Stenographisches Protokoll

714. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Freitag, 5. November 2004

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

714. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 5. November 2004

Dauer der Sitzung

Freitag, 5. November 2004: 9.03 – 20.44 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung der Bundesministerin für Justiz gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR

2. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Abgeltung stationärer medizini­scher Versorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Jus­tizanstalten

3. Punkt: Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung

4. Punkt: Bundesgesetz über den Ersatz von Schäden aufgrund einer strafgericht­lichen Anhaltung oder Verurteilung (Strafrechtliches Entschädigungsgesetz 2005 – StEG 2005)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das Bundesgesetz zur Durchführung des Europäischen Über­einkommens vom 27. Jänner 1977 über die Übermittlung von Anträgen auf Ver­fahrenshilfe, das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Ge­richts­gebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Rechts­anwalts­tarif­gesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2004)

6. Punkt: Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG, mit der die Vereinbarung über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken geändert wird

7. Punkt: Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2003

8. Punkt: Änderung des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz und das Lebensmittel­gesetz 1975 geändert werden


Bundesrat
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714. Sitzung / Seite 2

11. Punkt: Bundesgesetz über das Verbot des Inverkehrbringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die als Bundesgesetz geltende Verordnung über den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei Arbeiten in Druckluft sowie bei Taucherarbeiten und das Mutterschutzgesetz 1979 geändert werden

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Väter-Karenzgesetz geändert wird

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Maklergesetz, das Versicherungsvertragsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Bankwesen­gesetz geändert werden

15. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung des Berechtigungsumfanges für das Gewerbe der Zahntechniker sowie Direktverrechnung der Sozialversicherung mit den Zahn­tech­nikern

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Schüssel betreffend Nominierung eines Mitgliedes in den Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA) der Europäischen Union gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz ............................................................................................................................... 38

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 9

Fragestunde (106.)

Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz .................................. 9

Josef Saller (1365/M-BR/04); Ing. Siegfried Kampl, Stefan Schennach, Roswitha Bachner

Johanna Auer (1370/M-BR/04); Ferdinand Tiefnig, Engelbert Weilharter, Eva Konrad

Ing. Siegfried Kampl (1369/M-BR/04); Stefan Schennach, Mag. Susanne Neuwirth, Michaela Gansterer

Sissy Roth-Halvax (1366/M-BR/04); Mag. John Gudenus, Elisabeth Kerschbaum, Roswitha Bachner

Roswitha Bachner (1371/M-BR/04); Herta Wimmler, Roland Zellot, Dr. Ruperta Lichtenecker

Eva Konrad (1374/M-BR/04); Mag. Susanne Neuwirth, Helmut Kritzinger, Roland Zellot

Mag. Bernhard Baier (1367/M-BR/04); Mag. John Gudenus, Elisabeth Kersch­baum, Günther Kaltenbacher

Ana Blatnik (1372/M-BR/04); Martina Diesner-Wais, Ing. Siegfried Kampl, Dr. Ruperta Lichtenecker


Bundesrat
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714. Sitzung / Seite 3

Andrea Fraunschiel (1368/M-BR/04); Ing. Siegfried Kampl, Ing. Reinhold Einwallner

Günther Prutsch (1373/M-BR/04); Franz Wolfinger, Engelbert Weilharter, Dr. Ruperta Lichtenecker

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ................................................................................................  9, 74

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend Enthebung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner vom Amt sowie Ernennung von Frau Dr. Ursula Plassnik zur Bun­desministerin für auswärtige Angelegenheiten .................................. 37

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 38

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 38

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Inneres betreffend SOS Innere Sicherheit (2262/J-BR/04) ........................................................................ 115

Begründung: Albrecht Konecny ................................................................................. 115

Karl Bader (tatsächliche Berichtigung) ....................................................................... 123

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ...................................................................... 124

Debatte:

Wolfgang Schimböck ................................................................................................ 130

Mag. Harald Himmer .................................................................................................. 134

Stefan Schennach ...................................................................................................... 136

Albrecht Konecny (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 140

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 140

Adelheid Ebner ........................................................................................................... 141

Mag. Harald Himmer (tatsächliche Berichtigung) ..................................................... 143

Dr. Franz Eduard Kühnel ........................................................................................... 143

Engelbert Weilharter .................................................................................................. 147

Mag. Susanne Neuwirth ............................................................................................ 148

Harald Reisenberger .................................................................................................. 153

Dr. Franz Eduard Kühnel (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 157

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 157

Entschließungsantrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend tausend ExekutivbeamtInnen mehr für die Sicherheit der ÖsterreicherInnen – Ablehnung  133, 158

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung der Bundesministerin für Justiz gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR ......... 39

Bundesministerin Mag. Karin Miklautsch ................................................................. 39


Bundesrat
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714. Sitzung / Seite 4

Verlangen auf Durchführung einer Debatte .................................................................... 42

Redner/Rednerinnen:

Helmut Wiesenegg ....................................................................................................... 42

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 44

Stefan Schennach ........................................................................................................ 46

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 49

Bundesministerin Mag. Karin Miklautsch ..........................................................  51, 55

Albrecht Konecny .................................................................................................  53, 55

Sonja Zwazl ................................................................................................................... 54

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Abgeltung stationärer medizinischer Versorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten (622 d.B. und 634 d.B. sowie 7131/BR d.B.) ............ 56

Berichterstatterin: Angela Lueger ................................................................................. 56

Redner/Rednerinnen:

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 56

Johann Giefing ............................................................................................................. 57

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 58

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 58

Bundesministerin Mag. Karin Miklautsch ................................................................. 60

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 61

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Straf­sachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung (518 d.B. und 635 d.B. sowie 7132/BR d.B.) ...................................................................................................... 61

Berichterstatterin: Johanna Auer .................................................................................. 61

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz über den Ersatz von Schäden aufgrund einer strafgerichtlichen Anhaltung oder Verurteilung (Strafrechtliches Entschädigungsgesetz 2005 – StEG 2005) (618 d.B. und 636 d.B. sowie 7130/BR d.B. und 7133/BR d.B.)      ............................................................................................................................... 61

Berichterstatterin: Johanna Auer .................................................................................. 61

Redner/Rednerinnen:

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 62

Mag. Susanne Neuwirth .............................................................................................. 63

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 64

Stefan Schennach ........................................................................................................ 66

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 67

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 4, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 68

Gemeinsame Beratung über


Bundesrat
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714. Sitzung / Seite 5

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das Bundesgesetz zur Durchführung des Europäischen Übereinkommens vom 27. Jänner 1977 über die Übermittlung von Anträgen auf Verfahrenshilfe, das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Rechts­anwaltstarifgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Disziplinar­statut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2004) (613 d.B. und 638 d.B. sowie 7134/BR d.B.) ................................................................. 68

Berichterstatterin: Mag. Susanne Neuwirth ................................................................ 68

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG, mit der die Vereinbarung über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken geändert wird (403 d.B. und 639 d.B. sowie 7135/BR d.B.)          ............................................................................................................................... 68

Berichterstatterin: Mag. Susanne Neuwirth ................................................................ 68

Redner/Rednerinnen:

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 69

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 70

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 5, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 71

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 6, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 71

7. Punkt: Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2003 (III-260-BR/2004 d.B. sowie 7136/BR d.B.) ................................................................................................................. 71

Berichterstatter: Gottfried Kneifel ................................................................................ 71

Redner/Rednerinnen:

Herwig Hösele .............................................................................................................. 71

Mag. John Gudenus ..................................................................................................... 74

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 76

Josef Saller ................................................................................................................... 77

Helmut Wiesenegg ....................................................................................................... 77

Stefan Schennach ........................................................................................................ 78

Jürgen Weiss ................................................................................................................ 80

Wolfgang Schimböck .................................................................................................. 82

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 84

Volksanwalt Dr. Peter Kostelka .................................................................................. 85

Volksanwältin Rosemarie Bauer ................................................................................ 89

Volksanwalt Mag. Johann Ewald Stadler................................................................... 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-260-BR/2004 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 95

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend eine Änderung des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Bank für Wie­deraufbau und Entwicklung (560 d.B. und 646 d.B. sowie 7137/BR d.B.) ........................................................................................ 95

Berichterstatter: Günther Prutsch ................................................................................ 95


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714. Sitzung / Seite 6

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz geändert werden (546 d.B. und 647 d.B. sowie 7138/BR d.B.) ................................................................................................................. 95

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger .................................................... 96

Redner/Rednerinnen:

Johann Kraml ............................................................................................................... 96

Dr. Karl-Heinz Dernoscheg ......................................................................................... 97

Engelbert Weilharter .................................................................................................... 99

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 99

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................. 100

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 102

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 102

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden (617 d.B. und 630 d.B. sowie 7139/BR d.B.) ............................................................................................................... 102

Berichterstatterin: Michaela Gansterer ...................................................................... 102

Redner/Rednerinnen:

Johann Kraml ............................................................................................................. 102

Martina Diesner-Wais ................................................................................................ 104

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 105

Mag. John Gudenus ................................................................................................... 107

Adelheid Ebner ........................................................................................................... 109

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat .................................................................... 111

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................... 112

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 113

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 114

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 158

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz über das Verbot des Inverkehrbringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind (614 d.B. und 631 d.B. sowie 7129/BR d.B. und 7140/BR d.B.) ........................................................ 158

Berichterstatterin: Herta Wimmler .............................................................................. 159

Redner/Rednerinnen:

Andrea Fraunschiel .................................................................................................... 159

Adelheid Ebner ........................................................................................................... 159

Eva Konrad ................................................................................................................. 160

Christine Fröhlich ...................................................................................................... 162

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat .................................................................... 163

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 163

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die als Bundesgesetz geltende Verordnung über den


Bundesrat
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714. Sitzung / Seite 7

Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei Arbeiten in Druckluft sowie bei Taucherarbeiten und das Mutterschutzgesetz 1979 geändert werden (504 d.B. und 632 d.B. sowie 7141/BR d.B.) ............................................................................... 163

Berichterstatterin: Andrea Fraunschiel ...................................................................... 164

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Väter-Karenzgesetz geändert wird (633 d.B. sowie 7142/BR d.B.) ............................ 163

Berichterstatterin: Andrea Fraunschiel ...................................................................... 164

Redner/Rednerinnen:

Eva Konrad ................................................................................................................. 164

Michaela Gansterer .................................................................................................... 165

Angela Lueger ............................................................................................................ 166

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 167

Dr. Andreas Schnider ................................................................................................ 168

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat .................................................................... 170

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 171

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 13, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 171

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Maklergesetz, das Versicherungsvertragsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Bank­wesengesetz geändert werden (616 d.B. und 629 d.B. sowie 7143/BR d.B.) ............................................................................................................... 172

Berichterstatter: Karl Bader ........................................................................................ 172

Redner/Rednerinnen:

Günther Kaltenbacher ............................................................................................... 172

Hans Ager ................................................................................................................... 173

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 175

Gottfried Kneifel ......................................................................................................... 176

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat .................................................................... 177

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 177

15. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Erweiterung des Berechtigungsumfanges für das Gewerbe der Zahntechniker sowie Direktverrechnung der Sozialversicherung mit den Zahntechnikern (139/A(E)-BR/2004 sowie 7144/BR d.B.)                    177

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer ....................................................................... 177

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Schimböck ................................................................................................ 178

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 180

Stefan Schennach ...................................................................................................... 183

Mag. John Gudenus ................................................................................................... 184

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................... 185

Ablehnung des Entschließungsantrages 139/A(E)-BR/2004 .................................... 186


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
714. Sitzung / Seite 8

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Wahrung von Bestimmungen des Datenschutzgesetzes durch politische Parteien – konkret durch die ÖVP Niederösterreich (2258/J-BR/04)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend missbräuchliche Verwendung von Daten aus der WählerInnen-Evidenz durch die NÖ-VP (2259/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend neue Erkenntnisse des Scotland-Yard-Beraters Charles Hill zum Saliera-Raub (2260/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend neue Erkenntnisse des Scotland-Yard-Beraters Charles Hill zum Saliera-Raub (2261/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend SOS Innere Sicherheit (2262/J-BR/04)

Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Schließung von Kasernen (2263/J-BR/04)

Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend weitere Schließung von Postämtern (2264/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Erosion der Körperschaftsteuer (2265/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Grundrechte und Terrorbekämpfung (2266/J-BR/04)

Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Stromversorgungsleitung Graz-Werndorf (2267/J-BR/04)

Jürgen Weiss, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Be­kämpfung des Feuerbrandes im Obstbau (2268/J-BR/04)

 



Bundesrat
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714. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich eröffne die 714. Sitzung des Bundes­rates.

Das Amtliche Protokoll der 713. Sitzung vom 7. Oktober 2004 ist aufgelegen, unbean­standet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Günther Molzbichler und Dr. Erich Gumplmaier.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich gebe bekannt, dass das Bundes­kanzleramt über die Entschließung des Bundespräsidenten die Mitteilung gemacht hat, dass innerhalb der Zeiträume vom 20. bis 23. Oktober 2004 und vom 2. bis 8. Oktober 2004 der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, Vizekanzler Hubert Gorbach, durch den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Kon­sumen­tenschutz, Mag. Herbert Haupt, sowie innerhalb des Zeitraumes vom 3. bis 5. November 2004, im Fall der gleichzeitigen Verhinderung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers, der Bundeskanzler durch die Bundesministerin für Bildung, Wis­senschaft und Kultur, Elisabeth Gehrer, vertreten wird.

Fragestunde

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt, um 9.05 Uhr, mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nun zur 1. Anfrage an den Herrn Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Saller, um die Verlesung seiner Anfrage.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine Frage lautet:

1365/M-BR/2004

„Wieso ist die Pensionsharmonisierung ,fair und gerecht‘?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin. (Bundesrat Konecny: Das ist eine gute Frage! – Bundesrat Binna: Das fragen wir uns auch!)

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich darf heute in Vertretung des Herrn Sozialministers Ihre Fragen beantworten.


Bundesrat
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714. Sitzung / Seite 10

Ich kann mit großer Überzeugung sagen: Diese Pensionsharmonisierung ist gerecht, diese Pensionsharmonisierung ist fair, vor allem für eine besondere Zielgruppe: für die Zielgruppe der Frauen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Diese Pensionsharmonisierung ermöglicht es erstmals nach über 16 Jahren, dass wir von der reinen Diskussion, von der Absichtserklärung in die Phase der Umsetzung und in die Phase des Handelns eingetreten sind. Dass die Zusammenlegung der Pen­sionssysteme dringend notwendig war und dringend notwendig ist, zeigt der Umstand, dass es bis dato viele Ungerechtigkeiten und viele Ungleichbehandlungen gegeben hat. Daher werden mit 1. Jänner 2005 von den 3,7 Millionen ArbeitnehmerInnen drei Millionen im neuen harmonisierten System sein.

Es wird in Zukunft einheitliche Spielregeln geben. Es gibt dann keine Unterschiede mehr zwischen den einzelnen Berufsgruppen, nämlich zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Selbständigen, Bauern und Beamten und jenen, die in ver­schiedenen Dienstverhältnissen sind.

Diese Harmonisierung war notwendig und wichtig, um in Zukunft eine einheitliche Vorgangsweise betreffend Pensionen zu sichern. Sie war wichtig – und sie ist daher gerecht –, damit es in Zukunft zu gleichen Leistungen für alle kommen wird, zu gleichen Beiträgen und gleichen Leistungen. (Bundesrat Gruber: Wir werden in Zukunft noch viel weniger verdienen!) Gerade die ungleichen Leistungen der Vergan­genheit sind etwas, was die Bürgerinnen und Bürger nie verstanden haben, dass es eben manche Pensionen, zum Beispiel im öffentlichen Dienst, gegeben hat, die um das Zwei- bis Zweieinhalbfache höher waren als eine durchschnittliche ASVG-Pension.

Diese Pensionsharmonisierung ist auch gerecht, wenn man bedenkt, dass es zum Ausgleich von Versäumnissen bei den Betreuungspflichten kommt (Bundesrat Gruber: Schauen Sie sich einmal die Zahlen an! Das darf nicht wahr sein!) – zum Ausgleich von Versäumnissen bei den Betreuungspflichten vor allem, was Frauen anbelangt. Es handelt sich um Familienzeiten, die in der Vergangenheit nicht so bewertet wurden, wie sie für ein einheitliches System notwendig sind. (Bundesrat Kraml: Sie sollten sagen, was weniger geworden ist!)

Diese Harmonisierung ist gerecht, weil Sonderregelungen vor allem für jene beseitigt werden – ich nenne hier nur die Gruppe der Politiker, ich nenne die Gruppe jener, die in Bereichen ... (Bundesrat Gruber: Ich würde das Wort „gerecht“ nicht in den Mund nehmen an Ihrer Stelle!) – Ich nehme das Wort „gerecht“ in den Mund, weil gerade diese Dinge in der Vergangenheit sträflich vernachlässigt wurden. Ich bin froh darüber, dass es erstmals gelungen ist, diese Pensionssysteme auf diese Weise zu gestalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie ist auch gerecht, weil ein wesentlich erleichterter Zugang für Langzeitversicherte gegeben ist, weil es einen erleichterten Zugang für schwerstarbeitende Menschen geben wird und daher Ungerechtigkeiten aufgehoben werden.

Dieses Pensionsharmonisierungssystem zeigt auch – neben gleichen Beiträgen und gleichen Leistungen (Bundesrätin Bachner: Das stimmt ja nicht!) –, dass es einen einheitlichen Prozentsatz bei der Steigerung, bei der Aufwertung von 1,78 Prozent gibt, dass es in Zukunft eine einheitliche Höchst- und Mindestbeitragsgrundlage gibt, dass es in Zukunft für all jene, die in diesem neuen System sind, ein einheitliches und sehr transparentes Pensionskonto gibt, wo es zu keinen Eingriffen kommen kann, dass die Beiträge, die dort eingezahlt werden, auch aufgewertet werden, und zwar in dem Sinn, dass sie entsprechend der Lohnsteigerung, der Lohnentwicklung aufgewertet werden, und dass es, wie gesagt, Verbesserungen für Frauen gibt.


Bundesrat
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Wir haben von keinen pensionsbegründenden Zeiten auf vier Jahre gesteigert. Schwerarbeiter und Langzeitversicherte habe ich schon erwähnt. Es gibt auch im Sinne der Entscheidungsfreiheit die Möglichkeit, in den Pensionskorridor zu gehen, dass eben mit 62 Jahren die Möglichkeit gegeben ist, in Pension zu gehen, aber auch die Möglichkeit besteht, wenn jemand länger als bis zum Regelpensionsalter arbeitet, einen Bonus zu bekommen.

Ich sehe daher diese Harmonisierung als einen notwendigen und wichtigen Schritt, den wir nicht nur gemeinsam mit der Pensionssicherungsreform 2003 für eine künftige Sicherung der Pensionen für die Älteren, für die, die dieses Land aufgebaut haben, sondern vor allem auch für die Jungen gestalten. Wir wollen ein System haben, das keine Ungleichbehandlungen mehr zulässt, und dass ein Großteil der Bevölkerung, die jetzt im Erwerbsleben ist, die Chance hat, eine sichere und gerechte Pension zu bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Saller.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Welche Vorteile bringt die Harmonisierung für Frauen mit Kindern?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Die Harmonisierung bringt für Frauen mit Kindern sehr viele Vorteile, denn gerade Frauen mit Betreuungspflichten sind in der Vergangenheit nicht so im Pensionssystem bewertet worden, wie es ihnen zusteht. Gerade Familienleistungen sind jene Leistungen, die für die Gesellschaft insgesamt sehr, sehr wichtig sind. Kinder zu haben, Kinder zu erziehen, Familie zu haben ist nicht reine Privatangelegenheit, auch die Gesellschaft, die öffentliche Hand, der Staat müssen signalisieren, was ihnen die Familien wert sind. Daher gibt es in diesem Bereich entsprechende Verbesserungen: Die Bemessungsgrundlage für Kinder­erzie­hungszeiten wird von derzeit 650 € auf 1 350 € erhöht. (Bundesrätin Lueger: Das stimmt nicht! ...!) Das erfolgt zwölf Mal im Jahr, weil das Jahr zwölf Monate hat, also zwölf Mal 1 350 €. (Bundesrätin Bachner: Die Rechnung stimmt nicht!)

Weiters werden die pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten von derzeit zwei auf vier Jahre angehoben, also eine Verdoppelung. Ich weise darauf hin, dass es da im Jahr 2000 keine pensionsbegründenden Zeiten gegeben hat. Entsprechend ist es mit der Mindestversicherungszeit – diesbezüglich bin ich sehr froh –, die bisher auch für Frauen gegolten hat, nämlich 15 Jahre Erwerbstätigkeit. Diese wird jetzt auf sieben Jahre gesenkt. Hier ist es wichtig anzuführen, dass für diese sieben Jahre Erwerbs­tätigkeit auch die Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes zählen, dass auch die Zeiten für die Pflege eines nahen Angehörigen mit einem Anspruch auf das Pflegegeld der Stufe 3 zählen. Es ist ein ganz klares Signal in Richtung Frauen, die diese Arbeiten vermehrt zu Hause durchführen, dass diese Arbeiten mit der beruflichen Erwerbs­tätigkeit gleichzusetzen sind.

Weiters ist es wichtig zu erwähnen, dass Zeiten der Notstandshilfe, die bisher für Frauen keine Relevanz hatten, wenn es auf Grund des höheren Partnereinkommens zu keiner Auszahlung der Notstandshilfe gekommen ist, in Hinkunft auch für die Pension angerechnet werden. Das ist ebenfalls eine faire Möglichkeit, die Situation der Frauen zu verbessern.

Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass es gerade im Bereich der frauen­spezifischen Verbesserungen das Pensionssplitting, die Freiwilligkeit des Pensions­splitting zwischen den Ehepartnern geben wird, dass man sich also die Kinder­erzie-


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hungszeiten dementsprechend aufteilen kann. Ich denke, neben der Aufwertung der Bemessungsgrundlage, die dazugezählt wird, die additiv dazugezählt wird, wenn jemand beruflich tätig ist und zum Beispiel eine Teilzeitbeschäftigung hat, ist das insgesamt ein richtiges Signal, ein wichtiger Schritt für die Frauen, auch im Sinne der Harmonisierung zu jenen zu gehören, die nicht benachteiligt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Ing. Kampl gewünscht. – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Frau Staatssekretär! Die Beantwortung zur frauenspezifischen Pensionsharmonisierung war von Ihrer Seite mehr als ausreichend. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Gruber: Das ist ein Kasperltheater!) Ich brauche daher keine Zusatzfrage mehr zu stellen. Danke.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Ich verstehe die tiefe Sorge des ÖVP-Kollegen Saller, wenn er es in Frage stellt, dass die Pensionsharmonisierung fair oder gerecht sein soll. Ich sehe das genauso. Ein Beispiel hiezu:

Wenn ein Arbeiter, geboren am 1. Juli 1950, nach 45 Versicherungsbeitragsjahren in Pension geht, dann verliert er 16 Prozent, verglichen mit der Rechtslage 2003. Wenn jemand mit derselben Erwerbslage, nur einen Tag früher geboren, in Pension geht, kann er erstens schon zwei Jahre früher gehen und verliert nur 6 Prozent.

Deshalb die Frage: Hat hier Herr Kollege Saller mit seinen Sorgen, dass das nicht fair und gerecht ist, Recht?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Herr Bundesrat Schennach! Ich weiß um diese Beispiele, die immer wieder im Zusammenhang mit den Langzeitversicherten gebracht werden. Die Langzeitversicherung ist eine Übergangsregelung, die es schon bei der Pensionsreform 2003 gegeben hat, die wir jetzt weiter fortschreiben. Wir hatten nur die Möglichkeit, mit einer Stichtagsregelung zu arbeiten. Eine Stichtagsregelung bringt eben die Situation mit sich, dass es auch solche Menschen gibt, die nicht in diese Stichtagsregelung hineinfallen und dann nicht so vom System profitieren.

Wir haben genug solcher Beispiele; gerade auch beim Kinderbetreuungsgeld hat es eine Stichtagsregelung gegeben. Ich meine, es ist in der politischen Tätigkeit, in der praktischen Tätigkeit einfach notwendig, diesbezüglich entsprechende Möglichkeiten zu schaffen.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, da Sie gerade die Prozentzahlen angeführt haben, wo es zu Verlusten kommt, dass wir im Zusammenhang mit der Harmonisie­rung der Pensionssysteme auch verbessert haben. Es gibt eine Verbesserung zum Jahr 2003 insofern, als es nicht, wie es vorgesehen ist, zu einer 10-prozentigen Decke­lung eventueller Verluste kommt, sondern dass rückwirkend eine 5-prozentige Verlust­deckelung eingeführt wird und daher diese 6 Prozent beziehungsweise mehr Prozent dann nicht zum Tragen kommen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu einer weiteren Zusatzfrage ist Frau Bundesrätin Bachner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



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Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Frau Staatssekretärin! Finden Sie es fair und gerecht, dass Frauen die Möglichkeit des Pensionskorridors bis zum Jahr 2028 verwehrt bleibt?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Die Frage des Pensionskorridors ist eine viel diskutierte Frage im Vorfeld der Pensionsharmonisierung. Der Pensionskorridor ist eine Einführung, die im Dauerrecht – wie in vielen anderen Ländern – stattfinden wird. Es ist daher auch im Dauerrecht notwendig, dass wir uns hier an die rechtlichen Gege­benheiten, die uns die EU vorgibt, um keine Ungleichbehandlungen zu schaffen, hal­ten. – Das ist der eine Punkt.

Das Zweite ist, dass wir bei dieser ganzen Diskussion um den Korridor festhalten müssen, dass in Österreich die Frauen ja bis 2033 noch ein anderes Pensions­antritts­alter haben als die Männer. Österreich ist eines der wenigen europäischen Länder, die das haben. Ich stehe auch dazu – das sage ich jetzt gleich vorweg –, und es ist in keiner Weise irgendwo angedacht, da eine Änderung vorzunehmen. Es hat darüber auch im Parlament einen Beschluss gegeben, der mit Zweidrittelmehrheit gefasst wurde. Demnach haben Frauen nach wie vor die Möglichkeit eines früheren Zugangs zur Pension, das heißt, die Möglichkeit, früher als die Männer in Pension zu gehen. Das ist der Grund dafür, warum wir den Pensionskorridor nicht für Frauen – im Gegen­satz zu den Männern – gemacht haben. Dabei handelt es sich um verfas­sungs­rechtliche beziehungsweise EU-rechtliche Gegebenheiten, um ein Dauerrecht. Es können Frauen bis 2017 vor dem 60. Lebensjahr und bis 2024 vor dem 62. Lebensjahr in Pension gehen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nun zur 2. Anfrage, die von Frau Bundesrätin Auer gestellt wird. – Ich bitte Sie, Frau Bundesrätin, Ihre Anfrage zu verlesen.

 


Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! An Sie als Vertreterin des Herrn Bundesministers meine Anfrage:

1370/M-BR/2004

„Wie beurteilen Sie aus Sicht des für den Schutz von Kindern und Jugendlichen zuständiger Minister den Vorschlag, eine Lenkungsabgabe für so genannte Alkopops einzu­führen?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Wir wissen alle um die Problematik des Alkoholkonsums beziehungsweise des überhöhten Alko­hol­konsums von Jugendlichen.

Untersuchungen, deren Ergebnisse wir auch in unserer Jugendstudie festgehalten haben, zeigen immer wieder, dass vorwiegend die 14- bis 19-Jähringen Alkopops konsumieren, und zwar mit unterschiedlicher Dichte und in unterschiedlichem Ausmaß. Daher sollten beziehungsweise müssen wir uns dieser Thematik widmen und da Lösun­gen finden.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Lösungsfindung beziehungsweise der Jugend­schutz in erster Linie in der Kompetenz der Länder liegt und dass im Jugend­schutz-


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gesetz sehr unterschiedliche Vorgaben beziehungsweise Bestimmungen betreffend den Jugendschutz enthalten sind.

Auf die Frage, was ich davon halte, eine Lenkungsabgabe für Alkopops einzuführen, darf ich Ihnen sagen: Grundsätzlich halte ich eine Lenkungsabgabe für positiv, und zwar dann, wenn dazu flankierende Maßnahmen gesetzt werden. Das ist für mich also nur dann vorstellbar, wenn zum Beispiel eine steuerliche Bindung für besondere Projekte im Bereich der Alkoholprävention für Jugendliche gegeben ist. – Das ist das eine.

Das Zweite ist: Ich würde mir wünschen – und das ist, wie ich immer wieder höre, auch ein Wunsch von sehr vielen Parlamentariern –, dass das Jugendschutzgesetz in den einzelnen Ländern nicht so unterschiedlich gehandhabt wird. So werden zum Beispiel Unterschiede gemacht beim Zugang zu sehr starken Alkoholika, was die Volums­prozente anbelangt. Ich könnte mir vorstellen, dass wir da eine einheitliche Regelung treffen. Ich glaube aber, dass es notwendig ist, insgesamt strengere Kontrollen beim Konsum von Alkohol durchzuführen. Man darf das Problem nicht verharmlosen.

Eine Lenkungsabgabe für Alkopops einzuführen, ist, wie gesagt, eine Möglichkeit der Problemlösung, diese muss aber aus meiner Sicht von wichtigen präventiven Maß­nahmen begleitet sein.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die nächste Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Tiefnig gestellt. – Bitte.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Meine Zusatzfrage ist auch hinfällig, da die Frau Staatssekretärin die Antwort darauf in ihrer Beantwortung bereits gegeben hat. – Danke schön.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Dann darf ich Herrn Bundesrat Weilharter um seine Zusatzfrage bitten.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Staatssekretärin! Welche Maßnahmen der Prävention vor Sucht und Drogen beabsichtigen Sie zu setzen?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Maß­nahmen im Bereich der Drogen- und Suchtprävention sind sicher eine wesentliche und wichtige Aufgabe der Politik für die Jugend insgesamt. Soweit es meinen unmittelbaren Zuständigkeitsbereich betrifft, setzen wir sehr stark auf Vorbildwirkung von Jugend­lichen selbst. Wir investieren sehr viel an Mitteln und sehr viel Einsatz im Bereich der Gründung und der Fortschreibung von Peers-Projekten, wo Peers als vorbildliche Jugend­liche ihren eigenen Alterskolleginnen und -kollegen entsprechende Vorbilder sind. Da investieren wir sehr, sehr viel im Bereich der Jugendarbeit. – Das ist das Erste.

Wir starten nächstes Jahr auch ein Projekt gemeinsam mit dem Infrastruktur­minis­terium, wo es um Möglichkeiten zur Vermeidung von Alkoholgenuss in diesem Bereich geht. – Das ist das Zweite.

Das Dritte, das meiner Meinung nach sehr wichtig ist, das aber nicht in meinen unmit­tel­baren Bereich fällt, ist, dass es im geplanten Vormerksystem des Infrastruktur­ministeriums ganz klare, richtungweisende Modelle gibt, um im Bereich von Alkohol im Straßenverkehr entsprechende Maßnahmen zu setzen.


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Insgesamt kann ich sagen, dass wir in unserem Ressort rund 1 Million € für Projekte, die an uns von Vereinen und Institutionen herangetragen werden, flüssig machen. Wir werden diese Projekte auch weiterhin im Rahmen unserer Möglichkeiten unterstützen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eine weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Konrad.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Das Thema „Alkopops“ hat auch schon die Landtage in vielen Fällen befasst. Angesichts der Tatsache, dass es schon bisher sehr wenig gebracht hat, wenn der Konsum von Alkohol für Jugendliche unter Strafe gestellt wurde, sondern es eigentlich eher sinnvoll war, die Abgabe von Alkohol an Jugendliche unter Strafe zu stellen, darf ich Sie fragen: Für wie sinnvoll halten Sie es persönlich, den Konsum von Alkohol unter Strafe zu stellen?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Ich glaube, dass Strafe da das allerletzte Mittel ist. Ich halte sehr viel davon, da im Bereich der Prävention und im Bereich der Aufklärung etwas zu machen, und letztendlich auch davon, den Kauf und den Erwerb von Alkohol zu erschweren. Das ist sehr wesentlich!

Ich glaube, eine Maßnahme ist nur so gut, so gut sie im Vollzug ist. Ich bezweifle, ob wir da mit Strafen, wo dann das Verhalten oder der Nichtvollzug nicht entsprechend kontrolliert wird, das Richtige erreichen können.

Mein Weg ist Prävention. Mein Weg ist es, in diesem Bereich zum Beispiel in Form von Lenkungsabgaben steuernd einzugreifen. Und mein Weg ist es vor allem auch, dass wir österreichweit im Bereich der Jugendschutzgesetze endlich eine Harmonisierung erreichen. Einige Bundesländer, wie Wien, Niederösterreich und Burgenland, haben das ja schon geschafft, aber in den anderen Bundesländern gibt es noch große Unterschiede, und dort soll man auch in diese Richtung arbeiten.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen zur 3. Anfrage. Diese wird Herr Bundesrat Kampl stellen. – Herr Bundesrat, ich bitte um die Verlesung.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Staats­sekretär! Meine Frage lautet:

1369/M-BR/2004

„Wie stützt und fördert die österreichische Familienpolitik den Wunsch nach Kindern und die Lebbarkeit von Familie und welchen Prinzipien folgt die Familienpolitik?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretär.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Politik für Familien ist ein ganz wichtiger, zentraler Punkt in der Arbeit dieser Bundesregierung, und zwar vor allem auch im Wissen darum, dass die demographische Entwicklung in Österreich – wie in vielen anderen europäischen Ländern auch – nicht eine ist, die in Richtung Jugend und Kinder geht, sondern eine solche, wo auf Grund des flachen Verlaufs der Geburtenkurve unsere Gesellschaft stark überaltert.

Wir haben daher verschiedene Maßnahmen gesetzt, denn Familie ist eine Basis für eine dynamische Gesellschaft. In der Familie werden nicht nur Kinder erzogen und betreut, sondern da werden auch Ältere gepflegt und unterstützt. Daher ruht unsere Politik für Familien auf folgenden vier Säulen:


Bundesrat
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Die erste Säule ist jene einer umfassenden finanziellen Stärkung und Unterstützung. Dazu gehören nicht nur das Kinderbetreuungsgeld, Familienbeihilfen, Mehrkinder­zuschlag, Mehrlingskindergeld, sondern auch Schülerfreifahrten, Zuschüsse für Lehr­lingsfahrten, auch Fahrtkostenzuschüsse bei Pflichtpraktika, etwas, was wir jetzt neu eingeführt haben. Das ist ein großes Paket mit einer breiten Palette von Ange­boten, das wir da zur Verfügung stellen. Damit haben wir es geschafft, dass wir in diesem Bereich europaweit im Spitzenfeld liegen.

Bei der zweiten Säule geht es darum, dass wir die Familienleistungen sozialrechtlich absichern, und zwar im Bereich des Pensionssystems, bei der Pensionsharmonisie­rung.

Die dritte Säule umfasst Maßnahmen, wo wir im Besonderen die steuerliche Entlastung der Familien vorantreiben. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die heuer in Kraft getretene Familiensteuerreform hinweisen, wo es eine Verbesserung beim Allein­verdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag gab.

Bei der vierten Säule unserer Familienpolitik geht es darum, dass wir verstärkt in Richtung Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie arbeiten. Da ist die Wirtschaft unser Partner. Ein ganz wichtiger Partner sind da aber auch regionale Einrichtungen wie die Gemeinden.

Eine meiner Meinung nach auch sehr wichtige Maßnahme, um Familien zu stärken und zu stützen, etwa dann, wenn sie in Krisen oder in schwierigen Lebenssituationen sind, ist, dass sie auch seitens der öffentlichen Hand, seitens des Staates begleitende Unterstützung erhalten. Dies erfolgt durch das gut funktionierende Netz der Familien­beratungsstellen. Für jene Fälle, in welchen es zur Trennung von Partnern oder zur Scheidung von Eltern kommt, gibt es eine begleitende Unterstützung mit Mediation und mit besserer Betreuung und Begleitung von Kindern, die aus diesen Ehen sind.

Man sieht also, wie wichtig das Gesamtpaket ist. Man kann Familienpolitik nicht mit einer einzelnen Maßnahme betreiben, sondern es ist ein Gesamtpaket notwendig und wichtig, um auch in Zukunft den Familien in Österreich gute Chancen zu geben und Familie leistbar und lebbar zu machen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Frau Staatsekretär! Gibt es konkrete familienpolitische Verbesserungen, die sich im Fünfjahresvergleich von 2000 bis 2005 darstellen?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Es gibt in diesem Zeitraum von 2000 bis 2005 ganz konkrete Verbesserungen. Das ist in erster Linie das Kinderbetreuungsgeld, das erstmals für eine Gruppe von Müttern und Vätern zur Verfügung steht, die bisher keinerlei Karenzgeld bekommen haben. Diese Gruppe umfasst rund 32 000 Personen. Insgesamt haben wir zurzeit 170 000 Bezieherinnen beziehungsweise Bezieher von Kinderbetreuungsgeld. Das Kinderbetreuungsgeld ist eine Maßnahme, die im Jahre 2000 eingeführt wurde.

Seit 2004 gibt es den Kinderzuschlag bei Mehrlingsgeburten, und zwar gebührt ein Zuschlag von 50 Prozent des Kinderbetreuungsgeldes pro weiteres Kind – eine Leistung, die zusätzlich eingeführt wurde.

Darüber hinaus haben wir im Jahre 2003 die Familienbeihilfe erhöht.


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Wir haben auch eine erhöhte Familienbeihilfe ab der Geburt für Kinder mit besonderen Beeinträchtigungen und besonderen Behinderungen eingeführt

Wir haben für Lehrlinge und für Heimschüler den Fahrtkostenzuschuss für Wochen­endfahrten wieder eingeführt.

Wir haben neu eingeführt einen Fahrtkostenzuschuss für Schülerinnen und Schüler, die ein Pflichtpraktikum machen müssen.

Wir haben neu eingeführt, dass Pensionszeiten für Kindererziehung erstmals fix berechnet werden, und zwar für die ersten vier Jahre ab der Geburt des Kindes – bisher gab es das nicht.

Wir haben, wie bereits gesagt, auch in den Bereichen der Begleitung in Krisen­situationen ganz wichtige Weichen gestellt, und zwar in Form von Mediation, von Scheidungscafés für Väter, die ihre Kinder nicht sehen dürfen, und Ähnlichem.

Zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie darf ich sagen, dass wir dafür im heurigen Budget 700 000 € zusätzlich vorgesehen haben, und zwar für jene Modelle der Kinder­betreuung, die dem Bedarf, den Eltern haben, gerecht werden. Das heißt: sehr flexible Öffnungszeiten, altersübergreifende, altersgemischte Gruppen, innovative Projekte, die auf die Region, auf den Ort abgestimmt sind. Da wird der Bund erstmals eine entsprechende Unterstützung gewähren.

Sie sehen, das Gesamtpaket, das ich zuvor erwähnt habe, ist mit Leben erfüllt, und man kann sagen: Es ist zwischen 2000 und 2005 sehr viel für die Familien geschehen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundes­rat Schennach. – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Nachdem beim alten Kindergeld trotz Berufsschutz nur ungefähr 30 Prozent der Frauen, die das ausgenützt haben, wieder an ihren früheren Arbeitsplatz zurückkehren konnten, würde mich interessieren, wie hoch nun durch die Verlängerung des Bezugs­zeitraumes des Kinderbetreuungsgeldes, wenn man es voll ausschöpft, der Prozent­satz jener Frauen ist, die bei weniger Schutz wieder an ihren früheren Arbeitsplatz zurückkehren konnten.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Das Kinder­betreuungsgeld unterscheidet sich vom Karenzgeld insofern, als es beim Karenzgeld generell keine Berufsmöglichkeit gegeben hat oder nur eine geringfügige Beschäf­tigung möglich gewesen ist. Jetzt haben wir eine so genannte Zuverdienstgrenze eingezogen, die es den Eltern ermöglicht, auch bei Bezug des Kinderbetreuungsgeldes berufliche Tätigkeit auszuüben.

Wie das funktioniert und ob es gut funktioniert, ist ganz entscheidend für die weitere Fortschreibung des Modells des Kinderbetreuungsgeldes. Daher haben wir gleich zu Beginn gesagt – und wir befinden uns ja jetzt sozusagen im ersten Durchlauf, im dritten Jahr, in jener Phase, wo es interessant wird, wo deutlich wird, ob auch Väter vermehrt das Angebot des halben Jahres annehmen werden –, dass wir das Kinderbetreuungs­geld begleitend evaluieren, um festzustellen, wo es besonders positiv ist und wo wir nach einem Durchgang eventuell nachbessern müssen.

Wir haben bis jetzt einen ersten Zwischenbericht, und auf Grund dieses ersten Zwischenberichtes konnten wir feststellen, dass rund ein Viertel der Frauen, die ein Kinderbetreuungsgeld bezogen haben, wieder in den Erwerb zurückgegangen sind.


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Das ist aber keine endgültige Zahl, weil es sich, wie gesagt, um Zahlen aus den ersten eineinhalb Jahren handelt, und daher kann man da noch keine endgültige Ent­scheidung treffen. Aber ich denke, dass wir am Ende der Evaluierung wissen werden, ob diese Zuverdienstgrenze, also die Möglichkeit, neben der Kinderbetreuung beruflich tätig zu sein, für die Frauen beziehungsweise für die Männer etwas gebracht hat, ob sie diese Chance nützen oder nicht.

Wir werden bei dieser Evaluierung aber auch sehen, wie positiv oder negativ sich diese Zuverdienstgrenze ausgewirkt hat. Wir werden weiters sehen, ob wir bei der Verwaltung etwas ändern müssen, ob etwas vereinfacht werden muss. Ich meine, dass es recht interessante Ergebnisse sein werden.

Wenn wir das Kinderbetreuungsgeld dann fortschreiben, wird es vielleicht die eine oder andere Verbesserung geben, aber diese sicher im Sinne der Familien und im Sinne der Eltern, die das wünschen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Mag. Neuwirth. – Bitte.

 


Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Frau Staatssekretärin! Die Lebbarkeit von Familie ist auch abhängig davon, wie Beruf und Familie vereinbart werden können, das haben auch Sie selbst heute schon gesagt. Dafür braucht es auch genügend Kinderbetreuungseinrichtungen, doch auf diese sind Sie bislang nur wenig eingegangen. Ich frage Sie daher: Was tun Sie für den flächendeckenden Ausbau von bedarfsgerechten, nämlich auch ganztägigen Kinderbetreuungseinrichtungen in den nächsten Jahren?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Die Kinder­betreuung ist sicher ein wichtiger Teil einer funktionierenden Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das steht außer Diskussion. Es steht aber auch außer Diskussion, dass so wie in der Vergangenheit auch in Zukunft die Kompetenz und die Letztver­antwortung für Kinderbetreuung bei den Ländern und Gemeinden liegen.

Ich bin mir aber gerade als Familienpolitikerin dessen bewusst, dass wir diese Problematik in ihrer Gesamtheit sehen müssen und dass wir alle dafür die Verant­wortung haben. Daher haben wir im heurigen Jahr gemeinsam mit den Vertretern der Länder und mit den Vertretern der betreffenden Institutionen in zahlreichen Be­sprechungen und in verschiedenen Arbeitsgruppen einen Weg gesucht, der auch dem Bund signalisieren lässt, dass uns Kinderbetreuung so wichtig ist, dass wir uns ganz gezielt einbringen.

Das Ergebnis hat gezeigt, dass es nicht nur darum geht, dass Kinderbetreuungsplätze fehlen – aber nicht in dem Ausmaß, wie es manchmal kolportiert wurde und wie es auch, sage ich, von den Eltern oder von den Müttern gewünscht wird –, sondern darum, wie die Fakten sind, was Tatsache ist. Es ist so, dass vor allem in ver­schiedenen Regionen – und es gibt ja sehr unterschiedliche Bedürfnisse, je nach dem, ob im ländlichen oder städtischen Bereich –, also regional und punktuell, Einrichtungen oder Betreuungsmöglichkeiten abgehen.

Daher haben wir auf Grund einer einheitlichen Bedarfserhebung, für die alle Länder ihre Daten bekannt gegeben haben, eine Basis dafür geschaffen, dass jedes Bundesland für sich weiß, wo noch nachgebessert werden muss, was bei ihm im Besonderen fehlt. Es ist von der Statistik Austria eine sehr seriöse Bedarfserhebung und Statistik erstellt worden, die auch allen Ländern zugegangen ist. Seitens des Bundes stellen wir, wie heute schon erwähnt, Mittel in der Höhe von 700 000 € zur


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Verfügung. So viel habe ich in diesem Budget ganz speziell für Kinderbetreuung, für Kinderbetreuungsprojekte, für innovative Einrichtungen, finanzielle Starthilfe, finanzielle Unterstützung vorgesehen, damit derartige Einrichtungen, derartige Möglichkeiten geschaffen werden können.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass dieser Weg eine Fortschreibung dessen ist, was wir vor zwei Jahren begonnen haben. Ich habe schon vor zwei Jahren im Rahmen unserer Möglichkeiten verschiedene Projekte in den Ländern gefördert. Das war aber natürlich nur sehr punktuell und auch nicht mit den nötigen Mitteln abge­sichert. Ich musste es durch Umschichtungen bewerkstelligen. Das ist jetzt nicht mehr so der Fall, wir haben nämlich im vorliegenden Budget unter dem Budgetansatz „Ver­einbarkeit von Beruf und Familie“ jene bereits erwähnten 700 000 € vorgesehen, und zwar ganz gezielt für innovative Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Bun­desrätin Gansterer.

 


Bundesrätin Michaela Gansterer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Meine Frage wäre auch in Richtung Verbesserung der Kinderbetreuung, also eben Vereinbarkeit von Familie und Beruf gegangen. Ich darf vielleicht noch ergänzend nachfragen, was für die weitere Zukunft, sprich für 2005 und 2006, von Ihrem Ressort zur Verbesserung dieser Situation geplant ist.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretär.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Wie gesagt: Kinderbetreuung in diesem Ausmaß! Es sind schon sehr interessante Ansuchen an mich gestellt worden, und zwar von den unterschiedlichsten Organisationen, wobei wir großen Wert darauf legen, dass die Qualität passt, dass die Qualitätsrichtlinien einge­halten werden. Das ist mir sehr, sehr wichtig, und das ist auch mit den Ländern so abgestimmt.

Auch sollen und müssen wir für 2005 und 2006 gemeinsam mit der Wirtschaft, mit den Unternehmen die Auditierung verstärken – und diese Mittel sind ebenfalls vorgesehen. Es ist das nämlich ein Instrument, das auf freiwilliger Selbstverpflichtung beruht und vor allem jenen Betrieben, die sich bislang daran beteiligt haben, gezeigt hat, dass sie selber sehr viel Gewinn daraus ziehen können, wenn sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern familiengerechte Arbeitszeitmodelle, aber auch andere Dinge wie Wieder­einstiegsmöglichkeiten, Wiedereinstiegshilfen, Begleitung in der Familienphase und Ähnliches anbieten. Das möchte ich in Zukunft verstärken, weil das ein Modell ist, das sich bisher sehr gut bewährt hat. Vor allem sind bis jetzt über 50 Prozent dieser Betriebe Klein- und Mittelbetriebe. Und Sie wissen ja selbst, dass gerade die Klein- und Mittelbetriebe das Herzstück der österreichischen Wirtschaft sind und wir da noch nachjustieren können. Das ist mir sehr, sehr wichtig.

Seit Juli dieses Jahres ist ja auch die Elternteilzeit Gesetz. Wir haben diesbezüglich noch keine relevanten Ergebnisse, um sagen zu können, wie es angenommen wird: Gibt es Schwierigkeiten? Gibt es Probleme? Es wird jedoch begleitend evaluiert, daher ist auch die Elternteilzeit – auch nicht in meinem Ressort, aber ich stehe trotzdem dahinter – eine Maßnahme, die sehr wichtig ist, um auch in Zukunft Beruf und Familie besser vereinbaren zu können. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen zur 4. Anfrage, 1366/M-BR/2004, die von Frau Bundesrätin Roth-Halvax gestellt wird. Ich bitte um Verlesung.

 


Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Um Missinterpretationen durch Kolleginnen zu vermeiden, möchte ich festhalten, dass ich meine Anfrage an


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Sie, Frau Staatssekretärin, nicht aus Sorge stelle, sondern um eine Klarstellung hier in diesem Hause zu ermöglichen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Auch wenn Sie einige Teile schon beantwortet haben, stelle ich trotzdem die folgende Frage an Sie (Bundesrätin Bachner: Also noch einmal!):

1366/M-BR/2004

„Welche frauenspezifische Vorteile sehen Sie in der Harmonisierung?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich sehe notwendige Vorteile und notwendige Verbesserungen für die Frauen, nämlich Verbes­serungen in dem Sinn, dass in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu wenig darauf Rücksicht genommen wurde. Erstmals wurde bei der Pensionsreform 2003 ganz gezielt die Gruppe der Frauen bedacht.

Ich bin der Meinung, dass es nicht sein kann, so wie es jetzt ist, dass nämlich rund ein Drittel der Frauen über 60 Jahre keine eigene Alterssicherung, keine eigene Alters­pension haben. Das muss sich in Zukunft ändern! Daher haben wir als frauen­spezifische Verbesserung die Anrechnung von vier Jahren Kindererziehungszeit pro Kind verankert. Dies stand in den Gesprächen mit den Sozialpartnern an den so genannten Runden Tischen außer Frage, es gab keine Diskussion darüber.

Eine wesentliche Verbesserung ist die Erhöhung der Bemessungsgrundlage auf 1 350 €. Auch diesbezüglich ist – ich wiederhole das jetzt noch einmal für alle Kritiker – in den Gesprächen mit den Sozialpartnern außer Zweifel gestanden, dass das richtig ist, dass diese Höhe notwendig ist, vor allem auch, wenn sie additiv ist, wenn also dazugezählt wird: Falls Frauen Teilzeit oder auch Vollzeit arbeiten, haben sie damit für vier Jahre eine wesentlich höhere Bemessungsgrundlage, dadurch wird auch die Pension in Zukunft steigen. Das sind zwei ganz wesentliche Verbesserungen.

Eine dritte wesentliche Verbesserung ist die Absenkung der bisher notwendigen 15 Erwerbsjahre auf sieben Jahre, wobei bei diesen sieben Jahren auch Zeiten der Pflege von behinderten Kindern als Erwerbszeiten gelten, ebenso Zeiten der Pflege von Angehörigen zu Hause ab Pflegestufe 3. Also auch hier: Pflege wird wie Kin­dererziehung in einem ersten Schritt der Erwerbsarbeit gleichgestellt.

Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft – schon erwähnt – die Notstandshilfe. Zeiten der Notstandshilfe sind, auch wenn das Geld den Frauen nicht ausbezahlt wird, Pen­sionszeiten; weiters gibt es die Möglichkeit des freiwilligen Pensionssplittings von Kindererziehungszeiten.

Ich halte dies also für ein sehr homogenes, sehr umfassendes Paket, das sich natürlich noch weiter entwickeln kann, aber eine notwendige Basis für die Harmonisierung ist. Schon im Vorjahr sind wir im Rahmen der Pensionsreform 2003 – darauf möchte ich noch hinweisen – auf Grund der Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes den Frauen insofern entgegengekommen, als pro Kind drei Jahre aus der Durchrechnung herausgenommen werden, wodurch es ebenfalls zu einer wesentlichen Verbesserung kommt.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage?

 


Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Danke für die Klarstellung, Frau Staatssekretärin! Die Zusatzfrage erübrigt sich, da sich diese auf die Anrechnung


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der Notstandshilfezeiten bezogen hätte – und das haben Sie bereits beantwortet. – Danke schön.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. – Wir kommen zur nächsten Zusatzfrage, die Herr Bundesrat Gudenus stellt.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Staatssekretärin! Welche Beiträge leistet der Familienlastenausgleichsfonds für Kinder, insbesondere für solche mit besonderen Bedürfnissen?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Der Familien­lastenausgleichsfonds erbringt sehr viele Leistungen für Kinder generell, aber auch für Kinder mit besonderen Bedürfnissen.

Ich darf bei jenen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen beginnen. Wir leisten die erhöhte Familienbeihilfe ab Geburt eines Kindes mit Behinderung. Im Zuge der Har­monisierung werden jene Zeiten, die als Pensionszeiten für die Pflege eines behinderten Kindes gegolten haben, von bisher 30 Jahre auf 40 Jahre ausgeweitet. Das sind zwei Maßnahmen, die sehr notwendig und wichtig sind für Kinder mit Beeinträchtigungen, Kinder mit Behinderungen.

Generell wird daraus vor allem die Familienbeihilfe finanziert, das Kinderbetreuungs­geld, die eben erwähnte erhöhte Familienbeihilfe für Kinder mit Behinderungen sowie sämtliche Leistungen im Bereich Schule, also Freifahrten, Fahrtkostenzuschuss und Ähnliches.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Bundes­rätin Kerschbaum. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Kindererziehung nimmt ja doch ein bisschen mehr Zeit in Anspruch als jene zwei Jahre Karenz beziehungsweise vier Jahre Kindererziehungszeiten, die nunmehr angerechnet werden. Viele Frauen nehmen dann Teilzeitbeschäftigungen an. Entsteht für diese Frauen ein Nachteil durch die Verlängerung des Durchrechnungs­zeitraumes oder nicht?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Die Verlängerung des Durchrechnungszeit­raumes trifft alle, sowohl Frauen als auch Männer. Wir haben im Jahr 2003 – ich habe das zuvor schon in einer Beantwortung gesagt – im Rahmen der geltenden Pensions­sicherungsreform die Möglichkeit geschaffen, dass pro Kind drei Jahre aus dem Durchrechnungszeitraum herausgenommen werden. (Bundesrätin Bachner: Das macht das Kraut nicht fett!) Wir haben vorgesorgt, dass es im Bereich des Durch­rechnungszeitraumes nicht von einem Tag beziehungsweise von einem Jahr auf das andere geht, sondern schrittweise, dass also für Frauen diese Durchrechnung von 40 Jahren in den nächsten zehn, 15 Jahren noch gar nicht so zum Tragen kommt, vor allem auch durch die Herausnahme der schon erwähnten drei Jahre. Und wir haben bei der Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes insofern vorgesorgt, als die Bemes­sungsgrundlage für die Zeiten der Kinderziehung, nämlich vier Jahre pro Kind, erhöht wurde, sodass eine bessere und höhere Pension herauskommen kann.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Bachner.

 



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Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Frau Staatssekretärin! All unsere Berechnungen, die wir im Zusammenhang mit der Pensionsharmonisierung spezifisch oder speziell auch zum Thema Frauen durchgeführt haben, haben uns gezeigt, dass sich auch unter Einbeziehung all dieser Maßnahmen, die Sie erwähnt haben, speziell für Frauen doch massive Verluste abzeichnen, und zwar auch für die junge Generation, für die wir ja diese Harmonisierung machen!

Ich frage Sie jetzt: Sind noch Maßnahmen angedacht, um diese Verluste, die sich da wirklich eindeutig abzeichnen, abzufedern?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretär.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich habe, glaube ich, bereits in verschiedenen Beantwortungen sehr ausführlich dargestellt, was aus unserer Sicht wichtig und notwendig ist und für Frauen jetzt gemacht wurde.

Ich gehe davon aus, dass bisher – ich wiederhole diese Zahl noch einmal – ein Drittel der Frauen im pensionsreifen Alter keine eigene Alterspension haben. Diese Zahl wird auf Grund der Harmonisierung beziehungsweise auch der Pensionsreform in Zukunft wesentlich kleiner sein. Es ist für mich ein ganz wichtiger Punkt, dass in Zukunft mehr Frauen eine eigenständige Alterspension haben. Wir werden, was die Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes anbelangt – was natürlich auch für Männer gilt; bei Frauen werden Sie wohl vor allem daran denken, dass diese oft auch ein geringeres Einkommen als Männer und daher von Grund auf auch eine geringere Pension haben –, das durch die Erhöhung der Bemessungsgrundlage und durch die Heraus­nahme von diesen drei Jahren abfedern und verbessern.

Wenn wir alle wollen, dass Frauen in Zukunft eine eigenständige Pension haben, von der sie auch leben können, dann müssen wir einerseits Maßnahmen setzen, wie wir sie jetzt bei der Pensionsharmonisierung getroffen haben, andererseits aber auch Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt, damit die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern so wie in den vergangenen Jahren nicht noch weiter aufgeht. Weiters müssen wir Maßnahmen in der Familienpolitik treffen, damit vor allem die Berufs­tätigkeit, die gewünschte und manchmal „Muss-Berufstätigkeit“ von Frauen, nicht zu einem Problem wird, wenn sie Kinder haben.

Ich glaube, es müssen alle Maßnahmen zusammen greifen, damit unser gemeinsames Ziel – und ich glaube, das ist bei allen parteipolitischen Unterschieden das gemein­same große Ziel –, Frauen im Alter eigenständig abzusichern, Wirklichkeit wird, denn ich sage immer wieder: Es kann nicht sein, dass ein Großteil der Frauen erst dann eine eigenständige Alterspension bekommen, wenn sie Witwen sind!

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wir kommen zur nächsten, der 5. Anfrage mit der Nummer 1371/M-BR/2004, die Frau Bundesrätin Bachner stellt. – Ich bitte Sie um Verlesung Ihrer Anfrage.

 


Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Frau Staatssekretärin!

1371/M-BR/2004

„Welche rechtlichen Hindernisse stünden einem Pensionskorridor für Frauen im Wege?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Grundsätzlich


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ist zunächst einmal festzuhalten, dass durch das Pensionsharmonisierungsgesetz nicht in das aktuelle Pensionsantrittsalter der Frauen eingegriffen wird und das Vertrauen der Versicherten in die derzeit geltenden Pensionsantrittsgrenzen gewahrt ist. Das möchte ich einmal vorausschicken. Das betrifft sowohl die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer als auch die Langarbeitszeitregelung.

Allerdings ist bei einer neuen Regelung – und um eine solche handelt es sich beim Pensionskorridor – die EU-Richtlinie über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit zu beachten. Diese europarechtliche Bestimmung sieht grundsätzlich ein gleiches Pensionsantrittsalter vor. Daher ist aus unserer Sicht eine Differenzierung nach dem Geschlecht unzulässig. Das ist auch die Meinung von Rechtsexperten und des Verfassungsdienstes. Es kann also für die Altersrente ein unterschiedliches Antrittsalter nur zeitlich begrenzt aufrechterhalten werden. Dies ist zum Beispiel bei der Langzeitversicherten-Regelung der Fall, die im Übergangsrecht ist, aber wenn wir etwas im Dauerrecht haben, wird das nicht möglich sein.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. – Wird eine Zusatzfrage ge­wünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Ich kenne diese Richtlinie der EU sehr wohl, und da gebe ich Ihnen auch Recht, frage Sie aber trotzdem: Hätte es nicht doch rechtliche Möglichkeiten gegeben, etwa in Form einer anderen Formulierung, den Frauen den vorzeitigen Pensionsantritt zu ermöglichen? Bis dato ist nämlich die Rechtslage so, dass ab 2014 bis zur Angleichung des unterschiedlichen Pen­sions­alters den Frauen der vorzeitige Pensionsantritt verwehrt ist.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Wir sind von dieser Situation ausgegangen. Wir sind auch davon ausgegangen, dass Frauen nach wie vor die Möglichkeit haben, früher in Pension zu gehen als Männer. (Bundesrätin Bachner: Das ist Rechtslage!) So ist die Rechtslage, die 2033 ... (Bundesrätin Bachner: Verfassungsrechtlich abgesichert!) – Ja, ja, das ist keine Frage! Wir haben die Befürchtung gehabt, dass, wenn wir hier wieder eine unterschiedliche Behandlung verankern, seitens der EU Einsprüche gekommen wären und uns das irgendwann gekippt worden wäre.

Ich sage es jetzt einmal so: Wir sind eines der letzten Länder beziehungsweise eines der wenigen Länder in der EU, die einen ungleichen Zugang zur Alterspension haben. Das wird nicht gerade mit Wohlwollen betrachtet. Und um schlafende Hunde nicht zu wecken, wie man so schön sagt, haben wir gemeint: In diesem Fall, weil auch Frauen in den nächsten zehn, 15 Jahren einen natürlich nach geltendem Recht verbesserten früheren Zugang zur Pension haben, schauen wir bei der Einführung des Pensions­korridors in Richtung Zukunft und sagen, hier gibt es einen einheitlichen Zugang.

Mir persönlich war es vor allem bei der Langzeitversichertenregelung besonders wich­tig, dass wir, weil es die nächsten Jahre betrifft, hier noch klar unterscheiden: 45 Jahre Männer und 40 Jahre Frauen! Es wäre aus meiner Sicht sehr ungerecht, wenn wir da auf einmal vereinheitlicht hätten, denn das würde jene Frauen, die demnächst in Pension gehen, besonders treffen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Zusatzfrage: Frau Bundesrätin Wimmler, bitte.

 



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Bundesrätin Herta Wimmler (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Staatssekretärin! Meine Frage bezüglich EU-Recht erübrigt sich, weil Sie diese Frage sehr ausführlich Frau Kollegin Bachner erklärt haben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die nächste Zusatzfrage wünscht Herr Bun­desrat Zellot.

 


Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sie haben heute schon die Langarbeitszeitregelung erwähnt. Kommen auch Frauen in den Genuss dieser Regelung?

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich sage es gerne noch einmal (Heiterkeit bei der SPÖ), weil es wichtig ist (Bundesrat Zellot – in Richtung SPÖ –: Zuhören!), hier auch die Ausgewogenheit und die Gerechtigkeit, die leider Gottes von der linken Seite so sehr belächelt wurde (Bundesrat Gruber: Ich finde es nach wie vor nicht gerecht!), darzustellen, es ist ein wirkliches Zeichen der Fairness und Gerechtigkeit!

In der Diskussion über die jetzt eben in dieser Form kommenden Langzeitversicherung habe ich immer nur gehört, und das von allen Parteien (Bundesrat Gruber: Sie müs­sen auch Fallbeispiele anschauen, dann sind Sie von Gerechtigkeit weit weg!), von allen Parteien, Herr Kollege: 45 Jahre sind genug! Das haben alle Parteien gesagt. Ich habe von kaum jemandem gehört: 40 Jahre für die Frauen sind genug! (Bundesrat Gruber: Ich sage: 40 Jahre!) Jetzt sagen Sie das.

