf es natürlich keine Unterschiede geben.

Derzeit befinden wir uns leider in der Situation, dass die Beratung in den Ländern für Arbeiter­kammermitglieder kostenlos ist. Wenn sich ein Bauer, eine Bäuerin, eine Hausfrau, ein Unter­nehmer dort an die Beratung wenden, dann muss das bezahlt werden. Ich finde, das gehört abgeschafft. Da müssen wir eine gemeinsame Lösung finden, denn der Zugang zum Recht muss für alle gleich sein, ganz egal, welchen Beruf jemand hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Präsident Herwig Hösele: Eine weitere Zusatzfrage ist von der Geschäftsordnung aus nicht vorgesehen, aber wenn die Frau Staatssekretärin dem zustimmt, dann machen wir das gerne. (Staatssekretärin Haubner stimmt einer weiteren Zusatzfrage zu.)


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Frau Staatssekretärin! Auf Länderebene ist das natürlich gut und wichtig. Aber dort, wo es im Land nicht funktioniert: Gibt es auch auf Bundes­ebene Vorstellungen dazu, den Konsumenten den Zugang zur Information zu erleichtern?


Präsident Herwig Hösele: Bitte, Frau Staatssekretärin.


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Wir haben eine gut funktionierende Sektion für Kon­sumentenschutz, die diese Dinge bisher zum Großteil wahrgenommen hat, zum Beispiel was Information anlangt.

Aber wie ich in der vorhergehenden Beantwortung gesagt habe: Wir bauen derzeit gerade im Internetbereich einiges aus. Wenn Sie den VKI auf Bundesebene ansprechen, dann müssen Sie wissen – aus den Medien oder aus anderen Gesprächen –, dass wir da eine gemeinsame Lösung suchen. Ein erster Schritt im Rahmen eines Sanierungskonzeptes wurde gesetzt. Dieses wurde mehrheitlich beschlossen.

Noch kurz zum VKI: Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage – ich habe es bereits wiederholt erklärt –, ich möchte den VKI weiter erhalten, weil er wichtig ist, weil er gut ist, aber ich möchte nicht, dass irgendwelche parteipolitischen Tendenzen dort Platz greifen. Das ist mein persön­liches Anliegen. Aber ich weiß, welches Know-how die Mitarbeiter dort haben, und auf dieses Know-how sollte der Konsumentenschutz in Österreich nicht verzichten.


Präsident Herwig Hösele: Danke, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung aller Fragen und Zusatzfragen.

Die Fragestunde ist beendet.

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Herwig Hösele: Eingelangt sind sechs Anfragebeantwortungen, 1882/AB bis 1887/AB, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundes­rates zugegangen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.

Weiters eingelangt sind zwei Beschlüsse des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine vorläufige Vorsorge für das Finanzjahr 2003 getroffen wird, Ge­setzliches Budgetprovisorium 2003, und ein Bundesgesetz über die Genehmigung des Bundes­rechnungsabschlusses für das Jahr 2001.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
695. Sitzung / Seite 27

Gemäß Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz unterliegen diese Beschlüsse nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates.

Den eingelangten Wildschadensbericht 2001 des Bundesministers für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft habe ich dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur weiteren geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zugewie­sen.

Eingelangt sind ferner jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tages­ordnung sind. Ich habe diese Beschlüsse, so wie den schon zu einem früheren Zeitpunkt einge­langten und zugewiesenen Antrag 134/A-BR/03 den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet. Ich habe alle diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Herwig Hösele: Ich beabsichtige, die Debatte über die Punkte 3 und 4 der Tages­ordnung unter einem abzuführen.

Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Dies ist nicht der Fall.

Ich werde daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage


Präsident Herwig Hösele: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dring­liche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Professor Albrecht Konecny und Kolleginnen und Kollegen betreffend massive Benachteiligungen für Frauen durch die geplante Pensionsreform der Bundesregierung an den Herrn Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftordnung verlege ich die Behandlung dieser Anfrage an den Schluss der Sitzung. Sollte die Sitzung jedoch bis 14 Uhr nicht beendet sein, werde ich die Tagesordnung zu diesem Zeitpunkt zum Aufruf der an den Bundesminister für soziale Sicher­heit und Generationen gerichteten dringlichen Anfrage unterbrechen.

1. Punkt

Antrag der Bundesräte Herwig Hösele, Anna Elisabeth Haselbach, Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer, Prof. Albrecht Konecny und Univ.-Prof. Dr. Peter Böhm betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes (Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage für das Stellungnahmeverfahren des Bundesrates zu Gesetzesvorschlägen) (134/A-BR/03 sowie 6772/BR der Beilagen)


Präsident Herwig Hösele: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Antrag der Bundesräte Herwig Hösele, Anna Elisabeth Haselbach, Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer, Professor Albrecht Konecny und Univ.-Prof. Dr. Peter Böhm betreffend Ände­rung des Bundes-Verfassungsgesetzes (Schaffung einer verfassungsrechtlichen Grundlage für das Stellungnahmeverfahren des Bundesrates zu Gesetzesvorschlägen).

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Friedrich Hensler übernommen. Ich bitte um den Be­richt.



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
695. Sitzung / Seite 28

Berichterstatter Friedrich Hensler: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus. Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich beschränke mich auf den Gesetzesvorschlag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gemäß Artikel 41 Abs. 1 B-VG in Verbindung mit § 21 der Geschäftsordnung des Bundesrates wird dem Nationalrat der nachstehende Gesetzesvorschlag zur geschäftsordnungsmäßigen Be­handlung unterbreitet:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 in der Fassung von 1929 geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 in der Fassung von 1929 geändert wird:

Artikel 41a lautet:

„Artikel 41a (1) Gesetzesvorschläge und Volksbegehren sind gleichzeitig an die Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates zu verteilen.

(2) Der Ausschuss des Bundesrates, dem ein Gesetzesvorschlag oder ein Volksbegehren zuge­wiesen wurde, kann hiezu bis zum Abschluss der Beratungen im Ausschuss des Nationalrates eine Stellungnahme beschließen.

(3) Nähere Bestimmungen trifft die Geschäftsordnung des Bundesrates.“


Präsident Herwig Hösele: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ludwig Bieringer. Ich erteile ihm dieses.

10.28


Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Die Präsidiale des Bundesrates hat den vom Schriftführer ver­lesenen Antrag eingebracht. Wir haben ihn deshalb eingebracht, weil wir der Meinung sind, dass es zweckmäßig wäre, wenn sich die sachlich zuständigen Ausschüsse des Bundesrates vor der Behandlung der Materie im Nationalrat, also während der Gesetzwerdung, mit dieser Gesetzesinitiative befassen würden. Wir meinen, dass das wichtig und richtig wäre, weil die Interessen der Länder dadurch – durch den Bundesrat – besser eingebracht und schon in der Gesetzwerdung entsprechend berücksichtigt werden könnten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus diesem Grund wird die ÖVP-Fraktion dem gerne zustimmen, und wir werden alles daran setzen, dass dieser Antrag dann auch tatsächlich in den sachlich zuständigen Ausschüssen des Nationalrates behandelt wird und dass das Bundes-Ver­fassungsgesetz 1920 in der Fassung von 1929 dahin gehend geändert wird. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.30


Präsident Herwig Hösele: Ich erteile nun Herrn Bundesrat Albrecht Konecny das Wort. – Bitte.

10.30


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist dies kein neues Thema, und auch ich kann mich daher kurz fassen, möchte aber doch an den Grundgedanken dieser Initiative des Bundesrates erinnern.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
695. Sitzung / Seite 29

Wir haben öffentlich und mehr noch in Gesprächen zwischen Kolleginnen und Kollegen die Verfassungssituation bedauert, die uns an das Ende des Gesetzgebungsprozesses setzt. Fertig in Paragraphen gegossene Entwürfe, Beschlüsse des Nationalrates kommen zu uns in den Bundesrat, und wir sind lediglich mit der Möglichkeit konfrontiert, ja oder nein zu sagen. Die De­batte – und das ist letztlich das Leben des Parlamentarismus – über die Details eines Gesetzes, über einzelne Paragraphen, über einzelne Bestimmungen, kann als Debatte zwar geführt werden, ist aber folgenlos!

Es bleibt dem einzelnen Bundesrat oder den gesamten Fraktionen überlassen, daraus die Kon­sequenz zu ziehen, ein als negativ empfundenes Detail so wichtig zu nehmen, um einen gesamten Gesetzesbeschluss des Nationalrates abzulehnen, aber der Eingriff in den Gesetzes­formulierungsprozess ist uns nicht möglich.

Der Vorstoß mittels des nun vorliegenden Antrages ist ein Versuch, dieses Manko zumindest teilweise zu beheben. Wenn der Bundesrat dieses Stellungnahmerecht eingeräumt bekommt, dann würde uns das die Möglichkeit eröffnen, vorsorglich und im Vorfeld der Beschlussfassung des Nationalrates auf bestimmte, aus unserer Sicht bedeutsame Aspekte hinzuweisen und sie zwar nicht zu bestimmen, aber in den Entscheidungsprozess der anderen Kammer des Parla­ments einzubringen.

Das ist ein produktiver Gedanke. Er wird das Gesetzgebungsverfahren nicht vom Kopf auf die Beine stellen, aber es ist ein produktiver Gedanke, der den Dialog zwischen den beiden Kammern des Parlaments vielleicht auch in anderen Bereichen anregen könnte.

Wenn wir heute hier erneut den Beschluss fassen, eine solche Vorlage dem Nationalrat zuzu­leiten, weil unsere schon einmal getroffene Initiative durch das Ende der Gesetzgebungs­periode nach den Regeln des Nationalrates verfallen ist, dann verbinden wir dies mit dem Appell an die Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat, sich diesen Vorstoß gründlich zu über­legen und vielleicht auch zu der Überzeugung zu kommen, dass das nicht nur im Interesse des Bundesrates, sondern auch im Interesse der Qualität des Gesetzgebungsprozesses sein könnte.

Es ist dies eine von allen Fraktionen des Bundesrates getragene Initiative. Ich meine, dass es richtig und notwendig ist, diesen Beitrag dem Nationalrat erneut zur Beratung vorzulegen, und möchte außerdem darauf verweisen, dass, wenn im Verfassungskonvent auch über die Gesetz­gebungsprozesse gesprochen wird, auch dort dieser Gedanke seinen richtigen Platz hat, um weiter behandelt zu werden. (Allgemeiner Beifall.)

10.33


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Lindinger. Ich erteile es.

10.34


Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Gerade in den letzten Wochen haben sich die Stimmen sehr gemehrt, die die Sinnhaftigkeit des österreichischen Bundesrates, insbe­sondere was seine Zusammensetzung und vor allem aber seine Kompetenz betrifft, in Frage gestellt haben. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Antrag heute vermehrte Bedeutung, auch wenn er in diesem Gremium schon öfter gestellt worden ist.

Eine Stellungnahme des Bundesrates sollte um so mehr Gewicht haben, als der Bundesrat doch ein Gremium ist, das nicht aus derselben Wahl wie der Nationalrat hervorgeht – eine Wahl, die schließlich auch die Zusammensetzung der Regierung bestimmt, wenn auch nicht direkt.

Abgesehen von Volksbegehren, die weitgehend vom „Volkswillen“ – das möchte ich unter An­führungszeichen gehört haben – initiiert und getragen sind, werden Gesetzesvorschläge fast ausschließlich als Regierungsvorlagen eingebracht. Wenn auch der Nationalrat Gesetze be­schließt, so verliert gerade durch diese Vorgangsweise die vom Gesetz gewünschte Gewalten-


Bundesrat
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695. Sitzung / Seite 30

trennung, hier im Besonderen zwischen Legislative und Exekutive, an Unterscheidbarkeit. Durch diese Unschärfe der Gewaltentrennung vor dem Hintergrund einer Mehrheit im Plenum, die auch die Regierung stellt, reduzieren sich die drei Gewalten zu einer Kraft, höchstens aber zu zwei Kräften, die dann in der Kontrolle nur schwer bis fast unmöglich aktiv werden können.

In dieser undefinierten Zone der Gewaltenteilung soll nun der Bundesrat aus seiner marginalen Beteiligung an der Beschlussfassung von Gesetzen heraustreten. Der vorliegende Antrag, der von FPÖ, ÖVP und auch SPÖ eingebracht worden ist, kann ein erster Schritt dazu sein. Dieser Schritt soll nicht von Klage über die eigene Bedeutungslosigkeit getragen sein, sondern von ge­zielten Vorschlägen aus unseren Reihen, also das bei der Beschlussfassung eines Gesetzes einzu­bringen, was dem Nationalrat wegen seiner wahltechnischen Nähe zur Regierung nicht möglich ist.

Dazu bedarf es aber einer neuen Qualität der Eigenständigkeit des Bundesrates. Nicht die Mehrheitsverhältnisse in den Landtagen sollen die Zusammensetzung des Bundesrates bestim­men, sondern, wie ich glaube, direkt gewählte Bundesratsmandate sind anzustreben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich denke etwa an Zweitstimmen einer Landtagswahl. Auch eine ausschließliche Persönlich­keitswahl, das heißt eine Kandidatur nicht auf einer Liste einer politischen Partei, ist denkbar. Hier wäre der gewählte Bundesrat seinem Wähler direkt verantwortlich und nicht über den Um­weg über eine politische Partei, die schon bei den Wahlen bewusst den Unterschied zwischen der Regierung, dem Parlament und dem Landtag verwischt.

Einen schon vor der Wahl fixen Landeshauptmann oder Minister mittels Vorzugsstimmen in den Landtag, also in ein Legislativorgan, wählen zu lassen, ist Heuchelei und auch ein Betrug am Wähler – auch wenn der Wähler weiß, dass der von ihm gewählte Abgeordnete sein Mandat gar nicht annehmen wird, weil ein Ministeramt oder das Amt eines Landeshauptmannes auf ihn wartet. (Bundesrat Weiss: Schade, dass Herr Haider das nicht hört!) – Das, Herr Kollege, gilt im gleichen Maß auch für die anderen acht Landeshauptleute.

Auch in diesem Politspiel sehe ich eine Chance des Bundesrates, denn bei der Konstituierung des Bundesrates steht keine Regierungsbildung an.

Der Bundesrat aber muss mit nötiger Kompetenz ausgestattet sein. Der österreichische Födera­lismus verschwindet anderenfalls vor dem grellen Hintergrund der EU und ihrer nicht lobbyfreien Politik. Die wirklichen Probleme der österreichischen Regionen dürfen nicht auf dem Altar der heiligen Kuh, genannt EU, geopfert werden, denn diese heilige Kuh ist nicht mehr die Gestalt des Gottes Zeus, als Europa geboren wurde, sondern es sind die finanziellen Interessen nicht ein­mal europäischer Großkonzerne. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mit dem progressiv zunehmenden Verlust unseres europäischen Selbstwertgefühls sind wir empfänglich geworden für die heuchlerische Vorstellungswelt US-amerikanischer Ersatztheo­logien. Wir erleben dies gerade in der Berichterstattung über den Irak-Krieg. Wo blieb der Auf­schrei der EU-Staaten, als die USA einen Eroberungskrieg gegen den Irak anzettelten? Wo bleiben die Sanktionen gegen das EU-Mitglied Großbritannien? Oder hat man bei den Sanktio­nen gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ im Jahr 2001 schon alles Sanktionspulver ver­schossen? (Bundesrätin Schicker: Das hat mit dem Bundesrat nichts zu tun!) Oder ist das Gerede auch nur eine politische Waffe – nicht gegen den Täter, sondern gegen den innenpoliti­schen Gegner? – Einige blinzeln hier, weil sie es ohnehin wissen: Auch das Glück im Schoß einer Partei hat seinen Preis. (Bundesrat Konecny: Oh!)

Die „Kronen Zeitung“ vom 9. April dieses Jahres schreibt in ihrer bemerkenswerten Berichter­stattung ein Gedicht, das amerikanischen Schülern zum Beten vorgelegt wurde. Ich nehme an, viele kennen dieses Gebet. Ich darf es hier nicht deswegen vortragen, weil ich empfehlen möchte, es in Ihr Sonntagsgebet aufzunehmen, sondern weil es ein Musterbeispiel an Heuche­lei beinhaltet. Dieses Gebet lautet:


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„Lasst uns die Ungläubigen mit Glaubensraketen beschießen. Lasst uns beten, dass die Führer unserer Feinde von ihnen betäubt werden und dass ihnen die Augen aufgehen für den Krieg, den Jesus zu ihrer Bekehrung führt!“

Wir kennen die Berichterstattung aus dem Fernsehen. Man sieht dort, wie wirksam die „Glaubensraketen“ gewesen sind. (Präsident Hösele: Das ist eine interessante Stellungnahme zum Stellungnahmerecht!) – Ja.

Sanktionen gegen diesen Krieg, der nie erklärt worden ist, auch von der UNO nie gebilligt worden ist, werden genauso wenig zu finden sein wie die Massenvernichtungswaffen des Saddam Hussein. Man wird aber sicher eine irakische Wehrmachtsausstellung zusammen­basteln, die die amerikanischen Kriegsziele rechtfertigen wird. (Bundesrat Gasteiger: Zur Sache!)

„Blut für Öl“ heißt ein Buch, das unser EU-Abgeordneter Hans Kronberger geschrieben hat. Dieses Buch hat an Aktualität nichts verloren, es hat – im Gegenteil! – an Aktualität gewonnen. In diesem Buch kann man von den Kriegszielen im Ersten Weltkrieg lesen. Einer der Gründe war der geplante Bau der Bagdad-Bahn. Die damals gesuchten Massenvernichtungswaffen waren eine moderne Technologie, um eine Eisenbahn nach Bagdad zu bauen. Der Grund heute sind nicht gefundene Massenvernichtungswaffen.

Hans Kronberger hat mir sein Buch geschenkt und hineingeschrieben: „Auf eine fried­liche Zukunft!“ – Das ist lange verspielt.

Meine Damen und Herren! Unsere Vorstellungswelt von Demokratie ist eine andere. Diese Vor­stellungen sind eng mit den Idealen der Revolution von 1848 verbunden. Dabei wird Demo­kratie als bestmögliche Ausformung der Volkssouveränität verstanden und nicht als Kratzfuß vor dem Thron der Heuchelei. Ich fürchte, dieses Szenario wird bleiben. Gestern war es Afghanistan, heute ist es der Irak, und morgen wird es ein anderer Ölstaat sein.

Die EU ist in dieser Frage gespalten. Wir werden aber dieser Frage genauso wenig aus dem Weg gehen können wie den regionalen europäischen Problemen. Mit der zukünftigen Funktion des Bundesrates wird auch sein Stellenwert in der EU verbunden sein. Das heißt, das Gewicht der Regionen in der EU wird darauf gelegt werden müssen, für Minderheitenrechte einzutreten, die nicht mehr nur ethnisch definiert werden können. In einem vereinten Europa sind „Mensch­heitsrechte“ durchaus auch regional und funktional zu definieren: die Minderheit der Transit­zonen – ich denke hier an Tirol –, die Minderheit der Notstandsgebiete – ich denke hier an das Waldviertel und andere Gebiete –, damit verbunden die Minderheit der Arbeitslosen, und ich denke auch an die Minderheit der alten Menschen und so weiter.

Die Minderheiten dürfen sich nicht allein aus der vermeintlichen oder wirklichen Diskriminierung heraus definieren und schon gar nicht anhand des Strafgesetzbuches. Minderheiteninteressen zu vertreten ist ganz allgemein der föderative Auftrag dieses Verfassungskörpers, unseres Bundesrates. Überlassen wir die Zukunft unseres österreichischen Föderalismus nicht partei­politischen Zweckmäßigkeiten! Nur gemeinsam können wir das politische Instrument des Bun­desrates stärken, nicht aber im Auftrag von Parteien. Diese Botschaft vernehme ich aus dem anschwellenden Bocksgesang um die anstehende Bundesratsreform.

Meine Damen und Herren! Mit diesen Worten möchte ich mich auch von Ihnen aus diesem Hohen Haus verabschieden. Mein Mandat ist nach der Wahl zum Niederösterreichischen Land­tag ausgelaufen. Es war eine Zeit, die ich in meiner Biographie nicht missen möchte. Viele Reden hier hätte ich lieber nicht gehört, aber unsere Waffe im Plenum ist das ... (Rufe bei der SPÖ: Wir auch!) – Ich gebe Ihnen recht, Herr Thumpser! Sie haben das Rechenbeispiel mit den hinterlassenen Schulden nie verstanden, aber ich möchte das hier nicht noch einmal wieder­holen.

Viele Reden hätte ich lieber nicht gehört, aber unsere Waffe im Plenum ist das Wort, und damit habe ich viele Damen und Herren, auch von der Opposition, trefflich fechten gehört. Wenn ich


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auch nicht immer derselben Meinung war, so habe ich doch an der Brillanz so mancher Formu­lierung und auch der Inhalte Gefallen gefunden.

Meinen freiheitlichen Kollegen danke ich für ihre uneingeschränkte Kameradschaft und Wert­schätzung, ebenso meinen koalitionären Kollegen, die die Wendepolitik mitgetragen haben. – Glück auf dem österreichischen Parlament, Glück auf dem Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

10.46


Präsident Herwig Hösele: Herr Bundesrat Lindinger! Auch ich möchte Ihnen im Namen des Hauses unseren Dank aussprechen und Ihnen für die Zukunft das Allerbeste wünschen. (Allge­meiner Beifall. – Bundesrat Dr. Lindinger: Danke!)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.

10.47


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Bundesrat Lindinger! Es ist jetzt nach Ihrer Rede, die uns in viele Bereiche der Welt geführt hat, ein bisschen schwierig für mich, zum Stellungnahmerecht des Bundesrates zurückzukommen. Ich verstehe, dass Sie diese Gelegenheit genützt haben, und möchte auch auf zwei Punkte Ihrer Ausführungen eingehen.

Sie haben über den Begriff „Demokratie“, auch aus der Sicht Ihrer Partei, und über die Grund­werte der Französischen Revolution gesprochen. – In dem Buch Ihres früheren Parteichefs über die dritte Republik finde ich diese Grundwerte nicht. Wenn ich dieses Buch lese, habe ich eher den Eindruck eines autoritären Gesellschaftsbildes und nicht jenen des hehren Wertebildes der Französischen Revolution, von dem Sie gesprochen haben. (Bundesrat Dr. Nittmann: Dann haben Sie es nicht gelesen!) – Ich habe es gelesen, Herr Kollege! (Bundesrat Dr. Nittmann: Dann haben Sie es nicht verstanden! – Bundesrat Konecny: So schwierig war es auch wieder nicht! – Bundesrat Dr. Nittmann: Sonst können Sie das nicht behaupten!) – Herr Kollege, das kann ich schon behaupten.

Auch alle Bemühungen seitens der Freiheitlichen Partei, die verschiedenen gewählten Vertre­tungsbereiche einzuschränken, zu verkleinern, eine Art Mini-Nationalrat und einen Bundesrat nach den Vorstellungen des Herrn Prinzhorn zu schaffen, gehen nicht in die Richtung eines großen demokratischen Gesellschaftswurfes nach dem Bild, das uns heute Herr Lindinger gezeichnet hat.

Es war Trauerarbeit – klar. Er hat gemeint, über die Direktwahl zum Bundesrat sollten wir bei der Reform diskutieren. Angesichts des Gesamtergebnisses glaube ich aber nicht, dass die Direktwahl das niederösterreichische Wahlergebnis für den Bundesrat verändert oder verbes­sert hätte. Wir beide kennen das Wahlergebnis, Herr Kollege, wir kennen auch andere Wahl­ergebnisse. Wenn man schon 7 Prozent minus in Kärnten als Erfolg verkauft, dann frage ich mich, wo der wirkliche Misserfolg beginnt. Da muss das Ergebnis wohl mehr als minus 10 Pro­zent ausweisen.

Kommen wir zu der vorliegenden Initiative, Herr Klubobmann Konecny! Ich würde sagen, das ist ein Präsidialantrag, denn – gut, wir sind rein geschäftsordnungstechnisch noch keine Fraktion – mit mir wurde darüber kein Gespräch geführt. Ich werde aber, da ich auch in früheren Debatten zur Reform des Bundesrates dieser Idee immer sehr positiv gegenübergestanden bin – Herr Präsident Weiss weiß das –, diesen Antrag heute unterstützen, obwohl dahinter durchaus einige Fragezeichen zu setzen sind.

Erstens: Wenn wir nun dieses Stellungnahmerecht für den Bundesrat einfordern und verfas­sungsmäßig verankern, um aus der unerträglichen Situation herauszukommen, dass wir immer am Ende eines Prozesses stehen und nur mehr ein Zwangsmittel zur Verfügung haben, um unsere Meinung zum Ausdruck zu bringen, um entweder ja oder nein zu sagen, nein im Sinne eines Vetos, dann ist das natürlich eine wünschenswerte Verbesserung, nur: Bringen wir damit den Bundesrat nicht auf eine ähnliche Ebene wie zum Beispiel die Sozialpartner, Interessen-


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vertretungen, Ministerien? Ist die Stellung des Bundesrates im Gesetzwerdungsprozess nicht eine andere als jene eines Stellungnahmerechtes?

Die nächste Frage, die sich meiner Meinung nach daran anschließt, ist: Die einzelnen Länder haben ein Stellungnahmerecht. – Wartet der Bundesrat bis zu seiner Stellungnahme zu einem Gesetz jetzt jene der einzelnen Länder ab oder nimmt er vorher Stellung?

Die nächste Frage lautet: Schaffen wir mit dieser stückchenweisen Reform auch tatsächlich eine Verbesserung der Position des Bundesrates, eine Aufwertung?

Herr Lindinger, der hier seine Abschiedsrede gehalten hat, möchte die Direktwahl. Er hat aber einem Antrag von ÖVP und FPÖ, der den Bundesrat in Richtung eines gebundenen Mandates führen sollte, zugestimmt! Es gibt eine ganze Reihe von Vorschlägen, die zum Teil auch schon abgestimmt wurden. SPÖ und Grüne haben damals gegen das gebundene Mandat gestimmt. Wie verhält sich denn ein gebundenes Mandat mit einem Direktmandat? – Das ist absolut unverträglich, das ist wie Feuer und Wasser.

Wir hatten im letzten Jahr eine kleine Reform, wir setzen jetzt eine kleine Reform nach, aber irgendwo wartet das große Reformstück. Ich halte diese Initiative heute für positiv, ich werde sie auch unterstützen, aber wir sollten das große Ziel der Reform nicht aus dem Auge verlieren. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

10.53


Präsident Herwig Hösele: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus ihre Zustimmung geben, den gegenständlichen Gesetzesvorschlag gemäß Artikel 41 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz dem Nationalrat zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zu unterbreiten, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen.

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bundesministeriengesetz-No­velle 2003) (69/A und 30/NR sowie 6771 und 6773/BR der Beilagen)


Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen nunmehr zum 2. Punkt der Tagesordnung: Bundes­ministeriengesetz-Novelle 2003.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Gottfried Kneifel übernommen. Ich bitte um den Bericht.


Berichterstatter Gottfried Kneifel: Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird, Bundesministeriengesetz-Novelle 2003.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich darf mich deshalb auf den Antrag beschränken.


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Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Herwig Hösele: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Boden. Ich erteile dieses.

10.55


Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Herr Kollege Lindinger! Herr Kollege Sulzberger! Auch ich bedauere es sehr, dass wir von den beiden Herren Abschied nehmen müssen. Im Sinne der Demokratie haben wir, so glaube ich, in diesem Haus eine gute Zusammenarbeit gehabt.

Ich möchte aber nicht im Raum stehen lassen, dass das Waldviertel ein Notstandsgebiet ist, so wie es Dr. Lindinger behauptet hat. – Vielleicht ist es das aus Sicht der Freiheitlichen Partei, aber nicht aus meiner Sicht. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Sulzberger: Großer Nachholbe­darf ist gegeben!)

Geschätzte Damen und Herren! Die Arbeit bleibt hart – so lautete ein Werbeslogan der ÖVP im niederösterreichischen Wahlkampf. Ich glaube, das Leben wird hart, meine Damen und Herren, nämlich für die Menschen dieser Republik, wenn man nur an die Grauslichkeiten dieser Regie­rung und an die Steuerbelastung in der Höhe von 46 Prozent denkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Recht jeder Regierung ist es, mittels Bundesministeriengesetz die Kompetenzen in den Minis­terien so zu verteilen, dass man effizient arbeiten kann. Der Herr Bundeskanzler sagt immer: Wir müssen sparen! Meine Damen und Herren! Wer muss sparen? Wen meint der Herr Bun­deskanzler damit, wenn er sagt: Wir müssen sparen!? Meint er auch die Regierung? – Das kann ich mir nicht vorstellen. Wir haben nach dem neuen Gesetz ein Ministerium mehr, wir haben zwei Staatssekretäre mehr, und wir wollen auf keinen Fall auf die Abfangjäger verzich­ten. Also wer wird hier zum Sparen aufgerufen?

Sinn dieser Kompetenzverschiebungen, Aufteilungen oder Zusammenlegungen ist es aus meiner Sicht: Alles, was rot ist, von den Posten zu entfernen, um sie schwarz zu besetzen. Es wird zugesperrt, es wird zusammengelegt, es wird aufgeteilt, und es wird verschoben.

Oder dient diese Kompetenzverschiebung wirklich nur der Familienzusammenführung, damit der Onkel mit dem Neffen und der Bruder mit der Schwester wieder zusammenkommt? (Heiter­keit und Beifall bei der SPÖ.) Die Regierungsparteien, meine Damen und Herren, geben sich nach wie vor als Familienparteien (Bundesrat Weilharter: Was haben Sie gegen Familien?), und das Allerwichtigste dabei ist die Kontrolle, denn auch die wird gleich in das Ministerium mit verschoben, damit ja niemand auf die Idee kommt, auch von außen zu kontrollieren. (Bundesrat Weilharter: Herr Kollege, was haben Sie gegen eine Familie?)

Ein weiteres Kriterium dieses Gesetzes ist der Herr Frauenminister, meine Damen und Herren! Wir können uns noch gut daran erinnern, als er behauptet hat, er werde das Frauenministerium gut führen. – Diesen Zuständigkeitsbereich hat man ihm weggenommen. Anscheinend war man mit diesem Frauenminister nicht zufrieden. (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Nein, nein, das stimmt nicht!)

Bei seinem Amtsantritt hat er gemeint, er sei der richtige Mann für die Frauenagenden. – Wir Männer, gestehen wir es doch ein, werden die Frauen nicht verstehen können! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Gestehen wir es uns doch ein! Eine Autobahn über den Ozean ist wesentlich schneller gebaut, als eine Frau verstanden. Also machen wir uns nichts vor: Der Herr Frauenminister hat versagt! (Bundesrat Ing. Grasberger: Das war frauenfeindlich!) Nein, das ist nicht frauenfeindlich. Ich verstehe die Frauen auch manches Mal nicht. (Allgemeine Heiterkeit.)


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Schade um die Frau Staatssekretärin für Tourismus, meine Damen und Herren! Dieses für Ös­ter­reich so wichtige Ressort haben wir ganz einfach aufgelassen. Ich glaube, dass der Touris­mus ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor für Österreich ist – und genau dort fängt man an, den Sparstift anzusetzen!

Aber man hat auch dem Herrn Justizminister den Konsumentenschutz weggenommen. Auch der ist zu teuer, wenn er immer wieder auf die Banken losgeht.

Böse Zungen behaupten, die Zahl der Staatssekretäre wurde nur deshalb vermehrt – ich kann dem eigentlich nicht sehr viel abgewinnen –, damit die Minister nicht immer in den Bundesrat kom­men müssen, wenn von der SPÖ eine dringliche Anfrage gestellt wird. (Heiterkeit bei Bun­desräten der SPÖ. – Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: ... sehr „witzig“, Herr Kollege!) – Nun, ich kann dem auch nichts abgewinnen.

Schade ist es im Sinne der Demokratie, dass der Freiheitlichen Partei sämtliche Kompetenzen ent­zogen wurden, dass sie am Gängelband der Österreichischen Volkspartei vorgeführt wird und eigentlich in dieser Regierung nichts mehr zu sagen hat.

Abschließend möchte ich noch bemerken: Diese Regierung hat zwar einen Haupt, aber agiert nach wie vor kopflos. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

11.01


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Jürgen Weiss. Ich erteile ihm dieses.

11.01


Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Mit welcher Ressortverteilung die Bundesregierung ihre Zu­stän­dig­keiten wahrnimmt, ist letztlich eine autonome Entscheidung des Bundes und ohne unmittel­bare Auswirkungen für die Länder.

Solche wären unter Umständen mittelbar gegeben, wenn die Bundesregierung ihre Arbeitstei­lung so unzweckmäßig vornähme, dass darunter die gesamtstaatliche Aufgabenerfüllung litte. Das kann aber wohl nicht ernsthaft behauptet werden. Das hat kein Land getan, und auch Herrn Kollegen Boden ist eine solche Beweisführung absolut nicht gelungen.

Ungeachtet der Zustimmung zu der nach jeder Regierungsbildung üblichen Änderung des Bun­des­ministeriengesetzes gibt es aus Ländersicht zu diesem zentralen Bereich der Verwaltungs­organisation des Bundes allerdings schon einige Anmerkungen und Vorschläge:

Zunächst wird am Beispiel dieses Gesetzes gut sichtbar, wie sehr die österreichische Bundes­verfassung die Länder bevormundet. Die organisatorische Struktur der Bundesministerien kann mit einem einfachen Bundesgesetz geändert werden – das ist auch richtig so –, während ver­gleich­bare Regelungen für die Ämter der Landesregierungen mit einem aus dem Jahr 1925 stam­menden Bundes-Verfassungsgesetz genau vorgegeben sind und Änderungen ihrer Ge­schäfts­einteilung der Zustimmung der Bundesregierung bedürfen.

Das B-VG selbst regelt in Artikel 106 sogar die erforderliche Berufsausbildung eines Landes­amts­direktors. Das ist ein exemplarisches Beispiel für die notwendige Straffung unseres Verfas­sungsrechts und ein Betätigungsfeld für den in Aussicht genommenen Verfassungskonvent.

Nach einer neu eingefügten Bestimmung kann die Bundesregierung unter bestimmten Voraus­setzungen zu den ihr obliegenden Akten der Vollziehung auch den zuständigen Bundesminister ermächtigen. Ich kenne durchaus Fälle, bei denen das Sinn machen wird, möchte allerdings auf folgendes Problem hinweisen: Wenn die Bundesregierung zuständig ist, schließt das begrifflich den im Gesetzestext angeführten „zuständigen Bundesminister“ eigentlich aus, denn zwei gleich­zeitig können nicht zuständig sein! Gemeint ist wohl: den der Natur der Sache nach am ehesten zuständigen Bundesminister.


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Ich bin auch dafür, von dieser Bestimmung aus Gründen der Bürgerfreundlichkeit und Klarheit nur mit Maß und Ziel Gebrauch zu machen. Das setze ich jetzt einmal voraus. Wenn sich der Bürger oder auch eine andere staatliche Einrichtung nicht mehr darauf verlassen kann, dass das in der Vollzugsklausel eines Bundesgesetzes angeführte Organ auch tatsächlich zuständig und verantwortlich ist, dann kann das außerordentlich problematisch werden.

Zudem ist völlig offen, in welcher Form der Verantwortungsübergang kundzumachen ist. Es wäre wohl anzunehmen, zweckmäßigerweise mit einer Verordnung, damit das auch entspre­chend nachvollziehbar ist.

Die Beseitigung von Doppelgleisigkeiten ist ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung. Dabei sollte man allerdings nicht nur die anderen Gebietskörperschaften im Blick haben, sondern auch die eigenen Bundesministerien. Ich denke hier in erster Linie an die vielen und immer zahlrei­cher werdenden Zuständigkeiten von Ministerien, die nur im Einvernehmen mit anderen, teil­weise sogar mehreren Ressorts ausgeübt werden können. Es liegt auf der Hand, dass damit ein erheblicher Verwaltungsaufwand verbunden ist.

Dass aus der Tierschutzzuständigkeit von neun Landesgesetzgebern die einvernehmlich auszu­übende Zuständigkeit von gleich vier Bundesministerien werden soll und künftig insgesamt acht Mi­nisterien überhaupt mit Tierschutzangelegenheiten befasst sein werden, dürfte wohl kein wirkli­cher Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung werden.

Mit der zunehmenden Verbreitung der Informationstechnologie in der Verwaltung steigen auch die Möglichkeiten, effiziente Datenregister aller Art einzurichten. Das hat unter anderem zur Fol­ge, dass Länder und Gemeinden mit ganz neuen Gesichtspunkten von Einheitlichkeit befasst sind.

Manche Bundesministerien sollten hier allerdings mit etwas besserem Beispiel vorangehen. Das vom Wirtschaftsministerium neben dem zentralen Gewerberegister vorbereitete bundes­weite Anlagenregister und das, getrennt davon, vom Landwirtschaftsminister vorbereitete eben­falls anlagenbezogene abfallwirtschaftliche Stammdatenregister sollten angesichts der zahlrei­chen Überschneidungen eigentlich in ein einziges, integriertes Register münden, so wie das auch auf Landesebene konzipiert wird.

Die österreichische Ministerialverwaltung ist im Unterschied zu anderen Staaten von einem strik­ten Ressortprinzip mit starker Eigenständigkeit geprägt. Bereits in der letzten Gesetzge­bungs­periode hat die Bundesregierung eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, mit denen solche Doppelgleisigkeiten abgebaut und gebündelt werden sollen. Ich erwähne nur die viele Jahrzehnte lang tabu scheinenden Vorhaben, drei Cluster räumlich benachbarter Ressorts zu schaffen, die Buchhaltung, EDV-Dienste, Kraftfahrzeugbetreuung, Druckereien, Handwerks­dienste und so weiter gemeinsam betreiben sollen.

Auch das neue Regierungsprogramm enthält erfreulicherweise derartige Pläne, nämlich die Grün­dung einer zentralen Buchhaltungsagentur für alle Ressorts und die Einrichtung einer Bun­des­serviceGesmbH zur Erbringung von Unterstützungsleistungen, bei denen eine zentrale Wahr­nehmung sinnvoll ist.

Das sind mutige Vorhaben, die auch aus Sicht der Länder Unterstützung verdienen.

In diesem Zusammenhang möchte ich eine zusätzliche Überlegung zur Diskussion stellen: Die ge­setzesvorbereitenden Abteilungen der einzelnen Bundesministerien könnten durchaus beim Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes zusammengefasst, und es könnte eine einheitliche Bundeslegistik geschaffen werden. Das böte nicht nur die Möglichkeit erheblicher Einspa­run­gen, sondern meiner Überzeugung nach auch eine Reihe anderer, sachlicher Vorteile. Es ist evident, dass die Qualität von Gesetzentwürfen sehr unterschiedlich ist und durch eine ein­heitli­che Handschrift verbessert werden könnte. Das gilt auch für die häufig mangelhafte Be­achtung der vom Bundeskanzleramt herausgegebenen legistischen Richtlinien und der nach dem Bun­des­haus­haltsgesetz und dem Konsultationsmechanismus notwendigen, aber häufig missach­teten Darlegungen der Folgekosten.


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Natürlich braucht die Gesetzesvorbereitung den fachspezifischen Sachverstand. Die oft beklag­te Detailverliebtheit unserer Rechtsordnung ist aber ein deutlicher Hinweis darauf, dass er oft überschießend wirksam wird und auch durch Einwände im Begutachtungsverfahren, vor allem auch vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes, nicht wirklich zu bändigen ist.

Eine Zusammenführung würde notwendigerweise auch den Vorteil bringen, dass Schwerpunkte gesetzt werden müssen und die Gesetzgebungsvorhaben insgesamt transparenter werden. Quantitative Gesichtspunkte sind für die Gesetzgebung zwar nur bedingt tauglich, aber es liegt beim Zustand unserer Rechtsordnung doch auf der Hand, dass weniger mehr wäre.

Nicht zuletzt sei erwähnt, dass sich dieses System einer gemeinsamen, einheitlichen Gesetzes­vorbereitung in den Ländern seit langem bewährt hat. Im Sinne der allgemeinen „Einheitlich­keits­freudigkeit“ sollte dieser Bereich daher nicht ausgeblendet werden.

Es gibt aus Ländersicht nach meiner Überzeugung keinen sachlichen Grund, der Bundes­regie­rung die ihr zweckmäßig erscheinende Änderung des Bundesministeriengesetzes verwehren zu wol­len.

Es gibt aus der Vollziehungserfahrung der Länder allerdings eine Reihe von Anregungen, durch die Beseitigung von Doppelgleisigkeiten und die Nutzung kostensparender Zusammenarbeit die Ministerialverwaltung weiter abzuschlanken und solche Möglichkeiten auch, aber nicht nur bei den Ländern und Gemeinden zu suchen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.10


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Reinhard Todt. Ich ertei­le ihm dieses.

11.10


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Selbstverständlich ist es das Recht jeder Bundesregierung, das Ministeriengesetz zu verändern, um die Bundesministerien so zu gestalten, wie sie es vorschlägt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte diese Fragen daher von einem etwas anderen Standpunkt aus betrachten und sie aus einem etwas anderen Blickwinkel sehen: Die Bildung dieser Bundesregierung beziehungs­weise das Bundesministeriengesetz – das auch der Ausdruck dafür ist, wie man mit seinem Koali­tionspartner umgeht – zeigt ganz einfach auf, dass diese Bundesregierung vom Prinzip her, wenn man sich das ganz genau anschaut, eine schwarze Alleinregierung mit einigen frei­heitlichen oder blauen Einsprengseln ist. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.) – Ja, es ist ganz einfach so! – Das Bundesministeriengesetz dient dazu, das in dieser Form Installierte auch abzusichern. Ich möchte im Folgenden aufzeigen, was da alles passiert ist und wie sich der Koalitionspartner FPÖ vom Herrn Bundeskanzler über den Tisch ziehen hat lassen:

Interessant ist, dass der Vizekanzler, der Tierarzt ist, jetzt auch noch die Kompetenz des Veteri­när­wesens verloren hat. Das ist ganz witzig, dass diese Kompetenz im Prinzip jetzt nicht mehr beim Tierarzt Haupt liegt, sondern in Wirklichkeit bei der schwarzen Reichshälfte. Vielleicht hat er euch von der ÖVP und vor allem dem Landwirtschaftsminister da ein bisschen zu viel auf die Fin­ger geschaut, sodass man diese Kompetenz jetzt auch „zentralisieren“ musste, um sie Herrn Haupt, dem Tierarzt, wegzunehmen. Sie liegt jetzt bekanntlich bei der Frau Gräfin, bei Frau Mi­nisterin Rauch-Kallat, die wahrscheinlich sehr viel vom Veterinärwesen versteht. (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.)

Schauen wir uns jetzt das Innovationsministerium an: Es hat einiger Anläufe von Seiten der Frei­heitlichen Partei bedurft, um dort jetzt jenen Minister zu installieren, der wahrscheinlich am meisten von diesem Bereich versteht. Vielleicht hätten die Freiheitlichen das schon früher tun kön­nen. Tatsache ist: Sie haben es erst jetzt getan. Aber trotzdem ist etwas passiert, was auch nicht uninteressant ist, und zwar musste der freiheitliche Innovationsminister die sehr „bud­get­trächtigen“ Verkehrsagenden – einen Bereich, in dem man sehr viel machen kann – an den


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schwar­zen Staatssekretär Kukacka abgeben. Auch das ist ein Beispiel, an dem sichtbar wird, wie man die Freiheitlichen über den Tisch gezogen hat.

All das zeigt auf, dass die schwarze Macht in Österreich um einiges ausgebaut worden ist. (Bun­desrat Bieringer: Der Wähler hat entschieden!) – Der Wähler hat natürlich entschieden, aber Tatsache ist, dass die 10 Prozent starke FPÖ jetzt genauso viele Ministerien hat wie sei­ner­zeit in der rot-blauen Koalition, nur hatte sie damals nur 5 Prozent der Wählerstimmen er­reicht.

So sieht es aus! So haben die Schwarzen euch Freiheitliche über den Tisch gezogen! Das konn­ten sie mit anderen Parteien nicht machen, daher haben sie sich diesen Koalitionspartner aus­ge­sucht (Bundesrat Boden: Sie haben keine andere Wahl gehabt!): um mit ihm ent­spre­chend umspringen zu können – so wie die Schwarzen eben mit euch Freiheitlichen umge­sprun­gen sind. (Bundesrat Gasteiger: So ist es!)

Wenn man sich das Ganze weiter anschaut, dann sieht man, dass sich die ÖVP aus den ver­bliebenen FPÖ-Ministerien dann noch die entsprechenden „Filetstücke“ geholt hat: Infrastruktur­mi­nis­ter Gorbach hat – ich habe es bereits erwähnt – die Verkehrsagenden verloren (Bundesrat Gasteiger – in Richtung der Freiheitlichen –: Ja, ja, so ist es!), Minister Böhmdorfer hat die Wett­be­werbskontrolle aus seinem Ministerium verloren – diese ist jetzt bei Bartenstein –, und Tier­arzt Haupt hat die Veterinärkompetenzen verloren. (Bundesrat Gasteiger: Ja, ja, so ist es!)

Es ist so – und das stellt sich immer klarer und immer deutlicher dar –, dass in diesem Land im Prin­zip alles in schwarzer Hand ist. (Bundesrat Gasteiger: Ja, ja, so ist es!) Ich sage das auch des­wegen, damit vielleicht der eine oder andere Wähler dann im Internet nachschaut, um zu sehen, wie sich denn das mit dieser „schwarzen Hand“ verhält. Ich sage dazu hier einmal Fol­gen­­des: Die Schwarzen stellen in Österreich den Bundeskanzler, neun Minister, zwei Staats­se­kretäre, den Präsidenten des Nationalrates, den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes (Bundesrat Boden: Und des Bundesrates!), den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes; acht von 14 Verfassungsrichtern sind Konservative; 64 von 84 Bezirkshauptleuten werden von der ÖVP gestellt (Bundesrat Gasteiger: Ja, ja, so ist es!); und 1 582 von 2 600 Bürgermeistern wer­den von der ÖVP gestellt! (Bundesrat Bieringer: Aber die sind schon vom Volk gewählt? – Bei­fall bei der ÖVP.) Noch einmal: 1 582 von 2 600 Bürgermeistern! (Ruf bei der ÖVP: Das bürgt für Qualität!) – Ja, das bürgt nicht nur für Qualität, sondern das zeigt auch, wie man mit Macht umgeht. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen. Ich musste – ich darf das unabhängig davon anmerken – leider zwangs­läufig drei Wochen meiner Zeit in Niederösterreich verbringen (Ruf: Warum „leider“?) – „leider“ deshalb, weil ich mich einem Kuraufenthalt beziehungsweise einem Erholungsaufenthalt nach einer Operation unterziehen musste. Ich war also in Niederösterreich und hatte die Gele­genheit, die schwarze Macht während des Landtagswahlkampfes in Niederösterreich ganz ge­nau zu beobachten. (Bundesrat Boden: Direkt!)

Ich habe mir die Sendung „Niederösterreich heute“ täglich angeschaut – es bestand ja keine andere Möglichkeit. (Ruf bei der ÖVP: Nicht „Wien heute“?) Nein, „Wien heute“ habe ich mir nicht angeschaut, denn „Wien heute“ sehe ich so und anders. In einem Punkt unterscheidet sich „Wien heute“ sehr gewaltig von „Niederösterreich heute“: In Wahlzeiten ist das nie­der­öster­reichische Fernsehen (Bundesrat Boden: „Pröll heute“!) ausschließlich Herrn Landes­haupt­mann Pröll gewidmet. (Rufe bei der SPÖ: „Pröll heute“! – Bundesrätin Bachner: Nicht nur in Wahlzeiten, das ganze Jahr!) So ist es kein Wunder, dass er sich mit Unterstützung des niederösterreichischen ORF die absolute Mehrheit ganz leicht geholt hat. – Das sind die Fakten!

Wenn man sich den ORF ein bisschen anschaut, dann gelangt man auch dort klipp und klar zu der Feststellung: 16 von 35 Stiftungsräten – Sie haben ja das ORF-Gesetz entsprechend ge­ändert, natürlich mit Hilfe Ihres Koalitionspartners – sind von der ÖVP. Die Redezeit in der „ZiB“ ist wie folgt verteilt: 44,4 Prozent hat die ÖVP, 20 Prozent die FPÖ, 19,9 Prozent die SPÖ, und 15,7 Prozent haben die Grünen. Dieses Verhältnis muss man sich einmal vor Augen halten:


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Über 60 Prozent ist in Regierungshand! – Das sind die Fakten, sehr verehrte Damen und Her­ren!

Ihr Bundesministeriengesetz dient nun dazu, Ihre Macht weiter auszubauen (Beifall des Bun­des­rates Boden), und daher werden wir dieses Bundesministeriengesetz auch ablehnen! (Bei­fall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

11.18

Ankündigung einer dringlichen Anfrage


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich Fol­gendes bekannt geben: Es liegt mir ein weiteres Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bun­des­räte Professor Albrecht Konecny und Kolleginnen und Kollegen betreffend Verdringli­chung des Bedürfnisses freiheitlicher Bundesräte, die Wahrheit über den Kauf der Abfangjäger zu erfahren, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung vor.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus, und zwar in unmittelbarem Anschluss an die Be­hand­lung der an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen gerichteten dring­li­chen Anfrage.

Fortsetzung der Tagesordnung


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Weilharter. Sie haben das Wort.