Wir haben nicht nur geredet, sondern gehandelt! Wir haben gesagt: Langzeit­ver­sicherte Frauen müssen auch in den Genuss kommen. 45 Versicherungsjahre zu erreichen ist für Frauen relativ schwierig (Bundesrätin Bachner: Fast ein Ding der Unmöglichkeit!), daher gilt: 40 Jahre für Frauen, inklusive eines bestimmten Blocks der Anrechnung für Kindererziehung von 60 Monaten, desgleichen 45 Jahre für Männer, inklusive Präsenz- und Zivildienst – beides Leistungen, die für die Gesellschaft sehr notwendig sind, weshalb der Staat bei Langzeitversicherung auch für diese Leistungen einspringt! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Zusatzfrage: Frau Dr. Lichten­ecker. – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, vorab einen schönen guten Morgen aus Oberösterreich! (Staats­sekretärin Haubner: Danke! Zurück!) Sie haben vorhin die Einkommensschere ange­sprochen, das Grundproblem, wenn es um das Thema Gender-Gerechtigkeit geht. Was trägt diese Regierung dazu bei, genau diese Einkommensdisparitäten zu minimie­ren und tatsächlich eine Gleichstellung herbeizuführen?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Es wäre unseriös, zu sagen, die Regierung trägt die Verantwortung dafür, dass die Einkom­mensschere weniger weit auseinander geht. Ich meine, das ist ein Problem, an dem Politik und Wirtschaft nur gemeinsam arbeiten können.

Die Politik hat dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen stimmen, dass Frauen berufstätig sein können – das ist notwendig –, dass die Wirtschaft Arbeitsplätze anbie­ten kann. Ich denke hier zum Beispiel an die Steuerentlastung, die heuer beziehungs­weise auch im nächsten Jahr greifen wird. Es ist wichtig, dass wir Firmenunternehmen stärken, dass wir den Wirtschaftsstandort Österreich sichern, dass Arbeitsplätze


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vorhanden sind, dass Arbeitsmöglichkeiten gegeben sind. Ich denke, die Politik muss diese Rahmenbedingungen sehen, muss diese Rahmenbedingungen im Bereich der Wirtschaft, im Bereich der Unternehmen verbessern.

Ich nenne noch einmal unser Beispiel Audit, wofür wir die Wirtschaft wirklich schon als Partner gewonnen haben, vor allem die kleineren und mittleren Betriebe, die oft gesagt haben: Wir haben nur ein paar Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, da wird das nicht funk­tionieren! Wenn eine Mitarbeiterin in Karenz geht, wird ein Arbeitsplatz frei, und der muss dann anders besetzt werden! – Wir greifen hier gemeinsam mit der Wirtschaft sehr stark ein, und das, denke ich, ist etwas, das wir in Zukunft machen müssen.

Zum Einkommen der Frauen. – Auch da sind die Sozialpartner nach wie vor gefordert, dass gerade in jenen Bereichen, wo vermehrt Frauen tätig sind, wie zum Beispiel im Dienstleistungsbereich, im Handel und Ähnliches, auf der Basis der Kollektivverträge die Weichen so gestellt werden, dass nicht so wie in der Vergangenheit in Zukunft auch immer wieder in jenen Bereichen, wo mehr Frauen arbeiten, die Löhne relativ niedrig sind, und in jenen Bereichen, wo mehr Männer tätig sind, die Löhne absolut akzeptabel gestaltet sind. (Bundesrätin Bachner: Geben Sie mir eine Empfehlung für die Wirtschaft mit! Bei diesen Verhandlungen bin ich für jede Unterstützung gerne dankbar! – Beifall des Bundesrates Konecny.)

Verhandlungen – das sind immer zwei Partner, und wenn zwei Partner miteinander verhandeln, wird es auch Kompromisse geben, aber ich vermisse immer wieder Kompromisse im Sinne der Frauen. Kompromisse hat es auch bei der Pensions­harmonisierung gegeben, und diese Kompromisse für die Frauen sind sichtbar. Bei den Verhandlungen, was die Einkommen anlangt – ich sage das jetzt einmal als Außenstehende –, sind mir diese zu wenig sichtbar. (Bundesrat Konecny: Spürbar sollten sie sein!)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen zur nächsten, zur 6. Anfrage, die Frau Bundesrätin Konrad stellt. Ich bitte sie um deren Verlesung.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Frau Staatssekretärin! Meine Frage lautet:

1374/M-BR/2004

„Wie entwickelt(e) sich nach den Unterlagen beziehungsweise Erwartungen Ihres Ministeriums der Familienlastenausgleichsfonds beginnend von 1998 bis 2015 unter jährlicher Aufschlüsselung der Ausgaben und Einnahmen sowie des Vermögens des Fonds?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ihre Frage verlangt eine sehr umfassende Antwort – ich kann sie Ihnen auch gerne schriftlich geben –, weil sie doch einen Zeitraum von 1998 bis 2015 betrifft. Vielleicht darf ich nur so viel sagen: Bis zum Jahr 2002 hat es Überschüsse im Familienlasten­ausgleichs­fonds gegeben, seit dem Jahr 2003 gibt es erstmals einen Abgang. Dieser Abgang entsteht dadurch, dass die politische Entscheidung – und das ist wichtig – in die Richtung geht, dass wir Familienleistungen besonders stärken, weil wir wissen, dass finanzielle Familienleistungen notwendig sind. Das ist der Grund, und dazu stehe ich auch.

Letztendlich ist es so, dass durch das Gesetz abgesichert ist, dass, wenn der Familienlastenausgleichsfonds einen Abgang hat, der Bund in Vorlage tritt. Das heißt, dass der Bund als das Budget Zurverfügungstellender die Mittel ausgleicht. Das heißt,


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dass auch in Zukunft jene Mittel, die aus dem Familienlastenausgleichsfonds an die Familien ausbezahlt werden, gesichert sind.

Ab dem Jahr 2005 müssen wir neben der derzeitigen Rechtslage auch die Beitrags­zeiten auf Grund des Pensionsharmonisierungsgesetzes berücksichtigen. Durch das Pensionsharmonisierungsgesetz ist vereinbart, dass 50 Prozent der Leistungen für Kindererziehung für vier Jahre aus dem FLAF bezahlt werden. Bisher war es so, dass 100 Prozent der Leistungen für Kindererziehung bezahlt wurden, aber natürlich nur für jene Gruppe, die das Kinderbetreuungsgeld bezogen hat. In Hinkunft werden alle Mütter oder Väter diese Leistungen beziehen.

Daher wird sich unter Berücksichtigung des Pensionsharmonisierungsgesetzes bis zum Jahr 2008 ein weiterer Abgang ergeben, der dann ab dem Jahr 2012 erstmals wieder ein Überschuss sein wird. Ohne Berücksichtigung dieses Pensions­harmonisie­rungsgesetzes wäre bereits ab dem Jahr 2008 wieder ein Überschuss vorhanden.

Es laufen noch Verhandlungen mit dem Finanzminister, in denen es gilt, auch für die Zukunft Vereinbarungen zu treffen, wie wir mit diesen Pensionszeiten umgehen werden, ob sie weiterhin beim FLAF angesiedelt werden oder ob sie in Zukunft aus einem anderen Bereich bezahlt werden. Aber grundsätzlich möchte ich dazu sagen, dass die Mittel auf Grund der gesetzlichen Lage gesichert sind, daran hat sich nichts geändert. Ich stehe auch zu diesen positiven umfangreichen Leistungen für die Familien, weil letztendlich Leistungen, die den Familien zugute kommen, im Umkehr­effekt wieder dem Staat und vor allem auch der Wirtschaft zugute kommen.

Frau Bundesrätin Konrad, wenn Sie die Zahlen noch genauer wollen, kann ich sie Ihnen gerne noch schriftlich zukommen lassen. (Bundesrätin Konrad: Bitte!) – Ja.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. – Wird eine Zusatzfrage ge­wünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Ich hätte die Antworten sehr gerne schriftlich, aber ich danke Ihnen für die Kurzfassung.

Meine Zusatzfrage lautet wie folgt: Es stammen mehr als 75 Prozent der Mittel des Familien­lastenausgleichsfonds aus Beiträgen, die zwar von Arbeitgebern und Arbeit­geberinnen überwiesen werden, die aber ihren Ursprung in einem Lohnverzicht von unselbständig Erwerbstätigen haben. In der Praxis profitiert aber ein weit über den Kreis der Zahlerinnen und Zahler hinaus gehender Personenkreis von den Leistungen des Fonds, allen voran zum Beispiel auch Politiker, die keine Beiträge zahlen.

Es stellt sich die Frage, ob es seitens des Ministeriums Pläne gibt, angesichts des Defizits, das über das Jahr 2010 hinausreicht, wie Sie schon erwähnt haben, die Finanzierung des FLAF auf eine breitere und damit auch gerechtere Basis zu stellen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Die Einnahmen des FLAF sind schon seit Jahren ein Thema, vor allem auch das Thema der Aufhebung der Selbstträgerschaft. Das ist etwas, das immer wieder auch in den Finanzausgleichsverhandlungen vom Finanzminister mit eingebracht wird, wo aber seitens der Länder eine sehr geringe Bereitschaft besteht, da Änderungen vorzu­nehmen. Gerade auch heuer wurde es wieder zur Diskussion gestellt. Sie wissen, im derzeitigen Stadium der Finanzausgleichsverhandlungen setzt man sich vor allem mit Bereichen des Gesundheitswesens auseinander, und somit wird das Thema FLAF letztendlich auch heuer nicht mehr ausverhandelt werden.


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Ich möchte vielleicht nur so viel sagen, dass sich die Einnahmen der Dienst­geberbeiträge und die Anteile an der Einkommen- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2004 bis 2006 an den Wifo-Prognosen beziehungsweise an den Steuerschät­zungen des Bundesministeriums für Finanzen orientiert haben und ab dem Jahr 2008 die Einnahmen an Dienstgeberbeiträgen mit einer jährlichen Steigerung von 3 Prozent und die Anteile der Einkommen- und Körperschaftsteuer mit einer Steigerung von 4 Prozent fortgeschrieben werden.

Aber ich werde nach wie vor darauf drängen, dass es im Bereich der Selbstträger­schaft zu Änderungen kommt, die es gerade durch die Einführung des Kinder­betreu­ungsgeldes, das jetzt niemanden mehr ausschließt und wirklich allen, ganz gleich, wo sie beruflich stehen, zukommt, wirklich braucht.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals.

Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Neuwirth. – Bitte.

 


Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Frau Staatssekretärin! Sie haben bereits dargestellt, dass die Finanzierung des FLAF in den nächsten Jahren sehr kompliziert sein wird. Ich darf Sie fragen, ob Sie dennoch sicherstellen können, dass sämtliche Leistungen, die derzeit aus dem FLAF bezahlt werden, auch in Zukunft – sprich in dem von Ihnen schon genannten Zeitraum – bezahlt werden können.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Ich sage hier und jetzt: Solange ich Ver­antwortung habe und auch in dieser Regierung bin, werden diese Leistungen gesichert sein, wird es keine Abstriche bei den Leistungen geben – aus einem ganz einfachen Grund, nämlich weil es die gemeinsame politische Entscheidung, diese Leistungen den Familien zukommen zu lassen, gibt und weil andererseits laut Gesetz bei Abgängen, bei Minus-Posten der Bund in Vorlage tritt und daher die Bereitstellung der Mittel hundertprozentig gesichert ist.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Herr Bun­desrat Kritzinger. – Bitte.

 


Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Frau Staatssekretärin! Sie haben die Fragen schon sehr präzise und umfangreich beantwortet. Meine Zusatzfrage bezieht sich auf den Familienlastenausgleich.

Welche zusätzlichen familienpolitischen Leistungen wurden seit dem Jahre 2000 aus dem Familienlastenausgleich finanziert?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Seit dem Jahr 2000 haben wir ein riesiges Paket an zusätzlichen Leistungen geschaffen, und ich zähle diese sehr gerne noch einmal auf.

Erstens: das Kinderbetreuungsgeld für jetzt 170 000 Bezieherinnen und Bezieher, aber vor allem auch für die große Gruppe jener, die zur Zeit der Geburt eines Kindes keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sind, wie zum Beispiel Hausfrauen, Schülerinnen und Studenten – eine Gruppe, die erstmals mit einbezogen wird. Das schafft die Möglichkeit, dass alle Mütter, dass alle Väter gleich behandelt werden.

Eine zusätzliche Leistung, die besonders wichtig und notwendig ist, ist das Mehr­lingskindergeld, das wir mit dem halben Satz des Kinderbetreuungsgeldes bemessen


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haben und das jenen Familien zugute kommt, die Zwillinge, Drillinge oder vielleicht auch Vierlinge haben; die Zahl der Zwillingsgeburten ist, sage ich jetzt auch einmal, im Steigen begriffen. Wir haben derzeit 2 800 Familien, die für Zwillinge Mehrlingskinder­geld beziehen, und daher ist diese Leistung eine sicher wichtige und notwendige.

Wir haben als zusätzliche Leistung die erhöhte Familienbeihilfe ab Geburt eines behin­derten Kindes eingeführt. – Auch richtig und notwendig.

Wir haben den Mehrkinderzuschlag ab dem dritten Kind verbessert, was meiner Meinung nach auch sehr notwendig ist und vor allem signalisiert, dass uns Familien mit mehreren Kindern ein besonderes Anliegen sind, denn gerade jene Familien mit mehreren Kindern sind diejenigen, die sehr leicht unter die Armutsgrenze fallen.

Wir haben, wie gesagt, Freifahrten, Fahrtkostenzuschüsse verbessert – verbessert in dem Sinn, dass jetzt, glaube ich, keine Gruppe von Schülerinnen und Schülern mehr ausgenommen ist. Vor allem haben wir – was auch wichtig ist – eine Vereinfachung geschaffen, da jetzt alle Freifahrten im Verbund eingebunden sind, und dadurch sind auch bessere Konditionen für die öffentliche Hand gegeben. Natürlich soll man Geld für die Familien bereitstellen, aber trotzdem sollte man schauen, wie man in der Verwaltung und in der Abwicklung sparen kann. – Also auch hier haben wir wesentliche Verbesserungen geschaffen.

Ich denke, das ist ein großes Paket und – neben den Pensionszeiten, die ich schon ausführlich angeführt habe – etwas, das zeigt, dass Familie dieser Regierung etwas wert ist.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. – Wir kommen zur nächsten Zusatz­frage, zur Frage des Herrn Bundesrates Zellot. – Bitte.

 


Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Frau Staatssekretärin Haubner hat die Leistungen des Familienlastenausgleichsfonds so ausführlich angeführt, dass ich auf eine weitere Frage verzichte. – Danke.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen zur 7. Anfrage, die Herr Bundesrat Mag. Baier stellt. Ich darf ihn um deren Verlesung bitten.

 


Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Frau Staatssekretärin! Meine Frage lautet:

1367/M-BR/2004

„Wie haben Sie den Ministerratsauftrag vom März 2003 betreffend Erstellung eines Nationalen Aktionsplanes ,Kinder & Jugend‘ umgesetzt?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Erstellung eines Nationalen Aktionsplanes für Kinder und Jugendliche ist auch ein wichtiger Teil einer Politik für die Familien, für die Jugend, für die Kinder. Eine familienfreundliche und kinderfreundliche Gesellschaft ist ein besonderes Anliegen quer durch die Parteien, meine ich, und hier können wir sicher noch einiges mehr machen.

Ich habe den Auftrag der Bundesregierung vom 11. März letzten Jahres übernommen, einen Nationalen Aktionsplan für die Rechte von Kindern gemäß der Übereinkunft des Weltkindergipfels von 2002 zu koordinieren.

Dafür habe ich zu Beginn auf allen institutionellen Ebenen – also bei Bund, Ländern, Gemeinden, Sozialpartnern, NGOs und vor allem auch den Kindern selbst – zur


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Mitarbeit eingeladen. Wir haben am 26. November 2003 mit einer entsprechenden Auftaktveranstaltung, mit einem entsprechenden Signal nach außen aufgezeigt, dass uns diese Entwicklung sehr wichtig ist und dass wir die Umsetzung der Kinderrechte im Sinne der Kinderrechtskonvention ernst nehmen.

Es wurde dann die Arbeit von einer Steuerungsgruppe, der VertreterInnen des Bundes, der Länder und der Gemeinden, der Wissenschaft und der NGOs angehörten, koor­diniert, und es haben sich vier Arbeitsgruppen gebildet, die sehr unterschiedlich besetzt waren, die die Zielsetzungen einer zukünftigen Kinderrechtspolitik erarbeitet haben.

Die Ergebnisse aus diesem ganz offenen Prozess, in den Vertreter aus wirklich allen Ebenen eingebunden waren, wurden in einem wissenschaftlichen Bericht zusammen­gefasst. Dieser Bericht enthält sehr viele Ideen, sehr viele Forderungen, sehr viel Wissen, die die Hunderten Mitwirkenden aus den Arbeitskreisen aufgestellt haben. Eine Zusammenfassung ist schon seit einigen Wochen auch im Internet abrufbar und ablesbar.

Das ist für uns die Grundlage für einen Nationalen Aktionsplan, der zurzeit in Abstim­mung mit den anderen Ressorts aufgestellt wird und den wir noch im November dieses Jahres im Rahmen eines Ministerratsbeschlusses verabschieden wollen. Er wird dann dem Parlament zugehen und in einer entsprechenden Debatte auch von den Parla­mentariern bewertet werden.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. – Wird eine Zusatzfrage ge­wünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Frau Staatssekretärin! Welche Maßnahmen planen Sie im Zusammenhang mit dem Nationalen Aktionsplan für 2005 und 2006?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Ich darf vielleicht darauf hinweisen, dass wir jetzt in der Endabschätzung und Endbewertung sind, wo alle Ressorts eingebunden sind, weil sich die Maßnahmen ja nicht nur auf den Sozialbereich, also auf das Sozialministerium, auf die Jugendpolitik beschränken. Ich möchte mich hier vorerst einmal mit den anderen Regierungsressorts abstimmen und den Aktionsplan dann entsprechend vorstellen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. – Die nächste Zusatzfrage wird von Herrn Mag. Gudenus gestellt. – Bitte.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Staatssekretärin! Welche Überlegungen bestehen in Ihrem Ressort hinsichtlich eines Familien- beziehungsweise Muttergehaltes? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Müttern Ge­rechtigkeit zuteil werden zu lassen, das ist ein großes Anliegen dieser Regierung, und seit dem Jahr 2000 zeigen wir, dass Mütter und ihre Arbeit für uns besonders wichtig sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Daher sollte das nicht auf ein Gehalt für Mütter reduziert werden, sondern es sollten die Leistungen, die in der Familie erbracht werden, entsprechend honoriert werden.


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Dabei geht es in erster Linie um die Leistungen im Rahmen der Kindererziehung, die jetzt eine sehr gute Basis für eine eigenständige Pension darstellen, da die erforderliche Erwerbstätigkeit für Mütter wesentlich gesenkt wurde, und zwar von 15 auf 7 Jahre, wodurch es zu einer leichteren Erreichbarkeit einer eigenständigen Pen­sion kommt. Das ist das eine.

Das Zweite ist, dass es auch im Bereich der Pflegetätigkeit Verbesserungen gibt – auch in diesem Bereich sind es wieder Frauen, die ihre Eltern, ihre Angehörigen pflegen. Es gibt Verbesserungen in dem Sinn, dass Zeiten dieser Pflege als echte Erwerbszeiten gelten und auch auf diese erforderlichen sieben Jahre angerechnet werden. Außerdem gibt es in diesem Bereich nach wie vor eine begünstigte Weiterversicherung.

Um es kurz zusammenzufassen: Wir zeigen mit dem, was wir jetzt machen, ganz klar, dass Familienarbeit und Erwerbsarbeit in unseren Augen gleichwertig sind, und setzen damit die richtigen ersten Schritte in Richtung Verbesserung für jene, die Kinder erziehen, die Ältere pflegen und betreuen, sodass diese Personen nicht zu den Benachteiligten unserer Gesellschaft gehören. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Kerschbaum, bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Frau Staatssekre­tärin! Sie haben vorhin erwähnt, dass Sie die UN-Kinderrechtskonvention sehr ernst nehmen wollen. Daher meine Frage: Welche Rechte der UN-Kinderrechtskonvention sind in Österreich noch nicht umgesetzt, und wann wird das in Angriff genommen?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Die UN-Kinderrechtskonvention enthält vor allem folgende Rechte: das Recht auf eine gedeih­liche Entwicklung, das Recht auf eine gewaltfreie Entwicklung, das Recht auf Zugang zu Bildung und Ausbildung. Das sind drei Bereiche, die sehr wichtig sind, und diese drei Bereiche müssen, denke ich, die Basis für einen künftigen Nationalen Aktionsplan sein.

Das Recht auf eine gewaltfreie Entwicklung, auf eine gewaltfreie Erziehung ist für mich als Staatssekretärin für Soziales etwas sehr Notwendiges und Wichtiges, denn die Erfahrung zeigt, dass gerade Kinder als die Schwächsten der Gesellschaft immer wieder Opfer von Gewalt werden, aber nicht nur Opfer von Gewalt in der Familie, sondern auch in anderen Bereichen. Daher ist es, denke ich, notwendig, hier noch mehr zu tun.

Wir haben im Bereich unserer Familienberatungsstellen in einzelnen Beratungsstellen Schwerpunkte gesetzt, um hier Prävention zu üben, um der Gewalt in den Familien vorzubeugen, auch mit den Interventionsstellen gegen Gewalt, die zwar nicht aus unserem Ressort finanziert werden, mit denen wir jedoch laufend zu tun haben. Wir unterstützen auch sehr die Kinderschutzzentren beziehungsweise die Eltern-Kind-Zentren, wo das zusammenläuft.

Gerade bei den Vorarbeiten für den Nationalen Aktionsplan hat sich für mich gezeigt, dass für die Kinder selbst der Wunsch nach Frieden und gegen Gewalt einer der vordringlichsten Wünsche ist. Wir haben im Rahmen dieser Arbeiten Kinder gefragt – es war eine gemeinsame Aktion der Kinderfreunde und der Katholischen Jungschar –, welche Wünsche sie haben. An erster Stelle stand: mehr Freizeit und die ent-


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sprechenden Freizeiteinrichtungen – das ist hundertprozentig verständlich. An zweiter Stelle stand, dass sie Familien haben wollen, in denen sich die Eltern nicht streiten, nicht bekriegen – auch etwas, worauf Kinder besonders sensibel reagieren. Und an dritter oder vierter Stelle – ich kann das jetzt nicht mehr so genau sagen, aber an vorderster Stelle – stand: dass Frieden ist und keine Gewalt herrscht. Und das muss, glaube ich, ein wesentlicher Punkt in unserer zukünftigen Arbeit sein.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Kaltenbacher, bitte.

 


Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Frau Staatssekretärin! Sie haben die Frage, die ich jetzt stellen werde, teilweise beantwortet, aber es war mir zu wenig. Ich frage Sie daher: Welche Schwerpunkte werden Sie künftig in der Jugend­politik setzen?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Jugend­politik ist so wie die Familienpolitik eine Querschnittsmaterie, die in sehr viele Bereiche hineinwirkt. Der Bund hat in Bezug auf die Jugendpolitik vor allem eine koordinierende, eine zusammenführende Aufgabe und er hat entsprechende Projekte von Jugend­organisationen, Jugendeinrichtungen, die effizient, aber vor allem auch sehr innovativ arbeiten, wo Jugendliche selbst am Werk sind, zu begleiten und zu unter­stützen.

Das ist unsere Hauptaufgabe, und daher sind auch die vorhandenen Mittel einerseits durch das Bundesjugendförderungsgesetz und das Bundesjugendvertretungsgesetz von vornherein zweckgebunden für die Basisförderung der größten Jugendvereine und Jugendorganisationen, andererseits haben wir noch freie Mittel für Projekte, die sich in den verschiedensten Bereichen bewegen – vorhin habe ich schon den Bereich der Drogen- und Suchtprävention genannt. Wir haben aber auch sehr gute Gender-Projekte laufen, zum Beispiel ein Projekt der Bundesjugendvertretung, wo es ein Mentorenprojekt gibt, wo junge Mädchen durch Begleitung besonders gefördert werden. Dieses Projekt wurde heuer gestartet, ist sehr erfolgreich und wird auch weitergeschrieben.

Mir ist auch das Thema „Jugend in Europa“ sehr wichtig. Da geht es auch um die Frage: Wie verhält es sich mit unserer österreichischen Jugend im Verband mit anderen europäischen Jugendorganisationen? – Ich habe es so eingeführt, dass bei Jugendministertreffen oder informellen Treffen, wenn die Möglichkeit besteht, jemand von der Bundesjugendvertretung mit dabei ist, um auch vor Ort zu sehen, was sich in Europa tut. Wir haben uns ja sehr aktiv mit unserem Weißbuch Jugend „Neuer Schwung für die Jugend Europas“ beteiligt, und wir werden im Jahr 2006, wenn Österreich die EU-Präsidentschaft innehaben wird, ein Jugendministertreffen haben, für das die Vorbereitungen schon laufen, und in diese habe ich auch die entsprechen­den Vertreterinnen und Vertreter der Bundesjugendvertretung eingebunden, sodass das nicht etwas Isoliertes ist, sondern etwas, das durch die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer wirklich lebt.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen zur 8. Anfrage, die die Frau Bundesrätin Blatnik stellt. Ich bitte um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Staatssekretärin! Gospa državna sekretarka! Meine Frage:


Bundesrat
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1372/M-BR/2004

„Wie werden Frauen von der Schwerarbeiterregelung profitieren können, wenn das Regelpensionsantrittsalter und das Schwerarbeiterpensionsantrittsalter das 60. Le­bensjahr ist?“

(Bundesrätin Blatnik setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 



Bundesrat
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Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Grundsätzlich werden Frauen in Zukunft von der Schwerarbeiterregelung profitieren können, wenn­gleich – und das ist richtig – die Angleichung erst im Jahr 2024 stattfinden wird, denn bis zum Jahr 2024 haben wir eben noch das unterschiedliche Zugangsalter von Frauen und Männern, und erst dann kommt das zum Tragen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Ich hätte gerne eine Zusatzfrage gestellt, die Sie jetzt aber schon beantwortet haben. Meine Frage: Wann werden Sie die vom Herrn Bundesminister so oft angekündigte Schwerarbeiterregelung vorlegen?

(Bundesrätin Blatnik setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Staatssekretärin, bitte.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Derzeit läuft im Sozialministerium unter der Federführung des Herrn Sozialministers eine Arbeits­gruppe gemeinsam mit den Sozialpartnern, mit den Arbeitsmedizinern, denn die Materie ist nicht nur sehr sensibel, sondern auch sehr schwierig. Es gibt in Europa nichts einer Schwerarbeiterregelung Vergleichbares. Daher sind die Arbeitsmediziner sehr intensiv daran beteiligt, da es auch darum geht, als Schwerarbeit nicht nur Tätigkeiten körperlicher Schwerarbeit zu definieren, sondern auch psychische Belastun­gen zu definieren; das ist insbesondere für Frauen wichtig, die auch einmal von dieser Schwerarbeiterregelung profitieren sollen und die in vielen Bereichen tätig sind, in denen sie starken psychischen Belastungen ausgesetzt sind und nicht so sehr körperlichen Belastungen.

Das läuft jetzt im Rahmen dieser Möglichkeiten sehr gut. Der späteste Zeitpunkt ist der 1. Jänner 2007, der ins Auge gefasst ist.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Diesner-Wais, bitte.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine Frage wäre ähnlich gewesen: Wie weit sind die Arbeiten für die Schwerarbeiterregelung?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. Daher die nächste Zusatzfrage von Herrn Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Denken Sie daran, das unterschiedliche Pensionsantrittsalter von Frauen jenem der Männer anzugleichen?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Staatssekretärin, bitte.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Das kann ich mit einem klaren und eindeutigen Nein beantworten.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss (den Vorsitz übernehmend): Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Frau Staats­sekretärin! Was werden Sie persönlich dafür tun, dass Berufe zum Beispiel im Pflege­bereich tatsächlich unter die Schwerarbeiter-/Schwerarbeiterinnen-Regelung fallen werden?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich habe es schon in meiner vorherigen Beantwortung gesagt, dass derzeit die Tätigkeiten so definiert werden, dass nicht ausschließlich schwere körperliche Tätigkeiten oder unregelmäßige Tätigkeiten durch Nacht-, Schicht- und Wechseldienst einbezogen werden, sondern natürlich auch psychisch belastende Arbeiten, aber auch Tätigkeiten, die mit Personen vonstatten gehen, die einer besonderen Betreuung und Unter­stützung bedürfen.

Damit machen wir, denke ich, eine notwendige Schiene für einen Bereich der Pflege­berufe auf, in dem vorwiegend Frauen tätig sind, und zwar auch mit unterschiedlichen Belastungen – das muss man auch sagen. Es ist ein Unterschied, ob jemand in der Altenpflege, in der Intensivpflege tätig ist oder auf einer – das sage ich jetzt einmal, ohne vergleichen zu wollen – Internen oder Kinderstation. Ohne das jetzt zu bewerten: Es gibt auch da ganz wesentliche Unterschiede.

Es ist notwendig, diese Tätigkeiten so zu definieren, dass im Bereich der Pflege die Möglichkeit besteht, diese Tätigkeiten in die Schwerarbeiterregelung hineinzunehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zur 9. Anfrage, 1368/M. Ich bitte die Fragestellerin, Frau Bundesrätin Fraunschiel, die Frage zu verlesen.

 


Bundesrätin Andrea Fraunschiel (ÖVP, Burgenland): Frau Staatssekretärin! Meine Frage bezieht sich wieder auf den Bereich Vereinbarkeit von Beruf und Familie:

1368/M-BR/2004

„Welche Schwerpunkte im Bereich ,Vereinbarkeit Beruf und Familie‘ wurden von Ihrem Ressort in der regionalen Familienpolitik in den beiden letzten Jahren gesetzt?“

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Die regionale Beteiligung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist gerade mir als ehemaliger Gemeinde-, aber auch Landespolitikerin ein großes Anliegen, denn ich weiß aus Erfahrung, dass Politik für die Familien vor Ort ganz besonders wichtig ist. Daher haben wir im Jahr 2003 ein Projekt der Auditierung familien- und kinderfreundlicher Gemeinden gestartet. Neun Modellgemeinden haben sich daran beteiligt.

Das Ergebnis ist, dass wir in Fortsetzung dieses Modellprojektes jetzt ein Angebot an die Gemeinden machen, sie entsprechend mit Gutachten zu unterstützen, mit Beglei­tern, die die Ist-Situation in der Gemeinde aufnehmen und gemeinsam mit den Menschen vor Ort, mit den Organisationen, mit den Gemeinderäten den Soll-Zustand


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erarbeiten. So leisten wir unseren Beitrag dazu, dass die Gemeinden wirklich familien­freundlich sind.

Ich habe zuerst auf eine Frage Ihrer Kollegin gesagt, der erste Wunsch der Kinder ist nach mehr Freizeit und auch nach mehr Freizeiteinrichtungen. Das ist etwas, was nicht seitens des Bundes verordnet werden kann, sondern dem zum Beispiel in den Ge­mein­den entsprochen werden muss – und da gibt es eben so kleine, aber wichtige Dinge, die wir unterstützen. Das Interesse ist schon relativ groß.

Wir haben auch einen Projektkoffer mit Unterlagen beigelegt, sodass mit einfachen, leicht erfassbaren Unterlagen dieses Programm abgewickelt werden kann. Die Länder sind sehr kooperativ und unterstützen das auch finanziell. Ich meine daher, es ist das eine Schiene, die jetzt gut im Anlaufen ist, aufbauend auch auf dem, was viele Länder schon gemacht haben. Wir brauchen das also nicht mehr neu zu erfinden, sondern wir wollen nur vieles noch zusammenführen, konzentrieren und verbessern, Synergien nützen. Ich denke, ein wichtiger und notwendiger Weg, den wir hier beschreiten.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrätin Andrea Fraunschiel (ÖVP, Burgenland): Eine Zusatzfrage hätte ich noch, und zwar: Wie wird das „Audit Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ international gesehen?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 



Bundesrat
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Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Das Audit wird international und europaweit sehr positiv gesehen. Es ist 1998 auf Grund der Hertie-Stiftung von Deutschland ausgegangen. Wir haben es, wie gesagt, bis zum heutigen Tag sehr gut umgesetzt und verbessern es laufend.

Das Interesse ist auch in anderen europäischen Ländern sehr groß, vor allem in den neuen Beitrittsländern. Wir haben jetzt eine enge Kooperation mit Ungarn; Ungarn interessiert sich sehr dafür. Das Zertifikat „Audit Familie & Beruf“ ist ein europaweit anerkanntes Zertifikat, auch wenn in den europäischen Ländern die Kriterien etwas unterschiedlich sind, aber das Ziel und die Hauptkriterien sind überall gleich. Daher kann man sagen: Ein Betrieb, der sich heute in Österreich zertifiziert, hat die Chance, das im europaweiten Wettbewerb als Wettbewerbsinstrument einzusetzen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Frau Staatssekretärin! Sie haben alles so gut beantwortet, dass ich keine Zusatzfrage mehr habe.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage ist vorgemerkt von Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Sie ist nicht im Saal.

Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Ing. Einwallner. – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Frau Staatssekretärin! Ich habe noch eine Frage betreffend ländlichen Raum und Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Diesbezüglich ist ein sehr wichtiger Faktor, dass die Mobilität der Menschen gegeben ist.

Meine Frage daher: Setzen Sie auch in diesem Bereich, nämlich der Steigerung der Mobilitätsfähigkeit der Personen im ländlichen Raum, Maßnahmen?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! In unserem Ressort ist, sage ich, konkret nichts geplant, um die Mobilität zu steigern, mit Aus­nahme eines Projektes im Präventionsbereich gegen Alkohol bei Jugendlichen. Hier ist geplant, dass wir gemeinsam mit dem Infrastrukturministerium im Jahr 2005 ein Pilot­projekt auf die Füße stellen. Das ist von unserer Seite geplant.

Man kann im weiteren Sinn natürlich auch die Verbesserungen der Leistungen betref­fend Wochenendheimfahrten von Lehrlingen und Heimschülern, die Verbesserungen für die Pflichtpraktika zur Verbesserung der Mobilität zählen, das unter diesem Gesichtspunkt sehen und bewerten, denn das ist gerade im ländlichen Raum notwendig. Aber sonst sind derzeit keine konkreten Projekte geplant.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zur 10. und letzten Anfrage, 1373/M. Ich bitte den Fragesteller, Herrn Bundesrat Prutsch, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Günther Prutsch (SPÖ, Steiermark): Verehrte Frau Staatssekretärin! Meine Frage:

1373/M-BR/2004

„Warum werden Sie auch die nächsten Jahre Ihr Versprechen, alle Pensionen mit dem Verbraucherpreisindex aufzuwerten, nicht einhalten?“

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Sie wissen, wir haben in den letzten Jahren die Anpassung der Pensionen so geregelt, dass die kleinen Pensionen bis zum Medianeinkommen nach dem Verbraucherpreisindex an­gepasst wurden und jene Pensionen, die über der Medianpension liegen, mit einem Fixbetrag erhöht wurden.

Das wird in den Jahren 2005, 2006, 2007 ebenso sein, nur wird die Höhe der Median­pension nicht mehr die Grenze sein, sondern wir werden eine Grenze einziehen im Bereich der höheren Pensionen, in etwa der Hälfte der Höchstbeitragsgrundlage. Ab dieser Höhe wird es wieder einen Fixbetrag geben, und alles, was darunter ist, wird im Rahmen des Verbraucherpreisindex angepasst.

Das ist so vorgesehen, und ich glaube, es ist auch gerecht, dass kleine Pensionen nach dem VPI angepasst werden, höhere Pensionen mit einem Fixbetrag. Aber es ist vorgesehen, ab dem Jahr 2008 alle Pensionen wieder nach dem VPI anzuheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Das ist nicht der Fall.

Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Wolfinger. – Bitte.

 


Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Frau Staatssekretär! Sie haben das bereits ausführlich beantwortet, daher ist meine Frage hinfällig. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich hatte dieselbe Frage in dieselbe Richtung. – Danke schön.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage ist vorgemerkt von Herrn Bundesrat Weilharter.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Staatssekretärin! Wie erfolgten die Pensionsanpassungen in den Jahren 1990 bis 1999?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Frau Staatssekretärin, bitte.

 



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Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich darf Ihnen die Pensionsanpassungen seit 1990 sagen. Ich kann es Ihnen natürlich auch gerne schriftlich geben; ich werde es so kurz wie möglich halten.

Im Jahr 1990 hat es eine Anpassung in der Höhe von 4 Prozent gegeben, 1991 5 Prozent, 1992 4 Prozent, 1993 4 Prozent, 1994 2,5 Prozent, 1995 2,8 Prozent, 1996 2,3 Prozent, 1997 – das ist für mich sehr interessant, was ich jetzt beim Studium gesehen habe – hat es keine Anpassung gegeben, 1998 waren es 1,33 Prozent, 1999 1,5 Prozent, und ab 2000 hat es Anpassungen um 1,5 Prozent gegeben. Und wie es diesbezüglich weitergehen wird, habe ich schon beantwortet.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die letzte Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Dr. Lich­tenecker.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Frau Staatssekre­tärin! Zum Thema Frauen/Armutsfalle im Alter: Sie haben ja vorhin selbst erwähnt, nur durch einen bestimmten Schicksalsschlag kommt es manchmal dazu, dass Frauen eine selbständige Pension haben. Perspektivisch auf die nächsten fünf Jahre gerichtet: Was tut diese Regierung, was tun Sie in Ihrer Funktion dafür, dass es vermieden wird, dass Frauen in die Armutsfalle kommen?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Frau Staatssekretärin, bitte.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Das ist ein sicher sehr umfassender Bereich, denn auch hier ist es nicht möglich, mit einer Maß­nahme die Menschen vor dem Hineingeraten in die Armutsfalle oder gegen besondere Schicksalsschläge abzusichern. Aus Sicht dieser Regierung und auch aus meiner Sicht ist es wichtig, dass im Bereich der Grundsicherung der Ausgleichszulagenrichtsatz in der Höhe von 653 €, der jedem zusteht, auch wenn er ein ganz geringes oder wenig Einkommen hat oder eine ganz geringe Pension, die unter diesem Wert liegt, auf­gewertet wird, dass hier sozusagen eine Grundsicherung weiter gegeben ist. Diese Grundsicherung haben wir in den letzten drei Jahren um 7 Prozent erhöht und wird auch weiter jährlich valorisiert.

Was auch wichtig ist: Den Familienrichtsatz, wenn zwei Personen von einer Pension leben müssen, haben wir in den letzten zwei Jahren um insgesamt 20 Prozent erhöht; derzeit beträgt er 1 050 €. Das ist eine Basis, auf die jeder Anspruch hat, die notwendig ist, um die Menschen im Falle von schwierigen Situationen abzusichern.

Abzusichern ist auch für mich, dass wir den Familien entsprechende Mittel zur Verfügung stellen, und das nicht nur mit dem Kinderbetreuungsgeld, sondern auch mit anderen Maßnahmen, auch wenn die Kinder schon älter sind. Es muss ein Familien­einkommen geben, das den Familien, vor allem wenn sie mehrere Kinder haben, die Chance gibt, entsprechend über die Runden zu kommen: mit Mehrkinderzuschlag, erhöhter Familienbeihilfe, natürlich auch mit Kinderbetreuungsgeld und Ähnlichem. Wir müssen also auch in diesem Bereich die Weichen richtig stellen.

Wichtig ist auch, dass wir heuer für jene, die pflegebedürftig sind, das Pflegegeld erhöhen. Das Pflegegeld ist unbestritten, und es ist in keiner Weise daran gedacht ist, diese ganz spezielle Leistung für jene, die es besonders brauchen, nicht weiter­zuführen oder nicht entsprechend anzupassen. Es muss hier die Sicherheit geben, dass man sich verschiedene Leistungen kaufen kann, gerade im Gesundheitsbereich.

Im Rahmen der Pensionsharmonisierung haben wir ganz klar geregelt, dass Zeiten der Arbeitslosigkeit, Zeiten, in denen Notstandshilfe und so weiter bezogen wird, natürlich


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Beitragszeiten sind, für die auch von der öffentlichen Hand dementsprechend auf das Konto einbezahlt wird.

Also zusammenfassend: Wir setzen hier verschiedene Maßnahmen, die notwendig sind, denn ich bin der Meinung, dass der Staat zwar nicht alles richten kann, dass aber der Staat eine große Verantwortung für diejenigen hat, die krank sind, die arm sind – aus welchen Gründen immer – und die einer besonderen Hilfe bedürfen, dass es für diese Menschen ein Netz geben muss, um sie auffangen zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die Fragestunde ist beendet.

*****

Ich gebe bekannt, dass Frau Bundesministerin für Justiz Mag. Miklautsch gemäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung die Absicht bekundet hat, eine Erklärung abzugeben. Diese Erklärung wird Punkt 1 der Tagesordnung bilden.

Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Hinsichtlich der Schreiben des Bundeskanzlers betref­fend Amtsenthebung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten, Frau Dr. Benita Ferrero-Waldner, und gleichzeitiger Ernennung von Frau Dr. Ursula Plassnik zur Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten sowie Nominierung von Herrn Ökonomierat Mag. Hans Kletzmayr als Landwirtschaftsvertreter für den Wirtschafts- und Sozialausschuss der Europäischen Union verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Stenographischen Protokoll der Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung unter gleichzeitiger Ernen­nung eines Mitgliedes der Bundesregierung:

 

Republik Österreich

Dr. Wolfgang Schüssel

Bundeskanzler

An die Präsidentin des Bundesrates

Anna Elisabeth Haselbach

Parlament/1017 Wien

Wien, am 20. Oktober

2004/GZ 350.000/0004-IV/8/04

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 20. Oktober 2004 ZI. 300.000/2-BEV/04, gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfas­sungsgesetz die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita FERRERO-WALDNER vom Amt enthoben hat.

Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz Frau Dr. Ursula PLASSNIK zur Bundesministerin


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für auswärtige Angelegenheiten ernannt.

Mit besten Grüßen

Wolfgang Schüssel

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG:

Republik Österreich

Dr. Wolfgang Schüssel

Bundeskanzler

An die Präsidentin des Bundesrates

Frau Anna Elisabeth Haselbach

Dr. Karl Renner-Ring 3

1017 Wien

Wien, am 11. Oktober 2004

GZ BKA-405.828/0019-IV/5/2004

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

In Entsprechung der Bestimmung des Artikels 23c Abs. 5 B-VG darf ich Ihnen mitteilen, dass das österreichische Mitglied des Wirtschafts- und Sozialausschusses (WSA) der Europäischen Union, Dipl.-Ing. Rudolf Strasser, am 30. Juni 2004 sein Mandat zurückgelegt hat.

Als Nachfolger für Dipl.-Ing. Strasser hat die Bundesregierung am 12. Oktober über Vorschlag der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs (PRÄKO) Herrn ÖkR Mag. Hans Kletzmayr für die Neubesetzung des offenen Sitzes in der Gruppe 111 (Sonstige) als Landwirtschaftsvertreter für den WSA nominiert.

Die förmliche Ernennung erfolgt gemäß Art. 259 Abs. 1 EGV durch den Rat.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Schüssel

Anlagen: Lebenslauf von Herrn ÖkR Mag. Hans Kletzmayr; Rücktrittsschreiben von Dipl.-Ing. Rudolf Strasser. (Beide Anlagen liegen in der Parlamentsdirektion auf.)

*****

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Eingelangt und zugewiesen sind jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Weiters eingelangt und zugewiesen ist der Bericht über die Tätigkeit der Volks­anwalt­schaft im Jahr 2003 beziehungsweise der Entschließungsantrag 139/A (E)-BR/2004 der Bundesräte Schimböck, Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls jeweils als Verhand­lungsgegenstand auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung stehen.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.


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Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Diese Vorlagen, die Erklärung der Bundesministerin für Justiz sowie der gegenständ­liche Entschließungsantrag wurden auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung ge­stellt.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Auf Grund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 3 und 4, 5 und 6, 8 und 9 sowie 12 und 13 der Tagesordnung jeweils unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Professor Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend SOS Innere Sicherheit an den Herrn Bundes­minister für Inneres vorliegt.

Im Sinne der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sit­zung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

1. Punkt

Erklärung der Bundesministerin für Justiz gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt.

Ich begrüße Frau Bundesministerin Mag. Miklautsch erstmals in unserem Hause und erteile ihr zur Abgabe einer Erklärung das Wort.

 


10.50

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch: Sehr geehrte Damen und Her­ren! Zuerst möchte ich mich dafür entschuldigen – ich fange gleich mit einer Entschul­digung an –, dass ich erst heute hier im Bundesrat meine Antrittsrede halte. Wie Sie wissen, war ich schon einmal avisiert, und dann ist ein Auslandstermin dazwischen­gekommen. Ich möchte mich recht herzlich für das Verständnis bedanken, das Sie hatten, sodass ich diesen Auslandstermin wahrnehmen konnte. Somit habe ich heute erstmals die Gelegenheit, vor diesem Gremium meine Antrittsrede zu halten.

Ich will diese Antrittsrede dazu nützen, um Ihnen darzulegen, was meine Schwer­punkte im Bereich der Justiz und Justizpolitik in den nächsten Jahren sein werden. Ich möchte damit beginnen, dass einer meiner Hauptschwerpunkte sicher die Sicherheits­politik sein wird. Wie Sie letztens aus der Medienberichterstattung entnehmen konnten, haben wir im Bereich der Justizanstalten derzeit eine Situation, wie wir sie noch nie hatten. Ich habe mir natürlich die aktuellen Häftlingszahlen herausgesucht, und ich kann Ihnen berichten, dass wir mit heutigem Stand eine Häftlingszahl von 8 936 er­reicht haben. Etwa zur selben Zeit im Jahr 2002 hatten wir zirka um 1 000 Häftlinge weniger. Sie können sich vorstellen, was das für uns bedeutet. Wir haben eine Situation, wie wir sie, wie gesagt, noch nie hatten, die uns jetzt natürlich vor ver­schiedene Probleme stellt: auf der einen Seite Haftraum, auf der anderen Seite


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Personal. Es gilt jetzt für die nächste Zeit, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, diese Situation auch bewältigen zu können.

Derzeit ist es so, dass wir an der Grenze der Belastbarkeit arbeiten. Wie Sie wissen, überlege ich auch einen Assistenzeinsatz oder die Hilfe des Bundesheeres. Es gibt da bereits sehr enge Gespräche und Kooperationen mit Herrn Bundesminister Platter, und ich bin mir sicher, dass wir hier eine gemeinsame Lösung finden werden. Also das ist ein ganz wichtiger Bereich.

Im Zuge der Budgetverhandlungen ist es mir gelungen, dass dieser Sicherheitsaspekt auch im Budget Eingang gefunden hat, einerseits dadurch, dass wir für das Justiz­budget doch eine Steigerung von 11,5 Prozent erreichen konnten, was wirklich sehr gut ist und auch den Sicherheitsaspekt widerspiegelt. Andererseits ist es in den Stel­lenplanverhandlungen auch gelungen, ein Plus an Planstellen für den Justizwache­bereich herauszuverhandeln, sodass wir sicherlich mittelfristig und vor allem auch längerfristig die Situation dort im Griff haben werden.

Ein weiterer mir wesentlicher Aspekt ist der Bereich des Opferschutzes. Auch in diesem Bereich möchte ich noch vermehrt Akzente setzen. Vor allem wollen wir diese Opferschutz-Hotline, die mein Amtsvorgänger Dieter Böhmdorfer eingerichtet hat, noch verbessert einsetzen. Mir ist aber auch da wichtig, dass wir eine Kooperation der Opferschutzeinrichtungen herbeiführen können, nämlich in der Richtung, dass wir mit den zur Verfügung stehenden beschränkten Ressourcen tatsächlich bestmöglich den Opferschutz gewährleisten können. Ich stelle mir das so vor, dass es eine Vernetzung der Opferschutzeinrichtungen gibt und dass jeder sein Segment wahrnimmt und sein Segment bestmöglich mit dem zur Verfügung stehenden Personal abdeckt.

Zum Beispiel kann unsere Opferschutz-Hotline rechtliche Hilfe auf höchstem Niveau anbieten, andere Opferschutzeinrichtungen können ihre Hilfestellungen, zum Beispiel Krisenintervention oder psychosoziale Betreuung und so weiter, in ihrem Bereich anbieten. Man muss schauen, dass man wirklich auf die Bedürfnisse des Opfers abstellt, und versuchen, hier wirklich die bestmögliche Hilfestellung zu gewährleisten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es gibt dazu schon Vorgespräche mit den Opferschutzeinrichtungen; das möchte ich auf alle Fälle intensivieren, und ich hoffe, dass wir hier wirklich ein gescheites Projekt auf die Reihe bekommen werden.

Ein weiteres mir sehr wichtiges Anliegen sind natürlich auch Frauenpolitik und Gleich­stellungsfragen. Im Justizministerium ist ein Gleichbehandlungsbeirat eingerichtet. Mir ist es aber auch wichtig, dass wir in Gleichstellungsfragen die nötigen Akzente setzen. Zum Beispiel läuft derzeit ein Projekt zur Beurteilung der Frage, warum der Berufs­stand der Justizwachebeamtinnen so wenig attraktiv für Frauen ist. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt, dass Frauen in den Justizanstalten arbeiten, weil das Klima in den Justizanstalten ein ganz anderes ist, wenn Männer und Frauen dort Dienst tun. Wir haben im Bereich der Justizanstalten noch sehr wenige Frauen, aber sehr enga­gierte und sehr gute Frauen, und hier gilt es auch Zeichen zu setzen.

Wir werden auch in Zukunft weitere Pilotprojekte und Pilotstudien machen, um diesen Themenbereich auch wirklich wissenschaftlich zu untersuchen, und daraus dann die nötigen Maßnahmen ziehen, um die Situation in diesem Bereich zu verbessern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein weiteres Anliegen ist der Bereich Obsorge und Kinderschutz. Auch hier gibt es das Ergebnis einer Arbeitsgruppe im Zusammenhang mit Obsorgeverfahren für Schei­dungskinder. Wir haben schon auf die ersten Ergebnisse reagiert und werden jetzt im Rahmen eines Pilotprojektes den Kinderbeistand mit den verschiedenen Möglichkeiten


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abtesten und dann auf Basis der Ergebnisse dieser Studien tatsächlich die beste Möglichkeit in die Realität umsetzen.

Ein ganz zentraler Punkt neben diesen Aspekten ist in nächster Zeit das Maß­nahmenpaket zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich. Es ist mir persönlich ein ganz wichtiges Anliegen, dass wir die nötigen Maßnahmen und Rahmenbedin­gungen schaffen, um Österreich als Wirtschaftsstandort tatsächlich zu festigen. Es laufen derzeit gerade die Verhandlungen im Zusammenhang mit der Änderung des Aktiengesetzes und Börsegesetzes im Hinblick auf die Anzahl der Aufsichtsrats­funktionen, die eine Person wahrnehmen kann. Weiters geht es um die Wirtschafts­prüfer, interne, externe Rotation. Es sind viele Details, die hier ausverhandelt werden.

Daneben wird es eine Kartellgesetznovelle geben. Wir werden das Kartellgesetz gänzlich neu gestalten. Was mir in diesem Zusammenhang wichtig ist, ist die Sozial­betrugsbekämpfung, denn gerade in diesem Bereich gilt es wirklich sehr viel zu tun, dass wir dem Unwesen mit Scheinfirmen gerade im Bereich des Bauwesens einen Riegel vorschieben können und tatsächlich Instrumente schaffen, um die öster­reichische Wirtschaft nicht zu belasten und zu schwächen. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen.)

Mir ist es aber auch wichtig, dass wir mit unseren Nachbarländern sehr eng koope­rieren. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, gerade im Justizbereich. Wir brauchen uns für die österreichische Justiz nicht zu genieren, wir haben einen sehr hohen Standard an Wissen, an Know-how, auch im EDV-Bereich und im Bereich der Gerichts­organisation. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, dass wir gerade mit Kroatien, aber auch mit den künftigen Mitgliedsländern, die in der zweiten oder dritten Phase aufgenommen werden, mit dem gesamten Westbalkanbereich, mit dem wir auch geschichtlich eine Verbindung haben, im Bereich der Justiz eng zusammenarbeiten.

Hintergrund ist für mich auch jener, dass seitens Amerika und von gewissen EU-Mitgliedstaaten versucht wird, deren Gerichtssystem in diese Staaten hineinzu­transferieren. Wir müssen Partner finden, die ein ähnliches Gerichtssystem haben wie wir – wir haben es ja teilweise schon –, es ist notwendig, dass wir diese Partnerschaft auch noch stärken. So gibt es bereits enge Kooperationen und Zusammenarbeit mit Kroatien im Bereich des Grundbuchwesens, enge Zusammenarbeit im Rahmen des CARDS-Projekts mit den Westbalkanstaaten Kroatien, Mazedonien, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Albanien, gerade auch im Bereich der Gerichtsorganisation.

Eine gut funktionierende Gerichtsorganisation und Gerichtsbarkeit in diesen Ländern sind natürlich ein wesentlicher Faktor für deren Wirtschaft und in weiterer Folge auch für unsere Wirtschaft, wenn österreichische Unternehmen dann tatsächlich dort die Möglichkeit haben, Investitionen zu tätigen, wobei ich mir erhoffe, dass der Wohlstand in diesen Ländern steigt und im Endeffekt dann wieder die Zuwanderungsrate aus diesen Ländern nach Österreich sinken wird. Also ich erhoffe mir doch – und wir sind da auf einem sehr guten Weg –, dass wir gerade in diesem Bereich eine Vorreiterrolle spielen, und das werde ich sehr unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Wie Sie ja wissen, kommt auf uns in zwei Jahren, zu Beginn des Jahres 2006 die EU-Präsidentschaft zu; wir werden den Ratsvorsitz übernehmen. Auch das wird der Schwerpunkt meiner Arbeiten im nächsten und vor allem dann im Jahr 2006 sein. Wir sind dabei, uns bestmöglich auf diesen Ratsvorsitz vorzubereiten. Wir haben auch jetzt bereits eng mitgearbeitet an diesem Rahmenprogramm für die Arbeit des Rates Justiz und Inneres für die nächsten fünf Jahre, und wir werden sicherlich in diesem Bereich einen Rahmenbeschluss umsetzen, der sich mit dem Strafvollzug im Heimatstaat beschäftigen wird. Das wird im Strafrechtsbereich eine wesentliche Rolle spielen. Es


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wird aber auch gelten, eine enge Kooperation mit den anderen EU-Mitgliedstaaten herbeizuführen, damit wir diese EU-Präsidentschaft bestmöglich über die Bühne bringen.

Last but not least ist es mir persönlich sehr wichtig, dass wir die Justiz service­orientierter gestalten. Ich habe mir wirklich vorgenommen, dass ich Bürgerservice leben will und die Justiz bürgerorientierter gestalten will. Ich habe in meinem Ressort, bei mir im Kabinett, bereits eine Bürgerservicestelle eingerichtet, wo sich Bürger und Bürgerinnen mit ihren Anliegen an das Justizministerium wenden können. Auf der anderen Seite habe ich bereits gestern meinen ersten Bürgersprechtag im Landes­gericht Salzburg abgehalten. Ich bin also als Justizministerin vor Ort, um mir die Bürgeranliegen anzuhören und auch aufzunehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen.)

Ich sehe es für mich als Justizministerin, aber auch für die gesamte Bundesregierung als einen ganz wesentlichen Aspekt, dass wir nicht nur in Wien arbeiten, sondern auch zu den Bürgerinnen und Bürgern gehen, um einerseits unsere Politik den Bürgern näher zu bringen und andererseits die Anliegen der Bürger zu hören, damit wir wissen, wo die Bevölkerung der Schuh drückt. Und das wird für mich für die Zukunft, für die nächsten zwei Jahre ein ganz wichtiger Punkt sein, ein Punkt, auf den ich das Gewicht legen werde und in den ich auch sehr viel Arbeit investieren werde.

So weit in kurzen Abrissen mein Programm für die nächsten Jahre. Es ist noch vieles en detail zu berichten, und ich stehe für Anfragen und jegliche Information gerne zur Verfügung. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit! (Allgemeiner Beifall.)

11.02

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Es liegt ein Verlangen vor, im Anschluss an die von der Frau Bundesministerin abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne weiteres stattgeben.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist der Herr Bundesrat Wiesenegg. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.02

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Minister! Herr Präsident! Hohes Präsidium! Hohes Haus! Vorerst darf ich als Tiroler Abgeordneter und Bürgermeister Ihnen als neue Ministerin für Justiz alles Gute und viel Erfolg wünschen und Ihnen die Hand für eine konstruktive Zusammenarbeit reichen.

Frau Minister! Tagtäglich haben gerade wir Bürgermeister mit unseren Bürgern haut­nah zu tun und werden so wie Sie mit den verschiedensten und vielfältigsten Prob­lemen konfrontiert, so auch mit Verfahrensverzögerungen auf allen Ebenen. Die Justiz, geschätzte Damen und Herren, ist eine dieser wichtigen Ebenen. Ungebühr­liche Verfahrenslängen oder Verfahrenskosten, besonders bei Freisprüchen, bringen gerade im Bereich der Justiz schwere Einschnitte in die Existenzgrundlage jedes einzelnen Betroffenen.

Frau Minister! Ich sage das hier so deutlich, weil Ihre Erklärung, Positives ins Justiz­ministerium einzubringen, einfach ergänzt werden soll, ja muss.

Artikel 41 der EU-Charta schreibt einen Kodex für gute Verwaltungsführung zwingend vor. Im Grundrechtsteilbericht der Volksanwaltschaft wird auch festgestellt, was wir als Bürgermeister seit vielen Jahren einfordern, nämlich: eine ungebührliche Verfahrens­verzögerung gerade im Justizbereich endlich abzustellen. Ich füge auch hinzu, ge­schätzte Frau Minister, dass dies nicht ausschließlich eine Angelegenheit der Justiz auf Bundesebene ist, sondern auch auf die Landes- und Gemeindeebene zutrifft.


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Frau Minister, der Rechtsstaat läuft leer, wenn eingebrachte Berufungen jahrelang unbearbeitet liegen bleiben, wie auch die Volksanwaltschaft feststellt. Das ist meines Erachtens eine untolerierbare Vorgehensweise.

Frau Minister, mir geht es aber um mehr, nämlich darum, dass endlich auf Ihre Initiative – und vielleicht nach unserem heutigen Gespräch, wie ich hoffe – ein Un­rechtszustand in Österreich abgeschafft wird, der besonders jene Staatsbürger trifft, die, wie auch immer, in den Kreislauf der Justiz geraten, sehr viele persönliche Diffamierungen über sich und ihre Angehörigen hilflos ertragen müssen und dann schlussendlich durch die Justiz freigesprochen werden. Diese Mitbürgerinnen und Mitbürger, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, müssen, wie Sie, Frau Minister, und Sie, meine Damen und Herren hier im Hohen Hause, ja wissen, die entstandenen Verfahrenskosten bis auf einen geringen Kostenanteil der Justiz selbst bezahlen.

Ich möchte das am Beispiel eines Tiroler Gemeindesekretärs aufzeigen – ich habe es Ihnen in schriftlicher Form hier mitgebracht –, der, wie es halt so oft passiert, einfach deshalb, weil es heute so leicht gemacht wird, jeden bei der Staatsanwaltschaft anzuschwärzen, auf einmal wegen Amtsmissbrauches angeklagt war. Gottlob wurde er dann freigesprochen, aber die Kosten von 20 000 € musste er selbst bezahlen. – Ein Freispruch, geschätzte Damen und Herren, der für diesen Gemeindesekretär schlussendlich zur Existenzgefährdung wurde. Frau Minister, dies ist nicht nur – verzeihen Sie mir den Ausdruck! – ein Skandal, sondern ein Missstand in unserem Rechtssystem, der sofort abgestellt werden muss.

Geschätzte Damen und Herren! Liebe Frau Minister! Ich weiß, wovon ich heute zu Ihnen spreche. Ich selbst wurde durch eine politische Intrige, von einer politischen Partei, die heute sehr staatstragend ist, an die Staatsanwaltschaft und von dort auf bestimmten Wegen weitergeleitet zum Landesgericht Innsbruck, wegen schweren Betruges angeklagt und dort durch den Obersten Senat freigesprochen. Die hier anwesende Tiroler ÖVP-Abgeordnete, Frau Bundesrätin Fröhlich, weiß, wovon ich spreche, und sie kann dies auch bestätigen. Die Kosten für meinen Freispruch in Höhe von 14 000 € wurden mir, genauso wie im Fall des Seefelder Gemeindesekretärs, per­sönlich in Rechnung gestellt. – Auch hier, geschätzte Damen und Herren, wurde ein Freispruch zur zusätzlichen Bestrafung durch die Justiz.

Frau Minister, hier wartet sehr viel Arbeit auf Sie. Ich hoffe, von Ihnen bald einen Initiativantrag in diese Richtung – zum Schutze Unschuldiger – zu sehen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.) Ich hoffe, dass Sie im Zuge einer parlamentarischen Verhandlung einen solchen Antrag vorlegen, um dieses in Österreich bestehende Unrecht aufzuheben.

Ich danke Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und ganz besonders Ihnen, Frau Minister, für Ihre Aufmerksamkeit in einer Angelegenheit, die morgen Sie, Sie und Sie (jeweils in Richtung einer anderen Fraktion) treffen kann. Daher erlaube ich mir, Ihnen den Zeitungsausschnitt über diesen unseligen Gemeindesekretär mitzugeben, den diese Sache in seiner Existenz – als Häuslbauer, als junger Familienvater – sehr getroffen hat. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Bundesrat Wiesenegg überreicht Bundesministerin Mag. Miklautsch den betreffenden Zeitungsartikel.)

11.08

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich erteile ihm das Wort.

 



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11.09

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich von der Oper in Richtung Parlament begibt, kann man beim äußeren Burgtor eine Inschrift sehen: „Iustitia regnorum fundamentum“. Diese Inschrift wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts dort angebracht. Übersetzt heißt das, dass Gerechtigkeit nur möglich ist, wenn ein ordentliches Fundament durch eine gute Staatsregierung gegeben ist. Heute würde man sagen, weil alles gerne in Englisch ausgesprochen wird: good governance. Und es ist auch von der Frau Bundesministerin ausdrücklich erwähnt worden, dass Österreich hier international gesehen auf einem Spitzenplatz liegt.

„Iustitia“ ist im Lateinischen weiblich, und die Göttin Justitia wird immer als Frauen­gestalt dargestellt; das war in der Antike so, im Römischen Reich. Aber zum Beispiel auch am Alten Rathaus, wo meine kommunalpolitische Heimat ist, wenn man so sagen will, ist – das sieht man, wenn man vor dem Tore steht – auf der linken Säule Justitia dargestellt, mit Blick auf das gegenüberliegende Gebäude, in dem sich der Verfas­sungs- und Verwaltungsgerichtshof befindet. In diesem Fall also blickt Justitia dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes, Dr. Jabloner, ins Arbeitszimmer.

Justitia ist aber auch abgebildet im Justizpalast, der nicht weit vom Parlament entfernt steht. Und nun hat, um es etwas lyrisch zu sagen, auch eine Dame vom Palais Trautson Besitz ergriffen, und das ist etwas ganz Besonderes, denn das Justiz­ministerium zählt heute so wie auch schon früher immer zu den klassischen Ressorts. Diese Ressorts sind Äußeres, Inneres, Landesverteidigung, Finanzen, Bildung und Justiz. Wenn ich mir das in weiterer Folge zahlenmäßig ansehe, stelle ich fest, dass von diesen sechs klassischen Ressorts heute drei von Damen besetzt sind: das Justizministerium, das Außenministerium und das Bildungsministerium. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und den Grünen.)

Das bedeutet für die klassischen Ressorts eine 50-Prozent-Besetzung, und ich darf vor allem in Richtung der Linken – links hier im Saal sitzend, meine ich natürlich – sagen, dass das immerhin von einer Mitte-Rechts-Regierung in die Tat umgesetzt worden ist. Wenn ich mich an die letzten Ausführungen der Kollegin Blatnik erinnere, hat sie ja kritisiert, dass in den Landwirtschaftskammern nur Männer sind. (Zwischenruf der Bun­desrätin Blatnik.) In den Arbeiterkammern, wurde dann in der Diskussion klargestellt, sind auch nur Männer in Präsidentenfunktion, hingegen haben wir in der Wirtschafts­kammer unsere Präsidentin Zwazl aus Niederösterreich, und in Wien wird demnächst auch eine Dame die Präsidentschaft in der Wirtschaftskammer Wien übernehmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Durch die Mitte-Rechts-Regierung ist gezeigt worden (Abg. Konecny: Wo ist die Mitte?), dass für qualifizierte Damen die Tür weit offen steht, um auch höchste politische Ämter zu übernehmen. Ich möchte hier unterstreichen und auf diese Signal­wirkung ganz besonders hinweisen, denn im 7. Bezirk, wo sich das Palais Trautson befindet, gibt es einen männlichen Bezirksvorsteher von den Grünen. Eigentlich hätte ich erwartet, dass dort ein weiblicher sitzt. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Meine Fraktion freut sich über die Besetzung im Justizministerium und bietet Unter­stützung für eine sachliche, reformorientierte Zusammenarbeit in jeder Richtung an. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Bundesminister! Sie haben in einem – wie soll man sagen? – einerseits sehr resoluten, andererseits kompetenten Vortrag Ihre Projekte vorgestellt. Da ist einiges darunter, und ich will dem Herrn Professor Böhm nicht alles wegnehmen, weil er einer meiner Nachredner ist, aber zwei Dinge haben mich sehr gefreut: Das eine ist, dass


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Sie weit über die Grenzen hinausblicken und Staaten, die sich nicht in einer derartig guten rechtlichen Situation befinden, die nicht so gut ausgebildete Richter, Staats­anwälte und so weiter haben, österreichische Hilfe in Ausbildungsfragen anbieten. Das ist besonders hervorzuheben.

Und das Zweite ist etwas, das, wenn ich das etwas kritisch sagen darf, bei Ihrer Partei nicht immer der Fall ist, aber offensichtlich bei der jüngeren Generation durchaus auch allgemeines Gedankengut ist: dass Sie Europa unterstützen und dann, wenn wir 2006 die Präsidentschaft haben werden, im Bereich der Justiz und dem Inneren auf jeden Fall Initiativen setzen. Das möchte ich besonders erwähnen und Ihnen dafür danken.

Nun zurück zur Inschrift auf dem Äußeren Burgtor. – Wenn man schon Gelegenheit hat, hier das Wort zu ergreifen, möchte ich doch auf eine Situation hinweisen, die mich zumindest nachdenklich gestimmt hat. Wir haben einerseits eine gute Regierung ... (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Konecny: Also die Behauptung stimmt uns auch sehr nachdenklich!) Bitte, Sie können international nachschauen: Unsere Regierung steht gut da. (Neuerliche ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Konecny: Herr Kollege! Wen soll ich denn anrufen, der mir das bestätigt?) Es gibt eine Umfrage, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte, Herr Professor, dass die Opposition, bestehend aus Sozialdemokraten und den Grü­nen, nur kritisieren kann. Dies wird von 61 Prozent der Österreicher gemeint. Reformen werden von Ihrer Seite wenig bis keine erwartet. – Aber das macht nichts. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Regierung – egal, wie sie besetzt ist – benötigt unbedingt gut ausgebildete, loyale Beamte im weitesten Sinne; man könnte auch Staatsdiener sagen. In einer einge­spielten Demokratie, einer Rechtsstaatlichkeit auch in Richtung Montesquieu ist es notwendig, dass sowohl in der Legislative, der Exekutive als auch in der Judikative, damit die Gewaltenteilung tatsächlich stattfinden kann, entsprechende Menschen zur Verfügung stehen (Bundesrat Konecny: Und in ausreichender Zahl!), die loyal dem Staat gegenüber sind und auch ein hohes Maß an Einsatzbereitschaft zeigen, um Probleme zu lösen.

Zu diesen Gruppen zähle ich – das ist meine persönliche Auffassung – Richter und Staatsanwälte, Polizei, Gendarmerie und Justizwache, das Bundesheer, aber auch die Ministerialbürokratie – wobei „Bürokratie“ hier besonders positiv erwähnt werden soll. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte das Streikrecht von niemandem in Frage stellen (Bundesrat Konecny: Das ist aber gut!), aber ein Richter beziehungsweise ein Staatsanwalt hat eine besondere Reputation, und bevor er zum Streikrecht greift, soll er über diese Reputation, die er hat, nachdenken (Bundesrat Konecny: Das haben sie nicht getan?) und darüber, dass er dem Staat zu dienen hat, aber nicht nur dem Staat und sich selbst, sondern auch den Bürgern, -rinnen und Bürgern. (Bundesrat Reisenberger: Das Wort „-rinnen“ zeigt schon Ihre Einstellung! – Bundesrätin Bachner: Sehr richtig!)

Wenn nun festgestellt wird, dass ein gewisser Berufsstand vielleicht eine temporäre Überlastung hat, dann kann man ja durchaus Überstunden leisten. Viele leisten ja gerne Überstunden, weil die Bezahlung dieser Stunden ja besser ist. Und gerade was die Besoldung heute betrifft, ist eines zu sagen (Bundesrat Konecny: Herr Kollege! Wissen Sie, wovon Sie reden?) – ja, ich weiß, wovon ich rede, im Gegensatz zu Ihnen –: dass heute die Spitzenbeamten, egal, in welchem Bereich sie tätig sind, sehr gut bezahlt werden. Das lässt sich auch international entsprechend belegen.

Daher soll man nicht auf dem Rücken der Bürger durch irgendwelche Streikmaß­nahmen die Rechtsabwicklung verzögern. Ich appelliere noch einmal, dass Richter und Staatsanwälte dies überdenken sollen, denn schließlich sind sie freiwillig Richter und


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Staatsanwälte geworden. An der Bezahlung kann es nicht liegen. Und wenn nun einmal am Arbeitsplatz etwas mehr zu tun ist, dann kann man erwarten, dass der Betreffende dieser Arbeit auch nachkommt.

Und einen Vorteil haben die Richter und auch die Staatsanwälte: Sie können, was die Arbeitszeit und die Arbeitsplatzwahl betrifft, sehr freizügig umgehen. (Bundesrat Reisenberger: Wenn Gerichte aufgelöst werden?)

Daher sei hier noch einmal im Sinne des Ansehens von Richtern und Staatsanwälten an diese appelliert: Sie mögen genau überlegen, wann Grenzen überschritten werden. Man muss nicht jedes Recht wahrnehmen. (Bundesrat Reisenberger: Das haben sie sehr wohl überlegt!)

Jetzt auf mich selber bezogen: Auch ich habe früher selbstverständlich ein Streikrecht gehabt. Mir wäre es aber persönlich nie in den Sinn gekommen, dass ich streiken werde (Bundesrat Reisenberger: Das ist bezeichnend für Sie! Wir haben uns nicht getäuscht in Ihnen!), denn mit solchen Maßnahmen könnte unter Umständen der Staat lahm gelegt werden. Und das muss ich mir gut überlegen, ob dieses Chaos sinnvoll wäre.

In diesem Sinne: Man möge das bedenken, und ich appelliere an das innere Ethos der Richter und Staatsanwälte.

Zuletzt darf ich Ihnen, Frau Bundesminister, nochmals viel Erfolg und alles Gute in Ihrer neuen Tätigkeit wünschen. Die Unterstützung meiner Fraktion haben Sie in jeder Weise. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.20

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.20

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wie auch Ihrem Amtsvorgänger bieten wir von Seiten der Grünen auch Ihnen die offene Hand zum Dialog und auch zum Gespräch an. Wir haben dieses ja gerade auch mit Ihrem Vorgänger sehr intensiv geführt. Nichts­desto­trotz muss ich, bevor ich auf Ihre Ausführungen zu sprechen komme, doch ein paar Sätze zum Kollegen Kühnel sagen. (Bundesrat Konecny: Ein paar genügen aber!)

Lieber Herr Kollege Kühnel! Wenn man nach Ihrer Art und Weise Beschäftigte in Österreich in verschiedene Klassen einreiht – das heißt: die Richter und Staatsanwälte sind keine Arbeitnehmer, dürfen nicht ihren Interessen Ausdruck verleihen, dürfen auch nicht einmal protestieren –, dann kann man das noch ausdehnen: Es sind dann also auch die Polizisten und Polizistinnen keine normalen Arbeitnehmer, es sind die Lehrer und Lehrerinnen keine normalen Arbeitnehmer, es sind die zum Hochschul­personal Zählenden keine normalen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Also die Hälfte Österreichs darf, folgt man der Logik des Herrn Kollegen Kühnel, ihren Arbeit­nehmerrechten nicht nachkommen. – Das gibt es nicht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Bundesrat Dr. Kühnel: ..., Herr Kollege, das habe ich nicht gesagt!)

Und wenn man das dann vielleicht noch mit einem Streikverbot für den ersten Bezirk garniert (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ) und vielleicht sogar noch ein Demonstrationsverbot dazuhängt, dann sind Sie wahrscheinlich endgültig glücklich. – So geht es nicht, Herr Kollege Kühnel! Tut mir Leid!

Zweitens: Es gefällt mir immer, wenn Männer, die aus stark von Männern dominierten Interessenvertretungen kommen, immer auf die paar Vorzeigedamen verweisen, die sie ... (Widerspruch der Bundesrätin Roth-Halvax.) – Nun, das muss man doch sagen!


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(Bundesrätin Dr. Lichtenecker – in Richtung Bundesrätin Roth-Halvax –: Das war ein Kompliment!) Wir müssen einmal schauen, ... (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Nein, tut mir Leid: Ich möchte ja gerade betonen, dass ich es toll finde, dass, unter der Leitung von Frau Zwazl, die ÖVP-Niederösterreich alle ihre BundesrätInnensitze weib­lich besetzt hat – ich finde es ein bisschen bedauerlich, dass die ÖVP aus Oberösterreich nur Männer geschickt hat –, weise aber dennoch darauf hin, dass man sich, wenn man etwas sagt, was frauenpolitisch wichtig ist, immer das Gesamt­verhältnis anschauen muss. Man kann nicht sagen: Wir haben vier Spitzenfrauen!, aber über 80 Prozent der Macht verfügen dann die Männer. So geht das nicht, Herr Kollege Kühnel, es geht um das Gesamtverhältnis! Und „gendern“ heißt: halbe-halbe in allen Bereichen und in allen Vertretungen. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Ich rede ja zum Kollegen Kühnel. Er hat dieses Thema ja angezogen, und deshalb darf er sich auch eine Antwort erwarten.

Nun, Frau Bundesministerin, zu Ihnen. Ich bin ja Contra-Redner, ich habe Ihnen aber auch die offene Hand und auch das offene Gespräch angeboten. Über eines war ich und bin ich entsetzt, und ich bin es heute erst recht, nachdem ich es wieder aus Ihrem Mund gehört habe. – Es gibt Militärs im Strafvollzug, aber schauen wir uns einmal die Gesellschaften an, in denen Militärs im Strafvollzug, in der Behandlung und in der Betreuung von Gefangenen tätig sind: Das sind Militärdiktaturen, Frau Bundes­minis­terin! Keine moderne Demokratie, kein moderner Rechtsstaat hat Militärs, hat Soldaten auch nur irgendwo in der Nähe eines Strafvollzuges! Wenn wir sagen, wir sind zu Recht stolz auf die österreichische Justiz, so können wir das auch durchaus sein; aber wir dürfen es dann mit Sicherheit nicht mehr sein, denn dann reihen wir uns vielleicht noch zu den letzten Staaten, in denen noch eine Militärdiktatur herrscht, wie etwa in Burma, wo sicherlich die Gefängnisse ausschließlich von Militärpersonal geführt werden.

Bitte, bitte, nehmen Sie Abstand davon, auch nur in die Nähe solcher Gedanken zu geraten! Militärs haben im Inneren des Landes nichts zu tun! Sie sind für die Sicherung der Grenzen und sie sind für Auslandseinsätze da, aber sie haben weder polizeiliche Aufgaben im Inneren, noch irgendwelche ... (Bundesrat Kneifel: Bei Katastrophen brauchen wir sie schon! Bei Katastropheneinsätzen brauchen wir sie auch im Inland! Im Inland auch, bitte!) – Ja, sehr schön: Katastropheneinsätze, das ist ein sehr ziviler Einsatz. (Bundesrat Kneifel: Aber im Inland!) Ein sehr ziviler Einsatz: Sandsäcke zu schichten und mit Hacke und Pickel irgendwelche Katastrophen ... (Bundesrat Kneifel: Nicht abwerten! Nicht abwerten!) Nein, aber das ist ein ziviler Einsatz, Herr Kollege! (Bundesrat Kneifel: Nicht abwerten: „Sandsäcke“!) Die schießen nicht im Katas­tropheneinsatz! (Bundesrat Kneifel: Das ist wichtig!) Ich habe es gerade gesagt ... (Bundesrat Kneifel: Das ist keine minderwertige Tätigkeit im Katastropheneinsatz! – Bundesrätin Konrad – in Richtung des Bundesrates Kneifel –: Das hat niemand gesagt!) – Ich weiß nicht: Brauchen Sie jetzt ein bisschen Aufregung? Ist das deshalb, weil Oberösterreich nur Männer schickt – oder warum habe ich mir das jetzt zuge­zogen?

Ich habe gesagt: Es ist wichtig. Der Katastrophendienst erfolgt mit Pickel, Hacke, Sandsäcken und so weiter und so fort. Es ist richtig, was Kollege Kneifel sagt: ein wichtiger Dienst! Und zu dem haben wir uns auch, alle Fraktionen, immer bekannt. Aber: Man ist nicht mit Sandsäcken, Pickel und Schaufel im Strafvollzug tätig, Herr Kollege Kneifel! Und wie gesagt: Militär hat im Strafvollzug nichts zu suchen.

Die Frau Bundesminister hat zu Recht – zu Recht! – auf das dramatische Anwachsen der Zahl der Gefängnisinsassen in den letzten Jahren und auf die überfüllten Gefäng­nisse hingewiesen. Nur, Frau Bundesministerin: Sie haben als Ausweg neue Möglich­keiten aufgezeigt, diese anwachsende Zahl von Insassen zu verwahren: Wie können


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wir diese dramatisch anwachsenden Zahlen besser verwahren und bewältigen? – Aber in Wirklichkeit geht es darum, sich zum Strafvollzug heute anderes zu überlegen, sich zum Beispiel zu überlegen: Wie können wir im Bereich der vorzeitigen Entlassung langsam europäisches Niveau erreichen? – In Deutschland werden immerhin 50 Pro­zent der Häftlinge vorzeitig entlassen, in der Schweiz – ganz „schrecklich“!, ich weiß, die FPÖ hat ja die Schweiz immer als das „Kolumbien Europas“ bezeichnet – werden 92 Prozent der Häftlinge vorzeitig entlassen, in Österreich dagegen nur 20 Prozent! – Das ist Wiedereingliederungshilfe, Herr Kollege! Das ist nicht „Verwahrung“, sondern das ist ein aktiver Beitrag, um Menschen nicht zu lange von der Gesellschaft weg­zusperren, sondern ihnen eine Reintegration in eine Gesellschaft zu ermöglichen. Das macht ja Sinn, und deshalb gibt es auch dieses Instrument.

Dass die österreichische Bundesregierung beziehungsweise die Praxis Österreichs dermaßen abweicht von der Praxis, wie sie zum Beispiel in der Schweiz geübt wird – von dieser weicht sie sogar extrem ab –, oder auch von der Praxis in Deutschland, das kann ja nicht logisch sein, meine Damen und Herren! Hier erwarte ich mir eine Diskussion, um diesbezüglich zu einer anderen Praxis im Strafvollzug zu kommen.

Sie haben natürlich ein bitteres Erbe angetreten, Frau Bundesministerin, nämlich das Erbe Ihres Vorgängers. Das größte Gefängnis in Wien, jenes in der Josefstadt, ist überfüllt: 135 Prozent! – Aber das ist doch klar, wenn man den Jugendgerichtshof – eine Einrichtung, um die man uns weltweit beneidet hat – schließt und jetzt all die Jugendlichen in die Josefstadt überführen muss und dort hineinstopft und dies – es gibt auch andere Gründe – mit ein Faktor ist, dass die „Josefstadt“ ein Gefängnis ist, in der man nur mehr von „Aufbewahrung“ reden kann! Es werden dort die Jugendlichen in eine Situation gebracht, in der sie nur mehr „aufbewahrt“ werden, ohne dass man ihnen die Möglichkeit gibt, zum Beispiel einen Beruf fertig zu erlernen und einer sinn­vollen Beschäftigung nachzugehen. Im Grunde werden die Inhaftierten oder die Insas­sen in Gefängnissen behandelt wie Kinder vor dem Eintritt in den Kindergarten: wecken, herumsitzen, aufs Essen warten, zweimal zum Duschen eingeteilt werden, vielleicht einmal irgendwo im Kreis gehen und dann wieder zum Schlafen geschickt werden. – Wir müssen uns doch bitte – vor allem bei dermaßen explodierenden Zahlen – hier um eine sinnvolle Integration, um eine sinnvolle Ausbildung kümmern!

Weiters – wir haben ja heute noch viel Zeit zum Diskutieren –: Kollege Wiesenegg, glaube ich, hat schon die Verfahrenslänge angeschnitten, vor allem im zivilrechtlichen Bereich. Die Bürger und Bürgerinnen haben ein Recht auf Entscheidungen! Sie haben damals gesagt, Sie brauchen mehr Personal im Gefängnis, Sie brauchen mehr Per­sonal in der Justiz. (Bundesrat Konecny: Dieser Meinung sind wir auch!) Wo haben Sie sich diesbezüglich im Budget gegenüber Finanzminister Grasser durch­gesetzt? Wo haben Sie sich durchgesetzt gegenüber dem Herrn Bundeskanzler, der das ja letztlich zu verantworten hat?

Die Bürger haben ein Recht auf rasche Entscheidungen, denn diese extremen Verfah­renslängen, vor allem im zivilrechtlichen Bereich, kosten Geld und schaffen Ver­unsicherung – und sie verunsichern darüber hinaus in den Beziehungen der Menschen zueinander. Und die Aufgabe der Justiz soll es doch auch sein, Verhältnisse der Menschen zueinander zu klären!

Ein letzter Punkt – auch zu Ihrer Erklärung, weil Sie diesen Punkt ja selbst auch an­gesprochen haben – ist der Opferschutz beziehungsweise das Verbrechensopfer­gesetz. Hier sagt die Volksanwaltschaft ganz klar und eindeutig: Das ist eine Ungleich­behandlung! Wer heute in Österreich Opfer eines Verbrechens geworden ist, ist beim Verbrechensopfergesetz darauf angewiesen, welchen Pass er hat. Hat er einen österreichischen Pass, ist er aus dem Schneider. Hat er einen Schweizer Pass, einen deutschen Pass oder einen polnischen Pass, ist er ebenfalls aus dem Schneider. Aber


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hat er zum Beispiel einen weißrussischen Pass oder einen türkischen Pass, dann fällt er aus dem Verbrechensopfergesetz heraus. – Das geht doch nicht!

Meine Damen und Herren! Wer in Österreich Opfer eines Verbrechens geworden ist, hat das Recht, nach dem Verbrechensopfergesetz auch eine Entschädigung zu erhalten. Es geht doch nicht an, dass es davon abhängt, welche Hautfarbe ich habe, welchen Pass ich habe, woher ich komme. Dass dieses Gesetz seit über 25 Jahren dahindümpelt und sich allen Novellierungen und Reformen gegenüber immun zeigt, das kann doch nicht wahr sein, meine Damen und Herren! Hier brauchen wir eine völlig neue Auslegung des Verbrechensopfergesetzes. Wenn Sie sagen, Frau Bundes­ministerin, es ist Ihnen ein großes Anliegen, so hoffe ich, dass Sie in der verbleibenden Zeit der Legislaturperiode – die für Sie ja nur eine kurze ist – in diesem Bereich, in dem es eine derartige Ungleichbehandlung gibt, doch noch mit entsprechenden Vor­schlägen aufwarten. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.32

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.32

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Sehr geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Zunächst danke ich namens meiner Fraktion der Frau Bundesministerin für ihre schon länger angekündigte Erklärung im Bundesrat über ihre justizpolitischen Zielvorstellun­gen, wie sie heute so engagiert erfolgt ist.

Zugleich bringe ich meine Erwartung und meine Freude darüber zum Ausdruck, dass die Frau Bundesministerin die erfolgreiche und zuletzt, zumindest in der Spätphase, auch von der Opposition durchaus anerkannte Justizpolitik von Herrn Bundesminister Böhmdorfer im Grundsatz weiterführen und eigenständig weiterentwickeln will und wird. Das gilt insbesondere auch für die legistische Tendenz zur weiteren Beschleuni­gung der Zivilverfahren – deren Dauer ein Problem ist, das zu Recht heute ange­sprochen wurde und mit dem wir uns auch noch im Zusammenhang mit dem Tätigkeitsbericht der Volksanwaltschaft kritisch befassen werden – ebenso wie zur Straffung der bürokratischen Abläufe und zur Schaffung eines bürgernahen und serviceorientierten Justizwesens.

Schon heute ist der Frau Bundesministerin aber auch für ihre intensive Bemühung um eine Verbesserung des leider immer noch unzureichenden personellen Standes der Ressourcen der Justiz aufrichtig zu danken. Auch wenn es der vorgestrige Warnstreik von Teilen der Richterschaft und der Staatsanwälte ... (Bundesrat Konecny: „Teilen“?) – Teilen! Es war ein sehr kleiner Teil, weil es sehr viele Richter – und da stimme ich Herrn Kollegem Dr. Kühnel zu (Bundesrat Konecny: Das ist aber den Richtern nicht aufgefallen!) – nun, dann sind Sie nicht gut informiert! (Bundesrat Konecny: Oja! Sehr gut! Besser als Sie!) – nein, nein, da bin ich zu Hause in diesem Gebiet! (Bundesrat Konecny: Nein, Sie sind in der Uni ...!) –, weil es also viele Richter – das muss ich sagen, ohne das Streikrecht im Geringsten in Frage zu stellen, darin stimmen wir überein (Bundesrat Konecny: Danke!) – ich bedanke mich auch, weil ich ja auch öffentlich Bediensteter bin und dieses Recht für mich in Anspruch nehme (Heiterkeit bei Bundesräten der Freiheitlichen und der ÖVP – Bundesrat Konecny: Wann dürfen wir mit Ihrer Streikteilnahme rechnen?) –, weil es jedenfalls viele Richter und Staatsanwälte für richtig befunden haben, im Dienste der recht­suchenden Bürger wichtige Agenden zu erledigen.

Auch wenn es der vorgestrige Warnstreik etwas überschattet hat, so darf ich doch Folgendes festhalten: Ich verstehe die Sorgen dieser den Justizbetrieb tragenden


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Berufsgruppen, denen ich mich persönlich wie fachlich eng verbunden fühle, durchaus. Dessen ungeachtet bedauere ich es jedoch umso mehr, dass das ehrliche Bemühen der neuen Ressortchefin um eine absehbare – natürlich nicht von heute auf morgen zu erreichende und unmittelbar wirksam werdende – Verbesserung der so angespannten Personal- und Belastungssituation nicht mehr gewürdigt worden ist. Immerhin hat sie in diesem Bereich über 11 Prozent an Budgetsteigerung erwirkt! Ich kann nicht anneh­men – und will es im Blick auf die betroffene Berufsgruppe schon gar nicht unter­stellen –, dass dies etwa auf die politische Verantwortlichkeit einer von den Regie­rungsparteien – hier konkret: von den Freiheitlichen – gestellten Justizministerin zurückzuführen ist.

Auch muss man leider sagen – auch das ist heute schon kritisch angesprochen worden, und ich wiederhole es; es wird uns auch im Zusammenhang mit dem insoweit durchaus kritischen Tätigkeitsbereicht der Volksanwaltschaft noch beschäftigen –, dass es in der Justiz auch Schwachstellen gibt, die nicht allein auf diese Ressourcen­knappheit zurückzuführen sind, und zwar bedauerlicherweise insbesondere im Bereich des Zivilverfahrens, und da vorrangig im Bereich des Außerstreitverfahrens, auch im Zusammenhang etwa mit Sorgerechtsstreitigkeiten, Besuchsrechtsregelungen, ja sogar im erbrechtlichen Verfahren.

Und da muss man schon eines sagen: Es ist ja nicht der Durchschnittsbürger, der mit dem Zivilprozess zu tun hat; das sind ja nur professionell Tätige oder zwangsläufig von Konflikten aus der Wirtschaft Betroffene. Der Durchschnittsbürger ist nicht in den Zivilprozess verwickelt. Wohl aber ist jeder Durchschnittsbürger mit dem Verfahren in Außerstreitsachen befasst, und das ist daher die Visitenkarte der Justiz. Wenn es da nicht funktioniert, dann führt das zu einem großen Vertrauensschaden in der Bevölkerung.

Aber lassen Sie mich von tages- und standespolitische Querelen absehen und zu wirklich zukunftsweisenden Themen übergehen. Was bereits Bundesminister Böhm­dorfer zielführend eingeleitet hat, führt und entwickelt Frau Bundesministerin Mik­lautsch Erfolg versprechend weiter. Unsere Mitwirkung auf dem Gebiete des Aufbaus eines dem heutigen europäischen Standard entsprechenden rechtsstaatlichen Justiz­systems in den so genannten Reform- und Transformationsstaaten Ost- und Südosteuropas kann meines Erachtens sowohl vom Sachanliegen als auch von der Qualität her im Hinblick auf unsere politisch-kulturellen Beziehungen zu diesen historisch mehr oder weniger verwandten unmittelbaren oder mittelbaren Nachbar­staaten nicht hoch genug eingeschätzt und veranschlagt werden.

In diesem Sinne begrüßen wir alle – ich glaube, nicht nur wir Freiheitlichen –, dass unser Justizressort um eine den viel beschworenen europäischen Werten, insbeson­dere den Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprechende und verpflichtete Fortentwicklung des Strafrechtssystems, des Straf- und des Maßnahmen­vollzugs bis hin zum Gefängniswesen, natürlich auch in der Gerichtsorganisation und auch bis ins Grundbuchwesen hinein, auch in diesen Staaten bemüht und dies­bezüglich höchst engagiert ist. Diese „Justizaußenpolitik“ – wenn ich es so formulieren darf – im Sinne einer wohlverstandenen Entwicklungszusammenarbeit steht uns auf Grund der historischen Perspektiven und der aktuellen politischen Verbindungen besonders gut an.

Meine Fraktion begrüßt sie vorbehaltlos und unterstützt die Frau Bundesministerin dabei entschieden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir wünschen ihr daher für ihre Vorhaben und nicht zuletzt auch zugunsten einer Verbesserung des Opferschutzes, der Gleichbehandlung, des Kinderschutzes und auch der internen Sicherheits­verhält-


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nisse, soweit sie an der Justiz und nicht allein am Innenressort liegen, vollen Erfolg und viel Glück. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.41

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Mag. Miklautsch das Wort.

 


11.41

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch: Ich würde die Gelegenheit gerne nutzen, auf ein paar Ihrer Argumente kurz einzugehen.

Es wurde mehrfach die Verfahrenslänge angesprochen. Sie werden dies heute auch im Rahmen der Behandlung des Berichtes über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft hören, wo sicherlich auch einige Justizfälle drinnen sind. Ich möchte betonen, dass der Schnitt der Verfahrensdauer in Österreich in Zivilverfahren nicht so schlecht ist wie sein Ruf. Das muss ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer bei Zivilverfahren in erster Instanz beträgt nämlich acht Monate und neun Tage. Das ist sicherlich etwas, wofür wir uns nicht verstecken müssen.

Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass die Verfahrensdauer ein wichtiger Aspekt ist. Vor allem haben wir auch, wie es Herr Bundesrat Böhm schon angesprochen hat, im Pflegschaftsverfahren und im Außerstreitverfahren eine oft sehr lange Verfahrensdauer hinzunehmen, wobei der Grund hiefür nicht immer bei den Richtern liegt. Das möchte ich auch sagen. Es sind oft umfangreiche Sachverständigengutachten einzuholen, was immer wieder lange dauert. Gerade im Pflegschaftsverfahren, wo es um Scheidungs­kinder geht, wo es um Besuchsrecht geht, ist es erfahrungsgemäß so, dass beide Elternteile die Gerichte mit sehr vielen Eingaben und Anträgen überfordern, hätte ich jetzt bald gesagt, aber fordern und dass das natürlich auch zu langen Verfahrens­dauern führt. Wir tun alles, was wir in diese Richtung tun können. Es gibt genug Vor­schläge, auch aus der Richterschaft. Wir werden das aufgreifen, denn mir ist das ein wichtiges Anliegen.

Ein weiterer Punkt, der angesprochen wurde, ist der Bereich Strafvollzug mit dem Themenbereich bedingte Entlassung. Das Ziel bedingter Entlassung darf nach meiner Auffassung nicht sein, den Haftraum zu entleeren. Dafür stehe ich sicher nicht. Dafür kann ich auf keinen Fall eintreten, das wird nicht gehen.

Bedingte Entlassung ist aber ein wesentliches Thema, gerade im Hinblick darauf, dass wir einen Ausländeranteil bei den Häftlingen von zirka 45 Prozent österreichweit haben, die sich derzeit in Straf- und Untersuchungshaft befinden. Für bedingte Entlas­sung ist, wie es der Herr Bundesrat richtigerweise angesprochen hat, wesentlich, dass eine Resozialisierung möglich ist. Bei vielen der Ausländer, die jetzt hier eingesperrt sind, ist eine Resozialisierung nur bedingt bis gar nicht möglich. Aus diesem Grund sind in diesem Fall dem Strafvollzug die Hände gebunden. Zudem muss ich auch darauf hinweisen, dass der Themenbereich bedingte Entlassung eine Sache der unab­hängigen Gerichte ist. Die Entscheidung über bedingte Entlassung fällt in den Auf­gabenbereich der unabhängigen Gerichtsbarkeit und kann aus diesem Grund keines­falls irgendetwas mit Regierungspolitik zu tun haben.

Ganz unabhängig davon gibt es am Montag und am Dienstag eine Enquete zum Thema Strafvollzug im Zusammenhang mit moderner Sicherheit und modernem Straf­vollzug im Justizministerium, bei der wir uns mit all diesen Themenbereichen beschäf­tigen, vor allem auch im Hinblick auf die neuen Herausforderungen, die im Strafvollzug im Zusammenhang mit der Ausländerproblematik an uns gestellt werden. Wir werden uns ganz intensiv damit auseinander setzen.


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Ein weiterer Punkt war die Jugendgerichtsbarkeit. Ich weiß nicht, ob Sie jemals in der Josefstadt waren. Ich war dort, ich war schon mehrfach dort und habe mich persönlich davon überzeugt, dass die Anwürfe, die immer wieder kommen, vor allem auch aus den Medien, dass es keine Möglichkeit für Schulung gibt, dass es keine Möglichkeit für Ausbildung für diese Jugendlichen und jugendlichen Erwachsenen geben soll, nicht stimmen. Es gibt dort Schulen, es gibt dort Ausbildungsplätze, es gibt dort Möglich­keiten, Jugendliche tatsächlich zu beschäftigen, entsprechend zu schulen und vor allem auch zu betreuen. Gerade dort haben wir sehr viel Arbeitskraft und auch sehr viel Personal eingesetzt, um gerade das zu gewährleisten.

Der Strafvollzug von Jugendlichen findet in weiterer Folge in der Justizanstalt Geras­dorf statt. Dort haben wir insgesamt, soweit mein Informationsstand ist, zehn Aus­bildungslehrstätten, wo die Jugendlichen und jungen Erwachsenen tatsächlich auch eine Lehre abschließen können und Berufschancen für die Zukunft haben.

Sie können mir glauben, dass es mir und auch den übrigen Regierungsmitgliedern ein ganz wesentliches Anliegen ist, dass straffällig gewordene Jugendliche nicht mehr rückfällig werden, dass sie eine Chance in unserer Gesellschaft haben und dass wir wirklich darauf schauen, dass wir die bestmöglichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Weg in die Zukunft gewahrt bleibt. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich möchte noch ganz kurz auf den Assistenzeinsatz eingehen. Mir ist nicht klar, welche Vermutungen da in der Öffentlichkeit herumgeistern. Es ist nie daran gedacht gewesen, dass Soldaten einen Dienst am Häftling durchführen sollen. Das war im Grunde genommen nie der Ansatz. Der Ansatz war immer jener, dass wir einen Assistenzeinsatz anfordern. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen sind geprüft und vorhanden. Das Bundesheer kann zum Assistenzeinsatz angefordert werden, wenn es die innere Sicherheit notwendig macht. Das ist alles geprüft, das ist alles möglich. Ich sehe es so, dass dieser Assistenzeinsatz des Bundesheeres, wenn er durchgeführt wird, tatsächlich nur so erfolgen soll, dass wir Außensicherung machen und Leute vom Bundesheer Fahrten durchführen, also wirklich ganz konkrete Tätigkeiten ausüben. Es ist auch nicht daran geplant, wie beim Assistenzeinsatz im Burgenland, dass dort Grundwehrdiener herangezogen werden. Das ist ein ganz spezieller Bereich. Den Vergleich mit Burma oder Chile (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel) muss ich wirklich auf das Schärfste zurückweisen (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), denn das ist etwas, was wirklich nie angedacht war. Es geht nur darum, dass es unsere Aufgabe ist, die Sicherheit in diesem Bereich zu gewährleisten und alle Möglichkeiten, die vorhanden sind, auszuschöpfen.

Der nächste Punkt war der Bereich Personalbudget, war die Anfrage auch im Zusam­menhang mit dem Streik. Ich darf nochmals darauf hinweisen, dass es im Zuge der Budgetverhandlungen gelungen ist, 11,5 Prozent mehr an Budget herauszuver­han­deln, gerade für den Bereich Sicherheit und Gerichtsbarkeit, und auch im Rahmen der Planstellen ist es gelungen, 438 Planstellen mehr herauszuverhandeln.

Gerade für den Bereich der Richterschaft und Staatsanwaltschaft muss ich dazu sagen, dass dem gegenüber ... (Bundesrat Konecny: 438? Wie verteilen Sie die?) Die 438 werden verteilt – das kann ich Ihnen ganz genau sagen, bleiben wir bei Richtern und Staatsanwälten. Bei Richtern und Staatsanwälten war meine Ausgangsbasis bei den Verhandlungen minus 7 Prozent, und tatsächlich .... (Bundesrat Konecny: Ach so rechnen Sie es! Ich habe geglaubt, das sind neue Dienstposten! Das nennt man einen Mondpreis!) – Lassen Sie mich einmal ausreden! Okay, jetzt rede ich. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Für den Bereich der Richter und Staatsanwälte ist es im Zuge der Verhandlungen gelungen, ein Nettoplus von 20 Richterplanstellen und 80 Richteramtsanwärterplan­stellen herauszuverhandeln (Bravorufe sowie Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP) und keine weiteren Einsparungen für das Jahr 2006, sodass es gerade in diesem Bereich keine weiteren Reduktionen für diesen Berufsstand geben wird. Das ist auch der Grund dafür, warum ich persönlich jetzt nur bedingt bis kaum Verständnis für diesen Warnstreik habe. Die Situation hat sich durch meine Planstellenverhandlungen gerade für diesen Stand verbessert, und zwar entscheidend verbessert. Wir haben in diesem Bereich 100 Planstellen mehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Voriges Jahr wurde ein Warntag ausgerufen, voriges Jahr hat aber die Standesver­tretung das Wort „Streik“ noch nicht in den Mund genommen. Es ist jetzt erstmals wirklich gelungen, ein Nettoplus anstelle von Einsparungen herauszuverhandeln und keine weiteren Einsparungen zu garantieren, und dann erfolgt trotzdem der Streik. Sie müssen mich da, bitte, verstehen, wenn ich wenig Verständnis für diesen Streik habe. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die 438 Planstellen werden aufgeteilt auf den Bereich der Justizwache und auch auf den nichtrichterlichen Bereich, wobei wir hier Einsparungen gegenüberstellen werden. Aber es ist so, dass wir netto auch einiges herausgeholt haben. Es ist ganz wichtig, dass wir die Sicherheit auch gewährleisten können. – So weit, so gut. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.50

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile Herrn Professor Konecny das Wort.

 


11.50

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ich möchte mich nur mit Ihren letzten Bemerkungen auseinander setzen.

Wir kennen das, was Sie jetzt gemacht haben – Frau Kollegin Zwazl wird solche Maß­nahmen mit den Mitteln des Unlauteren Wettbewerbsgesetzes gelegentlich zu verfol­gen oder dies zumindest anzuregen haben –, unter der Bezeichnung Mondpreisgestal­tung: Ich erhöhe den Preis eines Produktes fiktiv, gebe dann darauf einen Rabatt – dann bin ich wieder dort, wo ich angefangen habe – und versuche, dem Konsumenten einzureden, dass er sich etwas erspart. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Was die Frau Bundesminister jetzt mehrheitlich, aber ... (Bundesrat Weilharter: So haben sie im „Konsum“ gerechnet!) – Mag sein! Sie sind auch zu Recht zugrunde gegangen, wenn es so war. Was soll’s? Ich bin nicht dafür verantwortlich. Die Frau Bundesminister ist allerdings für das verantwortlich, was Sie uns hier vorgelegt hat.

Wenn ich also neuen Dienstposten Einsparungen gegenüberstelle, dann mache ich genau das, was ich jetzt als „Mondpreisgestaltung“ bezeichnet habe.

Frau Bundesminister! Sie können die Menschen, mit denen Sie tagtäglich zusam­menarbeiten, nicht so abwerten, wie es jetzt – sehr zurückhaltend und mit großer Verve – Kollege Kühnel in seiner Stellungnahme gemacht hat.

Wenn es mehr Justizfälle gibt, dann ist das in gleicher Qualität nur mit einer aliquoten Erhöhung der Zahl jener, die das zu bearbeiten haben – und zwar auf allen Ebenen, vom Staatsanwalt über den Richter bis zum nichtrichterlichen Personal, bis zu jenen, die das Protokoll zu schreiben haben –, lösbar. Und wir haben – darauf werden wir heute in einer anderen Debatte noch zurückkommen – tatsächlich ein gewaltiges Sicherheitsproblem. Wir haben auf allen Stufen des Prozesses, wo wir uns bemühen, für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen, schlicht und einfach zu wenige qua­lifizierte und anständig bezahlte Mitarbeiter zur Verfügung.


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Was den diskreten Appell, den Kollege Kühnel hinsichtlich Überstunden ausge­sprochen hat (Bundesrat Mag. Himmer spricht mit Bundesrat Dr. Kühnel) – falls mir der Kollege, wer immer das ist, der mir die Rückseite zukehrt, den direkten Blickkontakt mit Kollegem Kühnel ermöglichen würde, würde ich das schätzen –, betrifft, möchte ich sagen, es ist lächerlich, bei Richtern und Staatsanwälten von Überstunden zu sprechen, Sie wissen, dass das nicht stimmt. Sie hätten ihn auch korrigieren können, Frau Bundesminister. Und wenn diese Menschen, die tatsächlich – da gebe ich Kollegem Kühnel in seiner Statusbeurteilung durchaus Recht – ein beträchtliches psychologisches Problem zu lösen haben, bevor sie sich für einen Streik und zu einer Streikteilnahme entscheiden, wenn diese in ihrer großen Mehrheit, Kollege Böhm, zu diesem Schritt schreiten, dann ist etwas passiert: Dann ist tatsächlich jenes Band der Loyalität vom Dienstgeber mutwillig zerrissen worden.

Ein Einsatz von Nicht-Präsenzdienern, wie ich jetzt gehört habe, also von Unter­offizieren des Bundesheeres, die dann die Außenwände der Gefängnisse bewachen oder kochen oder Fahrten erledigen, ist keine Lösung. Frau Bundesminister! Wenn Sie am Tage des Streiks den Streikenden gesagt haben, was sie eigentlich wollen, Sie hätten doch erfolgreich weitere Personalkürzungen verhindert, dann weiß ich nicht, ob das diese tatsächlich sehr befriedigt, denn sie streiken ja gegen einen für sie uner­träglichen Zustand. Und wenn man ihnen sagt, es wird wenigstens nicht ärger, dann glaube ich nicht, dass das sehr beruhigend ist.

Keine Frage: Wir haben diesen Staat darauf abzuklopfen, wo es versteckte Personal­reserven gibt, wo es Ausgaben gibt, die nicht so leicht zu rechtfertigen sind. Aber in den zentralen Bereichen, wo es nicht zuletzt auch um die Sicherheit der Bevölkerung geht, zu „sparen“ – unter sechs Anführungszeichen gesprochen –, Personal zu kürzen oder nicht ausreichend aufzustocken, heißt ganz konkret, den Menschen dieses Landes einen Nachteil zuzufügen und denen, die dort arbeiten, etwas zuzumuten, was unzumutbar ist.

Wenn Sie das vertreten können, Frau Bundesminister, dann verstehe ich Sie nicht; wenn Sie sich damit nicht durchsetzen können, dann verstehe ich den Finanzminister nicht – aber ich gebe zu, ich verstehe die ganze Regierung ja auch nicht. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.56

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte sehr, Frau Präsidentin Zwazl.

 


11.56

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Professor! Ich bin von Ihnen schon gewohnt, dass Sie sich immer auf die Wirt­schaft einschießen. Ich weiß nicht, woher Sie die Beispiele haben. Diffamieren Sie bitte nicht die Wirtschaft! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Ko­necny: Nein, wieso „einschießen“? Ich habe gerade gesagt, Sie werden dagegen auftreten! Warum treten Sie hier nicht dagegen auf? Frau Kollegin Zwazl! Bitte zuhören!) – Nein, Herr Professor, jetzt hören Sie mir einmal zu! Nein, Sie haben gesagt, in der Wirtschaft gibt es Mondpreise. – Nein, die gibt es eben nicht! Bei uns wird nicht unreell kalkuliert und dann etwas nachgelassen.

Sie haben auch das letzte Mal gesagt, dass Sie nur schwarze Schafe in der Wirtschaft kennen, und sind dann hinausgegangen! – Das sind lauter solche Unterstellungen, die ich mir im Namen der Wirtschaft, bitte, nicht sagen lasse. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.57

 



Bundesrat
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714. Sitzung / Seite 55

Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine weitere Wortmeldung kommt von Herrn Bundesrat Konecny.

 


11.57

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Wenn Frau Kollegin Zwazl nicht zuhört und dann auf das, was ich nicht gesagt habe, repliziert, dann sehe ich mich leider gezwungen, das nochmals zu wiederholen. Ich habe gesagt, dass es im Bereich ... (Bundesrätin Zwazl: Nein!) – Nein, Frau Kollegin, das werden Sie mir nicht unter­sagen, und jetzt werden Sie zuhören, um dieses beliebte Spiel um eine Schraube weiter zu drehen.

Frau Kollegin Zwazl! Ich habe gesagt: Sie kennen das, weil Sie dagegen vorgehen. (Bundesrätin Zwazl: Bei uns gibt es keine Mondpreise!) – Frau Kollegin, dann verleugnen Sie, was ja offenbar ein bisschen öfter vorkommt, etwas, was Sie ja auch durchaus im Bereich Ihrer Kammertätigkeit zum Ausdruck gebracht haben. – Darin sind wir uns einig: Gegen Mondpreise in der Wirtschaft ist, wenn sie vorkommen, von der Standesvertretung und von Seiten des Konsumentenschutzes energisch vorzu­gehen. Und falls es tatsächlich nicht mehr vorkommen sollte, dann haben der Konsu­mentenschutz und die Wirtschaftskammer einen durchschlagenden Erfolg errungen, zu dem ich Sie außerordentlich herzlich beglückwünsche. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Aber wenn Sie gegen die Mondpreise in der Wirtschaft sind, dann sollten Sie auch gegen die Mondpreise in der Berichterstattung über das Personal des Justizminis­teriums sein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.59

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte sehr, Frau Bundesministerin Mag. Miklautsch, Sie haben das Wort.

 


11.59

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch: Diese Diskussion um die Mondpreise, muss ich ehrlich sagen, ist mir wirklich unverständlich. Es ist nie ein Anliegen, jetzt über irgendwelche Mondpreise zu berichten. Von der Wirtschaft her ist das auf das Heftigste zurückzuweisen (Bundesrat Konecny: Richtig!), aber auch aus unserer Sicht im Zusammenhang mit den Stellenplänen. Das ist auf das Heftigste zurückzuweisen!

Es geht darum, dass wir als Regierung auf der einen Seite natürlich Einsparungs­vorgaben haben in Richtung auch auf Aufgabenreform – Aufgabenreform, Reduktion der dafür notwendigen Kosten, damit wir uns unser System noch leisten können. – Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist, dass wir genug Personal zur Verfügung haben müssen, um unseren Aufgaben nachkommen zu können. Mir ist es in diesem Zusammenhang ein ganz wichtiges Anliegen, dass wir jetzt im gesamten Bereich der Justiz eine Ablauf­optimierung herbeiführen, um mit den bestehenden personellen und finanziellen Ressourcen bestmöglich das Auslangen zu finden. Das sehe ich als meine Aufgabe als Justizministerin an, und diese Aufgabe werde ich auch wahrnehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.00

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weil dazu keine Wortmeldungen mehr vorliegen, erkläre ich diese Debatte für geschlossen.


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2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Abgeltung stationärer medizinischer Versorgungs­leistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten (622 d.B. und 634 d.B. sowie 7131/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Angela Lueger. Ich bitte sie um die Bericht­erstattung.

 


Berichterstatterin Angela Lueger: Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend die Verein­barung gemäß Artikel 15a B‑VG über die Abgeltung stationärer medizinischer Versor­gungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher erübrigt sich dessen Verlesung. Ich komme sogleich zum Ausschussantrag:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2004 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht. – Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Kühnel das Wort.

 


12.01

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Gerade ein Wechsel, also: Meine Herren Präsidenten! (Vizepräsident Mag. Pehm übernimmt den Vorsitz.) Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht heute um eine Artikel-15a-Vereinbarung nach dem Bundes-Verfassungsgesetz, die bein­haltet, dass die entsprechende medizinische Versorgung für Insassen von Justizanstal­ten gegeben ist, aber vor allem, dass hier etwas verbessert wird.

Dieses Abkommen zeigt, dass Österreich einerseits – auch wenn das manchmal kritisiert wird – doch ein sehr ausgebildeter Rechtsstaat ist, dass die Resozialisierung von Häftlingen ein ganz besonderes Anliegen ist, dass wir den Menschenrechten und vor allem auch der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprechend verpflichtet sind und dass der ordentliche Umgang mit Menschen, egal, ob jemand straffällig geworden ist oder nicht, einfach zu unserem Ethos dazugehört.

Es geht hier darum, dass der Strafvollzug so menschlich wie möglich gestaltet wird. Durch diese Maßnahmen ist in den Jahren von 1989 bis 2000 eine Kostenexplosion eingetreten, sodass es einfach notwendig gewesen ist, da endlich eine Lösung zu finden. Diese Kostenexplosion ist darauf zurückzuführen, dass die stationäre Unter­bringung von geistig abnormen Rechtsbrechern entsprechend sichergestellt werden musste. Die Kosten sind von 1989 bis 2000, was die normale medizinische Versorgung betrifft, um 250 Prozent gestiegen, aber bei den abnormen Rechtsbrechern um 445 Prozent.

Jetzt war es notwendig, eine Lösung zu finden. Diese ist gefunden worden, solidarisch zwischen den Ländern und dem Bund. Die Länder haben sich bereit erklärt, ungefähr 8,5 Millionen € dazu beizutragen.

Meine Fraktion unterstützt dieses Abkommen. Wir sind froh, dass es zu dieser vernünftigen und effizienten Lösung gekommen ist. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.04

 



Bundesrat
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714. Sitzung / Seite 57

Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Giefing. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.04

Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! In Österreichs Gefängnissen sind momentan 8 750 Insassen untergebracht. Wir haben heute gehört, wen es betrifft: zirka 45 Pro­zent davon sind Ausländer, 2 500 Strafgefangene, 5 500 U-Häftlinge, der Rest Unter­gebrachte.

Worum geht es bei dieser Gesetzesänderung? – Die Häftlinge in österreichischen Strafanstalten sind nicht versichert, die Kosten steigen exorbitant an. Man hat da eine Vereinbarung mit den Ländern getroffen, welche Kosten von zirka 8,5 Millionen € für die Jahre 2003 und 2004 mit sich bringen wird. Die Bundesländer werden sich die Kostenanteile nach ihrer jeweiligen Einwohnerzahl aufteilen. Das Problem ist allerdings zum Beispiel, dass es unterschiedliche Kostenhöhen in den verschiedenen Kranken­anstalten gibt. Die Politik ist gefordert, um da einen einheitlichen Tagsatz und die Einführung einer Sozialversicherung inklusive Krankenversicherung für die Häftlinge zu erreichen.

Schauen wir uns jedoch in dieser Angelegenheit auch das Datum der Gesetzwerdung des Strafvollzugsgesetzes und des Maßnahmenvollzuges an. Etwas antiquiert – ich meine, dass sich seither die Rahmenbedingungen enorm geändert haben und deshalb neu definiert werden müssten. Wir sollten daher bald eine Neuregelung des Maß­nahmenvollzuges und eine Überarbeitung des Strafvollzugsgesetzes anstreben.

Es muss uns dabei allerdings klar sein, dass innere Sicherheit etwas kostet, was sowohl den Sachaufwand als auch den Personalaufwand betrifft. Ein paar Zahlen lassen jedoch aufhorchen. Die Kosten für die externe Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher in öffentlichen psychiatrischen Krankenanstalten sind von zirka 28 Mil­lionen Schilling im Jahre 1989 auf 154 Millionen Schilling im Jahre 2000 gestiegen. Im selben Zeitraum erhöhten sich die Kosten für die gesamte externe medizinische Ver­sorgung des Straf- und Maßnahmenvollzuges von zirka 64 Millionen Schilling auf ungefähr 224 Millionen Schilling, also um 250 Prozent. Dem stehen also immerhin 445 Prozent gegenüber. Wir dürfen dabei nicht außer Acht lassen, dass manche öffentlichen Krankenhäuser keine Freude mit Gefängnisinsassen haben, weil durch die Bewachung in einem Krankenhaus gewisse Probleme mit dem System auftauchen.

Zu Beginn habe ich die Zahlen der Insassen in Österreichs Gefängnissen genannt und wollte damit zum Ausdruck bringen, dass die Gefängnisse übervoll sind. Bei dem heutigen Thema sollten wir jedoch gleichzeitig auch den Betreuungsvollzug an­sprechen. Im derzeitigen System ist es nicht möglich, Menschen gehörig zu beschäf­tigen, auszubilden oder zu schulen. Eine sinnvolle Beschäftigung sollte daher in den Anstalten und auch außerhalb möglich sein.

Ich könnte mir vielleicht auch gut vorstellen, dass manche kleinen Gemeinden dieses Angebot gerne annehmen wollten, denn in kleinen Gemeinden beträgt die Finanz­zuweisung pro Kopf gegenüber großen Kommunen oder gegenüber der größten Kommune leider nur 50 Prozent. Das heißt, wir können uns keine Straßenkehrer leisten, obwohl auch bei uns im Herbst die Blätter auf die Straße fallen. Aber nach dem Motto: Was Allah gebracht hat, wird er wieder nehmen!, gibt es bei uns diese Serviceeinrichtungen leider nicht. Wir könnten da auf Gefängnisinsassen zurück­greifen, die zum Beispiel aus Verkehrsdelikten inhaftiert sind, und das würden wir natürlich gerne annehmen.

Ich ersuche daher und lade alle dazu ein, im Interesse der österreichischen Justiz und im Speziellen des Strafvollzuges an diese so wichtige Arbeit zu gehen, und werde mit


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meiner Fraktion dem Gesetz, welches rückwirkend mit 1. Jänner 2003 in Kraft treten soll, gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.09

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.09

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir heute eine Diskussion haben bezüglich der Menschen, die in Österreich unsere Mitbürger sind, die gestrauchelt sind, die zum Teil die Geleise des normalen Lebens verloren haben, so ist es einfach unsere Pflicht und unsere Verantwortlichkeit, dass wir für diese Menschen auch da sind. Wir sind großzügig gegenüber all jenen, die in Österreich versuchen, eine normale Asyl-Angelegenheit zu bereinigen. Wir sind großzügig, wenn es darum geht, weltweit – und da ist Österreich im Spitzenbereich – soziale Dienste zu erledigen. Ich nenne nur die Weihnachtsaktion, die Österreich für viele soziale Bereiche in der Welt durchführt.

Daher sehen wir Freiheitliche die Entscheidung, dass diese Behandlungskosten einer Regelung zugeführt werden, als eine, die wir auch verantworten. Wenn derzeit drei Bundesländer die Zahlungen nicht erfüllen, so stößt das ein bisschen auf Unver­ständnis, meine Damen und Herren. Aber ich glaube, mit diesem Gesetz und mit dieser Artikel-15a-Vereinbarung sollen wir auch jene in die Pflicht nehmen, die in Österreich außerhalb einer geordneten Sozialleistung stehen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Wenn im Finanzausgleich in diesem Bereich für die 455-prozentige Kostensteigerung, wie sie von meinen Kollegen heute schon bestätigt wurde, nun endlich positiv eine Ver­einbarung getroffen wird, so sollte diese Vereinbarung nicht zweijährig sein, sondern wir sollten mit einer derartigen Regelung langfristig vorgehen, glaube ich, und zwar für den gesamte Justizbereich. Frau Bundesministerin, es geht ihn Ihrem gesamten Be­reich um eine langfristige Justizpolitik, die dem Inland und dem Ausland – Sie haben es heute ja gehört – und auch jenen Ländern zugute kommt, in denen die Sozialpolitik und vor allem die Justiz noch sehr viel zu wünschen übrig lassen. Wenn wir all das bewältigen wollen, dann sollten wir uns dazu bekennen, dass wir zumindest auch die Verantwortung für die Häftlinge, die bei uns sind, tragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man könnte diesen Bereich noch wesentlich detaillierter unterteilen. Aber ich glaube, die Frau Justizminister hat für ihren Bereich gesagt, was der Schwerpunkt ist. Wir als Verantwortliche sollen Menschlichkeit walten lassen, und diese Menschlichkeit ist für uns Maßstab für einen gesunden Geist, für eine gesunde Politik, die wir auch im Herzen und mit dem Verstand verantworten sollen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.13

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


12.13

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Gleich vorweg: Wir werden der Regelung in dieser Form zustimmen, wobei ich in diesem Zusammenhang gleich darauf aufmerk­sam machen möchte, dass es sich jetzt natürlich wieder einmal um eine Mängel­behebung handelt und eine Regelung, wo ein Gesetz rückwirkend in Kraft tritt. Ich richte da gleich die Bitte und das Ersuchen an Sie, Frau Ministerin, in Zukunft so


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wichtige Bereiche wie die Gesundheitsversorgung der Insassen von Justizanstalten rechtzeitig zu regeln. Möglicherweise kann es auch dazu kommen, dass man eine längerfristige Regelung oder eine finalisierte Regelung findet. Ich denke, das macht das Arbeiten im Ministerium und auch die Planbarkeit in den Ländern um einiges einfacher.

Es sind heute einige Punkte aus dem Justizbereich angesprochen worden: der Reformbedarf, der vorhanden ist, und der Mangel an Angestellten beziehungsweise Bediensteten, der zu beklagen ist. Sie haben Zahlen genannt, wonach sich in den letzten Jahren der Betreuungsschlüssel verringert hat: Auf immer weniger Bedienstete entfallen immer mehr Häftlinge. Dies stellt ein schweres Problem dar, weil man für eine qualifizierte Resozialisierung gutes und ausgebildetes Personal braucht. Das ist ein ganz zentraler Punkt!

Was besonders wichtig ist in Extremsituationen, wie die Haft eine ist, und für die Menschen, die in Justizanstalten zu betreuen und zu versorgen haben, ist mit Sicher­heit das Thema der physischen und psychischen Belastung. Da komme ich auf den Punkt zu sprechen, mit dem Sie, Frau Ministerin, vor einiger Zeit in die Medien gegangen sind und den Sie heute hier wiederholt haben, nämlich den Assistenz­einsatz. Ich denke, der Bereich ist tatsächlich zu heikel, um das in dieser Form aus­lagern zu können. Bei genauer Überlegung, denke ich, wäre es sicherlich ein ange­brachter Punkt, dies auch in dieser Form zurückzunehmen und weiter dafür zu kämpfen, mehr Personal zu bekommen.

Aber wenn man beim Personal ist, dann muss man auch schauen, wo es generell Handlungsbedarf gibt. Da muss man einfach auch das Thema „Ausweitung der bedingten Entlassung“ als zentralen Punkt ansprechen. Es ist, so denken wir, ein wich­tiger Punkt, dass nach ungefähr zwei Dritteln der verbüßten Haftstrafe eine bedingte Entlassung eintreten soll, ausgenommen die Fälle mit erhöhter Rückfallgefahr, bei schweren Gewalttaten und natürlich bei gemeingefährlichen Delikten. Aber generell sollte das der richtige und wichtige Weg bei der Resozialisierung sein, wobei hier anzu­führen ist, dass Resozialisierungsmaßnahmen beziehungsweise die bedingte Entlas­sung und dazu ein entsprechendes Angebot an Bewährungshilfe zusätzlich wesentlich kostengünstiger sind – als essentieller Punkt.

Genauso muss angedacht werden, ob man Reduktionen bei den U-Haftmaßnahmen erreicht. Da gibt es ja eine Menge an Beispielen im internationalen Umfeld, von der elektronischen Hausarrest-Geschichte bis zum tageweisen Vollzug und so weiter. Das alles – denke ich mir, Frau Ministerin – ist anzudenken, und möglicherweise können Sie uns heute auch in die neuen Pläne, die angedacht sind, in dieser Form einweihen.

Da heute ein Gesundheitsbereich betroffen ist, den wir an diesem Punkt abhandeln, möchte ich an dieser Stelle für die grüne Fraktion anmerken, dass wir den Finanz­ausgleichsverhandlungen zum Teil zustimmen können und sie unterstützen können, aber die beiden Bereiche, die ich hier explizit als solche herausstreichen möchte, welche wir in keinerlei Weise unterstützen werden beziehungsweise begrüßen, sind die Erhöhung der Rezeptgebühren und natürlich der Spitalskostenbeitrag.

Ich bin schon erstaunt darüber, dass hier sowohl die ÖVP als auch die FPÖ – die FPÖ hat man zwar sozusagen noch raunzen gehört, aber vermutlich wird das demnächst verstummen – sang- und klanglos zustimmen. Es ist völlig klar: Es geht um eine Re­form des Gesundheitssystems, aber es kann dies nicht auf Kosten der Kranken geschehen. Wenn man sich das genau durchrechnet, dann ist es schwierig, und die Leute, die Medikamente brauchen und ein Spital beziehungsweise Krankenhaus in Anspruch nehmen müssen, haben nicht die Wahl.


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Gerechterweise müsste es so sein, dass man zum Beispiel die Höchstbeitrags­grund­lage anhebt. (Bundesrat Dr. Böhm: Die wird ja erhöht!) Ja, aber sie gehört stärker erhöht. Das wäre eine Form von Gerechtigkeit, die hier zutage treten soll. Ich bin ... (Bundesrat Bader: Sie wissen aber schon, dass viele rezeptgebührenbefreit sind?) Natürlich, Herr Kollege, das ist ja keine Frage. (Bundesrat Bader: Brauchen Sie alle?) Aber dennoch sind diejenigen, die nicht rezeptgebührenbefreit sind, in dieser Situation.

Sich darauf auszureden, dass sie ja Generika in Anspruch nehmen können, das finde ich wirklich etwas zynisch, denn man weiß genau, wie die Situationen beim Arzt oft sind. Ältere Menschen, die davon betroffen sind und die nicht so gut ihren Willen zum Ausdruck bringen können, sind dann nicht in der Position, zu sagen: Jetzt will ich ein Generikum! Für manche Bereiche gibt es sie auch nicht. Korrekterweise müssten Sie selbst eingestehen (Zwischenruf des Bundesrates Bader): Hier ist ein Fehler began­gen worden, und den gilt es jetzt zu korrigieren.

Gehen Sie einen gerechteren Weg im gesamten Bereich des Finanzausgleiches und des Gesundheitswesens! Ich denke, das wird dem ganzen Land zugute kommen und in diesem Sinne auch die Gerechtigkeit im Gesundheitswesen erhöhen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.19

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­ministerin Mag. Miklautsch. – Bitte.

 


12.19

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Miklautsch: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz auf die Redebeiträge reagieren. Erstens einmal herzlichen Dank für die breite Zustimmung. Das ist natürlich für unser Ressort ganz besonders wichtig, weil wir das Geld brauchen – das sage ich ganz offen.

Der nächste Punkt ist dann der: Ich kann Sie beruhigen, die Vorsorge habe ich natürlich schon getroffen. Die weitere Regelung – es ist ja praktisch die Regelung für 2003/2004, die Sie hier jetzt verabschieden werden – ab 2005 befindet sich bereits am nächsten Dienstag im Ministerrat, sie ist in den Finanzausgleich eingeflossen und es gibt auch bereits eine Einigung, sodass wir für diesen Bereich die Zukunft gesichert haben.

Da wieder die Ausweitung der bedingten Entlassung, die Reduktion bei U-Haft, aber auch die elektronische Fußfessel und all diese Bereiche angesprochen worden sind: Hier darf ich darauf hinweisen, dass das bei uns überlegt und diskutiert wird. Zu diesem Thema findet am 8. und am 9. November, also am Montag und am Dienstag, eine Fachenquete im Bundesministerium für Justiz statt, zu der ich Sie sehr herzlich einladen möchte. Der Beginn ist 15 Uhr. Wenn Sie Zeit haben, horchen Sie sich das, bitte, an. Das sind Themen, die für die Zukunft des Strafvollzugs ganz wesentlich sind.