11.19


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatsse­kre­tär! Werte Damen und Herren! Ich darf noch einmal kurz auf die Ausführungen des Kollegen Bo­den zurückkommen. Er sprach – um seine Diktion zu verwenden – von „Grauslichkeiten“ (Bun­­desrat Gasteiger: Das ist, wie es der Wähler sieht!) und hat im selben Atemzug das Spa­ren genannt. Herr Kollege! Ich frage Sie (Bundesrat Boden: Kommen Sie mir jetzt nicht mit dem „Scherbenhaufen“!): Was haben Sie gegen Sparen? (Bundesrat Boden: Die FPÖ ist so ..., dass ihr gar kein Geld mehr habt!) Ist Sparen wirklich so unanständig? Ist Reform so unanständig, Herr Kollege? (Bundesrat Boden: Ihr habt kein Geld mehr!) Was haben Sie gegen Sparen? (Bundesrat Boden: Ihr seid fertig! Erzählt mir nichts vom Sparen!)

Herr Kollege Boden! Sie haben in Ihren Ausführungen auch von Familienzusammenführung, von Familie gesprochen. Auch da frage ich Sie: Was haben Sie gegen eine Familie? (Ruf bei der SPÖ: Nichts, im Gegenteil!) Was haben Sie gegen Familienzusammenführung? (Bundesrat Winter: Aber nicht auf Staatskosten! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was, Herr Kollege, ist an Familie, an Familienzusammenführung so „grauslich“ – um in Ihrer Diktion zu bleiben? Ist das der neue Weg der SPÖ? (Bundesrat Boden: ... nicht, wenn das Mi­niste­rium dazu missbraucht wird!) Sind Sie jetzt gegen das Sparen? Sind Sie gegen die Fa­mi­lie? Sind Sie gegen Familienzusammenführung? – Wenn es so ist, Herr Kollege, dann habe ich Sie verstanden. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Todt! Sie haben die Kompetenzverschiebung innerhalb der Bundesregierung be­mängelt. Ich frage Sie: Was sind Ihre Qualifikationen für eine Regierungsbeteiligung? Besteht die Voraussetzung darin, SPÖ-Funktionär zu sein? Ist die Mitgliedschaft im ÖGB zwingend er­for­derlich? Oder ist es erforderlich, dass man Arbeiterkammerfunktionär ist? – Die Wirtschafts­kom­petenz kann es nämlich nicht sein, Herr Kollege Todt und Herr Kollege Boden, das haben Sie in der Vergangenheit beim „Konsum“, in der Verstaatlichten und in ähnlichen Bereichen hin­läng­lich bewiesen. (Bundesrat Boden: ... Rosenstingl ...! – Bundesrat Thumpser: ... die eige­nen Leute! – Ruf bei der SPÖ: Der glaubt ja selbst nicht, was er erzählt!)


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Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokraten bemängeln, dass sie nicht Mitantragsteller bei der Bundesministeriengesetz-Novelle sind. Beantragt wurde sie von den beiden Klubobleuten, den Abgeordneten Molterer und Scheibner, und zwar, so glaube ich, einerseits deshalb, weil es eben notwendig ist, die Kompetenzen innerhalb, aber auch außerhalb der Regierung zu regeln (Bundesrat Boden – zu Bundesrat Gasteiger –: Weißt du jetzt, warum die so viel Prozent ver­loren haben?), und – Herr Kollege Boden, das ist jetzt sehr wichtig für Sie – andererseits des­halb, weil sich die SPÖ und die Grünen verweigert haben, weil ihnen der Mut zum Regieren in diesem Land gefehlt hat. (Ironische Ah!– Oh!– und Oje!-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrat Thump­ser: Den Mut habt ihr in Niederösterreich eh schon bezahlt!)

Herr Kollege Boden! Ihr Vorsitzender Gusenbauer führte ja Verhandlungen, und er hat aus mei­ner Sicht durchaus signalisiert, dass er an einer Regierungsbeteiligung interessiert wäre. (Ruf bei der SPÖ: Aber nicht um jeden Preis! – Bundesrat Boden: Nicht, wie die FPÖ, um jeden Preis!) Aber Sie als seine Funktionäre, als seine Parteileute haben ihm die Gefolgschaft ver­sagt! (Ruf bei der SPÖ: Geh!) Das ist Ihr Problem, Herr Kollege, das ist der Punkt in dieser Sa­che. (Bundesrat Boden: In Knittelfeld werden wir feststellen, ob wir die Gefolgschaft versagt haben! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Deshalb nehmen Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, immer eine ablehnende Haltung gegenüber der Regierung ein: weil Sie ein Ge­spal­te­ner sind, weil Sie in dieser Frage mehrere Gruppen in Ihrer Partei haben. (Bundesrat Thumpser: Ihr wärt froh, wenn ihr noch mehrere Gruppen hättet! Ihr habt keine Gruppen mehr!) Sie sind gespalten – und im Zweifelsfalle sagen Sie nein. (Bundesrat Boden: Der krampfhafte Versuch, irgendwo einen Faden zu finden, wo man sich noch festhalten kann!)

Meine Damen und Herren! Nun einige Bemerkungen zur neuen Kompetenzregelung der Mi­niste­rien: SPÖ und Grüne kritisieren, dass zwei Staatssekretariate mehr eingerichtet worden sind, dass zwei Staatssekretäre mehr – gegenüber der vergangenen Regierung – eingesetzt wor­den sind. (Bundesrat Schennach: Ich hab’ ja noch gar nicht geredet! – Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie müssen zugeben, dass die Kompetenzen, die Auf­gaben durchaus mehr geworden sind. Ich erinnere mich noch an eine Zeit, in der Österreich kei­ne europäische Kompetenz hatte, in der wir nicht in der Europäischen Union vertreten waren. (Bun­desrat Boden: Sie wollen ja gar nicht in die EU! Sie können sich doch nicht als Beitritts­kandidat aufspielen! Seit wann will die FPÖ in die EU? – Das ist ganz etwas Neues!) Es gab lediglich einen Vorsitzenden, einen Sozialdemokraten als Bundeskanzler, als Vorsitzenden der Re­gierung, und damals, Herr Kollege, war es gang und gäbe, dass eine Regierung 20 Köpfe und mehr hatte! Da waren Sie in der Regierung: Sie stellten den Bundeskanzler, hatten keine Kompetenzen betreffend die Europäische Union und hatten 20 und mehr Regierungsmit­glie­der! Für Sie hat immer der Leitsatz gegolten: wenig Kompetenz, aber mehr Regierungsmitglie­der. – Daher sollten Sie sich über die Frage der zwei Staatssekretäre mehr gegenüber der voran­gegangenen Regierung nicht alterieren.

Meine Damen und Herren! Mit der Errichtung eines Staatssekretariates für Frauenangelegen­hei­ten, für die Generationen, für die Jugend, für die Senioren, also für alle Menschen in diesem Land, ist eine Spezialisierung erfolgt, nämlich insofern, als man jenen Reformweg, den Bundes­minister Haupt begonnen hat, kompetent fortsetzen wird. (Bundesrat Boden: Das hat der Herr Minister Haupt auch schon behauptet, dass er kompetent ist für die Frauen!) Man hat in dieser Frage also eine Spezialisierung vorgenommen, und zwar im positiven Sinne, denn es wird in Hin­kunft weiter darum gehen, dass die Suchtprävention ausgebaut wird, dass die Jugend einen kom­petenten Ansprechpartner hat und vor Gewalt geschützt wird, dass die Anliegen der Frau­en – die Ihnen immer so wichtig gewesen sind, wie aus der Art und Weise, wie Sie in der Ver­gan­genheit agiert haben, zu schließen ist – auch entsprechend eingebracht und umgesetzt wer­den und dass die Pensionen der älteren Generation in der Gegenwart und in der Zukunft gesichert sind. (Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Boden: Wer sichert die Pension? Die FPÖ? – Die FPÖ hat noch niemandem eine Pension gesichert! – Diese Arro­ganz habe ich schon lange nicht gehört!)


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Meine Damen und Herren! Herr Kollege Boden! Das Gleiche könnte man analog auch im Hin­blick auf das Staatssekretariat für Sport sagen.

Daher, meine Damen und Herren, werden wir dieser Bundesministeriengesetz-Novelle gerne zu­stim­men, denn mit dieser Novelle, die von den Regierungsparteien eingebracht wurde und im Alleingang beschlossen wird, wird der Reformweg Österreichs fortgesetzt. SPÖ und Grüne wollen zwar, aber sie können nicht (Bundesrat Schennach: Jetzt wird er sich wiederholen! – Bun­desrat Boden: Das ist zu befürchten!), und zwar deshalb, weil SPÖ und Grüne eine Füh­rungskrise haben und die Basis bei der SPÖ und bei den Grünen ein anderes Ziel verfolgt als ihre Spitzenrepräsentanten (Bundesrat Boden: Lesen Sie aus dem FPÖ-Parteiprogramm, oder was?) und weil SPÖ und Grüne keine Verantwortung in diesem Land tragen wollen (Bundesrat Thumpser: Der war auf einer Schulung! Warst du auf einer Schulung, Kollege Weilharter?) und weil Sie, Herr Kollege Boden, sich mit Ihrer Fraktion den Reformen verweigern.

Wir werden daher dieser Novelle zum Bundesministeriengesetz gerne unsere Zustimmung geben und keinen Einspruch dagegen erheben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundes­räten der ÖVP.)

11.27


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Stefan Schen­nach das Wort. – Bitte.

11.27


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Botschafter! Meine Da­men und Herren! Ich möchte meine Rede mit einer tatsächlichen Berichtigung beginnen.

Zuerst möchte ich Herrn Kollegen Todt tatsächlich berichtigen: Es ist nicht wahr, Herr Kollege Todt, dass das niederösterreichische Fernsehen, die Sendung „Niederösterreich heute“, in Wahl­kampfzeiten ein Pröll-Fernsehen ist. Richtig ist vielmehr, dass es ganzjährig ein Pröll-Fern­sehen ist (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ), und zwar mit einer Beitragshäufigkeit von vier bis fünf Landeshauptmann-Berichten pro Sendung. Das können Sie im Schnitt messen. (Bun­desrat Boden: „Den haben wir gut in der Hand, den ORF“! – Bundesministerin Rauch-Kallat: Er ist eben ein guter Landeshauptmann!)

Frau Bundesministerin! Dann müssten Sie ja die anderen ÖVP-Landeshauptleute, die da we­sent­lich mehr Zurückhaltung an den Tag legen, als schlechte Landeshauptleute bezeichnen. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.) Das wollen wir nicht.

Zweitens: Herr Kollege Weilharter! Auch Sie muss ich berichtigen. Sie haben gesagt, SPÖ und Grüne würden kritisieren, dass es um zwei Staatssekretäre mehr gibt. Ich sage Ihnen ganz ehr­lich: Wenn es eine sinnvolle Aufgabenverteilung gibt, dann habe ich überhaupt nichts dagegen, dass eine Regierung auch mehr Mitglieder hat. Und ich sage Ihnen auch Folgendes – und nicht deshalb, weil die Frau Bundesministerin jetzt anwesend ist –: Um ein Frauenressort mehr zu schaf­fen, dafür soll jedes Geld aus dem Budget zur Verfügung gestellt werden. Ich halte die Wieder­einführung eines Frauenressorts für einen der wichtigsten Punkte in diesem Bundesmi­niste­rien­gesetz! (Demonstrativer Beifall bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Boden: So ist es! – Bundesrat Weilharter: Sie sind eine gespaltene Partei!)

Herr Kollege Weilharter! Ich weiß nicht, was Sie beruflich machen, aber Sie dürften irgendwie mit einer Detektei-Agentur zusammenhängen, denn Sie haben hier dermaßen viel Spannendes aus dem Innenleben berichtet, um zu erklären, warum SPÖ oder Grüne nicht in dieser Re­gierung vertreten sind. Ich glaube, die Rechnung ist einfach: Die FPÖ ist wieder Regie­rungs­partner, weil sie einfach der billigste Partner war – das ist doch völlig klar! (Beifall und Bravo-Ru­fe bei der SPÖ) –, und es ist auch gut, dass sich die FPÖ in vielen Bereichen des Regie­rungs­pro­gramms einer eigenen Handschrift entschlagen hat.

Kommen wir nun zum vorliegenden Kompetenzverteilungsgesetz. Da kritisieren wir, dass die For­schungs­agenden – das ist eine ganz wichtige Materie, das sagt auch Bundeskanzler Schüs-


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sel immer – wiederum nicht gebündelt sind, wiederum auf verschiedene Bereiche aufgeteilt sind.

Nun zu den Fragen der Unterordnung: Nach wie vor ist das Umweltressort dem Landwirt­schafts­ressort untergeordnet. Meine Damen und Herren! Es gibt zwischen Umwelt und Land­wirt­schaft Interessenkonflikte, und zwar maßgebliche Interessenkonflikte. Diese Unter­ord­nung von Umwelt in Landwirtschaft haben wir schon bei der letzten Regierungsbildung kritisiert. Wir werden nicht müde, sie auch bei dieser zu kritisieren.

Das gilt auch für den nächsten Punkt, nämlich Arbeit der Wirtschaft unterzuordnen. Meine Da­men und Herren! Arbeit gehört nicht dem Wirtschaftsbereich untergeordnet. Man kann Arbeit und Soziales zusammengeben, aber nicht Arbeit und Wirtschaft. Da haben wir massive Interes­sen­gegensätze. (Bundesrat Weilharter: In Deutschland gibt es das auch!)

Insgesamt sind die sozialen Agenden problematisch. Das sehen wir derzeit bei den Diskussio­nen um die Pensionen. Ich habe es heute schon einmal gesagt – und Sie haben sich heute in der Früh wahnsinnig darüber aufgeregt –, dass die Regierung bei diesem Reformprojekt Pen­sio­nen derzeit jenes Bild bietet, das sie am Ende der letzten Legislaturperiode geboten hat. Das ist einfach eine Tatsache. Wenn Sie sagen, die Basis hat nicht wollen, dann erinnere ich Sie an die freiheitliche Basis und an Knittelfeld. Sie sollten das gar nicht mehr in den Mund nehmen, denn wir alle haben miterlebt, wie sich die freiheitliche Basis mitten in einer Legislaturperiode der Regierungsarbeit entzogen hat.

Frau Frauenministerin! Ich bin froh, dass es Sie in dieser Regierung gibt, dass es Ihr Ressort gibt, aber gleichzeitig haben wir eine größere Regierung und weniger Frauen, denn der Frauen­anteil in dieser Regierung ist gesunken.

Nächster Punkt – das ist jetzt, da wird mir Kollege Weiss vielleicht Recht geben, eine Frage der Verfassung und auch der Rechtssicherheit –: Die Bundesregierung kann künftig Kompetenzen, die ihr als Bundesregierung durch einfache Gesetze zugeschrieben werden, an Bundesminister weitergeben. Das bedeutet rein rechtlich auch eine Form von gesunkener Rechtssicherheit. Dass die Bundesregierung bei einfachen Gesetzen die Zuständigkeit der Bundesregierung als Gesamtes nach eigenen Überlegungen an einzelne Ressortminister weitergeben kann, halte ich aus rechtspolitischer Sicht für keine richtige Vorgangsweise.

Wir haben große Bereiche – das ist auch der Grund unserer Ablehnung, nicht deshalb, weil es zwei Staatssekretäre mehr gibt, Herr Weilharter, darum geht es nicht; es ist immer eine Frage sachpolitischer Entscheidungen, und diese Entscheidung sehen so aus –, und diese großen zentralen Bereiche sind zersplittert, Soziales steht dabei an erster Stelle.

Zweitens: Es gibt nach wie vor fatale Unterordnungen wie Arbeit und Umwelt unter Wirtschafts­ressorts, denn die Landwirtschaft und die Wirtschaft allgemein sind Wirtschafts­ressorts.

Nun komme ich noch zu einem Punkt, bei dem ich ganz große Bedenken hege: Das Bundes­asylamt war bisher in der Zuständigkeit des Bundeskanzleramtes als ein Organ, das die Ver­waltung zu kontrollieren hatte, und dieses kommt jetzt in das Innenministerium, also dorthin, wo die Verwaltung auch ausgeübt wird. Das ist im Aufbau unseres Staates ebenfalls eine bedenkli­che Situation, dass jene, die verwalten, die Zuständigkeit haben über jene, die sie kontrollieren.

Last but not least: die Verlagerung der Zollwache in das Innenministerium. Auch das ist ein Schritt, der meiner Meinung nach nicht richtig war. Die Zollwache ist kein Exekutivkörper im Sin­ne von Gendarmerie oder Polizei. Das ist der falsche Weg.

Nun kommen wir zu einem Punkt, den Kollege Vizepräsident Weiss angesprochen hat. Wir hatten gestern im Nationalrat eine Tierschutzenquete. Aber so haben wir uns das mit dem bun­des­einheitlichen Tierschutzgesetz nicht vorgestellt, dass aus neun Landesgesetzen ein bundes­einheitliches Tierschutzgesetz wird, jedoch jetzt vier respektive acht Ministerien dafür zuständig sind und das Ganze in die mittelbare Bundesverwaltung geht, das heißt, genau wieder an die Landesräte zurückgeht, wiewohl die Kritik immer am Vollzug geübt wurde und nicht an den


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einzelnen Landesgesetzen, die mitunter – siehe Salzburg und Steiermark – hervorragend aus­ge­staltet sind. Das heißt, wir spielen „Buchbinder Wanninger“ und gaukeln eine Effizienz eines einheitlichen Bundestierschutzgesetzes vor, die sich in der Form in der Bundesverwaltung und auch in der Regierung nicht findet.

Zum Abschluss, Herr Kollege Weilharter, muss ich Ihnen, obwohl es billig ist, noch etwas sa­gen: Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich bin froh, dass der Konsumentenschutz nicht mehr bei Mi­nister Böhmdorfer ist. Ich bedaure allerdings, dass er ihm auf Grund seiner Politik gegenüber den Banken weggenommen wurde, denn mir wäre es lieber gewesen, er wäre wegen seiner Poli­tik gegenüber dem VKI weggekommen. Einen Verein wie den VKI dermaßen auszuhungern und an den Rand seiner Existenz zu treiben als jener Minister, der für Konsumentenschutz zu­ständig war, das war für mich eine fahrlässige Politik, weshalb es wichtig war, ihm die Kompe­tenz zu entziehen. Ich bedaure, dass es leider mit einer Begleitmusik rund um die Banken passiert ist. Letztlich zeigt sich daran, wo die Macht im Lande beheimatet ist.

Dass Sie das Veterinärwesen, den Verkehr, den Wettbewerb und so weiter verloren haben, liegt daran, Herr Kollege Weilharter, dass Sie einfach der billigere Partner waren. Und so sieht es in der Kompetenzverteilung auch aus.

Sie werden verstehen, dass wir auf Grund der angeführten Punkte – nicht wegen der Größe und schon gar nicht wegen der Wiedereinführung des Frauenministeriums – dieser Kompetenz­verteilung nicht unsere Zustimmung erteilen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.37


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Franz Morak das Wort. – Bitte.

11.37


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Botschafter! Meine Damen und Herren! Herr Bundesrat Boden! Sie sehen, ich habe Ihre Kritik, was die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre betrifft, ganz ernst genommen und mir gedacht, ein Botschafter und eine Bundesministerin werden Ihnen reichen, damit das Ganze auch eine gewisse Form bekommt, die Ihnen Genüge tut. (Heiterkeit des Bundesrates Boden.)

Lassen Sie mich nur, bevor ich auf die Materie sachlich eingehe, zwar keine unsachlichen Be­merkungen machen, aber schon etwas wieder in Erinnerung rufen, weil das dem einen oder an­de­ren möglicherweise in den letzten eineinhalb Monaten entfallen ist: Wissen Sie, die Ver­handlungen zur Bildung einer Bundesregierung waren hart und lange, lange in dem Sinne, dass unter anderem – ich erinnere Sie daran – auch die SPÖ relativ lange gebraucht hat, bis sie gesagt hat, sie möchte wenn schon nicht verhandeln, so doch sondieren.

Ich verstehe schon die Zurückhaltung in solchen Sachen, weil es natürlich eine schwierige Auf­gabe war aus der Position heraus, die dieser Wahlkampf bei Ihnen hinterlassen hat, aber ich möchte schon daran erinnern, dass sich am Ende dieses Verhandlungsmarathons, der von uns und vom Herrn Bundeskanzler in aller Offenheit geführt wurde, weil die Problemlage in diesem Land sehr ernst ist, ergeben hat, dass auf Basis der Reformlage und der Reformbedürfnisse die­ses Landes nur eine Partei in der Lage war, diesen Weg mit uns gemeinsam zu gehen, nur eine Partei diesen Weg mit uns gehen wollte. (Bundesrat Boden: Die billigste! Die billigste Variante! – Bundesrätin Schlaffer: Die billigste!)

Glauben Sie mir, es ist kein einfacher Weg! Ich weiß schon, es ist einfacher, sich zurückzu­lehnen und zu sagen: Lasst sie machen, wir schauen uns das erste Reihe fußfrei an! Deswegen überrascht es mich auch nicht, dass Sie dieses Bundesministeriengesetz ablehnen. Das trifft mich also durchaus auf dem richtigen Fuß.

Lassen Sie mich aber trotzdem sagen, dass natürlich jedes Bundesministeriengesetz eine Mixtur aus vielen Faktoren ist: auf der einen Seite des Wahlergebnisses logischerweise, auf der anderen Seite aber auch der äußeren Einflüsse, also wie sich die Gesamtpolitik im euro­päischen, aber auch im nationalen Kontext darin spiegelt, und natürlich auch auf Basis der Per-


Bundesrat
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sonen, die zur Verfügung stehen, und des Profils, das diese Personen ergeben. Ich glaube trotz­dem, dass, wenn wir all das zusammennehmen, hier cum grano salis ein Team angetreten ist, das durchaus in der Lage ist, die Probleme, die auf uns zukommen, auch zu lösen.

Ich möchte das hier in meinem Debattenbeitrag nicht zu lange ausführen, aber das zeigt sich einerseits in der Bündelung – hervorgerufen im Grunde durch die Bedrohungsszenarien, die auf uns zukommen – der Agenden der inneren Sicherheit im Bundesministerium für Inneres und auch in der Hinwendung zu den Pensionssystemen, eines der, wie Sie ganz genau wissen, wirk­lich schwierigen Themen in dieser Republik. Jede Bundesregierung hat sich bisher um eine sub­stanzielle Lösung dieses Problems nicht angenommen, sondern immer nur Lösungen auf Zeit gefunden.

Gerade deswegen, weil uns das wesentlich ist und weil wir wissen, dass nichts in diesem Land so sehr verteidigt wird und auf so viele offene Ohren trifft wie der Status quo, haben wir auch im Ministe­rien­gesetz eine Lösung gefunden und angedacht, dass das Gesundheits- und Pensions­system für das 21. Jahrhundert im Mittelpunkt des Interesses dieser Bundesregierung stehen wird. Dem wird durch die Schaffung eines Gesundheitsressorts auf der einen Seite und die Trennung des Gesundheits- und Sozialwesens auf der anderen Seite Rechnung getragen.

Die fortschreitende Integration der Europäischen Union und die vor sich gehende historische Er­weiterung bringen neue Chancen und Herausforderungen mit sich. Das ist natürlich auch ganz wesentlich gewesen für die zusätzlichen zwei Staatsekretäre, weil es natürlich im Rahmen der Verhandlungen, die in Brüssel und in Straßburg zu führen sind, auch Möglichkeiten der Flexibili­tät des einen oder anderen Ministers geben muss. Gerade in diesem Bereich haben wir Lösun­gen angedacht und auch durchgezogen.

Ich sage Ihnen aber auch – mich hat das sehr berührt, weil ich schon im Kabinett Schüssel I das Bundesministeriengesetz in den Ausschüssen vertreten habe und ich mich noch daran erin­nern kann, wie Frau Dr. Petrovic gleich mit dem Jahr 1934 begonnen hat, als es um Arbeit und Wirtschaft gegangen ist –: Sie wissen ganz genau, Herr Bundesrat, und viele von Ihnen, dass gerade Deutschland diese Regelung nachvollzogen hat, weil darin kein Gegensatz zu sehen ist. Wir sehen auch keinen Gegensatz von Wirtschaft und Arbeit. (Beifall bei der ÖVP und des Bun­desrates Weilharter.)

Glauben Sie mir, nur auf Basis einer funktionierenden Wirtschaft wird es Arbeitsplätze geben, die genügend Einkommen sichern, so wie wir uns das vorstellen, wird es Frauenbeschäftigung ge­ben und so weiter und so fort, das sind also all die Dinge, die uns alle in diesem Raum am Her­zen liegen, und, wie ich glaube, auch am politischen Herzen liegen.

In einigen Bereichen wurden mit diesem Gesetz Nachjustierungen vorgenommen. Darunter ver­stehe ich etwa die Fokussierung der Frauenagenden und deren Zusammenlegung mit dem Ge­sundheitsbereich, auch wenn es sich bei der Frauenpolitik um eine Querschnittsmaterie han­delt. Das ist auch eine Problemlage, auf die viele Regierungen vor uns gestoßen sind und nach uns noch stoßen werden. Es gibt zunehmend Querschnittsmaterien, es gibt zunehmend Mate­rien, die nicht nur in einem Ministerium abgehandelt werden können. Sehen wir uns – weil schon darauf hingewiesen wurde – den Tierschutz an, dessen Agenden wir gerade im Bun­des­kanz­leramt gebündelt haben, oder den Konsumentenschutz, den wir durch eine Staatssekre­tärin im Sozialministerium aufgewertet haben. Das hat auch Ihre Zustimmung gefunden, wenn auch aus anderen Gründen, Herr Bundesrat! Schließlich werden durch die Umsiedlung der Zustän­dig­kei­ten für die Frauengleichstellung am Arbeitsmarkt und den damit verbundenen För­derun­gen die Frauenagenden um ein wichtiges Element angereichert.

Für mich war es immer – schon im Nationalrat, aber auch schon im Ausschuss – unter anderem auch eine Frage: Wieso mehr Staatssekretäre, wieso so viele Staatssekretäre mehr? Glauben Sie mir, wenn Sie das einerseits mit Bundesregierungen, die vor uns dieses Land regiert haben, aber auch im europäischen Kontext vergleichen, werden Sie sehen, dass wir im Grunde ein sehr sparsames Kabinett sind. Es haben sich die Ministerposten nicht vervielfältigt, sie haben sich auch nicht erweitert, es sind zwei Staatssekretäre dazugekommen. Ich erinnere Sie aller-


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dings auch daran, dass die Kabinette Vranitzky I und IV 21 Regierungsmitglieder, die Regierun­gen Kreisky IV und Sinowatz etwa 22 Regierungsmitglieder hatten. Dabei sind wir noch lange nicht dort, wo wir auch sein könnten: in Griechenland mit 19 Ministern und 29 Staatssekretären, in Irland mit 15 Ministern und 17 Staatssekretären. Ich möchte Sie damit nicht weiter traktieren, aber ich möchte nur sagen, wir sind da im Rahmen des Möglichen und auch im Rahmen des Not­wendigen geblieben.

Der Bundesasylsenat ist eine Thematik, die immer wieder auf uns zukommt. Er wird immer eine Thematik sein, hinsichtlich der wir meinen, dass Unabhängigkeit nur dadurch gesichert wird, dass es insbesondere nicht in dem zuständigen Ministerium angesiedelt ist. Dazu muss ich Ihnen sagen, das ist ein Misstrauen einerseits der Verfassung gegenüber, aber andererseits auch den Beamtinnen und Beamten gegenüber, die von der Verfassung her lebenslänglich, also solange sie diesen Beruf ausüben, unabhängig gestellt werden. Sie unterstellen nämlich da­mit diesen Menschen, ein Rückgrat wie ein Gartenschlauch zu haben.

Daher noch einmal: Ich stehe dazu, dass sie sich auf dem Boden der Verfassung befinden und un­abhängig sind – das ist der erste Punkt –, und zweitens haben sie natürlich auch einen Charakter, dazu zu stehen. Abgesehen davon gibt es die Regelung auch im Gericht selbst, das heißt im Justizministerium; die Richter sind natürlich auch dem Justizministerium zugeordnet. – Das sei nur am Rande erwähnt.

In diesem Sinne, glaube ich, ist das nicht mehr und nicht weniger als eine Arbeitsgrundlage, da­mit die Bundesregierung arbeiten kann. Dass Sie nicht alle die Zustimmung zu diesem Gesetz ge­ben können, verstehe ich natürlich. Ich würde das möglicherweise als Opposition ähnlich sehen wie Sie. Ich glaube nur, dass es für diese Bundesregierung ein Weg ist, die Aufgaben der nächsten Zeit, die auf uns zukommen – es werden schwierige sein, und es sind schwie­rige –, für dieses Land und für seine Zukunft zu lösen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.46


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Andreas Schnider. Ich erteile ihm das Wort.

11.46


Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Lieber Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Botschafter! Liebe Kolle­gin­nen und Kollegen! Ich denke, dass politische Arbeit ganz konkrete Rahmenbedingungen be­nötigt, erst recht dann, wenn es nicht nur um eine visionär-inhaltliche Arbeit, sondern um ganz konkre­te Umsetzungsarbeit geht. Eines der wichtigsten Kriterien ist wohl, einen Ordnungs­rah­men zu schaffen, in dem man umsetzen kann. Ein klares, strategisches Regierungskonzept, ein Personalkonzept, ein Ministerienkonzept gehören auf einem festen Fundament aufgebaut. In idealer Form müssen diese drei Konzepte aufeinander abgestimmt sein.

Erlauben Sie mir den Vergleich mit einem gemalten Bild, das auch einen dazupassenden Rah­men braucht, der das Gemalte in richtiger Form oder in der Form, in der es gemeint ist, zur Gel­tung bringen kann!

Das bedeutet weiters, dass es im Sinne einer sinnvoll gebündelten und gemanagten Regie­rungs­arbeit einerseits und einer klaren und raschen Kommunikation der geleisteten politischen Arbeit andererseits ein stringentes Instrument zu erstellen und zu beschließen gilt. Diesem Instru­mentarium muss es in meinen Augen gelingen, inhaltlich Benachbartes oder Übergreifen­des zusammenzuführen, aber gleichzeitig inhaltlich Aktuelles und politisch Akutes zu gewichten, und ich denke, das ist hier in einem sehr großen Maße gelungen. Es ist aber nicht überall ge­glückt: Der Bereich Forschung ist angesprochen worden, bei dem es nicht so ganz gelungen ist.

Aber schauen wir uns einige Bereiche an. Gerade im Bereich – es wurde soeben angespro­chen – der inneren Sicherheit ist einiges gelungen. Ich möchte hier auch dazusagen, dass da­mit nicht erst jetzt begonnen wurde, sondern bereits im Jahr 2000. Es ist auch gesagt worden – und das halte ich für sehr sinnvoll –, dass es ein Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft


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gibt, dass es ein Bundesministerium für Landwirtschaft und Umwelt gibt, das sich Lebensmi­niste­rium nennt. Ich möchte jetzt nicht noch einmal das europäische Beispiel Deutschland zi­tieren, sondern ein anderes Beispiel, bei dem sogar noch ein Stück weitergegangen wird, näm­lich das Beispiel Irland. Dort wurden wirtschaftliche und beschäftigungspolitische Anliegen zu­sammengeführt, bei denen es also um Unternehmen, Handel, Beschäftigung geht, wobei nach meinen Recherchen sogar die Bereiche Sozial- und Arbeitsrecht mit eingeschlossen wurden.

Wenn wir uns unser Ministerium für Arbeit und Wirtschaft ansehen, so kann man doch wohl sa­gen, dass es sehr gut arbeitet. Das sieht man vor allem, wenn man sich die Daten im EU-Durch­schnitt anschaut, was zum Beispiel die Arbeitslosen- und Beschäftigungszahlen betrifft. Im­mer­hin liegt Österreich auf dem dritten Platz von 15 Staaten, was die Beschäftigungslosen betrifft, und das ist doch wohl nicht so schlecht. Es ist noch nicht das Beste, aber es ist wohl nicht schlecht.

Vielleicht darf ich hier aus dem steirischen Umfeld ein gelungenes Beispiel der Bündelung zitie­ren, weil es gerade vor drei Tagen über die Bühne gegangen ist. Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic ist es gelungen, alle Bildungsagenden – alle, auch die der landwirtschaftlichen Fach­schulen, auch die der Fachhochschulen, auch die der Berufsschulen – in ein Bildungs­ressort zusammenzubringen. Ich denke, das könnte ein Anreiz in Richtung Wien sein, vielleicht auch zu überlegen, ob man nicht Bildung in ein großes Ressort bringen könnte. Mit dieser Res­sortbildung in der Steiermark wurde außerdem die neu bestellte jüngste österreichische Lan­desrätin, Mag. Kristina Edlinger-Ploder, beauftragt.

Doch es muss uns auch bei allen möglichen gewollten und durchgeführten Einsparungspoten­zialen klar sein, dass bestimmte Aufgaben, die sich gerade heute innerhalb eines großen ver­einten Europas stärker entwickelt haben, sowohl vom zeitlichen als auch vom personellen Auf­wand her zunehmen werden und zunehmen müssen. Denken wir an die Bereiche Verkehr, Infra­struktur, Bahn und Straße, aber denken wir auch an unterschiedliche Großereignisse, etwa im Bereich des Sports, wo ich sehr wohl meine, dass die Qualität auch einen vernünftigen Personalstand innerhalb einer Regierung verlangt!

Schließlich denke ich – um auf den Vergleich mit dem gemalten Bild zurückzukommen –, müs­sen politisch umzusetzende Schwerpunkte auch entsprechend Berücksichtigung finden. Wenn wir alle hier also behaupten, dass es wichtig ist, zukunftsweisende Impulse im Bereich Soziales, Gesundheitswesen und Finanzen zu setzen, dann müssen wir das auch wie in einem Bild dar­stellen und das von unserem Personal her innerhalb der Regierung entsprechend gewich­ten.

Wenn weiters all die letzten Jahre hindurch immer wieder der Wunsch nach einer eigenen Frau­enministerin, insbesondere auch von Seiten der politischen Mitbewerber, geäußert wurde, dann sollen aber auch diese jetzt zugeben, dass unter der Regierung Wolfgang Schüssel II diesem Wunsch nachgekommen wurde.

Schließlich noch zu einem politischen Schwerpunkt, der meines Erachtens gerade durch die Res­sort­zuordnung auf eine bestimmte Gewichtung hinweisen will: Die Agenden des e-Govern­ments sind ganz wichtig, und ich glaube, es ist richtig, dass diese zur Chefsache erklärt wurden, denn erstens sind gerade diese eine Querschnittsmaterie, zweitens können gerade diese im Einsparungspotenzial, wenn sie richtig gemacht und durchgeführt werden, vieles errei­chen, und zwar auf zwei Schienen: erstens in der Verwaltung, zweitens hinsichtlich des Wissensmanage­ments überhaupt. Das heißt, dieses e-Government müssen wir endlich von ganz oben – ich sage das bewusst so – angreifen und es nicht nur bei einer reinen Technologiediskussion be­lassen. Dann werden wir wahrscheinlich auch die eine oder andere Diskussion im Rahmen von Bildungsreform, wenn es um Stundenkürzungen geht, anders anschauen, wenn wir auch diese Schienen ganz anders für uns bauen und für uns in die Zukunft legen.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn wir uns nun dieses hier vorliegende Gesetz als ein von mir gerade skizziertes Bild vorstellen, dann kann, so glaube ich, niemand behaupten, dass die Pinselstriche nicht richtig gesetzt wurden. Dass für jeden, der ein Bild betrachtet, die­ses Bild vielleicht anders aussehen könnte, verstehe ich auch.


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Ein Letztes: Ich glaube, wir sollten uns in Zukunft überhaupt etwas vor Augen halten: Wir sollten, wenn es etwas zu diskutieren gibt, wenn etwas zu begutachten ist, aus einer Begutach­tungs­phase nicht immer nur eine „Beschlechtachtungsphase“ machen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.55


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach gemeldet. Ich erteile ihm unter Hinweis auf die Redezeitbeschränkung von 5 Minuten das Wort.

11.55


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Keine Angst, Herr Kollege Schnider, ich berichtige nicht Sie, sondern ich muss leider den Herrn Staatssekretär berichtigen.

Der Herr Staatssekretär hat gemeint, ich hätte gesagt, die Beamten hätten ein Rückgrat wie ein Gartenschlauch.

Das habe ich nicht gesagt. Ich habe vielmehr von der Problematik der Zusammenführung des UBAS mit dem Innenministerium gesprochen, und zwar davon, dass bis zum Jahr 1997 genau diese zweite Instanz im Innenministerium war und die Regierung von SPÖ und ÖVP 1997 er­kannt hat, dass es da einen Missstand gibt, wenn diese zweite Instanz im selben Haus ist. Aus dieser Erkenntnis heraus wurde 1997 das UBAS geschaffen.

Das ist keine Unterstellung den Beamten gegenüber, dass sie ein Rückgrat wie ein Garten­schlauch hätten. Das habe ich nicht gesagt, vielmehr habe ich gesagt, dass es da zu einem tat­säch­li­chen Interessenkonflikt kommt und dass es rechtlich problematisch ist, die zweite Instanz in der Form im selben Haus zu haben. (Beifall bei der SPÖ.)

11.56


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. Ich erteile ihr das Wort.

11.56


Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Boden! Jawohl, Sie haben mir vorhin auch teilweise aus der Seele gesprochen. Auch ich habe es be­dauert, dass das Tourismus-Staatssekretariat weggefallen ist. Aber ich glaube, dass sich dieses Bundesministerium sehr wohl auch Gedanken darüber gemacht hat, und ich sehe es als eine Fort­entwicklung, auf Grund von Erfahrungen etwas Neues zu machen. Ich glaube weiters, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist, immer wieder in der Vergangenheit zu leben und immer wie­der rückwärts zu blicken und von Vergangenem zu zehren oder es zu beklagen. Jeder, der das macht, hat nichts, aber schon gar nichts daraus gelernt. Ich sage noch einmal: Gestern ist un­wie­derbringlich vorbei, und wir müssen das Beste daraus machen.

Ich sehe es auch als eine Verpflichtung aller unserer Touristiker in diesem Haus an, alle Minis­te­rien – und es ist eine Querschnittsmaterie; Tourismus geht durch alle Ministerien – und alle Minister in die Pflicht zu nehmen, denn Tourismus umfasst rund 70 000 Betriebe, das sind 70 000 Be­triebe mit 70 000 Familien, plus 70 000 mal x Mitarbeiter, plus 70 000 mal x Zulie­ferer, plus 70 000 mal x Gäste. Und das, meine Damen und Herren, ist keine Kleinigkeit.

Aber, Herr Kollege Boden, uns ist es wenigstens in den letzten zweieinhalb Jahren gelungen, ein Staatssekretariat zu haben, wenigstens dieser Branche den Stellenwert zu geben, der ihr schon längst gebührt hat, und das auch weiter fortzusetzen. Das ist den Sozialdemokraten 20 Jahre lang nicht gelungen. Das muss ich Ihnen, auch wenn Sie es nicht hören wollen, immer wieder in das Gedächtnis rufen. (Bundesrat Thumpser: Unter dem Motto: Gestern ist vorbei!) – Ich muss es aber trotzdem noch einmal sagen. (Bundesrat Konecny: Selektive Vergangenheit!)


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Wir als Gruppe der Touristiker werden mehr oder minder letztlich darüber entscheiden und ab­wie­gen, was gut oder was schlecht für uns ist. Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg, den wir uns selbst vorschreiben. Wir werden uns Siege und Erfolge der Jahre des Staatssekretariats für Tourismus ins Gedächtnis rufen und gemeinsam – und da ist niemand ausgeschlossen, meine Damen und Herren, und ich bitte die Damen und Herren der Sozialdemokratie, sich auch in die­ses Boot zu begeben – diese Regierung in die Pflicht nehmen. (Bundesrat Konecny: In Ihr Boot begebe ich mich nicht! Das ist mir zu unsicher!)

Spätestens letztes Jahr in Obertauern bekannte sich die Regierung zum österreichischen Tourismus und hat sich verpflichtet, das Beste für die Tourismusbetriebe, für ihre Betreiber und ihre Mitarbeiter zu tun, um diese Branche wieder lebenswerter zu gestalten und endlich dieser Branche und den in ihr Tätigen den Stellenwert zu geben, der ihnen gebührt.

Der Tourismus ist einer der größten Wirtschaftszweige Österreichs, und die Regierung ist es diesem Land auch schuldig. Daher heißt es, nicht aufzuhören und sich weiterzuentwickeln, fest daran zu arbeiten und alle Verantwortlichen für dieses Land, wie ich schon gesagt habe, heranzuziehen. Vielleicht schaffen wir es gemeinsam.

Der Tourismus ist jetzt zur Chefsache erklärt worden, wie Sie es vielfach genannt haben. Chef­sache heißt nicht allein Repräsentation, Chefsache heißt Verantwortung, und das wird sich der Herr Bundesminister sehr wohl immer wieder in Erinnerung rufen müssen. Aber ich glaube, wir sind auch als Touristiker und als Konsumenten verpflichtet, es zu untermauern, daran zu arbei­ten und ihm dabei zu helfen. Was in den letzten Jahren in Obertauern versprochen wurde, ist also einzuhalten. Da ist der Finanzminister genauso gefordert wie alle anderen. Die gut be­gonne­ne Arbeit des Staatssekretariats für Tourismus ist unweigerlich fortzusetzen.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen waren die ersten, die das Ohr beim Volk gehabt ha­ben. Es darf nicht aufhören – und so wird es auch gemacht werden –, dass diese Regierung das Ohr vor allem bei den Bürgern draußen haben wird. Das hat sie sich vorgenommen, und sie hat es auch in der ersten Zeit ihrer Arbeit bewiesen, auch wenn es von den Sozialdemokraten immer wieder bemängelt und anders ausgelegt wird. Wir haben uns vorgenommen – gerade wir Touristiker –, diese Chefsache und die Arbeit des Bundesministers für Wirtschaft zu über­wa­chen und eben dadurch den Stellenwert zu erhalten. (Bundesrat Boden: Wo haben Sie denn das Ohr?)

Ich glaube, dass sich diese Bundesregierung sehr genau vorgenommen hat, nachhaltig zu re­gieren, aber ich glaube kaum, dass sich die Sozialdemokraten einmal Gedanken darüber ge­macht haben, was Nachhaltigkeit bedeutet. Nachhaltigkeit heißt: sparen und gewinnen, mit dem positiven Beigeschmack einer Qualitätsverbesserung in der Regierungsarbeit. (Bundesrat Bo­den: Minus 10 Prozent! Ist das Nachhaltigkeit: minus 10 Prozent?) Für mich heißt das: nach­haltige Qualitätsverbesserung für den Tourismus.

Meine Damen und Herren! Natürlich wäre es ein Ziel – und ich glaube, das Ziel aller Touristi­ker –, dass wir ein eigenes Tourismusministerium hätten. Dieses Tourismusland Österreich hätte es sich in seiner Einmaligkeit und als Tourismusland Nummer eins in Europa wahrlich ver­dient. Aber man sollte niemals „nie“ sagen! Träume können vielleicht einmal Wirklichkeit wer­den, und wenn wir gemeinsam etwas wollen, dann können auch Märchen wahr werden. (Bun­desrat Boden: Das dauert lange, bis das Märchen wahr wird, das Sie heute hier erzählt haben!)

Wir alle sollten gemeinsam über Parteipolitik hinweg an einem Erfolg arbeiten und endgültig – und das ist wirklich ein Appell an die Sozialdemokraten – effiziente und gute Sachpolitik betrei­ben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.04


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Maria Rauch-Kallat das Wort. – Bitte.

12.04


Bundesministerin ohne Portefeuille Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Herr Staats­sekre­tär! Herr Botschafter! Hoher Bundesrat! Lassen Sie mich die heutige Diskussion rund um das


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Bundesministeriengesetz zum Anlass nehmen, auch etwas zum Thema Gesundheit und Frauen zu sagen! Bei der Regierungserklärung habe ich auf Grund der zahlreichen Wortmel­dungen zu­gunsten einer zweiten Wortmeldung des Herrn Bundeskanzlers auf meine Wortmel­dung ver­zichtet, daher möchte ich jetzt ganz kurz auch Ihnen skizzieren, was das Ministerium für Ge­sundheit und Frauen, das Sie heute beschließen werden, an Initiativen und Vorhaben um­setzen möchte.

Zuerst freue ich mich ganz besonders, dass offensichtlich die Wiedereinführung eines eigenen Sach­bereiches Frauen auch im Namen eines Ministeriums so große Zustimmung findet. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass es auch in der vergangenen Legislaturperiode selbstver­ständlich die gleiche Sektion an Frauen – auch Mitarbeiterinnen, Beamtinnen – im Ministerium für Soziales und Generationen gegeben hat, dieselbe, die schon unter Johanna Dohnal, Helga Konrad und Barbara Prammer ihre Aufgabe erfüllt hat. Diese Sektion ist jetzt natürlich in das Bun­desministerium für Gesundheit und Frauen übernommen worden, zusätzlich noch mit einer Abteilung für Frauen und Arbeitsmarkt aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angele­gen­heiten – eine Kompetenzbereinigung, die meines Erachtens sinnvoll ist.

Dieses Ministerium ist kein zusätzliches. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass ein Bun­des­mi­nisterium eingespart wurde, indem die Agenden des BMöLS, des Bundesministeriums für öffent­liche Leistung und Sport, an den Bundeskanzler übergegangen sind, sodass er jetzt diese Agenden übernimmt. Das heißt, die Zahl der Ministerien ist gleich geblieben. Aber diese Teilung zwi­schen Sozialem und Gesundheit, zwischen Generationen und Frauen hat ihre Ursache na­tür­­lich auch darin, dass gerade in diesen Bereichen die großen Herausforderungen der nächsten Jahre auf uns zukommen werden. Die Diskussion rund um die Pensionsreform zeigt, dass wir insbesondere in einem zweiten Schritt, was die Harmonisierung der Pensionen an­langt, noch sehr viel Arbeit vor uns haben.

Das Ministerium für Gesundheit ist mit der Sicherung eines sehr hohen qualitativen Standards der österreichischen Gesundheitsversorgung und einem sehr niederschwelligen Zugang dazu be­fasst. Wir liegen weltweit an zweiter Stelle, was den sozialen Zugang zu medizinischen Leis­tun­gen – unabhängig von Einkommen und Alter – anlangt. Wir wollen diesen hohen Qualitäts­standard erhalten und gleichzeitig die Kosten nicht aus dem Ruder laufen lassen, das heißt, durch Strukturmaßnahmen, durch Einsparungseffekte, die aber die Patientin, der Patient nicht spüren soll und nicht spüren darf, müssen wir das System finanzierbar erhalten.

Ich denke, als ein zweiter besonders wichtiger Bereich sollte der Bereich des Gesundheitsbe­wusst­seins, der Gesundheitsförderung und der Prävention gelten, weil letztendlich in einem Land, in dem Gott sei Dank ein durchaus gutes Einkommensverhältnis, ein gewisser wohlver­dienter Wohlstand auch der älteren Generation gegeben sind, die Gesundheit und die Lebens­quali­tät an oberster Stelle des einzelnen Menschen stehen. Wenn wir in den nächsten dreiein­halb Jahren dazu beitragen können, dass die Menschen, die eine weitaus höhere Lebenser­wartung als noch vor 20 Jahren haben, diese höhere Lebenserwartung auch in guter Gesund­heit und in hoher Lebensqualität erreichen können, dann haben wir unser Ziel erreicht.

Was den Frauensektor anlangt, möchte ich ganz besonders darauf achten, dass nicht nur die im legistischen Bereich bereits erreichte Gleichstellung genügt, sondern dass wir de facto auch errei­chen, dass Frauen und Männer in Österreich tatsächlich gleiche Chancen haben. Dazu wird es noch intensiver Anstrengungen bedürfen. Das Prinzip des Gender Mainstreamings wer­den wir durch alle Politikbereiche durchziehen. Das heißt, wir werden uns als Frauenministe­rium dort, wo es notwendig ist, auch in die Politikbereiche anderer Ministerien einmischen.

Das gilt insbesondere auch jetzt hinsichtlich der Pensionen. Aber hier weiß ich mich mit Ursula Haubner eins darin, dass wir gemeinsam eine Lösung finden werden, die die Einkommens­sche­re von Frauen und Männern nicht auseinander gehen lassen wird, sondern verkleinern soll und muss. Wir werden auch auf die Anliegen aller Frauen achten, sowohl der Berufstätigen als auch derjenigen, die sich temporär oder ganz der Kinderbetreuung und der Familienarbeit oder Pflege­arbeit widmen, dass ihnen daraus keine Nachteile erwachsen dürfen.


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In diesem Sinne hoffe ich sehr auf gute Zusammenarbeit. Ich bin überzeugt davon, dass es uns gelingen wird, das österreichische Sozial- und Gesundheitssystem, das eines der besten der Welt ist, durch notwendige Maßnahmen – die nicht immer angenehm, aber dringend notwendig sind – so abzusichern, dass auch unsere Kinder und Enkelkinder noch ein qualitätsvolles Ge­sund­heitssystem und ein sicheres Pensionssystem vorfinden werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.11


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird (45/A und 28/NR sowie 6774/BR der Bei­lagen)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Natio­nal­sozialismus geändert wird (46/A und 29/NR sowie 6775/BR der Beilagen)


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird.

Es freut mich ganz besonders, dass zur Verhandlung dieser Tagesordnungspunkte der Vor­sitzende des Komitees des Österreichischen Versöhnungsfonds, Herr Staatssekretär a. D. Bot­schafter Ludwig Steiner, zu uns gekommen ist. Ich darf ihn auf das Herzlichste willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

Die Berichterstattung über die Punkte 3 und 4 hat Herr Bundesrat Gottfried Kneifel übernom­men. Ich bitte ihn darum.


Berichterstatter Gottfried Kneifel: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Botschafter! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.