Auch ich meine, was von mehreren Bundesräten betont wurde, dass nämlich der Strafvollzug in Österreich ein Spiegelbild unserer Gesellschaft ist. Darüber müssen wir uns klar sein. Er ist ein Spiegelbild dessen, wie wir mit straffällig gewordenen Men­schen umgehen. Mir persönlich ist es ein wichtiges Anliegen, dass ein menschen­würdiger Vollzug stattfindet und dass er in Richtung Betreuungsvollzug geht und nicht in Richtung Verwahrungsvollzug.

Zu den Personalproblemen, die hier angesprochen wurden: Gerade für den Bereich der Justizwache habe ich das Personal – das ist also nicht mein Problem, zumindest mittelfristig für das nächste Jahr nicht, denn ich habe ausreichend Personal, um


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tatsächlich auch einen solchen Betreuungsvollzug gewährleisten zu können. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.22

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstatterin noch das Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend einen Vertrag zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Polen über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung (518 d.B. und 635 d.B. sowie 7132/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz über den Ersatz von Schäden aufgrund einer strafgerichtlichen Anhaltung oder Verurteilung (Strafrechtliches Entschädigungsgesetz 2005 – StEG 2005) (618 d.B. und 636 d.B. sowie 7130/BR d.B. und 7133/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zum 3. und 4. Punkt der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Auer, und ich bitte, gleich beide Berichterstattungen vorzunehmen. – Bitte.

 


Berichterstatterin Johanna Auer: Ich erstatte zunächst den Bericht des Justiz­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung.

Dieser Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zum Ausschussantrag.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2004 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Gleichfalls erstatte ich den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz über den Ersatz von Schäden auf Grund einer strafgerichtlichen Anhaltung oder Verurteilung, verankert im Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz 2005.


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Auch dieser Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, weshalb sich dessen Verlesung erübrigt.

Ich komme sogleich zum Ausschussantrag.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2004 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.25

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln jetzt zwei Tagesordnungspunkte. Der erste betrifft ein Rechtshilfe­abkommen mit Polen.

Dieses Rechtshilfeabkommen ist deswegen notwendig geworden, weil in den beiden Ländern Delikte unterschiedlich behandelt werden. Es gibt eben das Strafrecht – Polen hat selbstverständlich auch ein Strafrecht –, aber es gibt auch Delikte, die im Verwaltungsstrafrecht behandelt werden, und da gibt es eben staatliche Unterschiede.

Bisher war es immer so, dass Rechtshilfeansuchen über unser Bundesministerium für Justiz an das polnische geschickt werden mussten, und das hat zu Verzögerungen geführt. Durch dieses Abkommen soll sichergestellt sein, dass – egal, ob strafrecht­liche Delikte nun im Strafrecht oder im Verwaltungsstrafrecht geregelt sind – es zu Verfahrensbeschleunigungen kommt und vor allem dass der direkte Verkehr zwischen den Staatsanwaltschaften Österreichs und Polens möglich ist, aber auch, dass die Post, wenn man das so sagen kann, in die Pflicht genommen wird, sodass die Zustellung von Schriftstücken mit Rückschein entsprechend bestätigt werden kann, damit eindeutig fixiert wird, wann der Fristenlauf beginnt. Daher wird das Abkommen, das nur Vorteile bringt, von meiner Fraktion unterstützt. (Beifall des Bundesrates Mag. Himmer.)

Was den zweiten Gegenstand betrifft – etwas zu früh der Applaus, es ist noch ein zweiter Punkt auf der Tagesordnung –, nämlich das Strafrechtliche Entschädigungs­gesetz, ist zu sagen: Da hat sich über die Jahre ein entsprechender Reformbedarf, wenn man das so sagen kann, angehäuft. Es gibt da verschiedene Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, denen Österreich Rechnung tragen wird.

Kern dieses Entschädigungsgesetzes ist vor allem, dass es in Hinkunft nicht mehr notwendig sein wird, dass die Strafgerichte abermals herangezogen werden, sondern dass, wenn jemand freigesprochen worden ist, er sich dann gleich auf dem Zivil­rechtswege um eine entsprechende Entschädigung bemühen kann.

Da ich annehme, dass Herr Professor Böhm das dann noch entsprechend von wissen­schaftlicher Seite her beleuchten wird, kann ich mich etwas kürzer fassen und da sagen, dass meine Fraktion diesem Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz selbst­verständlich die Zustimmung erteilen wird. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.28

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 



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12.28

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Inhalt des Tagesordnungspunktes 3 ist bereits ausführlich erläutert worden, ich erspare mir deshalb, Ihnen das noch einmal zu erläutern, und darf für meine Fraktion feststellen, dass natürlich auch die SPÖ diesem Gesetz ihre Zustimmung erteilen wird.

Ich komme damit zum Tagesordnungspunkt 4, auf den sich der wesentliche Teil meiner Ausführungen beziehen wird, und stelle Folgendes fest: Sehr geehrte Damen und Herren! Die SPÖ-Justizfraktion im Nationalrat hat sich bereits seit Jahren um eine Verbesserung der strafrechtlichen Entschädigungsmöglichkeiten in unserer Rechts­ordnung bemüht. Ich darf daran erinnern, dass es vor allen Dingen mein Salzburger Kollege Johann Maier gewesen ist, der da ganz besonders aktiv war und der das Bundesministerium – schon vor Ihrer Zeit, Frau Ministerin – mit zahlreichen parlamen­tarischen Fragen eingedeckt hat. Nicht zuletzt sein intensives Betreiben dieses Projekts, dieser Materie hat dazu geführt, dass wir auch dieses Gesetz heute gemein­sam beschließen werden.

Ziel dieses Gesetzes ist es, den Reformbedarf des geltenden Rechts zum Anlass zu nehmen, das Strafrechtliche Entschädigungsgesetz insgesamt neu zu gestalten. Dem Geschädigten soll es in Hinkunft freistehen, sich sogleich an das Zivilgericht zu wenden und seine Ansprüche einzuklagen. Dabei kann er auch Verfahrenshilfe erhal­ten. Die damit verbundene Konzentration auf die Zivilgerichte, also ohne dass vorher eine positive Entscheidung des Strafgerichts notwendig ist, bedeutet eine Beschleu­nigung der Verfahren im Interesse aller Beteiligten. Dies wird natürlich auch von uns unterstützt. Zudem hat die geschädigte Person künftig Anrecht auf Ersatz des ideellen Schadens, also auf eine angemessene Entschädigung für den Verlust der persönlichen Freiheit. Der Ersatzanspruch auf Grund einer strafgerichtlichen Anhaltung wird konven­tionskonform ausgestaltet.

Grundsätzlich ist die SPÖ mit dieser Gesetzeslage einverstanden und wertet sie auch als positives Signal, und zwar vor allen Dingen auch deshalb, weil der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mehrfach festgestellt hat, dass die erlittene Unter­suchungshaft immer dann zu entschädigen ist, wenn der Verhaftete freigesprochen worden ist. Das war bisher in dieser Form nicht der Fall und das wird jetzt geändert.

Zweite wichtige Sache: Die grundrechtskonforme Neugestaltung der Entschädigung für strafrechtliche Anhaltung und Verurteilung sowie die Ausdehnung auf die sicherheits­behördliche Verwahrung. Dass das erweitert wurde, begrüße ich sehr, weil damit die Haftung des Bundes auf eine vorläufige Verwahrung durch eine Verwaltungsbehörde oder durch eines ihrer Organe ausgedehnt wurde, sofern sie im Dienst der Strafjustiz erfolgte. Das ist mit Sicherheit sehr wichtig.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist nur recht und billig, dass Opfer von Rechts­irrtümern – und diese gibt es nun einmal in jedem Rechtssystem – ordentlich ent­schädigt werden. Der massivste Eingriff in die Rechtsinteressen des oder der Einzelnen ist der Entzug der persönlichen Freiheit. Folge dieser Rechtsirrtümer sind Schicksale, Menschen, deren familiäre und wirtschaftliche Existenz oftmals ruiniert wurde. Ein Beispiel dafür haben wir ja heute bereits von einem meiner Kollegen gehört.

Bedauerlicherweise wurde der Abänderungsantrag der SPÖ, der im Nationalrat einge­bracht wurde, mit den Stimmen der Regierungsparteien abgelehnt. Nach dem jetzigen Gesetzesvorschlag wird eine Entschädigung unter anderem dann ausge­schlossen, wenn jemand wesentliche entlastende Umstände verschwieg oder sonstige gegen die Festnahme oder Anhaltung sprechende Gründe nicht vorbrachte oder einer ordnungs­gemäßen Ladung nicht folgte. Die Möglichkeit des Ausschlusses einer Entschädigung


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liegt also auch dann vor, wenn jemand von seinem Recht zu schweigen Gebrauch macht, einem Recht also, das sogar in jedem Polizeiprotokoll im Eingang vermerkt ist. Diese Ungerechtigkeit wäre mit der Annahme des Abänderungsantrags zu erledigen gewesen. Schade, dass das nicht passiert ist. Das halte ich für eine vertane Chance, dieses Gesetz wirklich zu einem perfekten Gesetz zu machen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Letztlich geht es doch darum, dass wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass einem wohl nichts Schlimmeres passieren kann, als schuldlos in Haft zu geraten, was man einfach nie 100-prozentig ausschließen kann. Auch Richter und Kriminalbeamte sind schließlich Menschen, und wo Menschen am Werk sind, passieren eben auch manchmal Fehler. Das Mindeste ist wohl, dass es wenigstens eine adäquate Entschädigung für die Betroffenen gibt.

Meine Damen und Herren! Es ist ganz klar, dass auf der einen Seite eine effiziente Kriminalitätsbekämpfung wichtig ist – darüber werden wir heute später noch einiges hören –, dass aber auf der anderen Seite die Freiheit des Menschen als eines der wichtigsten Güter, die wir zur Verfügung haben, deutlich sichergestellt werden muss. Diesen Spagat müssen wir schaffen, in diesem Zwiespalt befinden wir uns sicher alle, und diese Lösung muss uns als Gesetzgeber, der Sie ja hier sind, Frau Ministerin, alle Mühen wert sein. Daran, so hoffe ich, werden Sie auch in Zukunft weiter arbeiten. –Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

12.34

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte sehr, Herr Professor.

 


12.34

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Lassen Sie mich zunächst einige Hinweise zum Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen und die Erleichterung seiner Anwendung machen. Die Ver­ein­fachung des Rechtshilfeverkehrs zwischen beiden Ländern ist das Ziel im Interesse der Vertiefung der justiziellen Zusammenarbeit. 1996 ist nämlich durch die Ratifikation des Europäischen Übereinkommens durch Polen das bilaterale Übereinkommen aus 1978 außer Kraft getreten.

Im Verhältnis zu Polen wird die Rechtshilfe künftighin, wie schon gesagt, auch auf solche strafbare Handlungen ausgedehnt, die in dem einen Vertragsstaat in die Zuständigkeit des Gerichts und im anderen in die Zuständigkeit der Verwaltungs­behörden fallen. Zudem wird der unmittelbare Verkehr, also insbesondere der direkte Schriftverkehr, zwischen den für das jeweilige Verfahren zuständigen Justizbehörden, also den Gerichten und den Staatsanwaltschaften, zugelassen. Auch die Zustellung von Schriftstücken im Postweg wird jetzt eröffnet, was bereits gesagt wurde. Über­setzungen, die zusätzlichen administrativen Aufwand und Mehrkosten erfordern, sind nicht mehr generell verlangt, sondern nur noch in bestimmten Fällen, im Wesentlichen dann, wenn der Empfänger, dem ein Schriftstück zuzustellen ist, die Annahme unübersetzter Dokumente verweigert. Ersuchen um eine Übernahme der Strafverfol­gung können künftig unmittelbar zwischen den Staatsanwaltschaften beider Länder gestellt werden. Auch die Ausfolgung von Gegenständen an den Geschädigten wird erleichtert – dies also auch eine Maßnahme im Sinne des Opferschutzes.

Anschließend darf ich noch etwas näher auf das Strafrechtliche Entschädigungs­gesetz 2005 eingehen. Die bisher geltenden Bestimmungen standen zum Teil mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der Euro­päischen Menschenrechtskonvention nicht voll im Einklang. Das lag vor allem daran,


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dass der mangels Beweise freigesprochene Beschuldigte oder Angeklagte dann keinen Anspruch auf Entschädigung hatte, wenn er im Zivilverfahren den Tatverdacht, der zur Anklageerhebung geführt hatte, nicht voll entkräften konnte.

Der Europäische Gerichtshof sah darin eine Verletzung der Unschuldsvermutung. Gewiss bedeutete diese ursprünglich primär allein Folgendes: Vor Rechtskraft eines allfälligen Schuldspruchs durch ein Strafgericht dürfen dem strafgerichtlich Verfolgten inner- wie auch außerprozessual keine nachteiligen Rechtsfolgen auferlegt werden, die erst durch eine rechtskräftige Verurteilung gerechtfertigt sind. Insbesondere ist damit auch die „in dubio pro reo“-Regel, also im Zweifel ist freizusprechen, garantiert, ob man in ihr nun eine Beweiswürdigungs- oder eine Beweislastregel erkennen mag.

Zudem wurde auch seit jeher die Verbürgung des Anklagegrundsatzes und in Ver­bindung damit die Beweislast des öffentlichen Anklägers für den Nachweis der strafbaren Handlung gesehen. Mit anderen Worten: Es ist nicht der Beschuldigte dazu verhalten, sich vom Vorwurf der Straftat freizubeweisen. Eben darauf lief es jedoch im auf die Entschädigung gerichteten Folgeverfahren hinaus, obläge es dem im Straf­verfahren freigesprochenen Angeklagten, dann noch nachträglich im Zivilverfahren den Tatverdacht entkräften zu müssen. Das umso mehr, als ja das österreichische Strafprozessrecht keine Freisprüche von unterschiedlicher Qualität kennt, das heißt solche „bloß“ – unter Anführungszeichen – mangels an Beweisen und solche wegen erwiesener Unschuld. Folglich gilt ein – und sei es auch nur im Zweifel – freige­sprochener Beschuldigter nicht als beschwert und kann daher auch kein Rechtsmittel erheben, um einen solchen Freispruch zu erreichen, der seine volle Unschuld feststellt. So gesehen wäre es dann zweifellos eine unsachliche Differenzierung, daran je nach der normativ ja unerheblichen Begründung des strafgerichtlichen Freispruchs unter­schiedliche zivilrechtliche Konsequenzen zu knüpfen.

Eine der für uns ja an sich ohnehin verbindlichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs widersprechende Beweislastverteilung, nämlich eine Beweislast des Freigesprochenen für die volle Entkräftung des strafrechtlichen Verdachts, hätte diesen in der Praxis auch in der Regel überfordert – und so war es auch – und hat ihn damit vielfach um seinen Anspruch gebracht.

Freilich darf man rechtspolitisch auch nicht ins andere Extrem verfallen: Nicht jede spätere Einstellung des Strafverfahrens, bei vorerst überzeugender Beweislage, erdrückender Beweislage, Vorliegen schwer wiegender Haftgründe oder gar eines Eigenverschuldens des Verdächtigen an seiner Strafverfolgung durch zunächst unrich­tige Angaben, zum Beispiel um den wahren Täter zu decken, rechtfertigt unbedingt eine Entschädigung. Eine differenzierende Ermessensklausel soll diesen unter­schied­lich zu bewertenden Konstellationen des Einzelfalls angemessen Rechnung tragen.

Von vielleicht eher akademischer Bedeutung, aber dennoch nicht ganz uninteressant scheint mir die dogmatische Einordnung dieser Entschädigungsregelung zu sein. In Abgrenzung von unter Umständen konkurrierenden Amtshaftungsansprüchen, die ja stets ein Verschulden des für den Rechtsträger in Vollziehung der Gesetze handelnden Staatsorgans voraussetzen, liegt hier ein Anwendungsfall der verschuldens­unabhän­gigen so genannten Eingriffshaftung vor.

Eine ganz wesentliche Verbesserung der Rechtsposition der geschädigten Person ist auch darin zu sehen, dass ihr künftig nicht nur der Vermögensschaden, sondern erstmals auch ein Anspruch auf Ersatz des ideellen Schadens, also auf eine Art Schmerzensgeld, zum Ausgleich der Verletzung ihres Grundrechtes auf persönliche Freiheit eingeräumt wird.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht – auch darauf wurde ja schon hingewiesen – wird dem Geschädigten zugleich die Rechtsverfolgung erheblich erleichtert. Er kann bei


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Vergeblichkeit eines außergerichtlichen Aufforderungsverfahrens sogleich mit Klage das Zivilgericht anrufen, ohne – anders als bisher – zuvor eine positive Entscheidung des Strafgerichtes über die Anspruchsvoraussetzungen erwirken zu müssen. Zudem kann er für einen solchen Zivilprozess auch Verfahrenshilfe erlangen. Rechtspolitisch sachgerecht ist es auch, ausschließlich die am durchgeführten Strafverfahren unbe­teiligten Zivilgerichte zur Entscheidung über diesen seiner Art nach zivilrechtlichen Anspruch für zuständig zu erklären.

Zu all diesen den Rechtsstaat stärkenden Vorhaben wird meine Fraktion gerne ihre Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.41

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte.

 


12.42

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Lieber Herr Kollege Böhm! Die differenzierende Ermessensentscheidung und auch die Rechtshilfe sind Themen, zu denen Sie kritische Anmerkungen gehabt haben und auch ich.

Prinzipiell, sehr geehrte Frau Bundesministerin, werden die Grünen beiden Gesetzes­vorschlägen ihre Zustimmung erteilen. Insbesondere das Abkommen mit Polen über die Rechtshilfe ist ja etwas, was in einer Reihe anderer Staaten folgt, und es erleichtert insbesondere die wechselseitige Hilfe auch bei der Verfolgung von Taten, die in einem Staat gerichtlich strafbar sind und in einem anderen nur dem Verwaltungsstrafrecht unterliegen.

Zum Zweiten, zur generellen Neuordnung des Strafrechtlichen Entschädigungs­geset­zes: Erstens ist prinzipiell zu begrüßen, dass es hier zu einer wirklich kompletten Änderung gekommen ist, insbesondere betreffend die Bereiche nach einer ungerecht­fertigten oder auch gesetzeswidrigen Haft. Es ist auch zu begrüßen, dass nun die Zuständigkeit der Zivilgerichte gegeben ist. Das ist positiv. Bisher war es ja so, dass dem Grund nach die Strafgerichte und für die Höhe dann die Zivilgerichte zuständig waren, und das hat in der Praxis immer wieder zu sehr, sehr unbefriedigenden Ergebnissen geführt.

Aber hinsichtlich der Regelung – Frau Kollegin Neuwirth hat dieses Thema ja schon angezogen – betreffend Ausschlusspunkte und Einschränkungen der Ersatzansprüche hat auch die Rechtsanwaltskammer aufgeschrien und gesagt, dass dies nicht ganz im Sinne der Gleichbehandlung der Ansprüche ist. Unter anderem besteht ein Haftungs­ausschluss, soweit die Zeit der Anhaltung auf eine unbedingte Strafe angerechnet wird – das ist völlig klar –, eins zu eins. Das Problem ist aber bei einer vorzeitigen Entlassung: Wie wird das bewertet? Und hier ist es ja so, dass dies unter einen Ausschlussgrund kommt. Die Rechtsanwaltskammer hat hier eine Formulierung vorge­schlagen oder angeregt, eine Forderung umzusetzen, die heißt, einen Ausschluss oder eine Einschränkung des Anspruches nur in dem Fall und in dem Ausmaß zu normieren, als die Anrechnung auf eine unbedingt verhängte Strafe erfolgte. Das wäre mit Sicherheit eine gerechtere Vorgangsweise gewesen.

Weiters soll der Anspruch unter Bedachtnahme auf die Verdachtslage zur Zeit der Fest­nahme eingeschränkt oder ausgeschlossen werden können. Aber durch diese Bestimmung, Frau Ministerin, wird eigentlich versucht, die Folgekosten aus budgetären Erwägungen zu beschränken. Denn was müssen die Zivilgerichte jetzt tun, Herr Kollege Böhm? – Die Zivilgerichte müssen jetzt im Grunde nachträglich bewerten – das beinhaltet diese differenzierte Ermessensentscheidung; Sie haben es selbst gesagt –,


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die Zivilgerichte müssen jetzt abermals ein Strafverfahren wiederholen, um das zu bewerten, damit eine Ermessensentscheidung überhaupt möglich wird. Ohne Zweifel müssen ja diese Erkenntnisse in die Ermessensentscheidung einfließen. Denn wie kann eine Ermessensentscheidung darüber erfolgen, wenn ich nicht weiß, ob das zu diesem Zeitpunkt strafrechtlich relevant war oder nicht? Und damit ist der Prozess­ausgang nicht prognostizierbar.

Letztlich geht die Novelle, die wir heute beschließen, auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes für Menschenrechte zurück, der ja auch immer wieder festgestellt hat, dass die österreichischen Haftentschädigungsregeln nicht menschenrechtsgerichtshof­konform sind. Aber die nun vorgeschlagene Bestimmung betreffend allgemeine Ver­dachtslage könnte dazu führen, dass nicht nur, Herr Professor, in Zweifel, in dubio, kein voller Ersatz geleistet wird, sondern darüber hinaus auch bei glatten Freisprüchen. Und da käme dann eigentlich die etwas perverse Situation zustande, dass es gegenüber der geltenden kritisierten Rechtsprechung sogar zu einer Verschlechterung käme.

Dies ist ein Punkt, wo ich sage, ich hoffe, an diesem Gesetz wird weitergearbeitet, obwohl wir im Prinzip unsere Zustimmung geben.

Der nächste Punkt ist die Verlagerung in den Zivilprozess, den ich begrüße, aber eine Verlagerung in den Zivilprozess – Sie werden mir zustimmen, Herr Professor Böhm – führt auch zu einem höheren Kostenrisiko, da ich ja nicht weiß, wie die Sache ausgeht. Also das heißt: Was tue ich? Wir brauchen dazu im Grunde Beratung für die Betrof­fenen, denn es sind ja doch erhebliche Probleme verbunden, wenn der Anspruch zwar dem Grunde nach besteht, aber in der Höhe mitunter gestritten werden muss.

Wenn wir davon ausgehen, dass jemand aus der Haft entlassen wird und jetzt sein Recht einfordert, dann müssen wir auch bedenken, dass er ein Risiko eingeht, denn der hat ja an sich, wenn er aus der Haft entlassen wird, keine finanziellen Mittel. Gibt es hier eine Vorauszahlung, damit jemand, der aus der Haft entlassen wird, einen Privatprozess führen kann, auch wenn er mittellos ist? Gibt es eine Vorauszahlung oder nicht? Oder: Wie schaffen wir es, dass dieses an sich gute Recht des Scha­denersatzes für alle, unabhängig von ihrem Einkommen und ihrer Situation, gilt? (Bundesrat Dr. Böhm: Durch die Verfahrenshilfe!) Ja, die Verfahrenshilfe, aber ob die ausreichend ist, Herr Professor Böhm, werden wir sehen.

Frau Bundesministerin! Ich denke, wir müssen an dieser Novelle noch arbeiten. Aber vom Prinzip her hat die Novelle den richtigen Weg beschritten, und deshalb werden wir auch die Zustimmung geben. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.48

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort. – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstatterin ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Polen über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner An­wen­dung.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Danke schön. Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend Strafrechtliches Entschädigungsgesetz 2005.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Danke schön. Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Rechtsanwalts­ord­nung, das Bundesgesetz zur Durchführung des Europäischen Übereinkommens vom 27. Jänner 1977 über die Übermittlung von Anträgen auf Verfahrenshilfe, das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Gerichts­ge­büh­rengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Rechtsanwalts­tarif­gesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsan­wälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2004) (613 d.B. und 638 d.B. sowie 7134/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG, mit der die Verein­barung über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrund­stücken geändert wird (403 d.B. und 639 d.B. sowie 7135/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zum 5. und 6. Punkt der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Tagesordnungspunkten ist Frau Bundesrätin Mag. Neu­wirth. Ich bitte, beide Berichte dem Plenum mitzuteilen.

 


Berichterstatterin Mag. Susanne Neuwirth: Ich gebe den Bericht des Justizaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, das Außer­streitgesetz, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Rechts­anwaltsordnung, das Bundesgesetz zur Durchführung des Europäischen Übereinkom­mens vom 27. Jänner 1977 über die Übermittlung von Anträgen auf Verfahrenshilfe, das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Gerichtsgebühren­gesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechts­anwaltsanwärter geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2004).

Der Bericht liegt Ihnen in Schriftform vor. Ich bringe daher nur den Antrag.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.


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Ich komme zum Bericht über Tagesordnungspunkt 6: Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend eine Verein­barung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG, mit der die Vereinbarung über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrund­stücken geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in Schriftform vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2004 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.52

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Tagesordnungspunkt 6 befasst sich mit der zivilrechtlichen Situation bezüglich Grund­verkehr und Baugrund und der 15a-Vereinbarung, in weiterer Folge Ausländer­grund­verkehrsgesetz.

Die Anpassung zwischen Bund und Land ist mit der Vollmitgliedschaft Österreichs bei der EU eine Aufgabe, die wir zur erfüllen haben.

Das zweite Problem ist, dass wir eine bundeseinheitliche Rechtssituation erhalten, und zwar im zivilrechtlichen Bereich.

Der dritte Punkt ist, dass durch die neue Regelung auch für Ausländer für land- und forstwirtschaftliche Flächen eine Regelung getroffen wird.

Mit dieser Novellierung führen wir einfach die Anpassungen, zu denen wir auf Grund der Vollmitgliedschaft – ich komme noch einmal darauf zurück – verpflichtet sind, durch. Diese Anpassungen haben den Zweck, dass Österreich im internationalen Bereich in der gesamten Grunderwerbsfrage – auch Österreicher können im übrigen Europa jederzeit als Grunderwerber auftreten – die gleichen Möglichkeiten für alle Mitgliedstaaten, für Personen der Europäischen Union schafft.

Die freiheitliche Fraktion wird dieser Regelung die Zustimmung geben, weil es einfach für die Länder höchst notwendig war, diese Vereinbarung zu treffen.

Unabhängig davon, meine sehr geehrten Damen und Herren, wissen wir Bürger­meister, mit welchen Problemen wir es zu tun hatten, um so manchen Grunderwerb durch Ausländer zu Fall zu bringen, wo es notwendig war, andererseits konnte sich so mancher Grunderwerber dadurch bei uns niederlassen und bei uns seine Existenz aufbauen.

Es ist nicht von dieser Regelung betroffen, aber es kann nicht sein, dass zum Beispiel ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb von jemandem erworben wird – in Kärnten ist es so –, der von der Land- und Forstwirtschaft keine Ahnung hat. Da wird nach wie vor diese Regelung gelten und die Verpflichtung sein, dass der Erwerber jemanden mit der vollen Verantwortung beauftragt, diesen Betrieb zu führen, oder dass er den Nachweis erbringt, dass seine Voraussetzungen für die Führung eines land- oder forstwirtschaft­lichen Betriebes gegeben sind.


Bundesrat
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All das liegt nicht unmittelbar im Bereich dieses heutigen Antrages. Die Regelung, die wir heute treffen, ist einfach notwendig, und wir sollten ihr die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.56

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

 


12.56

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Zur Zivilverfahrens-Novelle 2004 ist aus der Sicht meiner Fraktion auch Folgendes positiv festzuhalten: Mit ihr sollen die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Datenschutz­gesetzes 2000 im Bereich der Justizgesetze sachangemessen umgesetzt und gegen die Verletzung des Grundrechtes auf Geheimhaltung der personenbezogenen Daten durch Organe der Gerichtsbarkeit ein Rechtsbehelf eröffnet werden.

Ein weiterer Reformpunkt bezieht sich auf den Verbraucherschutz. Bereits heute sind die Verbände im Sinne des § 29 Konsumentenschutzgesetz auf Grund der in der Juris­diktionsnorm festgelegten fiktiven Mindeststreitwerte in der Lage, zur Klärung der Rechtslage im überindividuellen Interesse der Verbraucher Musterprozesse zu führen. Im Gegensatz zu bisher sollen künftig aber nicht nur Geldforderungen Gegenstand solcher Verfahren sein können, sondern auch alle abtretbaren Ansprüche sonstiger Art.

Dem informationstechnologischen Fortschritt entsprechende Neuregelungen dienen der Führung der gerichtsinternen Register und der Einsichtnahme in sie. Auf diesem Gebiet ist das österreichische Justizwesen anerkannterweise europaweit, wenn nicht sogar weltweit führend. Das darf einmal ohne unangebrachtes Selbstlob objektiv fest­gestellt werden.

Im einzigen Punkt, in dem uns die Bundesrepublik Deutschland, die sonst weit hinter unseren informationstechnologischen Ausstattungen der Justiz zurückliegt, freilich auch nur legislativ und keineswegs in der praktischen Realisierung voraus war, ziehen wir mit der vorliegenden Novelle nach, und zwar in der zukünftigen prozessualen Mög­lichkeit, Zeugen und Parteien mittels Videotechnologie, also in Videokonferenz, einzu­vernehmen, was vielleicht auch kostspielige und langwierige Rechtshilfeverfahren im Ausland unter Umständen vermeiden helfen wird.

Der zeitgerechten Umsetzung der Richtlinie 2003/8/EG des Rates vom 27.1.2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen dient die Gewährleistung einer angemessenen Prozess­kostenhilfe – in österreichischer Diktion: Verfahrenshilfe – für Zivil- und Handelssachen mit grenzüberschreitendem Bezug für alle Unionsbürger, unabhängig von ihrem Wohn­sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Europäischen Union, und solche Drittstaaten­angehörige, die sich rechtmäßig in der Europäischen Union aufhalten.

Auch diesem Vorhaben, das dem Rechtsschutz von Inländern und Unionsbürgern ent­sprechend weiterhelfen wird, werden wir sehr gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.59

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Auch das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher geschlossen.

Die Berichterstattung wünscht ebenfalls kein Schlusswort.


Bundesrat
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Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Ok­tober 2004 betreffend Zivilverfahrens-Novelle 2004.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG, mit der die Vereinbarung über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

7. Punkt

Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2003 (III-260-BR/2004 d.B. sowie 7136/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

 


Berichterstatter Gottfried Kneifel: Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf Sie über den Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2003 informieren.

Der vorliegende 27. Bericht stellt die Tätigkeit und Wahrnehmungen der Volks­anwaltschaft im Jahre 2003 ausführlich dar. Er ist Ihnen in vollem Umfang in schrift­licher Form zur Kenntnis gebracht worden.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2004 den Antrag, den Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2003 (III-260-BR/2004 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Hösele. – Bitte.

 


13.02

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Volksanwältin! Herr Volksanwalt! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Volksanwaltschaft hat uns einen sehr umfangreichen und wie immer inhaltsreichen und aufschlussreichen Bericht für das Jahr 2003 vorgelegt. Es ist dies der 27. Bericht.

Seit mehr als einem Vierteljahrhundert besteht diese Institution der Volksanwaltschaft. Anfangs, rund um die Gründung der Volksanwaltschaft, hat es verschiedenste Diskus­sionen gegeben, ob eine solche Institution überhaupt notwendig sei. Heute ist sie eigentlich als eine unverzichtbare Instanz der Hilfe für die Bürgerinnen und Bürger für einen besseren Zugang zum Recht sehr bewährt und wird als unverzichtbar ange­sehen.


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Sie hatte auch eine internationale Pionierwirkung. Österreich war damals nach skan­dinavischem Vorbild – ich habe das historisch nachvollzogen – der siebente oder achte Staat, der eine Volksanwaltschaft eingerichtet hat. Heute ist das bei ungefähr 120 Staaten mit ähnlicher Ausstattung gegeben.

Das hängt mit den Kompetenzen und der Ausstattung der Volksanwaltschaft zusam­men. Insbesondere ist es mit den handelnden Personen verbunden. So ist die Volks­anwaltschaft dank der engagierten Tätigkeit ihrer Mitglieder zu einer unverzichtbaren Wächterin der Bürgerrechte und einer bürgernahen, serviceorientierten Verwaltung geworden. Das soll ganz besonders hervorgehoben werden.

Aus dem Bericht geht hervor, dass im Jahr 2003 die Zahl der Prüfverfahren in der Bundesverwaltung mit 4 184 leicht rückläufig war, in der Landesverwaltung ist mit 2 363 Fällen auch ein geringer Rückgang festzustellen. Es wurden aber auch mehr Fälle an die Volksanwaltschaft herangetragen, die jedoch auch wegen Unzuständigkeit abgewiesen werden mussten. Das zeigt einerseits, dass der Bürger Zugang zum Recht sucht, dass andererseits hingegen auch Vertrauen gegenüber der Volksanwaltschaft zum Ausdruck gebracht wird.

Die unterschiedliche Länderquote, die auch aufgeschlüsselt ist, ist interessant, nämlich wie viele Fälle sozusagen ... (Volksanwalt Dr. Kostelka betritt den Sitzungssaal.) – Ich begrüße den amtierenden Vorsitzenden der Volksanwaltschaft, ich habe gerade das Hohe Lied auf Ihre bedeutende Tätigkeit gesungen und werde das fortsetzen. Es gibt also eine unterschiedliche Beschwerdehäufigkeit in den einzelnen Bundesländern. Diese ist in der Ostregion am stärksten – möglicherweise hängt das auch mit dem Standort der Volksanwaltschaft und der Behörden zusammen –, während Salzburg, Kärnten, die Steiermark und Oberösterreich weit dahinter rangieren. Vorarlberg und Tirol nehme ich aus, weil es ja dort eigene Landesvolksanwaltschaften gibt.

Ich habe gesagt, allgemein ist ein leichter Rückgang der Zahl der Prüfverfahren in der Verwaltung feststellbar, während – das war ja heute schon Teil einer Debatte, die sehr engagiert mit der neuen Justizministerin geführt wurde – ein Zuwachs der Fallzahlen beim Bundesministerium für Justiz zu verzeichnen ist. Kollege Wiesenegg hat das als Erster angesprochen; es ist mehrfach in der Diskussion erwähnt worden, dass die überlangen Verfahren in der Zivilgerichtsbarkeit ein sehr schwieriges Problem sind.

Es ist auch die Grundrechtscharta der Europäischen Union zitiert worden, die sehr schön im Grundrechtsteil des Berichtes der Volksanwaltschaft dargestellt wird. Das möchte ich jetzt nicht noch einmal wiederholen, sondern nur bekräftigend kurz ansprechen. Es ist das – es wird auch mitgeteilt, dass das nicht allein an den Richtern liegt, sondern auch an den Sachverständigen – ein sehr komplexes Problem. Insofern ist es auch nicht allein mit einer höheren Personalzahl in der Verwaltung lösbar.

Ich komme zum nächsten Thema. Ich habe mit großer Freude festgestellt, dass es ein gemeinsames Anliegen von uns allen gewesen ist, die Sendung „VolksAnwalt“ wieder ins Fernsehen zu bringen. Ich glaube, Kollege Schennach und ich haben damals im Zusammenhang mit der ORF-Gesetz-Novelle auch hier im Haus unsere Freude darüber zum Ausdruck gebracht, dass der ORF diese Sendung wieder eingeführt hat, was auch eine ganz wichtige Unterstützung der Position der Volksanwaltschaft bringt. Diese Form der Öffentlichkeit ist auch sehr wirksam im Interesse des Rechtsschutzes der Bürgerinnen und Bürger.

Die Volksanwaltschaft ist natürlich, wie alle Teile der österreichischen Bundes­verfassung, Teil der Beratungen des Österreich-Konvents, in dem die Volksanwalt­schaft ganz besonders prominent vertreten ist, weil der gegenwärtige Vorsitzende der Volksanwaltschaft auch Mitglied des Präsidiums des Österreich-Konvents ist und dort dem mittlerweile gewählten neuen Herrn Bundespräsidenten als stellvertretendes


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Konventspräsidiumsmitglied nachgefolgt ist. Ich selbst hatte das Vergnügen, mit dem Herrn Volksanwalt, solange er noch nicht in die hohen Lichtungen des Präsidiums entrückt war, im Ausschuss 8, Demokratische Kontrollen, in dem er mein Vorsitzender war, zusammenzuarbeiten, insbesondere den Rechnungshof und die Volksanwalt­schaft betreffend. Kollege Professor Kostelka war dort Mitglied, Professor Böhm war ab und zu auch in diesem Ausschuss vertreten; er ist auch in vielen anderen Ausschüssen tätig.

Es wurde über mögliche Veränderungen und Reformen der Volksanwaltschaft dis­kutiert. Die Volksanwaltschaft selbst hat im Schlussteil ihres Berichtes auch einige Vorschläge gebracht. Allgemein ist die bewährte Tätigkeit sehr hervorgehoben worden. Es gibt im Detail natürlich völlig unterschiedliche Vorstellungen. Sie werden verstehen, dass im Zusammenhang mit diesen unterschiedlichen Vorstellungen die Fraktion, die ich vertrete, ebenfalls unterschiedliche Vorstellungen zu dem hat, was das Kollegial­organ der Volksanwaltschaft dargestellt hat.

Ich erlaube mir, hier einen kurzen Hinweis zu geben. Eine wichtige Frage neben der Frage, welche Standards auszubauen sind, ist jene der Zusammensetzung der Volksanwaltschaft und der Bestellung beziehungsweise einer möglichen Abberufung ihrer Organe, die ja bisher nicht vorgesehen ist. Faktum ist, dass die Volksanwaltschaft in Zeiten eines Drei-Parteien-Parlaments in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre geschaffen wurde, weshalb man damals wohl aus diesen Gründen zur Zahl drei bei den Mitgliedern der Volksanwaltschaft gekommen ist, dass wir aber mittlerweile ein aus­geprägtes Vier-Parteien-Parlament haben. Das ist auch sehr erfreulich und wird künftig stabil bleiben.

Herr Fraktionsvorsitzender, ich sehe das ja als demokratische Bereicherung und Belebung im Sinne eines umfassenden Diskurses der verschiedenen gesellschaftlich relevanten Gruppen an. Das eine ist die Zivilgesellschaft, das andere ist aber, dass wir keine außerparlamentarische Opposition haben wollen, sondern einen parlamen­tarischen Diskurs, der möglichst bunt und vielfältig sein soll: grün, blau, rot und schwarz; es hat auch einmal hellblau gegeben.

Damals sind drei Volksanwälte – ich nehme an, aus diesen Gründen – vorgeschlagen worden. Es erscheint mir nicht sinnvoll, aus Gründen des Parteienproporzes die Zahl der Volksanwälte jetzt auf vier zu erhöhen. Eine Stärkung des Parteienproporzes, wenn das der Hintergedanke gewesen sein sollte, bedeutet ja per se die Erhöhung der Gefahr einer größeren Parteilichkeit. Es geht also um verfassungsrechtliche Vorkeh­rungen und darum, die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit der Volksanwaltschaft zu stärken.

Meiner Meinung nach ist bezüglich Rechnungshofspräsidenten und Volksanwälten – natürlich so wie bezüglich Bundespräsidenten – bei aller persönlichen Verpflichtung einer politischen Gesinnung gegenüber, die man nicht bei der Garderobe abgibt und auch nicht abgeben soll, Folgendes in der Amtsführung entscheidend: unparteiisch, unabhängig, überparteilich. Gerade deswegen erscheint mir ein neuer Bestellmodus, der eben nicht vom Parteienproporz bestimmt ist, besonders wichtig.

Seitens der Österreichischen Volkspartei sind im Österreich-Konvent Überlegungen eingebracht worden, Rechnungshof und Volksanwaltschaft in der Bestellung gleichzu­stellen. Ein Präsident und ein stellvertretender Präsident im Rechnungshof – das wäre eine Wiedereinführung, dazu komme ich gleich noch –, ein Volksanwalt und ein(e) stellvertretende(r) Volksanwalt/Volksanwältin. Das sollte gerade im Sinne der Stärkung dieser überparteilichen Funktion so sein.

Das ist eine gemeinsame Position, die auch Herr Professor Konecny mit mir mit­vertreten hat – ganz gleich, wie hoch die Zahl der Mitglieder der Volksanwaltschaft


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letztlich festgelegt werden wird. Eine Mitwirkung des Bundesrates an der Bestellung sowohl der Rechnungshofspitze als auch der Volksanwaltschaftsspitze scheint uns analog zur Frage, wie es auch beim Verfassungsgerichtshof erfolgt, sehr sinnvoll und zweckorientiert zu sein, da ja die Volksanwaltschaft – so wie der Rechnungshof – auch für Länder und Gemeinden zuständig ist – außer dort, wo es eben in zwei Bun­desländern eine andere Regelung gibt. Da gibt es mehrere Varianten. Das ist auch hier in diesem Hause einmal als gemeinsame Willenskundgebung in den neunziger Jahren zum Ausdruck gebracht worden: entweder Bestellung durch die Bundesversammlung oder – anderer Vorschlag – Bestellung des Präsidenten des Rechnungshofes bezie­hungsweise eines Volksanwaltes durch den Nationalrat und Bestellung des Vize­präsidenten des Rechnungshofes beziehungsweise des Stellvertreters des Volks­anwaltes durch den Bundesrat.

Insgesamt gehört in einer solch ernsthaften Diskussion auch dazu, die Abwahl- und Nachwahlmöglichkeiten genau zu prüfen. Auch da hat sich die Situation geändert, wobei es nie zu einer – es müssen alle Vorkehrungen dafür getroffen werden – Parteienwillkür kommen soll, ganz gleich wie diese Diskussionen ausgehen werden. Wir sind ja jetzt im Endspurt des Österreich-Konvents. Das wird dann ohnehin im Hause noch ausführlich zu debattieren sein. Bei allen Diskussionen muss im Vorder­grund immer die größtmögliche Wirksamkeit der Volksanwaltschaft im Interesse der Bürgerinnen und Bürger stehen.

Damit darf ich mit einem nochmaligen herzlichen Dank an die drei Mitglieder der Volksanwaltschaft für ihre engagierte Tätigkeit mitteilen, dass meine Fraktion dem 27. Bericht, wie bisher, gerne ihre Zustimmung geben wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

13.14

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Bevor ich dem nächsten Debattenredner das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass das Bundeskanzleramt über Entschließung des Herrn Bundespräsidenten vom heutigen Tag die Mitteilung gemacht hat, dass auf Vorschlag der gemäß Artikel 69 Abs. 2 B-VG den Bundeskanzler vertretenden Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer innerhalb des Zeitraumes vom 5. bis 7. November 2004 der Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll vertreten wird.

*****

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus.

Ich rufe zuvor Herrn Bundesrat Schimböck auf – er ist aber nicht anwesend.

Bitte, Herr Bundesrat Mag. Gudenus, Sie sind am Wort.

 


13.15

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Verehrte Volks­anwälte! Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir dieses wirklich beeindruckende Werk der Volksanwaltschaft in Händen haben, und nicht nur das, sondern es auch durch­gesehen und durchgelesen haben, können wir durchaus sagen, die Volksanwaltschaft hat eine entsprechende Entwicklung genommen.

Im Jahre 1977 ist sie ja nicht als Rechtsschutzeinrichtung im technischen Sinne ge­gründet worden, sondern als niedrigschwellige Institution, um einfach und unbüro­kratisch dem echt oder weniger echt belasteten Bürger zur Seite zur stehen. Seit diesem Zeitpunkt wurden eigentlich die der Volkanwaltschaft zustehenden und verfas-


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sungs­rechtlich zugedachten Aufgaben nicht wesentlich beziehungsweise überhaupt nicht geändert. Es hat sich aber das gesellschaftliche und das politische Umfeld weiterentwickelt. Dem hat sich im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten auch die Volksanwaltschaft angepasst und sich intern weiterentwickelt.

Am 1. März dieses Jahres hat im Rahmen des Österreich-Konvents die Volks­anwaltschaft Vorschläge eingebracht, die sie in die künftige Verfassung eingebunden haben möchte.

Erstens: Änderungen in der Bundesverfassung, zweitens: eine bessere Missstands­kontrolle, drittens: eine verstärkte parlamentarische Einbindung der Volksanwaltschaft, und viertens: die Konzentration der Kontrolle bei der Volksanwaltschaft.

Wenn man das so liest und von Ihnen auch hört, tönt das alles sehr sinnvoll und zweckmäßig, weil man erkennt, dass die Volksanwaltschaft gut besucht wird – sei es in Wien oder sei es bei den Sprechstunden in den verschiedenen Bundesländern.

Dass Wien mit 125 Beschwerden im Jahre 2002 Spitzenreiter ist, gefolgt vom Burgen­land mit 110 und Niederösterreich mit 100 Fällen, ist vielleicht auch auf die Nähe zur Volksanwaltschaft selbst zurückzuführen. Aber das tut der Sache keinen Abbruch, denn die Volksanwaltschaft zeigt, dass sie ihren Aufgaben gerecht wird. Es waren insgesamt 7 078 Erledigungen im Jahre 2003 festzustellen, das heißt, es gab mehr Erledigungen als Prüfverfahren. Ein gewisser Rückstand, der aus welchen Gründen auch immer vorhanden war, konnte also abgebaut werden.

Wir konnten heute von der Frau Justizministerin hören, dass die Verfahrensdauer in Zivilrechtsverfahren in Österreich im Durchschnitt acht Monate und drei Tage – glaube ich, hat sie gesagt – beträgt. Das ist eine im europäischen Durchschnitt wichtige Zahl. Nur haben österreichische Bürger, die im Gerichtsverfahren stehen, nichts von einer durchschnittlichen Dauer und auch nichts von Vergleichen mit Spanien oder Portugal. Die Bürger haben ein Recht auf schnelle Verfahren. Aus dem Bericht der Volks­anwaltschaft geht hervor, dass so manche Verzögerung der Verfahren auf Grund der Sachverständigengutachten entsteht. Das ist also ein Sachverhalt, der weder das Gericht noch die Volksanwaltschaft trifft.

Aber man wird sicherlich Wege finden, eine Verfahrensbeschleunigung herbeizuführen, umso mehr, als – wie wir heute schon informiert worden sind – es nicht die Richter, die Staatsanwälte oder andere damit Befasste sind, die an Verzögerungen interessiert sind. Manchmal sind es – und das ist jetzt eine Bemerkung von mir – die beteiligten Streithansln, um es volkstümlich zu sagen, die selbst zur Verzögerung beitragen.

Ein Punkt, der mich als Seniorenvertreter betrifft – und ich möchte jetzt keineswegs alle Punkte, die in die Bereiche der Volksanwaltschaft fallen, auf die Seniorenfähigkeit oder -betroffenheit überprüfen –, ist die Angelegenheit betreffend den Bluthochdruck. Wir haben bei den Senioren die Feststellung gemacht, dass Senioren oftmals Führer­scheine abgenommen werden oder an sie nur befristet ausgegeben werden, weil im Rahmen einer Untersuchung, die aus welchen Gründen auch immer stattfindet, fest­gestellt wird, dass sie entweder Bluthochdruck oder Altersdiabetes haben, vielleicht ihre Augen auch nicht immer ganz gut sind.

Wir erachten das deshalb als ungerechtfertigt, weil, wie man feststellen kann, ein Großteil der Unfälle im Straßenverkehr nicht von Senioren verursacht wird, auch wenn sie den einen oder anderen altersbedingten Zustand haben, der nicht mehr mit jenem der Jugend zu vergleichen ist, sondern in den meisten Fällen von jugendlichen, sehr jugendlichen Fahrern, die weder das Fahrzeug gewöhnt sind noch dem Alkohol abschwören können. Ich bitte daher die Volksanwaltschaft, bei allfälligen Vorkomm-


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nissen dieser Art die Senioren in diesem Punkt zu unterstützen. Es wurde auch im Fall des Bluthochdrucks die Befristung aufgehoben.

Was mich bei diesem Bericht etwas irritiert, ist Folgendes: Es wurden drei Gruppen von Anregungen angeführt, die die Volksanwaltschaft gibt, aber von den Anregungen einer legislativen Änderung wurden nur wenige umgesetzt. Das heißt, die Mehrzahl der Anregungen versanden im Rahmen der Bürokratie, nur ganz wenige werden aufge­griffen. Das ist ein Punkt, der mich irritiert, und ich hoffe, dass man mir von Seiten der Volksanwaltschaft – die Volksanwältin Bauer oder einer der beiden Herren Volksan­wälte – Auskunft geben kann, warum es so ist, dass die Anregungen, die gegeben werden, nicht gerne aufgegriffen werden – aber es braucht auch nicht gerne zu sein – und nicht umgesetzt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.23

 



Bundesrat
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Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundes­rätin Kerschbaum. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


13.23

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe auch den Bericht von hinten nach vorne gelesen und bin zuerst bei den legislativen Anregungen gelandet. Und ich habe festgestellt, dass eigentlich relativ wenig umgesetzt wird oder umgesetzt werden will. Mich würde auch interessieren, warum das so ist. Besonders in Bezug auf das Verkehrsministerium fällt mir das auf. Da ist das Verhältnis der Anregungen, die umgesetzt werden sollen, zu jenen, die nicht umgesetzt werden, 5 zu13. Das ist ein relativ schlechter Schnitt.

Das Verkehrsministerium hat mich naturgemäß besonders interessiert, und ich bin dann zu einem Punkt gekommen, wo es um den Bereich der Bundesstraßen geht. Da habe ich mir gedacht: Super, das ist ein eigener Punkt im Bericht!, habe dann aber leider erkennen müssen, dass dieser Punkt sehr kurz gefasst ist, eigentlich nur ein Drittel der entsprechenden Seite umfasst. Dort steht, dass es schwerpunktmäßig Be­schwerden betreffend Lärmbelästigung waren.

Es gibt Studien vom VCÖ, die besagen, dass sich ein sehr großer Teil der Bevölkerung vom Verkehrslärm belästigt fühlt – es sind zirka 70 Prozent – und dass ein großer Teil der Bevölkerung unter Verkehrslärm leidet.

Dort, wo neue Straßen geplant sind, gibt es noch ein Anrecht der Anrainer auf Schutz vor Verkehrslärm. Allerdings hat dort, wo Bundesstraßen bereits für den Verkehr freigegeben sind – und dort nimmt der Verkehr immer mehr zu und dort gibt es sehr häufig Überschreitungen –, der Anrainer eigentlich überhaupt keinen Rechtsanspruch auf Schutz seiner Gesundheit, auf Schutz vor Lärm und vor Emissionen.

Nachdem es in Österreich kein existierendes Gesetz gibt, das das regelt, können Sie auch nicht besonders häufig eingreifen. Ich habe gelesen, dass es insgesamt nur 40 Beschwerdefälle in diesem Bereich gab. Es steht im Bericht auch nicht, dass in diesen Fällen besonders viel unternommen werden konnte.

Es wäre wirklich wichtig, auch in Österreich diese Gesetzeslücke zu schließen. Ich weiß nicht, wie Sie mit dieser Gesetzeslücke leben können, aber ich denke mir, nachdem etwa 70 Prozent der Österreicher vom Verkehrslärm betroffen sind und sich vom Verkehrslärm belästigt fühlen, wäre es doch angebracht, diesbezüglich eine Anregung an die Legislative zu geben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.25

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bun­desrat Saller. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


13.25

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Volksanwaltschaft ist eine wichtige und unverzichtbare Anlaufstelle gerade auch bei Problemen in der Verwaltung. Es geht um die Behandlung einer ganzen Fülle von Fehleinschätzungen, und das nährt sogar oft den Verdacht gering­fügiger gesetzwidriger Tätigkeiten und Handlungen. Wenn bei 15 787 Eingaben an die Volksanwaltschaft 6 561 Prüfverfahren eingeleitet werden, zeugt das natürlich auch von der Wichtigkeit der Volksanwaltschaft.

Ich möchte den Punkt über die Fusion der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten besonders hervorheben. Diese Fusion wurde wegen der zu erwartenden Synergieeffekte angestrebt, sie sollte eigentlich eine Einsparung des Verwaltungs- und Verrechnungsaufwandes um zirka 10 Prozent bringen. Ich bin froh, dass dieses Problem von der Volksanwaltschaft aufgezeigt und dargestellt wurde.

Die Bearbeitungsdauer der Pensionsversicherungsanstalt im Jahr 2003 ist wesentlich länger als jene, welche sowohl die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter als auch die der Angestellten ein Jahr davor benötigt hatten. Die Zahl der Neuanträge für Pensionen ist von 2003 auf 2004 um 2,6 Prozent gesunken, und die Zahl der offenen Fälle ist um 14 Prozent gestiegen. Also es gibt sehr wohl einen großen Erklärungs­bedarf. Weniger Begutachtungen bedeuten offensichtlich längere Wartezeiten, und das ist für mich eigentlich nicht nachvollziehbar.

Auch im Bereich der Pflegegeldverfahren ist bei der Erledigungsdauer ein Ansteigen um mehr als 50 Prozent festzustellen. Man muss sich einmal vorstellen – um nur einige Beispiele anzuführen –: 14 Monate für eine Berufsunfähigkeitspension! 12 Monate für eine Invaliditätspension! 12 Monate für eine Erhöhung von Pflegegeld! Und so weiter; diese Liste ließe sich endlos fortführen.

Das Problem ist, dass keine Trendwende in Sicht ist. Auch der Bericht der Volks­anwaltschaft stellt fest, dass mit einer Entspannung nicht zu rechnen ist. Es ist daher höchste Zeit, für Ordnung und für rasche Abwicklung zu sorgen, und das ist auch im Sinne der Volksanwaltschaft, denn da besteht großer Handlungsbedarf. – Ich danke für den Bericht. (Beifall bei der ÖVP und des Bundesrates Dr. Böhm.)

13.29

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundes­rat Wiesenegg. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


13.29

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Volks­anwälte! Herr Präsident! Hohes Haus! Eingangs darf auch ich für die professionelle Zusammenstellung des Berichtes der Volksanwaltschaft 2003, der dem Bundesrat vorgelegt wurde, danken. Es ist dies nicht nur ein sehr gutes Nachschlagewerk für uns als Bundesräte oder als Bürgermeister, sondern auch eine wichtige Lektüre für unsere Mitarbeiter. Dies ist ein Bericht, geschätzte Damen und Herren, der leider aufzeigen muss, dass in Österreich noch vieles im Argen liegt, und der uns als politisch Verant­wortliche auffordert, für unsere Bürger zu handeln.

Ich habe heute bereits in der Debatte mit der neuen Justizministerin auf die Aus­führungen der Volksanwälte hingewiesen und in diesem Zusammenhang die so ge­nannten Verfahrensabläufe auf den verschiedensten Ebenen kritisiert. Ich habe aber


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auch – und das erscheint mir wichtig – die festgeschriebene EU-Charta dargelegt, die festlegt, wie unsere Verwaltung auf allen Ebenen – in den Bereichen der Justiz, auf Landes- und Gemeindeebene – zu arbeiten hätte.

Als guter Staatsbürger, geschätzte Damen und Herren, gehe ich davon aus, dass all die Anregungen, die die Volksanwälte in diesem Bericht – auch in dessen Vorwort –gemacht haben, auch umgesetzt werden.

Ich hoffe, dass im nächsten Bericht, im Bericht 2004, nur mehr wenige Seiten dazu nötig sein werden, um anzuführen, was an Anregungen, die seitens der Volkanwalt­schaft gemacht wurden, noch nicht umgesetzt wurde.

Der Geschäftsanfall der Volksanwaltschaft ist, wie heute bereits mehrmals angeklun­gen ist, in seinem Umfang von Bundesland zu Bundesland verschieden. Ich bin eigentlich stolz darauf, dass Tirol in Bezug auf die Beschwerdehäufigkeit an letzter Stelle steht – offensichtlich sind bei uns in Tirol die Bürger, was die Bundesverwaltung angeht, besonders zufrieden. Ich füge hinzu, geschätzte Damen und Herren, dass die Tiroler keine besonders großen Meckerer sind. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Mit Bedauern darf ich zu diesem Bericht jedoch festhalten (Zwischenruf des Bun­desrates Bieringer), lieber Herr Kollege, dass das Land Tirol neben dem Land Vorarl­berg das einzige Bundesland ist, das der Bundes-Volksanwaltschaft nur Beschwerde­fälle betreffend die Bundesverwaltung zukommen lässt und dass für alle anderen Beschwerdefälle eigene Landes-Volksanwälte zuständig sind. Darüber, ob das sinnvoll oder nicht sinnvoll ist, können wir, geschätzte Damen und Herren, streiten, aber ich denke, dass der Bürger das nicht besonders schätzt. Jedenfalls bin ich – und ich denke, auch die Volksanwälte, die hier heute sitzen; und auch bei ihren Vorgängern war es so – froh, dass in meiner Gemeinde sowohl die Volksanwälte des Bundes als auch jene des Landes zeitgleich für die Sorgen der Bürger zur Verfügung stehen, denn vieles konnte so auf kurzem Wege erledigt werden. In diesem Sinne wird die SPÖ-Fraktion diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.32

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


13.32

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Wir hatten schon im Ausschuss wieder einmal eine sehr, sehr spannende und in die Tiefe gehende Diskussion. Ich möchte auch von Seiten der Grünen festhalten: Einmal mehr ein beein­druckender Bericht, eine beeindruckende Dokumentation Ihrer Arbeit – aber natürlich auch eine beeindruckende Diskussion von Missständen, denn wenn so viele Fälle an die Volksanwaltschaft herangetragen werden, dann zeigt das, dass im Bereich der Ver­waltung, im Umgang der Behörden mit den Bürgern und Bürgerinnen nicht alles so geht, wie es sich der Gesetzgeber idealtypisch gewünscht hat, beziehungsweise wo die Mängel der Gesetze, die beschlossen werden, sichtbar werden.

Kollege Gudenus hat gesagt, er möchte gerne von Ihnen, meine Damen und meine Herren, eine Auskunft darüber haben, warum denn die vielen Anregungen der Volks­anwälte oder der Volksanwaltschaft so wenig wirksam werden. – Herr Kollege Gude­nus, das ist eine Frage, die Sie an die Regierung richten sollten! Da stellt sich tat­sächlich die Frage: Warum verwirft denn die Regierung so viele interessante Vorschläge? Warum werden so viele Anträge oder Vorschläge vom Tisch gewischt?

Andererseits kommen wir – und das seit letztem Jahr – in die schwierige Situation, dass es zwar zahlreiche Vorschläge von Seiten der Volksanwaltschaft und auch zahl-


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reiche Vorschläge von Seiten der Fraktionen gibt, dass aber all dies in die Endlos-Warteschleife beim Österreich-Konvent gestellt wird, wodurch verhindert wird, dass wichtige Anregungen, Verbesserungsvorschläge, Vorschläge für Kompetenzausweitun­gen aufgegriffen werden können. Deswegen treten wir in einigen Bereichen auf der Stelle.

Schon der letzte Bericht der Volksanwaltschaft – und dieser auch – wurde um ein ganz wesentliches Kapitel erweitert, nämlich um jenes betreffend den Grundrechtskatalog. Das ist Kapitel 15: Grundrechtsteil. Das zeigt – und das ist auch meiner Meinung nach eine der wirklich ganz großen qualitativen Weiterentwicklungen der Volksanwaltschaft, die sich auch in der Ausdehnung der Tätigkeit der Volksanwälte niederschlägt –, dass die Grundrechte etwas extrem sensibles sind. (Präsidentin Haselbach übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wenn ich ein wenig den Bericht durchgehe, so kann ich lesen: kostenersatzpflichtig trotz bewilligter Verfahrenshilfe, Erteilung falscher Rechtsmittelbelehrungen. Oder: nicht angemessene Verfahrensdauer, etwas, was wir heute schon mit der Frau Justiz­ministerin diskutiert haben. In diesem Zusammenhang hat ja heute die Justizministerin gemeint – dies sei nur in Klammern angeführt –, es würden jetzt mehrere Handvoll Richteramtsanwärter aufgenommen. Ich meine, dass das eher unter dem Titel „Mogel­packung“ zu laufen hätte, denn sie werden nicht für den Alltagsanfall aufge­nom­men, sondern einzig und allein dazu, die Strafprozessordnung 2008 à jour zu bringen, denn sonst würde das gar nicht funktionieren. Das Gesetz, mit dem das vorpro­zessuale Verfahren von der Staatsanwaltschaft weg zu den Gerichten geleitet wird, kann man derzeit nicht mit diesem Personal machen, und deshalb werden so viele Richter­amtsanwärter aufgenommen. – Das war aber nur ein kleine Anmerkung am Rande, um nicht eine Berichtigung der Aussage der Frau Bundesministerin zu machen.

Ich nehme an, sehr geschätzte Volksanwälte, dass nach der Beschlussfassung des ORF-Gebührengesetzes in der nächsten Zeit eine Reihe von Beschwerden hinzukom­men wird, mit denen Sie sich zu befassen haben werden.

Interessant ist der Bereich des Datenschutzes, dort gibt es ja immer wieder Mängel. In diesem Zusammenhang seien nur angeführt die Auskunftssperre nach Meldegesetz, erkennungsdienstliche Maßnahmen.

Betreffend den Bereich der Grundrechte seien erwähnt: das Recht auf faires Verfah­ren, Achtung des Privat- und Familienlebens. – Es wurde da eine ganze Reihe von den Volksanwälten aufgezeigt.

Wofür ich Ihnen besonders dankbar bin, ist, dass Sie immer wieder – Herr Gudenus, dies ist auch an Ihre Fraktion gerichtet – Vorschläge zur Weiterentwicklung der Volks­anwaltschaft machen. Aber wir sollten diese Vorschläge nicht nur in eine Endlos-Warteschleife stellen, sondern uns damit auch konkret auseinander setzen und sie gesetzliche Wirklichkeit werden lassen. Wichtig wäre dabei auch die parlamentarische Einbindung. Auch da gibt es eine Reihe von Anregungen, die nicht nur auf dem Papier stehen sollten, sondern wo wir danach trachten sollten, zumal ja alle Fraktionen hier der Volksanwaltschaft immer Rosen streuen, sie mit Lorbeeren überhäufen, dass sie umgesetzt werden. Lassen wir diesen Anregungen zur Weiterentwicklung, zur bes­seren Einbindung auch wirklich Taten folgen!

Ich habe im Ausschuss vor allem drei Punkte hervorgehoben. Das ist zum einen die Ungleichbehandlung im Bereich der Kostenersatzpflicht, nämlich der Umstand, dass rechtsuchende Menschen beim Verfassungsgerichtshof sehr wohl eine Verfahrenshilfe erhalten, beim Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht. Das ist eine Ungleichbehandlung, die nicht länger hingenommen werden kann.


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Ich bedauere, dass der Herr Bundeskanzler zur Änderung der Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof gemeint hat, dass diese den Bemühungen um mehr Kostenwahrheit und mehr Kostenbewusstsein zuwiderlaufen würde. Da frage ich mich schon: Warum kann ein rechtsuchender Bürger Verfahrenshilfe beim Verfassungs­gerichtshof in Anspruch nehmen, aber nicht beim Verwaltungsgerichtshof? 

Damit kommen wir wieder einmal, Herr Kollege Böhm, zur Diskussion der Frage, die wir heute Vormittag schon behandelt haben, nämlich: Wie geht es rechtsuchenden mittellosen Bürgern und Bürgerinnen, wenn quasi der Rechtsschutz, der gleiche Zugang zum Recht verhindert oder wesentlich erschwert wird?

Der zweite Punkt betrifft den Anspruch von Zeugen auf Ersatz ihrer Aufwendungen. – Auch da wieder: Bei Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten hat man – egal, ob als Zeuge oder als Beteiligter – Anspruch auf Gebühren, vor anderen Ver­waltungsbehörden jedoch nicht. Was das Verbrechensopfergesetz betrifft, so haben wir das heute schon diskutiert.

Was mich noch besonders interessieren würde, ist jener Punkt, den Sie in Ihrem Bericht ausführen und der heißt: „Säumigkeit des Gesetzgebers bei der Umsetzung der Rassismus- und der Beschäftigungsrichtlinie“. – Zu diesem Punkt würden mich doch ein paar Worte mehr seitens der Volksanwälte interessieren, also was hier Ihre Wahr­nehmungen im Speziellen sind und auch Ihre Anregungen an den Gesetzgeber bei der Umsetzung jener Richtlinie.

Ich danke Ihnen, und ich danke der Frau Volksanwältin und den Herren Volksanwälten für ihre Tätigkeit. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.40

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Vize­präsident Weiss. – Bitte.

 


13.41

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Volksanwälte! Hohes Haus! Die bisherige Diskussion war von großem Respekt vor dem Arbeitspensum der drei Mitglieder der Volksanwaltschaft geprägt. Das kann man sonst nicht von allen Diskussionsbeiträgen behaupten.

Die Zahl der, wie es schön formuliert ist, „Anbringen“ an die Volksanwaltschaft ist im letzten Jahr auf fast 16 000 gestiegen. Das ist gegenüber dem Vorjahr eine neuerliche signifikante Steigerung. Bemerkenswert ist allerdings, dass sich in fünfeinhalbtausend Fällen die Volksanwaltschaft als unzuständig ansehen musste, das heißt, in mehr als einem Drittel der Fälle. Wenn wir einen Blick auf die im Jahre 2003 abgeschlossenen rund 7 000 Prüfungsverfahren werfen, dann sehen wir, dass nahezu 3 000 davon aus formalen Gründen ausgeschieden werden konnten oder mussten – je nach Grund –, weil entweder die Volksanwaltschaft unzuständig war, weil das Anbringen unzulässig war, weil es zurückgezogen wurde, offenkundig nach entsprechender Beratung durch die Mitglieder der Volksanwaltschaft, oder weil es von vornherein zur Behandlung nicht geeignet war.

Rund 3 300 Beschwerden waren nicht berechtigt, sie führten zu keiner Beanstandung. In 758 Fällen kam es zu einer Beanstandung, in 21 Fällen zu einer Missstands­emp­fehlung oder Verordnungsanfechtung, also das schwerere Kaliber der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Das heißt, mit diesen 758 Fällen haben wir bei den Prü­fungsverfahren nur eine Trefferquote von rund 11 Prozent.

In neun von zehn Fällen war auf Grund des Prüfungsverfahrens also nichts zu veran­lassen! Das ist kein schlechtes Zeugnis für die österreichische Verwaltung, einschließ­lich jener der Länder und Gemeinden. Das muss man auch einmal sagen, bei aller


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Berechtigung der Kritik, die von der Volksanwaltschaft im Interesse der Bürger geübt wird.

Diese Zahlen stellen letztlich aber auch eine Analyse dar, die ein bisschen nachdenk­lich stimmt. Die Volksanwaltschaft ist offenbar für viele Bürger eine Art Klagemauer in der ersten Reaktion der Unzufriedenheit mit einer behördlichen Erledigung oder auch bei Auseinandersetzungen in Nachbarschaftsverfahren und dergleichen mehr. Das hat sozusagen eine psychohygienische Funktion, die die Volksanwaltschaft da ausübt. Insoweit ist der Begriff des „Anbringens“ durchaus gerechtfertigt. Das ist eine Institution, bei der die Bürger etwas „anbringen“ können.

Sie ist eine von mehreren solchen Institutionen. Wir alle sind selber auch solche Stellen, bei der die Leute etwas „anbringen“. Aber es ist gut, dass das auf viele Schul­tern verteilt ist. Das Destillat – sozusagen – von rund 11 Prozent ist jedoch von einer derartigen Bedeutung, dass der Aufwand für die notwendigerweise zu registrierenden Leerfahrten in Kauf genommen werden muss.

Kollege Wiesenegg hat schon darauf hingewiesen: Der Bericht zeigt auch auf, dass es durch den in Tirol und Vorarlberg bestehenden Landesvolksanwalt zu einer Entlastung der Volksanwaltschaft im Bereich der Gemeinde- und Landesverwaltung kommt, ohne dass das, das sage ich jetzt dazu, den beiden Ländern im Finanzausgleich angerech­net würde. Aber das nur nebenher.

Als Zweitwohnsitz-Wiener muss ich allerdings die Verwaltung des Landes in Wien etwas in Schutz nehmen, weil die Statistik, auf die sich Kollege Wiesenegg bezogen hat, natürlich schon etwas trügt, es ist nämlich auch eine Fußnote zu sehen: Bei Vor­arl­berg und Tirol betrifft das nur die Bundesverwaltung, in den anderen Ländern hingegen betrifft es auch die Landes- und Gemeindeverwaltung. Also insofern würde man Äpfel mit Birnen vergleichen und den anderen Bundesländern etwas Unrecht tun.

Der Bericht weist darauf hin, dass es schon viele Kontakte im Wege des Internet gibt, fast 2 000 Mal pro Tag wird die Homepage der Volksanwaltschaft aufgerufen. Es wäre vielleicht auch nicht uninteressant, zu dokumentieren, in welchem Maße Bürger von der Möglichkeit Gebrauch machen, nicht nur etwas zu lesen, sondern der Volks­anwaltschaft im Wege des Internet auch etwas mitzuteilen, und zwar mit dem ange­botenen Online-Formular oder indem sie ein E-Mail schicken.

Die Volksanwaltschaft verhilft – und der Bericht dokumentiert das ganz gut – den Bürgern in vielen Einzelfällen zu ihrem subjektiven Recht. In gar nicht wenigen Fällen kommt das Einschreiten der Volksanwaltschaft aber auch ganz großen Gruppen zugute. Das ist für die Zukunft außerordentlich wichtig.

Ich nenne nur ein kleines Beispiel: die Besteuerung von Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Mitarbeiter sozialer Vereine. Die Volksanwaltschaft hat erreicht, dass das Bundesministerium für Finanzen solche Aufwandsentschädigungen, etwa Reise­auslagen oder Telefongebühren und dergleichen mehr, in einem angemessenen Rah­men nicht mehr als steuerpflichtig ansieht. Das ist ein Ergebnis, das wirklich sehr vielen engagierten Leuten zugute kommt.

Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass die Volksanwaltschaft in dankenswerter Weise auch Vorschläge für ihre eigene weitere Entwicklung, nicht nur für das Gesetz­gebungsverfahren, vorgelegt hat. Ein wichtiger Bereich, auch dieser wurde schon erwähnt, betrifft die Möglichkeit, mit Fristsetzungsanträgen gegen überlange Verfah­rens­dauer bei Gericht vorzugehen. Hier gibt es – und da stimme ich allen Vorrednern zu – tatsächlich in einem zu hohen Maße gravierende Missstände durch organisato­rische Mängel oder Nachlässigkeit einzelner Personen, bei denen die internen Kontroll­mechanismen der Justiz offenkundig ins Leere laufen.


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In einem weiteren Punkt beziehen sich die Vorschläge auf eine verstärkte parlamen­tarische Einbindung der Volksanwaltschaft, Kollege Schennach hat das kurz ange­sprochen. Den Bundesrat selbst betrifft das hinsichtlich eines über die Behandlung der Berichte hinausgehenden Teilnahme- und Rederechts, auch in den Ausschüssen, und hinsichtlich der Möglichkeit, Berichtsteile einem Fachausschuss zur Beratung zuzu­weisen. Es wird natürlich zweckmäßig sein, das nach Möglichkeit mit dem Nationalrat zu koordinieren, damit wir hier gemeinsam vorgehen. Wir könnten aber durchaus sozusagen als kleine Welt, in der die große ihre Probe hält, selber auch initiativ werden und das für die Behandlung des nächstjährigen Tätigkeitsberichtes konkreter ins Auge fassen.

Mit dieser Anregung und mit einem Dank an die Volksanwaltschaft schließe ich und hoffe, dass wir uns nächstes Jahr noch ausführlicher und Ihren Anregungen ent­sprechend damit befassen können. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen, den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.48

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bun­desrat Schimböck. – Bitte.

 


13.48

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Volksanwälte! Ich kann vor diesem großen Arbeitsbereich, der einerseits von Ihnen und andererseits von Ihren Mitarbeitern bewältigt wird, auch nur meinen tiefen Respekt zum Ausdruck bringen. Und ich möchte hier auf einige Bereiche eingehen, bei denen Fälle an mich herangetragen wurden, mit denen aber eben auch die Volks­anwaltschaft befasst wurde. Gerade im Bereich der Gesundheitsvorsorge und im Bereich des Sozialen zeigt sich immer wieder, wie man das dann sehr anschaulich dokumentiert bekommt, mit welcher Vehemenz, welchem persönlichen Engagement und mit wie viel Menschlichkeit Sie, vor allen Dingen aber auch Ihr personelles Umfeld an diese Dinge herangehen.

Mir ist ein Fall einer Unterbringung in einer Krankenanstalt bekannt. Es ist eben sehr schwierig für die Angehörigen, wenn Personen dort untergebracht werden, zum Teil zwangsweise untergebracht werden müssen, Verfahren durchgeführt werden, die Ge­richte eingeschaltet werden. Die Volksanwaltschaft bemüht sich da wirklich sehr, die Betroffenen, aber auch die Angehörigen zu vertreten, ihnen einen entsprechenden Rechtsschutz zu geben.

Gleiches gilt – und das sollte uns hier mahnen – für den sozialpolitischen Bereich. Mir sind, was das Pensionsrecht betrifft, Fälle bekannt, in denen, wie ja immer wieder seitens der Regierungsfraktionen angesprochen, einer Höherversicherung das Wort geredet wurde, bei Pensionserhöhungen dann aber diese höher Versicherten keine Erhöhung ihrer Pension erhalten haben. Auch dieses Problems haben Sie sich ange­nommen. – Ich glaube, dass diese Tipps, die aus diesen vielen Fällen heraus resul­tieren und an den Gesetzgeber weitergegeben werden, so gesehen für die Regierung eigentlich sehr wertvoll sind. Da haben Sie ja wirklich eine tolle Aufgabe.

Nun zu einem weiteren Punkt, der gleichfalls vorhin angesprochen wurde, nämlich zu jenen Fällen, bei denen die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft sozusagen langsam schwindet. Ich denke in diesem Zusammenhang an den so genannten ausgelagerten Bereich, ein Thema, das mich als Oberösterreicher ganz besonders berührt. Halten wir uns doch nur die Privatisierung von Seen und Wäldern vor Augen, eine Angelegenheit, bei der sich eigentlich die öffentliche Hand bereits verabschiedet hat beziehungsweise im Begriff ist, es zu tun.


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Da möchte ich aber Ihnen, sehr geehrte Frau Volksanwältin Bauer, sehr geehrte Herren Volksanwälte, ein Kompliment machen, denn: Am Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Volksanwaltschaft hat es auch da nicht gemangelt. Jeder, der ein Seegrundstück gepachtet hat – egal, ob ein kleiner Beherbergungsbetrieb oder ein Privater –, war plötzlich damit konfrontiert, ein Mehrfaches an Pacht zahlen zu müssen, Fälle also, bei denen es oft wirklich um die Existenz gegangen ist. Diese Fälle wurden aber von Ihnen von der Volksanwaltschaft aufgegriffen und weiter verfolgt; jeder hat Auskunft bekommen. So weit ich die Reaktion der Verpächter – in diesem Fall der privatisierten Bundesforste – mit erleben konnte, kann ich sagen: Dort hat man das dann sehr ernst genommen.

Ich meine allerdings, wir sollten jetzt einen Schritt weitergehen, denn irgendwann einmal wird die Zeit kommen, da sich die Verwalter des Gemeingutes – und das ist es ja nach wie vor; nach wie vor sind die österreichischen Bürgerinnen und Bürger die Eigentümer dieser Wälder und Seen – sozusagen verabschieden werden, und dann wird bei einer Intervention seitens der Volksanwaltschaft darauf hingewiesen werden müssen, dass ihre Zuständigkeit hiefür eigentlich nicht mehr gegeben ist. Meiner Über­zeugung nach ist es daher enorm wichtig, dass seitens des Gesetzgebers ent­sprechende Maßnahmen ergriffen werden.

Nun zu einem Punkt, der mir leider etwas negativ aufstößt; der betrifft jetzt aber wirk­lich nur explizit einen Volksanwalt. Im Juli 2004 gab es eine Aussage des Herrn Volks­anwaltes Mag. Stadler, die ich auch schriftlich dem Herrn Präsidenten des National­rates zur Kenntnis gebracht habe. Da ich darauf zwar einen Antwortbrief bekommen habe, es aber keine ernst zu nehmende Intervention gegeben hat, möchte ich zumin­dest einen Absatz daraus verlesen, und es wäre mir sehr angenehm, wenn Volks­anwalt Mag. Stadler dazu kurz Stellung nimmt. Ich zitiere:

„Im Rahmen des ORF-,Morgenjournals“, also im Juli 2004, „wurden Ausführungen des Herrn Volksanwaltes Mag. Stadler bei einer Veranstaltung in Wien gesendet, die wört­lich den Aufruf an seine Parteifreunde zum ,Zerreiben der ÖVP zum Inhalt hatten. Mag. Stadler untermauerte diese Aufforderung mit den Vorzugsstimmen, die der Kann­didat Mölzer bei der EU-Wahl für seine politische Positionierung erhielt.

Herr Volkanwalt Mag. Stadler gehört einem der beiden Kontrollorgane des Hohen Hau­ses an. Dass mit diesem Amt ein hohes Maß an Vorbildfunktion und Objektivität verbunden ist, versteht sich wohl von selbst. Selbst wenn die Stalingraddiktion von Herrn Mag. Stadler wirklich von den etwa 20 000 Vorzugsstimmenwählerinnen und -wählern des Herrn Mölzer begrüßt wird, sind die Äußerungen eines Volksanwaltes für die insgesamt mehr als sechs Millionen wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger eine Zumutung! Ich ersuche Sie, sehr geehrter Herr Präsident, in einem Gespräch mit Herrn Volksanwalt Mag. Stadler für eine Klärung dieser Angelegenheit zu sorgen und dies auch öffentlich zu dokumentieren.“ – So weit ein Auszug aus meinem Schreiben.

Ich habe dann ein respektables Antwortschreiben von Herrn Präsidenten Khol erhalten, in dem – sinngemäß – erklärt wurde, dass es einen Ordnungsruf an einen Volksanwalt nur im Rahmen der parlamentarischen Geschäftsordnung, also während einer Sitzung geben könnte, nicht jedoch außerhalb, dass man aber sehr wohl, so Präsident Dr. Khol, im Rahmen des Konvents überlegen werde, wie die Absetzung eines Volks­anwaltes möglich sein könnte, denn das ist derzeit in unserer Verfassung nicht vor­gesehen.

Ich glaube, in Volksanwalt Stadler wohnt noch immer ein wenig ein politischer Heiß­sporn, und ich kann mir vorstellen, dass, da in der Zwischenzeit einige Monate ver­gangen sind, das wahrscheinlich damals nur der „Augenblick“ war, der Mag. Stadler zu dieser Aussage verleitet hat. Insgesamt jedoch sind das, wie ich meine, Dinge, die dem


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hohen Ansehen der Volksanwälte, das sich diese seit Bestehen dieser Institution erarbeitet haben, abträglich sind. Und ich glaube, wenn man das ausräumt, steht eigentlich einem weiteren sehr positiven Arbeiten der Volksanwaltschaft nichts im Wege. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Mag. Gudenus: Mölzer und Stadler sind hervorragende Persönlichkeiten! ... brauchen keine ...!)

13.55

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Pro­fessor Dr. Böhm. – Bitte.

 


13.55

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Nach diesem Intermezzo, das sozusagen ein Ruf nach einer Anlassgesetzgebung war, möchte ich wieder zur Sache übergehen.

Lassen Sie mich zum 27. Tätigkeitsbericht der Volksanwaltschaft noch kurz Stellung nehmen, obwohl meine Vorredner ja bereits alles Wesentliche berührt haben. Einmal mehr ist der Volksanwaltschaft Dank zu sagen – und das vor allem für ihr höchst enga­giertes Wirken im Dienste des sein Recht suchenden Bürgers. Dank gebührt den Volksanwälten, den Beamten der Volksanwaltschaft, auch für den wie stets in den letzten Jahren höchst professionell erstellten Tätigkeitsbericht 2003.

Was die Anliegen und rechtspolitischen Forderungen der Volksanwaltschaft zu ihrer institutionellen Weiterentwicklung, das heißt, dem Ausbau ihrer gegenüber dem Parlament zu verantwortenden Kontrollrechte betrifft, halte ich fest, dass meine Frak­tion diese Anliegen, und zwar seit vielen Jahren, voll unterstützt. Soweit es meine bescheidenen persönlichen Möglichkeiten betrifft, plädiere ich in jedem Ausschuss des Österreich-Konvents, der sachthematisch mit der Volksanwaltschaft befasst ist, für die von ihr angestrebte Ausweitung ihrer Prüfbefugnisse – das vor allem auch im Bereich der ausgegliederten Unternehmen und hoheitlichen Funktionen sowie verstärkt im Bereich der Länder und Gemeinden.

Ebenso sehr trete ich, tritt meine Fraktion für das prozessuale Recht der Volks­anwaltschaft ein, als Amtspartei einen Fristsetzungsantrag gemäß § 91 des Gerichts­organisationsgesetzes bei erheblichen Verzögerungen von Gerichtsverfahren erheben zu können. Einen Verstoß gegen die Gewaltenteilung vermag ich darin – entgegen der Auffassung des Bundesministeriums für Justiz und der Richterschaft – nicht zu erblicken, ist doch ein Antragsrecht kein Entscheidungs- und daher auch kein Hoheits­recht. Außerdem kennen wir ja auch in zahllosen anderen Verfahren Amts- und Verbandsparteien.

Dass Rechtsanwälte als Parteienvertreter von der Möglichkeit eines Fristsetzungs­antrages keinen ausreichenden Gebrauch machen – offenbar zum Teil auch aus der Sorge heraus, so Richter für künftige Verfahren zu vergrämen –, ist inzwischen evident.

Die Dauer bestimmter Zivilverfahren – viele meiner Vorredner haben das ja ange­sprochen; wir haben das heute auch in der Debatte über andere Justizmaterien ein­gehend behandelt –, insbesondere auch außerstreitiger Verfahren, dabei wieder vorrangig von Sorgerechts-, Besuchsrechts- und von derzeit zum Teil auch noch streitigen Erbrechtsverfahren erscheint mir in leider selbst statistisch durchaus nicht vernachlässigbaren Einzelfällen als objektiv völlig untragbar – und den betroffenen Parteien gegenüber subjektiv absolut unzumutbar.

Das kann man auch nicht allein mit den knappen Ressourcen, über die wir heute auch diskutiert haben, erklären, sondern es gibt da leider Schwachstellen: auch in der Justiz


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und ihren Kontrollmechanismen. Mehrfache, für einen sonst so vorbildlichen Rechts­staat wie Österreich peinliche Verurteilungen, präzise Feststellungen von Konventions­verletzungen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte belegen das leider zur Genüge.

Wir stimmen auch der Kritik an der unzureichenden Art und Weise der Ausübung der im Strafgesetzbuch vorgesehenen Maßnahmen der Diversion vollinhaltlich zu. Arbeits­ökonomische Gesichtspunkte dürfen die Staatsanwaltschaft nicht dazu veranlassen, im Zweifel und nur, weil das sehr einfach ist, Geldbußen aufzuerlegen. Bei schwer­wiegenden Straftaten, soweit für diese die Diversion überhaupt in Betracht kommt, müssen rechtspolitisch alternative, aber auch kombinierte und damit kumulative Maß­nahmen ermöglicht werden.

Aus all diesen Gründen plädiere ich dafür, dem Ausbau der Kontrollrechte und den legistischen Anregungen der Volksanwaltschaft in beiden Häusern des Parlaments weitaus mehr Gewicht einzuräumen als bisher. Mit voller Anerkennung und vollem Respekt nimmt daher meine Fraktion den Tätigkeitsbericht der Volksanwaltschaft zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.00

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist Herr Volksanwalt Dr. Kostelka. – Bitte.

 


14.00

Volksanwalt Dr. Peter Kostelka: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Als derzeitiger Vorsitzender der Volksanwaltschaft darf ich einige Bemer­kungen machen, die sich in erster Linie natürlich mit der Frage der Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft beschäftigen. Ich bin sehr dankbar, dass die Vorschläge der Volksanwaltschaft so positive Erwähnung gefunden haben.

Meine Kollegin Volksanwältin Bauer wird sich in weiterer Folge noch mit der Frage der Anzahl der Volksanwälte beschäftigen, mich lassen Sie in diesem Zusammenhang eine einzige Bemerkung machen: Es ist Entscheidung des Verfassungsgesetzgebers, welche Konstruktion er wählt, nur muss er sich bewusst sein, welche Auswirkungen er damit verursacht.

Die österreichische Volksanwaltschaft ist auch im internationalen Vergleich eine der bürgernahsten, wenn nicht die bürgernahste überhaupt. Wir haben über 250 Be­schwerdesprechtage in Wien, aber vor allem auch in den Bundesländern. Es gibt eine kostenlose Telefonnummer. Jeder – und 3 500 derartige Kontakte der Volksanwälte beweisen das –, der mit einem Volksanwalt sprechen will, hat auch die Möglichkeit dazu.

Sie alle, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind Volksvertreter und kennen daher die Sorgen und Nöte der von Ihnen Vertretenen. Man will nicht mit einem stellvertretenden Bundesrat, sondern mit einem Bundesrat sprechen, man will nicht mit einem stellvertretenden Nationalrat, sondern mit einem Nationalrat sprechen. Und so ist es auch beim Volksanwalt.

Das, was ich hier gerade kurz geschildert habe, nämlich die Möglichkeit, mit einem Volksanwalt zu sprechen, ist nur leistbar, weil wir das zu dritt wahrnehmen. Das liegt auf der Hand bei über 250 Sprechtagen im Jahr. Das heißt, an jedem Arbeitstag hat einer von uns irgendwo einen Sprechtag, und das ist nur organisierbar, wenn es mehr als einen Volksanwalt gibt.

In diesem Zusammenhang aber auch ein Wort zur inhaltlichen Weiterentwicklung. Ich muss mit Bedauern sowohl als Volksanwalt als auch als Mitglied des Österreich-Konvents feststellen, dass die Konsensfähigkeit außerordentlich gering ist. Das, was


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wir als Volksanwaltschaft verlangen, ist nicht unbillig, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es ist die Entscheidung des Nationalrates und dieser Kammer, dass es Aus­gliederungen gibt, und viele dieser Ausgliederungen sind vernünftige, betriebswirt­schaftlich sogar gebotene Weiterentwicklungen der Staatsorganisation. Aber in vielen Bereichen werden Dienstleistungen erbracht, die nach wie vor monopolartigen Charakter haben, ja sogar öffentliche Aufgaben sind.

Wovon spreche ich? Wenn eine GIS, eine Gebühren-Info-Service-Stelle, als GesmbH im Eigentum des ORF die Rundfunkgebühren – eine öffentliche Abgabe! – einhebt, dann ist es doch überhaupt keine Frage, dass das eine öffentliche Aufgabe ist und daher natürlich der Kontrolle der Volksanwaltschaft unterliegen sollte. – Aber das ist nicht so auf Grund der Organisation! Es ist ein ausgegliederter Bereich, der unserer Kontrolle so lange unterliegt, solange tatsächlich die Verwaltung stattfindet, aber in Metabereichen sind wir auf die Freundlichkeit angewiesen, die uns die GIS erweist.

Anderes Beispiel: Die ÖBB sind ein Unternehmen, das sich dankenswerterweise bemüht, durch Beschleunigung auf verschiedenen Bahnstrecken für einen rascheren Verkehr zu sorgen. Nur, meine Damen und Herren, wenn an der tschechisch-öster­reichischen Grenze dieser beschleunigte Verkehr dazu führt, dass über Kilometer „schwarzer Schnee“ fällt, und zwar deswegen, weil dort auch Kohlenzüge geführt werden, von denen auf Grund der rascheren Transportgeschwindigkeit natürlich auch Kohlenstaub abgeweht wird – fetter, schmieriger Kohlenstaub –, dann ist die Volks­anwaltschaft nur zuständig, weil der Generaldirektor uns freundlicherweise antwortet.

Ich könnte Beispiele dieser Art noch und noch und noch bringen. Daher: Aus Sicht der Volksanwaltschaft ist es in höchstem Maße notwendig, dass eine Zuständigkeit für ausgegliederte Rechtsträger geschaffen wird, vor allem dann, wenn dieser ausge­gliederte Rechtsträger öffentliche Aufgaben erfüllt.

Ich danke vielmals für die Anregung des Kollegen Weiss. Wir werden darauf zurück­kommen, um sachliche Gespräche über einzelne Informationen in Ausschüssen zu ermöglichen.

Herr Kollege Schennach hat in diesem Zusammenhang dankenswerterweise darauf hingewiesen, dass wir seit drei Jahren einen Menschenrechtsbericht legen. Wir hätten mit Ihnen darüber gerne im Ausschuss diskutiert, aber wir müssen das alles in ein Kompendium geben, weil wir auf Grund der Geschäftsordnung nicht befugt sind, Teil­berichte beziehungsweise Sonderberichte zu erstatten. Ich meine, dass das nicht nur eine Beschneidung der Möglichkeiten der Volksanwaltschaft ist, sondern vor allem auch eine Beschneidung der Möglichkeiten beider Kammern dieses Hauses, nämlich eine Beschneidung der Möglichkeit, sachliche Diskussionen zu einzelnen Punkten zu führen.

Ich habe den Menschenrechtsbericht deswegen genannt, meine Damen und Herren, weil es Ihr, aber auch unser Problem ist, dass in Österreich Menschenrechtsprobleme weniger ernst genommen werden als in vielen anderen Staaten. Es hat bei uns schlicht und einfach nicht jenen nationalen Konsens gegeben, weil die Menschenrechte – las­sen Sie es mich umgangssprachlich sagen – von 1862 bis heute zizerlweise eingeführt worden sind. Daher kann auch in der Regel ein Österreicher die Menschenrechte nicht so herunterbeten, wie das jedes französische Kind, jedes amerikanische Kind oder auch jedes Kind in Großbritannien hinsichtlich der Bill of Rights tun kann.

Dahinter stecken aber nicht nur die Problematiken im Bildungswesen, sondern auch die Problematik, dass ein durchschnittlicher österreichischer Beamter auf dem Stand­punkt steht: Die Anwendung von Grund- und Freiheitsrechten ist etwas, was sich


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National- und Bundesrat und der Verfassungsgerichtshof ausmachen sollen; was ich anzuwenden habe, steht im Gesetz, in der Verordnung oder im Erlass. – Und das ist in höchstem Maße unbefriedigend, weil Menschenrechte unmittelbar anwendbar sein sollten.

Wir filtern daher Jahr für Jahr – jetzt das dritte Mal – diese Menschenrechtsfälle aus den Beschwerdefällen heraus und legen sie gesondert vor, mit der Absicht, dass im ersten, zweiten oder vielleicht auch noch im dritten Jahr die Auswahl von Menschen­rechtsfällen eher zufällig sein mag. Wenn Sie diese Berichte aber über mehrere Jahre übereinander legen, dann haben Sie ein relativ genaues Menschenrechts-Screening der österreichischen Verwaltung, und darüber hätten wir gerne mit Ihnen geredet.

Die Justizangelegenheiten sind angesprochen worden. Ich denke, dass sowohl die Amts­beschwerde als auch die Fristsetzungsbeantragung sinnvolle Möglichkeiten sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie nach viereinhalb Jahren der Nicht­entscheidung eines Gerichtes in einer Besuchsrechtsangelegenheit in einer gericht­lichen Niederschrift die Bemerkung finden, dass nicht einmal das Gericht weiß, was zu tun ist, und Sie dann zum Telefon greifen und den Gerichtsvorsteher in einem Bezirksgericht anrufen, dann ist es wirklich erschütternd, wenn dieser daraufhin sagt: Ich weiß, das ist eine tragische Geschichte, aber wir haben den Richter nur mehr drei oder vier Jahre.

Aus Erfahrungen wie diesen und auch anderen sage ich Ihnen, dass die Selbst­reinigungskraft des Justizsystems gegenüber solchen Fehlleistungen offensichtlich nicht ausreicht.

Ich sage noch einmal dazu: Das ist nicht System, sondern es gibt einige Einzelfälle, und – in diesem Zusammenhang durchaus bestätigend, was gesagt worden ist – die Volksanwaltschaft hat natürlich die Aufgabe, sich mit den „Montagsprodukten“ der österreichischen Verwaltung zu beschäftigen. Sie hat die Aufgabe, sich mit den beispielsweise 6,5 Millionen Bescheiden, die vom Hauptverband der Sozialversiche­rungsträger Jahr für Jahr erteilt werden, auseinander zu setzen, und das schlägt sich – diese Aussage ist durchaus symptomatisch – in jährlich rund 2 600 Beschwerden an die Volksanwaltschaft nieder.

Diese 2 600 sind signifikant, und es sollte, glaube ich, auch dieses Haus interessieren, dass die Zusammenlegung von PVArb und PVAng, für die es sicherlich gute Gründe gegeben hat, zu einer Verlängerung der Bearbeitungsdauer von dreieinhalb auf sechs­einhalb Monate geführt hat. – Das ist schlicht und einfach inakzeptabel, weil ver­sprochen und der eigentliche Sinn genau das Gegenteil war!

Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang berichten, dass es zwar leichte Anzeichen für eine Entspannung gibt, dass wir aber bei der Bearbeitungsdauer dort angelangt sind, wo wir vor der Zusammenlegung waren, davon kann noch lange keine Rede sein. Daher fordern wir hier mit Nachdruck entsprechende Maßnahmen.

Die Zahl der Fälle bei der Volksanwaltschaft steigt weiter. Ich darf Ihnen berichten, dass nach den knapp 16 000 Fällen im vorangegangenen Jahr im Bericht über dieses Jahr wahrscheinlich von 17 000 Beschwerden die Rede sein wird. Es stimmt auch – was Herr Kollege Weiss gesagt hat –, dass ein relativ großer Prozentsatz, nämlich rund ein Drittel, Unzuständigkeiten betrifft.

Mich macht das weder verzweifelt noch konsterniert. Es ist Aufgabe der Volks­anwaltschaft, jener Ansprechpartner im Bereich der öffentlichen Hand zu sein, der für den Bürger da ist und zur Verfügung steht. Wenn eine alte Dame zum Sprechtag kommt und sagt: Ich hätte gerne mein Haus meiner Nichte hinterlassen – reicht es, wenn ich das meiner Nichte sage?, dann wäre es doch unverantwortlich, obwohl das


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jenseits meiner Zuständigkeit ist, zu sagen: Gehen Sie zu einem Notar! Das muss ich ihr auch sagen, weil sie nur dort das Testament machen kann, ich muss sie aber insbesondere darauf hinweisen, welche Schritte notwendig sind, um das zu erreichen, was sie will.

Ich bekenne mich daher mit Nachdruck dazu, dass die Volksanwaltschaft die Aufgabe hat, Gesprächspartner in vielen Bereichen zu sein und dem Bürger bis hin zur Lebenshilfe zur Verfügung zu stehen.

Kollege Schennach hat auch die Frage nach der Umsetzung der EU-Richtlinie gegen Diskriminierung gestellt. Ich darf sagen, dass das eine etwas betrübliche Situation für uns ist, weil ich glaube, dass die Gleichbehandlungsstellen, also jene Einrichtungen für den Fall der Diskriminierung am Arbeitsplatz von Frauen, hervorragend wahrgenom­men werden, aber darüber hinaus die Diskriminierungen anderer Art, also rassischer, religiöser und ethnischer Art, von eigenen Kommissionen beziehungsweise der Gleich­behandlungskommission wahrgenommen werden. Ich bin ziemlich sicher, dass in diesem Zusammenhang eine Anrufung außerordentlich selten erfolgen wird, und ich meine, dass die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft hier durchaus sachgerecht wäre.

Ein weiteres kleines Faktum erbittert mich in diesem Zusammenhang: Diese Kom­mission hat nicht nur das Recht auf Erstattung von jährlichen Berichten und die Pflicht dazu, sondern diese Einrichtung hat nach dem Gesetz auch das ausdrückliche Recht, dem Bundesrat, aber auch dem Nationalrat Sonderberichte vorzulegen – ein Recht, das uns durch Beschluss der Präsidiale des Nationalrates ausdrücklich vorenthalten wurde.

Kollege Schennach hat Bezug genommen auf den Kostenersatz bei Verwaltungs­gerichtshof-Verfahren. Ich glaube, dass das wirklich ein notwendiges, reformbedürf­tiges Projekt darstellt. Es hat nämlich jemand um Verfahrenshilfe angesucht, und mit der Zuerkennung der Verfahrenshilfe wurde zum Ausdruck gebracht, dass der Prozess nicht mutwillig geführt wird und durchaus auch Chancen hat. Es geht also nicht um einen „Prozesshansel“, der versucht, den 34. Prozess in derselben Angelegenheit zu führen, sondern es geht um ein rechtsstaatliches Anliegen, sein Recht zu erkämpfen. Und in diesem Zusammenhang wird sogar vom Verwaltungsgerichtshof die Sinnhaftig­keit des Führens dieses Verfahrens bestätigt.

Findet das vor dem Verfassungsgerichtshof statt und geht der Prozess verloren, was bei einem solchen Prozess auch der Fall sein kann, ist der Kostenersatz gleich null und sind die Prozesskosten zu erbringen. Beim Verwaltungsgerichtshof ist das nicht der Fall.

Kollege Gudenus hat die Führerschein-Problematik angesprochen. Das ist ein breit­flächiges Diskussionsthema für die Volksanwaltschaft, und zwar deswegen, weil sich in diesem Zusammenhang die Amtssachverständigen, insbesondere die Ärzte, mitunter Befugnisse aneignen, die ihnen das Gesetz nicht gibt.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz ausdrücklich vor­sieht, dass nur bei einer tatsächlichen gesundheitlichen Gefährdung oder bei Erkran­kungen, bei denen zwingend davon auszugehen ist, dass der Verlust der Fahrtüchtig­keit die Folge sein wird, eine Befristung von Führerscheinen erfolgen kann. Die Amts­sachverständigen machen aber auch von ihrem Recht Gebrauch, wonach das Be­stehen eines sehr vagen Verdachtes genügen soll, der zum Teil nicht einmal begründet wird.

Ich darf Sie ganz offen auch darauf hinweisen, dass für jede dieser Begutachtungen, für die im Übrigen beispielsweise in der Bundespolizeidirektion Wien nachge­wiesener-


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maßen 7 Minuten pro Fall aufgewendet werden, der begutachtende Arzt einen zusätz­lichen Obolus bekommt, nämlich rund 12 €.

Ich denke, dass solch eine zusätzliche Begutachtung während der Dienstzeit nicht nur im Hinblick auf die entsprechende Entlohnung zu überdenken ist, sondern auch dazu führt, dass sich der Begutachtende natürlich bewusst ist, dass er damit, wenn eine Befristung ausgesprochen wird, die Voraussetzung dafür schafft, dass dieser Obolus, dass diese zusätzliche finanzielle Abgeltung in zwei oder in drei Jahren wieder erfolgen wird. – Das ist eine Form der öffentlichen Entlohnung, die nicht sonderlich sinnvoll ist, und ich bitte dieses Haus, sich hier etwas zu überlegen.

Vorletzte Bemerkung; Kollege Gudenus hat von Anregungen gesprochen. – Zu dieser langen Liste muss man fairerweise sagen, dass sie von der Volksanwaltschaft fortgeschrieben wird. Das heißt, ein Anliegen der Volksanwaltschaft, eine legistische Anregung, die erfüllt wird, ist als erfüllte Anregung in unseren Listen, in unseren ewigen oder seit Beginn der Tätigkeit der Volksanwaltschaft geführten Listen aufgeführt. Wird ihr nicht entsprochen, dann wird diese Anregung natürlich Jahr für Jahr wiederholt. Im Schnitt ist es so, dass wir zwischen 15 und 20 Anregungen im Jahr vorlegen, wovon bedauerlicherweise nur die Hälfte zur Umsetzung gelangt. Das ist zumindest ein Teil; wir wünschen uns natürlich, dass das wesentlich mehr wird.

Letzte Frage, die in diesem Zusammenhang gestellt worden ist, ist die Frage der Nutzung von E-Mail.

Wir antworten in der Zwischenzeit – wenn wir via E-Mail angesprochen worden sind – grundsätzlich auf E-Mails. Es gibt Beschwerdefälle, die ausschließlich mittels dieses neuen Instrumentariums abgehandelt werden. Abgesehen von der Geschwindigkeit, in der die Abwicklung einer Beschwerde per E-Mail möglich ist, bergen E-Mails aber auch eine gewisse Gefahr der Inkonkretheit in sich. Das heißt, manche der Beschwerden, die uns via E-Mail erreichen, spiegeln offensichtlich den Ärger über irgendeinen Vorfall am späteren Abend wider, der bei der Volksanwaltschaft abgeladen wird. Mitunter wissen wir nicht einmal, um wen es sich handelt. Wir haben bestenfalls eine E-Mail-Adresse, worauf wir natürlich jedes Mal antworten mit dem Hinweis: Solange wir nicht wissen, wer Sie sind, wo sich das Ganze abgespielt hat und um wen es geht, können wir eine weitere Behandlung nicht vornehmen. – In nicht wenigen Fällen, aber nicht in allen bekommen wir dann auch eine Antwort.

Daher: Wir sind dankbar auch für dieses Instrumentarium, uns muss nur bewusst sein, dass wir bei der Konkretheit und auch bei der Präzision, mit der die Volksanwaltschaft versucht zu arbeiten, mitunter noch nachzuarbeiten haben. – Danke vielmals. (Allge­meiner Beifall.)

14.20

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Volksanwältin Bauer. – Bitte.

 


14.20

Volksanwältin Rosemarie Bauer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Plenum! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich herzlich für die für unsere Arbeit ausgedrückte Wertschätzung, die wir nicht nur für uns in Anspruch nehmen, sondern auch für unsere Mitarbeiter und die wir sehr gerne mit in unsere Volks­anwaltschaft nehmen.

Ich persönlich bin Landesvolksanwältin von sieben Bundesländern. Das heißt, vom Schwerpunkt meiner Arbeit her bin ich für sieben Bundesländer zur Gemeinde- und Landeskontrolle zuständig, im Zuge unserer persönlichen Aufteilung oder Sachzu-


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ständigkeit, die wir als Volksanwälte getroffen haben. Es gibt hier eine Menge – und daher sage ich das gerade Ihnen als Bundesräte – interessanter Themen und Bereiche, die aus dieser Prüfungstätigkeit heraus in den einzelnen Bundesländern entstehen. Man mag unterschiedlicher Meinung sein, aber es gibt, wie gesagt, diese Zuständigkeit für uns – in Tirol und Vorarlberg haben wir jeweils einen Kollegen.

Ich muss aber dazusagen, dass wir sehr oft gerade auch mit Beschwerden aus diesen Bundesländern befasst werden – diese müssen wir dann natürlich, da wir unzuständig sind, wieder zurückschicken –, weil manchmal doch auch ein gewisses Misstrauen durch die räumliche Nähe der Volksanwälte zu den Landesregierungen oder durch die Konstellation da ist.

Aber es sind die vielen Anliegen der Bürger an uns, für die wir unzuständig sind, nicht negativ zu sehen. Lassen Sie mich das sagen, denn ich weiß, viele meiner ehemaligen Kolleginnen und Kollegen – vielleicht hätte ich vor ein paar Jahren auch noch dazu­gehört – meinen, wir seien sehr stark mit Querulanten konfrontiert. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, gerade dieses Bild zu ändern. Es gibt natürlich sehr Lästige, jeder von uns hat seine persönlichen, aber mehr als vier Hände voll sind es bei mir nicht.

Es sind oft Bürger, die mit der Verwaltung eine wirklich schlechte Erfahrung gemacht haben. Entweder ist ein gravierender Fehler passiert, oder man hat sie, das könnte schon auch gewesen sein, wirklich einmal vernachlässigt. Und bei diesem Bürger festigt sich das Misstrauen, es ist latent da, bei jeder Verwaltungshandlung, bei jedem Brief einer Behörde. Diese Personen suchen nach einer Stelle, bei der sie sich erkun­digen können, ob alles rechtens ist, und finden uns auch – jetzt durch unsere Fernsehsendungen natürlich vermehrt, da jetzt viel mehr von unserem Bestehen und auch ein bisschen über unsere Tätigkeit Bescheid wissen. Sie kommen dann zu uns und wollen wissen, ob das, was man ihnen in ihrer Sache vorschreibt oder wie man mit ihnen umgeht, auch richtig ist. Das muss man auch verstehen. Ich glaube, auch das ist eine Facette unserer Aufgabe.

Ich sehe es so, dass wir auch eine wertvolle erzieherische Arbeit leisten, nämlich dem Bürger die Gesetze näher bringen, das, was der Gesetzgeber beabsichtigt hat. Zwi­schen Klammern sage ich dazu: Manchmal begegnen mir Gesetze, die ich als ehe­maliges Mitglied dieses Hauses mitbeschlossen habe, von deren Auswirkungen ich mir etwas anderes erwartet hätte als das, was ich dann gesehen habe. Das muss man auch zugeben. Aber im Grunde genommen ist es, meine ich, sehr wichtig, dem Bürger zu erklären, warum der Nachbar etwas machen darf, was er aber nicht haben möchte, und dass er das eigentlich auch dürfte und dass das eben die Gesetze ausmacht.

Nur so viel zu den Bürgern. – Wir geben dem Bürger Vertrauen in den Rechtsstaat und auch in die Verwaltung. Auch das ist ein Teil unserer Arbeit.

Hauptsächlich habe ich mich aber deshalb zu Wort gemeldet – ich möchte meine Ausführungen nicht unnötig verlängern; mein Kollege Kostelka ist ohnedies, glaube ich, darauf eingegangen –, um zur Diskussion über unsere Wünsche im Konvent bezie­hungsweise dazu, wie die Volksanwaltschaft in Zukunft ausschauen soll, Stellung zu nehmen.

Aus unserer persönlichen Erfahrung, die wir jetzt schon aus mehr als drei Jahren Tätigkeit schöpfen, beziehungsweise aus der Erfahrung der Volksanwaltschaft seit deren Bestehen kann ich sagen, dass sich diese Einrichtung und auch unsere Arbeit wirklich bewährt haben.

Wir haben Vergleiche mit anderen Ländern. Es stimmt: Wir waren damals, 1977, das siebente Land, das eine solche Ombudsstelle, die Volksanwaltschaft heißt, eingerichtet hat. In der Zwischenzeit sind es viel mehr. Es gibt natürlich unterschiedliche Organi-


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sationen beziehungsweise Strukturen. Schweden zum Beispiel, das muss ich auch anführen, hat vier Volksanwälte, nicht nur einen. Es sind vier Volksanwälte, auf vier Jahre gewählt, sie können x-mal wiedergewählt werden. In Ungarn ist es so, dass es einen Volksanwalt und einen Stellvertreter gibt, aber auch weitere zwei sachbezogene Volksanwälte oder Ombudsleute, wie sie dort heißen. Dort werden aber nur amts­wegige Prüfungen durchgeführt beziehungsweise Systemprüfungen.

Wir haben auch im Bericht unsere Wünsche verankert. Die Volksanwaltschaft soll Kollegialorgan bleiben, daher müssen es mehr als ein Volksanwalt und ein Stellvertreter sein. Das hat viele Vorteile. Egal, welche Motive auch immer es gibt, das derzeitige System zu ändern oder umzustellen, ich muss sagen, dass die öster­reichische Volksanwaltschaft seit nun fast 30 Jahren, seit ihrem Bestehen, aktiv auf den Bürger zugeht, dem Bürger als Anlaufstelle dient und eigentlich das ist, was ich immer als Ausfluss einer bürgerfreundlichen Gesellschaft gesehen habe, dass der Bürger ausreichend die Möglichkeit hat, sich zu wehren beziehungsweise Hilfe zu holen.

Unser jetziges Modell als Kollegialorgan, wo auch Empfehlungen und Missstände kollegial beschlossen werden, gewährt natürlich ein gewisses Maß an Ausgewogen­heit, weil ja die Zustimmung der anderen Volksanwälte und automatisch damit auch die Kontrolle in diesen Fällen gegeben sind. Ich würde es daher sehr bedauern und hielte es wirklich nicht für sinnvoll – und das hängt nicht an der Person jedes Einzelnen von uns –, würde hier durch eine organisatorische Umstellung, eine Reduzierung der Zahl der Volksanwälte und eine Umstellung des Systems eine für die Bevölkerung ausge­sprochen positive – ich spreche jetzt nur für die Bevölkerung, für die Bürger – Ein­richtung geschwächt oder zertrümmert.

Ich wollte mich dazu nicht verschweigen, sondern das sagen. Sonst danke ich Ihnen für die Anerkennung, und Sie können gewiss sein – Sie haben ja die Zahlen immer wieder genannt –, dass wir, wenn wir über 200 Sprechtage im Jahr abhalten, einen Großteil davon in den Bundesländern, fast Tag und Nacht für die Bürger da sind und im Sinne unseres Auftrags ganz motiviert handeln. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

14.28

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Volksanwalt Mag. Stadler. – Bitte.

 


14.28

Volksanwalt Mag. Johann Ewald Stadler: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich gehe in der Beantwortung der Fragen nach der Reihe der Wortmeldungen vor.

Herr Bundesrat Hösele hat das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, und zwar nicht nur der BürgerInnen, sondern sozusagen jedermanns in Österreich, der sich an uns wendet, aber darüber hinaus auch weltweit – wir bekommen auch immer mehr Be­schwerden aus dem Ausland über österreichische Verwaltungsakte –, ange­sprochen und gesagt, dass das Vertrauen in die Volksanwaltschaft in den letzten Jahren gestiegen ist.

Wir haben darüber eine Umfrage gemacht und das verglichen mit dem Jahr 2001, als die Volksanwaltschaft erstmals in der Geschichte dieser Institution zur Gänze neu bestellt wurde.

Die Zahl jener Österreicherinnen und Österreicher über 16 Jahre, die die Volksan­waltschaft kennen, hat um rund 10 Prozent zugenommen. Im Jahre 2004 waren es 75 Prozent der Bevölkerung oder der Befragten, die die Volksanwaltschaft als Ein­richtung kennen – das ist ein außerordentlich hoher Bekanntheitsgrad einer Ein-


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richtung. Es gibt nicht viele Einrichtungen in unserer Republik, die eine vergleichbar hohe Bekanntheit haben.

Die Zahl jener, die wissen, wie man zu uns gelangt, hat, seit wir unsere Tätigkeit aufgenommen haben, um 15 Prozent zugenommen. Das ist sicher mit der Fernseh­sendung gekoppelt, es war aber auch von Anfang an unser Bemühen, die Volks­anwaltschaft bekannter zu machen, aber auch bekannter zu machen, wie man zu uns gelangt. Hier spielen die modernen Medien, die modernen technischen Möglichkeiten, an uns heranzutreten, natürlich eine Rolle.

Von jenen Befragten, die uns kennen, haben wiederum 77 Prozent angegeben, dass sie sich entweder sicher vorstellen können oder vielleicht vorstellen können, wenn sie ein Anliegen haben, an die Volksanwaltschaft heranzutreten. Ich weiß nicht, ob es vergleichbare andere Institutionen in diesem Lande gibt, die eine ähnlich oder ver­gleichbar hohe Akzeptanz beim Bürger aufweisen. Das macht uns ein wenig stolz, soll Ihnen aber auch klarmachen, welchen Stellenwert die Volksanwaltschaft beim Bürger hat. Ich komme auf diesen Stellenwert und auf die Rolle später zurück, wenn ich auf die Ausführungen des Herrn Bundesrates Weiss eingehe.

Nun zum leidlichen Thema Verfahrensverzögerungen bei Gericht, das Herr Bundesrat Hösele, aber auch Herr Bundesrat Professor Dr. Böhm angeschnitten haben. Meine Damen und Herren! Das ist alles sehr abstrakt. Wenn die Frau Bundesministerin eine statistische Größe genannt hat, die sie mit dem Ausland verglichen hat, dann muss ich sagen, es geht uns relativ gut, aber das ist bei jenem, der mit einem Bein im heißen Wasser und mit dem anderen im Kühlschrank steht, auch der Fall. Das Ganze muss also ein Gesicht bekommen.

Ich möchte Ihnen wieder ein „Gesicht“ nennen, wie ich das in einem anderen Fall auch im Ausschuss schon getan habe. Ich nenne Ihnen den Fall eines Mädchens – ich betone noch einmal, es ist mir selbst als Vater, aber insbesondere auch als Volks­anwalt ein menschliches und persönliches Anliegen, dass Sie insbesondere sehen, dass vor allem in Pflegschaftsangelegenheiten, in Obsorgeangelegenheiten die Proble­matik der Verfahrensverzögerungen größte und schwerste menschliche „Defekte“ hinterlässt, die dann auch zu Beziehungsdramen führen, wie wir sie ja bedauer­licherweise jede Woche in Zeitungen lesen müssen.

Ich nenne Ihnen den Fall eines Mädchens, dessen Eltern sich haben scheiden lassen. Es begann – wie in den allermeisten Fällen – ein Obsorgestreit. Der Obsorgestreit hat im Jahre 1999 begonnen und war im Jahre 2004 noch nicht abgeschlossen. Es hat während dieser Obsorgestreitigkeit vier Richterwechsel gegeben. Es ist also nicht nur der pensionierte oder vor der Pensionierung stehende Richter, sondern es sind auch die Richterwechsel – das ist eine organisatorische Frage bei Gericht –, die zu Ver­fahrensverzögerungen führen. Jeder Richter muss dann wieder von vorne beginnen. Wenn ein Rechtsanwalt geschickt genug ist, dann bringt er es auch fertig, dass alle Beweise neuerlich erhoben werden müssen.

Auf die Verzögerungen, die sich bei den Sachverständigen und bei den Gutachtern ergeben haben, möchte ich gar nicht eingehen.

Dramatisch ist dieser Fall deswegen, weil dieses Mädchen eine angeborene Fehl­stellung der Füße hat, der Vater Facharzt für Orthopädie ist, sich seit 1999 bemüht, das Kind wenigstens behandeln zu dürfen, es aber nicht kann und nicht darf, weil die Mutter dagegen ist beziehungsweise die Richter keine Entscheidung zustande bringen. Mittlerweile ist dieses Kind so schwer und irreparabel an seinen Füßen geschädigt, dass es nur noch operativ, und zwar mit schweren Operationen, behandelt werden kann.


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Nun frage ich Sie: Wo ist hier das Gebot, das sich aus dem Gesetz ergibt, nämlich das Kindeswohl als oberste Priorität zu reihen – nicht die Interessen einer Mutter oder eines Vaters, sondern ausschließlich das Kindeswohl! –, erfüllt? Das ist der Gesetzes­auftrag an die Organe, die damit befasst sind, insbesondere an das Pflegschafts­gericht. Wo ist dies erfüllt? – Es ist nicht erfüllt.

Meine Damen und Herren! Es hat uns der Herr Bundesminister für Justiz Dr. Böhm­dorfer seinerzeit noch mitgeteilt, er werde Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung, wie er hofft, bis Jahresende, das heißt bis Ende dieses Jahres, dem Parlament vorle­gen können. Davon ist mir jedenfalls nichts bekannt. Ich habe in der Zwischenzeit allerdings die Vorschläge der Richtervereinigung und der Bundessektion der Staats­anwälte in der Gewerkschaft öffentlicher Dienst auf den Tisch bekommen, wo man jetzt versucht, den Wunsch der Volksanwaltschaft, einen Fristsetzungsantrag stellen zu können, dadurch zu konterkarieren, dass der Gerichtsvorsteher diesen Antrag stellen können soll. Das ist auf Seite 3 dieser Stellungnahme nachzulesen.

Auf Seite 6, das heißt drei Seiten weiter, beklagt aber die gleiche Richtervereinigung, dass der Personalnotstand bei Gerichten so stark sei, dass man überhaupt keine Kontrolltätigkeiten mehr ausüben kann. – Verstehen Sie, meine Damen und Herren: Das können wir dem Bürger so nicht erzählen, denn der hat für solche, sich dermaßen gravierend widersprechende Vorschläge kein Verständnis.

Daher bitte ich Sie, meine Damen und Herren, Hohes Haus, uns zu unterstützen. Wir bleiben bei unserem Vorschlag. Ich habe es im Ausschuss schon erwähnt und er­wähne es hier noch einmal: Die Bereitschaft manches Rechtsanwaltes – nichts gegen den Stand der Rechtsanwälte –, sich mit einem Richter das Klima zu verscherzen, indem er ihn mit Fristsetzungsanträgen in nicht so sehr profitablen Causen bom­bardiert, ist nicht im wünschenswerten Maße vorhanden.

Ich glaube, dass das einer der Hauptgründe dafür sein dürfte, dass dieses Instrument so selten genutzt wird. Ich habe Vorsprachen, wo mir Bürger beweisen, dass Richter sogar das Mandat gekündigt haben, weil der Bürger darauf bestanden hat, dass ein Fristsetzungsantrag gestellt wird. Das heißt, hier muss in irgendeiner Form Abhilfe geschaffen werden. Wir haben mit dem Justizministerium einen intensiven Schrift­verkehr in dieser Frage.

Aber es ist das Lamento von Jahr zu Jahr, die Verfahrensverzögerungen bei Gericht seien nicht akzeptabel, nicht weiter fortführbar, wenn man die Möglichkeiten, die sich aus dem Gesetz ergeben, nicht wirklich offensiv nutzt.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesrat Gudenus hat dann noch die fehlende Bereitschaft beim Aufgriff von Anregungen zur Gesetzgebung angesprochen und gefragt, woran das liegt. Der Herr Vorsitzende hat schon kurz erwähnt, woran das liegt, ich unterstreiche es noch einmal: Alle diese Fragen – auch den Fall, den ich Ihnen soeben geschildert habe – hätte ich furchtbar gerne außer mit Ihnen auch mit dem Fachausschuss diskutiert. Das ist einer der Gründe dafür, dass diese Anregungen zur Gesetzgebung nicht in dem Ausmaß Eingang in die politische Debatte finden: weil diese Diskussionen in den Fachausschüssen nicht stattfinden.

Hätten wir die Möglichkeit, das Ganze mit den Fachausschüssen des Parlamentes zu diskutieren, mit den Fachausschüssen des Bundesrates und des Nationalrates, dann würde vieles von dem, was ich und meine Kollegen Ihnen hier schon erläutert haben, dort unter Umständen auf fruchtbaren Boden fallen.

Frau Bundesrätin Kerschbaum hat die Vorschläge zur Reduktion von Lärm an Bun­desstraßen angesprochen und hat auf den Bericht verwiesen beziehungsweise hier gesetzgeberische Initiativen gefordert. Ich bin nicht davon überzeugt, dass es ge-


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setzgeberische Initiativen braucht, um Grenzwerte zu verschieben, aber selbst der schönste oder der verschobene Grenzwert nützt gar nichts, wenn keine Lärmmessung stattfindet.

Das heißt, es besteht die Problematik, dass die Lärmmessung von der öffentlichen Hand zuerst durchgeführt, dann finanziert werden müsste und daraus dann ein Druck auf die Verwaltungsbehörde entstehen würde, den sie sich dann sozusagen selbst erzeugt. Und die Bereitschaft dazu ist natürlich nicht in dem Ausmaß vorhanden. Viele Lärmmessungen durch Privatgutachter müssen von den Anrainern einer Straße selbst bezahlt werden, und die sind recht teuer.

Der Bürger stößt dann auch noch auf die Problematik, dass dann regelmäßig darauf verwiesen wird, dass die budgetären Möglichkeiten für eine Lärmschutzeinrichtung nicht vorhanden sind. – Das ist ein wirkliches Problem. Und ich weise darauf hin, dass Lärm für die Menschen mittlerweile zu den größten Qualen des Daseins gehört. Lärm wird mittlerweile als so störend, quälend und letztlich auch so gesundheitsschädigend empfunden – aber nicht nur empfunden, denn Gesundheitsschädigungen sind ja auch auf Lärm zurückzuführen –, dass das eine Problematik ist, der wir auch in Zukunft verstärktes Augenmerk widmen müssen. Aber das ist letztlich immer eine Frage der budgetären Möglichkeiten zur Errichtung von Lärmschutzeinrichtungen. Ich meine jetzt nicht nur passive Lärmschutzeinrichtungen durch den Einbau von Fenstern, sondern auch aktive Lärmschutzeinrichtungen entlang von Straßen.

Herr Bundesrat Jürgen Weiss hat die Zahl der Anbringen erwähnt. Diese Zahl wird weiter steigen, das garantiere ich. Die Volksanwaltschaft hatte in den vergangenen Jahren einen kontinuierlichen Anstieg. Die Popularität unserer Einrichtung nimmt Gott sei Dank nicht ab. Popularität bedeutet aber auch, dass immer mehr die Vorstellung des Bürgers Platz greift, die Volksanwälte könnten fast alles. Das ist ein wenig der Fluch der Fernsehsendung, von der der Bürger den Eindruck bekommt, wenn er auch ins Fernsehen kommt, dann ist die Geschichte für ihn auch erledigt.

Wir haben nicht nur, so wie du gesagt hast, die Aufgabe, eine öffentliche Klagemauer zu sein, sondern wir sind auch ein wenig öffentlicher Beichtstuhl. Man glaubt gar nicht, womit die Menschen kommen, mit wirklich intimsten Daseinsproblemen. Es ist wirklich ein Markenzeichen unserer Institution, dass wir die Leute nicht einfach nur weg­schicken, sondern versuchen, mit Ratschlägen zu helfen. Und das ist der ent­schei­dende Punkt, deswegen ist die Zahl der Anbringen im Vergleich mit der Zahl der tat­sächlich durchzuführenden Prüffälle etwas hinkend: weil jedes Anbringen, wenn es geprüft wird, beantwortet werden muss. Der Bürger hat ein sich aus der Verfassung ergebendes Recht auf Antwort. Und Sie können keine Antwort geben, wenn Sie das Anliegen nicht vorher zumindest in einer Form geprüft haben, dass Sie sagen können, diese Antwort hält auch.

Das ist die große Aufgabe unserer Mitarbeiter, die sie bravourös bewältigen: diese große Zahl an Anbringen auch zu beantworten und zu bearbeiten. Weil wir damit rechnen müssen, dass wir auch in Zukunft Steigerungsraten haben, wird irgendwann einmal auch wieder der Wunsch an das Hohe Haus herangetragen werden, für ent­sprechende Dienstposten zu sorgen, Herr Staatssekretär Finz. Ich sage das jetzt schon prophylaktisch.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesrat Schimböck hat mich auf eine Sendung des „Morgenjournals“ im ORF – ich nehme an des Radios – angesprochen. Ich weiß nicht, was dort gesendet wurde, ich weiß auch nicht, wer zerrieben werden sollte. Die von Ihnen – ich habe das vielleicht akustisch falsch verstanden – genannte ÖVP kann es nicht sein. Die Wahlergebnisse der vergangenen Jahre deuten nicht darauf hin, dass die ÖVP zerrieben wird. Ich habe eher den Verdacht, dass es eine andere Partei ist.


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Ich weiß allerdings nicht, was hier wirklich gesendet wurde, und ich habe bedauer­licherweise auch Ihren Brief nicht bekommen. Ich habe auch vom Herrn Präsidenten Khol den Brief nicht bekommen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir vielleicht eine Kopie dieses Briefes zur Verfügung stellen. Ich werde Ihnen diesen Brief gerne beant­worten.

Die Problematik, die sich aus der politischen Überzeugung von Volksanwälten ergibt, ist, glaube ich, keine, die der Institution bisher wirklich geschadet hat, auch mir nicht. Ich kann Ihnen beweisen, dass die Zahl der Anbringen, aber auch die Zahl der Vorsprachen und der Vorsprachewünsche durchaus jedem Vergleich standhalten. – Ich danke herzlich. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

14.41

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch dies ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag auf Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend eine Änderung des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (560 d.B. und 646 d.B. sowie 7137/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz geändert werden (546 d.B. und 647 d.B. sowie 7138/BR d.B.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 8. und 9. Punkt der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Die Berichterstattung zu Punkt 8 übernimmt Herr Bundesrat Prutsch. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


Berichterstatter Günther Prutsch: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Da­men und Herren! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend eine Änderung des Über­ein­kommens zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher beschränke ich mich auf den Antrag:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2004 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 



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Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Den Bericht zu Punkt 9 bringt Herr Bundesrat Bogensperger. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Berichterstatter Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger: Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher beschränke ich mich auf die Antragstellung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2004 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kraml. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.

 


14.43

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungs­punkt 8 sieht die Fördererweiterung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung vor, und zwar für die Mongolei. Diese Förderungserweiterung sehen wir als positiv, und wir werden diesem Punkt auch zustimmen.

Meine Damen und Herren! Nun zum Börsegesetz und zum Wertpapieraufsichtsgesetz. Die Entwicklung einer Börse muss auch von einer entsprechend effizienten Aufsicht begleitet sein, und da habe ich in der letzten Zeit das Gefühl gehabt, dass das nicht ganz so war, wie es hätte sein sollen. Erinnern wir uns an die Umstände rund um die Telekom: Da hat es einen Zeitpunkt gegeben, zu dem die Aktienkurse eine bestimmte Höhe erreichen mussten, und genau zu diesem Zeitpunkt haben die Aktienkurse auch dieses Ziel erreicht, und zwar deswegen, weil es eine Kauforder einer österreichischen Bank gegeben hat. Genau diese Vorkommnisse hat natürlich auch die Finanz­markt­aufsicht gesehen und hat eine Prüfung eingeleitet. Nur: Wie bei so vielen Prüfungen der Finanzmarktaufsicht ist auch in diesem Fall nicht viel herausgekommen, eigentlich ein sehr unbefriedigendes Ergebnis. Eines ist aber ganz klar: Die Wiener Börse hatte wieder einmal ein Imageproblem.