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Der vollständige Wortlaut liegt Ihnen schriftlich vor, sodass ich mich auf die Antragstellung be­schränken kann.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

In weiterer Folge darf ich Ihnen den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Natio­nalsozialismus geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen vollinhaltlich vor.

Daher werde ich mich auf die Antragstellung beschränken und teile Ihnen mit, dass der Aus­schuss für Verfassung und Föderalismus nach Beratung der Vorlage am 8. April 2003 mit Stim­men­einhelligkeit den Antrag stellt, keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein das Wort. – Bitte.

12.14


Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Lieber Herr Botschafter Dr. Steiner! Wir haben im Verfassungsausschuss des Bundes­rates und zuvor im Nationalrat einstimmig beschlossen, dem Bundesrat die Verlän­ge­rung der Antragsfrist für den Österreichischen Versöhnungsfonds bis zum 31. Dezember 2003 und der Funktionsdauer des Fonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialis­mus bis zum 31. Dezember 2004 zu empfehlen. Es war in beiden Fällen nötig, die Fristen zu verlän­gern, weil man gesehen hat, dass sich die ursprüngliche Frist trotz des immensen Ein­satzes der Mitarbeiter der beiden Fonds als zu kurz für die Bewältigung der damit verbundenen Aufgaben erwiesen hat.

Der Vorsitzende der Historikerkommission, Präsident des Verwaltungsgerichtshofes Dr. Jablo­ner, der mit großem Einsatz wirkte, kann heute leider nicht an der Sitzung teilnehmen. Aber ich darf noch einmal – der Präsident hat es schon getan – dem anwesenden Vorsitzenden des Ko­mitees zum Versöhnungsfonds-Gesetz, Herrn Botschafter Dr. Ludwig Steiner, für seine enga­gierte Arbeit sehr herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bun­des­räten der SPÖ.)

Dazu darf ich noch etwas sagen: Dr. Steiner wirkte als junger Mann und Tiroler an der patrioti­schen Tiroler und österreichischen Befreiung Innsbrucks 1945 vom Nationalsozialismus und von Hitler-Deutschland mit, sodass die US-Truppen in Innsbruck und im Tiroler Landhaus be­reits von Österreichern empfangen werden konnten. Ebenfalls wirkte er persönlich 1955 in Mos­kau an Entstehung und Abschluss des Staatsvertrages mit. Ihm und auch seinem General­sekretär, Botschafter Dr. Richard Wotava, der heute leider im Ausland ist, sei für die Arbeit sehr gedankt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Nun zu den beiden Gesetzen, zuerst zum Versöhnungsfonds-Gesetz. – Wir befassen uns heute mit einer Novelle zum Versöhnungsfonds-Gesetz, einem Gesetz, mit dem Österreich einen wich­tigen freiwilligen Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung leistet. Das Versöhnungsfonds-Ge­setz stellt einen Beitrag zu dieser Bewältigung der Vergangenheit unseres Landes dar, ob­wohl vom völkerrechtlichen Standpunkt aus die Republik Österreich zu einem solchen Beitrag in kei­ner Weise verpflichtet gewesen wäre, hat doch unser Land während der Herrschaft des na­tio­nalsozialistischen Regimes als Staat nicht existiert.

Vor uns liegt der im Verfassungsausschuss des Bundesrates einstimmig gefasste Beschluss, dem Plenum des Bundesrates die Verlängerung der Antragsfrist für den Österreichischen Ver­söh­nungsfonds bis 31. Dezember 2003 und der Funktionsdauer des Fonds der Republik Öster-


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reich für die Opfer des Nationalsozialismus bis 31. Dezember 2004 zu empfehlen. Wir folgen gerne dieser einstimmigen Empfeh­lung des Ausschusses und treten für die Verlängerung der Antragsfrist und der Funktions­dauer des Österreichischen Versöhnungsfonds deshalb ein, weil die ursprünglich vor­gesehenen Fristen offenbar doch zu kurz bemessen waren, um den Fonds in die Lage zu ver­setzen, seinem Auftrag zur möglichst lückenlosen Erfassung aller potenziellen Leistungsbe­rech­tig­ten zu entsprechen.

Leistungsberechtigte in aller Welt ausfindig zu machen, stellt zweifellos eine überaus komplexe, zeit- und arbeitsintensive Aufgabe dar, hat doch der Fonds bisher die Anträge von nahezu hun­dert­tausend ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeitern aus 57 Ländern positiv abgeschlossen. Um zu diesem positiven Resultat zu gelangen, haben die Mitarbeiter des Fonds nicht nur gro­ßes Engagement, eine effiziente und unbürokratische Behandlung der Anträge der ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeiter an den Tag gelegt, sondern sich auch durch innovative Aktionen sehr erfolgreich bemüht, an Antragsteller heranzukommen, die in den Kompetenzbereich des Ös­terreichischen Versöhnungsfonds fallen. So überprüft der Versöhnungsfonds nach Herstel­lung des Einvernehmens mit der deutschen Zwangsarbeiterstiftung die Listen von Partnerorga­nisa­tio­nen der deutschen Stiftung, zumal die Erfahrung gelehrt hat, dass sich in diesen Listen auch zahlreiche Anträge ehemaliger Sklaven- und Zwangsarbeiter befinden, für die der Öster­rei­chische Versöhnungsfonds zuständig ist.

Durch diese Vorgangsweise soll verhindert werden, dass nach Abschluss der Tätigkeit des Ver­söh­nungsfonds nachträglich potenzielle Antragsteller festgestellt werden, die vom Versöh­nungs­fonds eine Leistung hätten bekommen sollen oder müssen. Dies würde nicht nur innen- und außenpolitische Diskussionen zur Folge haben, sondern auch die staatspolitische Bedeu­tung der Aktivitäten des Versöhnungsfonds vermindern.

Da bei Beziehern von Leistungen aus dem Österreichischen Nationalfonds vielfach die Meinung vorherrschte, dass eine solche Zahlung eine Leistung durch den Versöhnungsfonds aus­schlie­ße, hat der Österreichische Versöhnungsfonds an zirka 30 000 Personen, die den Österreichi­schen Nationalfonds – über den ich nachher sprechen werde – kontaktiert hatten, Schreiben ge­richtet, in denen auf die Möglichkeit einer Leistung durch den Versöhnungsfonds aufmerksam gemacht wird. Auch diese Aktion spricht dafür, dass der Österreichische Versöhnungsfonds nichts unversucht lässt, um alle nur denkbaren Leistungsberechtigten zu erfassen.

Die Aktivitäten und Leistungen des Versöhnungsfonds haben nicht nur großen Goodwill für Ös­terreich in den Herkunftsländern der Leistungsberechtigen erzeugt, sondern auch sehr bemer­kens­werte Reaktionen der Betroffenen selbst hervorgerufen. In einer Reihe von Ländern, insbe­son­dere in der Sowjetunion und im vormaligen Jugoslawien, waren die heimgekehrten Zwangs­arbeiter nicht nur sehr unfreundlich empfangen worden, sondern oft auch deshalb weiteren Verfolgungen ausgesetzt, weil sie angeblich Kriegsanstrengungen von Hitler-Deutschland ge­stärkt hätten. So wurde ihnen oft bis in die Gegenwart die Anerkennung als Opfer des Natio­nal­sozialismus versagt. Die Zuerkennung einer Leistung für diese ehemaligen Zwangsarbeiter durch den Österreichischen Versöhnungsfonds war somit zum ersten Mal auch eine Aner­kennung, dass sie als Opfer des NS-Regimes Unrecht erlitten hatten. Oft haben die mit Leistun­gen bedachten ehemaligen Zwangsarbeiter den Vertretern des Versöhnungsfonds versichert, dass für sie – neben der finanziellen Leistung – die Anerkennung als Opfer des nationalsozialis­ti­schen Regimes mitunter noch wichtiger war.

Das tragische Schicksal solcher ehemaliger Zwangsarbeiter kann wohl nicht eindrucksvoller un­ter­strichen werden als durch die Lektüre von Vernehmungsprotokollen des ehemaligen sow­jetischen Geheimdienstes NKWD, wonach Zwangsarbeiter als Feinde ihres eigenen Volkes ent­sprechend behandelt wurden, wobei eine Versendung in die berüchtigten Straflager des Gulag durchaus an der Tagesordnung war. (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus.)

In diesem Zusammenhang verdient auch die Tatsache Erwähnung, dass während der Verhand­lun­gen zum österreichischen Staatsvertrag von sowjetischer Seite niemals auch nur eine An­deutung hinsichtlich einer Entschädigungsforderung für die Zwangsarbeiter gemacht wurde,


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weil sich das Sowjetregime dieser – unter Anführungszeichen – „Unterstützer des NS-Regimes“ offenbar schämte.

Wir begrüßen die erfolgreiche Tätigkeit des Österreichischen Versöhnungsfonds als eine eminent wichtige staatspolitische Aufgabe Österreichs auf das Wärmste, stellt sie doch einen wertvollen Beitrag zur Überwindung der leidvollen Vergangenheit und zu einer festen Basis eines zukünftigen gedeihlichen Zusammenseins der Völker dar!

Als Zweites komme ich zum Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus. Auch dessen Funktionsdauer soll verlängert werden, und zwar bis zum 31. Dezember 2004. Hier gilt es, ein Wort zur Historikerkommission zu sagen. Unter dem hervorragenden fachlichen Vorsitz des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Ja­blo­ner wurde sehr viel – leider in Österreich erst sehr spät – aufgearbeitet. Dabei geht es um zahlreiche geraubte Güter, vor allem solche von jüdischen Staatsbürgern Österreichs.

Aus dem vor etlichen Wochen präsentierten und überall beachteten Bericht, wonach es meist symbolische Aktionen sind, die Österreich und seine Regierung mit dem Fonds und den beiden Gesetzen gesetzt haben und setzen, lässt sich heute keine endgültige Meinung bilden und kein end­gültiges Urteil über Österreichs Taten bezüglich der Entschädigungsleistungen in den letzten fast 60 Jahren fällen. Eine zahlenmäßige Aufstellung der Entschädigungen und Rück­stel­lungen ist leider nicht wirklich möglich, und zwar allein schon deshalb, weil dies wis­sen­schaftlich und technisch gar nicht zu leisten ist. In Deutschland wurde mit diesen Rückgaben teil­weise bereits unmittelbar nach Ende des Krieges begonnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Etwas ist jedoch durch die Historikerkommission begonnen wor­den, nämlich ein Paradigmenwechsel, der Folgendes klar aufzeigt: Die Meinung, Österreich ha­be schlechthin alles wieder gutgemacht, und in dieser Sache sei längst alles erledigt, kann sicher nicht aufrechterhalten werden – aber ebenso wenig das Vorurteil, Österreich habe in Sa­chen Entschädigung und Rückstellung gar nichts unternommen. Es hat unternommen!

Mit dem Bericht, mit dem Gesetz und der unermüdlichen Arbeit der Historikerkommission sowie auch des Komitees des Versöhnungsfonds unter dem Vorsitz von Botschafter Dr. Ludwig Stei­ner haben wir einen wesentlichen Teil an Selbstaufklärung betrieben, sind tätig geworden und sind um einen weiteren Schritt einer modernen, selbstbewussten Gesellschaft näher gekom­men. Damit haben wir den Schritt in das Europa getan, das jetzt im EU-Bereich Gott sei Dank auch alle diejenigen einschließt, die damals untereinander diese Schwierigkeiten hatten. – Ich dan­ke sehr. (Allgemeiner Beifall.)

12.26


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Dr. Elisabeth Hlavac das Wort. – Bitte.

12.26


Bundesrätin Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­se­kre­tär! Herr Botschafter – ich freue mich, dass Sie heute bei uns sind! Sehr geschätzte Damen und Herren! Kollege Liechtenstein hat schon sehr viel gesagt, das mir auch aus der Seele ge­sprochen ist. Ich kann mich daher kurz fassen.

Ich möchte für meine Fraktion betonen, dass wir die Maßnahmen, die heute beschlossen wer­den beziehungsweise gegen die wir keinen Einspruch erheben werden, sehr begrüßen, weil dadurch sichergestellt werden soll, dass noch möglichst viele Anspruchsberechtigte zeitgerecht ihre Ansprüche erheben können und dass alle Fälle auch zeitgerecht abgeschlossen werden kön­nen.

Ich habe in der vergangenen Gesetzgebungsperiode die Ehre gehabt, dem Kuratorium des Ver­söhnungsfonds angehört zu haben, und kenne daher, so glaube ich, die Problematik recht gut. Trotz der ausgezeichneten und engagierten Arbeit der Fondsmitarbeiter, trotz der ständigen Me­­dienarbeit und des immer wiederkehrenden Versuchs, die Arbeit des Fonds und die An-


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spruchsberechtigungen publik zu machen, ist es unerhört schwer, zu allen ehemaligen Zwangs­ar­bei­tern, die noch am Leben sind, vorzudringen. Obwohl wir schon des Öfteren geglaubt ha­ben, dass jetzt eigentlich schon jeder Betroffene und jede Betroffene wissen müsste, dass es diesen Fonds gibt und dass sie Ansprüche erheben können, hat sich doch bei jeder neuerlichen Berichterstattung immer wieder gezeigt, dass sich neue Anspruchsberechtigte gemeldet haben, die bis dahin noch nichts von dem Fonds gehört hatten.

Das heißt, es ist immer wieder wichtig, an die Öffentlichkeit zu gehen und zu informieren. Der Fonds und die Mitarbeiter haben das auch in vorzüglicher Weise getan. Da es sich ja zum Groß­teil um sehr alte Menschen handelt, konnte man prima vista nicht davon ausgehen, dass sie die Medienberichterstattung aufmerksam verfolgen. Außerdem hat sich die Bearbeitung der Anträge, die bei der russischen Partnerorganisation eingebracht wurden, aus Gründen, die nicht von österreichischer Seite zu verantworten sind, verzögert. Es wurde daher vom Kuratorium die Antragsfrist um zehn Monate verlängert. Dementsprechend wird jetzt die Antragsfrist noch wei­ter verlängert, nämlich bis zum 31. Dezember 2003, und die Funktionsdauer des Fonds selbst wird bis zum 31. Dezember 2004 verlängert.

Neben den genannten Fällen ist bei der Durchsicht von Listen zweier Partnerorganisationen der deutschen Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ entdeckt worden, dass für be­stimmte Anträge der Österreichische Versöhnungsfonds zuständig ist. Es ist anzunehmen, dass auch bei anderen Anträgen noch eine österreichische Zuständigkeit zu Tage treten wird. Außer­dem zeigt sich, dass auch Personen, die bereits Leistungen vom Nationalfonds erhalten haben, gegenüber dem Versöhnungsfonds anspruchsberechtigt sind.

Das, was ich über die Anspruchsberechtigten des Versöhnungsfonds gesagt habe, trifft auch für jene des Nationalfonds zu. Zahlreiche Opfer des Nazismus konnten ihre Anträge nicht bis zum 22. Februar 2002 geltend machen. Es ist in unserem Sinne, dass möglichst viele der Menschen, die unermessliches Leid durch den Nazismus erfahren mussten, in den Genuss dieser be­scheidenen Wiedergutmachung kommen – auch wenn wir wissen, dass diese Wiedergut­ma­chung, wie gesagt, bescheiden ist, dass es sich mehr um eine symbolische Geste handelt.

Herr Botschafter Steiner! Da Sie heute anwesend sind, was mich, wie gesagt, sehr freut, möch­te ich die Gelegenheit dazu nützen, im Namen meiner Fraktion Ihnen, natürlich aber auch Herrn Generalsekretär Botschafter Wotava und allen Mitarbeitern sehr herzlich für die bisherige Arbeit zu danken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Diese Aufgabe ist so wichtig für Österreich, nicht nur für unsere Reputation im Ausland, sondern auch für unser eigenes Selbstverständnis. Und es ist gut, zu wissen, dass diese Aufgabe in gu­ten Händen ist.

All das, was ich zum Versöhnungsfonds gesagt habe, lässt sich auch zum Nationalfonds sagen. Auch Frau Dr. Lessing und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gebührt unser herzlichster Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es ist wichtig, dass die Menschen, denen so vieles angetan wurde, tatsächlich ausgeforscht wer­den können, damit sie ihre Entschädigungen bekommen. Ich weiß, dass mit großer Sorgfalt, Seriosität und größtem Engagement gearbeitet wird, und darf daher im Namen meiner Fraktion für alles, was da geleistet wird, sehr herzlich danken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus.)

12.32


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile ihm das Wort.

12.32


Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Botschafter! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Meine Fraktion wird den beiden Gesetzesvorlagen gerne die Zustimmung erteilen; das gerade deshalb, weil wir die Aufarbeitung des historischen Unrechts auf unserem Boden als


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grundsätzliches politisches Anliegen sehen. Das war nicht nur Gegenstand des Programms der letzten Bundesregierung, sondern ist in der letzten Gesetzgebungsperiode durchaus auch in die Tat umgesetzt worden. Das gilt eben für diese beiden Gesetze, das Versöhnungsfonds-Gesetz und das Nationalfondsgesetz, die wir heute novellieren wollen.

Für uns waren sie schon deshalb unabdingbar, weil wir vom sittlichen Prinzip des Kantschen ka­te­gorischen Imperativs ausgehen. Wenn wir selbst in Bezug auf die Vertreibung der Volks­deutschen fordern, dass sie nicht folgenlos und ungesühnt bleiben kann, so müssen wir auch unsere eigenen historischen Hausaufgaben an Unrechtsbewältigung erledigen.

Gerade darauf habe ich bei unserem jüngsten Besuch im Rahmen einer österreichischen Parla­mentarierdelegation, der auch Herr Kollege Konecny angehört hat, in Prag hingewiesen, um dort unsere Anliegen zu fördern.

Auch wir in Österreich haben schmerzvoll erfahren, dass man sich von den Fehlern und von der Schuld in der eigenen Vergangenheit nicht folgenlos verabschieden kann. Wir waren bemüht, im Rahmen des heute noch Möglichen das uns zurechenbare historische Unrecht wenigstens materiell und in gewissen Grenzen auch ideell zu bewältigen. Und genau das erwarten wir auch von unseren Nachbarn bezüglich des Unrechts an unseren Vertriebenen und Enteigneten.

Wenn wir heute das Versöhnungsfonds-Gesetz novellieren und die verlängerten Fristen für den Fortbestand des Kuratoriums und sein Wirken beschließen, so erklärt sich das aus seinen Schwierigkeiten, seine Aufgaben zeitgerecht zu erfüllen.

Sosehr sich nämlich das Kuratorium des Österreichischen Versöhnungsfonds auch angestrengt hat, alle in den Zuständigkeitsbereich des Gesetzes fallenden und daher potenziell anspruchs­be­rechtigten ehemaligen Zwangsarbeiter zu erfassen und die tatsächlich eingelangten Anträge bis zum ursprünglich geplanten Endtermin, dem 27. November 2003, zu erledigen, so wenig konnte das aus faktischen Hinderungsgründen gelingen. Darüber haben auch meine Vorredner schon sehr ausführlich und eindringlich gesprochen.

Bereits in der Sitzung des zuständigen Ausschusses des Bundesrates haben uns der Vorsitzen­de des Komitees, Herr Botschafter Dr. Ludwig Steiner, der uns auch heute die Ehre seiner An­we­sen­heit gibt, und der Generalsekretär, Herr Botschafter Dr. Wotava, denen für ihr En­ga­gement Dank und höchste Anerkennung gebühren, die Schwierigkeiten dargelegt, die es schon bei der Ermittlung und faktischen Erreichung des vom Versöhnungsfonds-Gesetz ange­spro­chenen Personenkreises gab.

Die Schwierigkeiten reichen – auch das wurde heute schon vom Kollegen Liechtenstein ange­sprochen – von in der Vergangenheit gelegenen ideologischen Vorbehalten der Heimatstaaten gegen­über ihren eigenen repatriierten Zwangsarbeitern, vor allem in der Sowjetunion und in Ju­goslawien, bis zu eher pragmatisch bedingten Informationsproblemen, die mit medialen Pro­blemen und der Altersstruktur der betroffenen Opfer zusammenhängen.

Allein diese Umstände rechtfertigen es, die Antragsfrist, die sonst mit 27. September 2003 auslaufen würde, bis 31. Dezember 2003 zu verlängern. Ich hoffe, dass sie ausreicht und habe meine diesbezügliche Besorgnis auch im Ausschuss dargelegt.

Entgegen dem verfehlten Argument im Ausschussbericht hat das an sich mit der Verlängerung der Funktionsdauer für das Kuratorium des Österreichischen Versöhnungsfonds selbst unmittel­bar nichts zu tun, denn diese erscheint ausschließlich aus dem bereits erwähnten Grund geboten, dass auch nicht alle derzeit bereits gestellten Anträge bis zum 27. November 2003 bearbeitet und mit Auszahlung erledigt werden können.

Es sind immerhin 98 000 Anträge bearbeitet und erledigt worden, allerdings von 115 000 einge­langten. Sie schlüsseln sich in etwa so auf, dass aus der Ukraine etwa 37 000 Antragsteller betroffen waren, aus Polen etwa 18 000, aus Russland und der Tschechischen Republik je 10 000, aus Frankreich zirka 5 000 – und eine entsprechende Quote noch potenziell betroffener


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Opfer wird zu erwarten sein. Deshalb bedarf es also beider Maßnahmen: sowohl der Verlän­gerung der Funktionsdauer des Fonds als auch der Verlängerung der Antragsfrist.

Was die Frist zur Geltendmachung von Leistungsberechtigten anlangt, gilt das zum Versöh­nungs­fonds-Gesetz Ausgeführte noch mehr für das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Re­publik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus. Mit ihm sollte bekanntlich eine seit 1947 bestehende Lücke in bestimmten Teilbereichen der Restitutions- und Entschädigungs­gesetzge­bung geschlossen werden. Dabei geht es um eine Regelung zur Abgeltung von Vermögensver­lusten in den Kategorien Bestandsrechte an Wohnungen und gewerblichen Geschäftsräumen, an Hausrat und an persönlichen Wertgegenständen. Die daraus resultierenden Ansprüche sollten ursprünglich innerhalb eines Jahres ab In-Kraft-Treten, dem 23. Februar 2001, erhoben und gegenüber dem Fonds glaubhaft gemacht werden.

Sofern aber der Fonds nicht bereits über entsprechende Unterlagen verfügte, war es zahlrei­chen Opfern des Nationalsozialismus aus unterschiedlichen, auch schon angesprochenen Grün­den nicht durchwegs möglich, ihre Leistungsberechtigung bis zum Ablauf dieser Fallfrist, also bis zu diesem Endtermin, geltend zu machen.

Deshalb erscheint es als Gebot der Gerechtigkeit, die an sich abgelaufene Frist wieder zu er­öffnen und bis zum 31. Dezember 2004 zu verlängern; das umso mehr, als die bislang nicht aus­ge­schöpften Mittel des Nationalfonds ohnehin nicht verfallen und dem Fiskus zufließen, son­dern nach ihrer Widmung dem geschädigten Personen- und Opferkreis erhalten bleiben sollten. Dann gebührt meines Erachtens jedoch im Zweifel der Entschädigung eines individuellen Op­fers allemal der Vorrang gegenüber einem kollektiven Ausgleich.

Aus all diesen Erwägungen stimmt meine Fraktion beiden Gesetzesvorlagen zu. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.40


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Walter Grasberger. Ich erteile ihm das Wort.

12.40


Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzter Herr Botschafter! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kolle­gen aus dem Bundesrat! Nach meinem schweren Verkehrsunfall hatte ich die Gelegenheit, ein­mal an einem Wien-Spaziergang teilzunehmen – den würde ich jedem empfehlen, wenn er die Zeit dafür einmal aufbringt –, es war „Das jüdische Wien einst und jetzt“. Eine Historikerin hat dabei qualitativ höchstwertige Aussagen getroffen. Das ist ein Grund dafür, dass ich mich zu diesem Gesetz heute hier namens der ÖVP-Fraktion zu Wort gemeldet habe.

Eine Kernaussage dieser Historikerin war: Es wurde Jahrzehnte hindurch immer nur von Wie­dergutmachung geredet, und erst diese Bundesregierung setzt tatsächlich Schritte, die auch Gewicht haben. Sie nannte dann ein Beispiel und sagte: Es kann durchaus vorkommen, dass Sie ins Kunsthistorische Museum gehen und nach einem Gemälde Ausschau halten, dieses aber nicht mehr an der gewohnten Stelle finden, weil es zurückgestellt wurde an die Erben der ur­sprünglichen Eigentümer, an Menschen, die zu Recht dieses Eigentumsrecht ausüben können. – Ich meine, das sagt mehr als viel, was man über das Gesetz noch erklären könnte.

Der zweite Grund dafür, dass ich mich heute hier zu Wort gemeldet habe, ist, dass ich mich na­mens der ÖVP-Bundesräte, die das Bundesland Niederösterreich stellt, von Ihnen verab­schie­den möchte. Es wird bei der nächsten Plenarsitzung eine besondere Situation eintreten: Auf Basis des Wahlergebnisses in Niederösterreich werden sieben neue Persönlichkeiten auf ÖVP-Seite zur Angelobung anstehen. Ich bitte Sie – ich darf mir das hier herausnehmen –, diese neuen Kolleginnen und Kollegen dann in der gewohnten freundlichen Weise aufzunehmen.

Kollege Bundesrat Ledolter und Kollege Bundesrat Preineder werden – nach heutigem Stand der Dinge – in den Nationalrat übersiedeln. Kollege Bundesrat Hensler wird in den Landtag über­siedeln. Kollege Bundesrat Mayr wird einen Dienst im Rahmen des Landes Niederöster-


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reich antreten. Kollegin Aburumieh und ich werden als Mandatsträger aus der Politik ausschei­den.

Ich möchte aber nicht gehen, ohne Ihnen zumindest in ein paar Sätzen zu sagen, was ich in den vergangenen fünf Monaten an Schattenseiten des Lebens kennen gelernt habe, und zwar im Rehab-Zentrum Weißer Hof, von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt hervorragend ge­führt, gemeinsam mit 200 Schwer- und Schwerstversehrten. Ich habe an einem Behinderten­projekt mitgearbeitet und arbeite auch weiterhin daran mit.

Ich möchte Ihnen übermitteln, dass Sie in Ihrer politischen Tätigkeit diese zahlenmäßig nicht über­wältigend große Gruppe nicht übersehen dürfen. Es sind zumeist Menschen, die durch einen schweren Unfall in eine neue Situation des Lebens geraten sind – in eine völlig neue, es ist fast nichts mehr so, wie es vorher war. Zu den körperlichen Beeinträchtigungen kommen star­ke – das hätte ich früher nie so stark angenommen, wie ich es dann dort erlebt habe – psychi­sche Probleme. Es geht um die Fragen: Wohin geht mein Weg? Wie wird mein Arbeit­ge­ber reagieren? – Nicht selten kommt es vor, dass nach einem schweren Unfall relativ schnell der blaue Brief kommt.

Ich habe – auch das hatte ich unterschätzt – bei vielen Verunfallten erleben müssen, dass nicht nur Freunde verloren gehen, sehr oft in Massen, sondern auch Ehen, Lebenspartnerschaften in die Brüche gehen.

Ich habe in vielen Gesprächen mit Verunfallten auch erleben müssen, dass die Frage nach dem Sinn des Lebens gestellt wird. Ich möchte es jetzt kurz machen und bitte alle Mitglieder dieses Hauses, bei ihrer künftigen politischen Arbeit – ich nenne nur das Schlagwort „Unfall­renten­be­steuerung“ – auf diese Dinge Rücksicht zu nehmen und eine Lösung zu finden, die erträglich ist.

In dem Behindertenprojekt, an dem ich nach wie vor mitwirke – es wird vom Bundesland Wien über den Österreichischen Zivilinvalidenverband betrieben –, geht es konkret um die Frage: Wel­chen Sinn kann ein Querschnittgelähmter in der Gesellschaft finden? – Ich möchte aus­drücklich betonen: Das soziale Netz ist sehr eng; das heißt, wir haben – international gesehen – ein sicher sehr engmaschiges soziales Netz, aber Geld ist für einen Querschnittgelähmten nicht das Allerentscheidendste, sondern es geht um die Frage: Wo finde ich mich sinnvoll in der Gesellschaft wieder eingebracht?

In diesem Zusammenhang möchte ich – gestatten Sie mir das bei meiner letzten Rede – einige Per­s­onen namentlich erwähnen: Ich beginne mit Therapeutinnen am Weißen Hof: Frau Gschoss­mann, Frau Haas, Frau Klein, die viel mehr machen, als sie beruflich eigentlich tun müssten, und die – das möchte ich auch sagen – immer wieder psychisch sehr stark gefordert sind, und das bei einem verhältnismäßig schwachen Verdienst.

Ein ausgezeichneter Herr Dr. Linder führt dort die psychologische Beratung von Schwerstver­unfallten in bestmöglicher Form durch. Für viele steht die Frage im Raum: Warum ist das ge­schehen, und wie geht es weiter?

Die Stationsoberschwester Martha Ebner schafft es mit ihrer mütterlichen Art immer wieder, dass die Patienten untereinander ein gutes Einvernehmen haben.

An der Spitze steht Primarius Dr. Schrei, er und sein gesamtes Ärzteteam leisten wirklich her­vor­ra­gende Arbeit für die Versehrten.

Ich möchte am Schluss meiner Rede, nachdem ich Bücher liebe, aus einem Buch zitieren: Jörg Mauthe, „Nachdenkbuch für Österreicher, insbesondere Austrophile, Austromasochisten, Austro­­phobe und andere Austriaken“. Unter dem Titel „Die neun Geschwister“ sind die neun Bundesländer meiner Ansicht nach sehr typisch beschrieben. Und wenn Sie jetzt genau auf­passen, dann werden Sie sicher bemerken, welche Charakteristika Mauthe für Ihr jeweiliges Bundesland, von dem Sie als Mandatar entsandt sind, gefunden hat.


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„Man könnte Österreich auch einmal als eine Familie von neun Geschwistern betrachten:

Eines hat, weil das Schicksal oder die Geschichte es so wollte, die Führungsrolle und damit einen Haufen Scherereien übernommen;

ein anderes“ – von Wien springen wir jetzt nach Niederösterreich – „dient dem ersten brav und bie­der und betrauert nur leise und gelegentlich den Verzicht auf ausgeprägte Eigenidentität;

eines“ – Steirer, bitte aufpassen! – „findet Vergnügen daran, dem ersten gelegentlich das Haxel zu stellen oder einen Puff zu versetzen und dann so zu tun, als wär’s ein Zufall gewesen;

das vierte“ – Oberösterreich – „arbeitet tüchtig vor sich hin, fühlt sich über das zweite“ – nämlich Niederösterreich – „erhaben und nimmt dem ersten“ – Wien – „prinzipiell alles übel;

das fünfte“ – Burgenland – „fühlt sich vom zweiten und dritten über die Schulter angesehen und setzt alles daran, vom ersten ernst genommen zu werden;

das sechste“ – Salzburg – „ist die Schönheit der Familie, neigt aber dazu, schlecht aufgelegt zu sein;

das nächste“ – Kärnten – „ist das fröhlichste von allen, aber so unzuverlässig, daß es alle an­deren oft an den Rand der Verzweiflung bringt“ (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ) „;

das achte“ – Tirol – „hingegen bringt das Kunststück zuwege, zugleich überheblich gegen jedes ein­zelne und loyal gegen das Ganze zu sein.“ (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.) – Gegen das Ganze zu sein!

Eines fehlt noch – Jörg Mauthe schreibt: „Ich habe mich gehütet, die Namen der Geschwister zu nen­nen; der Leser mag sie selbst erraten. Aber daß es in jedem Familienverband einen Nach­züg­ler gibt, der, weil er der Kleinste ist, besondere Tüchtigkeit entwickelt und den anderen ge­gen­über besonders hartnäckige Individualität an den Tag legt, wird jedem, der sich ein wenig auf Gruppenpsychologie versteht, ebenso klar sein, wie daß es sich dabei nur um Vorarlberg han­deln kann.“ (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich danke Ihnen für die neuneinhalb Jahre, in denen ich in diesem Kreise mitwirken durfte, und ich wünsche Ihnen – über alle Parteigrenzen hinweg – das, was Präsident außer Dienst Scham­beck immer wieder sagte: Es kommt bei jedem Bundesrat nicht so sehr auf das Gewicht des Mandates an, sondern darauf, was jede Persönlichkeit aus diesem Bundesratsmandat macht. Ich wünsche Ihnen – egal, in welchem Bereich Sie jetzt gerade tätig sind, welcher Fraktion Sie an­gehören; Sie haben eine Rolle in einer Gesellschaft zu erfüllen –, dass Sie dieses Mandat zur Zu­friedenheit vor allem der Wählerinnen und Wähler, die Ihnen das Vertrauen geschenkt ha­ben, und zum Wohle der föderalistischen Republik Österreich ausüben können. – Ich danke Ihnen und verabschiede mich hiemit. (Lang anhaltender allgemeiner Beifall. – Die Bundesräte von ÖVP und SPÖ erheben sich dabei von ihren Plätzen.)

12.52


Vizepräsident Jürgen Weiss: Meine Damen und Herren! Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es aus einem solchen Anlass jemals Standing Ovations für eine Rede gegeben hätte. Das zeigt aber auch, wie sehr sie uns nahe gegangen ist.

Ich möchte dir, lieber Walter, stellvertretend für alle ausscheidenden Kolleginnen und Kollegen aus Niederösterreich, ein herzliches Wort des Dankes sagen. In besonderer Weise gilt das dem aus­scheidenden Ordner Walter Grasberger, der ungeachtet seiner schmerzhaften Unfallfolgen mit einer bewundernswerten Disziplin seine Aufgabe bis zur heutigen Sitzung versehen hat, in einer beispielhaften Form der Pflichterfüllung. Seinem Pflichtbewusstsein entspricht es auch, dass er mit den von ihm dargelegten Hinweisen und Anliegen in unserer Arbeit weiterleben möch­te. Wir können dir – neben allen guten Wünschen – nicht mehr mit auf den Weg geben, als dass wir das beherzigen und fortsetzen wollen.


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Noch einmal herzlichen Dank und alles Gute, Gottes Segen für die Zukunft! (Allgemeiner Bei­fall.)

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

12.54


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Meine Herren Staatsse­kretäre! Ich begrüße den Herrn Botschafter auch als Staatssekretär. Ich habe mich eben weise gemacht: Er war zur Zeit der Regierung Klaus Staatssekretär, wahrscheinlich später auch noch einmal, aber wenn man in Österreich einmal einen netten Titel oder Dienstgrad erworben hat, soll man ihn nicht verlustig gehen lassen. In diesem Sinne meine herzliche Begrüßung.

Immerhin hat der Herr Staatssekretär – und jetzt bleibe ich beim Herrn Botschafter, damit keine Verwechslungen aufkommen – gemeinsam mit Universitätsprofessor und Präsidenten Jabloner ein epochales Werk geschaffen. Es gab dazu auch einen in der „Presse“ stattgefundenen Schrift­wechsel in Form von Leserbriefen – „Leserbriefe“ ist vielleicht untertrieben, aber es war natürlich keine Doktorarbeit von beiden, jedoch handelte es sich um bedeutende Aussagen Jabloner gegen Herrn Dipl.-Ing. Butschek.

Der eine Titel, den Präsident Jabloner geschrieben hat, lautete: Es gibt keinen historischen Schluss­strich. – Dipl.-Ing. Butschek hat nämlich einen Schlussstrich angetönt. Natürlich, in der His­torie gibt es nie einen Schlussstrich. Alexander der Große wird neu bewertet und neu ge­schrieben, die Taten oder Untaten Napoleons ebenso und so auch die letzten 50 Jahre des sehr mörderischen 20. Jahrhunderts.

Aber es gibt vielleicht trotzdem einen für diese tragische Angelegenheit materiellen Schluss­strich, und es ist wirklich Zeit, dass dieser dann auch gezogen wird. Immerhin hat schon der Staatsvertrag von Wien eine Kommission eingesetzt, die 24 Monate wirken sollte, um damit schon einen Schlussstrich zu ziehen. Das wäre 1957 gewesen. Aber bei uns in Österreich dauert manch gutes Werk etwas länger, nur jene, die es betrifft, leben oft nicht mehr, und das ist tragisch.

Vom Kollegen Liechtenstein wurde schon angesprochen, dass die Republik Österreich, ohne persönlich als Staat betroffen zu sein – ich betone: auch nicht moralisch, sondern einfach aus Anstand heraus –, gehandelt und gezahlt hat. Die Zahlen lassen sich nicht ganz fixieren, aber ich glaube, im Jahr 1992 – vielleicht war es im Jahr 1993 – hat der österreichische Botschafter in Tel Aviv, Kröll, einen Bericht an das Außenamt geschrieben, in dem stand, dass der öster­reichische Steuerzahler damals rund 300 Milliarden Schilling für, global gesprochen, Wieder­gutmachung geleistet hat.

Es ist schon sehr zweckmäßig, wenn wir für diesen Opferbereich den Schlussstrich ziehen, der nicht historisch gemeint ist, sondern materiell, und das soll dann Ende nächsten Jahres sein.

Seit die Freiheitlichen in der Bundesregierung sind, hat sich auf diesem Gebiet doch einiges ge­tan, was andere Regierungen vorher nicht wahrgenommen haben. Es ist das Thema der Zwangs­arbeiter behandelt worden; es ist das Thema der Restitution an die Juden besprochen wor­den und zu Gesetz geworden. Und es wurde erfreulicherweise, aber nicht so gewichtig in der Schilling- oder Euroquantität, das Thema der Kriegsgefangenen angesprochen, und man hat ihnen auch einen Ehrensold zukommen lassen. Es ist erfreulich, dass sich dieses Hohe Haus – spät, sehr spät für alle Betroffenen – mit dem Thema beschäftigt.

Vor wenigen Tagen ist mir ein Interview in der „Presse“ aufgefallen, in dem Professor Rathkolb ein Gespräch wiedergibt, welches einen gewissen Hinweis darauf gibt, warum es so lange dauert.

Er schreibt: „Es gibt ein Schlüsseldokument. Karl Renner hat nach ersten Gesprächen mit sow­je­tischen Offizieren, bevor er Staatskanzler wurde, eine Denkschrift verfasst, in der er sich auch mit der Frage der Entschädigung auseinander gesetzt hat. Seine Zielrichtung ist die der Zweiten Republik, die er vorgegeben hat, noch ehe es eine provisorische Regierung gab: Die Rückkehr


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der Juden muss verhindert werden. Keine Restitution eins zu eins, sondern einen anonymen Fonds, damit nur ja niemand zurückkommt.“

Es ist erstaunlich, dass im Frühjahr 1945 – die erste Staatsregierung gab es, glaube ich, im Mai oder schon im April, ich weiß es nicht mehr, aber in dieser Zeit wird es wohl gewesen sein – Ren­ner diese Aussage gemacht hat und dass man sie jetzt durch Rathkolb zur Kenntnis bekommt.

„Der Wiener Philosoph Burger – er wird in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zitiert – „pole­mi­siert seit einiger Zeit gegen die in Österreich wie in Deutschland vorherrschende Neigung, per­manentes Erinnern an schreckliche Verbrechen zur öffentlichen Pflicht zu machen. Burger for­dert statt dessen mildes, heilsames Vergessen.“

Ich bin nicht für das Vergessen, aber das soll jeder für sich selbst entscheiden. Ich glaube, man sollte nicht so sehr einen Staatskult daraus machen, was miserabel in unserer Geschichte ver­lau­fen ist. Man soll es nicht vergessen, jeder soll es so halten, wie er will – weniger Staats­kult!

Wir wissen – ich sage das jetzt ausdrücklich in Richtung Sozialdemokraten und ÖVP –, dass schon zwi­schen 1933 und 1955 Zwangsarbeit geleistet werden musste. Ich glaube, allen diesen Opfern – und das ist der Punkt, bei dem ich sage, der Schlussstrich ist noch nicht zu ziehen – ge­hört gleichermaßen gedacht, alle diese Opfer gehören gleichgewichtig entschädigt. Alle, die zwi­s­chen 1938 und 1948 ihres Eigentums beraubt und vertrieben wurden, sind zu ents­chädi­gen, soweit es möglich ist, und nicht nur die eine oder die zwei Opfergruppen, die wir behan­deln. Diese Republik hat sich für alle Staatsbürger und auch ehemaligen Staatsbürger – es sind nicht mehr alle hier in Österreich, gerade die Juden sind aus guten Gründen nicht hier, sondern ausgewandert und kommen nur selten zurück – in gleicher Weise zu verwenden, und es darf meines Erachtens keine zwei Opfergruppen geben: die guten und die bösen Opfer. Ich komme vielleicht noch darauf zurück.

Wir haben gestern im Fernsehen gesehen und in der heutigen oder gestrigen „Kronen Zeitung“ ge­lesen, dass es jetzt das Feilschen – sage ich, es wird anders genannt – der Bundesländer um den ehemaligen Habsburger-Besitz, den Staatsbesitz wie den Privatbesitz, gibt. Nun wissen wir, im Jahr 1938 bekam ein Habsburger einiges zurück, um dann sehr schnell wieder vom nach­folgenden Regime enteignet zu werden. Aber diese Besitze sind noch nicht von dieser Re­publik zurückgegeben worden.

Denken wir nur an das Gelände des Philipp-Hofes! Das war ein Habsburger-Grundstück, ein Habs­burger-Haus – bedauerlicherweise ist es Anfang des Jahres 1945 durch kollaterales Bom­bar­dieren, wie man heute sagen würde, völlig kaputt gegangen. Oder denken wir an einen Turn­saal in Simmering, der dem Österreichischen Turnerbund gehörte! Er wurde auch enteignet im Zusammenhang mit dem Anschluss an das Dritte Reich. Es waren sogar vier Turnhallen! Aber Eingaben an Politiker wie Gusenbauer und Kostelka blieben entweder ohne Antwort oder wur­den mit banalen Feststellungen wie die von Kostelka beantwortet, dass in einem „sehr gut funktionierenden Rechtsstaat ... man wohl davon ausgehen kann, dass auch in dem von Ihnen angesprochenen Fall ein korrektes Vorgehen der staatlichen Stellen gegeben war.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir uns auf so etwas berufen, dann dürften wir auch heute diese Gesetze nicht beschließen, weil der Staatsvertrag von Wien gewissermaßen schon einen Schlussstrich gezogen hat. Ich meine, es ist wichtig, den Schlussstrich für alle Op­fer­gruppen in gleicher Art und Weise zu dehnen, insbesondere für jene, die noch nichts bekom­men haben, die noch immer materiell nicht entschädigt worden sind. Es ist betrüblich und schreck­­lich, was alles passiert ist, es sterben immer mehr und mehr, aber wir müssen darauf achten, dass wir die Opfer gleich behandeln.

Den Opfern von 1933 bis 1955 wird mit Kenntnissen, Erfahrungen und Dressuren aus der Zeit nach deren Tod die Ehre abgesprochen, die Lauterkeit ihrer Opfer geleugnet, und es werden die Schmerzen der Sterbenden wie der Überlebenden, die sich den Geopferten verbunden fühlen, mit Füßen getreten.


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Es gibt für mich keine bösen Opfer, außer sie sind gerichtlich nachgewiesen, und insbesondere sind die Angehörigen, egal, auf welcher Seite die Opfer gestanden haben, als wirklich Leidtra­gende zu sehen – persönlich auf Grund des Verlustes eines lieben Anverwandten, materiell auf Grund der Gegebenheiten.

Ich muss auch darauf hinweisen, dass ich vor wenigen Tagen ein Gespräch mit dem tsche­chischen Botschafter Gruša hatte. Das war eine Diskussion im privaten Bereich, bei der er auch ein bisschen über sein Leben berichtete. Natürlich konnte da nicht ausbleiben, auf mich wei­send: Na, was sagst du, Gudenus? – Darauf habe ich ihm gesagt: Die Bundesregierung stimmt ein­stimmig dafür, dass Tschechien in die EU aufgenommen wird, aber ich gehe davon aus, dass früher oder später – ich hoffe, früher – Recht und Moral deckungsgleich hergestellt wer­den. Nur das bringt eine echte moralische Rechtfertigung, wenn die Tschechen bei der EU sind.

Wir müssen auch erwähnen, dass 18 Millionen Deutsche und volksdeutsche Altösterreicher mit Wis­sen und Zustimmung der Alliierten aus ihrer angestammten Heimat vertrieben worden sind. Zwei Millionen wurden ermordet, zwei Millionen Frauen wurden vergewaltigt und Kinder ge­schändet.

Was das südliche Österreich betrifft, so kann man nach Durchsicht verschiedener Quellen da­von ausgehen, dass die Tito-kommunistische Mordmaschinerie insgesamt zumindest 300 000 zumeist unschuldige Menschen umgebracht hat. Die Tito-Partisanen haben zumindest noch bis 1949 den Anschluss halb Kärntens an Jugoslawien gefordert. Die Tito-Partisanen jetzt noch als Patrioten Österreichs zu bezeichnen ist gelinde gesagt naiv. Manche glauben es vielleicht wirk­lich, aber denen muss man einmal ein bisschen Geschichtsunterricht erteilen, wie sich die Tito-Partisanen nach dem Krieg im südlichen Österreich aufgeführt haben.

Es muss der Grundsatz gelten: Verbrechen gegen die Menschheit sind unteilbar, aber leider wird, wie ich vorher schon angedeutet habe, dieser Grundsatz nicht befolgt, er wird mit Füßen getreten.

So strahlte zum Beispiel der ORF im April vergangenen Jahres ein Partisanen-Heldenepos im Fern­sehen aus, das mit keinem einzigen Wort die vielen, hunderttausendfachen Mordtaten der Tito-Partisanen erwähnte, was in Kärnten zu massiven Protesten führte, die quer durch alle im Landtag vertretenen Parteien gingen.

Wir sollten nicht länger bereit sein, für Verbrechen, die wir nicht begangen haben und daher auch nicht zu verantworten haben, ewig Sühne zu leisten, und insofern ist mit dem heutigen Ge­setz ein Schlussstrich unter diese Dinge gezogen worden.

Jetzt gilt es, das an allen Menschen begangene Unrecht zu dokumentieren, umfassend und bis in das kleinste Detail hinein, unter Einsatz der modernsten Einrichtungen der Massenkommuni­kation.

Der Kärntner Heimatdienst unter seinem sehr rührigen Obmann Josef Feldner verwendet sich sehr dafür und hat mit einer Filmdokumentation über die Partisanen-Verbrechen den Anfang gemacht. Der Filmtitel lautet: „Die glühende Lava des Hasses“. Ich habe den Film gesehen und muss sagen, er ist erschütternd. Leider Gottes wird diese Dokumentation nicht im Fernsehen ge­bracht, und die Frau Bundesministerin für Unterricht hat es bislang noch nicht zugelassen, dass diese Dokumentation auch in den Schulen vorgeführt wird – möglicherweise weil die Darstellungen zu drastisch sind.

Es gibt also auch für uns ein moralisches Recht, zu verlangen, den Schlussstrich zu ziehen unter die heuchlerische, weil absolut unkritische Partisanen-Verherrlichung.

Ich habe vorher den Philipp-Hof erwähnt: Professor Chorherr von der „Presse“ hat heuer wie­der­um darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Grundstück um ein vergessenes Massen­grab handelt. Die sterblichen Überreste von rund 300 Personen befinden sich noch immer unter dem Hrdlicka-Denkmal hinter dem Hotel Sacher. Die durch einen Bombenvolltreffer Verschütte­ten wurden damals nicht geborgen, es waren die Möglichkeiten im Frühjahr 1945 nicht vor-


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handen, die in diesem Luftschutzkeller Befindlichen zu bergen; es befanden sich auch einige Bekannte meiner Eltern darunter. Die Klopfzeichen sind noch manchen, die es erlebt haben, in den Ohren hängen geblieben, aber es war nicht möglich, diese Menschen herauszuholen.

So glaube ich, dass diese Opfer des Zweiten Weltkrieges, die Bombenopfer, die Opfer der Ver­treibung, die Opfer in den Lagern, eine Würdigung durchaus notwendig haben. Ich bedaure es daher, dass die am 5. Mai stattfindende Gedenkveranstaltung eine Gedenkveranstaltung nur für einen Teil der Opfer ist. Wir sollten in unserer Distanz zur Vergangenheit so weit sein, aller Opfer der schrecklichen Zeit zwischen 1933 und 1955 zu gedenken. Nur dann haben wir die Ge­schichte aufgearbeitet! – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.11


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bundesgesetz über äuße­re Rechtsverhältnisse der orientalisch-orthodoxen Kirchen in Österreich (Orientalisch-orthodoxes Kirchengesetz; OrientKG) (8 und 31/NR sowie 6776/BR der Bei­la­gen)


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der orientalisch-orthodoxen Kirchen in Österreich.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Josef Saller übernommen. Ich bitte ihn darum.


Berichterstatter Josef Saller: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissen­schaft und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 26. März 2003 betreffend ein Bun­desgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der orientalisch-orthodoxen Kirchen in Öster­reich (Orientalisch-orthodoxes Kirchengesetz; OrientKG).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich kann daher auf die Verlesung verzichten.


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Der Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 8. April 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche um Einleitung der Debatte und Abstimmung.


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich unterbreche nunmehr die Sitzung bis 14 Uhr zur Behandlung der an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen gerichteten dringlichen Anfrage.

(Die Sitzung wird um 13.13 Uhr unterbrochen und um 14.03 wieder aufgenommen.)


Präsident Herwig Hösele: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Professor Albrecht Konecny und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend massive Benachteiligungen für Frauen durch die geplante Pensionsreform der Bundesregierung (2065/J-BR/03)


Präsident Herwig Hösele: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung der dringlichen Anfrage der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich begrüße neben dem Herrn Vizekanzler auch die anwesende Frau Bundesministerin Maria Rauch-Kallat und erteile nunmehr Herrn Bundesrat Professor Albrecht Konecny als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

14.04


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Bun­des­ministerin! Meine Damen und Herren! Wir haben den Termin dieser Bundesratssitzung ger­ne zum Anlass genommen, zu einer Frage, die buchstäblich für jede Österreicherin und für jeden Ös­terreicher von ganz zentraler Bedeutung ist, eine dringliche Anfrage zu stellen. Es ist not­wendig, einerseits das, was im Begutachtungsentwurf der Bundesregierung enthalten ist, ganz klar in seinen verheerenden Auswirkungen auf das Leben von Millionen Österreicherinnen und Österreichern herauszuarbeiten und gleichzeitig auch den Appell zu unterbreiten, nach anderen Lösungen für ein zweifellos bestehendes Problem zu suchen.

Ich schicke eines voraus: Es ist keine Frage, dass angesichts einer in höchstem Maße notwen­di­gen und verständlichen Entwicklung, die mehr junge Österreicher und Österreicherinnen in lan­­ge und Jahre kostende Ausbildungsgänge bringt und die natürlich die Folge hat, dass die


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Men­­schen später ins Berufsleben eintreten, und angesichts einer ebenso erfreulichen Ent­wicklung, dass unsere Bevölkerung in zunehmendem Maße auf einen langen Lebensabend hof­fen kann, das Durchschnittsalter, das die Menschen erreichen werden, steigt, dass wir also in einer solchen Situation nicht einfach sagen können, ein System, das sich über Jahr­zehnte bewährt hat, wird ohne Veränderung weiter gute Dienste leisten.

Wenn wir es mit kürzeren Beitragszeiten und – ich füge hinzu – mit völlig neuartigen und viel­fach gebrochenen Berufsverläufen zu tun haben, die auch zu Versicherungslücken führen kön­nen, und wenn die Zeit des Pensionsempfangs völlig unabhängig von einem möglichen Früh­pensionsalter einfach durch die höhere Lebenserwartung steigt, dann ist ein solches System an diese neue Herausforderung anzupassen.

Gleichzeitig haben wir eine nahezu 100-jährige – wenn ich die Vorformen dazunehme – Ge­schichte der kollektiv organisierten Altersversorgung in Österreich, und es ist ein guter Grund, eine solche Reform zum Anlass zu nehmen, Systeme, die jedes für sich eine eigene Geschichte haben, zu harmonisieren und zu einem einheitlichen und gemeinsamen System zu verdichten. Daran ist keine Kritik zu üben.

Diese Einsicht hat, soweit ich das erkennen und mich richtig erinnern kann, jede der Parteien im vergangenen Nationalratswahlkampf unterstrichen. Ich glaube, dass diese Aufgabe – allerdings nur die Aufgabe – gemeinsamer Wissensstand aller politischen Kräfte – nicht nur der politischen Par­teien, sondern auch der Sozialpartner und der großen gesellschaftlichen Organisationen dieses Landes – ist.

Aber genau an diesem Punkt bricht die Einheitlichkeit ab. Die Bundesregierung versucht, den Eindruck zu erwecken – nach ihren eigenen Zahlen im Übrigen völlig zu Unrecht –, dass es da ge­wissermaßen um Minuten geht. Wir haben im letzten Jahrzehnt oder in den letzten acht Jah­ren an den Pensionssystemen eine Reihe von Veränderungen vorgenommen. Wie es halt bei Pen­s­ionsgesetzesänderungen so ist, treten die Wirkungen nicht am Tag nach dem In-Kraft-Treten eines solchen Gesetzes ein.

Wenn ich eine Steuer, welche auch immer, erhöhe oder senke, dann treten die Wirkungen am Tag nach dem In-Kraft-Treten ein, weil die Menschen mehr oder weniger Lohn- oder Einkom­men­steuer – oder was immer es ist – zahlen. Bei Gesetzen, die einfach versuchen müssen, langfristige Entwicklungen zu beeinflussen, treten die Wirkungen in ihrer vollen Stärke oft erst nach Jahren ein. Jeder, der sich mit diesem Thema beschäftigt, weiß das.

In Ihren eigenen Vorschauen ist daher zu Recht davon die Rede, dass sowohl die Bundeszu­schüsse zu den verschiedenen Pensionsversicherungssystemen als auch der gesamtgesell­schaftli­che auf das Bruttoinlandsprodukt gerechnete Faktor der Belastung durch die Pensionen in den nächsten Jahren – das ist nicht auf die nächsten 30 Jahre gerechnet – im Zurückgehen begriffen sind.

Es gibt keinen Grund für einen Hüftschuss, es gibt keinen Grund für eine Panikreaktion, und es gibt schon gar keinen Grund für Maßnahmen, die heute getroffen werden, morgen in Kraft sind und für die die Menschen keine Vorsorge treffen können.

Wer das Pensionsrecht in Österreich – natürlich auch in jedem anderen Land – verändern will, muss sich auf lange Zeiträume einstellen. Wir haben – das ist durchaus ein Beispiel, auf das ich ver­­weisen möchte – in diesem Land – wenn ich mich richtig entsinne, war es zumindest ein Zwei-Parteien-Beschluss im Parlament – im Jahre 1992 einen Beschluss gefasst, der vorsieht, das Pensionsalter von Männern und Frauen anzugleichen. 1992! Datum des In-Kraft-Tretens die­ses Bundesgesetzes: 1. Jänner 1993. In diesem Gesetz ist normiert, dass ab dem 1. Jän­ner 2019 – davon sind wir immer noch eine Weile entfernt – in jedem Jahr das Regelpensions­alter für Frauen um sechs Monate steigt, sodass am 31. Dezember 2033 ein einheitliches Pensionsalter von 65 Jahren erreicht ist.

Jede Frau kann und konnte vorhersehen, ob sie diese Regelung individuell am Ende ihrer Be­rufslaufbahn betreffen wird – das hing vom damaligen Lebensalter ab –, konnte sich darauf ein-


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stellen – auch mit Verzicht, wenn es nicht anders geht – oder konnte, wenn die Mittel dafür vor­han­­den waren, entsprechend vorsorgen. Diese Gleichstellung im Jahre 2033 ist versicherungs­ma­thematisch notwendig und kommt bis zu einem gewissen Grad, weil wir wissen, dass die Alters­unterschiede zwischen Lebenspartnern geringer werden, auch der Lebensplanung der Bevölkerung tendenziell entgegen.

Das ist ohne große Aufregung, ohne weitestgehende Proteste, sondern mit der vielleicht nicht emo­tional, aber intellektuell jedenfalls fundierten Zustimmung der Betroffenen über die Bühne gegangen. (Zwischenruf des Bundesrates Ledolter. – Bundesrat Bieringer: Das betrifft kei­nen!) Es hat damals sehr wohl lebende und mit Intelligenz begabte Menschen betroffen. Ich wür­de nicht allen Frauen, die im Jahr 1992 die Pension noch nicht unmittelbar vor Augen hat­ten, die Intelligenz absprechen, das zu begreifen, Kollege Bieringer!

Jetzt ist eine andere Vorgangsweise gewählt worden, eine, die gewissermaßen überfallsartig, und ohne den Menschen die Möglichkeit zu geben, dafür vorzusorgen, jene Perspektive, auf die sie sich natürlich verlassen haben, unter den Füßen wegzieht.

Meine Damen und Herren! Das ist ein grundlegend unterschiedlicher Ansatzpunkt ohne zwin­gen­de Notwendigkeit, wie ich noch einmal in Erinnerung rufe, der als Affront gegenüber den Menschen dieses Landes verstanden werden muss und im Übrigen, wie Ihnen die Reaktionen zeigen, auch so verstanden wird.

Die Menschen haben ein Recht darauf, sich auf etwas verlassen zu können. Die Menschen haben ein Recht darauf, innerhalb feststehender Parameter ihr Leben planen zu können, und es ist unverantwortlich, in derart willkürlicher Weise in die Lebensplanung von Millionen Men­schen einzugreifen. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)

Ich sage das mit besonderer Erregung (Bundesrat Dr. Nittmann: Wie jedes Mal! Dauererregt, Herr Professor!), wenn ich lese, dass offensichtlich – ich kann hier nur die Medien interpre­tieren – jene, die diesen Begutachtungsentwurf verfasst haben, einiges an Abfederungsmaß­nah­men und längerfristigen Maßnahmen, was ihnen die Experten vorgeschlagen haben, her­aus­gestrichen haben, um ein so genanntes Kompromisspotenzial zu haben. Das, meine Da­men und Herren, ist nackter Zynismus, Menschen zu erschrecken und dann zu sagen: Hoppala, ich habe da noch einen Kasperl in der Tasche!, und dann tut es nicht ganz so weh, das ist ein bodenloser Zynismus. Wenn es so ist – ich kann mich nur auf Medienberichte berufen –, dann muss ich das energisch zurückweisen! Die Lebensvorsorge der Österreicherinnen und Öster­reicher ist nichts, mit dem man auf diese Art und Weise spielen darf! (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)

Das Dritte, was eingangs zu sagen ist: Wenn das eine Reform ist – das Wort wird damit end­gültig zum Schimpfvokabel degradiert –, dann umfasst sie derzeit lediglich den Bereich des ASVG und der parallel liegenden Versicherungen und schließt andere Systeme augenblicklich aus. Wir bekommen zu wiederholten Malen versichert, dass das nicht so bleiben werde, dass man angeblich im Herbst – das haben Sie, Frau Ministerin, im Fernsehen gesagt – analoge Lö­sungen finden werde.

Können Sie mir erklären, worin die tiefere Logik dieser Vorgangsweise besteht? – Es gibt zwei Möglichkeiten, und keine davon ist sehr sympathisch. Die eine Möglichkeit besteht darin, dass man mit dem getrennt Geschlagen-Werden der betroffenen Gruppen spekuliert, dass man heu­te den öffentlichen Dienst damit ruhig hält, dass man ihm augenzwinkernd versichert, so arg wer­de es schon nicht werden, was immer dann tatsächlich geplant ist, und auf diese Art verhin­dert, dass die nahe liegende Solidarisierung aller Betroffenen stattfindet.

Die andere Variante – sie ist genau so unsympathisch – besteht darin, dass man es tatsächlich nicht vorhat, aber mit der Behauptung, dass es kommen wird, eben eine breite gemeinsame Diskussion verhindert.

Wer das österreichische Pensionsversicherungssystem fundamental verändern will, darf und kann nicht einzelne Gruppen ausnehmen und sagen, dazu kommen wir später. Ein Haus kann


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man aufstocken, das ist schon richtig, das führt üblicherweise zu gewaltigen statischen Proble­men. Ein Neubau in einem Zug ist zweifellos die Erfolg versprechendere Vorgangsweise, und das ist genau das, wofür wir plädieren, notabene – ich komme noch einmal darauf zurück –, weil wir nicht unter dem Zeitdruck einer finanziellen Katastrophe stehen.

Es gibt eine interessante Meinungsbildung zu diesem Thema. Da haben auf der einen Seite – ich erinnere an die Diskussion im ORF – Sie, Frau Ministerin, wann immer es peinlich geworden ist, gesagt: Ja, aber wir werden schon noch nachbessern. – Da gibt es andere auch nicht ganz irrele­vante Akteure wie Herrn Minister Bartenstein, der bei derselben Gelegenheit immer erklärt: Nein, da geht nichts. Die wesentlichen Elemente dieser Reform werden nicht verändert.

Nun ist es nicht mein Recht, hier einzufordern, Sie sollten sich einmal aussprechen, was eigent­lich gilt, ob das nur ein Begutachtungsentwurf ist, der sozusagen nur den Charakter von Spiel­material hat, oder ob das eine Reform ist, die so, wie sie ist, feststeht.

Was wir feststellen können, ist, dass quer durch die österreichische politische Landschaft eine Pro­testwelle gegen diesen Vorschlag läuft. Ich werde keine einzige Stimme zitieren, die aus dem Bereich der Sozialdemokratie oder der sozialdemokratischen Gewerkschafter stammt. All das kennen Sie sicherlich ohnehin, es ist breit und gut berichtet worden. Jene, die das ausge­sprochen haben, haben mich als Verstärker nicht notwendig. Aber es ist schon daran zu erin­nern, dass diese Empörung weit darüber hinaus gereicht hat.

Ich verstehe, dass die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst in höchstem Maße alarmiert ist, weil ja zumindest eine der möglichen Vermutungen ist, dasselbe werde 1 : 1 im Herbst auf sie zukom­men.

Da gibt es harte Stellungnahmen – Stellungnahmen, die ich manchmal nur als Zitat vortragen kann, also mit mitgesprochenen Anführungszeichen, weil ich mich sonst dem Risiko eines Ord­nungsrufes aussetzen würde.

Präsident Dinkhauser ist tatsächlich kein Parteifreund von mir, aber ich gebe ihm Recht, wenn er von einem „schreienden Pensionsunrecht“ spricht, das mit dieser so genannten Reform ver­wirk­licht werden soll. Ich gebe ihm auch dann Recht, wenn er von einem „Pensionspfusch“ spricht. Recht hat Dinkhauser.

Ich gebe auch Herrn Landeshauptmann Pühringer, den da natürlich ganz andere Ängste quä­len, denn er steht vor einer Landtagswahl, absolut Recht, wenn er sagt, an diesem Entwurf ge­be es noch vieles zu ändern, und es müsse günstige Übergangslösungen geben. Besonders origi­nell finde ich, dass er dem Diskussionsteilnehmer Bartenstein mehr oder weniger das Mund­halten vorschlägt, indem er meint: Es ist ganz klar, und ich kann mir nicht vorstellen, dass der Wirtschaftsminister hier eine besondere Zuständigkeit hat. – Ich kann mir das auch nicht vor­stellen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Nittmann.) Er fürchtet sich, das verstehe ich schon.

Herr Wurmitzer in Kärnten gehört nicht wirklich zu den großen Gewichten der österreichischen Innenpolitik, aber auch ihm ist zuzustimmen, wenn er diesen Begutachtungsentwurf als „verun­glückt“ bezeichnet und die Forderung aufstellt, ihn zurückzunehmen. Er warnt ... (Bundesrat Dr. Lin­dinger: Der geistige Wurmfortsatz!) – Ich respektiere den Föderalismus, aber an inner­kärntnerischen Diskussionen beteilige ich mich nicht aktiv. Es gibt – so kündigt er an – politi­schen Schaden für die ÖVP. – Wir werden es sehen.

Landesrat Hiesl aus Oberösterreich bezeichnet diesen Entwurf als ungerecht und meint, er wer­de sich mit bloß kosmetischen Reparaturen nicht zufrieden geben.

Kollegin Gubitzer von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst – da komme ich jetzt in die Nähe des Ordnungsrufes, daher bitte ich das unter Anführungszeichen zu setzen, Herr Präsident – sagt: „Das ist modernes Raub­rittertum.“ (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)


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Noch einmal: Sagen Sie das den Kollegen auf dieser Seite des Hauses, dass sie das Kolle­gin Gubitzer ausrichten sollen, dass das absurd ist, Herr Professor Böhm! Ich finde nicht, dass das absurd ist. Und sie fügt hinzu ... (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.) Na ja, Kollegin Gubitzer von der FCG gehört jedenfalls mehr der ÖVP als dieser Seite des Hauses an, aber wenn es so ist, Entschuldigung, ich nehme das schon zur Kenntnis, Kollege Bieringer, dass du dich für den öffentlichen Dienst nicht zuständig erklärst. Kollegin Bachner wird so freundlich sein, die Meinung auszurichten, dass das absurd ist. (Bundesrätin Bachner: Ich werde es ihr ausrichten!)

Wir können das beliebig fortsetzen: Kollege Neugebauer hat sich ähnlich geäußert, ebenso die FCG-Frauen in einer Resolution oder Kollege Ratzenböck.

Die Kooperation zwischen Gewerkschaftern ist so intensiv – Kollege Bieringer, das weißt du vielleicht nicht –, dass dafür keine extra Zeit erforderlich ist, sie treffen sich nämlich regelmäßig.

Besonders originell und treffend – Herr Minister, dazu sollten Sie etwas sagen, auch wenn sich darauf natürlich keine Frage bezieht – war die Feststellung des Landeshauptmannes Schaus­ber­ger, der von „Schreibtischtätern“ – bitte unter Anführungszeichen – gesprochen hat, die vom wirklichen Leben keine Ahnung haben. – Ich gebe ihm Recht, gar keine Frage, aber wo ist denn dann die viel zitierte Unterstützung der Koalitionsparteien für diese Reform?

Es gibt so gut wie keine Landesgruppe der ÖVP, die sich nicht gegen diese Reform ausgespro­chen hat. Es gibt so gut wie keine christliche Gewerkschaftsfraktion in irgendeiner Einzelge­werk­schaft, die sich nicht dagegen ausgesprochen hat. In den letzten Tagen haben Herr Präsi­dent Leitl und Herr Generalsekretär Mitterlehner, die doch wohl auch eher der ÖVP als uns be­ziehungsweise der Opposition zuzurechnen sind, klar zum Ausdruck gebracht, dass weder diese Reform noch der künstlich erzeugte Zeitdruck akzeptabel ist.

Jetzt muss ich mich natürlich entschuldigen. Ich habe die FPÖ irgendwie vernachlässigt. Ich will das im Hinblick auf eine angemessene Sitzungsabwicklung nicht allzu sehr nachholen, aber, Herr Vizekanzler, ich will Ihnen nur eines sagen: Ich würde mir den Brief des Herrn Landesrates Achatz gut durchlesen, der Ihnen prophezeit, wenn diese Pensionsreform kommt, hat die FPÖ in Oberösterreich nicht einmal mehr 5 Prozent! (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schen­nach.)

Das ist keine Reform, das ist Pfuschwerk! Das ist keine Gesamtreform, und es ist – darauf kom­me ich naturgemäß jetzt noch zu sprechen – zutiefst ungerecht, unsozial und vor allem auch undurchdacht. Das mache ich den Autoren in Wirklichkeit nicht einmal zum Vorwurf. Wer glaubt, in 14 Tagen eine Pensionsreform zusammenschreiben zu können, irrt einfach von der Sache her. Er muss scheitern, das ist gar kein Beweis für persönliche Inkompetenz.

Wir haben ein in Jahrzehnten gewachsenes Pensionssystem, das aus vielen einzelnen Baustei­nen besteht. In vielen Bereichen – das gestehe ich – habe ich den Eindruck, dass die Autoren Bausteine aus diesem Bauwerk herausgepflückt haben, ohne auch nur zu bemerken, welche Säu­len darauf stehen und was danach einstürzen wird. Noch einmal: Das ist nicht mangelnde Qualifikation, das war der künstlich erzeugte Zeitdruck, so kann man ein Pensionssystem nicht refor­mieren. Hier wird in Wirklichkeit ein Gebäude zum Einsturz gebracht, weil man glaubt, mit einzelnen angeblich so guten Maßnahmen kurzfristige Erfolge oder, wenn man will, eine Bud­get­entlastung erreichen zu können.

Ich möchte an dieser Stelle den Vorschlag mit großem Nachdruck unterstreichen, den Dr. Gu­sen­bauer in vollem Ernst und ohne Polemik dieser Regierung macht. Eine Veränderung eines solch zentralen Elements einer Gesellschaft wie des Pensionssystems, auf das die Menschen ver­trauen können müssen, muss zwischen ihren Interessenvertretern und den politisch Ver­antwortlichen diskutiert, entwickelt und vereinbart werden. (Bundesrat Kritzinger: Gusenbauer soll einmal die Karten auf den Tisch legen!)

Die Karten hat er dem Herrn Bundeskanzler während der Sondierungsgespräche auf den Tisch gelegt. Diese Karten haben dem Herrn Bundeskanzler nicht gefallen (Zwischenruf des Bun-


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desrates Bieringer), was auch wieder sein gutes Recht ist. Aber glauben Sie mir, wir sind in die­sem Augenblick gerne bereit, jede Diskussion zu führen, nur nicht darüber, was unser Vorschlag ist, sondern über die real drohende Veränderung.

Ich sage leidenschaftslos, aber mit Verärgerung: Ich habe mit Missmut bemerkt – obwohl das na­türlich ein Thema sein kann –, dass ein Teil unserer Medien mit größerer Hingabe über die Pen­sionsansprüche von 21 Menschen als über das Schicksal von 7 Millionen Österreichern dis­kutiert. (Bundesrätin Bachner: So ist es!) Ich bin nicht bereit, die Diskussion über diese Attacke von Schreibtischtätern, und was immer da gesagt wurde, dadurch vom Tisch zu wischen, dass wir jetzt im Detail über anders lautende Vorschläge diskutieren und damit der Regierung die Möglichkeit geben, von dem, was sie auf den Tisch gelegt hat, abzulenken – alles zu seiner Zeit! Ich glaube, dass wir sehr wohl höchst positive, höchst wirkungsvolle und zum Teil auch origi­nelle Vorschläge für eine Neufassung unseres Pensionssystems unterbreiten können.

Wir haben kein Problem damit, wenn uns jemand sagt: Nein-Sagen allein genügt nicht, es geht auch um Vorschläge. – Selbstverständlich! Aber diese Vorschläge eignen sich wenig für eine De­batte hier und mit Ihnen, sondern sie eignen sich für eine Debatte dort, wo ernsthaft um die besten Ideen für die Lösung eines von allen erkannten Problems gerungen wird, und dort wer­den wir sie auf den Tisch legen. Aber die Voraussetzung dafür ist, dass es die Bereitschaft gibt, diesen Vorschlag anzunehmen – wenn auch natürlich durch Beschluss im Nationalrat und im Bundesrat legitimiert; obwohl wir sehen werden, ob alle jene, die jetzt dagegen schreien, dann auch tatsächlich zustimmen oder nicht, das weiß man nicht, aber wenn es nach der Papierform geht, dann haben natürlich die beiden Regierungsparteien da wie dort die Mehrheit.

Das ist nicht unser Konzept, hier ist Konsens gefragt – ein Konsens, bei dem auch die Betrof­fenen oder die Vertreter jener, die Betroffene sein werden, durchaus ihre Bereitschaft mitbrin­gen werden, zu Dingen zuzustimmen, die eine Verschlechterung darstellen. Es gibt keinen Vier­ten, der das zahlt, wenn Menschen erfreulicherweise älter werden und daher die Beiträge nicht ausreichen, um ihre Pensionsansprüche zu befriedigen. Das müssen die Menschen selbst be­zah­len, gar keine Frage. Aber die Frage ist, wie viel Zeitdruck und wie viel finanziellen Druck man macht und über welche Zeiträume man die Neukonstituierung eines solchen Systems erstreckt.

Herr Bundesminister und Herr Vizekanzler! Nun haben wir in unserer dringlichen Anfrage ganz besonders auf ein spezifisches Problem verwiesen. – Falls Sie nicht als Aufpasser für den Herrn Minister da sind, sondern aus Interesse an der Frage, die wir vor allem hinsichtlich der Frau­­enpensionen aufwerfen, dann freue ich mich darüber, dass Sie da sind, Frau Ministerin! – Es geht natürlich darum, dass diese so genannte Reform oder die Vorschläge für die Frauen eine substanzielle – mehr, eine existenzielle! – Verschlechterung ihrer Bedingungen im Alter mit sich bringen. Das ist nur – ich gebe das ganz offen zu – zum Teil Schuld dieser Gesetzes­vor­schläge, aber es ist die Schuld der Ignorierung der Tatsache in diesen Vorschlägen, dass Frauen in dieser Gesellschaft nach wie vor benachteiligt sind.

Ein Pensionsrecht – ein soziales Pensionsrecht! –, das diesen Namen verdient, muss auch eine Komponente der Umverteilung beinhalten, eine Umverteilung innerhalb des Bereiches bis zur Höchstbeitragsgrundlage – darüber hinaus geht es nicht –, aber innerhalb der verschiedenen Ein­kom­mensklassen und bei den Einkommensklassen und bei den Berufsverläufen zu Gunsten der Frauen, sonst verdient dieses System das Element „sozial“ nicht.

Wenn wir sagen, wir haben eine große öffentlich verwaltete Kassa, in die jeder seinem jeweili­gen Verdienst entsprechend einzahlt, und am Ende wird abgerechnet, und daraus ergibt sich ein Pensionsanspruch, und sonst passiert gar nichts, dann sage ich als Sozialdemokrat ganz ehrlich: Dann brauchen wir keine öffentliche Pensionsversicherung, das kann jede Versicherung auch: Prämien aufaddieren, aufwerten – in diesem Fall vielleicht sogar mit Gewinnbeteiligung – und am Schluss wieder „abzinsen“ nach den allgemeinen Sterbetafeln des österreichischen Ver­sicherungsgewerbes – das kann jeder. Das ist, bitte schön, nicht das Wesen eines öffentli­chen Pensionssystems; das beinhaltet, dass ein Ausgleich gegeben wird – zum Beispiel für Kindererziehungszeiten, zum Beispiel für den Dienst beim Bundesheer.


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Ich weiß nicht, wer sich da durchgesetzt hat, aber nun sind wir schon bei den Punkten, bei de­nen man sich an den Kopf greifen muss: Können Sie mir erklären, Herr Bundesminister, warum der Wehrdienst eines jungen Mannes versicherungsrechtlich vier Mal so viel wert ist wie die Kindererziehung durch eine junge Frau? Können Sie mir das erklären? – Das erinnert mich an die Beweisregeln des Mittelalters: Das Zeugnis einer Frau ist nur die Hälfte des Zeugnisses eines Mannes wert. Es erinnert mich aber auch an manch konservative islamische Länder: Das Zeug­nis eines Nicht-Muslimen hat nur ein Viertel des Werts eines islamischen Zeugen. – Der junge Bundesheerler ist vier Mal mehr wert als die Kinder erziehende Frau? – Erklären Sie mir das bitte! (Bundesrätin Haunschmid: Was haben Sie 20 Jahre gemacht?)

Was hat das mit mir zu tun? – Ich war beim Bundesheer, habe keine Kinder geboren – erstaun­li­cher­weise. (Allgemeine Heiterkeit. – Zwischenbemerkung des Vizekanzlers Mag. Haupt.) – Ja, ich habe immer wieder biologische Überraschungen für das Haus zu bieten.

Es tut mir entsetzlich Leid, Frau Kollegin, ich weiß Zwischenrufe zu schätzen, weil sie an sich ein interessantes Element in eine Rede bringen, aber ich gestehe: Ich habe ihn intellektuell nicht verstanden – das mag an mir liegen. (Bundesrätin Haunschmid: ... hättet ihr schon längst aushandeln können, was Sie jetzt vorschlagen!)

Das ist ein typisches Beispiel für jene Haltung, die hinter diesem Entwurf steht, und es steht mit Sicherheit nicht die Haltung dahinter, dass es Aufgabe eines solchen Gesetzes ist, real existie­rende Benachteiligungen so gut es geht – das Einkommensniveau werden wir nicht nachträg­lich korrigieren können, die Tatsache, dass die Schere zwischen Männer- und Fraueneinkom­men besteht und weiter auseinander klafft, werden ... (Heiterkeit des Bundesrates Mag. Him­mer.)

Kollege Himmer! Wenn Sie das lustig finden, dann sind Sie auf der falschen Veranstaltung! Ent­schuldigen Sie! Sie brauchen nur mit aller Zurückhaltung die bekannten Statistiken von ÖSTAT zu lesen. Wir sind in dieser Hinsicht bedauerlicherweise eines jener Länder innerhalb der EU, die bezüglich der Öffnung dieser Schere weit vorne rangieren und bezüglich Schließen dieser Schere weit hinten. Wenn Sie das lustig finden, dann sollten Sie vielleicht einmal den ÖVP-Frauen zu „verklickern“ versuchen, warum das so lustig ist – soweit ich weiß, teilen sie da eher meine Meinung; aber jeder lacht darüber, was er für lustig findet.

Meine Damen und Herren! Ich sage jetzt auch dazu: Das ist keine politische Beschuldigung! Die Bun­desregierung ist an vielem schuld, an dem Auseinanderklaffen von Männer- und Frauenge­hältern ist sie nicht konstitutiv schuld. Das ist ein Element unserer Gesellschaft, und da sind nicht regierende Sozialdemokraten als Gewerkschafter, als Arbeitgeber, als solche, die perso­nel­le Entscheidungen zu treffen haben, genauso gefragt wie die Regierenden. Ich will das gar nicht auf eine parteipolitische Schiene stellen; nur auf die Lachnummer möchte ich es nicht reduzieren.

Da haben wir ein gesellschaftliches Problem. Es wäre viel zu verkürzt zu sagen, die frühere Re­gierung, die jetzige Regierung oder die vorvorige Regierung seien schuld daran. Nein, so ist es nicht. Die von Männern geprägte gesellschaftliche Struktur ist nicht ausreichend überwunden. Ganz nüchtern gesagt: Sie ist ganz offensichtlich auch noch nicht von den jüngsten nach­rücken­den Generationen von Berufstätigen hinreichend überwunden. Das ist eine Tatsache, über die sich jene, die sich in allen Parteien in Österreich damit beschäftigen, einig sind, und es ist eine Tatsache, gegen die anzukämpfen ist.

Das ist keine Aufgabe des Pensionsrechtes. Aber die Auswirkungen dieser Ungleichheit im Pen­sions­recht noch zu verschärfen und zu unterstreichen, das ist politisch falsch; ich will es gar nicht moralisch werten. Es ist unfair und falsch, und das können vor allem die Frauen in Öster­reich nicht hinnehmen.

Ich stoße an dieser Stelle – das ist eine abstrakte Diskussion, weil sie sich auf nichts bezieht, aber es stehen so wenige gute Sachen in diesem Begutachtungsentwurf – auf ein zweites Problem. Wir haben Länder und darunter solche, die wahrhaft nicht als links einzustufen sind,


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die der ersten Säule des Pensionssystems – ich sage mit Recht, das ist ein überlegenswerter Ge­danke – einen Sockel gegeben haben, insbesondere ist da das Schweizer Beispiel zu zitie­ren, bei dem gegen einen geringen einkommensabhängigen, aber in Wirklichkeit bei der Pen­sions­berechnung unberücksichtigten Beitrag – da gibt es keine Abhängigkeit von den einge­zahlten Beiträgen – eine Sockelpension erreicht wird. Für die einen gibt es, wenn sie sonst nichts haben, nicht sehr viel mehr als diese Sockelpension, für die anderen gibt es eine deutlich ein­kommensabhängige darauf gedoppelte zweite Pension. Aber auch das ist ein Stück sozialer Ausgleich, in diesem Fall zugunsten der schlechtest Verdienenden.

Solche Elemente, die Gesellschaftspolitik sind, sind aus einem Pensionssystem nicht zu elimi­nie­ren, weil es, wie gesagt, sonst seine Bezeichnung sozial nicht mehr verdient, sondern eine pure Versicherung ist.

Dass eine Ausdehnung jenes Zeitraumes an Versicherungsjahren bei allen Ersatzzeiten, die notwendig sind, um eine volle 80-prozentige Pension zu erreichen, auf 45 Jahre den Berufsver­läufen, heute vor allem der Frauen, nicht entspricht, ist gar keine Frage. Ich sage auch ganz ehrlich dazu, dass es auch den sehr viel gebrocheneren Berufsverläufen derer, die heute an­treten, nicht entsprechen wird.

Ich gebe gleichfalls zu bedenken – ohne dass ich mich darauf konzentrieren will zu sagen, es dürfen nur ganz wenige besonders gute Jahre sein –, dass die schrittweise Ausdehnung – im­mer­hin schrittweise – des Durchrechnungszeitraumes auf 40 Jahre natürlich an die Grenzen eines Berufslebens stößt, vor allem in Bereichen, die sehr schlecht oder ziemlich schlecht be­zahlt werden, wobei das natürlich immer weiter zurückgeht, je länger die Pausen dazwischen sind. Wenn jemand, aus welchen Gründen immer, aussetzt oder aussetzen muss, dann ver­schlech­tert sich diese 40-jährige Periode entweder, indem sie unterbrochen und nach hinten geschoben wird, oder weil er während dieser Unterbrechungen ein sehr niedriges Einkommen hat, das seinen übrigen beruflich aktiven Zeiten nicht entspricht.

Es sind noch andere skandalöse Dinge enthalten, aber angeblich ist das das Spielmaterial, so schrei­ben alle Zeitungen, und von irgendwoher müssen sie es haben – von mir nicht, weil ich keine Kenntnis dazu habe. Dass die Aufwertung der zurückliegenden Beiträge weit unter der realen Geldentwertung, weit unter den Produktivitätssteigerungen, weit unter allen Indikatoren einer Wirtschaft liegt und in Wirklichkeit die vor 40 Jahren geleisteten Beiträge in diesem Falle zu einem beträchtlichen Teil Opfer eines – Originaltext Professor Marin – „Pensionsraubes“ sind, das möchte ich nur noch ergänzend unterstreichen.

Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Sie haben den Österreicherinnen und Österreichern mit einer 14-tägigen Begutachtungsfrist und nach einer sehr kurzen Phase der Ausarbeitung dieses Entwurfes etwas hingelegt, das weder dem Anspruch gerecht wird, eine Gesamtreform zu leisten, noch sozial verträglich ist. Sie haben die bestehenden Benachteiligungen von Frau­en – wir führen in unserem Anfragetext zahlreiche Beispiel an, die ich nicht wiederholen und zitieren will –, die real existierende Benachteiligung von Frauen in Wirklichkeit ignoriert, und Sie haben sie durch bestimmte Maßnahmen im Gesetzestext noch verstärkt.

Ich kann durchaus sehr laut und auch sehr emotional werden, und ich nehme mich jetzt sehr be­wusst zurück: Dieser Gesetzentwurf in der Realität des Landes, wenn er denn beschlossen wird, bedeutet für große Gruppen unserer Bevölkerung eine substanzielle, existenzielle Ver­schlechterung dessen, was sie am Lebensabend zu erwarten haben. Sie können jetzt der Mei­nung sein, dass das egal ist. Ich will mich gar nicht auf die moralische Schiene begeben, sondern ich bleibe sehr bewusst auf der ökonomischen. Wir diskutieren – da ist diese Bun­desre­gierung ein Partner – über eine Steuerreform, die ganz gezielt – ich hoffe, das funktioniert, wenn sie so ist wie der Entwurf, dann funktioniert es ohnehin nicht – dort Geld hingeben soll, wo die niedrigsten Einkommen sind – das einerseits aus sozialen Erwägungen, aber andererseits aus der sehr einfachen ökonomischen Überlegung, dass Menschen, die über ein verhältnis­mä­ßig geringes Einkommen verfügen, die ökonomisch positive Tendenz haben, zusätzliche Mittel auch gleich wieder auszugeben. Das ist bekanntlich für die Konjunktur, die nicht so ganz gran­dios läuft, nicht so schlecht.


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Wenn ich Spitzeneinkommen steuerlich begünstige, kann ich viel weniger sicher sein, dass die­se dort zusätzlichen zufließenden Mittel wieder unmittelbar ausgegeben und in den Konsum gesteckt werden, und daher ist die konjunkturelle Wirkung geringer. Überlegen Sie einmal – von allem anderen abgesehen, wenn Sie schon für soziale Argumente nicht zugänglich sind –, wel­che gewaltigen Beträge an unmittelbar und sofort wieder ausgegebenen Mitteln bei Bezieher kleiner und kleinster Pensionen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten verloren gehen und welche Auswirkungen das auf unsere Wirtschaft und unsere künftigen Konjunkturverläufe hat!

Für diese Reform werden nicht nur jene zahlen müssen, die weniger Geld bekommen, sondern es werden auch viele zahlen müssen, die das gar nicht wirklich betrifft, die aber als Teilnehmer am Wirtschaftsprozess auf das Geld dieser wenig beziehenden Pensionistinnen und Pen­sio­nisten angewiesen sind. Sie setzen da eine Spirale nach unten in Kraft, deren Ende Sie mit Sicher­heit nicht absehen und nicht absehen können! (Beifall bei der SPÖ und des Bundes­rates Schennach.)

Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Ich wiederhole: Diese Reform sollte im Interesse der Betroffenen – das ist praktisch jeder, der noch nicht in Pension ist, und die auch ein bisschen – nicht Wirklichkeit werden, aber nicht nur deshalb, weil es hier um – das ist ein ganz wichtiges Argument – den Lebensabend von Menschen geht, die ihr Leben lang gearbeitet haben, im Re­gelfall hart gearbeitet haben, die einen Anspruch, einen moralischen und auch legistischen An­spruch auf eine entsprechende Altersversorgung haben, vor allem dann, wenn sie Frauen und damit benachteiligt waren, sondern diese Reform sollte auch deshalb nicht Wirklichkeit werden, weil die Auswirkungen auf viele andere Bereiche wie unsere Wirtschaft verhängnisvoll sein würden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie werden unsere Fragen sicher beantworten, aber ich möchte schon an dieser Stelle noch­mals wiederholen: Es geht uns nicht darum, politisch Recht zu haben, sondern es geht uns dar­um, eine zukunftssichere Lösung zu finden. Sie sind schlecht beraten, wenn Sie das Angebot, das auf der Basis aller im Parlament vertretenen Parteien und der Sozialpartner neu und vorur­teilsfrei zu diskutieren, kalt lächelnd ablehnen. (Beifall bei der SPÖ und des Bundes­ra-tes Schennach.)

14.51


Präsident Herwig Hösele: Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.

14.51


Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte auf die mir vorgelegte Problematik und die Wortmeldung des Erstredners der sozialdemokratischen Fraktion zunächst detaillierter eingehen, weil mich einiges von seiner Beurteilung der Gesamtsituation trennt.

Herr Professor! Ich hätte mir gewünscht, dass die vorliegenden Schritte des Budgetbegleit­ge­setzes, das im Übrigen im Gegensatz zu dem, was in der Öffentlichkeit jetzt in den letzten Ta­gen von manchen Seiten diskutiert wird, ein Vorschlag der Bundesregierung und kein Vor­schlag von mir allein ist, weil sehr viele Facetten zu einem Gesamtvorschlag zusammengesetzt worden sind, damals, also 1995/97, als die Pensionsreform unter dem deutschen Experten Rürup in Österreich diskutiert wurde, mehr als das Kreisen eines Berges oder die Geburt einer Maus gewesen wären, denn dann hätten wir, Herr Professor, jetzt keine fünf- bis siebenjährigen Über­gangsfristen, wie Sie es im Zusammenhang mit dem Pensionsalter für Frauen richtiger­weise zitiert haben.

Ich darf auch darauf hinweisen, dass sehr viele der Berechnungen, die nicht nur von der Arbei­ter­kammer, sondern auch von sehr vielen anderen angestellt werden, fiktive Berechnungen sind. Ich sehe durchaus ein, dass die Sozialdemokratie, die für ein Drei-Säulen-Modell nie sehr viel übrig gehabt hat, in ihren Berechnungen die Komponenten der zweiten und der dritten Säu-le außer Acht gelassen hat. Ich darf aber darauf hinweisen, dass die Bundesregierung mit der


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Gesetzwerdung der „Abfertigung neu“ auch für untere Einkommensschichten die Möglichkeit eröffnet hat, die „Abfertigung neu“ als steuerfreie Pension zu lukrieren und nicht nur zu bezie­hen und wie die „Abfertigung alt“ zu verbrauchen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieser Anspruch gilt nunmehr in Zukunft für nahezu 100 Prozent aller ArbeitnehmerInnen und nicht wie die „Abfertigung alt“ nur für 15 Prozent der ArbeitnehmerInnen. Hinzu kommt, dass 1,53 Prozent der Bruttolohnsumme sowohl für untere als auch für obere Einkommensschichten eingezahlt werden und dass es daher unrichtig ist, was von manchen in der Öffentlichkeit be­haup­tet wird, dass das nur Dinge sind, die sich die Reicheren und besser bezahlten Arbeit­nehmerschichten leisten können. Es wird für jeden eingezahlt.

Ich möchte weiters darauf hinweisen, dass gerade in den letzten Tagen die vom Verfassungs­ge­richts­hof erfolgreich bestätigte Regelung, dass Menschen mit geringerer Beschäftigung nun­mehr wieder zu 550 S Einheitssatz pensions- und krankenversichert werden können, als Antrag dieser Bundesregierung eingebracht worden ist. Das ist auch ein wichtiger Schritt für viele Frau­en, die in der Kinderbetreuungszeit an der Geringfügigkeitsgrenze arbeiten und entspre­chende Zusatzleistungen bekommen sollten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, dass darüber hinaus durch das Prämienansparungsmodell auch für jene Schichten, so wie Sie es anhand des Schweizer Modells skizziert haben, die Möglichkeit geschaffen wor­den ist, mittels Eigenvorsorge über die erste Säule unseres Pensionsmodells hinaus eine Zu­satz­pension zu lukrieren, die in sehr vielen Ländern Europas gang und gäbe ist. Ich darf darauf hin­weisen, dass in Großbritannien, wo Ihr Parteifreund Tony Blair regiert, die erste Säule zwischen 35 und 40 Prozent Nettoersatzrate hat (Bundesrat Konecny: Aber auf Grund eines Pensions­systems, das die Konservativen aufgebaut haben!), und die höheren Einkommens­schichten, wenn ich mich auf die Statistik der Europäischen Union verlassen kann, durch die zweite und dritte Säule 112 Prozent Nettoersatzrate haben.

Ich kann mich erinnern, dass sich Kollege Gusenbauer und sehr viele in Österreich vor kurzer Zeit noch gerühmt haben, dass der Unterschied in der Pension zwischen den unteren Einkom­men 60 Prozent in der ersten Säule und 80 Prozent in der zweiten Säule ein wünschenswerter sozialer Ausgleich ist.

Ich darf Sie weiters darauf hinweisen, Herr Professor (Bundesrat Konecny: Sie brauchen mich nicht darauf hinzuweisen!), dass die 1,78 Prozent Steigerungsbetrag bis zum 1. 1. 2000 gegol­ten haben und dass die Abschläge und die höheren Verluste nicht auf die Änderung des Steige­rungsbetrages allein zurückzuführen sind, sondern im Zusammenhang mit den gesamten Ände­run­gen zu sehen sind.

Ich werde Ihre Fragen so, wie sie gestellt worden sind, ordnungsgemäß beantworten. Ich bitte aber auch, dabei zu berücksichtigen, dass die Beantwortung mancher dieser Fragen, die sekto­ral einem sehr komplizierten Rechenwerk entnommen worden sind, durchaus richtig und korrekt sind, sich aber im Gesamtzusammenhang potenzierend oder mindernd auswirken können. Ich bitte daher um Verständnis, dass wir bei manchen Berechnungen einiges nicht nachvollziehen kön­nen, weil fiktiv Ereignisse und Arbeitsverläufe des Jahres 2020 und später auf das Jahr 2040 interpoliert worden sind, ohne zu berücksichtigen, dass die Beschäftigungsquote von Frau­en zwischen 20 und 45 Jahren mit 78 Prozent deutlich von den Erfahrungswerten der Ver­gan­genheit abweicht, wobei im Jahre 1970 die Beschäftigungsquoten nicht einmal die Hälfte dieser Alterskategorie betragen haben.

Ich bitte Sie auch daher, zu berücksichtigen, dass die von Ihnen genannten ÖSTAT-Zahlen zwar richtig sind (Bundesrat Konecny: Sie passen nur nicht!), aber im internationalen Vergleich mit Pensionssystemen und Arbeitsverläufen in anderen Ländern, in denen das Pensionsantritts­alter zwischen 64 und 65 Jahren variiert und zwischen Männern und Frauen größtenteils ange­glichen ist, nicht passen.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass die Übergangsfrist, die wir für Frauen beim EU-Beitritt er­reicht haben, in der Europäischen Union heute Anlass zur Sorge gibt. Mein Haus konnte mit sei-


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ner Stellungnahme in zweiter Instanz eine Klage eines Mannes aus Oberösterreich, das Pen­sions­alter von Männern und Frauen anzugleichen, mit Mühe noch verhindern. Weiters gibt es namhafte Rechtsexperten, die glauben, dass diese Übergangsfristen, die extrem lange inner­halb der Europäischen Union sind – noch dazu haben Länder in den Jahren einen Schluss­strich in den Übergangsregelungen für 2008/09 gesetzt –, bei entsprechenden Klagen vor dem Euro­päischen Gerichtshof unter Umständen im Jahr 2015 nicht mehr halten werden.

Wir sehen also auch, dass beim Gewährleistungsschutz sehr viele Dinge, die Sie zitiert haben, im Interesse der österreichischen Frauen heute anders und kritischer betrachtet werden müs­sen als 1992 bei der Diskussion. Schlussendlich wollte man auch die 51 Prozent stimmberech­tig­ten Frauen in Österreich für die EU und nicht für das österreichische Pensionssystem und dessen Weiterschreibung begeistern. In der heutigen europäischen Situation, in der Übergangs­fristen von neun und zehn Jahren vom Europäischen Gerichtshof als kritisch betrachtet werden, kann daher die Frage, ob diese Fristen in der Form bleiben oder nicht, nicht endgültig beantwor­tet werden.

Ich darf auch anmerken, dass bei der derzeitigen Gesetzeslage die staatlichen Rentenaus­ga­ben in Prozentsätzen des BIP in den Jahren 2000 bis 2010 von 14 auf etwa 15,2 Prozent ansteigen werden.

Ich gebe Ihnen völlig Recht, Herr Professor, wenn Sie gesagt haben, dass es sehr viele Unge­rechtigkeiten in unserem Pensionssystem gibt. Aber dieser Entwurf der Bundesregierung hat zu­min­dest zwei Ziele, die in der Diskussion zur Bildung der Bundesregierung mit allen Fraktio­nen besprochen worden sind, eingehalten:

Wir haben der Generation, die nach dem Zweiten Weltkrieg diesen Staat aufgebaut hat und heu­te zum überwiegenden Teil die Pensionisten darstellt – wenn jemand im Jahr 1945 14 Jahre alt war und als Lehrling seine Arbeitszeit begonnen hat (Bundesrat Konecny: Ist auch schon in Pension!), dann werden Sie mir Recht geben, dass mit Ausnahme von einigen Wenigen nie­mand über das Regelpensionsalter hinaus gearbeitet hat –, ihre Pensionsansprüche gesichert.

Ich bin gerne bereit – wir diskutieren in der Bundesregierung noch darüber, und daher ist dieser Punkt auch im Regierungsentwurf nicht enthalten, weil die Pensionsexperten aller Parteien und aller Gruppierungen formuliert haben, dass das Nettopensionsanpassungssystem nicht ver­ständ­lich und auch in den Jahren, in denen es funktioniert hat, nicht gerecht war –, dieses Sys­tem zu ändern, nämlich in der Richtung, dass die Inflationsrate und die Erhöhung der Lohn­sum­men aller Aktiven ein geeignetes Mittel der Anpassung wäre.

Ich bitte Sie daher um Verständnis, dass ich mich mit ruhiger Stimme, aber gleicher Ent­schie­denheit gegen jene Unterstellungen, die in den Medien verbreitet werden und die Sie auch in Ihrer Medienzitat-Sammlung mit aufgenommen haben, ausspreche, dass nicht Dinge enthalten sind, um später aufbessern zu können. Es sind Dinge enthalten, die kompromissfähig waren und bei denen wir den vollen gesetzlichen Begutachtungsverlauf wollen. Ich verwahre mich auch dagegen, dass dieser Begutachtungsentwurf verkürzt oder sonst wie in Begutachtung steht. Wir haben peinlichst genau darauf geachtet, dass die gesetzlichen Begutachtungsfristen ein­gehalten werden. Ich darf darauf hinweisen, weil ich hauptsächlich in der Funktion als Frau­enminister angesprochen bin, dass ich als Frauenminister als Erster – und nicht meine Vor­gän­gerinnen aus der Sozialdemokratie! – sämtliche Frauennetzwerke in die Begutachtung mit ein­ge­bunden habe, sodass ich am Ende der Begutachtungsfrist auch die Frauen­sicht kompetent übermitteln werde.

Sie wissen selbstverständlich aus Ihrer jahrzehntelangen parlamentarischen Erfahrung, dass ein Begutachtungsverfahren dazu dient, nach Abschluss des Begutachtungsverfahrens sinn­volle Änderungen aufzunehmen. Gerade die Frage der Verfassungsmäßigkeit und des Vertrau­ens in diese Pensionsreform ist uns von der Bundesregierung zu gleichen Teilen wichtig.

Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass wir den jüngeren Menschen in diesem Staat, die sehr häufig die Meinung vertreten, dass sie ohnehin keine Pensionen mehr bekommen werden, mit


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diesem Entwurf und mit den nachfolgenden Schritten in Richtung Harmonisierung aller Pen­sions­systeme entgegenkommen werden. Ich bin sehr dankbar, wenn sich die Sozialdemo­kra­tie und auch die grüne Fraktion im österreichischen Nationalrat und ihre Interessengruppen in der Öffentlichkeit in das Begutachtungsverfahren der Pensionsreform einklinken, wodurch die Be­schluss­fassung positiv motiviert sein kann. Denn eine entsprechende Absicherung dieses Wer­kes und der gänzlichen Harmonisierung aller Pensionssysteme, so wie es alle vier Parteien im Wahlkampf den Österreicherinnen und Österreichern versprochen haben, ist sicherlich auch im Inter­esse der Österreicherinnen und Österreicher, nämlich dass es für gleiche Beitrags­leis­tungen und gleiche Arbeitsleitungen am Ende der aktiven Arbeitswelt auch gleich hohe Zahlun­gen gibt.