Meine Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz sollte die Finanzmarktaufsicht in ihrer Arbeit stärken, hat das aber nicht geschafft. Damit die Finanzmarktaufsicht effizienter arbeiten kann, braucht es die entsprechenden Rahmenbedingungen, und diese kann nur der Gesetzgeber schaffen.

Es gibt viele Länder, die ein Beispiel für eine funktionierende Börsekontrolle geben. Das sind auch jene Länder, in denen der Insiderhandel als kriminelle Tat geahndet wird und auch genauso bestraft wird. Bei uns ist das ein bisschen anders. Wir nehmen ja oft mit Augenzwinkern zur Kenntnis, dass es sich beim Insiderhandel um so etwas wie ein Kavaliersdelikt handelt.

Meine Damen und Herren! Da geht es um den Schutz der Kleinanleger. Da geht es um eine effiziente Aufsicht. Da geht es um die Verhinderung von Missbrauch und Irrita­tionen. Da geht es um Transparenz und Fairness. Und das alles gilt es zu schützen.

Meine Damen und Herren! Der ursprünglich vorgesehene Strafrahmen im Ausmaß von 10 Jahren wurde in der vorliegenden Novelle wieder halbiert. Die Polizei kann nur dann ermitteln, wenn sie von der Finanzmarktaufsicht ersucht wird, und die Haftung von


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Vorstandsmitgliedern und von Aktiengesellschaften im Fall von unrichtigen Informa­tio­nen, wie sie im Begutachtungsentwurf enthalten war, ist auch wieder verschwunden.

Gerade diese richtigen Informationen sind besonders wichtig, darauf muss sich jeder Anleger verlassen können. Und wenn es nun, wie im vorliegenden Gesetz vorgesehen, für die Vorstände keine Haftung gibt, dann, glaube ich, haben sie freie Hand bei der Gestaltung ihrer Berichte.

Das alles ist nicht optimal. Da hätten wir mit Sicherheit mehr tun können, wenn man nur hätte wollen.

Um den Insiderhandel und die Börsenmanipulationen auch nachweisen zu können, bedarf es entsprechender umfangreicher Recherchen, und umfangreiche Recherchen kann ich nur dann durchführen, wenn ich auch das entsprechende Personal habe, und ich glaube, daran fehlt es auch ein bisschen.

Meine Damen und Herren! Es kann ja nicht so sein, dass jene, die einen Infor­mationsvorsprung haben, die satten Gewinne machen und jene, welche diesen Informationsvorsprung nicht haben, die Zeche zahlen.

Meine Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz geht uns in diesen wichtigen Punkten zu wenig weit; wir werden daher die Zustimmung nicht geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.48

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Dernoscheg. – Bitte.

 


14.48

Bundesrat Dr. Karl-Heinz Dernoscheg (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich jetzt meinem Vorredner, Herrn Bundesrat Kraml, aufmerksam zugehört habe, dann habe ich auf der einen Seite verstanden, er will eine Verschärfung bei den Strafge­setzen und bei den Gesetzen bezüglich Insiderhandel. Er sieht das nicht als Kavaliersdelikt an und Ähnliches mehr. Auf der anderen Seite kann er aber diesem Gesetz nicht zustimmen, obwohl gerade diese Änderung des Gesetzes das in Österreich regelt. Also ich habe da jetzt irgendetwas wirklich nicht verstanden.

Worum geht es? – Es geht im Tagesordnungspunkt 9 darum, dass das Börsegesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz entsprechend einer EU-Richtlinie angepasst wer­den. Darum geht es. Und zwar handelt es sich hier um eine Marktmissbrauchsrichtlinie, die Österreich in vorbildlicher Weise umsetzt. Wir müssen wiederum sagen, wir liegen hier im Vergleich im seriösen Topbereich der Europäischen Union. Verglichen mit der Schweiz liegen wir sogar noch vorne in diesem Bereich.

Sie verlangen, dass die Insidergeschäfte – das sind Geschäfte, die jemand dadurch machen kann, dass er gewisse Informationen, wertvolle Informationen besitzt, auf Grund einer Position, die er in einer Behörde, in einer Aktiengesellschaft oder auch im Rahmen der Börse erlangt hat – wie eine kriminelle Tat behandelt werden sollen und nicht wie ein Kavaliersdelikt.

Ich zitiere § 48b Abs. 1: „Wer als Insider eine Insider-Information mit dem Vorsatz ausnützt, sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, indem er ... diese Information ... einem Dritten zugänglich macht“ oder selbst missbraucht, „ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wenn durch die Tat ein 50 000 € übersteigender Vermögensvorteil verschafft wird, jedoch mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“


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Also das ist, glaube ich, im Rahmen auch der Kriminalgesetzgebung ein recht ordent­liches Strafausmaß.

Die Schwerpunkte der Novelle gehen aber noch viel weiter. Es geht nicht nur um das Strafausmaß, es geht auch um die Verstärkung der Melde- und Veröffentlichungs­pflich­ten von Emittenten börsennotierter Wertpapiere. Es geht um Melde- und Veröffent­lichungspflichten von potentiellen Insidern. Das trifft sehr wohl Vorstände, das trifft auch deren Familienmitglieder. Es geht um Melde- und Veröffentlichungspflichten von Personen, die auf Börsenentwicklung Einfluss nehmen können, und es geht um eine klare Definition und eine entsprechende Erweiterung des Tatbestandes des Miss­brauches von Insiderinformationen auch auf den privaten Handel.

Die Diskussion über das Strafmaß ist natürlich immer wieder eine spannende, aber glauben Sie mir als gelerntem Juristen: Neben dem Einsperren, Einsperren, Einsperren müssen wir auch noch eine zweite Sache, wenn wir Rechtsakte setzen, immer wieder beachten, nämlich die Verhältnismäßigkeit. Ich glaube, die im ursprünglichen Entwurf vorgesehene Haftstrafe von bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe würde eine Gleichstellung bedeuten von Insiderwissen ausnutzendem Verhalten, bei einem Schaden oder einem Vermögensvorteil von 50 000 €, mit einem Vergehen gegen Leib und Seele. Der gleiche Strafrahmen droht zum Beispiel für Totschlag und für Körperverletzung. Ich glaube, es wäre nicht gut, so ein Zeichen zu setzen, das widerrechtliche Verschaffen eines materiellen Vorteils mit schwerer Körperverletzung und Totschlag gleich­zu­setzen.

Ich darf Ihnen auch sagen, warum meine Fraktion empfiehlt, gegen dieses Gesetz keinen Einspruch zu erheben. Wenn Sie sich den internationalen Vergleich anschauen: Wir haben in Österreich 5 Jahre Höchststrafe, in Deutschland sind es 5 Jahre, in Finnland 4 Jahre, in Frankreich und Großbritannien ist es etwas mehr, und die Schweiz, ein Land, in dem die Börse schon eine gewisse Bedeutung hat, hat ein Höchststrafausmaß von 3 Jahren. Also ich würde sagen, wir bewegen uns hier wirklich in einem seriösen Umfeld.

Neu ist auch: Es ist nicht mehr möglich in diesen Bereichen, dass die Haftstrafe durch Geldstrafe ersetzt wird, und es ist jetzt in diesen Fällen auch die Diversion, der außergerichtliche Tatausgleich nicht mehr möglich. Das heißt, jeder, der diesen Infor­mationsmissbrauch begeht, muss jetzt gewärtig sein, eine Haftstrafe zwischen 6 Monaten und 5 Jahren verbüßen zu müssen.

Ich darf Ihnen auch meine persönliche Überzeugung dazu mitteilen. Ich glaube, die Strafen können wir hochziehen, wie wir wollen. Selbst in Ländern, in denen man glaubt oder auch überzeugt ist, dass man eine strenge Finanzmarktaufsicht oder Börse­aufsicht hat, auch in den USA, in denen die Börse nicht neu ist, geschehen kriminelle Dinge. Wir können kriminelle Handlungen nicht durch Strafmaßnahmen, die wir bis zu „lebenslänglich“ führen können, verhindern. Wenn jemand kriminelle Akte setzt, dann muss er eben mit Strafe rechnen – der Gesetzgeber kann sie nicht komplett verhin­dern.

Was mit dieser Gesetzesänderung auch wieder verbessert worden ist: dass die Finanzmarktaufsicht eine stärkere, eine bessere Stellung im Verfahren hat, und zwar entsprechend den Finanzbehörden im gerichtlichen Strafverfahren.

Ich bin überzeugt, dass mit diesem Gesetz das Vertrauen in die österreichische Börse weiter gestärkt werden kann, und ich darf Ihnen auch sagen, wir sind als Wirt­schaftstreibende und als Vertreter der Wirtschaft sehr froh, dass die Wiener Börse in den letzten Jahren einen besonders guten Ruf bekommen hat. Die Ausweitung des Geschäftes zeigt das. Das zeigt auch die Entwicklung der Werte. Ich glaube, die Wiener Börse ist eine der bestperformenden in Europa, wenn Sie die letzten Jahre


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anschauen. Dieses Kapital ist wichtig für die österreichischen Unternehmen, für die international orientierten österreichischen Unternehmen. Deswegen sage ich im Namen unserer Fraktion, dass wir gegen dieses Gesetz keinen Einspruch erheben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.54

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

 


14.55

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Auch meine Fraktion wird gegen den Tagesordnungspunkt 8, aber auch 9 keinen Einspruch erheben.

Zum Tagesordnungspunkt 9: Vieles wurde ja schon gesagt. Es wird mit der vorlie­genden Gesetzesnovelle zu einer Belebung des Börseplatzes Wien und des öster­reichischen Kapitalmarktes kommen. Weiters wird dadurch auch der so genannte Marktmissbrauch des Insiderhandels eingedämmt – mein Vorredner Kollege Derno­scheg hat schon darauf hingewiesen – und die Kompetenz der Finanzmarktaufsicht geschärft und gestärkt.

Meine Damen und Herren! Es wird damit nicht nur ein Instrument geschärft und gestärkt, sondern ich bin überzeugt, dass damit auch der österreichische Kapital- und Finanzmarkt gefestigt und attraktiver wird, attraktiver einerseits für Anleger, aber auf der anderen Seite auch für Veranlager. Es wird aber nicht nur positive Auswirkungen für den Börseplatz Wien und für den gesamten Finanzmarkt Österreich geben, man muss sich auch bewusst ein, dass davon rund 3,5 Millionen Österreicherinnen und Österreicher positiv betroffen sind, da rund 3,5 Millionen Menschen in Österreich eine private Pensionsvorsorge haben und die Renditen, die in diesem Bereich erwirtschaftet werden, natürlich sehr stark vom österreichischen Kapitalmarkt abhängig sind.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion begrüßt die vorliegende Novelle zum Börse- und Wertpapieraufsichtsgesetz auf Grund von drei Punkten: erstens weil damit der Börseplatz Österreich attraktiver wird, zweitens weil damit der Zugang zum Kapital­markt gerechter wird – der Insiderhandel sollte damit ausgeschlossen werden – und drittens weil das für alle Beteiligten, Anleger und Veranlager, bessere Renditen bringen wird zum Wohle unserer Bevölkerung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.57

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


14.57

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, ich verwöhne Herrn Staatssekretär Finz nicht allzu sehr, wenn ich gleich vorwegnehme, dass wir sowohl Punkt 8 als auch Punkt 9 zustimmen werden.

Zum Punkt 9, zum Thema Insidergeschäfte, Marktmanipulation. Wir glauben, dass das vorliegende Gesetz nicht optimal ist. Es gibt mehrere Kritikpunkte, die einerseits in der Textierung liegen, andererseits auch in der unklaren Kostenentwicklung für die Finanz­marktaufsichtsbehörde. Dennoch glauben wir, dass es ein zentraler und wichtiger Punkt ist, die bestehende Gesetzeslage zu verbessern, um Insiderhandel, Marktmiss­brauch einzudämmen – im Sinne des KonsumentInnenschutzes und des Schutzes der Unternehmungen. Wir Grünen sind davon überzeugt, dass es für eine Wirtschaft sehr wichtig ist, einen klaren, transparenten und potenten Kapitalmarkt zu haben, und wir


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denken, dass dieses Gesetz in jedem Fall diese Tendenz unterstützen wird. – Das zu dem einen.

Zum Zweiten, zum Punkt 8 betreffend eine Änderung des Übereinkommens zur Errich­tung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung einige Anmerkungen zum Thema Entwicklung der osteuropäischen Staaten beziehungsweise Staaten, die in Bezug auf ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Moment nicht wirklich im Mittelfeld oder an vorderster Front liegen. Die Europäische Bank soll mit ihren Mitteln dazu beitragen, dass hier eine Besserung eintritt.

Im Ausschuss haben wir die Auskunft bekommen, dass die Mittel, die die Staaten von der Bank in Anspruch nehmen können, entsprechend den Konditionen am Markt ver­mittelt werden. Wir sind der Überzeugung, dass es auch in diesem Bereich bessere Instrumente geben muss, will man die osteuropäischen Staaten – und zu diesem Zwecke ist ja diese Bank auch gegründet worden – tatsächlich in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung, im Ausbau ihrer Infrastruktur, ihres Bildungssystems und so weiter unterstützen.

Das ist ein Bereich, der uns bei dieser Bank etwas mangelhaft beziehungsweise fragwürdig vorkommt. Generell ist anzumerken, dass ein wesentlicher Schlüssel, ja der zentrale Schlüssel zur wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen Ländern oder auch in den künftigen, potentiellen EU-Beitrittsstaaten in der Verteilungsgerechtigkeit liegt.

Das ist ein Punkt, den man stärken und unterstützen muss. Und wie es nach dem Zweiten Weltkrieg Amerika mit den Marshall-Krediten gemacht hat, die dann in den ERP-Fonds eingeflossen sind, könnte es auch auf europäischer Ebene sein, um tatsächlich ein potentielles, gutes Instrumentarium zur Forcierung der wirtschaftlichen Entwicklung in den verschiedenen Ländern zu haben.

An dieser Stelle noch einmal mein Anliegen bezüglich der entwicklungspolitischen Maßnahmen, die auch von Österreich gesetzt werden: Wir sind derzeit im Rahmen der EU-15 mit 0,2 Prozent des BIP an vorletzter Stelle, was bedauerlich ist. Das UNO-Ziel sind 0,7 Prozent. Letztendlich gibt es nur ein Land, das noch schlechter ist in Bezug auf die Entwicklungshilfe und die Beiträge dafür, und das ist Italien mit 0,16 Prozent.

Ich denke, dass die neue Agentur das möglicherweise vorantreiben kann – wobei es da natürlich eine ganze Reihe von Kritikpunkten unsererseits gibt. Aber das sind Bereiche, die im Sinne einer gesamtgesellschaftlich und wirtschaftlich und sozial gedeihlichen Entwicklung Gesamteuropas auf uns warten. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.02

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staats­sekretär Dr. Finz. – Bitte.

 


15.02

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Herr Bundesrat Kraml, Sie haben beanstandet, dass die Finanzmarktaufsicht noch zu schwach ist, beziehungsweise haben Sie gemeint, dass man sie mehr stärken sollte.

Ich möchte darauf hinweisen, dass es sich hier um eine sehr junge Einrichtung handelt – sie wurde ja erst im April 2002 gegründet –, und möchte auf die Unterschiede zu vorher hinweisen.

Was war vorher? – Es gab eine Gruppe Bankenaufsicht im Finanzministerium. Die Gruppe war personell so schwach ausgestattet, dass sie selbst keine Prüfungen vor Ort durchführen konnte, sondern sich der Nationalbank bedienen musste. Es gab eine


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eigene Versicherungsaufsicht. Die Versicherungsaufsicht arbeitete mit der Banken­gruppe überhaupt nicht zusammen – das waren zwei unterschiedliche Sektionen –, und außerhalb des Ministeriums gab es eine Wertpapieraufsicht. Gerade in dieser Zeit gab es bedeutende Vorfälle im Bankenbereich – ich weise etwa nur auf die Rieger Bank, die Bank Burgenland hin –, und wir mussten daher handeln. Und wir haben uns nach entsprechend langen Vorbereitungsstudien, auch im Ausland, dazu entschlossen, eine Allfinanzaufsicht einzurichten, eine Allfinanzaufsicht, wo alle Sparten des Finanz­marktes in einem Institut zusammengefasst sind.

Selbstverständlich hat diese neue Finanzmarktaufsicht noch Aufbauarbeiten zu leisten, personell, qualitativ, und vor allem auch die Entwicklungen auf dem europäischen Markt zu beobachten. Und hier geschieht genau die gleiche Aufbauarbeit. Inzwischen ist schon eine internationale, eine europäische Finanzmarktaufsicht im Gespräch, wobei es von einzelnen Ländern noch sehr große Widerstände gegen eine supra­nationale Finanzmarktaufsicht gibt. Sie wollen eher eine nationale Finanzmarktaufsicht und nur die Zusammenarbeit zwischen diesen Instituten verbessern.

Ich glaube, das muss man in diesem Gesamtzusammenhang sehen. Wir setzen hier eine EU-Richtlinie um, wir passen dieses Institut laufend an die europäischen Anfor­derungen, an die gemeinsamen Erkenntnisse an, und mit diesem Börsegesetz wird, wie schon erwähnt wurde, auch die Stellung der Finanzmarktaufsicht wieder ver­bessert. Sie wird jetzt im gerichtlichen Strafverfahren wegen Insiderhandels analog den Finanzbehörden im gerichtlichen Finanzstrafverfahren gestärkt. Ich glaube, die Erfolge wachsen schrittweise und wir sind hier auf einem sehr, sehr guten Weg.

Das Finanzmarktwesen ist der in der EU am meisten harmonisierte Bereich, da bekanntlich Geld- und Wertpapiergeschäfte keine Grenzen kennen, und wir müssen daher im internationalen Gleichschritt handeln. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Es wurde auch beanstandet, dass die Strafen für den Insiderhandel zu gering wären. Wir haben bisher zwei Jahre gehabt und werden in Zukunft fünf Jahre haben, und außerdem wird man sich nicht mehr quasi freikaufen können, wie das beim General­direktor der Voest der Fall war. Die Diversion wird also ausgeschlossen sein. Das ist, glaube ich, eine durchaus angemessene Erhöhung: mehr als die doppelte Strafe als bisher.

Es wurde schon der internationale Vergleich angeführt: Deutschland hat fünf Jahre, Finnland vier Jahre, Frankreich und Großbritannien jeweils sieben Jahre, wobei aber dort der generelle Strafrahmen höher ist als in Österreich, und die Schweiz hat drei Jahre.

Ich glaube, wir haben mit diesem Börsegesetz eine sehr wirksame Maßnahme getrof­fen, und ich bedaure eigentlich, dass Sie dieser bedeutenden Verbesserung nicht zustimmen.

Frau Bundesrätin Lichtenecker! Sie haben quasi beanstandet, dass wir auf die Ent­wicklungshilfenotwendigkeiten nicht entsprechend reagieren. Wir waren auf einer relativ niedrigen Ausgangsbasis, und wir versuchen, das organisatorisch, aber auch finanziell zu verbessern. Ich versichere Ihnen, das ist ein Anliegen dieser Bundes­regierung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.07

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


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Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die Beschlüsse erfolgt getrennt.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend eine Änderung des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden (617 d.B. und 630 d.B. sowie 7139/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Gansterer. Ich bitte sie um den Bericht.

 


Berichterstatterin Michaela Gansterer: Der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Gentechnikgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Kraml. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.09

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das nun vorliegende neue Gentechnikgesetz eröffnet meiner Meinung nach dem Einsatz von gentechnisch veränderten Materialien, Sorten und Lebensmitteln Tür und Tor. An die 90 Prozent der Bevölkerung lehnen gentechnisch veränderte Lebensmittel ab, ich frage mich daher, warum wir hier ein Gesetz vorliegen haben, mit dem wir das alles wieder zulassen. Warum liegt uns hier nicht ein entsprechendes Schutzgesetz vor? Warum lässt man im Gesetz wieder die Möglichkeit offen, dass gentechnisch veränderte Sorten in Verkehr gebracht werden?

Meine Damen und Herren! Im Bereich der Gentechnik gibt es ja Realität und Schein. So werden zum Beispiel zirka 550 000 Tonnen Soja mit gentechnisch veränderter Soja versetzt und an Schweine und Kühe verfüttert, und das Fleisch dieser Schweine und das Fleisch und auch die Milch dieser Kühe gelten aber trotzdem als gentechnikfrei.


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Ich meine auch, dass der vorliegende Gesetzesbeschluss kein Gesetz zum Schutz der Landwirte darstellt, sondern meiner Meinung nach werden lediglich Futtermittel- und Agrarkonzerne geschützt, damit diese sozusagen eine entsprechende Arbeitsbasis haben.

Meine Damen und Herren! In Österreich hat es Konsens zumindest immer dahin gehend gegeben, dass die Landwirtschaft und der Lebensmittelhandel gentechnikfrei bleiben müssen. Dieser Konsens wurde jetzt erstmals gebrochen.

Österreich nimmt im Bio-Landbau eine führende Stellung ein: Wir haben diesbezüglich einen Spitzenplatz in Europa, und ich weiß wirklich nicht, wie wir uns gegen diese Gentechnik-Sorten absichern sollen, und ich weiß auch nicht, wie Sie, Frau Bundesministerin, diese Schutzzonen in die Praxis umsetzen wollen, sind doch Bio-Betriebsflächen überall – und dazwischen wird dann vielleicht wieder gentechnisch verändertes Material angebaut. Daher bin ich der Ansicht beziehungsweise befürchte ich, dass wir diesbezüglich keine Schutzzonen zustande bringen werden.

Ich höre in der Diskussion hier immer wieder Worte wie „Sensibilität“ und „Bewusst­sein“. – Jawohl, das brauchen wir, und zwar gerade beim Thema Gentechnik! Es kann aber nicht so sein, dass davon zwar geredet, dann aber Gesetze mit gegenteiliger Wirkung beschlossen werden! Auch die EU können wir nicht für etwas verantwortlich machen, was wir hier in unserem Hause nicht regeln können! Auch auf die Bundes­länder können wir diese Probleme nicht abschieben und von diesen entsprechende Aktivitäten erwarten! Es gibt Bundesländer, die sich mit diesem Thema intensiv befassen: Das Land Kärnten zum Beispiel, auch das Bundesland Oberösterreich hat diesbezüglich Aktivitäten angekündigt.

Ich spreche ganz bewusst von „Ankündigung“, weil es seit dem Jahre 2002 einen Entwurf zu einem OÖ-Gentechnikverbotsgesetz gibt, der offensichtlich irgendwo in einer Schublade dahinschlummert. – Frau Kollegin Lichtenecker, da könnten Sie ein­mal nachschauen; das müsste doch noch zu finden sein! Es geht dabei um einen gemeinsamen Antrag von ÖVP und SPÖ. (Abg. Dr. Lichtenecker: Wir haben gute eigene Anträge, keine Sorge!) – Vielleicht suchen Sie ihn einmal; irgendwo wird er schon noch „herumgeistern“! Vielleicht haben Sie Glück dabei! (Heiterkeit bei den Grünen.) – Er würde immer noch in die Zeit passen!

Meine Damen und Herren! Wir von der SPÖ lehnen diese Änderungen im Gentechnik­gesetz ab, weil

erstens die notwendigen Sicherheits- und Schutzstandards nicht normiert wurden,

zweitens damit das Ende einer gentechnikfreien Landwirtschaft und damit auch das Ende von gentechnikfreien Lebensmitteln droht,

drittens die Wahlfreiheit von Konsumentinnen und Konsumenten nicht mehr gewähr­leistet ist,

viertens das vorliegende Gentechnikgesetz auch Förderungen für gentechnisch verän­dertes Material zulässt – was ich an sich ja schon fast pervers finde –,

wir fünftens befürchten, dass es durch den Wegfall des Gentechnik-Memorandums auf EU-Ebene zu neuen Zulassungen von gentechnisch veränderten Organismen kommen wird und sich so für die Landwirtschaft neue Probleme auftun werden.

Sechstens lehnen wir das ab, weil die Schutzbestimmungen des vorliegenden Antrages hinter den Normen der EU-Richtlinie 2001 liegen,

und letztendlich deshalb, meine Damen und Herren, weil 90 Prozent der Öster­reicherinnen und Österreicher gentechnisch veränderte Lebensmittel ablehnen. – Da-


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her gibt es von uns von der SPÖ keine Zustimmung hiezu. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

15.14

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. Ich erteile ihr das Wort.

 


15.14

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Anlass für diese Gesetzesänderung ist, dass wir verpflichtet sind, die EU-Richtlinie 2001/18/EG umzusetzen.

Die erste Zulassung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln beziehungsweise Futtermitteln durch die Europäische Kommission im April dieses Jahres wurde möglich, da die Geschlossenheit der sieben Moratorium-Staaten nach dem europäischen Be­schluss der Verordnung über die Rückverfolgbarkeit, Kennzeichnung und Zulassung von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln nicht mehr gegeben war. Daher ist es besonders wichtig, dass wir zum Schutz der Österreicherinnen und Österreicher das Freisetzen und das Inverkehrbringen gentechnischer Produkte regeln.

Gentechnik, meine Damen und Herren, ist ein sehr sensibles Thema, ein Thema, mit dem wir jedoch tagtäglich konfrontiert sind. Nehmen wir nur als Beispiel Waschpulver, mit dem bereits bei 30 Grad Flecken herausgewaschen werden können: ein Wasch­mittel also, das mittels gentechnisch hergestellter Enzyme produziert wurde.

Ein weiteres Beispiel aus der Medizin: Bei der Zuckerkrankheit, zu deren Behandlung Insulin benötigt wird, bei Medikamenten für Krebs- beziehungsweise AIDS-Kranke werden gentechnisch veränderte Stoffe benötigt. Gentechnische Veränderungen finden wir aber auch in Lebens- und Futtermitteln, insbesondere in jenen, die aus dem Ausland kommen.

Herr Kollege Kraml, da Sie davon gesprochen haben, dass wir uns vor der Gentechnik in Lebensmitteln schützen sollten: Wir sind in Europa, es gilt das EU-Recht, das den freien Handel, den freien Warenverkehr regelt! Wenn die Handelsketten solche Produkte in ihre Regale stellen und die Leute das kaufen, dann können wir gesetzlich schwer etwas dagegen unternehmen, weil eben die Entscheidung, was der einzelne Bürger kauft, diesem selbst überlassen bleibt.

Wir von der ÖVP sind der Ansicht, dass wir in Österreich nicht zulassen können, dass in nächster Zeit eine Produktion gentechnisch veränderter Produkte in unserem Lande erfolgt, und daher müssen wir gerade deswegen ein Gesetz so klar abfassen und die entsprechenden Rahmenbedingungen in der Form schaffen, dass auch die österreichischen Bauern damit leben können.

Folgendes darf ich Ihnen noch sagen – das wurde hier ja bereits angesprochen –: Es gibt Gebiete, in denen sich die Menschen eindeutig gegen solche Produkte aus­sprechen. Ich darf in diesem Zusammenhang nur meine engere Heimat, das Wald­viertel, anführen: Die Bauern, ja überhaupt die Waldviertler sprechen sich eindeutig dafür aus (Bundesrat Mag. Gudenus: Das stimmt nicht!), kein gentechnisch verän­dertes Saatgut zum Anbau zu verwenden. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das stimmt!) – Das stimmt! Genau! (Heiterkeit. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das ist natürlich eine freiwillige Sache, und ich brauche da nur meinen Bezirk als Beispiel herzunehmen: Es haben sich schon sehr viele dafür gemeldet, denn sie sagen, das ist ihnen etwas wert; sie wollen das.


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Gerade deshalb müssen wir unseren Bauern die Chance geben, nachhaltig auf Gen­technik verzichten zu können, und zwar allen Bauern: den Bio-Bauern genauso wie den konventionellen Bauern, und daher müssen wir genau auf Nachvollziehbarkeit setzen, damit die Bauern und auch die Konsumenten den notwendigen Schutz und die notwendige Sicherheit haben.

In unserer Saatgutverordnung ist festgeschrieben, dass in Österreich produziertes Saatgut gentechnikfrei sein muss. Ich meine, es kann auch eine Chance für die Ver­arbeiter und insbesondere auch für den Handel sein, wenn es uns gelingt, ein trans­parentes System bezüglich Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von Produkten umzusetzen; dadurch haben wir natürlich auch bessere Marktchancen beim Export.

Ich komme auch sehr viel herum auf den Bauernhöfen in unserem Bezirk und kann daher feststellen, dass es eine sehr starke Debatte über die Themen Gentechnik und Fütterung der Milchkühe gibt. Da ist immer wieder sehr großer Unmut festzustellen, denn unsere Bio-Bauern verwenden keine ausländischen Eiweiß-Futtermittel, also auch kein Soja, und daher muss man sagen: Die Bio-Milch, die überall erhältlich ist, ist garantiert gentechnikfrei; jene Tiere, die Milch liefern, sind mit garantiert gentechnik­freien Futtermitteln gefüttert! – Es soll also nicht immer alles nur schlecht gemacht werden, denn es gibt eben auch, wie gesagt, viele gute Dinge.

Nun aber zurück zu dieser Gesetzesänderung: Faktum ist, dass laut EU-Recht die Möglichkeit besteht, dass eine Freisetzung von gentechnisch verändertem Saatgut erfolgt. Daher müssen wir eben ein Sicherheitsnetz aufbauen, mit dem Transparenz garantiert und Schutz auch für die Zukunft geboten wird, was ja mit diesem Gesetz geschieht: klare Regelungen für die Haftungsfrage, einheitliche Kriterien für die Risiko­bewertung, Zulassung nur mit Befristung, genaue Registerführung, verpflichtendes Monitoring, verstärkte Sicherheitsvorschriften sowie Öffentlichkeit.

Ich glaube, dass wir in Österreich den richtigen Weg eingeschlagen haben. Wenn wir ein klares, rückverfolgbares System haben, ohne Lücke, vom Bauern über den Handel bis hin zum Konsumenten, so ist das eine Garantie für frische, gesunde, gen­technik­freie bäuerliche Produkte auch in der Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)

15.20

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr das Wort.

 


15.21

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Frau Kollegin Diesner-Wais, ich stimme Ihnen zu: Ja, wir brauchen ein Gentechnikgesetz. Das muss geregelt werden. Sie haben gesagt, das Gentechnikgesetz, das wir hier vorliegen haben, sei ein Sicher­heitsnetz. Meiner Meinung nach hat dieses Sicherheitsnetz einfach zu große Lücken, und das ist das Problem, das wir damit haben.

Das Problem fängt schon an bei Artikel I, „Ziel des Gesetzes“: Neben dem Schutz der Gesundheit steht als zweites Ziel, „die Anwendungen der Gentechnik zum Wohle des Menschen ... zu fördern“. – Ich verstehe nicht, warum das da drinstehen muss! Das ist einfach eine sinnlose ... (Zwischenruf der Bundesrätin Diesner-Wais.) – Wollen wir jetzt die Gentechnik fördern oder wollen wir die Gentechnikfreiheit fördern? (Bundesrat Bader: „Zum Wohle des Menschen“!) – Ja, „zum Wohle des Menschen“, darauf kom­me ich später noch zu sprechen. (Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Diesner-Wais.) – Nicht immer. Um mit einem Waschmittel bei 30 Grad Flecken zu entfernen, das ist für mich nicht unbedingt das ganz große Ziel, dessentwegen ich irgendwelche Gentechnik-Risiken eingehen würde.


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Das Ziel, die Anwendung der Gentechnik zum Wohle des Menschen zu fördern, wider­spricht jedenfalls den Wünschen eines Großteils der österreichischen Bevölkerung. Wir haben es schon gehört: Ungefähr 90 Prozent sprechen sich gegen Gentechnik in der Landwirtschaft aus.

Warum scheint unter den Zielen des Gentechnikgesetzes nicht die Sicherstellung der Existenz einer gentechnikfreien Landwirtschaft auf? Es ist doch einfach nicht möglich, dass, wenn es auf der einen Seite GVO-verändertes Saatgut und auf der anderen Seite Bio-Landbau gibt, nichts ausgetauscht wird. Es gibt Bienen, es gibt Pollen, und die kennen keine Ackergrenzen, die kennen keine Landesgrenzen, und die kennen wahrscheinlich auch nicht die Grenze zwischen Waldviertel und Weinviertel, wo sie nicht drüber dürfen, um Pflanzengene weiterzuverbreiten. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Nein. Aber dafür sind wir leider politisch nicht zuständig.

Es würde viel mehr den Wünschen der Bevölkerung entsprechen, wenn wir ein Gen­technikgesetz machen, in dem als Ziel formuliert ist, dass wir die Gentechnikfreiheit unserer Landwirtschaft sichern.

Es ist nicht nur das Ziel des Gesetzes falsch, sondern auch die Umsetzung, denn dieses Gentechnikgesetz sichert eben nicht die Existenz einer gentechnikfreien Land­wirtschaft. Die Koexistenz ist ein Schlagwort, aber nicht wirklich umsetzbar. Es ist auch nicht beschrieben, wie das funktionieren soll. Die Haftungsbestimmungen sind nicht ausreichend. Wenn ich mir ein Auto kaufe, brauche ich eine Haftpflichtversicherung, wenn ich gentechnisch veränderte Pflanzen anbaue, brauche ich keine Haftpflicht­versicherung; mein Nachbar kann mich zwar klagen, aber vielleicht habe ich dann kein Geld, um seine Schäden zu bezahlen.

Es ist auch die Beweislastumkehr für den Nachweis der Beeinträchtigung nicht gegeben. Wenn also der Nachbar glaubt, ich hätte mit meinem gentechnisch verän­derten Saatgut sein Saatgut verändert, dann kann er im Prinzip nichts dagegen tun. Die Beweislastumkehr ist jedenfalls nicht gegeben. Auch die Strafbestimmungen sind unzureichend. Die Öffentlichkeitsbeteiligung ist unzureichend geregelt. Die Behörde muss zwar die Genehmigung auf ihrer Internet-Homepage veröffentlichen, aber es steht nicht im Gesetz, welche Informationen das sein müssen, und es steht auch nicht im Gesetz, wann diese Informationen zu veröffentlichen sind.

Es gibt noch viele weitere Kritikpunkte. Kurz gesagt: Dieses Gentechnikgesetz ist nicht geeignet, eine gentechnikfreie Landwirtschaft in Österreich zu sichern.

In vielen Bereichen der Gentechnik sehe ich eine gewisse Ähnlichkeit mit der Debatte, die vor 25 Jahren über die friedliche Nutzung der Kernenergie geführt wurde. Damals war es auch nur die „friedliche Nutzung“, und damals haben auch sehr viele – vor allem Herren – behauptet, es gäbe da überhaupt keine Gefahr und es könne ohnedies gar nichts passieren. Die Bevölkerung haben diese Herren nicht überzeugt, und zum Glück ist damals – mit einer relativ knappen Mehrheit, aber doch – gegen Atomkraft in Österreich abgestimmt worden. – Jetzt ist es so, dass noch viel mehr Menschen gegen Gentechnik in der Landwirtschaft in Österreich auftreten als damals gegen die Atom­kraft. Das Gentechnikgesetz entspricht aber den Wünschen der Bevölkerung nicht.

Spätestens als das Atomkraftwerk in Tschernobyl in die Luft gegangen ist, sind dieje­nigen, die uns versprochen haben, dass von der Atomkraft keine Gefahr ausgeht, Lügen gestraft worden.

Es ist traurig, dass heute auch in Österreich nach wie vor einige – so etwa der Bauernbund-Obmann der niederösterreichischen ÖVP, Herr Franz Grandl – behaup­ten, Gentechnik bringe nicht nur Gefahren mit sich, sie biete auch Chancen für die Zukunft. Diese Menschen behaupten, dass die Gefahren, die die Gentechnik in der


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Landwirtschaft mit sich bringt, nicht nachgewiesen seien. Es gibt aber sehr wohl Studien, aus denen hervorgeht, dass die Milch von Kühen, die mit gentechnisch verän­derten Nahrungsmitteln gefüttert worden sind, Spuren von diesen Nahrungsmitteln beinhaltet. Also: Die Gefahren sind zum Teil nachgewiesen. Von den Chancen, die Gentechnik in der Landwirtschaft bringt, habe ich hingegen bis jetzt noch keinen Nachweis gesehen.

Und so wie bei der Atomkraft ist auch bei der Gentechnik der Ausstieg sicher schwierig. Wenn wir in zehn Jahren draufkommen, dass wir es eigentlich doch nicht wollen oder dass es doch Gefahren oder Risken gegeben hat, dann wird es wohl schwer möglich sein, sämtliche verbliebenen Pollen und Saatkörner aus Österreich wieder zu entfernen. (Bundesrätin Diesner-Wais: Aber in diesem Gesetz haben wir eine Auflage geschaffen, dass es ja fast unmöglich ist für jemanden, welche anzu­bauen!)

Leider eben nicht, weil weder die Haftungsbestimmungen stimmen ... (Weiterer Zwi­schenruf der Bundesrätin Diesner-Wais.) Nein! Es gibt ja keine ausreichenden Haf­tungsbestimmungen – das ist das Problem.

Ich würde daher Sie, Frau Bundesministerin, als Konsumentenschutzministerin bitten, das, was 80 Prozent (Bundesministerin Rauch-Kallat: Ich bin nicht Konsumenten­schutzministerin, sondern Gesundheitsministerin und Frauenministerin!) – okay: Ge­sund­heitsministerin – der Bevölkerung wollen, umzusetzen. Das ist erstens die Streichung der Förderung der Gentechnik aus den Zielen des Gesetzes. Sichern Sie die Existenz einer gentechnikfreien Landwirtschaft in Österreich! Verankern Sie das verursacherbezogene Haftungsprinzip und eine wirksame Deckungsvorsorge! Wenn GVOs eingesetzt werden, dann muss auch die Haftung dafür übernommen werden. Sorgen Sie dafür, dass Geschädigte ihre Ansprüche auf Ersatz für Nutzungs­beein­trächtigung vor Gericht einklagen können!

Dieses Gesetz schützt unsere Umwelt nicht ausreichend vor der Gentechnik – und uns auch nicht. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.27

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Gudenus das Wort.

 


15.28

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Kollegen und Kolleginnen! Wenn man an der Baustelle des Parlaments vorbeigeht, findet man an der Abblendung Gedichte eines Herrn Helmut Seethaler – ein Herr, der überall, wo man Gedichte in Form von Zetterln wie diesem (der Redner hält einen kleinen Zettel mit einem Gedicht in die Höhe) ankleben kann, solche anbringt. Das macht er auf der Kärntner Straße, am Westbahnhof, aber auch hier beim Parlament. Und da ist mir ein Zettel mit folgendem Gedicht in die Hand gefallen – fast wie wenn ich es gewusst hätte, dass ich es heute brauche –:

Mitmachen heißt mitschuldig sein. Nicht mitmachen heißt nicht immer, unschuldig sein. Nicht mitmachen, aber davon zu wissen und es nicht zu verhindern, macht meist genauso mitschuldig. (Demonstrativer Beifall bei den Grünen und Bravorufe bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen.)

Kolleginnen und Kollegen! Ich werde weder das eine noch das andere tun: Ich werde weder mitmachen noch nicht mitmachen. Ich werde bei der Abstimmung nicht im Saal sein. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das ist aber nicht die richtige Vorgangsweise! – Ruf bei der SPÖ: So macht man sich auch mitschuldig! – Bundesrätin Dr. Lichten­ecker: Dafür sind Sie gewählt worden!)


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Die Geschichte der Gentechnik reicht natürlich weiter zurück als in das Jahr 1997, aber immerhin gab es im Jahr 1997 ein Gentechnik-Volksbegehren, und wir Freiheitlichen hatten damals sehr intensiv die Gentechnikfreiheit verlangt, haben uns auch an diesem Volksbegehren sehr stark beteiligt. „In derart wichtigen Zukunftsfragen, die unmittelbar in unser Leben und vor allem in das Leben unserer Kinder eingreifen, darf niemand versuchen, persönliche Vorteile zu lukrieren“ – das war damals das Wort eines unserer Parteiführer. Und „weil die Gentechnik“ – und jetzt zu Ihnen (in Richtung der Bun­desrätin Diesner-Wais), Frau Kollegin – „zur ,Versklavung‘ der Bauern führen würde“, sollte man sie auch nicht würdigen. „Die Landwirtschaft dürfe beim Saatgut nicht von einigen wenigen Konzernen abhängig gemacht werden.“ (Bundesrätin Diesner-Wais nickt.) – Ich glaube, in dieser Sorge, Frau Kollegin Diesner-Wais, sind wir uns einig.

Ich bin daher auch sehr froh darüber, dass der Erstredner, Kollege Kraml, sechs sehr gute Gründe für die Ablehnung angeführt hat, und auch darüber, dass Frau Kollegin Diesner-Wais den Bauern die Möglichkeit geben will, gentechnikfrei zu bleiben. Aber wie machen wir das, Frau Kollegin? – Und das ist der Punkt, warum ich mich zum Schluss bei der Abstimmung aus dieser Debatte ausklinken werde, denn der Beweis, dass uns die Gentechnikfreiheit in Zukunft gewährt werden kann, wird auch der Frau Minister nicht gelingen.

Beim Gentechnik-Volksbegehren – ich glaube, es muss am 13. April 1997 gewesen sein – haben 1,2 Millionen Österreicher, 21 Prozent der Wahlberechtigten, diese Ini­tiative unterschrieben und die Abwehrhaltung der Österreicher hinsichtlich des Gen-Abenteuers sehr entscheidend zum Ausdruck gebracht. Es ist aber erstaunlich, dass damals auch die SPÖ, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, sehr stark die Meinung vertreten hat – es war Herr Abgeordneter Johann Maier –, man müsse verhindern, „dass es hier zu einer Technologie- und Forschungsfeindlichkeit“ komme. Auch eine hohe ÖVP-Abgeordnete meinte, „in Zeiten wie diesen geht es auch um jeden einzelnen Arbeitsplatz“. Es wurde damals – so wie heute – für oder gegen die Gentechnik mit Argumenten, die vernünftig sind, die emotionell sind – das eine oder andere vielleicht auch nicht ganz so vernünftig, aber dafür vom Herzen kommend –, gestritten und argumentiert.

Für diese Gemeinsamkeit von SPÖ und ÖVP in der damaligen Regierungskoalition gab es auch einige Schelte von der „Global 2000“-Vertreterin Ulli Sima. Ich betone das deshalb, weil sich eben die Zusammensetzung von Koalitionen im Laufe von sieben Jahren ändert – ich meine nicht nur Regierungskoalitionen, sondern auch Koalitionen der Geisteshaltung, des miteinander Agierens.

Es sei skandalös, mit welcher Präpotenz die Regierung über 1,2 Millionen Unter­schriften für das Gentechnik-Volksbegehren drüberfahre und damit das Volksbegehren als direktes Instrument der Demokratie kaputt mache, wurde damals gesagt. Eine hohe ÖVP-Abgeordnete wurde – ich wiederhole es noch einmal – als Lobbyistin, als verlängerter Arm der Gentechnik bezeichnet.

Welche Fragen nicht dabei offen sind? – Mir ist ein Papier aus dem Land Salzburg in die Hände gefallen, in dem es heißt:

„Die Europäische Kommission stellt in ihrer Stellungnahme klar, dass Regelungen auf nationaler Ebene nur die wirtschaftliche Koexistenz betreffen. Umweltaspekte dürfen nicht Gegenstand eines weiteren Zulassungsverfahrens sein, ...“

Oder: „Dieser Haltung der Europäischen Kommission entspricht auch die Meinung, dass sich Schutzmaßnahmen nur auf tatsächlich landwirtschaftlich genutzte Flächen beziehen dürfen.“ – Nun gibt es in Österreich sehr viele Flächen, die nicht land­wirt­schaftlich genutzt sind und trotzdem für diese meines Erachtens sehr risikobeladene Gentechnologie zur Bewirtschaftung oder zur Behandlung freigegeben sind.


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Es wird auch der besondere Schutz von Naturschutzgebieten durch die Europäische Kommission abgelehnt. Und die Europäische Kommission spricht sich ebenfalls gegen die vom Gesetzentwurf geforderte Information der Öffentlichkeit aus – etwas, was mir überhaupt vollkommen unverständlich ist: wie man die Öffentlichkeit kraft einer EU-Verordnung ausschließen soll!

Das Gesetz erfolgt ja zu diesem Zeitpunkt auch deshalb, weil eine Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof vorgesehen ist, der wir entgehen wollen. Aber da drängt sich mir schon die Frage auf, Kollegen und Kolleginnen: Wie weit sind wir ein souveräner Staat? Wäre es da nicht besser gewesen, wir wären nicht in die EU gegangen, wir wären souverän geblieben und könnten für uns selbst feststellen, ob wir die Gentechnik haben wollen oder nicht haben wollen? – Die Bevölkerung ist irritiert. Das weiß auch die EU und das weiß auch die Kommission, wer auch immer in Zukunft die Kommission stellen wird.

Das Ganze ist, wie wenn ich den Geist aus der Flasche herauslasse: Ich kann zwar zig Novellen zum ASVG machen, aber ich kann die Gentechnik nicht mehr rückgängig machen. Sie geht nicht mehr in die Flasche hinein. Ist sie einmal draußen, nimmt sie ihren Siegeslauf – ob dieser nun positiv, negativ oder in einer Mischform auftreten wird.

Kolleginnen und Kollegen! Da hilft uns auch nicht, dass gesagt wird, dass eine Befristung auf zehn Jahre erfolgt. In zehn Jahren ist die Sache gelaufen! Diese Befristung ist ein Placebo, eine Beruhigung gut meinender Gemüter, auch hier im Hohen Haus. Und ich gebe Ihnen den Rat, Kolleginnen und Kollegen: Seien Sie nicht so gut meinend, sondern nehmen Sie die Chance wahr! Sie brauchen heute hier nicht zuzustimmen!

Im Jahre 1797 haben ein Herr Martini und ein Herr von Zeiller das „Westgalizische Gesetzbuch“, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch geschrieben, und es wurde in Westgalizien erprobt. Dieses Gesetzbuch wurde von 1797 bis 1811 erprobt. Haben Sie jemals erlebt, dass eines unserer Gesetze für einen gewissen Zeitraum erprobt worden ist? Und bei einem Gesetz wie diesem, welches solch lange nachwirkende Wirkungen haben kann, erfolgt keine Erprobung auf Sicherheit und Konsumentenfreundlichkeit?! Wer drängt uns denn, dieses Gesetz zu machen? – Die EU; das haben wir gehört. Und wer drängt die EU-Leute dazu, uns so zu drängen? Die Geschäftemacher? – Vielleicht die, denn die Bauern drängen nicht, und die Konsumenten drängen auch nicht, Kolleginnen und Kollegen.

Aus diesem Grunde werde ich mich – obwohl ich mich leichter täte und mein Gewissen wahrscheinlich heute Abend besser beieinander wäre, wenn ich bei diesem Gesetz mit Nein gestimmt hätte – der Koalitionsraison beugen, aber ich werde bei der Abstim­mung nicht im Saale sein. (Bundesrätin Auer: Das ist ja auch ein Ja! – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das ist auch ja sagen!)

15.38

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Ebner das Wort.

 


15.38

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Lieber Herr Kollege Gudenus, ich zolle Ihnen wirklich Respekt! Ein Großteil der österreichischen Bevölkerung lehnt Gentechnik bei Lebensmitteln grundsätzlich ab. Herr Kollege Gudenus hat schon gesagt: Rund 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher haben im Jahr 1997 das Gentechnik-Volksbegehren unterschrieben und damit auch zum Ausdruck gebracht, dass sie Gentechnik in der Landwirtschaft und bei den Lebensmitteln ablehnen.


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Im September dieses Jahres hat die EU-Kommission allen europäischen Staaten erstmals den Anbau von 17 Genmaissorten erlaubt. Es liegen aber bereits weitere Anträge vor, wie etwa für Zuckerrüben, Raps und Sojabohnen. Die Koexistenz- sowie Haftungsfrage werden in diesem Gesetz nicht geregelt. Ein Nebeneinander von gentechnikfreien und Gentechnik-Betrieben erscheint uns äußerst problematisch, denn Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen kann man nicht von gentechnikfreien Kulturen fern halten.

Mit der vorliegenden Gesetzesnovelle hat die Regierung diesen Konsens gebrochen und die Gefahren für Konsumenten, Produzenten, Umwelt und das Grundbedürfnis vieler Menschen nach gentechnikfreien Lebensmitteln ignoriert. Österreich – Vorbild in ganz Europa – hat leider die Möglichkeit der Absicherung eines nachhaltigen Bio-Landbaus verpasst.

Die Struktur der Landwirtschaft in Österreich lässt eine Freisetzung von gentechnisch verändertem Saatgut nicht zu, ohne die Existenz der gentechnikfreien Betriebe zu gefährden. Eine Möglichkeit einer Versorgungsmaßnahme würde im ÖPUL, dem öster­reichischen Programm zur Förderung einer umweltgerechten Landwirtschaft, bestehen. (Ruf bei der ÖVP: Nein!) Ein Großteil der österreichischen Landwirtschaft könnte mit diesem ÖPUL gentechnikfrei gehalten werden, wenn dies mit der Verteilung der För­derungsmittel verbunden würde. (Ruf bei der ÖVP: Das ist ein freiwilliges Programm!)

Es gibt in diesem Gesetz auch keine ausreichenden Haftungsbestimmungen. Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung für Bauern, die Gentechnik in der Landwirt­schaft verwenden, wäre hier vielleicht anzudenken, damit Schadensfälle abgedeckt werden können. Es fehlen weiters Vorschriften zum Schutz von gentechnikfreien Produkten, sei es die Informationspflicht gegenüber dem Nachbarn oder seien es gewisse Mindestabstände zwischen den einzelnen Grundstücken und Kulturen.

Ein weiteres Problem stellt die Beweislast dar. Derzeit gibt es keine volle Beweis­lastumkehr, sondern nur eine Beweislasterleichterung. Der Geschädigte muss bewei­sen, dass die Beeinträchtigung seiner Kultur von einem bestimmten Verhalten des Nachbarn verursacht wurde, was sicherlich keine leichte Aufgabe ist.

Weiters wurde von der Möglichkeit eines bundesgesetzlichen Rahmens zur Schaffung von gentechnikfreien Zonen nicht Gebrauch gemacht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein weitaus größeres Problem sehen wir jedoch im Bereich der Produktkennzeichnung. An dieser Stelle muss auf die Verord­nung hingewiesen und deren Einhaltung eingefordert werden, dass die vollständige und zuverlässige Information der Verbraucher im Zusammenhang mit GVO und aus diesen hergestellten Produkten sowie Lebens- und Futtermitteln gewährleistet sein muss, damit die Verbraucher eine sachkundige Produktauswahl auch treffen können.

In den EU-Richtlinien ist nachzulesen, unter welchen Voraussetzungen der Einsatz von Gentechnik verboten werden kann. Das ist der Schutz der Gesundheit und der Schutz unserer Umwelt. In unserer Gesetzesvorlage ist nur mehr die Rede vom Schutz des Menschen, nicht jedoch vom Schutz der Umwelt. Das finden wir sehr bedenklich, da wir, um leben zu können, auch die hiefür notwendigen Bedingungen unserer Umwelt benötigen.

Hohes Haus! Österreich und sein überall anerkannter biologischer Landbau dürfen nicht gefährdet und kaputt gemacht werden. Unsere Bürger, die Produkte aus gen­technikfreier Produktion kaufen wollen, müssen auch in weiterer Zukunft Vertrauen in die heimischen Bauern und deren landwirtschaftliche Produkte haben können.

Meiner Kollegin Diesner-Wais möchte ich sagen: Auch ich komme aus dem schönen Waldviertel und bin stolz darauf, dass sich unsere Bauern einstimmig gegen Gen-


Bundesrat
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714. Sitzung / Seite 111

technik ausgesprochen haben. (Beifall bei der SPÖ, den Grünen und den Freiheit­lichen.)

15.43

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Rauch-Kallat das Wort.

 


15.43

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Lassen Sie mich ganz kurz zur Gentechnikgesetznovelle Stellung nehmen. Diese Novelle ist nicht nur auf Grund der Entwicklung der letzten Jahre auch in der Europäischen Union notwendig geworden, sondern sie wird erstmals auch das Gentechnikgesetz um wesentliche Punkte erweitern und vor allem verschärfen.

Es geht hier um vier große Handlungsfelder, und zwar einerseits um die Verbesserung der Sicherheitsbewertung von Freisetzungsanträgen und Inverkehrbringungsanträgen zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt, zweitens um den Bereich des Schutzes der Verbraucherinteressen, weiters um die Erhöhung der Transparenz und Information der Öffentlichkeit und Sicherstellung der Überwachung sowie viertens um den Schutz der heimischen Landwirtschaft und die Absicherung sowohl der biologischen als auch der konventionell arbeitenden Landwirtschaft.

Was die Erhöhung der Transparenz, die Information der Öffentlichkeit und die Sicher­stellung der Überwachung anbelangt, so wird dies durch eine verpflichtende Kund­machung von Genehmigungs- und Risikomanagemententscheidungen und eine Regis­ter­führung über die Orte der Freisetzungen zur Erleichterung der Überwachung gewährleistet.

Durch die entsprechende Verordnungsermächtigung sollen die in den Ländern entste­henden Register bundeseinheitlich zusammengeführt werden. Die Erweiterung des beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen geführten Gentechnikregisters wird dies auch sicherstellen.

Eine eindeutige Kennzeichnung und Maßnahmen zur Gewährleistung der Rückverfolg­barkeit werden ebenfalls die Verbraucherinformation erhöhen genauso wie eine ver­pflichtende Überwachung, ein Monitoring von in Verkehr gebrachten Produkten.

Lassen Sie mich auch kurz etwas über den Schutz der heimischen Landwirtschaft und die Absicherung der konventionellen wie auch der biologischen Wirtschaftsweise sagen! Es wird – und das ist etwas, worauf wir durchaus stolz sein dürfen – auch die Umsetzung einer sehr klaren Haftungsregelung vorgenommen, die die Interessen unserer Bauern, die gentechnikfrei wirtschaften wollen, sicherstellt, und zwar sowohl die der Biobauern als auch jene der konventionell wirtschaftenden Landwirte, die keine gentechnisch veränderten Produkte anbauen wollen.

Mit dieser bundeseinheitlichen Haftungsregelung wird ein Beitrag zur Koexistenzfrage des Bundes entsprechend dem Vorsorgeprinzip ergänzend zu den Regelungen in den Bundesländern geleistet, sollte der Anbau von GVOs auf europäischer Ebene erlaubt werden. In jedem Fall ist die Haftungsregelung so klar festgehalten, dass wir überzeugt sind, dass die österreichischen Bauern wahrscheinlich in keinem und wenn, dann nur in einem überaus geringen Maße von gentechnisch veränderten Organismen Ge­brauch machen werden.

Österreich hat eine hohe Sensibilität in Fragen der Gentechnik. Ich gehe davon aus, dass gerade diese Sensibilität und das Bewusstsein sowohl der Landwirte als auch der KonsumentInnen dazu führen werden, dass derartige Produkte in Österreich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht angebaut werden.


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In diesem Sinne glaube ich, dass wir mit dieser Verordnung sicherstellen können, dass nicht nur die Richtlinien entsprechend umgesetzt werden, sondern dass Österreich auch in Zukunft ein gentechnikfreies Land bleiben wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.47

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Tiefnig. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.47

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Ich habe das Glück, wieder nach der Frau Minister sprechen zu dürfen. Somit brauche ich nur zu unterstreichen, was uns unsere Frau Minister Rauch-Kallat soeben unterbreitet hat.

„Gentechnikfreie Lebensmittel“ ist ein schöner Ausdruck. Nur: Der europäische Markt ist frei, die Lebensmittel werden quer durch Europa transportiert, und man muss als Konsument natürlich auch auf die Kennzeichnung achten. Heute werden weltweit riesige Flächen von gentechnisch verändertem Soja angebaut, und diese Art von Soja findet sich in sehr vielen Lebensmitteln, die sicher auch unseren Konsumenten auf dem Markt angeboten werden. Da sind auch der Konsument und der Handel gefragt, die Solidarität mit den Bauern, die immer wieder bekundet wird, jetzt und auch in Zukunft zu beweisen.

Unsere Bauern sind sicher bestrebt, auch in Zukunft gentechnikfreie Lebensmittel zu produzieren. Ein Beweis dafür ist auch unser Landesrat Josef Stockinger in Ober­österreich. Er hat schon vor Jahren weit reichende Schritte in Richtung eines Beitrittes zur Gentechnikcharta gesetzt. (Bundesrat Kraml: Welche?) Ich glaube, es ist einfach wichtig und sinnvoll, in Österreich zu sichern, dass unsere Lebensmittel gentechnikfrei bleiben.

In Oberösterreich ist es ein Anliegen unseres Landesrates, Gentechnikfreiheit bei der Lebensmittelproduktion zu erhalten, besonders auch im Hinblick auf unsere Biobauern, die sicher sehr schwer betroffen wären, würde verunreinigtes Saatgut angebaut.

Auf Biolandbau und Gentechnikfreiheit habe ich bereits hingewiesen.

Zum Thema ÖPUL würde ich schon noch etwas sagen. ÖPUL ist eine freiwillige Sache, die Unterzeichnung durch die Bauern erfolgt freiwillig. In diesem Sinne muss man schon sagen, dass man ÖPUL nicht an Gentechnikfreiheit binden kann.

Unsere Bauern sind daran interessiert, auch in Zukunft gentechnikfrei zu produzieren, wie ich gesagt habe, aber wenn man ÖPUL, ein freiwilliges Programm, an solche Bedingungen gesetzlich knüpft, unsere Bauern also in eine Zwangsjacke steckt, dann ist das irgendwo unfair. Das ist meine Anschauung.

Der Mensch ist auf die Gesundheit bedacht, wobei die Gentechnik sicher wertvoll ist. So ist es heute in der Medizin möglich, mit Hilfe der Gentechnik für krebskranke Per­sonen ein Unterkiefer nachzuzüchten. In diesem Falle muss die Gentechnik weiterhin forciert werden.

Was den Lebensmittelbereich betrifft, muss ich persönlich sagen, ich habe auch als Landwirt massive Bedenken, weil man nicht abschätzen kann, wie es in Zukunft aussehen wird. Es stellt sich die Frage, ob zum Beispiel das Gen vom Schnee­glöckchen, wenn man es der Kartoffelsaat beimischt, nur in der Pflanze oder auch in der Knolle ist. Ich glaube, da müssen wir alle ganz gewaltig aufpassen, dass uns dies nicht entgleitet. Unsere Bauern sind sicher nicht daran interessiert, in solchen Be­reichen Risiken einzugehen.


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Allerdings müssen wir bedenken, dass wir Nachbarstaaten haben, die gegen dieses Gesetz nicht so negativ eingestellt sind. Wenn zum Beispiel in Tschechien gentech­nisch veränderter Mais angebaut wird, dann ist es möglich, dass die Pollen nach Österreich fliegen. In diesem Fall muss der Bauer, dessen Felder durch diese Pollen verunreinigt werden, abgesichert sein.

Im Lebensmittelbereich ist das in diesem Sinne geregelt: 0,9 Prozent Verunreinigung. Ab dem Wert 0,9 Prozent Verunreinigung muss vermerkt werden, dass das Lebens­mittel gentechnisch verunreinigt ist. Somit gibt es mit diesem Gesetz auch für den Konsumenten Transparenz dahin gehend, ob es sich um gentechnisch freie Lebens­mittel handelt oder nicht.

Ich muss wirklich sagen, ich verstehe die Kritik nicht ganz, aber die ganze Gentechnik ist eine sehr heikle Sache. Dies zeigte sich auch in der Debatte über das Volks­begehren. Es bedarf auch der Aufklärung dahin gehend, in welchen Bereichen Gen­technik in Zukunft eingesetzt werden soll und in welchen es nicht sinnvoll ist, Gentechnik zu verwenden.

Ich werde dieser Gesetzesänderung zustimmen, weil darin Richtlinien geschaffen worden sind, die sehr weit reichend sind und den Konsumenten nicht verunsichern, sondern ihm Sicherheit geben.

Daher bitte ich auch alle Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei, diesem Gesetz zuzustimmen. Ich weiß, Oppositionsarbeit ist oft schwere Arbeit, aber wir haben heute schon von Herrn Kühnel gehört, diese Regierung macht einfach gute Arbeit. Darum ist es auch immer schwierig, als Opposition dieser guten Arbeit entge­genzustehen.

In diesem Sinne danke ich für die gute Zusammenarbeit auch mit den Freiheitlichen (Rufe bei der SPÖ: Ha!) und stimme diesem Gesetz mit Freuden zu. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.53

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Dr. Lichten­ecker. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass wir um 16 Uhr die Verhandlung wegen der Dringlichen Anfrage unterbrechen müssen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Kurz fassen!)

 


15.53

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Herr Dr. Kühnel! Sie bekommen dann noch eine Extraausführung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Kollege Tiefnig hat gutes Regieren angesprochen. Gutes Regieren gibt es in Oberösterreich, wir haben einen grünen Landesrat, unseren Landesrat Anschober.

Da Kollege Kraml die Frage gestellt hat, was denn in Oberösterreich ist, ganz kurz eine auszugsweise Auflistung zu dem Thema, die – davon bin ich überzeugt – auch zum Erfolg führen wird. Oberösterreich wird trotz allem gentechnikfrei bleiben. Auch wenn die Kollegen der ÖVP im Bundesrat dem Bundesgesetz zustimmen, wird uns dies in Oberösterreich gelingen.

Einerseits haben wir jetzt eine Allianz ins Leben gerufen, eine gemeinsame Aktion von Landesrat Anschober und Landesrat Stockinger, die Allianz der gentechnikfreien Regionen in Europa. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, in dieser Frage mit einer Stimme in Europa zu sprechen. Diese Allianz, bestehend aus Regionen in Italien, Frankreich, Griechenland, Schottland, inzwischen auch Ungarn, wird die Stimme erheben und dafür eintreten, dass Europa, vor allem Österreich, in diesem Sinne dann auch gentechnikfrei bleiben wird.


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Ich bin schon etwas verwundert, Kollege Tiefnig, wenn du sozusagen als Vertreter der Landwirtschaft dafür eintrittst, dieses Gesetz zu beschließen – ein Gesetz, das letzt­endlich nicht die Existenzsicherung der gentechnikfreien Landwirtschaft zum Ziel hat und gleichzeitig auch keine ausreichenden Haftungsregelungen vorsieht. Du bist ja in einer Region Landwirt, die kleinräumig ist und wo es völlig klar ist, dass es sonst schwierig ist, wenn man nicht im Gesamten gentechnikfreie Zonen hat.