Ich glaube, dass dieser Regierungsentwurf für jene, die über das Pensionsalter hinaus arbeiten, mit 4,2 Prozent einen Bonus erhalten und nicht nur Pensionsversicherung einzahlen, ohne Erhöhungen zu erreichen, auch eine Motivation ist, genauso wie auch für sehr viele Frauen, die mit 48 oder 50 Jahren geschieden sind und die sich nach dem alten geltenden Recht ihre So­zial­leistungen abkaufen ließen, um sie für den Hausbau oder für Investitionen in die Familie aus­zugeben. Heute gibt es die Möglichkeit, nicht nur über 60 Jahre hinaus arbeiten zu müssen, son­dern für diese Zeiten auch eine Pension zu bekommen, die sich um diese erhöhte Arbeits­­leistung über dieses Alter hinaus auch in jenen Jahren rentiert, in denen sie nicht mehr arbeiten können oder nicht mehr arbeiten wollen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Vergleichen wir Ausbildungsjahre, Erwerbsjahre und Pen­sionsbezugsjahre – diesbezügliche Tabellen sind auch schon aus dem Fernsehen bekannt –: Im Jahre 1970 haben wir 18,5 Jahre Ausbildungszeit gehabt, 42,7 Jahre aktives Arbeitsleben und 8,8 Jahre Pensionsgenuss. Im Jahre 1990 haben wir 19,8 Jahre Ausbildungszeit gehabt – ich möchte ausdrücklich hinzufügen, dass es eine gute Erscheinung ist, dass im Jahre 2002 be­reits 51 Prozent der Mädchen in Österreich eine Mittelschulausbildung gehabt haben und der Aka­demisierungsgrad in unserer Gesellschaft gestiegen ist, um unseren Arbeitnehmern für die Zukunft eine bessere Chance im internationalen Wettbewerb zu geben, in dem Österreich steht, und um Arbeit und Beschäftigung zu erhalten. Das ist auch die Grundphilosophie dieser Anrei­ze, die hinter dieser Pensionsreform und diesen Bemühungen stehen. Beide Parteien in der Bundesregierung sind der Meinung, das Sozialste in einem Staat ist, Arbeit zu haben und auf Grund dieser Arbeit sein Leben, seine Lebensqualität und seine Zukunft gewährleisten zu kön­nen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Daher betrachten wir auch jene Maßnahmen, durch die jemand durch längeres Arbeiten in einem sicheren Arbeitsplatz nichts verliert, als nicht so gravierende Eingriffe im Gegensatz zu Ein­griffen, durch die jemand arbeitslos ist und durch Arbeitslosigkeit unter Umständen in den Not­stand fällt und daher erhebliche Einkommensverluste hat. Ich glaube daher auch, dass die flan­kierenden Maßnahmen im Bereiche der Altersteilzeit und des Überleitungsgeldes – in die­sem Falle 20 Prozent mehr Arbeitslose zu bekommen – gerade für die Frauen ein Vorteil sind.

Sie wissen, dass sehr viele Frauen, die etwa zu 75 Prozent in die vorzeitige Alterspension ge­hen, in der Arbeitslosigkeit mehr Geld bekommen – überhaupt dann, wenn sie in einer auf­rechten Partnerschaft sind und keine Ausgleichszulage bekommen –, als sie Pension bekom­men. Dabei handelt es sich um Frauen, die im Interesse ihrer Kinder lange nicht an der Arbeits­welt teilgenommen haben. (Bundesrätin Schicker: Was ist mit Notstand?)

Es freut mich, Herr Professor, dass Sie im Gegensatz zur Sozialdemokratie, die sich bis zum Jahre 1995 um die Frauen- und die Kindererziehungszeiten wenig Gedanken gemacht hat, nun­mehr Frauen und deren Leistungen für Familien in Ihren Überlegungen besonders berück­sich­tigen. Dieser Paradigmenwechsel der sozialdemokratischen Fraktion ist für mich eine er­freu­liche Erscheinung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es ist das für mich auch im Besonderen eine erfreuliche Erscheinung, weil wir wissen, dass in der Vergangenheit jene Frauen, die große Leistungen für die Familien erbracht haben, die Kin­der geboren haben, die aus Rücksicht auf die Kinder zu Hause geblieben sind, weil sie im länd­li­chen Raum wohnten und dort die Arbeitsverhältnisse für Teilzeitarbeit nicht entwickelt wa­ren,


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die besonderen Verlierer des österreichischen Pensionssystems sind, so wie es die Bun­des­re­gierung und die vorangegangene Bundesregierung im Jahre 2000 übernommen hat.

Als Frauenminister bin ich daher sehr zufrieden, dass sich die österreichische Öffentlichkeit end­lich dafür stark macht, den Frauen ihre familienpolitischen Leistungen endlich besser zu ho­norie­ren, als es in der Vergangenheit der Fall war – gerade im Hinblick darauf, dass die tra­gen­de Säule des österreichischen Pensionsversicherungssystems noch immer die erste Säule ist, nämlich der Generationenvertrag. Ich wiederhole es wieder pointiert: Den Generationenvertrag wer­den nicht Singles ohne Kinder oder Singles ohne Kinder mit Hund einhalten können, son­dern ihn werden ausschließlich Menschen absichern, die auch den Mut haben, sich in wirt­schaftlich schwierigen Zeiten der Kindererziehung zu widmen, Kinder zu begleiten und zu be­treuen und damit den Generationenvertrag in der Zukunft einzulösen. (Beifall bei den Frei­heitli­chen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Daher halte ich es für wichtig, dass 1995 begonnen worden ist, mit fünf Jahren Ersatzzeiten – damals 18 Monate, heute 24 Monate Ersatzzeiten – bis zum 7. Lebensjahr oder des Eintrittes des Kindes in die Schule Verbesserungen einzuführen.

Ich darf Ihre Frage auch außerhalb des Fragenkatalogs beantworten, die Sie an mich gerichtet haben betreffend Bundesheer-Zeiten. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass die Zeiten der Bundesheer-Abgeltung in der Pensionsversicherung daraus resultieren, dass das durch­schnitt­liche Männereinkommen für die ausschließlich von Männern geleistete Präsenzzeit inter­poliert und angerechnet wird. Die Auswirkungen darf ich Ihnen deutlich machen.

Nach Auskunft meines Hauses bringt die Anrechnung der Kindererziehung den Frauen derzeit 90 € pro monatlicher Pension bei rund 100 angerechneten Monaten Kindererziehung. Der Prä­senz­dienst bei Neuzugang und einer Dauer von rund 8 Monaten bringt den Männern rund 16 € pro monatlicher Pension. Ich darf also auf der einen Seite 90 € auf der anderen Seite 16 € gegenüberstellen. Dazu muss man auch die Wirkung und die Anrechnungsleistung erwähnen. Daher glaube ich auch, dass bei den Anrechnungszeiten, bei den Kinderbetreuungszeiten und bei den Zeiten für die Zukunft, Herr Professor, noch einiges nachzuverhandeln ist. Die Frau Staats­sekretärin meines Hauses und die dankenswerterweise heute neben mir sitzende und teilweise diese Fragen auch beantwortende Frau Bundesministerin Rauch-Kallat werden sich um die weitere Entwicklung dieses Systems gemeinsam mit den Beamten meines Hauses nicht nur kümmern, sondern das auch so finalisieren, dass manches, was heute schon in der Vorbe­gut­achtung ist, um das so zu bezeichnen, was medial in Diskussion ist und was im Bewusstsein der beiden Regierungsparteien auch aus der Vergangenheit unbefriedigend gelöst wird, lang­fristig positiver gelöst wird.

Bis zum Jahre 2010 – das darf ich schon hinzufügen – werden die jetzigen ausreichenden Er­satz­­leistungen für die Frauen durchaus jene Wirksamkeit haben, dass sie bis dorthin die Nach­tei­le nicht spüren werden, die öffentlich behauptet werden. Betreffend Pensionszuschuss und akute Probleme – Sie haben richtigerweise in Ihren Aussagen die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer zitiert – darf ich darauf hinweisen, dass der Bundeszuschuss zu den Pen­­sions­zahlungen, wenn es dieses jetzige Paket nicht geben würde, im Jahre 2006 14 876 Mil­li­onen € betragen würde und auf Grund dieser Maßnahmen 13 900 Millionen €. Im heuri­gen Jahr sind das im Übrigen 13 438 Millionen €.

Ich glaube daher, dass auf einen Zeitraum von sechs Jahren diese 1 Milliarde Differenz zur Ent­lastung des Budgets und der Zukunftsprobleme durchaus angemessen ist. Sie kennen auch seit Herbst des Vorjahres den Bericht der Pensionsreform-Kommission, wonach die Gesund­heits- und Pensionsleistungen für die jungen Menschen in diesem Staate, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird und nicht rechtzeitig Maßnahmen für die Zukunft gesetzt werden, nahezu 50 Prozent des Aktivgehaltes der dann 2025 Beschäftigten wegrationalisieren werden. Ich glaube daher, dass gerade für die soziale Verträglichkeit und für die Einhaltung des Genera­tionen­ver­tra­ges eine möglichst frühzeitige und eine möglichst für alle Bevölkerungsschichten konforme Regelung eine Conditio sine qua non ist, um den sozialen Zusammenhalt in unserem Staat nicht zu gefährden.


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Man sollte auch nicht vergessen, dass das Rentensystem selbstverständlich nicht aus dem Steuersystem herausgelöst ist. Herr Professor! Sie haben hier angeführt, dass Ihnen die unte­ren Einkommen besonders am Herzen liegen – ebenso wie der Bundesregierung. Es wird die vor­­ge­zogene Entlastung der Steuer mit 1. 1. 2004 den Pensionisten rund 450 € pro Jahr und den Aktiven nach ASVG knapp über 523 € pro Jahr bringen in einer Einkommenskategorie bis 14 000 S pro Monat, rund 14 500 € pro Jahr Bruttolohnsumme. Dass darunter sehr viele Frauen sind, die Teilzeit oder Halbzeit beschäftigt sind, brauche ich Ihnen als Kenner der Beschäfti­gungs­lage in Österreich nicht nachvollziehbar zu machen. Es verwundert mich nur, dass bei den Stellungnahmen dort, wo es unter Umständen negativ ist und bei einem Rechenbeispiel die ne­­ga­tiven Beispiele mitgerechnet werden, die positiven Auswirkungen der vorgezogenen Steuerreform mit keinem einzigen Wort erwähnt werden.

Diese Steuerentlastung bis 14 000 S wird im Übrigen nach neuem Geld bis etwa 1 800 € pro Mo­nat brutto auch nach oben wirken. Dann ist die Regelung so, dass sie unter 7 € fällt und daher tatsächlich vernachlässigbar ist. Es ist also auch ein sozialer Ausgleich, der die untersten Schichten, nämlich jene, die zwischen 10 500 S und 14 000 S verdienen, voll entlastet und die Kate­gorie darüber, bis etwa 18 000 S, noch merkbar entlastet.

Wenn man sich die Einkommenstabelle in Österreich ansieht, stellt man fest, in den hand­werkli­chen Berufen, in den Sozialberufen, in sehr vielen anderen Berufen etwa Handel, Schuh­industrie, Textilindustrie, aber auch Angestellte und Freiberufler wie etwa ZahnarztassistentIn­nen, ArzthelferInnen und in anderen Berufen werden wir damit 1,7 Millionen Arbeitnehmerinnen und Ar­beit­nehmern entgegenkommen. Wir werden nahezu 800 000 Pensionisten – davon etwa 240 000 Pensionisten neu – mit dieser Regelung entgegenkommen können. Ich würde nur um jene Fairness bitten, auch diese Entlastungseffekte bei den Effekten für die nächsten fünf Jahre mitzuberechnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ab dem Jahre 2012 wird das erste Mal die Regelung der „Abfertigung neu“ möglich sein, näm­lich zu entscheiden: herausnehmen, verbrauchen und in die Konjunktur setzen oder bleibenden Pensionsausgleich haben. Zwei Jahre früher wird schon laut Prämienvorsorgemodell die Ent­scheidung nach acht Jahren möglich sein.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube daher, dass es in diesem Bereich besonders wich­tig ist, auch diese Maßnahmen längerfristig für jene Altersschichten, die nach 2012 65 Jahre wer­­den, mit zu berücksichtigen, weil auch das Drei-Säulen-Modell heute in den 14 euro­päischen Staaten, die zur Europäischen Union gehören, schon Standard ist und wir in Öster­reich nachhinken.

Herr Professor Konecny! Ich gebe Ihnen durchaus recht, dass Schweden, Finnland, Dänemark und Holland heute eine günstigere Situation haben, weil sie in ihren Budgets auf Grund der in den Jahren 1995 bis 1997 umgesetzten Pensionsreformen das Einsparungspotenzial und das Be­schäftigungspotenzial langfristig lukriert haben, sodass sie heute unter wirtschaftlich schwie­rigen Rahmenbedingungen das Geld gezielt aus dem Budget für Wirtschaftsbelebung verwen­den können und nicht ausschließlich für die soziale Sicherheit verwenden müssen.

Ich glaube, wir in Österreich sollten auch daran denken, dass wir in der Zukunft jene Budget­räume brauchen, um in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gegensteuern zu können und nicht alles bis zum Deckel des Möglichen für ein erstrebenswertes und wünschenswertes So­zial­system, das für alle Generationen tragfähig ist, ausschließlich zu sehen.

Ich würde mir wünschen, dass unser Staat statt Schulden – gerade im Pensionssystem gibt es eine 200-prozentige Verschuldung – die Versprechungen, was in den Pensionsvorsorgemaß­nah­men existieren hätte sollen, einlösen könnte. Denn dann könnten wir uns in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gleich wie Schweden und Finnland Gegenmaßnahmen massiverer Art leisten, als wir sie uns derzeit im Strukturpaket II geleistet haben.

Das Strukturpaket II 2002 hat uns immerhin statt der prognostizierten 320 000 Arbeitslosen Ende Februar – 320 000 laut Statistik des Arbeitsmarktservice und 340 000 laut Prognose der


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Arbei­terkammer – einen tatsächlichen Arbeitslosenstand in der Höhe von 294 000 beschert. Wir haben gegengesteuert. Wir haben immerhin 26 000 Menschen in Beschäftigung halten können. Aber ich bin mit jedem hier in diesem Raume einig, dass 294 000 Arbeitslose zu viel sind.

Wir hätten mehr, schneller und besser gegensteuern können (Bundesrätin Schicker: Es ist gar nicht gegengesteuert worden!), wenn wir im Budget nicht jene Situation vorgefunden hätten, die wir geerntet haben, sondern eine Situation vorfinden würden wie etwa im Jahre 1972, als Bun­des­kanzler Kreisky mit seiner Regierung bei damals 84 Milliarden Defizit angetreten ist, um das auch einmal zu sagen.

Die Österreicher sind bei diesen langfristigen Betrachtungen aber nicht daran interessiert, wo das Geld vorgestern ausgegeben worden ist, sondern wie sie morgen, übermorgen und in 20 und 25 Jahren sozialen Frieden haben werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf nunmehr auf die Maßnahmen und auf Ihre Fragen im Einzelnen eingehen. Den allge­meinen Teil habe ich, so glaube ich, aus meiner Sicht zur Genüge – in manchen Punkten er­gän­zend und in manchen Punkten abweichend von Ihren Vorstellungen – erläutert.

Ich darf nunmehr zur Frage 1 kommen: Welche Auswirkungen hat die von der Bundesregierung in Begutachtung entsendete Pensionsreform auf Frauen?

Kurzfristig – so lange die vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer genützt wird – sind die individuellen Betroffenheiten von Männern und Frauen in etwa gleich. Die durch­ge­­führten Simulationsberechnungen zeigen keinen signifikanten Unterschied in der durch­schnitt­li­chen Betroffenheit von Frauen und Männern. Mittel- und langfristig – nach Auslaufen der vorzeitigen Alterspension – könnten allerdings Frauen stärker betroffen sein als Männer. Das ist eine Folge des neuen Berechnungssystems, inhaltlich auch der alten und neuen Steige­rungs­be­träge und der sonstigen Faktoren in der Pensionsberechnung.

Während Männer im alten und im neuen Recht beim Pensionsantritt im Alter von 65 mit 45 Versicherungsjahren 80 Prozent der Bemessungsgrundlage erhalten, bekommen Frauen beim Pensionsantritt im Alter von 60 bei Vorliegen von 40 Versicherungsjahren derzeit 80, im neuen Recht 71,2 Prozent. Bei weiterer Beschäftigung von zwei Jahren gleicht sich das um jeweils 4,2 Prozent, aber hin auf 80 Prozent aus.

Ich darf darauf hinweisen, dass es die Intention dieser Bundesregierung ist, Menschen länger in Be­schäftigung zu halten und nicht Menschen vorzeitig wegen Beschäftigungsmangel in diesem Staat in die Alterspension drängen zu müssen.

Frauen können die Pensionsminderung dadurch vollständig kompensieren, wenn sie vermehrt über das 60. Erwerbsjahr – wie ich es hier ausgeführt habe – in Beschäftigung bleiben. Für man­­che, die lange Ehezeiten mit Kinderbetreuung hinter sich haben und die, wie ich ausgeführt habe, mit 48, 50 Jahren geschieden sind, ist das aber immerhin eine Verbesserung, weil sie mit der Arbeitsleistung über 60 – wenn sie nach den seinerzeitigen Regelungen ihre Sozialan­sprü­che bei Heirat, im Vertrauen auf das Familienpensionssystem der damaligen Zeit, aufgegeben und mit diesem Geld ins Haus oder in sonstige Ausbildungschancen der Kinder investiert haben – die einzige Möglichkeit auf eine tragfähige und lebenswerte Eigenpension haben. Es ist das gegenüber dem Status quo, den wir für viele Frauen vorfinden, zumindest eine deutliche Ver­besserung, dass Arbeitsleistungen trotz Geringfügigkeit auch pensionserhöhend sind und man nicht dann, wenn man nicht mehr kann, ohne Ansprüche zurückbleibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich darf hier nochmals erwähnen, dass die Angleichungen in Belgien 2009, in Deutschland 2004, in Italien und im Vereinigten Königreich, 1993 beginnend, demnächst abgeschlossen sein wer­den; die anderen Staaten haben das Pensionsrecht für Männer und Frauen schon har­monisiert und gleichgestellt. Ich bitte daher auch bei all den Berechnungen – weil wir uns auch noch immer in einem Versicherungssystem befinden –, die kürzeren Beitragszeiten und die län­ge­ren Pensionsbezugszeiten vom 60. Lebensjahr beginnend statt 65 und die längere Lebens­erwartung, die Frauen haben, mit zu berücksichtigen und damit auch manche Ihrer Berech-


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nungen auf das Maß zu reduzieren, dass tatsächlich in der Gesamtsumme Einkünfte samt Bei­trags­leistungen und lukriertes Vermögen aus der Pensionsversicherung fairer gegenübergestellt werden.

Versicherungsmathematische Abschläge bei so genannter vorgenommener Inanspruchnahme sind kein österreichisches Novum, sondern EU-Standard. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass in Deutschland 0,3 Prozent pro Monat – das sind 3,6 Prozent pro Jahr –, in Spanien 7 bis 8 Pro­zent pro Jahr, in Portugal 4,5 Prozent pro Jahr und in Schweden 0,5 Prozent pro Monat – das sind 6 Prozent pro Jahr – abgeschlagen werden.

Ich darf Sie weiters auch darauf hinweisen, dass heute in den Medien, aber auch in den vergan­ge­nen Tagen und Wochen immer die derzeit gültigen 3 Prozent Abschlag wertfrei und ohne Erläu­terungen mit den 4,2 Prozent Abschlag von den Bruttopensionen pro futuro nach der der­zei­tigen Begutachtungsvorlage verglichen werden. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass der Ab­schlag vom Steigerungsbetrag der durchschnittlichen ASVG-Pension in der Höhe von 3 Prozent tatsächlich ein Abschlag von der Bruttopension in der Höhe von nicht ganz 3,79 Prozent ist und da­her der Vergleich in den Medien 3,79 4,2 fair wäre. Damit würde man alleine aus diesem Titel nicht auf eine 30-prozentige Verschlechterung, sondern zu realistischen Werten kommen. Ich bitte nur um Fairness, dass man nicht Äpfel mit Birnen vergleicht, sondern Gleiches mit Glei­chem vergleicht. (Bundesrätin Schicker: Ich würde so denken, dass man das in den Begut­ach­tungsentwurf auch hineinschreibt, dass die Leute es auch verstehen, Herr Minister! Denn wir ver­stehen auch die Hälfte von dem nicht, was Sie uns da erklären! Sie reden nicht nur so schnell, sondern Sie reden darüber hinweg! Viele verstehen es nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich darf zu den Einwänden beider Oppositionsfraktionen sagen, dass ich mich nie geweigert ha­be, in jener Zeit, seit der ich in der Bundesregierung bin, meine Fachbeamten für allfällige Fra­gen allen Klubs des österreichischen Parlaments zur Verfügung zu stellen. Wir haben sogar unsere Fachbeamten dem deutschen Bundestag für Erklärungen einzelner Fraktionen, wenn sie es gewollt haben, zur Verfügung gestellt. Ich glaube daher, dass es sinnvoll ist, wenn die eine oder andere Detailfrage in den Auswirkungen bei diesem komplizierten Rechenwerk, das die Pensionsberechnungen in Österreich sind, zur Verfügung gestellt wird. (Bundesrätin Schicker: Einfach und klar, dass es die Leute verstehen, die Millionen Leute!)

Ich darf auch darauf hinweisen, dass ich mich aus diesem Grunde, da sehr vieles in der öster­rei­chischen Öffentlichkeit nicht verstanden wird und es sich daher trefflich für Populismus von allen Seiten eignet (Bundesrat Konecny: Oh! Oh!), schon seit meinem Amtsantritt bemüht ha­be, unter Mithilfe von Professor Tomandl zunächst das ASVG zumindest einmal für Juristen les­bar zu machen, um dann in einer zweiten Stufe vielleicht zu einem Pensionsrecht zu kommen, das für alle Staatsbürger lesbar wird.

Ich glaube, es wäre höchste Zeit, dass wir nicht nur in Politiker-Sonntagsreden sagen, dass das ASVG das wichtigste für die Lebensplanung ist, und dabei aber vergessen, dass wir mehr als 70 Änderungen des ASVG direkt und mehr als 150 Änderungen insgesamt haben, die in ihren Auswirkungen, in ihren Verklausulierungen, in ihrer Verschränktheit und ihren teilweise sehr unter­schiedlichen Zitierungen für die Mehrheit der Österreicher und oftmals nicht einmal mehr für Experten übersichtlich sind.

Ich glaube, Sie rennen bei mir als Erstem offene Türen ein, wenn wir uns alle gemeinsam auf die­ses neue Regelwerk einigen können. Denn das, so glaube ich, wäre nämlich auch für das Ver­trauen der österreichischen Bevölkerung in das Pensionssystem einer der eminentesten Schritte, der vielleicht nicht so viel kostet wie viele andere Schritte, die im Parlament gesetzt wer­den, aber die für die soziale Ausgewogenheit und für die Lebensplanung tatsächlich einen Erfolg bringen würden.

Daher wird auch das Pensionskonto nicht im Husch-Pfusch-Verfahren eingerichtet, sondern wir sind uns mit unseren Fachbeamten und den Fachmitarbeiterinnen und Fachmitarbeitern der Pen­sionsversicherungsanstalt einig – hier unterscheiden wir uns etwas von den eher juristisch


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do­minierten Persönlichkeiten unter den Experten aus der Pensionssicherungskommission –, dass frühestens in drei Jahren EDV-mäßig und verständnismäßig dieses Pensionskonto so ein­gerichtet sein wird, dass es für alle Österreicherinnen und Österreicher dann auch ein taugli­ches Instrument sein wird, die eigenen Pensionsansprüche abzulesen und damit planen zu können, wann man mit welchen Abschlägen von welcher Pension in Pension geht.

Daher haben wir heute auch schon, um dieses System umzustellen – von den Steigerungsbe­trägen abgesehen –, die Abschläge von der Bruttopension festgehalten, denn mit dem Auswei­sen der Bruttopension und den dortigen Rechenexempeln können sehr viele Österreicherinnen und Österreicher das nachvollziehbar gestalten, was sie heute mit den 3 Prozent Berechnung vom Steigerungsbetrag nicht nachvollziehen können.

Ich kann Ihnen sagen, weil ich sehr viele Überprüfungen von Pensionsbescheiden bekomme, dass sehr viele Menschen Schwierigkeiten damit haben, weil sie gedacht haben, diese 3 Pro­zent sind von der Bruttopension, oder manche haben sogar gedacht, die 3 Prozent seien von ande­ren Pensionsleistungen mitgerechnet, weil sie nicht berücksichtigt haben, dass sie zeitle­bens in ihrem Erwerbsleben nicht pensionspflichtige Zuschläge zu ihrem Einkommen gehabt haben, was sie nie realisiert haben. Und dann, wenn diese Zuschläge wegfallen, sind sie in der Pension auf einmal peinlichst berührt, dass ihr Grundeinkommen maximal 50 Prozent ihrer Le­benshaltungskosten gedeckt hat, und der Rest waren Zuschläge, Zulagen und sonstige Auf­wen­dungen, die sie bekommen haben.

Ich glaube daher, dass es für Änderungen im gesamten ASVG-System höchste Zeit ist. Meine Be­mühungen habe ich zumindest begonnen, um das zu verbessern. – Bitte, Kollege Schen­nach. (Bundesrat Schennach: Nur hier wäre es sehr wichtig, dass Sie sagen, welche Frage Sie be­antworten! – Bundesrätin Schicker: Da wird man zu Tode geredet! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich darf hinzufügen, Herr Kollege Schennach, dass ich vor jeder Frage auch immer die Nummer der Frage mitteile und dann meine Antwort gebe. Wenn Zwischenrufe kommen, verzeihen Sie mir, dass ich in meine alte parlamentarische Gepflogenheit zurückfalle und auch auf Ihre Zwi­schenrufe aktuell antworte. Daher wird das vielleicht etwas unübersichtlicher. (Bundesrat Ko­necny: Bitte antworten Sie aktuell: Bei welcher Antwort sind Sie?)

Ich komme daher zur Frage 2 (Bundesrat Konecny: Das ist unerhört! Pflanzen Sie jemand an­deren! – ironische Heiterkeit bei der SPÖ) und fasse sie noch einmal zusammen, damit Sie auch so zusammengefasst ist, dass sie klar ist. (Allgemeine Heiterkeit.)

In der vorzeitigen Alterspension wegen Arbeitslosigkeit sind 25 Prozent Männer und 75 Prozent Frauen. Auf Grund der Erwerbsbiographie der Frauen führt dies zu niedrigeren Frauen­pen­sionen. Durch die Schaffung des Altersübergangsgeldes und die gleichzeitige Anhebung des Arbeitslosengeldes um 20 Prozent sind diese Leistungen gegenüber des normalen Arbeitslo­sen­geldes für Frauen in Relation zu sehr vielen Pensionen kein gravierender Nachteil, sondern unter Umständen sogar ein Vorteil.

Zu Frage 3: Welche Auswirkungen wird das Auslaufen der Frühpension wegen langer Versiche­rungsdauer auf Frauen bewirken?

Durch das Auslaufen der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer werden zu 72 Prozent die Männer und nur zu 28 Prozent die Frauen betroffen sein.

Zu Frage 4: Welche Auswirkungen wird die Ausweitung des Durchrechnungszeitraumes von 15 Jah­ren auf 40 Jahre bei gleichzeitiger Beibehaltung der Aufwertungsfaktoren auf Frauen ha­ben?

Auf der Basis der gegenwärtigen Aufwertungsfaktoren wird ein 40-jähriger Durchrechnungs­zeitraum Pensionsverluste in der Höhe von rund 25 Prozent mit sich bringen. Dies gilt allerdings nur unter Zugrundelegung der gegenwärtigen Erwerbs- und Einkommensbiographie. Es ist da­her anzunehmen, dass sich in den kommenden Jahren die Erwerbsbiographien ändern werden


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und eine exakte Abschätzung nach den vorliegenden, aus der Vergangenheit herüberrei­chen­den Erwerbsbiographien nicht sinnvoll ist.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass ich in meiner Präambel erwähnt habe, dass derzeit in der Alters­kategorie bis 45 bereits 78 Prozent der Frauen einer Erwerbsarbeit nachgehen und dass dies vor 12 Jahren nur etwa 64 Prozent aller Frauen taten.

Frage 5: Welche Auswirkungen wird die Reduktion des Steigerungsbetrages von 2 Prozent auf 1,78 Prozent auf Frauen bewirken?

Bis zum Jahr 2000 galt durch die Pensionsreform des Jahres 1997 der festgelegte Steige­rungsbetrag in der Höhe von 2 Prozent. Bis zu diesem Zeitpunkt galten bis 1. Jänner 2000 die nie­dri­geren Steigerungsbeträge von 1,83 Prozent beziehungsweise 1,675 Prozent pro Ver­siche­rungsjahr. Dabei handelte es sich um ein Zurückgehen auf den mittleren Steigerungs­betrag ... (Bundesrat Konecny: Nein!) – Ja, Sie können es sich leicht ausrechnen. (Bundesrat Ko­necny: Das Berechnungssystem ...! Das stimmt einfach nicht!)

Herr Professor! Sie werden mir Recht geben, Sie haben mich nach den Steigerungsbeträgen gefragt, und im Hinblick auf die Steigerungsbeträge (Bundesrat Konecny: Welche Auswirkun­gen es hat, nicht was im Jahr ...!) wird das ein Zurückgehen auf die Steigerungsbeträge sein, die seit Mitte der achtziger Jahre unbestritten waren. Man wird allerdings darangehen, die Aus­wir­kungen, die sich pro futuro durch die Änderung des Berechnungssystems ergeben, „abmil­dernd“ zu korrigieren.

Ich darf Sie schon auch bitten, Herr Professor, dass Sie ... (Bundesrat Konecny: Entschuldigen Sie! Das ist einfach sachlich unrichtig, was Sie sagen!) – Nein, Herr Professor! Im Hinblick auf die Steigerungsbeträge nicht. (Bundesrat Konecny: Wir haben bei dieser Reform eine maximal er­reich­bare Pension von 78,5 auf 80 Prozent erhöht! Wir haben gleichzeitig den Berech­nungs­modus verändert! Davor gab es einen Sockelbetrag, der relativ überfallsartig eintrat! Sie können da nicht Birnen mit Äpfeln vergleichen!)

Herr Professor! Es steht mir nicht zu, die Fragestellung zu qualifizieren (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP – Bundesrat Konecny: Nein!), aber ich darf Sie schon darauf hinwei­sen, dass ich hier bin, um die Fragen, die Sie mir gestellt haben, zu beantworten. (Bundesrat Konecny: Welche Auswirkungen wird das haben? Das haben Sie nicht beantwortet! Das würde ich Sie bitten zu beantworten!) Wenn Sie andere Fragen haben, Herr Professor, bin ich gerne bereit, Ihre anderen Fragen zu beantworten. (Bundesrat Konecny: Das sind keine Antworten!)

Es mag sein, Herr Professor, dass Sie diese Antwort als unbefriedigend im Hinblick auf das empfin­den, was Sie sich vorgestellt haben. (Bundesrat Konecny: Auswirkungen sind etwas, was in der Zukunft liegt!) Ich darf Ihnen auch sagen, dass die neben Ihnen sitzende Frau Bun­desrätin vor kurzer Zeit in einem Zwischenruf gemeint hat, dass Ausführungen, die weiter­gehend sind, die Verständnisfrage eher negativ beeinflussen. Daher bitte ich Sie, dass die Be­antwortung der Fragen einmal so durchgeführt werden kann, wie sie – für mich lesbar – gestellt wor­den sind.

Zu Frage 6: Welche Auswirkungen wird die Erhöhung des Abschlages bei früherem Pensions­antritt von 3 Prozent auf 4,2 Prozent auf Frauen bedeuten?

Dieser Vergleich ist unzulässig. Zum einen handelt es sich beim geltenden Recht um den Ab­zug von 3 Prozentpunkten von einem bestimmten erworbenen Steigerungsbetrag, zum anderen handelt es sich bei den Vorschlägen um einen prozentuellen Abschlag von bereits errechneten Pensionen.

Ich darf Sie darauf hinweisen, was ich schon vorher zu den 3 Prozentpunkten ausgeführt habe: Von den Abschlägen sind Männer und Frauen gleichermaßen betroffen. Es ist anzumerken, dass gerade Frauen durch die Begrenzung der Abschläge mit 15 Prozent stärker profitieren als Männer. Dies gilt insbesondere für Bezieherinnen von Invaliditätspensionen.


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Zu Frage 7: Wann werden Wirkungen durch die Anerkennung von 24 Monaten (statt bisher 18 Monate) des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld als pensionsbegründend entstehen? Welche werden dies sein?

Ich darf Ihnen sagen, die Ausdehnung der pensionsbegründenden Monate der Kindererziehung von 18 auf 24 Monate begünstigt Frauen, die das im Jahr 2002 eingeführte Kinderbe­treu­ungsgeld beziehen. Diese Frauen werden je nach Lebensverlauf etwa in 25 bis 45 Jahren in Pen­sion gehen. Inwieweit sie zu diesem Zeitpunkt von diesen Maßnahmen netto profitieren, hängt von der zukünftigen Erwerbsbiographie ab. Ich kann das daher auch auf Grund des Ge­sagten bezüglich der höheren Beschäftigungsquote von Frauen bis 45 Jahre heute nicht end­gül­tig beurteilen. Berechnungen zu diesem Zeitraum sind also rein fiktiv, weil sie die heutigen Ver­sicherungs- und Erwerbsverläufe in das Jahr 2004 vorverlegen und interpolieren. Ich glaube, dass wir uns alle darin einig sind, dass die Arbeitswelt und die Wirtschaftssituation nicht dazu ge­eignet sind, solche Interpolationen vorzusehen.

Zu Frage 8: Was haben Sie als Frauenminister in die Pensionsreform eingebracht?

Ich darf darauf hinweisen, dass es eine Erstreckung der Beitragsmonate von 18 auf 24 Monate gibt und somit einen Anspruch auf pensionsbegründende Zeiten. Die Senkung des fiktiven Aus­ge­dinges für Bäuerinnen ist eine besondere Situation; dort, wo es nämlich zur Pensionstren­nung kommt, gibt es bekanntermaßen die Ausgleichszulage nur einmal. Daher werden jene, die sich zur Trennung ihrer Pensionen und zum Pensionssplitting aus schlechten oder nicht funktio­nie­renden Familienverhältnissen heraus entschlossen haben, von dieser Maßnahme besonders profitieren.

Die Erhöhung um und die Einführung von 0,1 Prozent allgemeiner Unfallversicherung wird 55 000 Frauen zugute kommen, die Haushaltsunfälle haben und die heute ohne entsprechende zu­sätzliche Rehabilitationsleistungen, wie sie in der AUVA gewährt werden, dastehen. Ich glaube, dass das eine Maßnahme ist, die, wie die Arbeiterkammer Salzburg und die Arbeiter­kam­mer Kärnten richtigerweise gesagt haben, gut ist und eben bei Haushaltsunfällen sehr vie­len Frauen zugute kommen wird.

Außerdem ist das Altersübergangsgeld eine wichtige Maßnahme für Frauen über 55. Die Aktion „56/58“ bringt 6 Prozent Entlastung, nämlich 3 Prozent für den Arbeitnehmer und 3 Prozent für den Betrieb, um diese Frauen in Beschäftigung zu halten.

Ich darf Sie weiters darauf hinweisen, dass mit der Aktion „60/65“ zu 12,6 Prozent – jeweils zur Hälfte Arbeitnehmer und Arbeitgeber – die Altersbeschäftigung erhöht werden und daher das Problem mit den Altersarbeitslosen verbessert werden soll.

Ferner werden bei Kündigungen von Über-50-Jährigen – wobei heute Frauen massiv benach­tei­ligt sind, weil sie billiger abzubauen sind – nunmehr mit der Anrechnung der Zugehörigkeit zum Betrieb gerade Frauen dahin gehend begünstigt, doch in Beschäftigung zu bleiben. Das Thema Kindererziehungszeiten haben wir schon diskutiert.

Ich glaube daher, dass die Verlängerung der Altersteilzeit und der erleichterte Zugang zur Altersteilzeit und die dortigen Möglichkeiten, falls der Betrieb nicht mitmacht, das Altersüber­gangsgeld und dann das um 20 Prozent höhere Arbeitslosengeld zu zahlen, gerade für Frauen mit ihrer schlechteren Einkommenssituation in manchen frauenspezifischen Berufen eine Ver­besserung und keine Verschlechterung darstellen.

Die Fragen 9, 10 und 11 darf ich in einem zusammenfassen:

Ich habe ein breites Spektrum an neuen Ideen, die ich zusammen mit meinen Parteifreunden, aber auch mit dem Regierungspartner diskutieren werde. Manche dieser Vorschläge sind in den letzten Tagen bereits durchaus auf fruchtbaren Boden gefallen, wenn ich etwa auf die Aus­sen­dung des Kollegen Bartenstein und seine Aussagen im Fernsehen Bezug nehmen darf, dass nämlich die weit zurückliegenden Arbeitsleistungen besser valorisiert werden sollen.


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Ich darf in diesem Zusammenhang Sie, Herr Professor, und Ihre Fraktion darauf aufmerksam machen, dass 1 000 € des Jahres 1965, wenn man sie mit der Lohnentwicklung valorisieren würde, bis zum heutigen Tag knapp über 9 000 € bedeuten würden und dass man, wenn man die damaligen Einkommen mit dem Pensionssystem und der üblichen Valorisierung ansieht, diese nur mit 4 800 bis 6 200 € valorisiert, was etwa ein Drittel weniger ist.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass gerade die Berufe in der Gastronomie und die Berufe im Bau- und im Baunebengewerbe in den Jahren 1965 bis 1975, wie aus den Statistiken zu er­sehen ist, die höchsten Realeinkommen hatten und dass daher für diese Berufsgruppen eine Verbesserung des derzeit gültigen Valorisierungssockels für diese zurückliegenden Jahre auch für jene, die nunmehr von den Übergangsregelungen und der Neugestaltung betroffen sind, Pensionserhöhungen von bis zu 5 Prozent bedeuten würde.

Ich möchte hier nicht polemisch werden, aber diesen Menschen hat man auch bei einem Durch­rechnungszeitraum von 15 Jahren auf Grund der schlechten Valorisierung meistens die besten Einkommensjahre bis zum heutigen Tage vorenthalten. Ich glaube daher, dass es an der Zeit wäre, dieses Vorenthalten von mehr als drei Jahrzehnten Arbeitsleben endlich zu beenden, und ich bin sehr zufrieden, dass sich beide Regierungsparteien bereits zu diesem Schritt durchge­rungen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Zu Frage 12:

Sehr geehrter Herr Professor Konecny! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Begutachtungs­entwurf dient dazu, dass davon abweichende Meinungen formuliert werden können. Tauchen ab­weichende Meinungen in einem Begutachtungsverfahren auf, ist nach Abschluss des Be­gut­achtungsverfahrens darauf Rücksicht zu nehmen, welche der Anregungen sinnvoll sind, ob es für die gesamte Solidargemeinschaft interessant ist, diese auch umzusetzen, und welche dieser Vorschläge nur aus Partikularinteressen von der einen oder anderen Gruppe und auf Kosten der Solidargemeinschaft aller Berufe erhoben werden.

Zweitens wird es für mich wichtig sein, auf die Verfassungskonformität zu achten und verfas­sungs­mäßige Bedenken zu berücksichtigen, weil ich glaube, dass es für das Pensions- und So­zialsystem das Wichtigste ist, sich auf in verfassungsrechtlicher Hinsicht sicherem Terrain zu be­wegen. Daher beunruhigen mich diese Meinungen nicht. Das, was mich beunruhigt, ist, dass, wie etwa heute in den Zeitungen, Personen aus allen Parteien und allen Berufsgruppen zur Ab­sicherung ihrer Partikularinteressen beziehungsweise ihrer regionalen Interessen eine Dis­kussion führen, die nicht auf die gesetzmäßigen Gegebenheiten eingehen, sondern die vorder­gründig etwas vorstellen, was hintergründig weder sozial noch ausgewogen ist.

Ich meine daher, dass wir am Ende der Debatte gut beraten sein werden, alle ernst zu nehmen­den Argumente des Begutachtungsverfahrens in die Beschlussfassung aufzunehmen, nicht aber die jener, die glauben, dass es noch immer möglich ist, sich auf Kosten anderer die Ro­sinen aus dem gesamten schwer verdienten Kuchen der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der gesamten österreichischen Wirtschaft – ob staatlich, halbstaatlich oder ASVG-Bereich – zu picken. (Bundesrat Konecny: Wer sind die, die das angeblich wol­len?)

Wenn man sich die Zahlen des Budgetbegleitgesetzes ansieht, in welchem Verhältnis die Leis­tun­gen zwischen den Gruppen aufgeteilt sind, und dem die Relation der Betroffenen mit den Leistungen, die damit finanziert sind, gegenüberstellt, so sollte man nicht vergessen, dass auch hier weitestgehend eine Ausgewogenheit der Maßnahmen zwischen den einzelnen Berufs­grup­pen herrscht.

Am Ende meiner Stellungnahme möchte ich noch Folgendes betonen: Ich wünschte mir, dass Herr Kollege Gusenbauer das, was er in den Medien gesagt hat – ohne sein Programm für eine Pen­sionsreform vorzustellen –, auch im Hohen Haus Wirklichkeit werden lässt, nämlich eine Harmonisierung aller Pensionssysteme, also auch der Bundes-, Landes- und Gemeindebe-


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dienste­ten sowie der restlichen Bereiche, die von ASVG-Versicherten immer schon als ge­schützt und privilegiert angesehen wurden.

Hinsichtlich der Politikerpensionen bin ich derselben Ansicht wie damals, im Jahre 1995, näm­lich dass es höchst an der Zeit wäre, auch unser Pensionssystem endlich so abzuändern, dass die Menschen im ASVG-System dafür Verständnis haben, und dass die Politiker nicht besser gestellt werden. (Bundesrätin Bachner: Wer hindert Sie? Wer verhindert es?) Ich sage das als jemand, der hier nie verschwiegen hat, dass für ihn noch das „uralte“ System gilt, der aber die­ses uralte System gegenüber den übrigen Mitgliedern dieser Gesellschaft immer als nicht aus­gewogen betrachtet hat. Es wundert mich, Herr Professor, dass diese Frage von Ihnen nicht an­ge­sprochen wurde! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.44


Präsident Herwig Hösele: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile ihr dieses.

15.44


Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vize­kanz­ler! Frau Bundesministerin! Ich weiß nicht, ob ich mit 20 Minuten Redezeit auskommen wer­de, wenn ich jetzt auf all diese Feststellungen antworten soll, die der Herr Vizekanzler in sei­ner schnellen Art, zu sprechen, getroffen hat. Ich werde mich aber bemühen. (Bundesrat Bie­rin­ger: Das ist in der Geschäftsordnung geregelt! Das brauchen wir nicht zu diskutieren!) – Die Fragen waren schnell beantwortet, die Präambel war aber sehr lange. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Mag. Haupt.) – Die Taktik – da kann ich Ihnen Recht geben –, die Sie immer pflegen, Herr Vizekanzler, ist aufgegangen.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit dem Bekannt-Werden der Maß­­nahmen dieser geplanten Pensionsreform waren die Medien voll mit Schlagzeilen. Sie le­sen jeden Tag Zeitungen, alle möglichen Zeitungen, in allen Bundesländern und aller Cou­leurs.

Es hat Schlagzeilen gegeben wie: Pensionsraub. Anschlag auf den geruhsamen Lebensabend. Die Gräben werden vergrößert. Es wird getäuscht und betrogen. Das ist modernes Raubritter­tum. Die Regierung spart bei Alt und Jung. Ein ganzes System wird zerschlagen. Es ist zum Kotzen. – Entschuldigen Sie diesen Ausdruck, aber auch das ist in der Zeitung gestanden.

Weiters stand zu lesen: Aufstand der Wähler. Und – diese dringliche Anfrage betreffend –: Die Frauen sind härtest betroffen.

Diese und viele andere Schlagzeilen sowie auch Aussagen von Persönlichkeiten Ihres Koali­tionspartners, der ÖVP, Herr Vizekanzler – die Frau Bundesministerin ist anwesend –, bestäti­gen das und kommen nicht von ungefähr. Sie bestätigen, dass die Versorgung der Frauen im Alter sehr schlecht ist.

Ich zitiere noch Aussagen von Spitzenrepräsentanten der ÖVP und wiederhole nicht das, was mein Klubobmann, Professor Konecny, gesagt hat, denn es gibt noch viele andere Aussagen, die ich Ihnen hier zu Gehör bringen möchte, wenn Sie sie vielleicht nicht gelesen haben. Viel­leicht bringen diese auch Sie zum Umdenken.

Ich entschuldige mich, wenn ich im Folgenden nicht alle Titel und Funktionen dieser Personen anführe. Da war zum Beispiel Herr Abgeordneter Spindelegger – bei ihm sage ich es dazu, er ist der außenpolitische Sprecher der ÖVP –, der meinte: Diesen Entwurf würden wir so nicht mit­tragen.

Ich zitiere Herrn Abgeordneten Fasslabend: Entwurf muss überarbeitet werden. Übergangs­regelungen dürr.


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Ich zitiere Herrn Dinkhauser aus Tirol: Pensionsreform – schreiendes Unrecht.

Ich zitiere nochmals Herrn Dinkhauser: Schüssel kann Regierung nicht weiterführen, wenn er Pensionsreform so durchziehen lässt.

Ich zitiere die Kollegin der FCG, Christine Gubitzer: Das ist modernes Raubrittertum.

Ich zitiere nochmals Frau Kollegin Gubitzer: Pensionsreform als Sammeln von Geld, um irgend­wie das Budget abzusichern.

Ich zitiere Herrn Abgeordneten Neugebauer: Kurzfristig sind derart gravierende Maßnahmen nicht notwendig.

Ich zitiere die FCG-Frauen: Frauen um Alterssicherung betrogen. (Bundesrat Mag. Himmer: Ha­ben Sie etwas Eigenes auch noch?) – Ich brauche nicht zu zitieren, ich sage Ihnen, was ich den­ke. Ich kann aber nur andere Personen zitieren, lieber Kollege Himmer!

Ich zitiere den Herrn Verteidigungsminister: Unsoziale Maßnahmen.

Ich zitiere Herrn Landeshauptmann van Staa: Sonst droht Widerstand aus Tirol, sollte diese unso­ziale Regelung umgesetzt werden.

Ich könnte diese Liste noch beliebig fortsetzen, will aber nicht ... (Bundesrat Mag. Himmer: In 20 Minuten?) – Ich habe in diesen 20 Minuten noch etwas anderes zu sagen und will nicht nur zitieren, Herr Kollege Himmer!

Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass es nicht immer die Aussagen der Opposition sind, die Sie zu bekritteln haben, sondern diese kontroversen Aussagen zur Pensionsreform kom­men aus Ihren eigenen Reihen und von der Gewerkschaft, aber nicht von der FSG, son­dern von der FCG! Das sollte Ihnen schon zu denken geben.

Herr Vizekanzler! Es gab heute Vormittag eine Fragestunde. Obwohl Frau Staatssekretärin Haub­ner in dieser Fragestunde bereits viele verschiedene Schritte einer Nachjustierung ange­deutet hat, um vorgesehene harte Maßnahmen sozusagen abzufedern, bleibt doch noch vieles offen.

Ich frage mich, weil so viele Fragen offen bleiben und weil so vieles nachjustiert werden muss: Warum hat man das nicht vorher in diesen Begutachtungsentwurf eingebaut, wenn man schon gewusst hat, was alles schief läuft?

Ich will weder die Experten beschuldigen, die Daten nicht richtig errechnet zu haben, auf wel­cher Seite diese Experten auch immer stehen mögen, aber ich muss sagen: Irgendetwas ist da schief gelaufen!

Es musste schnell gehen, Herr Vizekanzler! Doch wie immer, wenn etwas schnell gehen muss, entsteht eine Husch-Pfusch-Vorlage, und wir haben das in den letzten drei Jahren erlebt. Speed kills – dieser Ausdruck ist noch immer aktuell!

Ich werde mich jetzt bemühen, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu erklären, wie prekär durch die geplanten Maßnahmen die Situation für die Frauen wird, wie erheblich sie sich für sie ver­schärfen wird.

Zur Ausgangslage: Aus der Statistik – diese ist nicht anzuzweifeln – ist zu entnehmen, dass nach den im Jahre 2001 neu zuerkannten Alterspensionen Frauen eine Pension in der Höhe von durchschnittlich 8 902 S monatlich bekamen, Männer hingegen eine solche in der Höhe von 23 638 S. Das sagt die Statistik des Sozialministeriums aus, und diese ist nicht anzuzweifeln. Das heißt: Da stehen 8 000 S 23 000 S gegenüber. Das ist ein Faktum!

Sie, Herr Vizekanzler, beziehungsweise die Regierung plant nun die Abschaffung der vorzei­tigen Alterspension wegen Arbeitslosigkeit. Es soll die Frühpension wegen Arbeitslosigkeit Ende


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2003 auslaufen und durch ein Übergangsgeld ersetzt werden. Da diese vorzeitige Alterspension wegen Arbeitslosigkeit vor allem von Frauen beansprucht wird – Ende 2002 waren es 11 860 Fra­uen und im Verhältnis dazu nur 2 822 Männer –, werden damit vor allem Frauen länger in der Arbeitslosigkeit verbleiben müssen.

Wenn ich jetzt höre, dass die durchschnittliche Höhe des Übergangsgeldes bei Frauen bei 763 € liegen wird, so muss ich feststellen: Sie ist damit annähernd gleich hoch wie die vorzeitige Alterspension wegen Arbeitslosigkeit bei Frauen mit 760 €. Warum ändert man das? – Das frage ich mich.