Was ist die andere Aktion, Kollege Kraml? – Ein Gesetz, das gemeinsam von allen Fraktionen in Oberösterreich getragen und beschlossen wurde, das momentan beim EuGH beeinsprucht wird, weil vorher abgelehnt. Da sind wir nach wie vor dabei, mit wissenschaftlicher Unterstützung dieses Gesetz tatsächlich durchzubringen, ihm also zum Durchbruch zu verhelfen.

Frau Ministerin! Es ist richtig, man muss die Sensibilität der KonsumentInnen und Anbieter stärken, aber Sensibilität, glauben wir, ist zu wenig. Aber da es ein Teil ist, wird es bei uns natürlich auch entsprechende Öffentlichkeitsmaßnahmen zum Thema nachhaltige Wochen geben, wo über die Produkte informiert wird und die Kon­su­mentInnen auch aufgeklärt werden.

Die weiteren Bereiche, die in Oberösterreich durch unseren Landesrat Anschober umgesetzt werden sollen, sind derzeit in Planung, teilweise fertig und werden in den nächsten Wochen präsentiert werden. Ich bin überzeugt davon, dass wir es eben unter grüner Regierungsmitgliedschaft, unter einem grünen Landesrat in Oberösterreich auch tatsächlich schaffen werden, gentechnikfrei zu bleiben.

Dem Gesetz können wir in der vorliegenden Fassung nicht zustimmen, sosehr wir das auch bedauern. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.57

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner wäre Herr Bundesrat Ing. Kampl. Ich könnte Ihnen noch eine Restredezeit von ungefähr 3 Minuten anbieten. Wenn Sie damit das Auslangen finden, erteile ich Ihnen gerne das Wort.

 


15.57

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Laut Mahnschreiben der EU-Kommission von 2001 ist Österreich seinen Verpflichtungen nicht nach­gekommen. Seit 2003 liegt bereits eine Klage vor, das heißt, Österreich muss handeln. Das ist die Devise. Wenn wir schon Vollmitglied sind, sind wir auch verpflichtet, ent­sprechend Verantwortung mitzutragen.

Die neun Punkte der neuen Regelung sind: Risikobewertung, zehn Jahre Befristung, Überprüfung, Kennzeichnung, Überwachung, Registerführung, Inverkehrbringen, For­schung, verbesserte Transparenz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Offene Fragen gibt es auch. Was ist mit der Ernährung? Offene Fragen der Umwelt, Abstimmung mit den Nachbarn, Pufferzonen, Fruchtwechsel, Pollenbarriere und unterschiedlicher Blühzeitpunkt?

In Österreich haben wir bereits 280 000 Hektar Ökoflächen in 2 300 Gemeinden. Jetzt ist die Frage, wie weit es möglich ist, dass wir in Österreich bei der klein strukturierten Landwirtschaft das überhaupt verkraften. In England beträgt die Durchschnittsgröße von landwirtschaftlichen Betrieben 68 Hektar, in Österreich 17 Hektar, da wird es schon schwieriger. Wie schaut es denn in Griechenland bei 4,5 Hektar aus?

In Artikel 95 EU-Vertrag ist die Freisetzungsrichtlinie genau geregelt, in Artikel 164 auch das Umweltziel. Daher offen: Wie schaut ein Gentechnik-Führerschein aus? Über die Leute, die mit Gentechnik umgehen, die Freisetzung betreiben wollen, wird man


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sich, Frau Bundesministerin, Gedanken machen müssen. In Dänemark gibt es bereits einen Haftungsfonds. Die Freisetzer müssen 1 000 Kronen zahlen, darüber hinaus haftet der Staat.

Wissenschaftler wie Dr. Christoph Then, Professor Dr. Duba, Mag. Petra Lehner, Herr Dr. Leopold, Dr. Josef Hoppichler und Universitätsprofessor Kerschner haben am 6. Oktober in Klagenfurt bei einer Enquete auf viele Probleme hingewiesen. Ich glaube, es ist berechtigt, dass wir da große Sorgen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Bereiche wurden zur Diskussion gestellt, und nur eine Frage ist schließlich übrig geblieben: Wenn wir in Kärnten versuchen, so wie in Oberösterreich eine gentechnikfreie Zone zu erhalten – und wir werden alles daran setzen! –, wird in Zukunft diese Entwicklung auch für so manch andere Gebiete in Österreich unterstützt? – Wir wollen es hoffen.

Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich würde Sie darum ersuchen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.01

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­des­minister für Inneres betreffend SOS Innere Sicherheit (2262/J-BR/04)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlung zum 10. Punkt der Tagesordnung, und wir gelangen zur Dringlichen Anfrage der Bundes­räte Professor Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Inneres.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Professor Konecny als erstem Anfragesteller zur Begrün­dung der Anfrage das Wort. – Bitte.

 


16.01

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! (Der Redner wartet, bis Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll auf der Ministerbank Platz genommen hat.) Wenn Sie von der Landwirtschaft zum Inneren finden! (Allgemeine Heiterkeit. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) – Ja, natürlich.

Meine Damen und Herren! Es ist uns bewusst, dass die Diskussion mit dem Innen­minister selbst naturgemäß die logische und vorzuziehende Lösung gewesen wäre. Es ist gestern – und wir respektieren das selbstverständlich – die Notwendigkeit ent­standen, einen Vertreter der Republik Österreich zu den Trauerfeierlichkeiten für Scheich Zayed von Abu Dhabi zu entsenden. Die Entscheidung ist gefallen, dass der Herr Innenminister diese Aufgabe wahrnehmen soll. Die Verständigung darüber ist erst heute im Bundesratsdienst eingelangt.

Nun haben wir sehr gründlich überlegt – ich sage das ganz offen –, ob es unter diesen Umständen sinnvoll ist, die heute früh eingebrachte Dringliche Anfrage zu stellen. Naturgemäß – ich sage es noch einmal – hätten wir es vorgezogen, die Diskussion mit dem Herrn Innenminister, der der Ressortverantwortliche ist, selbst zu führen.

Das Problem hat jedoch diese ungeheuerliche Dringlichkeit bekommen, und jeder von uns – und sagen Sie bitte von Seiten der Regierungsparteien nicht, es sei bei Ihnen nicht so – wird persönlich Tag für Tag in jeder Sprechstunde und bei jedem Event von


Bundesrat
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Menschen angesprochen, die selbst Tage zuvor Opfer einer unkontrolliert wachsenden Kriminalitätswelle geworden sind.

Ich bekenne ganz offen, mir ist es bei den vielen Dringlichen, die ich gestellt und begründet habe, noch nie passiert, von Mitarbeitern des Hauses, die Betroffene waren, wie in den letzten Tagen angesprochen und dafür bedankt zu werden, dass wir das, was auch sie betroffen hat, zum Gegenstand einer Dringlichen Anfrage machen.

Daher haben wir uns entschlossen, nichtsdestoweniger die Dringliche Anfrage aufrecht zu halten und die Diskussion mit dem Herrn Landwirtschaftsminister, der den Herrn Innenminister vertritt, zu führen. Sie haben sich ja eine mehr als fußballmann­schaft­starke Begleitmannschaft mitgebracht. An sachkundigem Rat wird es Ihnen also nicht fehlen, auch wenn ich nicht anstehe, mich persönlich dafür zu entschuldigen, dass Sie Pläne, die Sie sicher für den Freitag Nachmittag gehabt hätten, auf dem Altar des Parlamentarismus preisgeben mussten. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das ist sehr schön formuliert!)

Es ist selbstverständlich, dass der Herr Bundesminister Pröll, der hier vom Bundes­präsidenten mit der Aufgabe betraut wurde, den Innenminister zu vertreten, derselben rechtlichen Verantwortlichkeit unterliegt wie dieser und daher auch derselben Informationsverpflichtung gegenüber dem Bundesrat, wie das auch beim zuständigen Mitglied der Bundesregierung, wenn es anwesend sein könnte, der Fall ist.

Sie werden bemerkt haben, dass die Fragen nicht Routine oder Polemik sind. Es geht tatsächlich um grundlegende Fragen der österreichischen Sicherheitspolitik – nämlich der Sicherheitspolitik im Inneren – und es geht um etwas, das die Menschen verständlicherweise als vordringlich und bedrohlich empfinden.

Die Kritik, die ich zu üben habe, ist – auch das ist korrekterweise eingangs fest­zustellen – keine Kritik an Ihnen, sondern es ist natürlich eine Kritik an dem, den Sie hier zu vertreten haben.

Es geht um eine Zerstörung – und nichts anderes ist es! – der Sicherheitspolitik in Österreich durch Minister Strasser. (Bundesrat Bader: Also bitte! Das ist reine Polemik!) Bei allen Relativitäten, die durchaus angemessen sind: Österreich war bis zum Jahre 2000 eines der sichersten Länder, ein Land, in dem die Kriminalitätsrate weit unter der heutigen gelegen ist, die Aufklärungsquoten einmal ein bisschen mehr und einmal ein bisschen weniger über 50 Prozent gelegen sind und in den Dienst­stellen der Sicherheitsbehörden wesentlich mehr Personal vorhanden war, als das heute der Fall ist.

Es bestehen nun tatsächlich, so meinen wir, ursächliche Zusammenhänge zwischen einer überbordenden Kriminalität einerseits und andererseits einer Personalpolitik und auch einer finanziellen Ausstattung der Exekutive, die den Bedürfnissen, die in diesen Jahren naturgemäß gewachsen sind, nicht mehr auch nur annähernd gerecht wird und die noch dazu ganz offensichtlich für die falschen Projekte verwendet wird.

Ich gebe offen zu, dass es mich merkwürdig berührt, dass bei dem Projekt der Zusammenführung von Gendarmerie und Polizei, das wir so nicht teilen, nahezu alles unklar ist, mit Ausnahme der Gestaltung der Uniformen und der Farbgebung der Fahr­zeuge. Das ist nun sicherlich nicht das vorrangige Element! – (Bundesrat Ing. Kampl: Das ist polemisch!) – Das ist wahr! Das ist zugegebenermaßen polemisch, aber die Probleme der Zusammenführung liegen noch vor dem Herrn Minister!

Uniformen hat er designen lassen, und Silber – wir könnten uns ja beide darüber freuen –, Rot und Blau, glaube ich, ist die Farbgebung der Fahrzeuge (Bundesrat Kneifel: Schauen aber gut aus! Schauen super aus!), wobei das auch wieder nicht so toll ist, denn es gibt, wie ich weiß, ein paar Musterfahrzeuge, die überall hergezeigt


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werden. Die nächste Tranche kommt aber wieder in der alten Farbe, denn das Innenministerium hat vergessen, rechtzeitig mitzuteilen, welches die neue Farbe ist. Es wird also lange dauern, bis die Fahrzeuge wirklich als den Entwürfen des „Design-Center Strasser“ folgend erkennbar sind. – Das war polemisch! Ich gebe es zu. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn das unsere Sorgen wären, wie die Uniformen ausschauen und wie die Autos gefärbt sind, dann wären wir ein sicherheitspolitisch glückliches Land. Das sind jedoch nicht unsere Sorgen! Das sind nicht die Sorgen der Bevölkerung. (Bundesrat Bie­ringer: Sie sind es aber doch, denn sonst würden Sie es nicht sagen, Herr Kollege! Das müssen Ihre Sorgen sein!) – Das ist eine Sekundärsorge, wenn diese Wortneu­schöpfung erlaubt ist.

Wirklich aufregen tut mich die Farbgebung der Autos nur deshalb, weil der Herr Minister das Bedürfnis hat, das in Pressekonferenzen vorzuführen, weil er vernünftige Aufklärungsstatistiken nicht vorführen kann.

Wir sind also damit konfrontiert, und es werden Kolleginnen und Kollegen aus meiner Fraktion, die dort leben, wo das passiert ist, ungleich weniger Gendarmerieposten und Polizeiwachzimmer zu Verfügung haben als früher.

Die Zusperrwelle – ich weiß ja nicht, ob sie zu Ende ist – hat große Gebiete des Landes ohne direkten Zugang der Bevölkerung zur Exekutive gelassen, und die Aus­dünnung der Strukturen führt dazu, dass das einzige Fahrzeug, das in einem Bezirk unterwegs ist, auch für den, der eine Straftat zu begehen beabsichtigt, einfach zu lokalisieren ist: Wenn sich das einzige Auto, das in einem Bezirk unterwegs ist, an einem Ort befindet, dann weiß er, wo er zuschlagen kann, nämlich nicht gerade dort, wo das Auto ist, aber überall sonst in diesem Bezirk.

Meine Damen und Herren! Sagen Sie mir nicht, dass Sie das nicht wissen! Als Lokal­mandatare gehören Sie so wie ich und alle meine Freunde zu denen, die pausenlos über die ihnen offen stehenden Kanäle versuchen, auf diese unerträgliche Situation aufmerksam zu machen. Sagen Sie mir doch nicht, dass das Ihre Bevölkerung nicht betrifft! (Bundesrat Bader: Unsere Posten sind alle von einem roten Minister zugesperrt worden! Im ganzen Bezirk! Kein einziger von einem Schwarzen! – Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege! Das kann nicht stimmen, denn nicht einmal jetzt gibt es einen Bezirk ohne Posten. Das kann so nicht stimmen! (Ruf bei der SPÖ: Das ist polemisch!) Herr Kollege! Das ist jetzt unsachliche Polemik, weil es unwahr ist. Das ist schlichtweg unwahr. (Nein-Rufe bei der ÖVP.) Zweitens, Herr Kollege ... (Zwischenruf des Bundes­rates Bader.) – Nein, in diese Zeit fiel auch der Aufbau der Bezirkskommanden. Herr Kollege, Sie brauchen nicht zu versuchen, mir etwas vorzumachen. Es hat mit Sicherheit auch in Ihrem Bezirk nicht weniger Gendarmen gegeben als davor. Sie waren tatsächlich anders gruppiert. Heute sind es weniger, und jeder Kommandant, der auch nur annähernd den Personalstand von 1999 hat, darf sich glücklich schätzen.

Nochmals: Sie alle wissen das. Sie brauchen nicht mit Zwischenrufen Ihr eigenes – nicht einmal schlechtes Gewissen, Sie sind nicht verantwortlich dafür – Unbehagen niederzuschreien, was Sie jetzt versuchen. (Bundesrätin Zwazl: Aber, Herr Professor! Sie sind doch der beste Zwischenrufer!)

Sie teilen dieselben Empfindungen wie die Kolleginnen und Kollegen auf dieser Seite des Hauses, aber Sie müssen ja so laut sein, damit Sie Ihrer inneren Stimme nicht zuhören können. Diese innere Stimme sagt auch Ihnen: So kann es nicht weitergehen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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1999 hatten wir – auch das ist zu viel – 493 000 kriminelle Delikte. Im Jahr 2003 hatten wir 643 000. Wenn man die bisher bekannten Zahlen ganz vorsichtig hochrechnet, werden wir im Jahr 2004 die Grenze von 700 000 überschreiten. Das ist eine Steigerung von nahezu 50 Prozent.

Können Sie mir irgendeine Organisationsstruktur, einen Organismus, ein Unternehmen nennen, die eine 50-prozentige Steigerung – ich zögere jetzt, das Wort „Umsatz“ zu verwenden, die Kollegin Zwazl wird mich gleich kritisieren (Bundesrätin Zwazl: Nur, wenn Sie etwas Unrichtiges sagen!) – ihres Aktivitätsbereiches mit weniger Personal bewältigen als vorher? – Das ist unmöglich. Von den Beamten der Exekutive wird etwas verlangt, das nicht funktionieren kann, und die 97. Organisationsänderung wird daran nichts ändern, dass das zu wenig Menschen sind, weil es weniger sind als 1999. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das kommt eben auch darin zum Ausdruck, dass eine Verringerung der Aufklärungs­quote von knapp über 50 Prozent im Jahr 1999 auf rund 37 Prozent im heurigen Jahr stattgefunden hat. Mehr kriminelle Delikte, weniger Personal – da kann man nur um ein Drittel weniger Delikte aufklären! Das ist eine in höchstem Maße anerkennenswerte und lobenswerte Leistung der Menschen, die im Exekutivapparat an der Front stehen, aber kein Leistungsbeweis für den Minister und seine Planungen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir haben unserer Dringlichen Anfrage eine bunte und durchaus zufällige Auswahl von lokalen Medienstimmen beigegeben, aus denen hervorgeht, dass das kein Problem allein der großstädtischen Ballungsräume ist, obwohl es dort Spitzenwerte gibt, sondern ob es um den Bezirk Schwaz, ob es um Enns, ob es um das Burgenland, ob es um Krems geht – überall steigt die Kriminalität. Und ich sage es noch einmal: Überall stehen weniger Menschen zur Verfügung, um diesem Problem Herr zu werden. In Linz sind es heute beispielsweise 700, 1999 waren es 775 – um 10 Prozent mehr bei einer damals auch dort wesentlich geringeren Kriminalität.

Auch diese Zahlen lassen sich für jeden österreichischen Bezirk darstellen. Ich will Sie nicht damit ermüden – „langweilen“ kann man nicht sagen, denn es sollte Sie inter­essieren. Da ist das Sparprogramm dieser Regierung nach hinten losgegangen. Die Regierung spart an der Exekutive, und die Rechnung zahlen die Opfer der Kriminalität mit ihren Verletzungen an ihrem Vermögen, an ihrem Eigentum und oft genug an ihrer körperlichen Integrität. Das ist eine Rechnung, bei der wir nicht mitmachen können! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und nun soll das so weitergehen. Die Sozialdemokratie und viele kritische und unab­hängige Sicherheitspolitiker sind selbstverständlich dafür, ein Maximum an Synergien zwischen Polizei und Gendarmerie zu nützen. Meine Damen und Herren! Es ist aber völlig klar, dass diese beiden Wachekörper nicht nur eine unterschiedliche Tradition und eine unterschiedliche Identität haben, sondern sehr wohl auch unterschiedliche Aufgabenstellungen. Das Zusammenwirken zwischen der Gendarmerie und den Bezirksverwaltungsbehörden ist ein Element, das die Polizei in ihrem Wirkungsbereich nicht einhält und nicht einhalten muss, weil sie über eigene Juristen verfügt, die etwa im Bereich der Verkehrsstrafen die Straferkenntnisse ausfertigen und erforderliche Erhebungen pflegen.

Meine Damen und Herren! Hier wird die Polizei, die eine Doppelaufgabe hat – sie ist nicht nur Exekutive an der Front, sie ist auch eine Sicherheitsverwaltungsbehörde – nach dem scheinbar personalsparenderen Modell der Gendarmerie umgemodelt.

Es ist völlig klar, was dabei passieren wird: Im Bereich der Polizei wird eine der beiden Aufgaben zu kurz kommen. Entweder werden so wie bisher zu wenige Leute draußen auf der Straße sein, oder aber die sicherheitsjuristische Seite, also das, was im Bereich


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der Gendarmerie die Bezirksverwaltungsbehörde erledigt, wird irgendwie zum Erliegen kommen, was ich mir nicht wirklich vorstellen kann, und daher werden weiterhin zu wenige Polizisten – im historischen Sinn – draußen auf der Straße zur aktuellen Ver­brechensbekämpfung unterwegs sein. (Bundesrat Kritzinger: Broda hat die Gefäng­nisse geöffnet!)

Herr Kollege! Erstens ist es nicht wahr, und zweitens fand das, wie Sie als erfahrener – um nicht „alter“ zu sagen – Politiker eigentlich wissen müssten, in einer anderen Situation statt. (Widerspruch bei der ÖVP.) Wenn wir die Kriminalitätsraten der Broda-Jahre und der Rösch-Jahre – im Innenministerium – hätten, könnten wir uns viel Geld in der Sicherheitsexekutive und in der Justiz ersparen. Dem ist aber nicht so. Nehmen Sie einmal die Sicherheitsberichte jener Jahre zur Hand! Es wird Ihnen vorkommen wie „Rotkäppchen“, so freundlich sind dort die Geschichten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich rede jetzt gar nicht von dem ... (Zwischenruf des Bundesrates Kritzinger.) Ja, das waren die Jahre von „Schneewittchen“, als wir tatsächlich mit einer Kriminalität und auch mit Kriminellen konfrontiert waren, die mit den heutigen nicht annähernd ver­gleichbar sind. Jeder ältere Polizist und Gendarm wird Ihnen nette Geschichten aus der freundlichen Zeit der guten, alten Galerie erzählen und wird die Horrorgeschichten einer ganz anders organisierten, viel brutaleren Kriminalität von heute dagegen halten. Fragen Sie die, die an der Front stehen! Wir tun es auch, und ich verbreite hier keine Papierweisheit, sondern Dinge, die Ihnen jeder in der Sicherheitsexekutive Tätige tagtäglich erzählen kann. (Bundesrat Kritzinger: Das Chaos ...!)

Ja, „Chaos“ ist das richtige Wort. Das wollte ich als Nächstes sagen, danke für das Stichwort! (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Nun reicht es nicht, dass wir dieses Wachstum an Kriminalität und dieses Sinken der Aufklärungsraten haben. Wir müssen offensichtlich, so meint der Herr Minister, dafür sorgen, dass sich die Sicherheitsexekutive im nächsten Jahr primär nicht mit der Krimi­nalität, sondern mit sich selbst beschäftigt. Wir führen also – nein, nicht wir, sondern er führt zwei Wachkörper zusammen. Die Probleme der Diensteinteilung sind noch zu lösen, darüber rede ich gar nicht. Aber es ist jeder Leitungsposten, offenbar bis hinunter auf die kleinste Ebene, neu zu besetzen. Selbst das Innenministerium spricht von rund 4 000 Neuausschreibungen – selbst das Innenministerium! –, die Gewerk­schaft kommt bei Übersetzung des Textes auf bis zu 12 000 Neuausschreibungen.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie ehrlich – Kollegin Zwazl ist jetzt leider nicht hier, ich hätte sie gerne zur Kronzeugin aufgerufen (Bundesrat Ager: Wir sagen es ihr, wir richten es aus!); ja, aber dann versteht sie mich womöglich wieder falsch –: Können Sie sich ein Unternehmen von 30 000 Beschäftigten vorstellen, das sich vornimmt, 12 000 Mitarbeiter ein Jahr lang in Unsicherheit zu halten, bis die Neuausschreibungen erledigt sind? Und können Sie sich in einem Wirtschaftsbetrieb vorstellen, wie sich das auf die Produktivität auswirkt? (Bundesrat Zellot: Bitte sagen Sie uns das! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es wird verheerend sein! Jeder heutige Gendarmerie-Dienstpostenleiter wird zittern, ob er es wieder wird, und wird sich im Wesentlichen damit beschäftigen, die ihm offen liegenden Möglichkeiten, den Prozess zu beeinflussen, zu nützen. Das ist nicht kritikwürdig, das ist menschlich im höchsten Maße verständlich, aber sinnvoll ist es nicht!

Wenn dann zudem – und das lässt mich ja das Ärgste befürchten – der Sicher­heits­sprecher der ÖVP im Nationalrat, der Abgeordnete Kößl, sagt, es sei doch nur selbst­verständlich, dass der Minister sich für dieses Jahrhundert-Projekt für Spitzenposten – 12 000 Spitzenposten, das ist ein Verein mit lauter Häuptlingen und keinen Indianern! – auch die besten Köpfe aussuchen wolle, dann lässt das anhand der bisherigen


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Postenbesetzungen in den Zentralstellen Fürchterliches erwarten. Die „besten Köpfe“ sind also ganz offensichtlich – zumindest hat das die Besetzung in den Zentralstellen eindeutig gezeigt – wortwörtlich mit „ÖVP-Parteigänger“ zu übersetzen. Daher haben zumindest diejenigen, die nicht der ÖVP angehören, bei der Sicherheitsexekutive sind und irgendeine der ausgeschriebenen Funktionen innehaben, allen Grund, sich tatsächlich Sorgen um ihre Existenz zu machen.

Das regt Sie weniger auf, das weiß ich schon, aber die Folgen werden trotzdem verheerend sein. Die einfache Gleichung „Schwarz = bester Kopf“ ist nicht völlig falsch, es gibt hervorragende Köpfe darunter, aber sie geht auch nicht auf null auf. Es ist eine Gleichung, die für die Sicherheit tief im Minus enden wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich habe davon gesprochen, dass zu wenig Mittel für die Sicherheit zur Verfügung stehen und diese Mittel auch noch falsch alloziert werden. Wir haben die traurige Geschichte rund um das Funknetz „Adonis“ miterlebt: großer Anlauf, großer Bauch­fleck, teurer Bauchfleck! Auch dieser Minister ist als Tiger gesprungen und als Bett­vorleger gelandet. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Der Auftrag­nehmer hat das Projekt zurückgelegt, und er hat neu ausgeschrieben, jedes Mal mit Kosten, mit gewaltigen Kosten für die Republik – Mittel, die man in diesem ausge­dörrten Sicherheitsapparat wahrlich besser verwenden könnte.

Der Herr Bundesminister – und auch das soll nicht ignoriert werden – hat sich einen eigenartigen Umgang mit dem Rechtsstaat zurechtgelegt. Ich sage ganz offen, dass Regierungen – das war auch bei früheren nicht anders – manchmal wenig Freude mit den Entscheidungen von Höchstgerichten haben. Verständlich: Wenn man ein Gesetz durchpeitscht – das haben auch frühere Regierungen getan –, und es wird einem aufgehoben, ist man nicht glücklich.

Aber, meine Damen und Herren: Wenn wir den Anspruch, ein demokratischer Rechts­staat sein zu wollen, aufrechterhalten, dann haben sich die Höchstgerichte auch ein Mindestmaß an Respekt zu erwarten. Ich halte die Reaktion des Bundesministers auf Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes schlichtweg für skandalös! Sprüche von der Qualität „Auf hoher See und vor dem Verfassungsgerichtshof bist du in Gottes Hand“ ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Das stimmt!)

Herr Kollege, ich würde auch Ihnen anraten, vor der Abgabe so schneller und schein­bar witziger Bemerkungen einmal kurz nachzudenken. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Der Verfassungsgerichtshof ist der, der zu überprüfen hat, ob und inwieweit Gesetze, die auch wir beschließen, der Verfassung entsprechen. Ich glaube, in einem Rechtsstaat ist es kein Gegenstand schlechter Witze und schnoddriger Bemerkungen, wenn der Verfassungsgerichtshof einem nicht Recht gibt.

Die sozialdemokratische Parlamentsfraktion hat zahlreiche Gesetze vor dem Verfas­sungsgerichtshof angefochten. Wir haben oft, aber keineswegs immer Recht behalten. (Bundesrat Mag. Himmer: Umgekehrt!) Na ja, das können wir dann ausstricherln – ich würde sagen, meine Formulierung kommt auch der Statistik näher als Ihr Einwand. Aber ... (Bundesrat Dr. Kühnel: 1 320 Verfassungsbestimmungen wurden mit der Zeit angehäuft!) Entschuldigen Sie, das geht den Verfassungsgerichtshof nichts an, daran hat er auch Kritik geübt. Das ist unsere Schuld! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nein, nicht meine – die Sozialdemokratie hat Mehrheiten gehabt, aber Zweidrittel­mehrheiten hat sie in Österreich noch nie gehabt. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Nein, nein, welche Verfassungsbestimmung auch immer beschlossen wurde, sie konnte in aller Regel nur von den beiden großen Parteien – und manchmal haben die beiden großen Parteien auch die Hilfe einer dritten gebraucht – beschlossen werden. (Bundesrat Dr. Kühnel: ... Verfassungsgerichtshof!) Herr Kollege Kühnel, Sie


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sind alt genug, um das wissen zu müssen, und Sie, Herr Kollege, sind so jung, dass Sie es lernen sollten. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es ist selbst im Vorfeld sinnvoll, sich nicht auf irgendwelche freundlichen Privatgut­achten zu verlassen, sondern sehr selbstkritisch darüber nachzudenken, ob beabsich­tigte Maßnahmen verfassungsrechtlich – wie sagt man da? – halten werden. Das gilt selbst für das Projekt der Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie, denn es gibt Bedenken. Wenn der Herr Innenminister der Meinung ist, dass diese Bedenken nicht berechtigt sind, und das gut begründen kann – wir fragen ihn danach –, dann ist dies das Risiko, das man eingeht und manchmal eingehen will und muss. Aber wenn er nur glaubt, es wird ihm nicht auf die Finger geklopft werden, weil nach erfolgter Zusam­menlegung das Wiederauseinanderdividieren faktisch so gut wie unmöglich ist, dann ist das ein Rechtsverständnis, das wir nicht akzeptieren können. Meine Damen und Herren, die normative Kraft des Faktischen hat im Rechtsstaat nichts verloren! (Bun­desrat Dr. Kühnel: Das stimmt nicht! Das ist im Völkerrecht eine anerkannte ...!)

Entschuldigen Sie, wir reden vom österreichischen Verfassungsrecht, Herr Kollege! (Zwischenruf des Bundesrates Winter.) Da schüttelt sogar Professor Böhm den Kopf, dem ich eine höhere juridische Kompetenz in den meisten Fragen zubillige. Die Beziehungen innerhalb der österreichischen Republik werden durch die Bundesver­fassung und nicht durch das Völkerrecht geregelt. Glauben Sie mir das, auch wenn Ihr Vertrauen zu meinen Aussagen vielleicht ein begrenztes ist. (Bundesrat Bader: Nein, ich glaube Ihnen nicht!) Schlagen Sie nach: Die Bundesverfassung wird im inner­staatlichen Bereich durch das Völkerrecht nicht derogiert, das Völkerrecht ... (Bundes­rat Bader: Sie haben vom Rechtsstaat gesprochen!) – Ja, selbstverständlich! (Bundes­rat Bader: Sie haben vorhin vom Rechtsstaat gesprochen!)

Ja, und der Rechtsstaat beruht darauf, dass Verordnungen auf ihre Gesetzmäßigkeit hin vom Verwaltungsgerichtshof und Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin vom Verfassungsgerichtshof überprüft werden. (Bundesrat Bader: Das wissen wir auch!) Jetzt spreche ich über den Verfassungsgerichtshof und die Verfassungsmäßigkeit vorgeschlagener gesetzlicher Maßnahmen. Das ist ein zentrales Element des Rechtsstaates – wenn ich Ihnen beim Bauen der Brücke zwischen den beiden Begriffen ein wenig helfen darf. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich habe zuletzt gesagt: Die normative Kraft des Faktischen ist kein verfassungs­rechtlicher Grundsatz! Zu sagen, ich lege auf Verdacht Polizei und Gendarmerie zusammen, und wenn der Verfassungsgerichtshof, der für eine solche Beurteilung seine Zeit braucht und aus guten Gründen keine Schnellschüsse macht, eine Ent­scheidung trifft, dann ist es aber schon passiert und dann soll mir irgendjemand sagen, wie ich das rückgängig machen kann, dann ist das so wie mit dem roten Gspritzten: Mischen kann ich ihn. – Herr Landwirtschaftsminister, ich weiß, jetzt habe ich beim roten Gspritzten in Ihr Ressort eingegriffen. (Heiterkeit. – Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Schreibe ich schon auf!) – Ja, ich habe es gesehen.

Ich kann leider weder das Mineralwasser noch den Rotwein aus dem Glas wieder herausbringen. Vielleicht kann man es mit Destillieren probieren, aber das ist keine wirklich zielführende Methode, vor allem, was den Geschmack des Rotweins anlangt. – Sehen Sie, das ist verantwortungslos, schlicht und einfach verantwortungslos gegen­über dem Rechtsstaat!

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Ausgangspunkt zurück. (Bundesrat Dr. Kühnel: Ich habe geglaubt, zum Schluss!) – Herr Kollege, Sie kennen den Rat­schlag Kurt Tucholskys an einen schlechten Redner, an den sich die meisten Redner auch objektiv halten; er heißt: Wenn du zum Schluss deiner Rede kommst, kündige das rechtzeitig an, die Leute könnten sonst vor Freude einen Herzinfarkt bekommen. –


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Ich halte mich bewusst nicht an diesen Grundsatz, betrachte das aber nicht als Attacke auf Ihre Gesundheit. (Heiterkeit bei der SPÖ, den Freiheitlichen und den Grünen.)

Ich komme also zum Ausgangspunkt zurück und nicht zum Schluss. Wir reden von einer Sicherheitssituation, in der die Menschen tatsächlich Angst haben und in der das keine eingebildete Angst ist, sondern eine objektiv begründete, in der es kaum jeman­den gibt, der nicht selbst zum Opfer, in welcher Form auch immer, einer kriminellen Handlung geworden ist oder doch in seinem engsten Umfeld jemanden kennt.

Wir wissen – und ich bin nicht so vermessen oder so polemisch, jetzt den Herrn Innenminister für Erscheinungen wie international operierende Banden verantwortlich zu machen, ob sie aus Osteuropa oder aus Lateinamerika zu uns kommen –, und das ist gar keine Frage, dass es sich hier um objektive Entwicklungen handelt. Nicht alles ist die objektive Entwicklung, aber manches. Aber wenn ich das weiß – und ich hoffe doch, dass der Herr Innenminister das weiß, sogar besser weiß als ich, das räume ich sofort ein, er sollte diese Daten und diese Tendenzen besser und genauer als ich kennen ... (Bundesrat Bader: Sie können versichert sein!)

Entschuldigen Sie, kennen Sie jemanden, der eine Polizze auf Ihre Behauptung anzunehmen bereit ist? (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Mag. Himmer: Ja, die Mehrheit!) Entschuldigen Sie: Und wie hoch ist die Versiche­rungsleistung für den, der Opfer dieser Sicherheitspolitik wird, in dieser Versicherung, die die Mehrheit übernimmt? – Oh, da hat es jetzt sogar dem Kollegen Himmer die Rede verschlagen (Zwischenrufe bei der ÖVP), was ich für durchaus typisch halte. Wenn es ans Eingemachte geht, dann sind auch die großen Zwischenrufer der ÖVP-Fraktion ein bisschen schmähstad.

Schauen Sie, der springende Punkt ist, diese Sicherheitssituation ... (Bundesrätin Roth-Halvax: Sie benehmen sich immer so, als ob Sie die absolute Wahrheit hätten! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Frau Kollegin, mir fallen auch ein paar Invek­tiven ein, die ich sehr bewusst nicht verwende. Wenn, dann versuchen Sie ein bisschen, statt des Bihänders die feineren Klingen zu nehmen. (Bundesrätin Roth-Halvax: Gerade Sie sagen das!) – Na, den Bihänder packe ich relativ selten aus. (Bundesrat Dr. Kühnel: ... die Nutzanwendung aus Ihrer Rede?)

Die Nutzanwendung ist, dass dieses Ressort – ich agitiere da ja für den Herrn Innen­minister – mehr Mittel braucht, dass Sicherheit Vorrang hat, dass ein wachsen­der Teil der Bevölkerung verlangt, dass sich dieser Vorrang nicht in Sonntagsreden, sondern in konkreten Budgetmitteln niederschlägt, und dass diese Budgetmittel dazu benützt werden sollten, die Personalstände zumindest wieder auf die Stände von 1999 aufzu­stocken, und objektiv muss man sagen: darüber hinaus.

Wenn ich mich – das hat ja auch etwas mit der Kriminalität zu tun – an die Diskussion mit der Frau Justizministerin von heute früh erinnere: Sicherheitspolitische Erfolge be­stehen nicht darin, dass man stolz sagt, ich habe eine vom Finanzminister geforderte Personalkürzung abgewehrt, und das ist – das sage ich ganz ehrlich dazu – nicht eine Sache des Ressortministers allein, der bei den Budgetverhandlungen bitten und betteln gehen muss, sondern da geht es um eine Vorrangbildung im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Eine Budgetplanung, die darauf aufbaut, dass jeder ein bisschen bekommt und manche ein bisschen mehr bekommen, ist nicht die, die politisch vertretbar ist. Was wir brauchen, ist eine Schwerpunktbildung dort, wo die größten Probleme beste­hen. Dass im Sicherheitsbereich – neben zwei, drei anderen Bereichen – die größten Probleme bestehen, das sollte doch auch bei Ihnen absolut unbestritten sein. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dr. Lichtenecker.)

Wir erwarten von Ihnen, dass Sie jenseits der Polemik über das nachdenken, was der Inhalt unserer Anfrage ist, so wie wir versprechen, sehr gründlich über das nach-


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zudenken, was der Inhalt der Antworten – die ja aus dem Haus Innenministerium kommen – sein wird. Wir werden uns diese Antworten sehr gründlich anschauen. Ich lade auch Sie ein, sich das, was wir hier sagen und was wir in der Anfrage vorgelegt haben, sehr gründlich anzuschauen, weil es natürlich einen zweiten Akt geben wird. Wir wollen die Diskussion mit dem Herrn Innenminister in diesem Haus fortführen. Ich verrate kein Geheimnis damit, dass – das war nicht seine Schuld, das war eine Ver­kettung von Umständen – der Herr Innenminister natürlich bei einer der nächsten Sitzungen selbst die Möglichkeit bekommen soll, zu jenen Fragen, die sich aus seinen Antworten ergeben, Stellung zu nehmen.

Wir werden dort die Debatte fortführen, und wir werden so lange keine Ruhe geben – ich sage das ganz offen –, bis sich Entscheidendes verändert hat, nicht, damit die Opposition einen Erfolg hat, sondern damit die Menschen in diesem Land wirklich geschützt sind, und dann, wenn es trotzdem passiert, zumindest eine gewisse Hoff­nung haben, dass die Straftäter auch ausgeforscht, verhaftet und bestraft werden. Das ist kein parteipolitisches Anliegen, sondern das ist ein nationales Anliegen, und diesem nationalen Anliegen haben wir uns gemeinsam zu stellen! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.39

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Karl Bader zu Wort gemeldet.

Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berich­tigenden Behauptungen und die Darstellung des berichtigten Sachverhalts zu be­schrän­ken. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.40

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Ich möchte zu den Anmerkungen des Kollegen Konecny schon einiges klarstellen. Es scheint so zu sein, dass der Standort den Standpunkt bestimmt. Ich denke, dass ein Mann mit so viel Erfahrung wie Sie – um auch bei Ihnen nicht Alter zu sagen – das nicht nur durch die Parteibrille sehen sollte.

Ich halte fest, dass im Bezirk Lilienfeld vor rund zehn Jahren von zwölf Gendarmerie­posten vier zugesperrt wurden. Ich kann mich nicht erinnern, dass das damals unter einem ÖVP-Bundesminister und schon gar nicht unter Bundesminister Strasser durch­geführt worden wäre. Bei diesen damaligen Schließungen wurde eigentlich immer wieder von strukturellen Gründen gesprochen, heute ist das natürlich alles nur Tot­sparen, wie Sie sagen. Das ist das eine. (Bundesrat Reisenberger: Das ist ein Diskus­sionsbeitrag! – Bundesrat Konecny: Das ist vielleicht ein interessanter Debatten­beitrag, aber sicherlich keine tatsächliche Berichtigung!) – Das ist ein Faktum.

Da Sie auch gesagt haben, der beste Kopf sei schwarz, muss ich schon dazusagen, dass es genug Gendarmeriepostenbesetzungen gegeben hat, die das Gegenteil beweisen. (Bundesrat Kraml: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!) Es gab fünf Besetzungen im Bezirk Lilienfeld, davon sind sicherlich drei Gendarmerieposten mit Mitgliedern Ihrer Partei besetzt worden. (Beifall bei der ÖVP.)

16.41

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich der mit der Vertretung des Bundesministers für Inneres betraute Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 



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16.41

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich bin heute etwas überraschend in die Rolle geraten, eine Dringliche Anfrage an den Herrn Bundesminister für Inneres zu beantworten. Lassen Sie mich aus dieser Position heraus noch kurz auf das eingehen, was Herr Bundesrat Konecny gesagt hat.

Er hat zu meiner großen Überraschung zu einem sehr, sehr ernsten Thema hier eine sehr launige Diskussion geführt, „vom Tiger zum Bettvorleger“, „roter Gspritzter“, „Herzinfarkt droht“, „Polizzen annehmen für Versicherung“, „schmähstad sein“ und so weiter. Also ganz offen gesagt habe ich mich angesichts dieses sehr, sehr ernsten Themas gewundert, wie hier die Begründung vorgetragen wurde. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Nichtsdestotrotz, meine sehr geehrten Damen und Herren, werde ich nun auf die gestellten Fragen im Detail eingehen. Ich möchte mich bei den Beamten des Bundes­ministeriums für Inneres sehr herzlich bedanken – Sie haben das ja angesprochen, Herr Abgeordneter Konecny –, die die Vorbereitung für diesen Nachmittag und für diese Dringliche Anfrage übernommen haben.

Zur Frage 1:

Seit dem Jahr 2003 ... (Bundesrat Konecny: 2000 war die Frage!) – Ich bin noch so gezeichnet von Ihrer Begründung. – Seit dem Jahr 2000 wurden bis dato 119 Gendar­meriedienststellen zusammengelegt. Auch hier ein kurzer historischer Abriss, zwar nicht im Detail erfragt, aber wichtig festzuhalten: also 119 seit dem Jahr 2000. Zwi­schen 1991 und 1999 gab es 185 Zusammenlegungen österreichweit. (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Öh! Oho! – Bundesrat Stadler: Und wie viele wurden geschlossen?)

Zur Frage 2:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aufzeichnungen über betroffene Gemeinden werden nicht geführt. Die Erstellung einer derartigen Auflistung würde eine Kontakt­nahme mit den nachgeordneten Kommanden erfordern und ist auf Grund des vorge­gebenen Zeitrahmens nicht erfüllbar.

Zur Frage 3:

Seit dem Jahr 2000 wurden bis dato zwölf Polizeiwachzimmer mit anderen Wach­zimmern zusammengelegt. Zu Ihrer Frage ein historischer Abriss: 1991 bis 1999 20 Zusammenlegungen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Öh! Oho! Wahnsinn! – Bundesrat Stadler: Wie viele wurden geschlossen?)

Zur Frage 4:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bundespolizeidirektion Klagenfurt: minus zwei, Bundespolizeidirektion St. Pölten: minus zwei, Bundespolizeidirektion Schwe­chat: minus eins – Mannswörth wird als Stützpunkt für das Unfallkommando und die motorisierte Verkehrsstreife noch immer verwendet –, Bundespolizeidirektion Wr. Neu­stadt: minus eins, Bundespolizeidirektion Steyr: minus eins, Bundespolizeidirektion Wels: minus eins, Bundespolizeidirektion Salzburg: minus eins, Bundespolizeidirektion Leoben: minus eins, Bundespolizeidirektion Innsbruck: minus zwei. (Bundesrat Rei­senberger: In Wien also keiner!)


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Zur Frage 5:

Mit 1. Februar 2000 wurde die Kriminalstatistik online eingeführt. Damit wurde die Kriminalstatistik einschließlich Suchtmittelstatistik auf elektronischem Weg erfasst und übermittelt. Ein direkter Vergleich mit den bis dahin händisch erfassten Daten ist daher seriöserweise nicht möglich. Außerdem wurden die Erfassungskriterien angezeigter Sachverhalte geändert.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass vor allem im Bereich der Eigentumskriminalität – also Einbruchdiebstahl, Diebstahl und so weiter – in mehreren unterschiedlichen Be­reichen ein Anstieg zu verzeichnen ist. Grund dafür ist unter anderem das vermehrte Auftreten von organisierten Banden vorwiegend aus den Staaten des Ostens.

Durch die Strategie Kriminalpolizei Österreich, die Einführung der monatlichen Krimi­nal­statistik und des Sicherheitsmonitors sowie internationale kriminalpolizeiliche Ko­operationen wurden geplant und strukturiert Gegenmaßnahmen eingeleitet. Es wurde ein Rückgang der angezeigten Fälle in den letzten Monaten festgestellt. Die Daten dazu: Juli 2004: 57 012, August 2004: 55 143, September 2004: 54 809.

Zur Frage 6:

Die Ursachen für den Anstieg der Kriminalität in den einzelnen Bundesländern wurde bereits bei Frage 5 beantwortet. Zu den bekannt gewordenen Fällen – ich darf hier den Vergleich Jahr 2001 und Jänner bis September 2004 anführen –:

Burgenland 2001: 11 798, Jänner bis September 2004: 8 567; Kärnten 2001: 30 255, Jänner bis September 2004: 23 032; Niederösterreich: 74 933 2001, Jänner bis Sep­tember 2004: 72 221; Oberösterreich 2001: 70 814, Jänner bis September 2004: 60 325, Salzburg 2001: 32 661, Jänner bis September 2004: 28 565. (Bundesrat Ko­necny: Das sind schon eigenartige Vergleichszahlen!)

Steiermark: 58 781 im Jahre 2001, Jänner bis September 2004: 50 668; Tirol 2001: 44 546, Jänner bis September 2004: 39 703. (Bundesrat Konecny: Mehr!) – 39 000 sind weniger als 44 000. (Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Ja schon, aber neun Monate sind auch deutlich weniger als zwölf!)

Vorarlberg 2001: 18 896, Jänner bis September 2004: 16 366; Wien 2001: 180 026, Jänner bis September 2004: 183 940. (Bundesrat Konecny: Das ist in neun Monaten bereits mehr als in zwölf!)

Zur Frage 7:

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Konecny! Ein Grund für das Absinken der Aufklä­rungsquote in den letzten Jahren in Österreich ist sicherlich darin zu finden, dass immer mehr Straftaten von reisenden Tätern begangen werden, die das Land nach der Tat sofort wieder verlassen. Diese Täter verüben zumeist so genannte Massendelikte wie Diebstahl oder Einbruch in größerem Umfang. Durch diese Vorgangsweisen ist es gerade in den letzten Jahren immer schwieriger geworden, solche Delikte auch rasch zu klären.

Zur Frage 8:

Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob die Erfassungskriterien für die Zählung der dor­tigen Kriminalstatistik in den letzten Jahren geändert wurden. Die Erfassungs­kriterien in Deutschland sind jedenfalls nicht vollständig mit jenen in Österreich vergleichbar.

Zur Frage 9:

Zur Aufklärungsquote wieder eine Statistik gegliedert nach Bundesländern: Jahr 2001 gesamt: 41,7 Prozent, Jänner bis September 2004: 37,5 Prozent; Burgenland:


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52,8 Pro­zent 2001, Jänner bis September 2004: 47,8 Prozent. – Ich erspare mir jetzt vielleicht, immer „2001“ dazuzusagen. Der erste Wert gilt also für 2001, der zweite Wert der Statistik für Jänner bis September 2004.

Kärnten: 49,3 Prozent – 47,5 Prozent.

Oder wollen Sie einen Ganzjahresvergleich? Den kann ich Ihnen gerne bieten, das habe ich nämlich da stehen für das Jahr 2003. Dann fangen wir noch einmal von vorne an. (Bundesrat Konecny: Das hat bei Prozentzahlen ja keine Relevanz!)

Okay. – Fangen wir trotzdem noch einmal von vorne an: Gesamt im Jahr 2001: 41,7 Prozent, 2003: 38,5 Prozent, Burgenland: 52,8 Prozent und 48,5 Prozent, Kärnten: 49,3 Prozent und 48,2 Prozent, Niederösterreich: 48,1 Prozent und 47,4 Pro­zent, Oberösterreich: 51,1 Prozent und 49,5 Prozent, Salzburg: 40,9 Prozent und 38,5 Prozent, Steiermark: 45,4 Prozent und 44,3 Prozent, Tirol: 45,3 Prozent – im Jahr 2003 43,4 Prozent, Vorarlberg: 52,6 Prozent und 53,9 Prozent, Wien: 30,3 Pro­zent, 26,8 Prozent im Jahr 2003.

Die Ursachen für diese Veränderungen in der Aufklärungsquote in den einzelnen Bundesländern habe ich bereits unter Frage 7 angeführt.

Zur Frage 10:

Es sind 33 249.

Zur Frage 11:

33 102.

Zur Frage 12:

32 032.

Zur Frage 13:

Ich ersuche Sie bei der Beantwortung dieser Frage um Verständnis dafür, dass in Anbetracht der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit eine Nennung der exakten Zahlen nicht möglich ist. Unter Zugrundelegung eines Näherungswertes, dem wie­derum der Stellenplan zugrunde gelegt wurde, ist von rund 31 880 Wahlberechtigten oder derzeit 31 885 Wahlberechtigen auszugehen.

Zur Frage 14:

97.

Zur Frage 15:

309.

Zur Frage 16:

Es sind derzeit 237 Personen zu Sondereinheiten zugeteilt.

Zur Frage 17:

497 im gesamten Ressort.

Zur Frage 18:

Für den Zeitraum einer Karenzierung besteht die Möglichkeit einer Ersatzaufnahme gemäß Punkt 5 des allgemeinen Teils des Stellenplans, welche nach Maßgabe der budgetären Mittel genützt wird.

Zur Frage 19:

2004 werden gesamt 540 Bedienstete in den Ruhestand treten – 540!


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Zur Frage 20:

Im Jahr 2005 werden aus den Grundausbildungslehrgängen insgesamt 505 Exekutiv­bedienstete ausgemustert und den Exekutivdienststellen zur Dienstverrichtung zur Verfügung gestellt.

Zur Frage 21:

Die Übernahme der Zollwache hat sich sehr gut bewährt. Die Bediensteten werden primär im Grenzkontrollbereich – also Grenzkontrollstellen und Grenzüberwachungs­posten –, aber auch im allgemeinen Gendarmerie- und Polizeidienst auf Gendarmerie­posten und Wachzimmern sowie im kriminal- und verkehrspolizeilichen Bereich einge­setzt.

Zur Frage 22:

Der erfolgreiche Einsatz der Bediensteten resultiert insbesondere aus dem Know-how-Transfer im Bereich des Schmuggels, der durch die Integration der Zollwache-Bediensteten ins BMI erzielt werden konnte. Beispielsweise konnten im Burgenland an einzelnen Grenzkontrollstellen die Aufgriffszahlen gerade im Bereich des Tabak­schmuggels wesentlich gesteigert werden.

Zur Frage 23:

Es wurde von Universitätsprofessor Dr. Bernhard Raschauer ein Rechtsgutachten zu Fragen der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Wachkörper des Bundes ein­geholt. Er kommt dabei unter anderem zu folgenden Ergebnissen:

Alle berührten Wachkörper sind als Wachkörper im konkreten Sinn des Artikel 78d Absatz 1 B-VG zu qualifizieren, sodass der Boden der Bundeszuständigkeit nicht verlassen wird, wenn bei einem Wachkörper ein Strukturwechsel in die eine oder in die andere Richtung anvisiert wird. Die Verfassung nennt zwar bestimmte Sicherheits­behörden, weist ihnen jedoch nicht bestimmte Wachkörper beziehungsweise Wach­körper einer bestimmten Struktur zu. Es sind daher nicht bestimmte Wachkörper oder Wachkörper einer bestimmten Struktur verfassungsrechtlich gewährleistet.

Vollends unproblematisch ist eine besondere Regelung der Angelegenheiten des inneren Dienstes von Wachkörpern, da es sich dabei nur um eine alternative Ge­staltung von Zuständigkeiten, nicht aber um die Herstellung von Weisungsfreiheit handelt.

Zur Frage 24:

Weil ungeachtet einer allfälligen Neuregelung der Behörden im Rahmen des Öster­reich-Konvents der künftige einheitliche Wachkörper auch hinkünftig entsprechend der gesetzlichen Vorgaben die Umsetzung des behördlichen Aufgabenspektrums wahrneh­men wird. – Da ich jetzt fast bei der Hälfte der Fragen angelangt bin, muss ich einmal einen Schluck Wasser zu mir nehmen.

Zur Frage 25:

Es wird wiederholt und nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass schon heute die Bundespolizeidirektionen und Sicherheitsdirektionen direkt dem Bundesminister unterstellt sind, sich daran also auf Grund der Sicherheitspolizeigesetz-Novelle hin­sichtlich der Exekutivbehörden so, wie Sie das in Ihrer Anfrage darstellen, nichts ändert.

Zu den Fragen – jetzt zusammengefasst – 26 und 27:

Die Unterstellung der künftigen Stadt- beziehungsweise Bezirkspolizeikommanden in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung unter die Sicherheitsbehörden resultiert


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aus der Normierung des § 10 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz – SPG. Diese werden daher den Bezirksverwaltungsbehörden bei der Besorgung der Sicherheitsverwaltung weiterhin im gleichen Unterstellungsverhältnis zur Verfügung stehen.

Rückfragen aus den Bundesländern zu dieser Regelung wurden und werden in „bilateralen“ Gesprächen erörtert.

Zur Frage 28:

Die Bezug habenden Bestimmungen des Artikel 7 der Regierungsvorlage zur SPG-Novelle waren nach den ursprünglichen Intentionen des Bundesministeriums für Inneres für eine Aufnahme in den Normenkomplex des Bundesdienstrechtes – zum Beispiel Beamtendienstrecht, Ausschreibungsgesetz, Bundes-Gleichbehandlungs­ge­setz – vorgesehen.

Im Hinblick auf die Komplexität der organisationsrechtlichen Bestimmungen des SPG ist eine enge terminliche Abstimmung mit den dienstrechtlichen Normen unumgänglich. Da eine zeitgleiche Beschlussfassung im Rahmen einer regulären Beamten­dienst­rechtsgesetz-Novelle nicht möglich war, wurden die Bezug habenden Normen den gesetzgebenden Organen direkt mit dem Sicherheitspolizeigesetz zur Beschluss­fassung zugeführt.

Zur Frage 29:

53 Abteilungsleiter.

Zur Frage 30:

47 Abteilungsleiter-Stellvertreter.

Zur Frage 31:

60 weitere leitende Beamte.

Zur Frage 32:

138 Fachbereichs-, Ermittlungsbereichs- und Assistenzbereichs-Leiter.

Zur Frage 33:

138 Stellvertreter dieser Funktionen.

Zur Frage 34 – der Frage, wie viele weitere Sachbearbeiter mit und ohne Qualifi­kationen in den Landespolizeikommandos:

1 497 sonstige Sachbearbeiter E 2a, mit und ohne Qualifikation.

Zur Frage 35:

3 363 sonstige Exekutiv- und Verwaltungsposten.

Zur Frage 36:

Die Umstellung auf die neue Uniformierung erfolgt im gleichen Modus – zum Beispiel Ablauf der Tragedauer – wie bisher, wodurch also keine zusätzlichen Kosten entste­hen. Daraus ergibt sich eine voraussichtliche Vollumstellung erst mit Jahresende 2007.

Zur Frage 37:

Wir statten die neue Exekutive insbesondere mit mehr Kanzleiräumen für kriminal­polizeiliche Arbeit, mehr Kraftfahrzeugen für mehr Mobilität und mehr EDV-Arbeits­plätzen aus. Dies wird in den nächsten beiden Jahren Mehrkosten von zirka 12 Mil­lionen € verursachen. Dieser Betrag subsumiert auch Kosten für Beschilderungen und dergleichen. Dies wurde bereits im Rahmen der Vorlage des SPG-Entwurfs unter dem Kapitel „Finanzielle Auswirkungen“ entsprechend dargestellt.


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Zur Frage 38:

An den Planungen haben MitarbeiterInnen aus allen Sparten mitgearbeitet. Best­mögliche Synergieeffekte wurden gesucht und gefunden – zum Teil sind sie schon umgesetzt. Gerade in der Ausbildung und Beschaffung, die Sie hier erwähnen, ist das längst erledigt.

Im angestrebten Wachkörper finden wesentlich mehr Synergien zwischen dem Polizeidienst im ländlichen und städtischen Raum statt wie bisher – örtlich angepasster Dienst, aber jederzeitige gegenseitige unbürokratische, schnelle Unterstützung.

Zur Frage 39:

Der Probebetrieb wurde in acht Bereichen durchgeführt. Im Bereich der Bundes­gendarmerie fand die Erprobung in den Bezirken Oberwart, Leoben-Land, Schwaz und Bruck an der Leitha statt, im Bereich der Polizei in Wels für den Sicherheitswach- und Kriminaldienst sowie in Wien in der Bereichsabteilung Penzing/Fünfhaus und im Kriminalkommissariat Wien-West.

Über Antrag des Dienststellenausschusses der Sicherheitswache Graz wurde auch in Graz im Bereich der Sicherheitswacheabteilung Ost ein Probebetrieb eingerichtet.

Es sind dem Dienstgeber durch den Probebetrieb an direkten Mehrkosten 193 500 € entstanden, indem jedem betroffenen Kollegen und jeder Kollegin für die Mitarbeit bei der Erprobung eine Belohnung von 150 € zugesprochen wurde.

Weitere Schwankungen in Kostenbereichen ergaben sich durch verschiedene Einsatz­anforderungen. So wurde in einem Bereich die Zahl der Sondereinsätze – darunter einige Großeinsätze – verdoppelt, bei gleichzeitiger wesentlicher Stärkung der Außen­dienstpräsenz in Spitzenbedarfszeiten. Dies hat insgesamt zu einer Mehrleistung an Überstunden geführt, aber diese Faktoren und deren Auswirkungen hätten sich auch ohne Dienstzeit-Erprobung ergeben und können daher nicht unmittelbar auf die Erpro­bung zurückgeführt werden. Dies zeigt sich auch darin, dass auch in anderen Dienstbereichen, die nicht von der Erprobung betroffen waren, gleiche Entwicklungen festzustellen sind.

Die Erfahrungen aus dem Probebetrieb lassen sich wie folgt darstellen: Insgesamt zeigte das neue Dienstzeitsystem, dass die exekutivdienstliche Versorgung in einem verbesserten Ausmaß gewährleistet werden konnte. Dies ist vor allem auf den Umstand zurückzuführen, dass auf die wechselnden Belastungen sowohl im Tages- als auch Wochenablauf durch konkrete Planungsmaßnahmen mit einer verbesserten Personalplanung reagiert werden konnte.

Gleichzeitig war auch immer die Erhaltung der Motivation und, damit verbunden, jene der Mitarbeiter-Zufriedenheit ein hohes Anliegen. In den Bereichen des Kriminal­dienstes gelang es durch entsprechende Adaptierungsmaßnahmen eine rund 60-prozentige Zustimmung zu erreichen. Insbesondere im Bereich der Bereichsabteilung Fünfhaus gab es auf Grund des Abgehens vom Schichtdienst Akzeptanzprobleme. In Gesprächen mit dem zuständigen Dienststellenausschuss wurden aber auch hier bereits konkrete Lösungsalternativen erarbeitet, die eine Lösung dieses Problems gewährleisten werden.

Zur Frage 40:

Schon jetzt machen Exekutivbeamte im Sechs-Wochen-Rhythmus an vier Wochen­enden Plandienst. Die Beibehaltung dieses Systems wird von Teilen der Gewerkschaft heftigst verlangt. Wie soll ich das also für die Zukunft ausschließen? – Diese Fragen werden mit der Personalvertretung verhandelt.


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Zur Frage 41:

Der Netzbetreiber war nicht in der Lage, das Projekt vertragskonform umzusetzen. Es war daher die politische Verantwortung, die erforderlichen Schritte zu setzen, denn die Notwendigkeit des gemeinsamen Funknetzes ist unbestritten und wird auch im Rech­nungshofbericht deutlich hervorgehoben. Die Schuld ist ausschließlich beim Netz­betreiber zu sehen.

Zur Frage 42:

a) Der Vorwurf einer fehlerhaften Ausschreibung ist im Rechnungshofbericht nicht enthalten.

b) Es war die Aufgabe des Netzbetreibers, die weiteren Kunden zu akquirieren.

c) Die Angebote wurden durch ein darauf spezialisiertes qualifiziertes Fachberater­unternehmen geprüft. Die Plausibilität des Angebots war gegeben beziehungsweise wurde im Zuge des Verhandlungsverfahrens geprüft.

d) Die Darstellung hat den gesetzlichen Vorgaben entsprochen und wurde auch vom Bundesministerium für Finanzen akzeptiert.

e) Die aufgewendeten Beratungskosten sind im üblichen Rahmen und darüber hinaus für die Zukunft nutzbar.

Zur Frage 43:

Ich ersuche Sie um Verständnis dafür, dass mir hiezu keine direkte Aussage zukommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So viel zu den von Ihnen gestellten Fragen.

Gestatten Sie mir wie am Anfang auch am Schluss eine kurze Bemerkung als nicht zuständiger Ressortminister: Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei den Exekutiv­organen, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ressorts, die für die Sicherheit Österreichs verantwortlich sind, sehr, sehr herzlich bedanken. Sie sind dafür verant­wortlich, dass Österreich – entgegen mancher Behauptung – immer noch das sicherste Land dieser Welt ist. (Bravorufe und anhaltender Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desräten der Freiheitlichen.)

17.02

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates und jeder Bundesrätin mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.02

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann mich vorweg diesem Dank an die vielen Exekutivbeamten in Österreich nur an­schließen!

Wir durften heute hier einen temporären Ressortchef erleben, und als dieser haben Sie, Herr Bundesminister, wie ich glaube, jetzt etwas nachgeholt, was der eigentliche Ressortchef schon sehr lange verabsäumt, nämlich die Wertschätzung, die sich diese vielen Mitarbeiter in der Exekutive, in der Gendarmerie, im kriminalpolizeilichen Dienst und in der Sicherheitswache verdient haben, diesen Damen und Herren entgegen­zubringen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Der „Kurier“ hat in der gestrigen Abendausgabe getitelt: „Pleiten, Pech und Pannen“. Ich habe mir heute gedacht: Ihnen bleibt auch nichts erspart! Jetzt kommt noch ein viertes „P“ wie „Pröll“ zu „Pleiten, Pech und Pannen“ dazu. Aber Sie haben das hier wirklich ganz gut gemeistert, Herr Bundesminister Pröll, indem Sie etwas nachgeholt haben, was schon lange ausständig war!

Der „Kurier“ hat in der gestrigen Abendausgabe eine schöne Replik zusammengefasst. Er hat geschrieben, dass nicht nur die Opposition – also nicht nur wir hier – dem Innen­ressort und diesem Agieren skeptisch gegenübersteht, sondern auch die Bundesländer und auch die Personalvertreter in der Exekutive, in den verschiedenen Wachkörpern, in der Polizeiverwaltung.

Eine kurze Zusammenfassung: Im Oktober wurden Teile des Asylgesetzes vom Verfassungsgerichtshof gekippt. Es hat von Anfang an – und hier befinden sich einige Bürgermeister – eine wirklich ganz schlechte Informationspolitik in diesem Bereich gegeben. Die Ausgliederung der Zivildienstverwaltung hat zu einer weiteren Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof geführt. Und ein wirklicher Tiefpunkt in dieser Ressortpolitik war – und das zu erklären ist Herr General a. D. Dr. Kühnel sicher mehr berufen – die Aufhebung der Zwangspensionierung von drei Landesgendarmerie­beam­ten, ein wohl einzigartiger dienstrechtlicher Hoheitsakt, den es in dieser Republik in dieser Form eigentlich noch nie gegeben hat. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Küh­nel.) Hinzu kommt noch eine Vielzahl von Beanstandungen von weiteren Personal­entscheidungen durch den Verwaltungsgerichtshof.

Wenn man das auflistet, ist das wirklich insgesamt ein starkes Stück!