Ein nächstes Beispiel: Mit dem Übergangsgeld wurde für arbeitslose ältere Personen auch nur eine befristete Lösung geschaffen. Das Übergangsgeld gibt es nur mehr für Frauen, die vor Juli 1950 geboren sind und zwischen 2004 und 2006 die Voraussetzungen für das Übergangsgeld erfüllen. Nach Auslaufen dieses Übergangsgeldes fehlt für viele Frauen eine Absicherung bei Arbeitslosigkeit, da in erster Linie Frauen von der Kürzung beziehungsweise Streichung der Not­standshilfe wegen Anrechnung des Partnereinkommens betroffen sind. Das heißt, dass viele Frauen Pensionszeiten verlieren werden.

Nächster Punkt: Die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen langer Versicherungs­dauer. Die Frühpension wegen langer Versicherungsdauer soll von Mitte 2004 bis Oktober 2009 auslaufen, so heißt es im Begutachtungsentwurf. Was heißt das? – Der Durchrechnungs­zeit­raum für die Pensionsbemessung wird von 15 Jahren auf 40 Jahre schrittweise ausgeweitet, beginnend ab 2004 wird bis 2028 der Bemessungszeitraum um jeweils ein Jahr verlängert.

Für Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung wegen Betreuungspflichten ist aber keine Sonderre­ge­lung vorgesehen. Eine Änderung der Aufwertungsfaktoren ist im Entwurf auch nicht vorge­sehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch diese Ausweitung des Durchrechnungszeit­raumes bei gleichzeitiger Beibehaltung der Aufwertungsfaktoren werden Frauen in zweifacher Hin­sicht diskriminiert.

Ich könnte diese Liste von Beispielen oder Durchrechnungen oder von Experten durchge­rech­neten Situationen von Frauen noch beliebig fortsetzen, aber das würde nichts daran ändern. Herr Vizekanzler! Sie wissen ohnehin, wo es die Frauen überall trifft.

Stichwort: Reduktion des Steigerungsbetrages. Stichwort: Abschläge bei früherem Pensions­antritt. Stichwort: Valorisierung von Neuzugängen. Stichwort: Pensionsbegründung von Kinder­er­ziehungs­zeiten und und und.

Nichts gehört habe ich zu der Frage: Was ist mit dem „Opting-in“ bei geringfügig Beschäftigten? Werden diese Zeiten in die Bemessungsgrundlage eingerechnet?

Nichts gehört habe ich zu der Frage: Wie werden die Kindererziehungszeiten in die Bemes­sungs­grundlage einbezogen?

Nichts gehört habe ich zu der Frage: Kann es sein, dass sich Zeiten der Teilzeit negativer aus­wir­ken als eine längere Berufsunterbrechung, weil damit nur die höhere Bemessungsgrundlage eingerechnet wird? – Und und und.

Viele Fragen sind offen! Herr Vizekanzler! Frau Frauenministerin! Sie sind am Zug! Wir werden natürlich sehr genau schauen, wie diese Begutachtungsentwürfe aussehen werden, wenn sie zurückkommen, beziehungsweise was Sie davon einbauen, Herr Vizekanzler!

Zusammenfassend möchte ich und müssen wir feststellen, dass Frauen durch diese geplante Pen­sionsreform der Bundesregierung massive Benachteiligungen hinnehmen werden müssen. Meine Fraktion bringt aus diesem Grund folgenden Entschließungsantrag ein – ich bemühe mich, so schnell wie möglich zu sprechen, um an Ihr Tempo heranzukommen, Herr Vize­kanzler –:


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Entschließungsantrag

der Bundesräte Johanna Schicker, Roswitha Bachner und KollegInnen betreffend massive Be­nachteiligungen für Frauen durch die geplante Pensionsreform der Bundesregierung – Rück­nahme der Pensionsreformschritte, die die Frauen benachteiligen

Auf die von Bundesminister Haupt und Bartenstein vorgestellte Pensionsreform gab es heftige und massive Kritik von Seiten der Opposition, unabhängiger Experten, aber auch hochrangigen Ver­tretern der beiden Regierungsparteien. Ein Hauptansatzpunkt der Kritik ist anbei die massi­ve Benachteiligung von Frauen und der negative Einfluss durch die Pensionsreform auf die sozialen Lebensbedingungen der Frauen.

Eine umfassende Begründung dafür und eine umfassende Darstellung der verschiedensten Po­sitionen ist der Dringlichen Anfrage der Bundesräte Prof. Konecny und GenossInnen betreffend massive Benachteiligung für Frauen durch die geplante Pensionsreform der Bundesregierung zu entnehmen.

Der Text des Entschließungsantrages ist inhaltsgleich mit dem die Frauen betreffenden Punkt der einstimmig beschlossenen Resolution der Kärntner Landesregierung.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher den folgenden

Antrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

Entschließung:

Der Bundesrat hat beschlossen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die für Frauen und Mütter besonders benachteiligenden Reformschritte im Rahmen der Pensionsreform zurückzunehmen.

*****

Ich lade Sie, meine Damen und Herren, ein, im Interesse aller Frauen in diesem Land diesem Ent­schließungsantrag beizutreten beziehungsweise ihn zu unterstützen.

Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Ich möchte mit der Einbringung dieses Entschlie­ßungs­antrages schon zum Schluss kommen, möchte aber nicht verabsäumen, auf ein Beispiel hinzuweisen, das mir gestern zur Kenntnis gebracht worden ist. Damit komme ich auch auf die Situation der Männer zu sprechen, denn in Zeiten von Gender Mainstreaming sollte man sich nicht nur für eine Sparte einsetzen. Ich bringe jetzt ein Beispiel der Situation eines Mannes.

Dieser Mann, dessen Situation ich hier meine, hat mir gestern einen Zettel zugesteckt, auf wel­chem er seinen Arbeitsverlauf schildert. Er war verzweifelt und versuchte, flehentlich zu erkun­den, ob das, was er befürchtet, auch so sei.

Dieser Fall ist wahrscheinlich einer von Zigtausenden. Ich könnte auch eine schriftliche Anfrage an den Herrn Vizekanzler richten oder in seinem Ministerium anrufen. Ich schildere den Fall deswegen hier, weil er beispielhaft für viele Männer in solch einer Situation ist.

Herr Vizekanzler! Dieser Mann, von dem ich hier spreche, ist am 9. Dezember 1944 geboren. Das heißt, er würde mit Ende nächsten Jahres auf Grund von 45 Versicherungsjahren, die er dann hätte, in Pension gehen können.

Er hat bis April dieses Jahres 522 Versicherungsmonate erworben und würde, wie gesagt, im De­zember nächsten Jahres 45 Versicherungsjahre erreicht haben – nach der so genannten


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„Hackler­regelung“, die jetzt als Formulierung auch Eingang in einen Regierungsentwurf gefun­den hat.

Abgesehen von den erhöhten Abschlägen, die noch hinzukommen würden, kommt bei ihm noch folgender, wirklich fataler, persönlicher Umstand hinzu: Seine Firma, ein Elektro-Unter­nehmen, schließt Mitte dieses Jahres ihre Filiale, weil die Konjunktur sehr schwach ist und die Mitar­beiter nicht mehr gehalten werden können. Dieser Herr erhielt im März seine Kündigung per Ende Juni. Nach Auskunft der Pensionsversicherungsanstalt hätte er jetzt ein Jahr die Mög­lich­keit, Arbeitslosengeld zu beziehen, und würde dann in den Notstand gelangen. Not­stand ist gleich Sozialhilfe. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich bitte da wirklich um Aufklärung!

Das passiert ihm ein halbes Jahr vor seinem 60. Geburtstag nach 44 Arbeitsjahren. Er würde un­verschuldet aus der „Hacklerregelung“ fallen, weil er in der Arbeitslose dieses eine Jahr, die-se 12 Monate, nicht dazuerwerben kann, und würde dann nach dem heutigen Entwurf bis zum 65. Lebensjahr Sozialhilfebezieher sein, und das mit 44 echten Arbeitsjahren. Das kann doch nicht möglich sein!

Solche Fälle wie diesen gibt es Zigtausende. Meine Damen und Herren! Denken Sie einmal nach!

Eines noch: Sie haben das auch ein bisschen zynisch gemeint, Herr Vizekanzler, als Sie gesagt haben, manche suchen sich nur die Rosinen aus dem Kuchen heraus, und und und. – Ich wie­derhole: Dieser Mann hat 44 Jahre lang gearbeitet. Er hätte auch das 45. Jahr voll erreicht, wenn sein Unternehmen nicht schließen würde.

Die zynische Auskunft eines Beamten der Pensionsversicherung lautete dann: Sie hätten viel­leicht noch die Möglichkeit, in die Invaliditätspension zu gehen, aber dafür waren Sie viel zu selten krank!

Meine Damen und Herren! Das muss man sich nach 44 Jahren Dienstzeit sagen lassen – abge­sehen davon, dass diese neue Regelung, die diese gravierenden Änderungen vorsieht, mo­ralisch nicht gerechtfertigt ist.

Herr Vizekanzler! Ich ersuche Sie eindringlich, diesen Leuten zu helfen, denn sie verlieren jeden Glau­ben an einen Vertrauensschutz, sie verlieren jedes Vertrauen in die Gesetzgebung, das wir alle eigentlich haben sollten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.03


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Schicker, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend massive Benachteiligung für Frauen durch die geplante Pensionsreform der Bundesregierung – Rücknahme der Pensionsreformschritte, die die Frauen benachteiligen, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich der Herr Vizekanzler. – Bitte.

16.03


Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt: Ich möchte grundsätzlich sagen: Ich bin gerne bereit, mir all diese Fälle mit den Beamten mei­nes Hauses und jenen aus dem Bundesministerium meines Kollegen Bartenstein anzusehen, sodass man auch bei der jetzt vorliegenden Regelung weiß, wie es jemanden betrifft.

Ich möchte nur ganz kurz in Bezug auf das Altersüberleitungsgeld und die Regelungen, die da­mit zusammenhängen, sagen, dass diese Fälle nicht in die Notstandshilfe fallen, sondern in der 20-prozentig erhöhten Arbeitslosigkeit bleiben. Das resultiert aus den Regelungen des Ressorts des Ministers Bartenstein. Wir werden das gerne so machen.

Eine Frage habe ich tatsächlich nicht beantwortet, die Sie gestellt haben, nämlich die Frage, ob sich das Dazuverdienen bei der Kinderbetreuung überhaupt rentiert. Meine Antwort: Es rentiert


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sich, weil das Additiv dazugerechnet wird. Es werden zuerst die Beitragsjahre gerechnet, dann dazu die Kinderbetreuungszeiten, aber die additive Rechnung ist nicht so, dass es zu 100 Pro­zent dazugeschlagen wird, sondern ist eine komplizierte mathematische, sodass es nicht die volle 100-prozentige oder die volle 20-prozentige Erhöhung gibt, sondern eine Teilerhöhung.

16.05


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer. – Bitte.

16.05


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident! Ich glaube, wir haben in dieser Diskussion, einleitend mit der Wortmeldung des Kollegen Ko­necny, der bei den letzten dringlichen Anfragen doch immer im Tiefflug dahergekommen ist, hingegen aber heute Ruhe und Sachlichkeit ausgestrahlt hat – ich möchte nicht sagen, dass ich da schon wieder ein bisserl enttäuscht bin (Heiterkeit bei der SPÖ), aber normalerweise erübrigt sich jede Rede, denn man nimmt sich einfach die fünf besten Zitate von Kollegen Konecny her und spricht darüber –, auch die Möglichkeit, inhaltlich auf diese Gesetzesmaterie einzugehen.

Ich glaube, es haben gerade die Koalitionsverhandlungen oder die Sondierungen in diesem Zu­sam­menhang gezeigt, dass man im Befund nicht weit auseinander liegt. Es ist hier wiederholt festgestellt worden, dass man im Jahre 1970 8,8 Jahre in Pension gewesen ist und dass dieser Zeit­raum bis 2001 auf 20,3 Jahre angestiegen ist. Es ist ebenso klar, dass die Zahl der Ge­burten abnimmt, dass aber die Österreicher immer früher in Pension gehen. Österreich hat zwar eines der besten, aber auch eines der teuersten Pensionssysteme weltweit. Jetzt geht es dar­um, unser Pensionssystem gerecht umzubauen und nachhaltig für die Zukunft zu sichern.

All diese Dinge sind hier bereits sehr deutlich gesagt worden, und es besteht daher so gut wie kei­ne Notwendigkeit, sie nochmals zu wiederholen.

Die wesentlichen Eckpunkte der Reform sind die schrittweise Abschaffung der vorzeitigen Al­ters­pension, die Fortschreibung der „Hacklerregelung“, die Neuordnung der Steigerungs­beträ­ge, die Anrechnung der Kindererziehungszeiten und die Valorisierung der Neupensionen. Über diese Punkte herrscht zum großen Teil mit allen Fraktionen, wie ich weiß, vom Grundprinzip her Konsens. Natürlich gibt es im Zuge der Begutachtung noch genügend Zeit, in welcher die poli­tische Diskussion stattfinden kann und in welcher die verschiedenen Verantwortungsträger auf den Gesetzwerdungsprozess Einfluss nehmen wollen. Das geschieht zum Teil auch mit hefti­gen Worten auch aus meiner Fraktion. Das kann bei solch einer wichtigen Materie doch wohl niemanden wirklich wundern.

Woran ich trotzdem erinnern möchte, das sind einige Zitate, die von Seiten der sozialdemokra­tischen Fraktion gekommen sind. So hat zum Beispiel der Vorsitzende der Sozialdemokra­ti­schen Partei noch im Jänner über eine Zusammenarbeit mit der Volkspartei so spekuliert, dass er gemeint hat, eine schwarz-rote Koalition hätte nur dann einen Sinn, wenn die Reformen so tief greifend sind, dass den Menschen der Mund offen bleibt. Ich weiß nicht, was er mit den Wor­ten „dass den Menschen der Mund offen bleibt“ gemeint hat, aber offensichtlich hat er damit zumindest gemeint, dass sehr fundamentale Reformen notwendig sind.

Derselbe Vorsitzende hat auch die Angleichung der Pensionssysteme gefordert, und derselbe Vorsitzende hat sich auch für das Auslaufen der Frühpensionen ausgesprochen und auch er­kannt, dass er wahrscheinlich bis zu seinem 65. Lebensjahr wird arbeiten müssen. In vielen Grundzügen ist das also das, was auch hier außer Streit steht.

Besonders erwähnen möchte ich, dass sich der Vorsitzende der SPÖ auch dazu bekannt hat, dass eine Milliarde bis 2006 eingespart werden muss und dass auch die Lebensarbeitszeit wird durchgerechnet werden müssen. Das Ganze geht natürlich auch in die Richtung, dass – und da­mit ist in erster Linie die Pensionssicherung verbunden – die Leistungen nicht so wie in der Vergangenheit aufrechterhalten werden können.


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Ich glaube, es stellt sich in diesem Zusammenhang immer wieder die Frage: Wer hat Schuld an der gegenwärtigen Ist-Situation? – Ich glaube, der Wahlkampf ist zur Zeit nicht aktuell. Es wür­de mir zwar einiges dazu einfallen, was sozialdemokratische Sozialminister betrifft, was unter­schiedliche Versprechungen von Bundeskanzlern anlangt, aber ich würde sagen: Am Ende des Ta­ges, da das hier ein Parlament ist, muss man zugeben: Wir haben die Maßnahmen nicht früher gesetzt – welche Regierung auch immer zu welcher Zeit, welche Opposition auch immer zu welcher Zeit, es sind von diesem Haus die Maßnahmen nicht früher gesetzt worden. Und dass man dann natürlich, je länger man mit diesen Maßnahmen zuwartet, desto härter hinein­schneiden muss, liegt in der Natur der Sache.

Ich möchte aber auf einen Punkt eingehen, der mir wichtig ist. Ich möchte für die jüngere Gene­ra­tion sagen: Wenn man hier die längeren Übergangsfristen schönredet – das möchte ich aus­drücklich betonen: schönredet! –, dann muss man schon auch bedenken, dass das zwar sehr fein für alle diejenigen, die von den längeren Übergangsfristen bevorteilt sind, ist – und es ist eine durchaus sachliche, wichtige Diskussion, wenn man überlegt: Wie kann man, auch was die Le­­bensplanung betrifft, sinnvoll vorgehen? –, aber man muss gleichzeitig darauf hinweisen, dass, wenn wir von längeren Übergangsfristen sprechen, das trotzdem wieder jemand bezahlen muss.

Dass die jüngere Generation allein mit der Begründung, dass man sich länger darauf einstellen kann, davon überzeugt werden soll, entweder noch mehr und noch mehr in das Pensions­system zusätzlich einzuzahlen oder weniger herauszubekommen, ist für mich keinesfalls ge­recht­fertigt. Das Momentum, dass man dafür länger planen kann, ist für mich nicht aus­rei­chend, um alles zu entschuldigen. Daher finde ich, dass man über die Frage, wo da das Gleich­gewicht liegt, schon engagiert streiten darf.

Da hier der berechtigte Standpunkt der älteren Generation wiederholt eingebracht worden ist, möchte ich – da sich das Gesetz auch noch in Begutachtung befindet – diesen Punkt in der Dis­kus­sion nicht unerwähnt lassen: Letztendlich muss alles, was wir bei Übergangsfristen groß­zü­giger regeln, jemand anderer – in Wahrheit die Jungen – bezahlen. (Bundesrätin Schicker: Der 55-jährige kann nicht mehr vorsorgen, der Junge kann es noch!)

Ja, liebe Frau Kollegin Schicker, der Junge kann noch vorsorgen. Aber der Junge, der eine Fa­milie aufbaut, dem teilen Sie zwar mit, dass das ganz toll ist, dass er noch vorsorgen kann, aber er kann sich dann sein Haus nicht leisten, er kann sich dann seine Urlaube nicht leisten – er muss das auch irgendwie bezahlen!

Wir alle sind uns doch wohl einig darüber, dass ein junger Mensch, der seine Existenz aufbaut, das Geld möglicherweise auch braucht. (Bundesrätin Schicker: Er hat das Geld nicht, richtig!) Wenn wir es uns dann genauer anschauen, dann werden wir sehen, es gibt möglicherweise junge Leute, die das nicht zahlen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn wir noch länger diskutieren, dann werden wir zu der „tollen“ Erkenntnis kommen, dass es junge Leute gibt, die mehr Geld haben, und alte Leute, die weniger haben – und auch um­gekehrt! Aber im Endeffekt können Sie nicht alles auf die junge Generation übertragen und Fristen verlängern, mit dem einzigen Argument, die Jungen können das einplanen. Nur weil man langfristig weiß, dass einem von der Pension nichts mehr übrig bleiben wird, nur weil man langfristig weiß, dass man entweder höhere Beiträge zahlen muss oder nichts mehr heraus­bekommt, ist es deshalb doch nicht besser, ist das doch kein Argument! Die Tatsache, dass man es schon 20, 30 Jahre vorher weiß, entschuldigt doch bei weitem nicht alles! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang möchte ich auch den meiner Meinung nach nicht ganz fundierten Aus­­flug des Kollegen Konecny bewerten. – Ich sage in diesem Zusammenhang nicht Pro­fessor, denn er ist kein klassischer Professor, vor allem kein Wirtschaftsprofessor. – Er hat ge­meint, dass sich die Einbußen der älteren Generation, wenn es bei den Pensionen zu Ein­schrän­kungen käme, direkt auf den Konsum auswirken würden, dass sie einen Rückgang im


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Kon­sum zur Folge hätten, dass sich sozusagen volkswirtschaftliche Wechselwirkungen daraus ergeben würden. (Bundesrätin Schicker: Das merkt man doch jetzt schon!)

Wenn ich dabei an die jüngeren Menschen denke, dann muss ich sagen: Ich habe jetzt keine Stu­dien bei mir, aber ich darf Ihnen sagen, dass ich mir dessen sehr sicher bin, dass all das, was den jungen Leuten am Monatsende in der Tasche bleibt, viel schneller in den Konsum fließt und die Wirtschaft viel schneller konsumentenseitig ankurbelt.

Ich habe jetzt keine Zahlen dabei, aber diese gibt es. Ich bin mir ganz sicher, dass das ein­wand­frei so ist, und daher war dieser Ausflug von Herrn Professor Konecny in das Gebiet der Volks­wirtschaft etwas „holpertatschig“. (Bundesrätin Schicker: „Holpertatschig“? Wie schreibt man das? – Weitere Zwischenrufe und ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Die Grundlage dafür ist offensichtlich, dass man glaubt, dass das Geld – woher es auch immer kommt –, das man aus­gibt, obwohl man es im Grunde gar nicht hat, dann wieder als Geld zurückkommen kann, das verdient worden ist.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Es ist verständlich, dass wir in der gegenwärtigen Situa­tion in den Fraktionen, in den Parteien und zwischen den Parteien während der Begutachtung eine heftige Debatte haben. Das ist ja auch sehr gut so, und davor sollten wir nicht zurück­schrecken.

Lassen Sie mich trotzdem festhalten: Gerade all das, was man im Rahmen der Sondierungs­ge­sprä­che erfahren hat, war dazu angetan, die Notwendigkeit der Pensionssicherung zu unter­strei­chen. Damit meine ich nicht das, was letztendlich immer wieder von anderen berichtet und interpretiert wurde, etwa von Peter Pilz, der erzählt, was die ÖVP gesagt hat, sondern in diesem Fall gehe ich von Statements aus, die die beteiligten Personen selbst gemacht haben, wie etwa Herr Gusenbauer oder Herr Van der Bellen, die sich nachhaltig zur Notwendigkeit einer Pen­sions­reform bekannt haben.

Wir sind im Befund grundsätzlich einer Meinung, aber wir haben unterschiedliche, sozial wichti­ge Aspekte, die zu beachten sind, beleuchtet.

Erlauben Sie mir, dass ich noch einmal ausdrücklich betone: Bei all dem, was wir bei den Be­rufs­gruppen jetzt positiv nachverhandeln, weil wir auf soziale Härten, Planbarkeit et cetera Rück­sicht nehmen – und ich halte diese Diskussion nicht für unnotwendig, im Gegenteil, sie ist sehr wichtig! –, sollten wir immer wissen: Jeder Kompromiss geht zu Lasten der nächsten Ge­ne­ration. Sehen Sie sich an, wie sich die Pensionen über die letzten Jahre mit den Pensions­re­for­men, die wir gehabt haben, fiktiv reduziert haben! Dabei handelt es sich nicht um 15 Prozent, sondern da reden wir von viel mehr!

Da ich den Eindruck habe, dass eine Reihe von wichtigen Interessen in diesem Hohen Haus be­reits sehr gut vertreten ist, möchte ich hier abschließend mit Nachdruck sagen: Vergessen Sie nicht auf die nächste Generation! Vergessen Sie nicht auf den Generationenvertrag! – Wenn wir das berücksichtigen, dann bin ich davon überzeugt, dass wir zumindest bei sehr gro­ßen Teilen der Materie gemeinsam mit der Opposition diesen wichtigen Schritt setzen und die Beschlüsse zur Pensionssicherung für alle Menschen in diesem Land fassen werden können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.18


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Alfredo Ro­sen­maier das Wort. – Bitte.

16.18


Bundesrat Alfredo Rosenmaier (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Ich müsste eigentlich sagen: Ich bin sprachlos. Wenn man Ihnen, Herr Vizekanzler, zugehört hat, was Sie alles sehr rasch und „in Kürze mit viel Wür­ze“ von sich gegeben haben, dann muss ich sagen: Ich verstehe die ganze Aufregung nicht! Es ist doch völlig unwahrscheinlich, dass sich die Menschen über etwas aufregen, was so gut ist!


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Aber darüber, dass es doch „ein bisschen Missstimmung“ gibt, sind wir uns doch einig, nicht? – Daher ist es auch wichtig, sich an einen runden Tisch zu setzen und diese Missstimmung zu bereinigen.

Dass eine Pensionsreform eine wirkliche Notwendigkeit ist, ist mittlerweile niemandem entgan­gen. Ich denke, dass es auch wichtig ist, diese durchzuführen. Aber es wird wichtig sein, eine harmo­ni­sche Form dafür zu finden – und vor allem Übergangsfristen, die auf die Lebenspla­nung der Menschen ein bisschen Rücksicht nehmen. Jeder, der drei bis fünf Jahre vor der Pen­sion steht und sein Leben lang gearbeitet hat – und nehmen wir an, schwer gearbeitet hat –, hat doch ein Recht darauf. Er hat ganz bestimmte Vorstellungen für seinen Lebensabend, und es ist wichtig, dass man ihm auch die Chance gibt, diesen Lebensabend so verbringen zu dürfen. Auf diese Lebensplanung hat, wie ich meine, jeder von uns ein Recht.

Die Diskussion um die Pensionsreform hat die verschiedensten „Früchte“ hervorgebracht. Eine davon gefällt mir gar nicht, das möchte ich eingangs erwähnen, und zwar ist das ein Begriff, ein Wort, das in diesem Zusammenhang neu geprägt worden ist.

Ich will gar nicht wissen, von welcher Seite dieser Begriff geboren worden ist, aber ich muss sagen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das Wort „Hacklerregelung“ gefällt mir persönlich über­haupt nicht. Für mich ist das nicht nur ein schreckliches Wort, sondern es ist auch eine absolut diskriminierende Ausdrucksform. Das möchte ich hier ganz eindeutig sagen, und ich würde darum bitten, dass wir uns in Zukunft davon distanzieren.

Dieses Wort zeigt wirklich mangelndes Einfühlungsvermögen. Es ist für mich eine Beleidigung all jener Menschen, die mit ihrer Hände Arbeit ihr Brot und ihre Butter aufs Brot verdienen. So sollte man das sehen.

Mir ist natürlich klar, Herr Mag. Himmer, dass Menschen, die eine höhere schulische Ausbil­dung haben, das vielleicht nicht so drastisch und tragisch sehen wie Menschen, die eben eine nie­drigere Schulbildung haben. Da muss man sehr ehrlich differenzieren, aber gerade bei Men­schen mit niedriger Schulbildung ist das ein außerordentlich sensibles Thema. Ich würde daher bitten, das so zu verstehen.

Das Wort „Hacklerregelung“ ist für mich eine absolut unglückliche Erfindung, und ich denke, dass es für uns alle sehr entbehrlich sein wird, es zu verwenden. Bemühen wir uns doch mit Rück­sicht auf die Gefühle dieser Menschen, dieses Wort in die Verbannung zu schicken! Ich bitte Sie wirklich sehr ernsthaft darum.

Viel wichtiger ist es doch, die gegenseitige Achtung und Wertschätzung in den Vordergrund zu stellen. Um die gegenseitige Achtung und Wertschätzung muss es im Arbeitsleben gehen, und das muss sich letztendlich auch in einer gerechten Entlohnung widerspiegeln.

Die gegenseitige Achtung und Wertschätzung muss es aber auch nach dem Arbeitsleben ge­ben. Diese Anerkennung muss sich in der Pensionshöhe niederschlagen. Das ist auch eine Form der Wertschätzung!

Es muss eine Pensionsreform erarbeitet werden, die gerecht ist und für alle Gültigkeit hat. Es muss ein einheitliches System geben, das – ausgestattet mit vernünftigen Übergangsfristen – die arbeitenden Menschen harmonisch in ein faires und gerechtes Pensionssystem beziehungs­weise -schema führt, denn nur dann wird es möglich sein, etwaige Neidgefühle gar nicht erst aufkommen zu lassen, und das muss das Ziel sein.

Diese Pensionsreform muss nachhaltig sein – und nicht nur eine momentane Geldbeschaf­fungs­quelle für den Finanzminister. Das möchte ich hier auch ganz klar zum Ausdruck bringen.

Als Ergebnis der Arbeit der Kommission für die Pensionsreform, die eingesetzt worden ist und in der Herr Professor Tomandl maßgeblich mitgearbeitet hat, ist sehr wohl herausgekommen, dass es mit Sicherheit – und mit aller Härte – notwendig sein wird, diese Reform in Umsetzung zu bringen. Aber es wurden im letzten Moment bestimmte Absätze im Programm gestrichen,


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welche in Härtefällen mildernd wirken – wir haben das im TV vor einigen Tagen sehr gut verfol­gen können –, und dadurch haben sich wirklich schlimme Dinge für jene Menschen ergeben, die besonders von dieser Regelung betroffen sind.

Diese Dinge müssen wir natürlich abfedern. Das ist auch ein sehr wichtiger sozialer Aspekt. Es ist passiert, dass Absätze, die den Menschen zugute gekommen wären, ganz einfach heraus­gestrichen worden sind.

In der betreffenden TV-Sendung, in der Herr Minister Bartenstein anwesend war, war es beson­ders interessant, als er fünf Mal gefragt worden ist, ob er diese Absätze herausgestrichen hat, dass er fünf Mal irgendetwas erfunden hat. Das war das berühmte „Schwarze Peter“-Spiel, das sich im Kreis dreht. Niemand ist schuld – aber letztendlich, wenn es gar nicht mehr anders geht, dann muss man jemanden schuldig sprechen. Dann wird meistens derjenige schuldig gespro­chen, der nicht dabei ist, der nicht anwesend ist, der sich nicht wehren kann. – In diesem Fall war es halt ein Beamter. (Bundesrätin Schicker: Die Beamten waren es!) – Und der Beamte wird vielleicht, wenn er in die Mangel genommen wird, sagen, es war die Reinigungsfrau.

So sollte es nicht sein. Ich muss sagen, das ist mit Sicherheit nicht die richtige Art, ein so sensibles Thema zu behandeln.

Die Aussage von Frau Ministerin Rauch-Kallat am 9. Oktober 2002 war für mich auch sehr schlimm. Frau Ministerin! Vielleicht empfinden Sie das im Nachhinein auch als etwas un­glücklich. Sie haben damals gesagt: Die Opposition solle doch mit der Panikmache um die Pen­sionen endlich aufhören! Die ÖVP plane mit Sicherheit keine weitere gesetzliche Anhebung des Früh­pensionsalters.

Das war ungefähr fünf bis sechs Wochen vor den Wahlen. Gestatten Sie mir, diese Verdächti­gung auszusprechen, und nehmen Sie es nicht zu persönlich: Ich halte nichts davon, wenn man vor einer Wahl Dinge verspricht, von denen man zu diesem Zeitpunkt bereits weiß, dass man sie nicht halten wird können. Die Menschen – das sage ich hier ganz bewusst dazu – sind kein Spielball für die Politik! Sie haben ein Recht auf die Ehrlichkeit der Politiker! (Rufe bei der ÖVP: Vranitzky-Brief!)

Es ist, wie ich meine, nicht verwunderlich, dass wir Politiker grundsätzlich in keinem guten Licht stehen. Wenn ich mir das alles von Seiten des Otto Normalverbrauchers anschaue, dann muss ich sagen, ich muss mich leider Gottes dieser Meinung anschließen. Für uns muss es aber eine Herausforderung sein, dagegen zu wirken. Dazu gehört auch, dass man zu dem Zeitpunkt, zu dem man ein Versprechen abgibt, weiß, dass es tatsächlich realisierbar ist.

Wir müssen uns wirklich mehr bemühen, unsere Versprechen zu halten. Vielleicht sollten wir ein biss­chen weniger versprechen, aber grundsätzlich – auch wenn uns das in der momentanen Situation jetzt nicht hilft – sollten wir nur Versprechen geben, die wir auch einlösen können. Das ist wichtig, und das sind wir unseren Auftraggebern, den Wählern, auch schuldig. Das ist ge­lebte Moral, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Pensionsreform, so wie sie sich für mich darstellt, ist ein Entwurf mit allem Drum und Dran, und dass es viel Ablehnungspotenzial gibt, wissen wir in allen politischen Lagern; dazu stehen wir auch. Es ist aber wichtig, diese Frage zu einer nationalen Angelegenheit werden zu lassen und eine nationale Anstrengung zu tätigen – im Sinne all jener, die in Kürze oder mittelfristig in Pension gehen.

Wir Politiker heften uns auch ein besonderes Lippenbekenntnis sehr gern auf unsere Fahnen. Immer wieder hört man: Unsere Zukunft und die Zukunft unseres Landes liegt in den Händen un­serer Kinder, der Jugend. – Wenn das so ist, dann sollten wir es aber auch so betrachten und da­nach handeln, denn die Jungen haben genau das gleiche Recht wie jene, die schon in Pen­sion sind. Auch sie haben das Recht, einmal eine Pension beziehen zu können.

Die Menschen, welche es jetzt betrifft, und diejenigen, die es in Zukunft betreffen wird, haben ein Recht auf eine optimale, faire und gerechte Lösung! Und die Menschen, die ein Leben lang


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gearbeitet und sich einen Pensionsanspruch erworben haben, haben auch ein Recht darauf, dass sich alle Parlamentarier für diese so wichtige Sache ernsthaft und mit ganzer Kraft ein­setzen.

Die Menschen haben auch als Wähler, konkret gesagt, als Auftraggeber an die hohe Politik, das moralische Recht, sich nicht als Geldbeschaffungsquelle für die Budgetsanierung missbrau­chen zu lassen. Die Menschen haben das Recht, nach einer langen Lebensarbeitszeit das ein­zu­fordern, was ihnen für ihren Lebensabend zusteht, nämlich eine gesicherte, faire und vor allem gerechte Pension. (Beifall bei der SPÖ.)

Gestatten Sie mir noch eine Minute privater Worte! Ich bin heute hier in diesem Gremium das letzte Mal unter Ihnen. Ich scheide aus dem Bundesrat aus. Ich bin in der glücklichen Lage – man kann das in diesem Fall ein bisschen lustig auffassen –, nicht den Freiheitlichen anzu­gehö­ren, denn ich muss nicht ausscheiden. Ich übersiedle in den Niederösterreichischen Landtag. Meine neue Aufgabe wird mir sicherlich Freude und viel Spaß machen, und ich bin sehr stolz darauf.

Ich bin aber auch sehr stolz darauf, knapp eineinhalb Jahre hier im Bundesrat gewesen zu sein. Es war für mich ein tolles Erlebnis. Dieses Gremium ist wie eine sehr große, angenehme Fa­milie, in der man sich auch vernünftig bewegen kann. Ich habe das sehr genossen und habe das auch in meinem Freundeskreis so weiter erzählt.

Ich darf Ihnen allen, die Sie hier im Bundesrat bleiben, für die Zukunft alles erdenklich Gute, viel Kraft und viel Erfolg wünschen. Ich darf das auch im Namen von Herrn Bundesrat Thumpser sagen, der heute einen wichtigen Termin wahrnehmen musste. Es war ihm nicht mehr möglich, es Ihnen selbst zu sagen. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

16.28


Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Kollege Rosenmaier! Auch Sie begleiten unsere guten Wün­sche, und wir sagen auch von unserer Seite Dank für die gute Zusammenarbeit und ein Verhalten in den Sitzungen des Bundesrates, das die Vorsitzführung immer erleichtert hat.

Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann. Ich erteile ihr das Wort.

16.29


Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Geschätzter Herr Prä­sident! Herr Vizekanzler! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann einleitend, ähnlich wie meine Vorredner, berichten, dass ich in den letzten Wochen und Mona­ten immer wieder mit Menschen zusammentreffe, mit Personen aller Altersgruppen, aller Be­rufs­klassen und unterschiedlichster Bundesländerherkunft, bei denen es eigentlich immer nur ein Thema gibt: Wie wird es mit den Pensionen ausschauen?

Es kommen konkrete Fragen wie: Wie wird meine Zukunft ausschauen? Von welchen Verände­run­gen werde ich konkret betroffen sein?, und vieles andere mehr. Die Personen, mit denen ich spreche, wissen alle, dass wir Veränderungsschritte setzen müssen. Sie wollen aber ein klares, ge­rechtes Konzept, das zunächst die vorhandenen Privilegien ausräumt und die derzeit gege­benen Schwachstellen verbessert. Daher ist es für mich eigentlich in Ordnung, dass eine große Oppositionspartei wie die SPÖ eine Anfrage zu diesem Thema stellt und wir diese Diskussion heute hier im Bundesrat führen.

Was ich nur nicht ganz hinnehmen kann, ist der moralische Anspruch, sich als „Pensionshüter“ zu bezeichnen, der offenbar von Seiten der SPÖ kommt, denn das ist ein Anspruch, den zu stellen ihr nicht verdient, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der övp.)

Ich möchte vielleicht doch einmal erwähnen, dass Sie einige Jahrzehnte lang, einige Dekadien in der Regierung gesessen sind und Ihnen allen die demographischen Veränderungen bewusst waren. Es ist euch auch bekannt gewesen, dass immer höhere Pensionszuschüsse seitens des


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Bun­des notwendig wurden. Es ist euch bekannt gewesen, dass die Menschen immer älter wer­den (Bundesrat Konecny: Das haben wir gemacht!), die Lebenserwartung immer höher wird, aber Sie haben nichts getan. Im Gegenteil! (Bundesrat Konecny: Dafür waren wir zuständig, dass die Menschen älter werden! – Bundesrätin Schicker: Wollen Sie nicht älter werden, Frau Kollegin? Das haben wir erreicht!)

Im Gegenteil! Sie haben Folgendes gemacht: Sie haben sogar – darauf komme ich aber noch zu sprechen – die Harmonisierungsmöglichkeit, die letztlich in der Verfassung gestanden ist, aus­ge­räumt und mit der Reform 1995, die eigentlich diesen Namen nicht verdient, nur kosme­tische Veränderungen in Sachen Pension vorgenommen, und zwar in vollem Bewusstsein, dass die notwendigen Strukturreformen für die Menschen von Jahr zu Jahr belastender werden.

Das heißt, Sie haben ein hohes Verschulden auf sich genommen. (Bundesrat Boden: Durch Ihre Mitwirkung haben wir ein noch höheres!) Das muss ich Ihnen vorwerfen, und daher kann ich auch Ihren moralischen Anspruch auf die Bezeichnung „Pensionshüter“ nicht ernst nehmen.

Ich werfe Ihnen außerdem vor, dass Sie, so lange es irgendwie möglich war, den Menschen vor­ge­gaukelt haben, die Pensionen seien in dieser Form ohnehin sicher, es könne in alle Zu­kunft und noch ein Stückerl Ewigkeit anhängend nicht daran gerüttelt werden. (Bundesrat Ko­necny: Das hat der Herr Bundeskanzler noch vor zwei Jahren gesagt! Ein Herr Bundeskanzler Schüssel!) Ich erinnere nur an die Pensionistenbriefe von Herrn Vranitzky, aber es gibt auch Bundeskanzler von der Österreichischen Volkspartei, die ebenfalls Ähnliches von sich gegeben haben; auch das sage ich einmal. (Bundesrat Konecny: Schau! Schau!)

Ich meine, dass es gescheit wäre, wenn wir uns an die Worte des Herrn Kollegen Rosenmaier, den ich einmal zitieren darf, halten und etwas mehr Ehrlichkeit in die Politik bringen könnten. Da schließe ich niemanden aus. (Bundesrat Fasching: Das sollten Sie dem Jörg Haider aber auch sagen!) – Ich habe gesagt, ich schließe grundsätzlich niemanden aus.

Zwei Beispiele habe ich angeführt, und diese beiden Herren haben nachweislich Pensionssi­che­rungen verkündet, die letztlich nicht eingetreten sind.

Ich meine, um auf die SPÖ zurückzukommen, es ist nicht in Ordnung gewesen, dass man den Men­schen falsche Tatsachen vorgespielt hat. (Bundesrat Boden: Bleiben Sie bei der FPÖ, da ist eh zum Aufräumen genug!) – Das sage ich Ihnen schon. Ich weiß, dass Ihnen das unange­nehm ist, aber wenn Sie sich heute als Pensionsschützer aufspielen, dann ist das so, als würde der Wolf, der die Lämmer verspeist, plötzlich zum Ehrenpräsidenten des Lämmerschutz­ver­eines ernannt werden. So kann es natürlich nicht sein. (Beifall des Bundesrates Weilharter.) Sie müssen schon sehen, wo Ihr eigenes Verschulden gelegen hat, und Sie könnten ein bisserl in sich gehen und darüber nachdenken, wie Sie es vielleicht irgendwann einmal besser machen können. (Bundesrat Boden: Das überlassen Sie mir, wann ich das mache!)

Die Harmonisierung des Pensionswesens habe ich angeschnitten. Auch das war ein Problem oder eine Frage, die Sie schon viel früher hätten lösen können, was Sie aber nicht gemacht haben.

In materieller Hinsicht ist diese Diskussion heute absolut ernst zu nehmen und auch berechtigt. Es ist so, dass die Frage: Wie werden Frauen in Zukunft pensionsrechtlich gleichgestellt oder über­haupt gestellt werden? wirklich entscheidend ist. Wie schaut es mit den Anrechnungszeiten aus? Aber ich möchte doch darauf hinweisen, dass die Frau Staatssekretärin heute schon sehr um­fas­send und ausführlich darüber gesprochen hat, dass da durchaus Nachbesserungen vorge­nommen werden.

Ich freue mich, dass die Mitglieder der Kärntner SPÖ jetzt die Petitionsformulierung der Kärnt­ner FPÖ übernehmen. Ich freue mich, dass auch ihr erkennt, dass sich gewisse Regelungen in keinster Form nachteilig auf Frauen und Mütter auswirken dürfen. Ich meine, dass derartige Über­legungen parteiübergreifend, fraktionsübergreifend zu erfolgen haben. Ich freue mich, dass auch erkannt wird, dass wir in Kärnten Überlegungen anstellen, damit es in Zukunft zu keinen Ungerechtigkeiten für Frauen und Mütter kommt.


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Ich möchte nicht auf Einzelheiten eingehen, was für die Frauen schon alles verbessert wurde, aber eines muss ich doch sagen, weil das in der Zeit, als die SPÖ an der Regierung war, nicht wahrgenommen wurde. Zum Beispiel wurden die beitragsbegründenden Kindererziehungs­zei­ten von 18 auf 24 Monate erhöht. Auch einiges andere mehr ist geschehen, was ich aber nicht mehr wiederholen möchte, denn die Frau Staatssekretärin ist heute schon sehr ausführlich dar­auf eingegangen.

Ein Punkt muss schon erwähnt werden: Das Problem um die Frauenpensionen ist ein großer Teil der Pensionsreform, aber es ist nicht der einzige. Es ist ein großer und wichtiger Be­stand­teil, aber eben nicht der einzige. Die Pensionsreform muss in einem größeren Umfang gesehen werden. Wir wissen, dass Veränderungen notwendig sind. Jeder von euch sagt hier: Ja, wir wissen, wir müssen etwas verändern!, aber eigentlich will niemand bei sich persönlich damit anfan­gen, so kommt es mir zumindest immer wieder vor. – Aber so kann es nicht sein. Verän­derungen sind einfach notwendig!

Ich darf nur ein paar Punkte erwähnen. Zum Beispiel haben Untersuchungen der EU ergeben, dass in der Altersgruppe der 55- bis 59-Jährigen nicht einmal mehr 55 Prozent der Österrei­cherin­nen und Österreicher beschäftigt sind; unterboten nur noch von Belgien, Italien und Luxemburg. Sie werden mir Recht geben, wenn ich sage, dass es hier natürlich Handlungs­be­darf gibt.

Oder: Wir können nicht außer Zweifel stellen, dass das ansteigende durchschnittliche Lebens­alter, so positiv es für jeden Einzelnen auch ist, das Pensionssystem sprengen wird, wenn wir nicht rechtzeitig Schritte unternehmen, um die entsprechenden Zahlungen sicherzustellen.

Was aber auch ein großes Thema für die Menschen, die sich mit den Pensionen beschäftigen, ist, ist die Tatsache, dass es unterschiedliche Pensionssysteme gibt. Ich meine, dass das ein ganz großer Knackpunkt ist, der die Menschen zutiefst berührt. Es gibt Menschen in gleichen Be­rufen, die unterschiedlich bezahlt werden, die unterschiedliche Pensionsansprüche und un­ter­­schiedlich hohe Pensionen haben. – Das ist auch etwas, was Sie von der SPÖ in der Zeit, als Sie dafür verantwortlich waren mit Ihren Sozialministern, die Sie in vielfacher Weise gehabt haben, nicht verändert haben, und das geht vielfach zu Lasten der Menschen, die im Arbeits­prozess stehen, die die Wirtschaft hochhalten und die für das entsprechende Output in der Volkswirtschaft zu sorgen haben.

Es gibt auch unterschiedliche Pensionssysteme, ASVG, Beamten, Selbständige, Bauern. Ich brau­che all das nicht in Einzelheiten zu zitieren, aber das ist ein Punkt, der die Menschen wirklich verärgert, und zwar zu Recht verärgert. Es gibt den zu Recht verärgerten Staatsbürger, der sich fragt: Wie gibt es denn das, dass die Politiker noch immer derart hohe Bezüge haben, dass die Politiker noch immer Pensionen haben, die nicht in Relation zu dem stehen, was der nor­male Bürger verdient und dann irgendwann einmal als Pension bekommt?

Daher muss auch in diesem Bereich eine Veränderung vorgenommen werden. Ich sage das jetzt auch bewusst in Anwesenheit des Herrn Vizekanzlers; leider ist die Frau Gesundheits­mi­nisterin im Moment nicht da. Ich sage das wirklich absichtlich: Es müssen Veränderungen vor­ge­nommen werden! Es wird nicht einsichtig sein für die Menschen in unserem Staat, Ein­schnitte akzeptieren zu müssen, wenn wir auf der anderen Seite bei den Ministerpensionen oder auch Abgeordnetenpensionen keine Veränderungen vornehmen. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.) Ich werde keinen Regelungen zustimmen, sofern nicht auch die Minister- und die Abgeordnetenpensionen mit erfasst werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass es auch Unterschiede im Pensionssystem gibt, was Länder, Gemeinden und Bund betrifft. Auch das dringt viel zu wenig an die Öffentlichkeit, aber die Menschen, die in diesen Systemen arbeiten – und ich kenne mich da jetzt schon ein bisserl aus, weil ich einmal mit Gemeindepensionen, dann wieder mit Bundespensionen zu tun gehabt habe –, sind verärgert. Gleiche Leistungen werden mit unterschiedlichen Bezahlungen und auch unterschiedlich hohen Pensionen versehen. Die einzelnen Vorrückungen werden anders berechnet, was wiederum zu unterschiedlichen Pensionsleistungen führt, aber es würde zu weit


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führen, würde ich jetzt ins Detail gehen. – Auch das sehe ich nicht ein. Warum können wir nicht Veränderungen sowohl im Dienstrecht als auch im Pensionsrecht vornehmen?

De­r Aufbau eines Drei-Säulen-Modells, meine sehr geehrten Damen und Herren – und damit be­finde ich mich wahrscheinlich nicht auf der Seite der Sozialdemokratie –, ist sehr wichtig und sehr richtig. Ich bin sehr froh darüber, dass wir schon in der Regierung Schüssel I be­ziehungs­weise jetzt in der Regierung Schüssel II die „Abfertigung neu“ beziehungsweise ein Prämienvor­sor­ge­system geschaffen haben und dass das immerhin schon mit dem Jahr 2012 wirksam werden wird. Das heißt, die Generation der jetzt 50-Jährigen wird sicher schon in den Genuss dieser Pensionsvorsorge kommen und natürlich auch die Jüngeren, die das heute aber noch gar nicht so richtig begreifen, weil sie eben die Folgen noch nicht so richtig abschätzen können. Das war jedenfalls ein ganz wichtiger Schritt in Richtung einer zweiten Säule, wobei natürlich auch die dritte Säule, das private System, weiter ausgebaut werden könnte.

Letztlich muss ich hinterfragen, nachdem ich einleitend festgestellt habe, dass es die Diskus­sion um die Pension gibt: Warum gibt es Aufregungen, warum gibt es nicht die vollständige Zu­frie­denheit, die wir alle uns wünschen würden, und nicht das gemeinsame Tragen dieser Pen­sionsreform, was wir alle uns auch wünschen würden?

Ich meine, dass einerseits die Menschen noch nicht richtig darüber informiert wurden, was wirk­lich notwendig ist und was wir brauchen. Das heißt, es gibt vielleicht ein gewisses Informations­defizit. Daher ersuche ich die Bundesregierung, dieses Defizit mittels Informationskampagnen, mittels „Runder Tische“, mittels verschiedener Modelle auszugleichen, um den Menschen die Problematik der Pensionssicherung näher zu bringen.

Zweitens denke ich, dass dieses Gefühl in der Bevölkerung, dass einige in Österreich mögli­cher­weise gleicher als andere sind, ausgeräumt werden muss. Ich habe es schon erwähnt, es kann nicht sein, dass für gleiche Arbeit unterschiedliche Belohnungen und unterschiedliche Pensionssysteme gelten, aber, wie gesagt, das ist das Gefühl, das die Menschen haben. Ich erwarte mir von der Regierung Maßnahmen: Wenn schon Härten da sind, dann müssen diese auch transparent gemacht werden, sonst wird die Bevölkerung die Maßnahmen nämlich nicht mittragen. Die Menschen müssen eingebunden werden, damit sie wissen, worum es überhaupt geht.

Ich meine, eine bessere Information – worum geht es?, wie stellt man sich die pensions­rechtli­che Zukunft Österreichs vor? – wird notwendig sein, in welcher Form auch immer. Die Men­schen müssen das Gefühl haben, es gibt nicht gleicher als gleich, dann nämlich werden sie erstens diese Pensionsreform akzeptieren, sie zweitens mittragen, und drittens wird das Ver­trauen in den Staat Österreich – und das ist mir ganz wichtig – wieder absolut gefestigt sein.

Es darf nicht sein, dass die Menschen anfangen, daran zu zweifeln, ob sie überhaupt einmal eine Pension bekommen, denn wir leben Gott sei Dank nicht in einer Bananenrepublik. Wir le­ben in Österreich, und ich bin auf diesen Staat immer stolz gewesen. Auf dessen Rechts­ord­nung und auf dessen Verfassung war ich immer stolz, und das möchte ich auch in Zukunft sein können. Die soziale Absicherung ist ein Teil unserer gelebten und auch teilweise festgeschrie­benen Verfassung, daher müssen wir alles tun, um dieses Vertrauen weiter aufrechtzuerhalten.

Daher haben wir Freiheitlichen in Kärnten eine Petition verfasst, die – ich habe es schon er­wähnt – interessanterweise in Teilen von der SPÖ übernommen wurde. Ich würde mich aber freu­en, wenn nicht nur der eine Punkt bezüglich der Benachteiligung von Frauen und Müttern von euch übernommen werden kann. Es gibt auch verschiedene andere Punkte.

Ich würde mich besonders freuen, wenn auch die Wiener SPÖ zustimmen könnte, dass zum Beispiel die Pensionsprivilegien in allen gesellschaftlichen Gruppen beseitigt werden – so zum Beispiel die Sonderpensionsrechte der Sozialversicherungsbediensteten oder der politischen Funktionäre oder Mandatare – oder durch eine Zusammenlegung der teuren 28 verschiedenen Pensions- und Krankenversicherungsträger die über 300 Generaldirektoren und -direktorinnen auf eine geringere Anzahl reduziert werden.


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Ich würde mich freuen, würden Sie diese Petition aufnehmen und gemeinsam, parteiüber­grei­fend Regelungen treffen zum Wohle unserer Österreicherinnen und Österreicher. (Bundesrat Bo­den: Das heißt, Sie stimmen dem Entschließungsantrag zu!) – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der övp.)

16.45


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Stefan Schen­nach das Wort. – Bitte.

16.45


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geehrte Damen und Herren! Frau Kanovsky-Wintermann! Das waren jetzt schon fast Standing Ovations Ihrer Fraktion. Ich bin mir aber nicht so sicher, auf Grund dessen, wie Sie diese Regierungsvorlage verteidigt haben, ob das auch der richtige Weg war.

Herr Minister! Sie haben gesagt, eine Regierungsvorlage wird zuerst ausgesandt, dann wird in der Öffentlichkeit darüber diskutiert, es gibt viele abweichende Meinungen, und dann wird es ein Gesetzeswerk. – Aber dieser Sturm der Entrüstung, den diese Gesetzesvorlage auslöst, scheint mir eher in Richtung eines Fiaskos zu treiben. Das letzte Mal, als so heftig diskutiert wurde, Herr Minister, ging es um die Ambulanzgebühren – und jetzt stehen wir knapp vor der Abschaf­fung der Ambulanzgebühren! Der Unterschied allerdings zwischen einer Pensions­re­form und den Ambulanzgebühren ist, dass man die Ambulanzgebühren tatsächlich abschaffen, korrigieren kann – sie haben zwar sehr viel gekostet, aber man kann sie korrigieren –, Eingriffe in das Pensionssystem aber so nicht mehr korrigierbar sind. – Das ist der große Unterschied!

Im Zusammenhang mit der derzeit in der Öffentlichkeit geführten Debatte sprachen Sie von Par­tikularinteressen, von Teilinteressen von Menschen. Das, muss ich sagen, finde ich ein wenig hart. Die Frage nach der sozialen Absicherung im Alter zählt wohl neben der Frage nach dem Arbeits­platz zu den Kernfragen, die die Menschen bewegen. Das sind keine Partikularinteres­sen, das sind wirklich substanzielle Interessen an der sozialen Absicherung auch im Alter.

Herr Minister Haupt! Ich habe nie in Abrede gestellt, dass Sie ein Sozialminister sind, der weiß, wovon er redet. Das habe ich immer gesagt, und diese Aussage ziehe ich auch nicht zurück. Aber heute, Herr Minister, haben Sie einen Satz gesagt, der Ihnen, wie ich glaube, „passiert“ ist, anders kann ich mir das nicht vorstellen. Sie haben gesagt: Ja, die Auswirkungen werden von den Frauen stark zu spüren sein, die Frauen werden stärker betroffen sein, aber diese höhere Pen­sionsminderung bei den Frauen sei durch eine längere Arbeitszeit kompensierbar. – Herr Minister Haupt! Aus diesem trockenen Satz spricht entweder sehr viel Kälte oder eine sehr große Distanz zu den tatsächlichen Sorgen und Nöten der Frauen.

Herr Mag. Himmer hat gemeint, wir haben das teuerste Pensionssystem. Ich weiß nicht, wer von den Damen und Herren hier im Saal weiß, wie viel die derzeit höchste ASVG-Pension aus­macht. – 1 600 €! 1 600 €, das ist die höchste ASVG-Pension! Wissen Sie, wie hoch die durch­schnittliche Pension bei den Frauen ist? – 678 €! Mehr als 50 Prozent der Frauen haben eine Pension in der Höhe von 678 €! Das sind ganze 35 € über dem Ausgleichszulagen­richt­satz. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Lindinger.)

Lieber Herr Lindinger! Jetzt passen Sie aber auf! Der Durchschnitt bei den Frauen rettet Sie ja ge­radezu. (Bundesrat Dr. Lindinger: Sie müssen Gleiches mit Gleichem vergleichen! – Bun­desrat Konecny: Das tut er!) Das tue ich! Innerhalb der ASVG-Pensionen verdienen mehr als 50 Prozent der Frauen gerade 35 € über dem Ausgleichszulagenrichtsatz, nämlich 678 €, und davon wird jetzt reduziert.

Mag. Himmer hat gesagt, wir haben das teuerste Pensionssystem. – Wenn eine lebenslange Ar­beitszeit monatlich 678 € an Pension bringt, dann frage ich mich: Wohin fließt dann das Geld für dieses teuerste Pensionssystem?

Herr Mag. Haupt hat mit der zur Begutachtung ausgesandten Regierungsvorlage – ich weiß nicht, ob das passiert ist oder nicht – eine Tabelle mitgeschickt. Diese Tabelle ist äußerst in-


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teres­sant, denn daraus geht hervor, dass die Gesamtaufwendungen des Bundes keine so über­eilte Pensionsreform, wie sie derzeit angezogen ist, notwendig machen: Vom Jahre 2003 bis zum Jahre 2007 wächst die Bundeszuwendung von 24 Millionen € auf 27 Millionen €. Da ist noch nicht Feuer am Dach.

Es gilt das prinzipielle Bekenntnis dazu, dass wir eine Pensionsreform brauchen. Aber mit jener, die wir jetzt über den Zaun brechen und die von den Aufwendungen des Bundes her in dieser Eile nicht notwendig wäre, drücken wir die Frauen in Richtung Altersarmut – die heutige dringli­che Anfrage betraf doch die Frauen, und ich wundere mich sehr, dass die sehr geschätzte Frau­en­ministerin diese Möglichkeit ungenutzt gelassen hat, etwas zu dieser Situation zu sa­gen –, denn derzeit beträgt die durchschnittliche Männerpension 1 444 €, im Gegensatz zu jener der Frauen, die bei 678 € liegt. Dazu kommt nun – und ich bin sehr neugierig, ob Herr Minister Haupt dazu noch etwas sagen wird –, dass durch die Erhöhung des Durchrechnungszeitraums auf 40 Jahre beziehungsweise durch die Ungleichbehandlung der Kinderbetreuungszeiten ge­ge­nüber der Anrechnung des Präsenzdienstes die Situation der Frauen noch einmal ver­schlech­tert wird.

Das heißt also: Wir machen eine Pensionsreform, die auf Grund der Entwicklung der Bundeszu­wen­dungen zur Pensionsversicherung in dieser Eile gar nicht notwendig wäre, rein auf dem Rücken und zu Lasten der Frauen! – Diese Frage hat Herr Minister Haupt insofern beantwortet, als er gesagt hat: Ja, Frauen werden zwar stärker betroffen sein, wenn die frühzeitige Alters­pension wegfällt, aber sie können dann ja länger arbeiten, um das auszugleichen.

Meine Damen und Herren! Auf dieser Ebene kann eine gemeinsame Grundlage nicht gelingen, denn der wahre Hintergrund dieser Maßnahme ist relativ schnell ausfindig zu machen: Es geht darum, auf dem Rücken jener, die in Pension gehen, das Budget mitzusanieren. Diese Men­schen bezahlen schon jetzt als Erwerbstätige die vielfachen Abgaben- und Steuererhöhungen – und dann, wenn sie in Pension gehen, tragen sie durch die verringerten Pensionen nochmals zur Budgetsanierung bei!

Meine Damen und Herren! Zum Abschluss sei es noch einmal gesagt – vielleicht haben Sie alle an­dere Pensionssysteme in der zweiten und dritten Säule –: 1 600 € beträgt die Höchstpension, und die Frauen haben 678 €! – Wenn Sie jetzt Ihre eigene private Kalkulation durchgehen, dann überlegen Sie bitte einmal, was Sie mit 678 € im Monat von Ihrem eigenen Lebenswandel finanzieren können! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrätin Haun­schmid: Da kann ich Ihnen viele Selbständige nennen, Herr Schennach!)

16.54


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Schicker, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Ent­schließung betreffend massive Benachteiligung für Frauen durch die geplante Pensionsreform der Bundesregierung – Rücknahme der Pensionsreformschritte, die die Frauen benachteiligen, vor.

Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzei­chen. – Das ist die Minderheit.

Der Antrag ist abgelehnt.


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Dringliche Anfrage

der Bundesräte Prof. Albrecht Konecny und Kolleginnen und Kollegen an den Bun­des­minister für Landesverteidigung betreffend Verdringlichung des Bedürfnisses freiheitli­cher Bundesräte, die Wahrheit über den Kauf der Abfangjäger zu erfahren (2066/J-BR/03)


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bun­desminister für Landesverteidigung.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich unterbreche jetzt die Sitzung bis zum Eintreffen des Herrn Bundesministers. (Rufe: Er ist eh da!) Hier ist er jedenfalls nicht. (Bundesrätin Schicker: Er sitzt noch in der Cafeteria!)

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 16.56 Uhr unterbrochen und um 17 Uhr wieder aufgenommen.)


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und erteile Herrn Bundesrat Professor Albrecht Konecny als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

17.00


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Da­men und Herren! Ich gebe zu, dass jene dringliche Anfrage, die wir heute hier stellen, unge­wöhn­lich ist. (Bundesrat Bieringer: So ist es!) Ja. Es sind zweifellos ungewöhnliche Zeiten, es ist auch eine sehr ungewöhnliche Bundesregierung (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen), und daher gibt es eine Opposition, die zu ungewöhnlichen Mitteln greift. – Ent­­schuldigen Sie, meine Damen und Herren! Jedem Redner ist es angenehm, wenn er be­achtet wird und Reaktionen findet, aber kann mir irgendjemand erklären, warum Sie jetzt ge­lacht haben? (Bundesrätin Schicker: Über den Ausdruck „ungewöhnlich“ haben sie sich mokiert!)

Kollege Hagen hat – und das ist eine Initiative, der ich meinen Respekt nicht versagen will – eine sehr knappe, sehr präzise Anfrage zur Anschaffung von Abfangjägern gestellt. (Bundesrat Dr. Nitt­mann: Hört, hört! – Bundesrätin Schicker: So wird er bekannt!) – Ich kann mich nur be­grenzt umdrehen, um in seine Richtung zu blicken, weil ich sonst das Mikrophon mit meiner Stim­me nicht erreiche. – Er hat darin auf jene Punkte hingewiesen – das möchte ich ihm aus­drück­lich bescheinigen –, die in der öffentlichen Diskussion – und auch wenn diese im Augen­blick natürlich von anderen Themen überlagert ist, wird sie geführt und beschäftigt die Men­schen in unserem Land – eine Rolle spielen.

Wir haben gemeint, dass es richtig und notwendig ist, diese Anfrage nicht in dem Papierberg, den wir in einigen Wochen als Antworten auf diese und andere schriftliche Anfragen bekommen werden, untergehen zu lassen, sondern sie an einem Tag, an dem die Bundesratssitzung nicht mit Traktanden überfüllt ist, zu behandeln. Ich darf mich bei allen Germanisten des Hauses für die Erfindung des Wortes „Verdringlichung“, das vermutlich im Duden (Bundesrat Dr. Nittmann: Eine Sprachschöpfung!) – ja – nicht enthalten ist, entschuldigen, aber sonst wäre die Satz­konstruktion ein bisschen lang geworden.

Wir klammern, Kollegen Hagen folgend, eine Reihe von Fragen – und ich sage ausdrücklich: die auch gestellt werden könnten und die auch zu debattieren sind – ganz bewusst aus.

Ich kenne das Argument, und es ist auch in dieser Kammer vom Kollegen Gudenus wiederholt vorgetragen worden, dass man sich, rein innermilitärisch betrachtet, Prioritätenfragen stellen muss: Abfangjäger um einen ziemlich großen Betrag oder andere Ausrüstungsmaßnahmen, die


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möglicherweise auch Angehörige anderer Waffengattungen für dringlicher halten. – Ich möchte diese Frage hier ausdrücklich nicht berühren.

Wir berühren in unserer dringlichen Anfrage, auch hierbei wiederum Kollegen Hagen folgend, auch nicht die Frage der grundsätzlichen Einstellung zur Form der Luftraumüberwachung, ob Abfangjäger wirklich die einzige Möglichkeit sind, diese Aufgabe in befriedigender Weise zu erfüllen. – Ich betone noch einmal: Auch diese Diskussionen sind zu führen.

Wir konzentrieren uns in unseren Fragen – mit Ausnahme von einer Ergänzung, die aktueller Na­tur ist, folgen wir auch hier dem Fragenprogramm des Kollegen Hagen – einfach auf die sys­tem­immanente Frage. Wenn man schon die Frage dieser Anschaffung gegen den Willen einer überwältigenden Mehrheit der österreichischen Bevölkerung – was in einer Demokratie eigentlich auch ein Datum sein sollte – mit „ja“ beantwortet, dann sind zumindest folgende Fra­gen zu stellen: Wie lief der Entscheidungsprozess ab? Ist er wirklich als abgeschlossen zu be­trachten? Ist er korrekt verlaufen? Gab es in diesem Entscheidungsprozess außersachliche Gesichtspunkte?

Die Bundesregierung, auch das Ministerium – nicht unter Ihnen, Herr Bundesminister, sondern unter Ihrem Amtsvorgänger – hat sich für die Anschaffung von Eurofightern ausgesprochen. Die in der heutigen Tagespresse erneut erörterte Frage, ob es ausschreibungsrechtlich so ohne wei­teres möglich ist, von 24 auf 18 Stück zu reduzieren und zu sagen: Wir haben eine Grund­satz­entscheidung getroffen; wie viel wir bei dieser Firma bestellen, ist eigentlich unser Kaffee!, wird von Experten auch anders beantwortet, und ich glaube, dass die Republik damit gegebe­ne­nfalls ein sehr hohes Risiko eingeht. Es ist von Klagen die Rede. In der heutigen Tages­presse war von einem Gutachten, das der Republik in dieser Frage ein hohes Risikopotenzial bescheinigt, die Rede.

Es ist mit Recht die Frage angeschnitten worden, wie das denn nun mit den Gegengeschäften sei. Es ist so, dass – was bei der Wirtschaftsstruktur unseres Landes tatsächlich von größter Be­deutung ist – von der einen Form von Gegengeschäften ausschließlich Großunternehmen profi­tie­ren, während bei einem anderen Angebot – das ja nicht ein Schrottangebot war – eher klein- und mittelständische Betriebe zum Zug gekommen wären.

Aber es muss natürlich in die Typendiskussion eingegangen werden. Es hat – wie soll ich das sagen? – dreieinhalb Offerte gegeben. Die hier erwähnte MIG ist gewissermaßen ausgeschlos­sen worden, weil sie in einer anderen Klasse gespielt hat. Ob das gerechtfertigt ist, ist eine wich­ti­ge Frage. Ich bin nicht jener, der in eine Typendiskussion mit überwältigenden Sachargu­menten einzugreifen beabsichtigt, aber es ist ganz offensichtlich ein Fluggerät, das auch Auf­gaben erfüllt. Inwieweit es der Ausschreibung entsprochen hat oder vielleicht entsprechen hätte können, weiß ich nicht, aber es ist dazu eine Meinung von Ihrer Seite sicherlich erfor­derlich.

Klar ist aber auch – und das unterstreicht die Aktualität dieser Anfrage –, dass es hier ganz of­fen­sichtlich – wie soll ich sagen? – im Entstehungsprozess der Entscheidungsgrundlagen ein Hin und Her gegeben hat, denn es bleibt natürlich eine unbestreitbare Tatsache, dass es den Euro­fighter nicht wirklich gibt, dass hier sozusagen ein Versprechen gegen ein fliegendes – nach­weisbar fliegendes und im Regelfall nicht herunterfliegendes – Gerät evaluiert wird. Wenn ich also sozusagen mein real existierendes Gehalt gegen ein windiges Versprechen des dop­pel­ten evaluiere, weiß ich nicht so genau, wie ich mich entscheide. Der Entscheidungsprozess des Bundesheeres ist zu Gunsten des Versprechens ausgefallen.

Allerdings war im Entwurf des Endberichtes der Bewertungskommission als unbestritten er­wähnt, dass es ein Nachteil sei, dass der Eurofighter noch keine Truppenreife erreicht hat und da­her während der Einführungsphase mit Kinderkrankheiten und mit Verfügbarkeitseinbußen gerechnet werden muss. Dass das nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist, hat uns vor ganz kurzer Zeit ein österreichisches Luftfahrtunternehmen bewiesen, das auch ein Verspre­chen gekauft hat, wonach sich herausgestellt hat, dass man mit diesem Gerät nicht wirklich fliegen kann, sondern dass dauernd Störfaktoren auftreten, die dieses Unternehmen fast in den Ruin getrieben haben.


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Das Bundesheer kalkuliert anders, der Ruin wird anders definiert; aber dass Folgekosten und Probleme und möglicherweise der Wegfall jener Luftüberwachung, die man herbeiführen will, für bestimmte Perioden riskiert werden, das ist wohl klar.

Besonders interessant finde ich in dem Entwurf des Berichtes den Hinweis darauf, dass EADS, also der Produzent des Eurofighters, von Anfang an dem Anbieter nahe gelegt hat, 20 – und jetzt sollen es 18 werden – statt 24 derartiger Flieger zu kaufen. Herr Minister! Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich nicht so recht glauben kann, dass all das nur Zufall ist! 24 wurden ausgeschrieben, und angeblich weil es Hochwasser gegeben hat, wollen wir nur 18 kaufen, und wir kommen damit ganz offensichtlich einem Wunsch nach, denn es ist relativ unüblich, dass ein Geschäftsmann sagt: Bitte kaufen Sie ein bisschen weniger! Es muss Gründe für dieses Argu­ment des potenziellen Lieferanten geben, zu sagen: Nehmen Sie doch ein bisschen weniger ab! – Und etwa dort kommen wir jetzt auch hin.

Daher sind die Fragen, die sich mit den Kosten des Eurofighters beschäftigen, aber auch mit den tatsächlichen Kosten der ausgeschriebenen oder aber nur fiktiven Kosten, weil nicht in die Ausschreibung gekommenen Konkurrenzangebote betreffend SAAB und MIG im höchsten Ma­ße relevant.

Ich füge hinzu, dass uns Informationen zugekommen sind, dass es offenbar für andere Abneh­mer dieses Produktes, nämlich des Eurofighters, Okkasionsangebote gibt, die der österreichi­schen Bundesregierung nicht zugänglich sind. Wie gesagt, es sind uns Informationen zugekom­men, und wir bitten Sie, Herr Minister, dazu Stellung zu nehmen, dass Eurofighter um etwa den halben Preis nach Saudi-Arabien geliefert werden. Wenn das den Tatsachen entspricht, dann ist es wohl selbstverständlich, dass das Ergebnis der Ausschreibung in Frage zu stellen ist. Ich formuliere es einmal so: Das Mindeste, was man erwarten kann, ist, dass Österreich diese Fighter zu denselben Konditionen und Preisen bezieht wie andere Abnehmer, also um die Hälf­te. Es ist ebenso selbstverständlich, dass in einer weiteren Bewertungsrunde gegenüber einem Lieferanten, der in der ersten Runde von Österreich das Doppelte verlangt hat, eine gehörige Portion Misstrauen angemessen wäre.

Herr Bundesminister! Jeder militärische Beschaffungsvorgang ist immer von Verdächtigungen begleitet, ich weiß das. In vielen Fällen hat sich oft Jahre später herausgestellt, dass diese Verdächtigungen keine Verdächtigungen, sondern nüchterne Tatsachen waren.

Sie sind wenige Wochen im Amt. Sie waren nicht Teil dieses Entscheidungsprozesses – ich sa­ge es einmal ganz rotzig –, Sie haben bisher in dieser Sache nichts falsch machen können. (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus.) Ich glaube, Herr Minister, Sie täten gut daran, dafür zu sorgen, dass Sie auch in Ihrer weiteren Amtszeit nichts falsch machen, und das sollte wohl heißen, dass wir auf die Eurofighter verzichten. (Beifall bei der SPÖ.)

17.14


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der an ihn gerichteten Anfrage erteile ich dem Herrn Bundesminister für Landesverteidigung das Wort. – Bitte.

17.14


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich einleitend eine allgemeine Bemerkung mache, bevor ich auf die Fragen eine Antwort geben werde: Man muss in aller Deutlichkeit sagen, dass das höchste Gut für die Bürger ist, dass sie in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben können. (Allgemeiner Beifall.)

Damit Friede, Freiheit und Sicherheit gegeben sind, bedarf es natürlich auch entsprechender Mechanismen, und es besteht weit gehender Konsens darüber, dass wir auf dem Boden die Polizei und die Gendarmerie haben, damit Recht und Ordnung in unserem Land gegeben sind, damit die Bevölkerung, aber auch unsere Gäste, die bei uns Urlaub machen, in Sicherheit leben können. (Bundesrat Konecny: Wann kommen Sie zum Eurofighter?) Herr Bundesrat! Ich habe Ihnen zugehört, bitte machen Sie das auch! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ich komme auf den Eurofighter noch zu sprechen. – Aber es ist wirklich eine wichtige Angele­gen­heit, dass auch unsere Gäste hier in Sicherheit leben können. Ich möchte den Irak-Krieg nicht strapazieren, aber die Letzten, die daran gezweifelt haben, dass wir eine Luftraumüberwa­chung brauchen, werden gesehen haben, wie wichtig es zu diesem Zeitpunkt war, dass wir eine ausgezeichnete Luftraumüberwachung haben und überprüfen können, was sich in der Luft abspielt. Es kann doch bitte nicht sein, dass die Sicherheit zwei Meter über dem Boden aufhört! In einem Zeitalter, in dem die Technologisierung weit fortgeschritten ist, braucht es natürlich neben der Exekutive auf dem Boden auch eine entsprechende Luftraumüberwachung.

Ich habe mir erst kürzlich in St. Johann das Radarsystem „Goldhaube“ angeschaut. Wir sind, was diesbezüglich geleistet wird, sensationell an der Spitze in Europa. Aber das allein ist zu wenig. Wenn eine Feststellung in der Luft gemacht wird, braucht man natürlich Luftraum­über­wachungsflugzeuge, welche die Möglichkeit haben, aufzusteigen und eine Identifizierung durch­zu­führen, die verdächtigen Flugzeuge zu begleiten und, wenn es notwendig wäre, auch zur Landung zu zwingen.

Nur wenn dieses Zusammenspiel zwischen dem Radarsystem und den Luftraumüberwachungs­flugzeugen funktioniert, ist es möglich, auch in der Luft entsprechende Sicherheit zu gewährleis­ten. Ein verantwortungsvoller Sicherheitspolitiker wird verstehen, dass das eine unbedingte Not­wen­digkeit ist. Das ist kein Selbstzweck für das österreichische Bundesheer, das ist kein Selbst­zweck für die Landesverteidigung, sondern das ist ein Muss, damit für die Bürger die Sicherheit gewährleistet wird! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun gestatten Sie mir, auf die Fragen einzugehen und diese zu beantworten.

Zur Frage 1: Österreich ist verfassungs‑ und völkerrechtlich verpflichtet, die Überwachung und Si­che­rung des Luftraumes als wesentlichen Teil der Aufrechterhaltung seiner Souveränität sicher­zustellen. Deshalb ist die Fortsetzung der Nachbeschaffung von Luftraumüberwachungs­flugzeugen, wie bereits im Regierungsprogramm der österreichischen Bundesregierung für die XXI. Gesetzgebungsperiode auch im Regierungsprogramm für die XXII. Gesetzgebungsperiode vorgesehen.

Zur Frage 2: Das umfassende Bewertungsverfahren im Rahmen der Vergabe im Wettbewerb er­gab unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Zahlungsmodalitäten, dass EADS mit dem Produkt Eurofighter der Bestbieter ist.

Zur Frage 3: Wertungen und Kommentare zu Medienberichten stellen keinen Gegenstand der Vollziehung im Sinne des Artikels 52 Bundes-Verfassungsgesetz in Verbindung mit § 24 der Geschäftsordnung des Bundesrates dar und unterliegen somit nicht dem parlamentarischen Interpellationsrecht. Ich bitte daher um Verständnis, dass ich von einer Beantwortung dieser Frage Abstand nehme! (Bundesrat Konecny: Sehr lustig!)

Zur Frage 4: Diese Frage betrifft keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundesministeriums für Landesverteidigung und wird daher von meinem Ressort nicht beurteilt.

Zur Frage 5: Hiezu verweise ich auf meine Beantwortung der Frage 2 und darauf, dass die Markt­chancen der Firma SAAB auf dem Rüstungsmarkt durch jede wie immer geartete Stel­lung­nahme geschmälert werden könnten. Daher wäre es sachlich falsch, hier eine Aussage zu treffen.

Zur Frage 6: Das System „MIG 29“ kommt für die Anforderungen der österreichischen Luftraum­über­wachung nicht in Betracht. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf das Schreiben meines Amtsvorgängers an den Botschafter der Russischen Föderation vom 21. Jänner 2001, in welchem mitgeteilt wurde, dass dem Angebot nicht näher getreten werden kann. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das ist eine gute Erklärung!)

Zur Frage 7: Konkrete Zahlenangaben dazu können auf Grund des noch offenen Beschaffungs­verfahrens und der damit verbundenen Preisverhandlungen nicht bekannt gegeben werden.


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Zur Frage 8: Hiezu kann keine über meine Ausführungen zu den Fragen 2 und 7 hinaus gehen­de Aussage getroffen werden, da infolge der durch die vorangegangene Bundesregierung ge­trof­fe­nen Typenentscheidung mit SAAB keine Preisverhandlungen geführt wurden.

Zur Frage 9: Da, wie schon zu Frage 6 angeführt, das System „MIG 29“ für die Anforderungen der österreichischen Luftraumüberwachung nicht in Betracht kommt, werden über allfällige Kos­ten keinerlei Verhandlungen geführt.

Frage 10 ist mit Nein zu beantworten, da ein klares Ergebnis der Bestbieterermittlung vorliegt und die Reduktion der Stückzahl keinen Einfluss darauf hat. Rechtliche Gutachten zur Über­prüfung dieses Standpunktes wurden in Auftrag gegeben. Ich werde Sorge tragen, dass da eine klare rechtliche Bewertung vorliegt.

Zur Frage 11: Die in der Frage aufgestellte Behauptung lässt sich im Lichte der dem Bundes­ministerium für Landesverteidigung vorliegenden Fakten nicht nachvollziehen. (Bundesrat Ko­necny: Wieso?)

Zur Frage 12: Im Hinblick auf meine Ausführungen zu Frage 11 erübrigt sich die Beantwortung dieser Frage. (Beifall bei der ÖVP.)

17.22


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit mit insgesamt 20 Minuten für jeden Bundesrat begrenzt ist.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Günther Kaltenbacher das Wort. – Bitte.

17.22


Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich komme aus der Region Aichfeld-Murboden, wo ich arbeite, und politisch aus dem Bezirk Murau, wo ich wohne. Tagtäglich donnern die Draken über unseren Kopf, und wir verfolgen die Luftraumüberwachung hautnah.

Im Zuge der heutigen Diskussion über die Pensionsreform wurde wieder offenbar, dass die Staats­bürger von massiven Belastungen bedroht sind. Als Leiter des AMS Judenburg weiß ich sehr genau über die Entwicklung der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigtenzahlen Bescheid. Die Jugendarbeitslosigkeit steigt, der Jahresarbeitslosendurchschnitt in unserem Bezirk liegt weit über jenem der Steiermark und Österreichs.

Was hat das mit den Abfangjägern zu tun? – Wir leisten uns den Luxus, 2 Milliarden j für diese Ab­fang­jäger aufzuwenden. Kompensationsgeschäfte werden immer wieder erwähnt be­zie­hungs­weise wird dargelegt, wie wichtig diese für uns sind. Bis dato konnte uns allerdings nie­mand sagen, wie und wo diese Kompensationen stattfinden und wer letztendlich von diesen profitiert.

Im Zuge dieser dringlichen Anfrage soll der Prozess dieses Kaufes ein bisschen nachvollzogen werden. Dass 600 000 Österreicherinnen und Österreicher das Anti-Abfangjäger-Volksbe­geh­ren unterschrieben haben, wurde ignoriert. Bereits im Jahr 2002 kritisierte der Rechnungs­hof die äußerst hohe Vorbelastung im Landesverteidigungsbudget. Die Vorgangsweise der Bundes­regierung, die eine Beschaffung mit diesen extremen Kosten vornimmt, ohne eine entspre­chende plausible Finanzierung darzustellen, ist verantwortungslos.

Der Ankauf, der nicht nur 2 Milliarden j kostet, liegt auf dem Tisch. Nicht beantwortet ist die Fra­ge nach den Folgekosten von Instandhaltung und Wartung. Von der jetzigen Regierung und auch von Ihnen, Herr Bundesminister, wird immer wieder erwähnt, dass die erste Tranche der Rückzahlung 2005 schlagend wird und somit nicht in diese Legislaturperiode fällt. – Allein diese Aussage ist als verantwortungslos abzulehnen!


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Ich möchte jetzt auf die Bewertung zu sprechen kommen. – Schon im Zuge der Bewertung der Angebote haben die hohen Militärs ihre Ansichten kundgetan, und das ist wahrlich spannend: In der Einsichtsbemerkung hat der Leiter der Gruppe Luftzeugwesen in Ihrem Ministerium, der stellvertretende Generalstabschef und jetzige Generalleutnant Spinka zu den drei Typen Fol­gen­des festgehalten: Infolge der festgestellten annähernden Gleichwertigkeit der Anbote und der gegebenen Erfüllung der Anforderungen für die Luftraumüberwachung in Österreich wird vor­geschlagen, dem Produkt mit den geringeren Anschaffungskosten und Betriebskosten, also den SAAB Gripen, den Vorzug zu geben.

Der Leiter der Beschaffungsabteilung und der Generaltruppeninspektor schlossen sich dieser Meinung an. Das wurde jedoch ignoriert. Man hat sich für den Eurofighter entschieden.

Auf Grund der Hochwasserkatastrophe des Vorjahres kam es zu einer Reduzierung der Be­schaf­fungszahl von 24 auf 18; das ist erwähnt worden. Die führenden Militärs sprachen sich ge­gen die Reduzierung aus, weil die Auftragserfüllung nicht mehr sichergestellt werden könne. – Nichtsdestotrotz, Herr Minister, halten Sie und diese Bundesregierung an diesem Kauf fest! Trotz beziehungsweise wegen der Reduzierung müsste das Ausschreibungsprozedere – das wurde auch bereits in der Anfrage von Professor Konecny dargestellt – jedenfalls neu bewertet werden.

Bereits im Rechtsgutachten vom 18. 3. hat Universitätsprofessor Dr. Heinz Krejci vom Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht zusammenfassend festgehalten, dass Sie, Herr Minister, ver­pflichtet sind, auf Grund der geänderten Rahmenbedingungen eine Neuausschreibung vorzu­neh­men. Ansonsten könnten von Seiten der anderen Bewerber Schadenersatzansprüche an die Republik drohen.

Spannend ist auch, dass der stellvertretende FPÖ-Parteiobmann Prinzhorn im Februar gesagt hat: Sollte keine Neuausschreibung der Abfangjäger erfolgen oder die Entscheidung nicht zu­gunsten des relativ günstigen Gripen ausfallen, nämlich minus 700 Millionen j, dann wird es Neuwahlen geben.

Spannend ist auch, was in der medialen Berichterstattung gestern in Erscheinung getreten ist, nämlich die Zuspielung sämtlicher Bewertungsunterlagen und des Endberichts an den Initiator des Volksbegehrens, nämlich an Herrn Fussi.

Es scheinen schon spannende Dinge im Hinblick auf die kontroverse Militärpolitik beziehungs­weise darüber auf, wie es zu dieser Typenentscheidung letztendlich gekommen ist! Herr Mi­nister! Ich meine: Da ist es nicht mit rechten Dingen zugegangen! Das werden zukünftig die Gerichte entsprechend zu überprüfen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Aufklärung dieser dubiosen Vorgänge rund um die Entscheidung zu Gunsten des Euro­fighters im Rahmen eines Untersuchungsausschusses hätten Sie, wenn Sie ein ruhiges Gewis­sen und nichts zu verbergen hätten, zustimmen können. Dann wäre alles transparent gewesen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das macht doch nichts! Es gibt keine Schonfrist! Mit 1. 4. 2004 werden zehn Staaten im Osten der Europäischen Union beitreten. Obwohl wir somit von der EU-Randlage in die geografische Mitte treten, sollten wir Überlegungen betreffend die Verteidigung und Sicherung unseres Luft­raumes zukünftig anders anstellen. Im Lichte der jetzigen Situation – Reduzierung des Budgets, Kürzung der Pensionen und so weiter – ist nicht nur der Ankauf dieser nicht notwendigen Eurofighter, sondern auch die gesamte Diskussion über Abfangjäger abzulehnen. Wir werden die Öffentlichkeit nach wie vor dementsprechend informieren. (Beifall bei der SPÖ.)

17.30


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Franz-Eduard Kühnel das Wort. – Bitte.

17.30


Bundesrat Dr. Franz-Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Mei­n­e sehr geehrten Damen und Herren! Es ist dies meine erste Rede, die ich heute vor dem Ho-


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hen Bundesrat halten darf. Es sind heute schon eine Menge Abschiedsreden gehalten worden, und vielleicht ist das jetzt ein kleiner Kontrast, wenn es bei so vielen Abgängen wenigstens einen neuen Zugang gibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf mir daher erlauben, mich ein bisschen vorzustellen. – Ich bin Wiener, wohne im ersten Be­zirk und bin stolz, Bürger des ersten Bezirkes zu sein. Ich war bis November vorigen Jahres im Bereich der Landesverteidigung tätig. Daher ist es für Sie wahrscheinlich nicht über­raschend, dass ich zu dem Thema der heutigen dringlichen Anfrage Stellung nehme.

Im ersten Bezirk, meiner politischen Heimat, bin ich seit 1983 Bezirksrat, 1996 wurde ich Klub­vorsitzender, und seit 1997 bin ich dort Bezirksparteiobmann. Ich habe mich in dieser Funktion vor allem für Bauangelegenheiten und für die Bezirksentwicklung eingesetzt.

Meine Interessen gelten einerseits der Außenpolitik und natürlich auch der Sicherheitspolitik, aber auch an Verfassungsfragen habe ich besonderes Interesse. Ich möchte sowohl Kultur als auch wirtschaftliche Angelegenheiten keineswegs beiseite schieben.

Letztlich ist mir, da ich länger in einem Ministerium tätig war, die Verwaltungsreform mit all ihren Facetten und Verzweigungen ein besonderes Anliegen, und vor allem auch, dass auf diesem Sektor etwas weiter geht.

Dass ich im Hinblick auf meinen Hintergrund die Abfangjägerbeschaffung unterstütze – und zwar ohne Abstriche –, wird für Sie nicht sonderlich überraschend sein. Ich unterstütze diese einer­seits vom Standpunkt meines Berufs, andererseits aber auch als Jurist. Es ist klar – und das hat der Herr Bundesminister in seiner Anfragebeantwortung eindeutig gesagt –, dass die Typen­entscheidung, sozusagen die Modellfrage, Sache der Bundesregierung ist. Diese Frage kann in unserem Gremium sicherlich auch diskutiert werden, vor allem darf aber auch die Frage der Rele­vanz gestellt werden.

Ich weiß nicht, ob ich die Anfrage von Herrn Professor Konecny richtig interpretiert habe: Etwa zehn Minuten lang habe ich gemeint, dass er eigentlich für die Abfangjäger ist und ihn lediglich inter­essiert, ob jetzt das Modell A, B oder C kommt. Diese meine Auffassung wurde jedoch von meinem Vorredner sofort wieder vernichtet, denn er hat sich klar gegen die Abfangjäger ausge­sprochen. (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.)

Damit bin ich bei einem anderen Punkt, und das betrifft uns Bundesräte alle, egal welcher Cou­leur wir angehören. Wir sind auf die Verfassung und auf die Gesetze angelobt. – Das Neutrali­täts­gesetz steht im Verfassungsrang und ist daher für uns von besonderer Bedeutung. In diesem ist klar festgehalten – dazu haben wir uns am 26. Oktober 1955 bekannt –, dass wir mit allen zu Gebote stehenden Mitteln unsere Neutralität verteidigen wollen.

Wenn wir eines der zehn reichsten Länder sind, dann ist es meiner Meinung nach beschämend, wenn wir uns die Frage stellen, ob wir uns die Abfangjäger leisten können oder nicht. (Zwi­schenruf des Bundesrates Rosenmaier.)

Der Herr Bundesminister hat auch klar gesagt, dass unsere Souveränität – auf die wir immer so viel Wert legen – nicht etwas ist ... (Zwischenruf der Bundesrätin Schicker. – Weitere Zwi­schen­rufe bei der SPÖ.) Sie können mich nicht so leicht aus dem Konzept bringen, weil ich etwas schwerhörig bin und daher Ihre Zwischenrufe nicht so genau höre! (Beifall und Heiterkeit bei der ÖVP.)

Der Herr Bundesminister hat klar gesagt, dass sich unsere Souveränität nicht nur auf die Erde, vielleicht bis zur Höhe dieses Rednerpultes, bezieht, sondern selbstverständlich auch in der Luft zu gelten hat. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Danke für das Kompliment, das habe ich glückli­cher­weise verstanden! (Beifall und Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich darf ein wenig in die Geschichte zurückgehen. Ich erinnere mich dunkel an das Jahr 1985, als sich der damalige sozialdemokratische Bundeskanzler – oder damals noch sozialistische


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Bundeskanzler, ich weiß nicht genau, wann diese Umbenennung erfolgt ist – für die Abfang­jä­ger ausgesprochen und die Drakenbeschaffung stattgefunden hat.

Damals hat man allerdings auf die Frage, warum wir diese etwas älteren Flugzeuge bekommen haben, geantwortet, dass man dem österreichischen Bundesheer Gelegenheit geben möchte, sozu­sagen die zweite Generation der Maschinen kennen zu lernen, damit wir später in die dritte oder vierte Generation einsteigen können.

Außerdem war zum damaligen Zeitpunkt klar, dass die Anzahl der erlaubten Flugstunden, näm­lich an die 1 000, wahrscheinlich im Jahre 1995 aufgebraucht sein wird. Eigentlich hätte schon 1995 eine Erneuerung stattfinden müssen. Man hat das immer wieder hinausgeschoben, aber glücklicherweise hat die letzte Bundesregierung endlich eingesehen, dass es notwendig ist, diesbezüglich eine Entscheidung zu treffen.

Jetzt kommt der typische Widerspruch oder – wie man sagen könnte – die Dialektik: So lange sozialdemokratische Kanzler im Amt waren, solange hat man seitens der SPÖ für die Abfang­jäger durchaus zumindest ein halbes Herz gehabt. Kaum ist man aber in der Opposition, ist man dagegen. (Bundesrat Kaltenbacher: Wir haben kein Geld! – Zwischenruf des Bundesrates Todt.)

Ich darf kurz aus einer Resolution des Bundesparteipräsidiums der SPÖ vom 17. Oktober 2001 zitieren, in welcher steht, dass Österreich für eine weitere Integration und Vertiefung – ich be­tone: Vertiefung! – der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU eintritt, um dadurch eine wirkungsvollere europäische Politik zu gewährleisten. Darüber hinaus postuliert die SPÖ-Doktrin, dass Österreich an der Planung und Entscheidung im Rahmen der europäischen Si­cherheits- und Verteidigungspolitik aktiv – ich betone: aktiv! – mitwirkt und daher auch über Art und Ausmaß des europäischen Engagements bei den „Petersberg-Aufgaben“ mit ent­scheidet.

Die „Petersberg-Aufgaben“ beziehen sich nicht nur auf das schöne Hotel oberhalb Bonns, son­dern sie beinhalten auch – ich nehme an, Sie wissen das –, dass man bereit ist, sozusagen kampf­unterstützte Durchsetzungsmaßnahmen zu setzen, und nicht nur bei Katastrophenhilfen und Ähnlichem zugegen ist.

Aus meiner Erfahrung muss ich Ihnen sagen: Was da steht, ist sehr schön. Ich verstehe daher die Frage betreffend die Abfangjäger im Grunde genommen nicht. Es müsste Ihnen als Sozial­demokraten nämlich auch bewusst sein, dass jemand, der nichts hat und nichts anbieten kann, in Brüssel auch nicht mitentscheiden kann.

Daher ist es unbedingt notwendig, wenn Österreich in Zukunft einen Stellenwert in Brüssel ha­ben möchte, dass entsprechende Mittel in Österreich im Allgemeinen und für das Bundesheer im Besonderen zur Verfügung stehen. (Zwischenruf des Bundesrates Rosenmaier.)

Es war für mich auch interessant, dass zum Beispiel der sozialdemokratische Premierminister Blair durchaus etwas für seine Landesverteidigung übrig hat. Offensichtlich scheint er aber kein Sozialdemokrat zu sein, weil Sie sich distanzieren, Herr Professor! (Bundesrat Konecny: Ich wollte nur aufschreiben, was ich Ihnen zurufen wollte!) Sie würde ich ja verstehen, die Kollegen von der anderen Seite halt ein bisschen weniger!

Herr Professor! Demjenigen, der jetzt gerade hereinkommt, nämlich Bundesrat Schennach, darf ich sagen, dass für mich die Äußerungen des Herrn Professors zur Abfangjägerfrage inter­essant waren: Er hat zumindest einmal gesagt, dass er, wenn die Professoren für Verfas­sungs­recht und Völkerrecht der Meinung seien, dass Abfangjäger notwendig sind, das akzeptieren würde. Allerdings haben dann einige aus dem Kreise der Grünen diese Meinung nicht geteilt, und der Herr Professor ist, wie schon öfters, etwas zurückgekrebst.

Der langen Rede kurzer Sinn: Es ist bedauerlich, aber es steht irgendwie doch außer Streit, dass die SPÖ gegen die Landesverteidigung, wenn es ehrlich darum geht, etwas hat und daher auch diese typische dringliche Anfrage eingebracht hat, die das Ganze in Frage stellen soll.


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Noch etwas möchte ich Ihnen sagen: Wenn Sie jetzt immer wieder darauf hinweisen, dass die Bevölkerung gegen die Abfangjäger sei, dann ist zu bemerken: Sie haben im Wahlkampf zu­sam­men mit den Grünen das Thema gespielt, und Sie sind sicherer Zweiter bei dieser Wahl ge­worden. Das heißt umgekehrt, dass die Österreicher durchaus für die Politik der ÖVP und FPÖ etwas übrig haben, denn sonst hätte die ÖVP keine Mehrheit bekommen. (Zwischenruf des Bun­desrates Todt. – Zwischenruf des Bundesrates Rosenmaier. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Etwas möchte ich Ihnen auch noch sagen: Die SPÖ fordert für Europa eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, und Österreich sollte dort ent­sprechend mitstimmen. Daher mein Appell an Sie: Bitte unterstützen Sie die Notwendig­keiten für die österreichische Landesverteidigung!

Der Herr Bundesminister hat schon einige Argumente vorgebracht, die ich jetzt nicht wieder­holen möchte, aber eines möchte ich Ihnen schon noch sagen: Österreich hat seit 1955 die allge­meine Wehrpflicht, und diese Wehrpflicht wird wahrgenommen in der Masse von unseren Söhnen, aber zu einem kleinen Prozentsatz auch von unseren Töchtern. (Bundesrat Reisen­berger: Für Frauen besteht die Wehrpflicht nicht! – Bundesrat Konecny: ... nicht wehrpflichtig!) Ich verstehe überhaupt nicht, warum man als Österreicher immer wieder etwas dagegen hat, wenn unsere Söhne und Töchter entsprechend ordentlich ausgerüstet sind. Denn viele dieser Beschaffungen aus dem Bereich der Landesverteidigung sind notwendig (Bundesrat Konecny: Sie sind eben nicht ordentlich ausgerüstet!), um unsere Soldaten ordentlich zu schützen, und da­zu gehören selbstverständlich auch die Abfangjäger. (Bundesrat Konecny: Nein, dazu ge­hören zuerst Splitterwesten ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich darf Sie an eines erinnern: Sie werden in der letzten Zeit sicherlich ferngesehen und die Bil­der aus dem Irak gesehen haben. (Bundesrat Konecny: Ja!) Sie haben einerseits den Amerika­ner gesehen, die englischen Royal Marines, wie sie ausgerüstet sind, und andererseits den irakischen Soldaten. (Bundesrat Reisenberger: Was wollen Sie aus Österreich machen? Gott schütze uns vor Leuten wie Ihnen!) Aus der Sache ersehen Sie nämlich, dass es wichtig ist, die Soldaten entsprechend auszurüsten, damit unsere Söhne und Töchter geschützt sind, sei es im Kosovo, sei es in Bosnien – wo wir nur noch mit ganz wenigen Soldaten vertreten sind –, sei es auf dem Golan. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf an Ihre Verantwortung appellieren, dass Sie den österreichischen Soldaten die notwen­di­gen Waffen und Ausrüstungen geben und nicht vorenthalten. Denn jeder wird irgendwann einmal aufgefordert, seine persönliche Verantwortung zu übernehmen. (Bundesrat Rosen­maier: Kaufen wir ihnen auch einmal ordentliche Socken!)

Zuletzt möchte ich noch einmal zusammenfassen, indem ich sage, dass eine gute Ausrüstung und Bewaffnung unseren Soldaten schützt, den Soldaten motiviert, aber auch, bitte, die Re­publik und die Europäische Union schützt! – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.42


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Reinhard Todt. Ich erteile ihm das Wort.

17.42


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wusste nicht, dass wir heute in die Lage kommen, eine Grundsatzdebatte über den Stellenwert der österreichischen Landesverteidigung zu führen. Ich dachte mir, wir reden hier über die Abfangjäger, Kampfflugzeuge oder sonstiges Gerät. Ich wusste nicht, dass wir diese Grundsatzdebatte führen, möchte aber gerne ein paar Punkte in diese einbringen, bevor ich zu den anderen Fragen komme.

Zu Beginn dieser Regierungsperiode, als Sie Minister wurden, wurden Ihnen einige Fragen ge­stellt, denn Ihre Partei hatte einige Vorschläge gemacht, die im Zuge des Sparwillens durchaus vernünftig sind und worüber man sicherlich diskutieren könnte. Darin gibt es einige Kernpunkte.


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Erstens ist dies die Mischung von Berufs- und Milizheer – man höre: Die Wehrpflicht hat der Kollege vorhin genannt.

Übrigens, Herr Kollege, möchte ich Ihnen sagen, die Mädchen oder die Damen oder die Frauen ha­ben keine Wehrpflicht – Wehrpflicht haben die jungen Männer in Österreich! –, sondern sie können freiwillig Dienst mit der Waffe durchführen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Reisen­berger: So ist es! – Bundesrat Konecny: Sollte man eigentlich wissen!) Das ist einfach so, das sollte man schon wissen.

Aber nun zu den Kernpunkten dieser Diskussion – ich möchte noch ein paar einbringen, viel­leicht können wir dann weiterdiskutieren –: Mischung aus Berufs- und Milizheer, Reduzierung der Wehrdienstzeit von acht auf sechs Monate – alles Vorschläge von Ihrer Seite, von Seiten der ÖVP –, zwei Wehrdienstvarianten, eine mit und eine ohne Waffe, Schließung von Kaser­nen ... (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.)

Ich rede jetzt von einem Papier, das von Ihrer Partei erstellt worden ist. Ich sage Ihnen, Herr Bie­ringer, ich bekenne mich dazu, bei mir ist es ... (Bundesrat Bieringer: ... Kreisky hat gesagt, sechs Monate sind genug!) Das ist ein Unterschied. Ich bin einer der Kämpfer für den Zivildienst gewesen, aber ich freue mich, dass Ihre Partei jetzt auch in die Lage kommt, so etwas zu for­dern. Das ist in einem Papier gestanden, das von Ihrer Partei stammt. Daher bringe ich das jetzt ger­ne in diese Debatte mit ein, damit wir über diese Dinge diskutieren können und damit Sie wis­sen, dass es auch bei Ihnen Menschen gibt, die darüber nachdenken (Bundesrat Boden: Die vernünftig sind!), wie denn dieser Dienst im österreichischen Bundesheer, wie das gesamte Bundesheer, der Wehrdienst, die Landesverteidigung oder was auch immer verändert werden können. (Beifall bei der SPÖ.)

Als vierter Punkt ist dann die Schließung der Kasernen enthalten. Es sollten einige Kasernen in Österreich geschlossen werden. Als Erste haben daraufhin die ÖVP-Landeshauptleute auf­ge­schrien, dass die Kasernen in ihren Bundesländern doch nicht geschlossen werden können. Das verstehe ich natürlich, denn klarerweise verliert man dann auch Arbeitsplätze und so wei­ter und so fort.

Weiters: Bei den Truppenkosten könnten bis zu 30 Prozent gespart werden. Ich glaube, das wird man auch tun müssen, denn man muss dieses Fluggerät – Abfangjäger, Kampfflugzeuge, was auch immer – ja bezahlen.

Eine Reformkommission soll bis Jahresende die Grundlagen erarbeiten und so weiter. Künftig soll das Heer aus 15 000 Berufssoldaten bestehen. Die Grundausbildung soll nicht mehr acht Monate, sondern nur sechs Monate dauern, und sie soll geteilt werden. – All das sind Punkte und Vorschläge, die nicht von uns, sondern von Ihrer Fraktion kommen. Ich habe das in die Debatte eingebracht, weil der Kollege vorhin auch alle Dinge angesprochen hat, die jemals zum Thema Landesverteidigung in Österreich diskutiert wurden.

Vielleicht noch ein Punkt zum Bereich der europäischen Verteidigung: Ich denke, wenn man ein­mal vernünftig über diese Dinge reden würde – es gibt unterschiedliche Standpunkte, selbst­verständlich! –, dann könnte man auch hier zu einem Konsens kommen. Man kommt aber zu keinem Konsens, wenn man dem einen dies vorwirft oder dem anderen das vorwirft.

Ich möchte jetzt aber gern zu dem zurückkommen, was ich in Ihrer Beantwortung unserer An­fra­ge nicht gehört habe, Herr Bundesminister! Ich habe nicht gehört, dass Sie die Fragen tat­sächlich beantwortet hätten, und möchte gerne nachfragen, was Sie zur ersten Frage: „Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung an der Anschaffung von neuen Abfangjägern fest, obwohl sich über 70 Prozent der Bevölkerung gegen diese Anschaffung aussprechen?“ und zur zweiten Frage: Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung an der Type „Eurofighter“ des EADS-Konzerns fest? sagen.

Sie haben das nicht beantwortet – ich habe nichts davon gehört –, und eine Reihe anderer Fra­gen auch nicht. Weiteres Beispiel: „Ist es aus der Sicht des Bundesministers für Landesverteidi­gung richtig, dass beim Ankauf des ‚Saab Gripen’ hauptsächlich das Klein- und Mittelgewerbe


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profitieren würde?“ – Ich habe die Antwort darauf nicht gehört. Auch die Antwort betreffend „MIG“ habe ich nicht gehört. Sie haben die Antworten eigentlich nicht gegeben, Sie sind uns diese Antworten vom Grundsatz her schuldig geblieben. Ich möchte Sie bitten, sich diese Anfrage doch noch einmal anzuschauen und zumindest zu versuchen, darauf Antworten zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Zum Grundsätzlichen möchte ich, was Abfangjäger betrifft, auch darauf eingehen und meinen Standpunkt dazu noch einmal ganz klar darlegen. Ich stelle Ab­fangjäger auch deswegen in Frage, weil dieses Kriegsgerät sündteuer ist und weil man nicht bereit ist, darüber zu sprechen. Man ist ganz einfach nicht bereit, zum Beispiel darüber zu spre­chen, billigeres Gerät anzuschaffen – man ist dazu nicht bereit. Man hat sich für das teuerste Gerät entschlossen. Ich vermute – das ist mein Problem dabei, und ich sage das im vollen Bewusstsein dessen, was ich sage –, dass wahrscheinlich das Geld schon geflossen ist, denn Antworten darauf haben wir bis jetzt noch nicht bekommen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nun würde ich gerne wissen, warum man überhaupt nicht bereit ist, über andere Formen zu dis­kutieren, und warum man unbedingt auf diese Abfangjäger ... (Bundesrat Kneifel: Welches Geld? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Na, für Sie vielleicht! Immer wieder wird gemun­kelt – das steht auch in Zeitungen, auch solchen Ihrer Couleur, und so weiter –, dass gerade bei militärischen Beschaffungen entsprechend Schmiergeld bezahlt wird. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. – Bundesrat Mag. Himmer: Können Sie das auch ...?)

Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, veranstalten mit dieser Pensions­reform, die Sie „Reform“ nennen – sie ist das Wort „Reform“ nicht wert –, den größten Raubzug bei den Pensionisten, denn Sie schröpfen die Menschen um 2 Milliarden Schilling. Der Herr Finanzminister wird das Geld wahrscheinlich brauchen, um später die Abfangjäger zu bezahlen. Es kommt noch dazu, dass die Abfangjäger jetzt beschafft werden und die Leute dann später be­­lastet werden. All das ist etwas, bei dem ich mich frage, wohin das führt! Welche Verant­wortung ist das? – Sie machen keine verantwortungsvolle Politik bei den Abfangjägern, Sie ma­chen den größten Raubzug bei den Pensionisten! 2 Milliarden nehmen Sie den Pensionistinnen und Pensionisten weg, nehmen Sie künftigen Generationen von Pensionisten weg, um damit teures Kriegsgerät, teure Kampfjets zu bezahlen.

Sie machen etwas Weiteres: Sie beschaffen teures Kriegsgerät und schlagen allen Ernstes Selbst­behalte im Gesundheitssystem vor, wodurch Sie weiterhin Menschen ... (Ruf bei der ÖVP: ... 42,3 Prozent, sagt Ihnen das was?) Sie machen einen weiteren Raubzug, indem Sie sa­gen: Wir schlagen vor, dass es Selbstbehalte im Gesundheitssystem geben soll. Ohne dar­über nachzudenken, machen Sie all das gleich, denn Sie brauchen ja Geld für dieses Kriegs­gerät. (Bundesrat Ledolter: ... hinausgeschmissenes Geld! – Bundesrat Reisenberger: Das Geld den Leuten wegnehmen! Das ist die Wahrheit!)

Die Standpunkte, die es gibt, sind einfach: Wir sind auf Seiten der Bevölkerung, also jener Men­schen, die Sie berauben, und Sie kaufen Abfangjäger! Das sind die Fakten. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)

17.52


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Christoph Hagen. Ich erteile ihm das Wort.

17.52


Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Auf der einen Seite freue ich mich darüber, dass hier meine Anfrage diskutiert wird, auf der anderen Seite kann ich aber gerne auf die Vormundschaft der SPÖ verzichten. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die SPÖ kopiert meine Anfragen; das heißt, dass sie meiner Meinung ist. Ich würde mir wünschen, Sie wären auch in anderen Angelegen­heiten meiner Meinung und würden mich auch dort unterstützen, Herr Konecny! (Bundesrat Ko­necny: Lässt sich ja diskutieren!)


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Nun zur Anfrage: Es ist nicht umstritten, was ich darin hinterfragt habe. Ich muss sagen, ich be­kenne mich zu unserer österreichischen Luftraumüberwachung laut Verfassung – es steht in der Verfassung, dass wir unseren Luftraum sauber zu halten haben (Bundesrat Boden: Aber die Eurofighter verpesten alles!) –, und das geht meiner Ansicht nach derzeit, nach der derzeitigen Technologie nur mit Flugzeugen, ohne dass ich gleich jeden herunterschieße, der mir irgendwie spanisch vorkommt. Das ist für mich unumstritten, auch wenn im Moment 70 Prozent der Bevölkerung infolge der Mediendebatte gegen diese Flugzeuge sind. Aber ich bekenne mich trotzdem dazu, weil ich weiß, dass es notwendig ist.

Zur Anfragebeantwortung durch den Herrn Minister: Die Anfragebeantwortung war schon sehr dürf­tig, muss ich sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der SPÖ sowie des Bundesrates Schen­nach.) Herr Minister! Ich erwarte oder erhoffe mir in Ihrer schriftlichen Beantwortung meiner Anfrage genauere Ausführungen – ich bin nicht ganz zufrieden –, sonst muss ich mich noch einmal melden.

Etwas, was mir sehr wichtig zu sein scheint, ist die Hinterfragung von Presseberichten. Diese Presseberichte geben die Volksmeinung wieder, und die Leute glauben das, was in der Zeitung steht. Daher bin ich der Überzeugung, dass es richtig ist, dies zu hinterfragen und richtig zu beantworten. Ich denke, das hat mir heute etwas gefehlt.

Etwas ist für mich sehr maßgeblich: Wenn ich einen Vertrag abschließe, 24 Flugzeuge bestelle und dann die Zahl der Flugzeuge auf 18 reduziere, dann sind das für mich als normalen Ge­schäftsmann – sagen wir es einmal so; oder als kleinen Geschäftsmann, wenn ich einmal ein­kau­fen gehe – geänderte Rahmenbedingungen. (Zwischenruf des Bundesrates Ledolter.) Ich denke, dass in dieser Frage sichergestellt werden muss, ob nicht die Abfangjäger-Entscheidung neu hätte ausgeschrieben werden sollen.

Bei Herrn Konecny möchte ich mich noch bedanken. Er hat uns heute mit zwei Anfragen doch etwas strapaziert. Nachdem er die Erste zu zirka 20 Minuten verschlafen hatte – man hat hier einen sehr guten Ausblick –, hat er doch dieser Anfrage, die auch mir gewidmet ist (Bundesrat Konecny: Meine Kondition wieder gewonnen!), die volle Konzentration geschenkt, und das freut mich. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.56


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

17.56


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Das Thema „Schutz des österreichischen Luftraums“ beschäftigt immer wieder einmal das Par­lament, manchmal intensiver, manchmal weniger intensiv. Manchmal bekommt man von den Mi­n­istern bessere Antworten, manchmal etwas „drübergestreute“ Antworten, manchmal be­kommt man auch keine Antworten. Aber ich beziehe das jetzt nicht auf einen Minister, der hier anwesend ist, Herr Bundesminister! (Heiterkeit des Bundesrates Konecny.)

Eines ist nicht gegeben: eine Diskussion im parlamentarischen Raum über die Nachbeschaf­fung der Abfangjäger. Auch eine Diskussion darüber, um welche Typen und Preise es sich han­delt, hat im Parlament bestenfalls im kleinsten Kreise stattgefunden, aber sicherlich nicht im Aus­schuss für Landesverteidigung, weder im Nationalrat noch im Bundesrat. Es wurde eigent­lich immer zu einer – schnippisch gesagt – Kommandosache erklärt, und zwar zu einer gehei­men Kommandosache, so nach dem Motto: Der Staatsbürger darf zahlen, aber er ist zu blöd, das Thema zu verstehen.

Nun ist es nicht so, dass das Zahlen eine Freude für den Staatsbürger ist. Er zahlt Dinge – in den meisten Fällen auch durchaus einsichtig –, wenn er davon überzeugt ist, dass die An­schaffung oder die Ausgabe gerechtfertigt ist. Wir erkennen das bei der Diskussion über die Pen­sionen, worüber hier heute durchaus eine sehr lebhafte Gesprächsführung stattfand. Si­cher­lich hat noch keine Einigung in der Meinung stattgefunden, aber es wird darüber diskutiert.


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Wir Freiheitliche sind – wir treten sehr wohl für eine Luftraumüberwachung ein, und zwar auch mit Luftraumüberwachungsflugzeugen, Herr Bundesminister, darin unterscheiden wir uns wahr­scheinlich etwas stärker von den Sozialdemokraten – durchaus der Meinung, dass wir ein sol­ches Gerät brauchen. Aber aus dem Neutralitätsgesetz oder aus einem weiteren Verfassungs­gesetz ergibt sich nicht zwingend, sondern nur ableitungsgemäß, dass wir Luftfahrzeuge zur Luftraumüberwachung benötigen. Es steht nirgends drin, dass wir es brauchen, es lässt sich nur daraus ableiten. (Präsident Hösele übernimmt den Vorsitz.)

Der Herr Bundeskanzler hat am 13. März etwas gesagt, dem ich zustimmen kann. Bleiben wir bei den objektiven Verfahren, hat der Herr Bundeskanzler gesagt, sprechen wir darüber ohne jegliches persönliches Interesse, wie ich das tue, wie Herbert Scheibner das gemacht hat und wie das auch mit Sicherheit Günther Platter tut, und stehen wir zu der Notwendigkeit, auch den österreichischen Luftraum zu schützen. – Minister Plattner saß damals neben dem Herrn Bun­deskanzler, als ich – (Rufe bei der ÖVP: Platter!) Platter, ja! – eigentlich den Anlass gegeben hatte, dass der Herr Bundeskanzler diese Bemerkung auf diesen Teil meiner Ausführungen machte.

Der Herr Bundeskanzler sagte, dass wir eine Luftpolizei benötigen. Ich sehe auf den österreichi­schen Straßen eine gut ausgerüstete Polizei und Gendarmerie, ich sehe diese Einrichtungen aber nicht mit einem Maserati fahren, um hier einen Vergleich mit einem der teuersten Geräte auf dem Automarkt in Hinblick auf ein Flugzeug herzustellen.

Zur Aufgabenerfüllung der Luftraumpolizei genügt es, Maschinen zu haben, die gerade noch – das im Sinne der Steuerzahler, die wir zu vertreten haben – ihre Aufgaben der Luftraumüber­wachung erfüllen können. Wir brauchen keine – jetzt nehme ich den polemischen Begriff der Sozialdemokraten in den Mund – Kampfmaschinen. Ich bin sehr nahe bei Ihrer Meinung, der Unterschied ist jedoch: Ich bin überhaupt für die Luftraumüberwachung.

Jetzt sind eben hier Zweifel aufgetaucht hinsichtlich der Vorgangsweise, wie sie jetzt vor uns liegt und bei der man den Eindruck hat, dass eine Entscheidung durchgeboxt werden soll.

Der Herr Bundeskanzler hat gesagt: nach zweijähriger sehr gründlicher Prüfung. – Uns hier im Haus ist von einer zweijährigen Prüfung nur durch diese Aussage etwas bekannt geworden. Wir haben keine Zwischenberichte, wir haben nichts bekommen.

Wir haben in der Zwischenzeit aber ein Rechtsgutachten bekommen – ich gehe davon aus, Herr Bundesminister, dass du es auch hast –, ein Rechtsgutachten über einige grundsätzliche Fragen zur Verpflichtung der Republik Österreich gegenüber Anbietern von Abfangjägern, er­stattet von Universitätsprofessor Dr. Heinz Krejci, Vorstand des Instituts für Handels- und Wirt­schaftsrecht, Rechtswissenschaftliche Fakultät Wien. Dieses Gutachten ist erst vor wenigen Wochen, vielleicht auch nur Tagen herausgekommen, und darin wird sehr wohl darauf hinge­wiesen. Ich zitiere jetzt aus diesem Bericht, aus dieser Expertise von Professor Krejci.

Einleitend: Der mir zugegangenen Information zufolge gedenkt das Bundesministerium für Lan­desverteidigung die mit der Änderung der Stückzahl zusammenhängenden Fragen ausschließ­lich mit dem Produzenten des Eurofighters zu erörtern. Die anderen ursprünglich eingeladenen Bieter wurden hingegen nicht aufgefordert, ihre bisherigen Angebote in Hinblick auf den nun­mehrigen Bedarf von nur mehr 18 Abfangjägern zu adaptieren. Auch wird die Ansicht vertreten, dass solche Angebote, sofern sie andere Bieter von sich aus einreichen, vom BMLV nicht mehr beachtet werden müssen, weil die Beschaffungsentscheidung bereits zugunsten des Euro­fighters gefallen ist.

Ich halte das, was der Professor hier sagt, für durchaus bemerkenswert. Ich denke, wir brau­chen – und das meint auch der Professor – vergleichbare Angebote, denn die Anzahl verändert den Preis. Die Stückkosten wirken sich auf die Fixkosten aus, und wenn das nicht berücksichtigt wird, haben wir keinen Preis, der für die 18 Eurofighter oder 18 Maschinen stimmt, die wir jetzt kaufen werden. Wir können nicht sagen: Wenn 24 so viel kosten, kosten 18 so viel. Diese Rech­nung stimmt nicht! Sie kann betriebswirtschaftlich nicht stimmen. Wir brauchen daher diese


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Punkte ... (Bundesrat Kneifel: Aber eines steht schon fest: 18 sind billiger als 24!) – Das ist richtig, Herr Kollege, aber es stimmt auch ... (Bundesrat Kneifel: Da brauchen wir aber keinen Professor! – Heiterkeit.) – Wenn ich dich ernst nehme, meine ich, dass du es vielleicht ernst gemeint hast. An und für sich dürfte ich dich nicht ernst nehmen, weil du es unernst gemeint hast.

Es heißt hier: Zusammenfassend wird somit festgehalten, dass bei freihändiger Vergabe die Regeln der ÖNORM A 2050 nicht nur im Hinblick auf einige Grundsatzfragen relevant werden, vielmehr sind trotz des Hinweises im Punkt der ÖNORM 1.4.2.3, dass die freihändige Vergabe ohne förmliches Verfahren nach freiem Ermessen erfolgt, zahlreiche Bestimmungen der ÖNORM A 2050 sinngemäß auch auf die freihändige Vergabe anzuwenden. Dies gilt beson­ders für die Teilnahme der eingeladenen Bieter zu gleichen Wettbewerbsbedingungen und für die Gleichbehandlung der Bieter überhaupt bis zum Abschluss des freihändigen Vergabever­fahrens.

Freihändiges Vergabeverfahren, liebe Kolleginnen und Kollegen, heißt nicht, dass man einfach wie auf den Naschmarkt gehen und mit der Karottenfrau den Preis von Karotten aushandeln kann. Das wäre vielleicht das volksübliche freihändige Verhandeln, das bedeutet es aber nicht. Im Handelsrecht ist „freihändig“ sehr wohl und aus gutem Grund an Normen gebunden. (Ruf bei der ÖVP: Jetzt wird es kompliziert!)

Sofern das Bundesministerium für Landesverteidigung im vorliegenden Zusammenhang gehal­ten ist, die ÖNORM A 2050 im Bereich der Vergabe von Aufträgen, die nicht dem Bundesver­gabegesetz unterfallen, einzuhalten, beruht eine solche Verpflichtung, sollte nichts anderes an­geordnet sein, nicht auf einer Rechts-, sondern auf einer Verwaltungsverordnung, die lediglich die ministeriellen Organwalter bindet, nicht aber auch die Rechtsbeziehung zu Außenstehenden einbezieht. Das Verwaltungsorgan ist lediglich seinem Dienstherren gegenüber zur Einhaltung der Vergabevorschriften verpflichtet, nicht gegenüber den Bietern.

Aber mit der Bindungswirkung des Angebots entsteht dann auch eine Bindung des Bewerbers an vergaberechtliche Regelungen. Eine unverbindliche Einladung zur Angebotsabgabe vermag also fürs Erste lediglich den Bewerber selbst an Vergaberegelungen zu binden, sofern in der Einladung entsprechende Hinweise enthalten sind und das Angebot darauf Bedacht nimmt. Das bringt für den Vergeber keine Pflichten beziehungsweise Belastungen, sondern nur Rechte mit sich.

Da im vorliegenden Fall bestimmte Unternehmen angeschrieben wurden, liegt die Prüfung nahe, ob ein derartiger Vergabevertrag angenommen werden kann. Der Information des Profes­sors Krejci folgend kann aus dem Einladungsschreiben ein Wille des BMLV, eine die Republik verpflichtende rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben, nicht abgeleitet werden. Insbesondere soll in den Einladungsschreiben der ausdrückliche Hinweis enthalten sein, dass aus der Entge­gennahme der Angebote dem BMLV keinerlei – wie immer geartete – Verpflichtung erwachse.

Aber auch schon vor Abschluss eines Vertrages erkennt das Zivilrecht besondere Sorgfalts-, Rücksichts- und Schutzpflichten zwischen Personen, die miteinander in geschäftlichem Kontakt sind, insbesondere weil ihre persönliche Sphäre beziehungsweise ihr Vermögensbereich auf eine intensivere Art, als dies sonst Personen gegenüber geschieht, bekannt gemacht wird. Außerdem binden solche Kontakte Geschäfte, die ohne diese Bindung für andere Aktivitäten frei wären. Solche Bindungen verursachen insbesondere Kosten und beeinträchtigen die Wahr­nehmung anderer Chancen.

Bewerber beziehungsweise Bieter müssen darauf vertrauen, dass sich das Verwaltungsorgan wohl auch in seinem Falle an die geltenden Selbstbindungsvorschriften – zumindest weitge­hend und im wesentlichen Bereich – hält, und zwar auch dann, wenn nach außen hin betont wird, dass es sich bei diesen Vorschriften nur um interne Anweisungen handelt.

Aus den Sorgfaltspflichten in contrahendo resultiert jedenfalls in Fällen öffentlicher Vergabe auch eine Verpflichtung des Vergebers, die Bewerber – jetzt kommt es! – gleich zu behandeln,


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insbesondere einzelne nicht zu diskriminieren, Herr Bundesminister! – Der Oberste Gerichtshof teilt diese Ansicht.

Selbst für den Fall, dass ein öffentlicher Auftraggeber weder an gesetzliche noch an verwal­tungsinterne Vergabevorschriften gebunden ist, unterliegt er jedenfalls dem verfassungsrecht­lichen Gleichheitssatz und damit mittelbar der den Gleichheitssatz im Vergaberecht konkretisie­renden ÖNORM A 2050. Die Gleichbehandlung besteht naturgemäß nicht darin, allen den Zu­schlag zu erteilen oder keinem, sondern liegt darin, alle Teilnehmer am Wettbewerb nach den gleichen Grundsätzen und Verfahrensweisen zu behandeln. Das heißt insbesondere, allen Teil­nehmern die gleichen Informationen zukommen zu lassen, ihnen die gleichen Möglichkeiten zur Erarbeitung ihrer Angebote zu gewähren sowie ihre Angebote in gleicher Weise zu prüfen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Einladung bestimmter Unternehmen durch das Bundesministerium für Landesverteidigung zur Teilnahme an einer freihändigen Vergabe den Eingeladenen zwar keine rechtsgeschäftlichen Ansprüche auf Einhaltung vergaberechtlicher Regelungen oder auf sonstige Verhaltensweise des BMLV gewährt, ihnen aber im Hinblick auf die das BMLV treffenden Sorgfaltspflichten aus rechtsgeschäftlichem Kontakt insbesondere das Recht auf Gleichbehandlung im laufenden Wettbewerb um den gegenständlichen Auftrag sichert.

Dieses Ergebnis entspricht auch der Fiskalgeltung des verfassungsrechtlichen Gleichheits­grundsatzes.

Es ist daher folgende Frage zu prüfen: Ob eine nachträgliche Reduktion der beabsichtigten Be­stellung von 24 auf 18 Abfangjäger das Bundesministerium für Landesverteidigung gegenüber allen Anbotstellern verpflichtet, diese zu einer Anpassung ihrer Angebote einzuladen.

Man geht davon aus, dass das Bundesministerium für Landesverteidigung die Entscheidung zu­gunsten des Eurofighters bereits gefällt hat, sodass das Bundesministerium für Landes­verteidi­gung nur mehr mit dem Lieferanten des Eurofighters über die durch die Reduktion der zu be­stellenden Stückzahl geänderten Lieferbedingungen zu verhandeln brauche. – Dieser Ansicht ist nicht zu folgen, Herr Bundesminister!

Die Entscheidung über den anzukaufenden Abfangjäger setzt sich aus verschiedenen Grund­elementen zusammen:

erstens: vor allem aus der Prüfung der technisch-militärischen Eignung des angebotenen Modells,

zweitens: aus der Summe juristisch-kommerzieller Aspekte sowie

drittens: aus den Komplexen der Gegengeschäfte.

Nun betrifft der Umstand, dass statt 24 nur mehr 18 Abfangjäger gekauft werden sollen, jeden­falls die bisherige Preiskalkulation, Herr Kollege! Es ist dabei ohne Belang, ob sich durch die Änderung der Stückzahl der Preis erhöht oder verringert. An sich liegt nahe, dass eine höhere Stückzahl zu günstigeren Preisen angeboten werden kann, weil sich der Fixkostenanteil bei Aufteilung auf eine geringere Stückzahl erhöhen müsste; das muss aber nicht notwendiger­weise so sein.

Zweitens: Eine Verringerung der Stückzahl kann auch Einfluss auf das Ausmaß der in Aussicht gestellten Gegengeschäfte haben.

Drittens: Hingegen ist die Verringerung der Stückzahl mit großer Wahrscheinlichkeit ohne Bedeutung für die technisch-militärischen Eigenschaften der angebotenen Modelle.

Sind aber all die genannten Grundelemente der Entscheidungsfindung miteinander verbunden beziehungsweise ineinander verwoben, dann kann dies nur bedeuten, dass eine Entscheidung zugunsten eines bestimmten Modells ausschließlich aus Gründen seiner technisch-militärischen


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Eigenschaften und ohne Rücksicht auf das Verhältnis zwischen Preis und Leistung und unter Einschluss der Bedeutung der Gegengeschäfte nicht sachgerecht erscheint.

Wäre von Anfang an lediglich beabsichtigt gewesen, eine Modellerkundung nach rein tech­nisch-militärischen Gesichtspunkten durchzuführen und damit das Verfahren zu beenden, dann hätte es ein faires Vorgehen erfordert, dies den Mitbewerbern entsprechend offen zu legen.

Trifft zu, dass die Änderung der zu bestellenden Stückzahl einen maßgeblichen Einfluss auf die Preiskalkulation hat und dass es überdies möglicherweise auch noch zu sonstigen Änderungen im Hinblick auf Liefertermine und dergleichen kommt, dann bedeutet dies, dass während des noch laufenden Vergabeverfahrens die Angebotsbedingungen geändert wurden.


Präsident Herwig Hösele: Herr Bundesrat Gudenus! Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie nur noch 10 Sekunden Redezeit haben. Es handelt sich dabei um eine zwin­gende Vorschrift.


Bundesrat Mag. John Gudenus (fortsetzend): Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Bundesministerium für Landesverteidigung ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck.)


Präsident Herwig Hösele: Zu § 61 Abs. 7 steht im Kommentar, dass das weder vom Präsiden­ten noch vom Bundesrat abgeändert werden kann. Ich bitte Sie daher, zum Schluss zu kommen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)


Bundesrat Mag. John Gudenus (fortsetzend): Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Bundesministerium verpflichtet ist, allen Mitbewerbern die gleiche Gelegenheit zu bieten, ihre bisherigen Angebote entsprechend zu adaptieren. Sollte das Gebot der Gleichbehandlung ver­letzt sein, dann setzt sich das Bundesministerium möglichen Haftungs- und Schadenersatz­ansprüchen aus. – Danke für die 10 Sekunden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.17


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Benno Sulzberger. Ich erteile es ihm und mache auf die Redezeitbeschränkung aufmerksam.

18.17


Bundesrat Benno Sulzberger (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Sehr verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich werde die Überschreitung der Redezeit, die Kamerad John Gudenus begangen hat, einholen, indem ich nur kurz sprechen werde.

Lassen Sie mich Grundsätzliches zur Landesverteidigung und zum verfassungsmäßigen Auf­trag sagen. Ich als Person, als Benno Sulzberger, bekenne mich zur aktiven Landesverteidi­gung – als Freiheitlicher und auch als Funktionär des Österreichischen Kameradschaftsbundes, der immer eine Rückenstütze des österreichischen Bundesheeres war, ist und bleiben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich muss mit Befremdung feststellen, dass sich eine ehemalige staatstragende Partei – ich hoffe, dass sie das weiterhin bleiben wird –, die so viele Jahre hindurch den ministeriellen Auf­trag der Landesverteidigung hatte, so aus der Verantwortung stiehlt. Das ist für mich als Staats­bürger beschämend. Ich sage das mit aller Deutlichkeit.

Man kann die Aufgaben nicht teilen und es sich nicht aussuchen, was in einer bestimmten Situation, einer bestimmten politischen Situation gerade passt. Wenn ich staatspolitische Ver­antwortung übernehme und gehabt habe, dann habe ich sie auch wahrzunehmen. (Bundesrat Winter: Was sagt denn der Haider?)

Heute eine Anfrage über den so genannten Typenentscheid wieder dazu zu verwenden, die grundsätzliche Frage zu stellen, ob Luftraumverteidigung überhaupt notwendig ist, ist nicht in Ordnung!


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Ich fordere ... (Bundesrat Winter: Herr Kamerad! Was sagt denn der Haider dazu?) – Bitte? (Bundesrat Winter: Was sagt der Haider dazu?) Sie wissen ganz genau, dass im Sommer/Herbst 2002 ... (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Freiheitliche Partei hat sich immer zur Landesverteidigung und auch zur Nachrüstung der Luftraumüberwachung bekannt, und nur wegen des Hochwassers wurde die Frage gestellt, ob es jetzt so vordringlich ist, ob das vielleicht ein bisschen hinausgeschoben werden kann. Das ist korrekt. (Bundesrat Winter: Okay, das ist schon wieder etwas anderes!)

Wenn wir nur 0,79 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Landesverteidigung ausgeben und das Bundesheer sozusagen in Grund und Boden gewirtschaftet haben, dann frage ich Sie: Was sollen wir dann beim Bundesheer noch einsparen?

Bekennen wir uns jetzt zu einer aktiven Landesverteidigung – ja oder nein? (Bundesrat Winter: Was sagt der Haider in Kärnten?) Das hat mit Jörg Haider nichts zu tun, sondern das ist eine grundsätzliche Frage, an der auch Sie festzunageln sind. Sie als ehemalige Regierungspartei sind da nicht aus der Verantwortung zu nehmen! So ist es! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für mich ist das heute hier der letzte Auftritt. Der Wähler hat bei der Landtagswahl in Niederösterreich am 30. März 2003 entschieden. Wir schei­den aus. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Warum, was ist so schlecht daran? (Bundesrat Rei­sen­berger: Ist nichts Schlechtes daran!) Na sicherlich, das wird so unterschwellig von Ihnen hier gebracht. Ich kenne viele sozialistische Parteigänger, die aktive Mitglieder im Österreichi­schen Kameradschaftsbund sind, und das sind gar nicht so wenige, wenn ich nur meinen Bezirk Zwettl hernehme. Das erzählen Sie Ihren Parteikameraden! (Bundesrat Reisenberger: Ich pflege mit solchen Personen keinen Kontakt! Nehmen Sie das zur Kenntnis!) Aber ich pflege ihn! (Bun­desrat Reisenberger: Ja, haben Sie eh laut und deutlich gesagt!) Ja, ich bekenne mich auch dazu. Ich habe kein Problem – aber Sie haben ein Problem, das glaube ich schon! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Reisenberger: Mit solchen Menschen schon!)

Ich wünsche für alle Zukunft diesem Hohen Haus, diesen beiden Kammern, dass sie weiterhin von Qualität beseelt sein mögen, die Qualität noch weiter verbessert wird, von den Inhalten her und vor allem was die Aufgabe und den Zweck betrifft, nämlich Volksvertreter im wahrsten Sinne des Wortes zu sein, um die anstehenden Probleme bestmöglich für die Bevölkerung zu lösen und vor allem den sozialen Zusammenhalt in diesem Staate in Zukunft zu gewährleis­ten. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der ÖVP und der SPÖ.)

18.22


Präsident Herwig Hösele: Herr Bundesrat! Ich danke Ihnen und darf Ihnen auch auf diesem Wege noch einmal herzlich das Allerbeste für die Zukunft wünschen. Es tut uns Leid, dass Sie uns nach so kurzer Zeit verlassen. (Bundesrat Sulzberger: Danke schön!)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.

18.22


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich wollte mich eigentlich gar nicht mehr zu Wort melden, aber die Wortmeldung des Herrn Gudenus, die hier im großen Lärm und Unverständnis untergegangen ist, zwingt mich zu einer Würdigung.

Lieber John Gudenus! Erstens: Ich habe Sie, glaube ich, ein Jahr lang gebeten, Stellung zu be­ziehen, und ein Jahr lang sind Sie bei jeder Debatte über Abfangjäger vorzeitig aus dem Plenar­saal gegangen. Heute sind Sie geblieben, heute haben Sie hier Stellung genommen. Möglicher­weise hängt das mit dem Ministerwechsel zusammen. (Allgemeine Heiterkeit.) Ja, kann man ja sagen, es geht dann leichter, aber trotzdem muss man das anerkennen.

Aber Sie haben heute hier einen wertvollen Dienst erwiesen, der im allgemeinen Gemurmel untergegangen ist. John Gudenus hat gesagt, dass die größte finanzielle Anschaffung der Zweiten Republik im militärischen Bereich wie ein geheimes Kommandounternehmen geführt


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werde. Herr Gudenus hat heute in das Stenographische Protokoll etwas diktiert, was offen­sichtlich geheime Sache ist. Wem ist dieses Gutachten bekannt? – Dem Verteidigungsminister! Wem noch? – Herr Gudenus hat wahrscheinlich andere Kontakte. (Zwischenruf des Bundes­rates Bieringer.)

Ich danke Herrn Bundesrat Gudenus, dass dieses Rechtsgutachten heute allen über das Steno­graphische Protokoll zugänglich gemacht wurde. Dafür gebührt Herrn Bundesrat Gudenus heute ein Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bieringer: Das ist der Applaus von der fal­schen Seite! – Bundesrat Mag. Gudenus: Nein, das ist der richtige Applaus! Wenn ihr nicht mit­macht! – Allgemeine Heiterkeit.) Dafür, lieber Herr Gudenus, gebührt Ihnen ein nochmaliger Applaus!

Von der Freiheitlichen Partei sind innerhalb weniger Minuten hier zwei Redner am Pult gewe­sen, wobei der eine vom Tag und der andere von der Nacht geredet hat. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist ja überhaupt nicht wahr!) Aber selbstverständlich, Herr Professor Böhm! (Bundesrat Dr. Böhm: Entweder haben Sie nicht zugehört oder es nicht verstanden!) Ich habe Herrn Gudenus wunderbar zugehört, im Gegensatz zum restlichen Auditorium, wie ich glaube, weil ich das, was Herr Gudenus gesagt hat, mit großem Interesse verfolgt und gehofft habe, dass der Herr Präsident große Milde walten und noch möglichst viele solcher Passagen ins Stenogra­phische Protokoll einfließen lassen wird. (Präsident Hösele: Ich halte mich an die Gesetze, Herr Bundesrat!)

Herr Gudenus hat gesagt: Wofür brauchen wir als Luftpolizei einen Maserati oder einen Ferrari in der Luft? (Bundesrat Dr. Böhm: Aber einen VW vielleicht, nicht?!) – Oder einen VW vielleicht. Aber er hat klar gemacht, dass dieser Beschaffungsvorgang im Augenblick nicht mehr auf einer gesetzlich legalen Ebene verläuft. Das heißt, dieser Beschaffungsvorgang ist zu stoppen! Das sagt dieses Gutachten, und ich hoffe, Herr Minister, das wird auch die Linie Ihrer Politik sein.

Da, Herr Kneifel, irren Sie sich nämlich. Wenn Sie glauben, dass 18 billiger sind als 24, dann irren Sie sich. Denn nur mit 18 kommt man in jenes bewilligte Etat hinein, das von der Regie­rung als solches zur Verfügung gestellt wird, mit 24 kommen Sie nicht hinein! Das heißt, es wird derselbe Betrag verwendet, da wird nichts billiger für die Steuerzahler und nichts billiger für jene, die dafür auch mit ihren Pensionen zur Verfügung stehen müssen. Das heißt, es ist der­selbe Betrag.

Das Nächste: Die Änderung der Ausschreibung war für das Eurofighter-Konsortium von großem Vorteil und wurde für alle Mitbewerber zu einem erheblichen Nachteil. Das muss geklärt wer­den! (Bundesrat Rosenmaier: Das wird doch nicht bewusst gemacht worden sein!) Das heißt, wenn diese Bundesregierung der Meinung ist, wir brauchen Maseratis und Ferraris in der Luft, dann müssen Sie neu ausschreiben! Dieses laufende Verfahren gehört gestoppt, denn sonst wird es wahrscheinlich auf einer anderen Ebene zu behandeln sein. (Ruf bei der ÖVP: Nach Ihrer Rechnung wären 36 noch billiger!)

Nein! Ich habe nur gesagt, dass es nicht billiger wird. Ob Sie jetzt 25, 20 oder 18 kaufen, es wird für den Steuerzahler nicht billiger, denn Sie haben einen bestimmten Betrag beschlossen. Jetzt werden sechs weniger gekauft, aber die Summe, die diese sechs ausmachen, wird nicht von dem beschlossenen Betrag abgezogen, sondern es bleibt ganz genau bei dem Betrag, den Sie beschlossen haben. Wenn Sie 25 kaufen wollen, kostet es natürlich noch erheblich mehr, als Sie zur Verfügung gestellt haben.

Das, was mich in der geheimen Kommandosache der größten militärischen Beschaffung der Zweiten Republik interessiert – Herr Bundesrat Gudenus, Sie haben damals zu Recht ge­schwiegen und sind zu Recht hinausgegangen –, hat uns Herr Minister Scheibner auch nicht gesagt: Die Fly-away-Kosten haben wir von Herrn Minister Scheibner hier nie erfahren! Ich danke Ihnen, dass Sie wenigstens jetzt nicken und sagen, wir haben es nie erfahren. All das ist geheime Kommandosache. Wo sind die Zahlen der gesamten Kosten, der Anschaffungskosten, der Fly-away-Kosten und so weiter? – Diese werden der Republik, diese werden den Steuer­zahlern vorenthalten.


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Herr Bundesminister! Sie sind jetzt neu im Amt. Ich würde, unter Tirolern gesagt, mir von Ihnen wünschen, dass Sie hier sagen, ich ziehe einen Schlussstrich unter diesen ganzen unleidigen und halbseidenen Beschaffungsvorgang.

Übrigens – das muss man auch noch sagen – ist die FPÖ, was diesen Beschaffungsvorgang betrifft, in der Regierung Schüssel I praktisch in die Lager der Anbieter zerfallen, denn die einen waren für jene und die anderen für andere Anbieter, das wissen Sie, aber lassen wir das, das ist schon Schnee von gestern!

Ich wünsche mir, dass Sie, Herr Minister, einen geraden Weg gehen, indem Sie sagen: Es gibt einen sofortigen Ankaufsstopp, und die Angebote, die noch nicht behandelt wurden, kommen auf den Tisch, sofern es noch welche gibt. Es wird neu ausgeschrieben, und es werden sowohl die Kosten für die Anschaffung als auch – und das ist bitte entscheidend – die Fly-away-Kosten endlich auf den Tisch gelegt und der Bevölkerung gesagt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mag. Gudenus.)

18.29


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Tusek. Ich erteile es.

18.30


Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich auch zuerst bei Kollegen Gudenus sehr herzlich für die Vorlesung aus Volkswirtschaft, Betriebswirtschafts­lehre und Wettbewerbsrecht bedanken. Ich habe viel dabei gelernt.

Das Nächste sind die Argumente von Seiten der sozialdemokratischen Fraktion, die ich zu durchleuchten versuchen möchte. Ein Argument, das einhellig bei allen Rednern der Sozial­demokraten kam, war: Wir brauchen keine Abfangjäger! Ich gebe zu, dieses Argument ist sehr einfach, denn zu sagen, wir brauchen keine, ist ein Argument für sich, man hat keinen Erklä­rungsbedarf.

Der Herr Bundesminister hat das sehr klar in seiner Anfragebeantwortung gesagt: Ein wichtiges und wesentliches Argument ist unsere Souveränität. Kollege Gudenus! Ganz gleich, ob im Neu­tralitätsgesetz explizit der Luftraum erwähnt ist oder nicht, wir haben erklärt – und das ist der Sinn des Neutralitätsgesetzes und auch der Sinn unserer Souveränität –, die Hoheit unseres Staates mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen. Und dazu gehört nicht nur der Boden – der Herr Minister hat es erwähnt –, dazu gehört für mich völlig klar und absolut auch der Luftraum. Wir können den Luftraum mit so einfachen Argumenten wie „Wir brauchen keine Abfangjäger!“ nicht freigeben.

Diese Argumente vor allem von Vertretern der sozialdemokratischen Fraktion kommen natürlich gut an, es klingt sehr gut, wenn man die notwendige Pensionsreform, die Gesundheitsreform mit der Anschaffung von Abfangjägern aufrechnet. Bedenken Sie aber bei diesem populisti­schen Argument, dass es sich bei dieser sehr hohen Summe um 0,3 Prozent des Bruttoin­landsproduktes handelt, während – und das haben wir zuerst gehört – die Pensionsleistungen jährlich 14 Prozent und mehr ausmachen! Wenn da nicht entsprechend eingegriffen wird, dann werden wir zu großen Problemen kommen. Mit 0,3 Prozent des BIP, mit dieser für die Abfang­jäger vorgesehenen Summe kann man, wie es aus Ihren Reden, Kollege Todt und Kollege Kaltenbacher, herausgeklungen ist, sicherlich keine großartige Finanzierung des Gesundheits­systems oder des Pensionssystems vornehmen.

Wichtig ist: Wir brauchen eine verantwortungsvolle, eine sehr gezielte und klare Verteidigung unseres Territoriums, unseres Staatsgebietes auch in der Luft. Es genügt nicht – der Herr Bun­desminister hat das erwähnt –, mit einem noch so hervorragenden Radarsystem alles zu über­wachen, wenn ich dann im Bedarfsfall nicht imstande bin, in der Luft irgendetwas zu unter­nehmen.

Es wird in den Medien viel zu wenig berichtet, dass es jährlich etwa – ich habe hier die Zahlen von 2002 – 30 Einsätze mit höchster Priorität gibt, bei denen unbekannte Luftfahrzeuge zu


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identifizieren sind und die, wenn es um eine Bedrohung, eine Gefahr geht, durchaus nach den Regeln der internationalen Luftfahrt auch abzufangen sind. Und das kann ich nicht mit einem Gerät, das diese Aufgaben nicht mehr erfüllt.

Die Diskussion um die Luftraumüberwachungsflugzeuge ist nicht neu. Ich erinnere mich, Ende der achtziger Jahre hat es diese Diskussion beim Draken gegeben, und die größten Kritiker – ich kann hier auch einen ehemaligen steirischen Landeshauptmann zitieren – waren dann 1991 sehr froh, dass diese Draken angeschafft wurden und bei einem echten Krisenfall an der öster­reichischen Grenze präsent waren.

Kollege Kaltenbacher! Eine Antwort auf Ihre Frage möchte ich auch zu geben versuchen. Sie haben gesagt, es gibt in der Steiermark Fluglärm, es gibt sehr viele Arbeitslose in Ihrer Region, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Ich kann Ihnen sagen, wenn wir Ihrer Empfehlung statt­geben und keine neuen Luftraumüberwachungsflugzeuge anschaffen, wird es wesentlich mehr Arbeitslose gerade in Ihrer Region um Zeltweg geben (Bundesrat Kaltenbacher: Das glaube ich weniger!), denn viele Steirer sind in der Wartung, im Flugbetrieb dieses Gerätes beschäftigt. (Bundesrat Kaltenbacher: Es gibt Alternativmodelle!) – Diese Alternativmodelle kenne ich nicht. (Bundesrat Konecny: Das spricht gegen Sie, aber nicht gegen ...!) Es wird aber auch sehr schwierig sein, einen Flugzeugtechniker in der Gastronomie oder sonst wo im Dienstleis­tungssektor anzustellen.

Es ist auch wichtig – und auch dieses Argument kommt viel zu wenig durch –, dass wir unseren Luftraum bei Großveranstaltungen entsprechend schützen, sei das bei Fußball-Europameister­schaften, sei das bei Olympischen Spielen, um die wir uns beworben haben. Das wird von uns verlangt! Fürstenfeldbruck 1972 hat gezeigt, dass es solch eine Bedrohung geben kann. Auch diesen Bedrohungen aus der Luft müssen wir ... (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.) – In Fürstenfeldbruck, Herr Professor Konecny, war eine ganze Reihe von Hubschraubern an diesen Terroraktionen beteiligt! (Bundesrat Konecny: ... Die Vorstellung eines Abfangjäger-Angriffes auf Fürstenfeldbruck lässt mich schaudern!)

Herr Professor! Ich habe ein Beispiel genannt, das zeigt, dass es bei internationalen Veranstal­tungen, bei Großveranstaltungen einfach dazugehört, dass auch der Luftraum entsprechend gesichert ist.

Ein Argument hört man auch immer wieder: Andere Staaten sollen unseren Luftraum schützen. Alle unsere Nachbarstaaten besitzen Luftraumüberwachungsfahrzeuge, daher brauchen wir sie nicht! Dieses Argument ist ausgesprochen schlecht. Denn wer sollte uns schützen? Wer kommt dazu, unseren Luftraum zu schützen, wenn wir selbst es nicht wollen oder wenn wir selbst es nicht tun?

Wichtig ist – und das scheint mir der zentrale Punkt zu sein –, dass wir momentan Gott sei Dank in einer sicherheitspolitisch sehr stabilen Situation leben. Aber keiner von uns, weder auf der Regierungsbank noch hier im Hohen Haus, kann eine Garantie abgeben, dass es in drei, fünf oder zehn Jahren noch genauso ist. Eine ernst zu nehmende Sicherheitspolitik hat für alle Fälle, die auftreten können, auch wenn wir hoffen, dass sie nie eintreten werden, gerüstet zu sein.

Wir benötigen zur Aufrechterhaltung der Souveränität unseres Heimatlandes die absolute Ver­teidigungsbereitschaft und die Möglichkeiten, unser Land sowohl am Boden als auch in der Luft verteidigen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

18.38


Präsident Herwig Hösele: Ich freue mich, zum Abschluss unserer heutigen Beratungen eine große Besuchergruppe aus Wieselburg begrüßen zu dürfen. (Allgemeiner Beifall.)

Sie können bis zum Schluss unserer Beratungen anwesend sein, denn es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. (Heiterkeit.)

Ich frage nur: Wünscht noch jemand das Wort? – Kollege Nittmann, bitte.


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18.39


Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann (Freiheitliche, Oberösterreich): Ich werde mich ange­sichts der fortgeschrittenen Zeit kurz fassen.

Meinem Kollegen Hagen, der leider im Moment nicht anwesend ist, muss ich widersprechen: Ich denke, dass der Herr Bundesminister sehr ausführlich geantwortet hat und dass in der Qualität und in der Quantität seiner Antwort sein Respekt für dieses Haus vollendet zum Aus­druck gekommen ist. Ich bedaure es jedoch, dass er nicht die Chance ergriffen hat – aber unter Umständen ergibt sich noch die Möglichkeit dazu –, zwei Fragen besonders herauszuarbeiten. Vielleicht hätten Sie noch die Güte, mir darauf eine Antwort zu geben.

Erstens: In Frage 3 der Anfrage wird erwähnt, dass der Ankauf des Euro­fighters vor allem Vorteile für die Firmen von Herrn Stronach und Herrn Androsch bringen würde. Das ist doch eine Frage – und ich danke den Sozialdemokraten für diese Offenheit –, die wir wirklich prüfen sollten.

Zweitens: Sie sagten, dass uns völkerrechtliche Normen zur Luftraumüberwachung verpflichten. Ich würde gerne hören, welche völkerrechtliche Norm Sie da ganz konkret meinen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.40


Präsident Herwig Hösele: Zu Wort gemeldet hat sich noch einmal Herr Bundesminister Platter. – Bitte.

18.40


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Da ich direkt aufgefordert werde, möchte ich ganz kurz eine abschließende Bemerkung zu dieser heutigen Debatte machen.

Ich möchte feststellen, dass es gerade in Fragen der Sicherheit sehr wichtig ist, einen partei­übergreifenden Konsens zu erreichen. Diese Diskussion habe ich auch mit Verteidigungs­minister Struck bei einem informellen Treffen der Verteidigungsminister in Athen geführt. Er hat mir mitgeteilt, dass das in Deutschland sehr wohl möglich ist. Ich würde gerade jetzt, in dieser sensiblen Zeit, darum ersuchen, dass nicht immer Ausgaben, die mit dem Sozialbereich verbun­den sind, mit der Verteidigung in Zusammenhang gebracht werden. (Bundesrat Todt: Mit den Abfangjägern! Nicht mit der Verteidigung!) Das ist ein gefährliches Spiel, das hier immer wieder betrieben wird. (Ruf und Gegenruf der Bundesräte Mag. Himmer und Todt.)

Es ist unglaublich wichtig, dass, wenn man die Sicherheit in einem Land ernst nimmt, für diese Sicherheit wirklich gesorgt wird und auch die entsprechenden Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden.

Darüber hinaus möchte ich Ihnen noch Folgendes sagen: Es ist heute die Souveränität Öster­reichs mehrmals erwähnt worden. Souverän ist Österreich nur dann, wenn österreichische Pilo­ten mit österreichischen Flugzeugen den österreichischen Luftraum schützen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Gudenus: Müssen das die teuersten sein, Herr Bundesminister?)

Zum Abschluss meiner Wortmeldung: Herr Bundesrat Gudenus! Ich garantiere Ihnen, dass das rechtlich klar über die Bühne geht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.42


Präsident Herwig Hösele: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insge­samt neun Anfragen, 2058/J bis 2066/J, eingebracht wurden.


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Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 15. Mai ... (Die Bundesräte sind im Begriff, den Sitzungs­saal zu verlassen. – Präsident Hösele gibt das Glockenzeichen.) – Ich hätte mir gedacht, dass wir die dafür notwendigen 30 Sekunden auch noch gemeinsam aufbringen.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 15. Mai 2003, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustim­mungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 13. Mai 2003, ab 14 Uhr vorgesehen.

Ich wünsche Ihnen einige erholsame Feiertage und Frohe Ostern.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 18.43 Uhr

 

 

 

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