Jetzt kommt es dazu, dass durch diese Neuregelung 12 000 Dienstposten ausge­schrieben werden. – Ich bin schon neugierig, wie die Personalabteilung im Bun­desministerium für Inneres aussehen wird und wer das eigentlich dort abwickeln soll. Man hat nämlich zuerst vergessen, dass man ein bisschen mehr brauchen wird als eine Aufstockung von Wachzimmerräumlichkeiten und dergleichen mehr.

Auf die Funknetzangelegenheit wurde schon reichlich eingegangen. Wir alle wissen, dass der Republik Österreich beziehungsweise der Finanzprokuratur in diesem Zusam­menhang eine beträchtliche Schadenersatzklage ins Haus stehen wird. Dies ist auch eine Sache, die noch abzuhandeln sein wird.

Anfang des Jahres hat es von Minister Strasser eine Aussage gegeben, wonach er zeitgerecht reagiert. – Im Jahr 2003 haben die Alarmglocken laut geläutet. Da hätte er aber wirklich reagieren müssen! Damals wurden immerhin 654 381 Kriminalfälle gezählt. Die Aufklärungsrate ist auf 39,6 Prozent hinunter gerutscht. Wie gesagt, es hat wirklich zahllose Alarmzeichen gegeben, und man hätte wirklich einiges tun können.

Was ist dann 2004 geschehen? – Ich habe eine Titelseite der „Kronen Zeitung“ mitge­nommen. Meine Damen und Herren! Sehen Sie die Überschrift? – „50 Minuten auf Hilfe gewartet“. So schaut die Sicherheitspolitik in diesem Land aus! So schaut es aus, wenn man hier die Exekutive benötigt! So ist das jetzt in diesem Land organisiert!

Wenn man dann noch ein bisschen die Einzelfälle betrachtet, dann könnte man meinen, Herr Bundesminister, die Sicherheitspolitik irgendwo in diesen kleinen Geschichtchen zu finden, die Roda Roda verfasst hat. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) Das ist wirklich traurig, aber wahr, so lustig sich das anhört.

Da wurde zum Beispiel ein Einbrecher aufgegriffen, der beim Verhör allen Ernstes erklärt hat: Wir konnten deswegen so viele Einbrüche machen, denn wenn wir irgendwo in einen Ort gefahren sind und ein Objekt gesucht haben und uns eine Funkstreife, ein Gendarmeriewagen oder ein Polizeiwagen entgegengekommen ist,


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dann haben wir gewusst: Wir haben jetzt hier die ganze Nacht jede Möglichkeit, denn es wird keine Streife mehr geben.

Meine Damen und Herren! So schaut das aus! Das ist die Situation! Es gibt politische Bezirke, also Bereiche einer Bezirksverwaltungsbehörde, einer Bezirkshauptmann­schaft, wo eine ganze Nacht nur zwei Beamte verfügbar sind. Man muss sich das vorstellen! Wenn zuerst von Zusammenlegungen die Rede war, dann soll man sich zuerst einmal anschauen, was hier aktuell aus dem Ganzen geworden ist.

Schauen wir uns jetzt wirklich einmal dieses „Team 04“ an, von dem hier die Rede war. Ich habe einmal zum Herrn Bundesminister gesagt, als ich die Ziffer vier gehört habe, dass er sich jetzt offenbar das Ziel gesetzt hat, dass man die Aufklärungsquote von 40 Prozent wieder überspringen will, und dass der Vierer das irgendwie symbolisiert. – Es verhält sich allerdings etwas anders: Diese Ziffer vier symbolisiert nämlich wirklich die Quadratur eines Sicherheitssystems, das nicht funktionieren kann!

Bleiben wir in meiner Heimatstadt, in Linz. Gottfried Kneifel kommt auch von dort und weiß, wie es dort ausschaut. (Bundesrat Kneifel: Ich komme aus Enns!) Aber du arbeitest, glaube ich, in Linz, und da komme ich gleich auf dich zurück. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir haben in Linz zurzeit eine Sicherheitswache und eine Kriminal­polizei. In Linz gibt es nach einer aktuellen Zählung 2003 etwa 22 000 Delikte. Von diesen 22 000 Delikten bearbeitet die uniformierte Sicherheitswache etwa ein Drittel, und zwei Drittel bearbeiten 105 Kriminalbeamte; auf dem Papier des Herrn Bundes­ministers Strasser sind es 116, physisch vorhanden sind 105.

Nach dem „Team 04“-Reformprogramm, das sich am Gendarmeriewesen orientiert, das überhaupt nicht kompatibel ist mit diesem städtischen Sicherheitswesen, werden künftighin zwei Drittel der Fälle von den Wachzimmern bearbeitet werden. Jetzt schauen wir aber einmal in solch ein Wachzimmer im städtischen Raum hinein! Da kommt Gottfried Kneifel aus Enns in der Früh angefahren, und mit ihm Zigtausende Menschen. Man muss sich eine Stadt wie Linz vorstellen, in der es 192 000 Arbeits­plätze und nur 182 000 Bewohner gibt. Diese Dienststellen haben daher zunächst einmal eine Vielzahl von Verkehrsaufgaben und die Schulwegsicherung zu bewältigen. Ich freue mich schon darauf, wie die Elternvereine reagieren werden, wenn diese Wachzimmer personell überhaupt keine Möglichkeit mehr haben, für den Schutz der Kinder auf den Schulwegen zu sorgen!

Dazu kommt natürlich, dass die Beamten dieser Wachzimmer in einer Stadt noch eine Vielzahl von weiteren Aufgaben haben, die Bundesminister Pröll nicht kennen wird, denn er kommt ja aus dem ländlichen Bereich: In den Wohnsiedlungen gibt es zig Probleme, Streitschlichtungen und dergleichen mehr. Dadurch werden die Gerichte entlastet. Da sind die Sicherheitswachen tätig. Die gehen da oft einer sehr unerfreu­lichen Arbeit nach. Wer sich mit dem Strafrecht befasst hat, weiß das: Das geht vom Ehestreit bis zur ... (Zwischenruf des Bundesrat Mag. Himmer.) – Sie können sich das einmal anschauen! Es ist die Tätigkeit der Sicherheitswache und auch der Gendar­merie, eine Wegweisung durchzuführen, zu verhindern, dass ein Streit eskaliert und so weiter. All diese Dinge machen diese Beamten vor Ort. Künftighin sollen sie auch noch zwei Drittel der 22 000 Kriminalfälle bearbeiten – und in einem wird auch gleich die Kriminalpolizei abgespeckt. So sieht das dann aus: Diese Schmalspursicherheits­dienste wird es dann nach diesem „Team 04“-Konzept geben.

Ein praktisches Beispiel dazu, wie es jetzt schon im Gendarmeriebereich ausschaut. Kürzlich hat sich eine Gruppe von Fußballfans, leicht oder stärker alkoholisiert, von Bayern aus Österreich mit dem Zug genähert. Die bayrische Polizei, die nur bis Simbach zuständig ist, hat die Gendarmerie verständigt, man solle die Sache dann eben übernehmen. Im Innviertel standen ganze drei Funkwagen der Gendarmerie zur


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Verfügung, das waren unter dem Strich sechs Beamte. Was hat man gemacht? – Die Bundespolizeidirektion Linz ist mit zwei Autobussen ausgerückt und hat verhindert, dass auch noch die restlichen Sitzbänke aus den Waggons durch die Fenster hinaus geflogen sind. Man konnte letztlich präventiv wirken.

Künftig wird es in Linz all das nicht mehr geben. Der Herr Bundesminister hat ja hier etwas verlesen, dass alles sehr flexibel gestaltet werden wird. Es wird einige wenige Beamte vor Ort geben, eine sicherheitspolizeiliche „Feuerwehr“ gibt es jedoch im Konzept Team 04 nicht.

Ähnliches, meine Damen und Herren, gilt für den ganzen Bereich der Staatssicherheit und des Verfassungsschutzes. Auch diese Bereiche hat man den Polizeibehörden bereits zum Teil weggenommen. Es ist nicht mehr möglich, lokal auf irgendwelche Dinge zu reagieren.

Mich hat es ja fast amüsiert, als Sie erklärt haben, dass es dann einen kurzen Infor­mationsweg gibt. Das ist nicht der Fall! Jetzt wird die Sicherheitsdienststelle vor Ort sagen müssen: Auf dem Flughafen ist irgendetwas vorgefallen, das vielleicht nach Terror ausschaut. Dann wird eine andere Behörde verständigt werden, es wird also ein Stille-Post-Spiel geben. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Der Kollege dort hinten ist gerne eingeladen, sich einmal mit Personalvertretern von Polizei und Gendarmerie zu unterhalten, um zu sehen, wie das wirklich aussieht, was sich da wirklich in den Sicherheitsdienststellen abspielt!

Noch ein Beispiel: Ich weiß nicht, wie groß Ihre Gemeinde ist, aber wenn Sie einmal nach Linz kommen, dann schauen Sie sich doch das innerstädtische Wachzimmer, das Wachzimmer Landhaus, an! (Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Sie waren schon in Linz? Das ist erfreulich! Dann werden Sie es kennen! Dieses Wachzimmer Landhaus hat eine Besetzung von etwa 12 bis 14 Beamten, die dort tagsüber Dienst versehen. Und diese Beamte haben bereits jetzt, ohne diese etwa 16 000 Kriminalfälle, die dann noch aufgeteilt werden, einen Tätigkeitsbereich, der ungefähr der Größe desjenigen der Bezirkshauptmannschaft Eferding entspricht. So schaut das konkret aus!

Mit „Team 04“ ist es vortrefflich gelungen, Birnen mit Äpfeln zu vermischen, nur was unten herausgekommen ist, das ist ein „Z’matschkertes“, und das würde sich besten­falls für die Produktion von Most und damit wieder für ein Produkt, für das Herr Bundesminister Pröll steht, eignen.

Ich meine, wir sollten diese Sicherheitspolitik sehr, sehr ernst nehmen, und ich habe daher einen Entschließungsantrag vorbereitet, den ich kurz zur Verlesung bringe. Er wurde formell, der Geschäftsordnung des Bundesrates entsprechend von mir und vier weiteren Kolleginnen und Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion unterzeichnet, dem Präsidium bereits übergeben.

Dieser Entschließungsantrag lautet:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend tausend Exekutiv­beamtInnen mehr für die Sicherheit der ÖsterreicherInnen, eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Bundesräte Professor Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend SOS Innere Sicherheit

Der Bundesrat wolle beschließen:


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Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, umgehend eine Regierungsvorlage mit dem Ziel auszuarbeiten, dass so rasch wie möglich tausend ExekutivbeamtInnen mehr für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher zur Verfügung stehen, die hauptsächlich die sichtbare Präsenz der Exekutive in jenen Gebieten Österreichs verstärken sollen, in welchen die Kriminalitätsrate überdurchschnittlich steigt.

*****

Ich bitte Sie, sich diesem Antrag anzuschließen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

17.15

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Der von den Bundesräten Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend tausend ExekutivbeamtInnen mehr für die Sicherheit der ÖsterreicherInnen ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.15

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich denke, wir alle sind uns in manchen Punkten sehr einig. Ein Punkt ist, wie wichtig die Sicherheitsexekutive für uns ist und wie wichtig die Beamten der Gendarmerie und der Polizei für alle Österreicherinnen und Österreicher sind: Sie sind diejenigen, die mitunter unter Einsatz ihres Lebens 24 Stunden, rund um die Uhr, für die Sicherheit der Bevölkerung zur Verfügung stehen. Das war in der Vergangenheit so, das wird auch in Zukunft so sein. Ein Garant dafür, dass das auch so bleiben wird, ist Bundesminister Ernst Strasser. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben heute hier schon mehrfach Polemik erlebt, obwohl der Bereich, wie vorgegeben wird, so ernst ist, dass er Polemik nicht zugänglich sein sollte. – Lassen Sie mich darauf einmal ganz kurz eingehen.

Zum Beispiel sollte man Kollegen beim Namen nennen, so, wie sie heißen. – So nennen Sie etwa unseren Kollegen Kühnel konsequent Kündl. Sie könnten einmal auf den Unterlagen in Ihrer Lade nachschauen: Er heißt Kühnel! Daher würde ich Sie sehr bitten, ihn auch so anzusprechen! (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.)

Wie geschmackvoll es ist, einen Bundesminister als „Bettvorleger“ zu bezeichnen, überlasse ich sowieso der Beurteilung jedes Einzelnen, und derjenige, der sich so ausdrückt, muss dann auch damit zu Rande kommen, wenn er umgekehrt hier wieder Reden schwingt, in welchen er meint, dass Polemik unangebracht ist.

Eine nächste Sache, die ich hier klarstellen möchte: Wenn davon gesprochen wird, wie der Herr Bundesminister eine ach so skandalöse Bemerkung über die Justiz gemacht hat, so möchte ich darauf hinweisen, dass wir alle, die wir nicht gestern auf die Welt gekommen sind, schon einiges in unserem Land erlebt haben. Unter anderem erinnere ich mich – das habe ich mir extra herausgesucht – an die Aussage eines SPÖ-Politikers im Zusammenhang mit dem Gerichtsverfahren gegen den ehemaligen Bundeskanzler Sinowatz, wo am 30.1.1989 gesagt wurde, dass Bundeskanzler Sinowatz von den Gerichten absolut unfair behandelt worden ist. Am 8.4.1992 hat derselbe SPÖ-Politiker gesagt, dass sich die Justiz wahrlich keine Lorbeeren in der Behandlung des Herrn Bundeskanzlers verdient hat. Diese Justizkritik ist von niemandem ... (Bundesrat Konecny: Hat dieser SPÖ-Politiker einen Namen?) Ja, dieser SPÖ-Politiker hat einen Namen, er heißt Dr. Heinz Fischer und ist heute


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Bundespräsident dieser Republik. Daher wollte ich Ihnen den Ratschlag geben, auch in der eigenen Geschichte immer wieder einmal einen kleinen Recheck vorzunehmen, was die Kritik an Justiz und Rechtsstaat in diesem Land betrifft.

Ein weiterer Punkt aus der Debatte, auf den ich eingehen möchte: Es kam vom Kollegen Kritzinger der Zwischenruf, dass unter Broda die gefängnislose Gesellschaft als Leitbild propagiert und Hafturlaub eingeführt wurde. Sie haben etwas Interessantes gesagt: Erstens ist es nicht wahr, und zweitens herrschte damals eine andere Situation. Ich finde es intellektuell spannend, wenn man eine Situation beschreibt, die erstens nicht der Wahrheit entspricht, aber zweitens anders war. Das finde ich intellektuell interessant, was ein Ereignis betrifft! (Bundesrat Konecny: Kritzinger hat gesagt, Broda hat die Gefängnisse geöffnet! Das ist nicht wahr!)

Ich glaube, dass wir alle hier wissen, wie das Innenministerium in den Jahren, bevor es von Minister Strasser übernommen wurde, geführt worden ist. (Bundesrat Konecny: Gut! Gut ist es geführt worden!) Wir wissen, dass es bei weitem kein Ruhmesblatt war, wie dieses Ministerium übergeben wurde, wo Kabeln herausgerissen waren, wo Daten gelöscht wurden. Es war beileibe kein Ruhmesblatt, wie dieses Ministerium übergeben wurde.

Gegenwärtig ist es so, dass die aktuelle Statistik – es ist bereits vorher darauf ein­gegangen worden; man weiß nicht immer, worauf Sie sich beziehen – eine rückläufige Tendenz bei den angezeigten Fällen aufweist. Und Sie wissen wahrscheinlich genau­so, dass in der Datenerfassung früher, als viele Daten auch händisch erfasst wurden, das in Teilbereichen dazu geführt hat, dass Aufklärungsquoten bis zu 120 Prozent existent waren, einfach deshalb, weil die Daten vorne und hinten nicht zusammen­gepasst haben. (Bundesrat Konecny: Also wenn 120 Prozent aufgeklärt werden, dann nehme ich einen kleinen Irrtum gerne in Kauf!)

Ich möchte für die Ist-Situation festhalten, dass es sehr erfreulich ist, dass insbe­sondere in Wien in den letzten neun Monaten die Kriminalität zurückgegangen ist. Es ist auch bereits erwähnt worden, dass, wenn wir das Ganze ein bisschen benchmar­ken, immer noch feststeht, dass eine aus dem Jahr 2004 vorliegende IMD-Studie Österreich als das sicherste Land der Welt ausweist. Wenn man das im Blicklicht jener Ausführungen sieht, die von den Kollegen von der Sozialdemokratie zuvor getätigt worden sind, glaubt man, man lebt hier in einem Land, das eigentlich im unteren Teil dieser Skala liegen müsste.

Halten wir auch fest, dass es in den letzten Jahren zu einer Reihe von Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung gekommen ist, dass sehr viele umfassende Reformen, zum Beispiel der Bundespolizeidirektion Wien, durchgeführt worden sind, dass der Sicher­heitsmonitor eingeführt worden ist, dass eine monatliche Kriminalstatistik erstellt wird, dass die internationale Kooperation im Polizeibereich ausgebaut worden ist und dass gerade auch deswegen, weil es, wie das gebracht worden ist, immer wieder einzelne Krisengebiete in Österreich gibt, weil sich die Kriminalität lokal eben nicht festmachen lässt, auch eine 150-Mann-Einsatzgruppe zur Bekämpfung von Massendelikten instal­liert worden ist, die flexibel in ganz Österreich einsetzbar ist. Und der nächste Schritt ist eben die Zusammenführung der Wachkörper.

Es ist unbestritten, dass Polizeiarbeit auch mit dem notwendigen Personalstand in Zusammenhang gebracht werden muss und dass man für das Personal auch das notwendige Budget vorsehen muss. Umso enttäuschender ist es, dass die Sozial­demokratie dem Sicherheitspaket, das plus 36 Millionen € für die Sicherheit gebracht hat, nicht die Zustimmung geben konnte.

Um die Kriminalität zu bekämpfen, sind drei Voraussetzungen notwendig. Man braucht Budget, man braucht Personal, man braucht aber auch eine Modernisierung der


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Exekutive. Es ist an sich auch in der öffentlichen Debatte erkannt worden, dass das keine einfachen Verhandlungen zwischen Innenministerium und Finanzministerium waren, aber das Ergebnis war unter dem Strich, dass es 800 Mitarbeiter mehr gibt, die jetzt im Budget vorgesehen worden sind, dass die Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind, die Exekutive aufzustocken. Das bedeutet für die Polizei und für die Gendarmerie nicht ein Weniger, sondern ein Mehr von 500 Beamten als im Som­mer 2004. Das ermöglicht auch, dass bis zum Ende des Jahres 2005 800 Polizis­ten und Gendarmen neu aufgenommen werden.

Dem Innenministerium stehen für das nächste Jahr 103 Millionen € mehr zur Verfü­gung. Das ist also kein Einfrieren, sondern ein Aufstocken zur Kriminalitätsbekämp­fung.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch auf folgenden Punkt zurückkommen: Ich habe es für einen schlechten Vergleich gehalten, dass der Fraktionsobmann der Sozial­demo­kraten gemeint hat, 30 000 Leute im Unsicheren zu lassen, das hält kein Unternehmen aus, und er kenne kein Unternehmen, wo das der Fall ist.

Ich weiß nicht, von welchem Unternehmen Sie sprechen, in der Branche, in der ich tätig bin, in der Telekommunikation, ist es besonders extrem, was die ständigen Verän­derungen betrifft, das mag schon sein, aber es gibt viele andere Industriebereiche, wo die einzelnen Mitarbeiter beileibe nicht wissen, welche Aufgabe sie in einem Jahr haben. Das beginnt damit, dass sie oft nicht einmal die Sicherheit haben, dass sie überhaupt einen Arbeitsplatz in dem Unternehmen haben. (Bundesrat Boden: Traurig genug! – Bundesrat Konecny: Traurig genug, wenn man nicht weiß, ob man noch eine Arbeit haben wird!) Das betrifft nicht nur die Tatsache, wie sie funktional oder organisatorisch zugeordnet sind, sondern sie haben oft auch eine ganz andere Tätigkeit.

Sie selbst nehmen es in Ihre Sonntagsreden auf und reden vom lebenslangen Lernen und davon, dass man während seines Lebens auch selbst unterschiedliche Berufs­bilder durchläuft. (Bundesrat Konecny: Darum geht es doch nicht beim Strasser!) Dann werden Sie sich lebendig vorstellen können, dass die KollegInnen oder die Beamten in der Sicherheitsexekutive sehr wohl in der Lage sind, auch in einem ande­ren Organigramm ihren Dienst zu versehen. Ich glaube, dass das Personen sind, die es durchaus aushalten, dass sich etwas in der Organisation, im Organigramm, in der Aufbau- und Ablauforganisation ändert.

Ich halte es daher für wichtig, dass aus den derzeit 45 Kommandostrukturen mit 45 Verwaltungsapparaten eine schlanke Führungsstruktur mit 9 Landespolizeikom­mandos entstehen wird. Dadurch werden Doppelgleisigkeiten beseitigt, damit werden die Verwaltungsstellen reduziert. Durch das Zusammenlegen von Polizei und Gen­darmerie werden Strukturen kompakter, Informationen schneller, Wege kürzer und die Mitarbeiter effizienter eingesetzt.

Das heißt, das Ergebnis wird sein: kein Weniger an Posten, kein Weniger an Mitar­beitern, aber Hunderte Beamte mehr im Einsatz im Außendienst. (Beifall bei der ÖVP.)

17.26

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.26

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, ich verstehe, Sie vertreten den Herrn Innenminister, aber es ist nicht ganz uninteressant für Sie, diese Debatte hier mitzuverfolgen, denn es wird heute möglicherweise noch ein


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Gentechnikgesetz beschlossen, und da muss man auch die illegalen Sünder bei illegalen Freisetzungen verfolgen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Ich nicht!) – Sie persönlich natürlich nicht, das weiß ich schon. Sie sind also mitten in einer Debatte, die im Umweltsektor nicht ganz unbekannt sein sollte.

Kollege Himmer, ich danke Ihnen, denn ich hätte die Großzügigkeit des Herrn Pro­fessors Konecny jetzt auch gerügt und gemeint: Lieber Herr Professor Konecny, nicht nur im Sicherheitsbereich werden 30 000 Beamte über Jahre in Unsicherheit gelassen. In allen ganz zentralen Bereichen der ehemaligen öffentlichen Industrie, bei der Post, bei der Bahn und nicht zuletzt bei der Telekommunikationsindustrie, weiß man seit Jahren auch nicht, wie es weitergeht. Für alle diese großen Wirtschaftszweige hat diese Verunsicherung fatale Auswirkungen. Und es ist eine Tatsache ... (Bundesrat Mag. Himmer: Kann es sein, dass wir in einer Marktwirtschaft leben? Oder?) Na ja, es geht aber hier, lieber Kollege Himmer, schon um eine Politik, die in diesen Bereichen ganz stark von einer Bundesregierung gesteuert wird. Darüber dürfen Sie jetzt nicht hinwegtäuschen. Es ist nicht der Markt, der fragt: Was tun wir mit der Post?, sondern die Regierung überlegt die ganze Zeit: Was machen wir mit der Post? Was verkaufen wir? Wo schneiden wir ein Stückchen weg? Und das verunsichert.

Es ist doch bitte klar: Im gesamten Exekutivbereich herrscht seit Jahren eine tiefe Verunsicherung. Ich glaube, alle Fraktionen sind sich einig – sonst hätte die Regie­rungsfraktion auch nicht gesagt, dass wir bei den Exekutivbeamten die Schwerarbeiter­regelung einführen müssen –, dass es dort Arbeitszustände gibt, auf die es zu reagieren gilt. Die Wachebeamten, die Exekutivbeamten – ob Gendarmerie oder Poli­zei, das ist mir jetzt egal –, die sind in einer extremen Belastungssituation. Ich kann mich erinnern, dass große Verwunderung war, als die Grünen schon vor sechs oder sieben Jahren gesagt haben, 2 600 neue Planposten müssen in diesem Bereich her. Das hat damals zu einer riesigen Verwunderung in der Öffentlichkeit geführt, aber das wäre die konsequente Antwort auf eine wirklich katastrophale Situation am Arbeits­platz, auf diese Überbeanspruchung am Exekutiv-Arbeitsplatz.

Ich muss als verantwortlicher Ressortminister, als Bundesregierung gerade jemandem, der im Hoheitsbereich tätig ist, erst Perspektiven geben. Ich muss irgendeine Beru­higung hineinbringen. Wobei – das ist vielleicht der Unterschied zwischen der SPÖ und uns – wir nicht der Meinung sind, dass die Zusammenlegung schlecht ist. Wir sind durchaus der Meinung, man soll Polizei und Gendarmerie zusammenlegen. Das macht Sinn und kann eine Struktur schaffen, von der man auch sagen kann, sie ist effizient. Aber man muss zuerst ein paar andere Dinge klären. Man muss sich einmal die Arbeitsverhältnisse generell anschauen, man muss das Arbeitsleid der Exekutivbeam­ten durch geeignete Maßnahmen etwas reduzieren, dann erst kann man solche Maßnahmen setzen.

Aber schauen wir uns das jetzt einmal an. Sie, Herr Kollege Pröll, kommen auch aus Niederösterreich, und der Herr Innenminister ... (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Ein schönes Land!) Es ist ein sehr schönes Land, ich bin auch immer sehr gerne dort, auch übers Wochenende, das konzediere ich durchaus, aber es hat sich in Niederösterreich eine gewisse Praxis eingeschlichen, von der Spitze bis ganz nach unten: Ohne Parteibuch bin ich nichts – oder so. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Das halten Sie doch aus. Jetzt kommen Sie, das ist doch nicht so schlimm. Das wissen wir doch alle, das ist doch alles schon vielfach dokumentiert. Wenn es in Ihrer Gemeinde nicht so ist, dann verleihe ich Ihnen hier den Titel einer parteibuchfreien Gemeinde mit parteibuchfreien Beamten und Gemeindebediensteten. Wunderbar! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber, aber ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) Moment! Regen Sie sich nicht so auf. Ich sage ja gerade, dass die Zusammenlegungen Sinn machen, aber ich will


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auch sagen: Bitte Vorsicht und – das muss man halt dem Herrn Innenminister immer wieder sagen – bitte nicht nach niederösterreichischem Modell, das heißt rein nach Parteibuchüberlegungen.

Das Öffnen von E1 für Exekutivbeamte und nun auch A1 für bestimmte Beamte im Verwaltungsdienst entbehrt nämlich nicht einer gewissen Logik, denn es ermöglicht jetzt vermehrt die willkürliche Postenbesetzung, nunmehr auch bei Personen, die eine andere Ausbildung und Qualifikation haben als jene, die für die jeweils ausge­schriebene Position erforderlich ist. Da dürfte wohl auch die parteipolitische Absicht klar sein. Da verstehe ich natürlich die sozialdemokratische Kritik, die sich hier prinzi­piell gegen die Postenzusammenlegung wendet, weil sie sagt, das ist das offene Scheunentor für die Parteibuchwirtschaft. Wir sagen: Weg mit dieser Parteibuch­wirtschaft, aber versuchen wir den sinnvollen Weg der Zusammenlegungen.

Aber besonders unlogisch ist es – und das ist etwas, wo wir sagen, hier schaden wir der Exekutive wahrscheinlich auf zehn Jahre im Ausbildungssystem und im Quali­fizierungssystem –, wenn jetzt der mittlere Bereich verflacht, ausgedünnt wird, weil durch die A1-Geschichte im Führungsbereich andere Personen, Quereinsteiger, rein­kommen und eben genau dieser mittlere Bereich nicht mehr kommt. Das heißt, wir haben ein Gedränge an der Spitze und einen Stillstand in der Personalentwicklung.

Herr Minister Pröll ist in der Beantwortung auf die Ausschreibungen eingegangen. Die einzige Änderung – und das macht diese Ausschreibungen nicht zwingend notwen­dig – bei den Landespolizeikommandanten – eine Ausnahme ist Wien; da sind wir der Meinung, dass diese Form der Zusammenlegung falsch war – betrifft außer dem Namen nur die örtliche Zuständigkeit und in Vorarlberg nicht einmal die örtliche Zuständigkeit. Es gibt jedoch keine Änderung im sachlichen Zuständigkeitsbereich, und es gibt keine Änderung in den Organisationsabläufen. Das Gleiche gilt sowohl in der Kriminalabteilung als auch in der Verkehrsabteilung der jetzigen Landesgendarmerie­posten.

Daher: Wenn nicht andere Interessen dahinter stehen, wäre hier nicht auszuschreiben gewesen.

Es ergeben sich aber massive sachliche und organisatorische Änderungen und damit eine notwendige Neuausschreibung im Bereich der jetzigen Bundespolizeidirektionen. Rätselhaft ist daher, dass bei den Neuausschreibungen in jenen Bereichen, die jetzt in Aussicht genommen werden, zum Beispiel der Leiter des Landeskriminalamtes Wien von dieser Ausschreibung auszunehmen wäre.

Sie verstehen, meine Damen und Herren, worauf ich hinaus will? – Ich weiß nicht, ob das der Herr Bundesminister jetzt in Vertretung des Herrn Ministers Strasser versteht, aber Minister Strasser weiß ganz genau, worum es geht: Es werden Dinge ausge­schrieben, die eigentlich nicht auszuschreiben wären, um die Chance zu haben, etwas parteipolitisch – und das ist jetzt der Vorwurf – zu verändern und eine an sich nicht schlechte Idee zu verwirklichen.

Meine Damen und Herren! Die Verunsicherung, Herr Kollege Himmer, muss man schon vor dem Hintergrund der Zahlen sehen. Es ist natürlich so, dass sich das Umfeld geändert hat, keine Frage, aber wenn die Kriminalstatistik von Jahr zu Jahr derartige Zuwächse aufweist, muss ich doch im Apparat und in der Sicherheitspolitik reagieren.

Wenn man die Gesamtkriminalität der Jahre 2002 und 2003 vergleicht, stellt man fest, dass sie um 10 Prozent gestiegen ist. Wenn man das Jahr davor nimmt, sogar um 14 Prozent. Es ist aber nicht so, dass ich damit sagen möchte, dass wir jetzt das Land der Unsicherheiten sind und so weiter, aber man muss darauf reagieren, wenn wir jetzt über 600 000 Fälle haben und die Aufklärungsquote – das hängt wieder mit der


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Motivation eines Apparates zusammen und auch damit, wie die Menschen im Exekutiv­dienst eingesetzt sind – unter 40 Prozent sinkt; übrigens mit Ausnahme von Wien. In Wien ist sie nach wie vor hoch, allerdings ist der Anstieg in Wien auf eine Viertelmillion Straftaten mittlerweile ein trauriger Rekord. Bei den Vermögensdelikten ist der Anstieg ebenso hoch, und zwar – und glauben Sie mir, etwas besonders Bedauerliches ist dabei der Anstieg der jugendlichen Tatverdächtigen – sowohl innerhalb der Alters­struktur als auch in absoluten Zahlen.

Wenn man nicht nur Dinge für die große Show macht – Herr Bundesminister Pröll hat in seiner Anfragebeantwortung auch darauf hingewiesen, und natürlich gibt es diese Fälle, wir alle kennen sie, wir brauchen sie auch nicht wegzuleugnen; diese Fälle von osteuropäischem Bandentourismus oder auch die organisierte Kriminalität, die gibt es –, dann darf doch eines trotzdem – und das geht aus der Strasser’schen Statistik hervor – nicht übersehen werden: Die Spitzenreiter, 11 Prozent, aller tatverdächtigen Fremden sind – deutsche Staatsbürger. Es sind nicht Rumänen, es sind auch nicht Bulgaren, sondern deutsche Staatsbürger! Sie sind die dritthäufigste Gruppe, und man kann nicht immer alles auf den Balkan und auf Osteuropa abschieben. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Zellot.) – Bezweifeln Sie die Statistik Strassers? Gut. Ich kann auch nichts machen, wenn der Koalitionspartner die Statistik des Herrn Strasser bezweifelt. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Erfreuliches gibt es natürlich auch. Erfreulich ist der Rückgang von Morden, die Aufgriffszahlen sind gesunken, das heißt, die Zahl der geschleppten Personen ist weiter gesunken, und – ich weiß nicht, ob das die seit Jahren geführte Kampagne von SPÖ und Grünen bewirkt hat – der Waffenbesitz ist extrem gesunken. Das freut mich ja. Irgendwann könnte man sagen: Wenn sich das in der Bevölkerung jetzt schon so durchsetzt, machen wir doch ein kleines Gesetzerl miteinander, damit man das dann endgültig festlegt und damit Sie an diesem Erfolg dann auch irgendwie mitnaschen können. Das wäre doch ganz gut.

Was besonders bedauerlich ist – das geht jetzt in Richtung des Innenministeriums –, ist, dass in diesem Bericht wiederum nichts zu vergleichen ist, weil sich die Statistiken von Jahr zu Jahr irgendwie ändern. Man kann das irgendwie nicht zusammenfügen, denn das ist der Trick der letzten zwei oder drei Jahre, dass man ständig andere Tabellen hat, die nicht zusammenpassen. Natürlich kommt man damit auch ganz gut über die Runden, wenn man Dinge ein bisschen verstecken will. (Bundesrätin Zwazl: Das ist eine Unterstellung!) – Nein, das ist keine Unterstellung. Ich habe schon damals zum Herrn Bundesminister gesagt: Bitte, machen Sie die Dinge vergleichbar. Kollege Ernst Strasser hält das aus, Frau Bürgermeisterin. (Bundesrätin Zwazl: Das ist unfair, wenn Sie das so sagen!) Ich bin nie unfair, das wissen Sie. Nein, ich bin nie unfair. Und wenn ich unfair bin, dann werde ich als Allererstes bei Ihnen Buße abstatten, das verspreche ich Ihnen. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das sollten wir hier nicht ausweiten.

Zum Dienstzeitmodell, das Herr Kollege Pröll hier zwar noch verteidigt hat, würde ich einfach sagen – ich gebe das auch gerne so zu Protokoll, Herr Minister Strasser weiß es auch –: Dieses Dienstzeitmodell ist so etwas von „in die Hose gegangen“, dass er es einfach nur mehr abbrechen konnte. Diesbezüglich sind alle Fraktionen innerhalb der Exekutivgewerkschaft einer Meinung: Bitte, Ernst Strasser, pack das Dienst­zeitmodell wieder ein! Es ist untauglich!

Okay, neue Uniformen, neues Dienstzeitmodell, ... (Ruf bei der ÖVP: Neue Autos!) – Neue Autos, bitte, das stört natürlich den Umweltminister, wenn sie mit Diesel betrieben werden, geht das aber in Ordnung.


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All das zusammen, meine Damen und Herren, ist einfach zu viel! Und das vor dem Hintergrund einer extremen Überarbeitung! Ich habe vorgestern eine Verhaftung von zwei Menschen bei der Bellaria, bei der U3-Station verfolgt. Mich hat interessiert, wie es den Exekutivbeamten dabei geht. Sie waren dermaßen unter Stress, sie hatten wahrscheinlich den ganzen Nachtdienst hinter sich.

Noch einmal: All diese Veränderungen – die Autos, Herr Minister Pröll, lassen wir einmal weg; es ist wahrscheinlich das Harmloseste, sich auf eine Autotype ein­zustellen – sind zu viel! Man mutet den Bediensteten im Exekutivbereich zu viel zu.

Deshalb ist es einfach wichtig, dass sich Herr Minister Strasser diesen Fragen ohne die Brille der Parteibuchwirtschaft, ohne reflexartig zu reagieren und ohne die Flapsigkeit, die er gegenüber dem Verfassungsgerichtshof an den Tag gelegt hat, stellt und dass er sich auch den Mitgliedern der Personalvertretung stellt. Es ist bedeutsam, dass hier gemeinsam im Interesse der Aufklärung, im Interesse der Prävention Ruhe hinein­kommt und dass die Exekutivbeamten einen Arbeitsplatz vorfinden, der für die Sicherheit und zum Schutz der Menschen da ist. Dort sollen sie sich selbst als Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin auch wieder wohl fühlen können und die volle Identifikation mit ihrem Job haben.

Das, meine Damen und Herren, sollte hier und zu allererst im Vordergrund stehen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.42

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Professor Konecny zu Wort gemeldet. Ich weiß, dass Ihnen die Bestim­mungen der Geschäftsordnung bekannt sind. – Bitte.

 


17.43

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Kollege Himmer hat die originelle Behauptung aufgestellt, dass die Kriminalität in Wien sinkt.

Die Zahlen, die der Herr Bundesminister auf unsere Frage 6 hin vorgelegt hat, besagen Folgendes: Es hat im Jahr 2001 180 086 angezeigte Fälle gegeben, es hat in den ersten neun Monaten des heurigen Jahres 183 940 Fälle gegeben. Das heißt, selbst wenn ab jetzt kein einziges angezeigtes Verbrechen in Wien mehr erfolgt, ist das doch eine Steigerung um rund 2 Prozent. Ich befürchte aber, dass der allgemeine Urlaub der Kriminellen vom 1. Oktober bis 31. Dezember nicht stattfinden wird.

Ich fürchte also, dass die Zahlen des Herrn Ministers korrekt sind und die Behauptung des Herrn Kollegen Himmer falsch ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

17.44

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.44

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist fein, dass ich auch eine gute Mitteilung machen kann. Das Bundesland Kärnten gehört tatsächlich zu jenen Bundesländern, in denen die Kriminalität zurückgegangen ist. Ich hoffe, Herr Professor Konecny, dass ich da richtig liege.

Aber es stimmt auch – Herr Professor Konecny, da haben Sie Recht –: Auch in Kärnten wollte man in den letzten Jahren Gendarmerieposten schließen. Durch den Protest des Herrn Landeshauptmannes und den einstimmigen Beschluss der


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Landesregierung ist es nicht dazu gekommen. In Kärnten sind alle Gendarmerieposten erhalten geblieben.

Aber, sehr geehrter Herr Professor Konecnik, ich kann Ihnen etwas bestätigen (Bun­desrat Konecny: Ich bin ein Böhm’, kein Slowene!): Im Jahr 1992 wurde der älteste Gendarmerieposten in Kärnten geschlossen, und zwar in meiner Gemeinde, in der Marktgemeinde Gurk in Kärnten – und das trotz einer Unterschriftenaktion von 99 Prozent der Bevölkerung. Die Sicherheit steht nämlich ganz weit oben. Ich war damals zwei Mal beim Herrn Bundesminister. Es gab einen einstimmigen Regierungs­beschluss in Kärnten und einen einstimmigen Landtagsbeschluss in Kärnten, aber der sozialistische Innenminister hat den ältesten Gendarmerieposten in Kärnten, der seit 1849 ununterbrochen in Betrieb war, geschlossen. (Bundesrat Zellot: Hört, hört, hört!) Das ist eine Tatsache. Ich glaube daher, es ist gut, dass man hier herauskommt und die heutige Politik im Sinne einer konsequenten Entwicklung für eine gute und leistungsfähige Gendarmerie machen will.

Unsere Bürger haben eine besondere Priorität für die Sicherheit. Wir sollten alles gemeinsam unternehmen, damit wir die Kriminalität in den Griff bekommen. Wenn wir das wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann wird uns dies auch gelin­gen. Ich bin davon überzeugt, dass die Zielsetzung des Herrn Bundesministers Stras­ser weniger ist, in Zukunft die Bürokratie zu verstärken, sondern es wirklich zu ermöglichen, dass mehr Beamte auf den Straßen Dienst tun oder dort, wo sie mehr Zeit für die Aufklärung von Kriminalfällen brauchen.

Sehr geehrter Herr Bundesrat Konecny! Vieles von Ihnen Gesagte ist berechtigt, aber: Die Politik, gegen alles zu sein, kommt mir so vor, als würde man sagen: Verkauft’s mei G’wand, i fahr in Himmel!

Meine Damen und Herren! Die Polizei und die Gendarmerie erwarten von uns allen mehr Vertrauen. Die Exekutivbeamten haben nämlich nach einem Einsatz, wenn sie heimkommen und ihre Tätigkeit in ihrer Verantwortung vollbracht haben, das Problem, dass sie vielleicht am nächsten Tag in der Zeitung stehen, sie hätten ihre „Klienten“ zu rau angefasst, sie hätten zu laut geredet oder sie seien zu schnell gefahren. Und das wollen wir nicht!

Jetzt liegt es an uns: Wir sind ja das sicherste Land der Welt, und das wollen wir auch bleiben – dazu gehört eine straff geführte Exekutive. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.48

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


17.48

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Nach fast einem halben Jahrzehnt Ernst Strasser hat sich die Sicherheitslage in unserem Land dramatisch verschlechtert. Im Jahre 1999, als die SPÖ noch den Innenminister stellte, betrug die Zahl der Delikte bundesweit noch deutlich unter 500 000 und die Aufklä­rungsquote lag über 50 Prozent. (Bundesrätin Roth-Halvax: Was ist davor schon beschlossen worden?) Im Jahr 2004 wird die Deliktzahl auf über 700 000 explodieren und die Aufklärungsquote auf 37 Prozent sinken – im Vergleich zu unserem Nachbar­land Deutschland, wo die Aufklärungsrate im gleichen Zeitraum auf über 53 Prozent gestiegen ist.

Hauptschuld daran ist sicherlich Strassers Personalpolitik. Tatsache ist, Ernst Strasser hat den Sicherheitsapparat personell völlig ausgehöhlt. Seit dem Jahr 2000 wurden bei


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Gendarmerie, Sicherheitswache, Kriminalpolizei und Sicherheitsverwaltung über 3 000 Planstellen, also etwa 10 Prozent der Beamten, eingespart. Jahrelang gab es fast keine Neuaufnahmen, welche die natürlichen Abgänge ausgeglichen hätten. Mit immer weniger Exekutivbeamten kann man aber nicht mehr Sicherheit erzeugen. Durch die Schließung von 119 Gendarmerieposten in ganz Österreich ist die Nahver­sorgung mit Sicherheit ernsthaft gefährdet. In den Bundesländern fehlt der Bevöl­kerung innerhalb der Exekutive der direkte Ansprechpartner.

Auch die so genannte Polizeireform Wien hat dazu geführt, dass einstmals bewährte Sicherheitsstrukturen zerschlagen wurden und die Bevölkerung nunmehr weite Anfahrtswege, oft quer durch die Bezirke, in Kauf nehmen muss, um zur zuständigen Polizeidienststelle zu gelangen.

Darüber hinaus lähmt Strassers parteipolitisch motiviertes Umbesetzungsroulette seit Jahren den Exekutivapparat und demotiviert die Beamten.

Die geplante Zusammenlegung der Wachkörper wird weitere Unruhe in den Beamten­apparat bringen. Einerseits wird sie keinen einzigen Cent an Ersparnis bringen, wie der Innenminister selbst im Budgetausschuss des Nationalrates zugegeben hat, anderer­seits wird hier an einer Wachkörperstruktur gebastelt, ohne die Neuregelung der Behördenstruktur im Österreich-Konvent abzuwarten.

Die Glaubwürdigkeit unseres Herrn Innenministers ist äußerst zweifelhaft, hat er doch im Sicherheitsausschuss bei seiner Antrittsrede gesagt: Bevor Zoll, Gendarmerie und Polizei zusammengelegt werden, werden eher die katholische und die evangelische Kirche zusammengelegt. – Gegenteiliges ist der Fall.

Eine weitere Bedrohung der Bevölkerung sehe ich bei den Diebstahlsdelikten. Sollte Diebsgut nicht aufgefunden werden, so überlegen die Versicherungen, die Prämien zu erhöhen, was eine zusätzliche Belastung der Bevölkerung darstellt. Auch in meiner Gemeinde wurde vor einigen Jahren der Gendarmerieposten geschlossen, wir sehen uns nun leider einer steigenden Kriminalität gegenüber. (Bundesrat Wolfinger: Wann und wie viele Einwohner?) – Vor drei Jahren.

Die steigende Kriminalität ist in erster Linie bei Diebstählen und Einbrüchen zu finden. Ich selbst war davon betroffen. Im März dieses Jahres ist plötzlich die Alarmanlage losgegangen. Der Versuch, mein Auto zu stehlen, ist leider oder Gott sei Dank fehl­geschlagen, weil wir schnell dort waren. (Bundesrat Konecny: Kommt auf die Sichtweise an! – Bundesrätin Bachner: Wie alt war es schon?) – Ja, das kommt darauf an, wie man es betrachtet. – Aber in dieser Nacht war es auch so, dass gleichzeitig in die Halle unseres Forstbetriebes eingebrochen wurde, Autokennzeichen gestohlen wurden, Betriebshallen aufgebrochen wurden und so weiter. Wie gesagt, die Kriminalität nimmt auch im ländlichen Gebiet rasant zu.

Wie die gesamte Bundesregierung, so ist auch Strassers Politik geprägt von schlechter Legistik und Rücksichtslosigkeit gegenüber der Verfassung. Ein Großteil der für ihn wesentlichen Gesetzesvorhaben wurde mittlerweile vom Verfassungsgerichtshof auf­ge­hoben; unter anderem das Zivildienstgesetz betreffend Verpflegungsgeld, das Asylgesetz betreffend Drittstaatsicherheit, das Beamten-Dienstrechtsgesetz betreffend Ruhestandsversetzung von Beamten sowie das Zivildienstgesetz betreffend Ausglie­derung der Zivildienstverwaltung; nicht zu vergessen die Dutzenden Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof wegen rechtswidriger Posten- und Ruhestands­versetzungen. Strassers Rechtsverständnis gipfelte anlässlich der Aufhebung des Zivildienstgesetzes am 20. Oktober 2004 in der Aussage: „Was Recht ist, muss nicht unbedingt gut sein.“

Management by Chaos prägt auch Strassers Asylpolitik. Mittlerweile versteht kein Mensch in dieser Republik mehr, warum man diese Problematik nicht in den Griff


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bekommt. Anfang der neunziger Jahre, während der Bosnien-Krise, kamen binnen kürzester Zeit etwa 100 000 Asylwerber in unser Land. Die Regierung konnte damals die schwierige Situation durch rasches Handeln in menschenwürdiger Art und Weise meistern.

Heute, da wesentlich weniger Asylwerber in Österreich aufhältig sind – derzeit sind es etwa 26 000 –, schiebt Strasser die Verantwortung weit von sich beziehungsweise den Ländern zu. Statt dem Bundesasylamt und dem Unabhängigen Bundesasylsenat mit mehr Personal zur rascheren Abwicklung der Fälle zur Seite zu stehen, schwärzt er vor allem den Unabhängigen Bundesasylsenat durch ungeheure Verächtlichmachung in der Öffentlichkeit an. (Bundesrätin Roth-Halvax: Hat Ihre Gemeinde Unterkünfte zur Verfügung gestellt?)

Alles in allem muss man leider sagen, dass das Sicherheitsrisiko für unser Land immer größer wird. Vielleicht sollte man überlegen, den Herrn Innenminister in „Unsicher­heitsminister“ umzubenennen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.54

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Mag. Himmer gemeldet. Ich gehe davon aus, dass auch Sie, Herr Bundesrat, die Bestimmungen der Geschäftsordnung kennen. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.55

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es hat eine tatsächliche Berichtigung des Kollegen Konecny gegeben. Ich möchte jetzt gar nicht darauf eingehen, was gerade bezüglich der Vorrednerin wieder an tatsächlicher Berichtigung Not täte, sondern reduziere meine Äußerung auf das, worauf ich unmittelbar angesprochen worden bin.

Herr Professor, die Zahlen: Von Jänner bis September 2003 betrug die Zahl der be­kannt gewordenen Fälle in Wien 194 225, von Jänner bis September 2004 183 940. Das entspricht einem Rückgang von 5,3 Prozent. Die bekannt gewordenen Fälle sind um 5,3 Prozent zurückgegangen! (Bundesrat Konecny: Gegenüber 2001 substantiell gestiegen!)

Das heißt, ich bin zwar tatsächlich berichtigt worden, habe aber trotzdem Recht.

17.56

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.56

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Dringliche Anfrage beschäftigt uns jetzt immerhin schon seit fast zwei Stunden. Es ist bedauerlich, wenn ... (Bun­desrat Konecny verlässt den Sitzungssaal.) – Der Herr Professor hat uns verlassen, da müsste ich eigentlich in Trauer ausbrechen.

Verschiedene Sachen sind leider schlicht und einfach falsch. Auf der einen Seite wird vom Schließen von Wachzimmern gesprochen. Ich komme aus dem ersten Bezirk – das wird zwar manchmal von Herrn Reisenberger und anderen belächelt –, aber im ersten Bezirk ist zum Beispiel kein Wachzimmer geschlossen worden. Und da der Herr Bundesminister – ich werde später darauf eingehen – noch zusätzlich Zollwachebeam­te und auch ausgebildete Gendarmerie- und Polizeischüler bekommen hat, hat der erste Bezirk seit September neun Polizistinnen und Polizisten, um es korrekt zu sagen, mehr.


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Auf der anderen Seite wird von der verunglückten Polizeireform in Wien gesprochen. Ein Bereich ist jedenfalls besser geworden – das hat Kollege Mag. Himmer vorhin kurz erwähnt –: Die Kriminalitätsrate in Wien ist zurückgegangen. Worauf ist das zurück­zuführen? – Es ist hier ein sehr effizientes Landeskriminalamt tätig. Herr Hofrat Mag. Horngacher ist ein hervorragender Dienststellenleiter. Er ist, soweit ich informiert bin, zufällig Sozialdemokrat. Es wird also im Bereich des Bundesministeriums für Inneres nicht so vorgegangen, wie es von Ihnen behauptet wird. Hofrat Horngacher wird von mir einzig und allein auf Grund seiner dienstlichen Qualität beurteilt. Und diese ist hervorragend. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Wenn ich Ihr ständiges Jammern über das Steigen der Kriminalität höre, vor allem über das, was aus dem Osten kommt, dann möchte ich einmal die philosophische Frage an Sie richten: Soll man vielleicht wieder den Eisernen Vorhang an unserer Grenze errichten, damit diese Leute nicht kommen? Oder sollte man doch in gewissem Maße die Freizügigkeit lassen? – Wie alles im Leben hat etwas nicht nur Vorteile. Wir wissen aus dem deutschen Recht, Herr Professor (in Richtung des Bundesrates Dr. Böhm): „Guter Tropfen, böser Tropfen“. – So ist es halt im Leben.

Auf die diversen Ausschnitte aus Zeitungen, Qualitätszeitung und so weiter, will ich nicht eingehen, aber eines möchte ich grundsätzlich sagen: Wenn ich die Geschichte der Zweiten Republik betrachte, vom Jahre 1945 an, dann war von diesen 59 Jah­ren 51 Jahre lang das Bundesministerium für Inneres in sozialdemokratischen Händen. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Glücklicherweise!) Es hat in dieser Zeit auch Versuche gegeben, Gendarmerie und Polizei zu vereinen. Damals hatte Österreich nur sechs Millionen Einwohner, jetzt haben wir acht Millionen. Das ist also eine Maßnahme, im europäischen Kontext gesehen, die durchaus vernünftig wäre.

Der damalige Minister Olah ist damit gescheitert. Sie haben ihn ja damals sogar aus der Partei (Bundesrat Bieringer: Eliminiert!) hinausgetrieben – sagen wir es einmal so –; Minister Löschnak, der auf Grund seiner langen Tätigkeit im Bundeskanzleramt genau wusste, wie es mit den Stellenplänen aussieht, wollte das auch und ist dann offensichtlich ebenfalls zurückgeschreckt. (Präsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube, dass da, wenn ich das jetzt menschlich betrachte, gegenüber Minister Strasser eine Portion Neid unterwegs ist (Ruf bei der ÖVP: Jawohl!), weil er diese Reform angegangen ist und jetzt mit einer beachtenswerten Durchhaltefähigkeit zu Ende führen wird. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

Die umfangreichen Fragen hat der Herr Bundesminister mit beachtlicher Eloquenz beantwortet, darauf werde ich daher nicht mehr eingehen, aber eines möchte ich schon noch kurz erwähnen: In der Debatte vom Vorjahr wurden, soweit ich mich erinnern kann, von Wiener Abgeordneten tausend zusätzliche Polizisten gefordert. Wenn man das alles summiert, dann könnte man sagen, Herr Professor: Wir bewegen uns in Richtung Polizeistaat! Doch da stellt sich jetzt die Frage, ob die Grünen und die Sozialdemokraten das wirklich wollen (Bundesrätin Bachner: Nein!), nämlich den Polizeistaat, so à la Metternich: hinter jeder Laterne ein Polizist, hinter jedem Auto ein Polizist (anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ), der sich das Profil der Reifen anschaut, ob das in Ordnung ist, oder prüft, ob der Blinker funktioniert, und so weiter. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Das können wir alles machen, ja, aber eines muss ich schon sagen: Ein Polizeistaat ist etwas, was nicht schön ist! (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.) Ich will nicht an das Dritte Reich erinnern. Da herrschten ähnliche Zustände. Also seien wir vor­sichtig mit solchen Forderungen!


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Aber eines kann ich Ihnen nicht ersparen, nämlich folgende Tatsache: Voriges Jahr – ich glaube, es war im November – wurde ein Budgetüberschreitungsgesetz verhandelt, und dieses enthielt das berühmte Sicherheitspaket mit einem Volumen von 36 Mil­lionen €, in dem 150 zusätzlichen Planstellen für die Polizei vorgesehen waren. Genau dieses ist aber von der Sozialdemokratie abgelehnt worden! (Ah-Rufe bei der ÖVP.) Das heißt, ihre Doppelzüngigkeit ist ganz beachtlich.

Nächster Punkt: Reformstau. – Die Mitte-Rechts-Regierung hat ja, wie ich es heute schon gesagt habe, als die Frau Justizministerin da war, einiges an Unerledigtem übernehmen müssen. Sicher war die ÖVP damals auch in der Koalition, aber sie war nur Zweiter – das möchte ich betonen – und konnte vor allem nicht den Finanzminister stellen, aber der Finanzminister ist immer der zweitwichtigste Mann in der Regierung. Durch diesen entstandenen Reformstau ist auch die Staatsschuld gigantisch gewachsen. Ich darf nur in Erinnerung rufen, dass wir immer noch 7,5 Milliarden € pro Jahr für die Zinsen zahlen.

Wenn wir dieses Geld in der Portokasse der Republik hätten, dann könnten wir all Ihre Forderungen, nämlich keine Pensionsharmonisierung und keine Gesundheitsreform durchzuführen, erfüllen, dann könnten wir alles so belassen, wie es ist, denn dann könnten wir das ja finanzieren. Aber das Geld dafür haben wir ja jetzt nicht mehr. Daher ist diese Regierung gezwungen, Reformen durchzuführen und Geld einzu­sparen.

Interessant war für mich, zu hören, dass Kollege Schennach – er ist jetzt nicht da – für die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie ist. Ich werde mir das sehr gut merken. Ich hoffe, dass es auch im Nationalrat von den Grünen eine Zustimmung zum Sicherheitspolizeigesetz geben wird. Wichtig ist, dass diese Reform durchgeführt werden kann.

Zur Befürchtung des Kollegen Schennach, dass es Quereinsteiger im Bereich der Gendarmerie und Polizei geben könnte: Das kann ich mir nicht vorstellen! Also diese Befürchtung ist unbegründet, denn für die Organisation in diesem Bereich, auch für den Kriminaldienst und so weiter, wird man sicher nur einen geschulten Mann verwenden und nicht irgendeinen Quereinsteiger von irgendwo kommen lassen.

Die Befürchtung des Kollegen Schennach, dass die Deutschen bei uns kriminell so massiv unterwegs sind, ist relativ leicht zu erklären, denn Österreich ist nun einmal für die Deutschen ein besonderes Transitland, wenn sie auf Urlaub fahren. Aber glücklicherweise bleiben auch viele Deutsche in Österreich auf Urlaub. Das sollen sie auch weiter machen. Leider verursachen sie Verkehrsunfälle. Dies sind in der Regel Fahrlässigkeitsdelikte, das kann passieren. Auch wir Österreicher hatten im Ausland vielleicht schon einmal einen Unfall, daher soll man die Deutschen nicht an den Pranger stellen. Man kann das vielleicht in anderen Bereichen machen, aber sicher nicht in diesem.

Nun zu den einzelnen Maßnahmen, die unser von Ihnen so „geschätzte“ Innenminister gesetzt hat. Ich darf Ihnen das nicht vorenthalten.

Er hat erkannt, dass gegen die Kriminalität aus dem Osten etwas zu tun ist. Was hat er getan? – Er hat Verbindungsbeamte, die bei den österreichischen Botschaften und beim Konsulat tätig sind, zum Beispiel in Bukarest, in Istanbul, in Ankara, aber auch in Albanien und in Belgrad, eingesetzt und diese beauftragt, dort mit der örtlichen Polizei zusammenzuarbeiten, um im Bereich der Kriminalität vorbeugend wirken zu können.

Aber weil wir auch wissen, dass die Ausbildung im Osten und Südosten nicht so perfekt ist, hat der Bundesminister dafür gesorgt, dass dort auch Ausbildungshilfe und Projekthilfe geleistet wird. Langsam wirken diese Maßnahmen. Wir können schon


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merken, dass es in diesem Bereich bei den Ausländern aus bestimmten Staaten einen Rückgang gibt.

Weiters hat sich der Herr Innenminister massiv für die Ausstattung der Wachezimmer eingesetzt. Da frage ich mich halt auch: Warum sorgt erst Innenminister Strasser dafür, dass die EDV-Ausstattung der Wachezimmer, der Gendarmerieposten und der Sicher­heitsdirektionen auf den letzten Stand gebracht wird? Da dürfte jahrelang nichts passiert sein, denn sonst wäre das nicht notwendig! (Bundesrat Bieringer: So ist es!) Daher meine ich, es ist doch ein hohes Maß an Scheinheiligkeit, wenn man dem Innenminister den Vorwurf macht, dass die Ausstattung so schlecht ist.

Weitere Maßnahme: Der Fuhrpark der Exekutive wird in Hinkunft auf Leasingsystem umgestellt, und dann wird man alle drei Jahre entsprechend neue und bestausgerüs­tete Fahrzeuge haben.

Außerdem ist für 2005 eine Wachzimmeroffensive geplant. Das heißt, man will sie auf modernen Stand bringen: ordentliche Büroräume, EDV-Ausstattung, Glasfaserkabel, Kabeltrassen, alles, was da dazugehört, soll entsprechend eingebaut werden.

Dann gibt es etwas ganz Neues, nämlich das iPod-System. Darunter versteht man, dass der sozusagen am Computer Sitzende, wie jetzt Ing. Einwallner an der Maschine Sitzende, hergeht und die ganzen Abläufe, seine Niederschriften und so weiter gleich eintippt, dass verschiedene Verwaltungsvorgänge dem Beamten abgenommen und entsprechend EDV-mäßig unterstützt werden, sodass von zehn bisherigen Schritten, die er einzeln planen musste, einer übrig bleibt.

Weiters darf ich erwähnen, dass dieses Jahr 1 000 Zollwachebeamte in verschie­densten Bereichen der Exekutive eingesetzt werden.

Eine weitere wichtige Maßnahme für die Zukunft ist, dass endlich die Ausbildung von Gendarmerie und Polizei vereinheitlicht wird. Dann wird es relativ leicht sein, Gendarmerie und Polizei zusammenzuführen. Das Chaos, das von einer Kollegin vorausgesagt wurde, wird es dann nicht geben können. Offensichtlich gibt es woanders ein Chaos, aber jedenfalls wird das Chaos, das von ihr prophezeit worden ist, nicht eintreten können, weil die jungen Beamten schon einheitlich ausgebildet sein werden.

Aber es wurden – und das ist besonders wichtig – auch Qualitätskriterien eingeführt, es wurde das Niveau der Ausbildung angehoben, und zwar mit einem ganz besonderen Schwergewicht: Die neuen Beamten werden besonders in Richtung Kriminalitäts­bekämpfung ausgebildet. Der Herr Innenminister hat erkannt, dass da Handlungs­bedarf besteht.

Der Sicherheitsmonitor ist vom Kollegen Himmer schon erwähnt worden. Ich möchte Ihnen aber noch einmal in Erinnerung rufen, damit Sie bei der nächsten Dringlichen Anfrage nicht wieder die gleichen Fragen stellen, dass der Sicherheitsmonitor registriert, wo bestimmte Delikte stattfinden, wo Häufungen sind, damit der planende Beamte rasch einschreiten kann.

Als Letztes möchte ich ganz besonders allen Polizeibeamten, Gendarmeriebeamten, Vertragsbediensteten in den Sicherheitsdirektionen und in den Polizeidirektionen, aber natürlich auch der Ministerialbürokratie im Innenministerium dafür danken, dass sie einerseits dem dauernden Maschinengewehrfeuer aus linker Richtung standhalten (ironische Heiterkeit bei der SPÖ) und andererseits trotzdem ihre Arbeit zum Wohle Österreichs weiter verrichten. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.09

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte, Herr Bundesrat.

 



Bundesrat
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18.09

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Wenn man dieser Debatte gefolgt ist und diese Dringlichen Anfrage gelesen hat, dann kommt man zu der Feststellung, dass sich die Frage der Kriminalitätsrate wie ein roter Faden durch all Ihre Ausführungen durchzieht. Es wird vor allem das Ansteigen der Kriminalität in den Vordergrund gestellt. Wenn dem in allen Bereichen so ist, meine Damen und Herren, dann ist das eine sehr traurige Tatsache.

Interessant ist aber, dass Sie – und wenn man diese Dringliche Anfrage liest, kommt man zu dieser Feststellung –, um zu begründen, warum der Anstieg der Kriminalitäts­rate die Sorge der sozialdemokratischen Fraktion ist, auf Zitate aus verschiedenen österreichischen Zeitungen zurückgreifen, ja ich muss sagen: Ich bin eigentlich verwundert darüber, dass Sie in der Präambel zu Ihrer Dringlichen Anfrage eine ganze Reihe von Zitaten aus den Medien zur Begründung verwenden.

Meine Damen und Herren! Ein weiterer Punkt, der mir in dieser Dringlichen Anfrage auffällt, ist, dass die Anfragesteller die Schließung der Gendarmerieposten und der Polizeiwachezimmer für den Anstieg der Kriminalitätsrate verantwortlich machen.

Meine Damen und Herren! Mir ist diese Begründung, diese Erklärung der Anfrage­steller zu einfach, weil dadurch der Schluss zulässig ist, dass unseren fleißigen und aktiven Exekutivbeamten unterstellt werden kann, dass sie ihren Dienst nicht sorgsam ausüben (Bundesrätin Bachner: Das ist aber Ihre Interpretation!), dass sie ihrem Dienst nur eingeschränkt nachkommen. Frau Kollegin Bachner, dieser Schluss ist durchaus zulässig (Bundesrätin Bachner: Für Sie! Für uns nicht!), weil Sie in Ihrer Argumentation die Wachzimmerschließung, die Gendarmeriepostenschließung dafür verantwortlich machen. (Bundesrat Konecny: Nein! Es ist die Personalkürzung! – Bundesrätin Bachner: Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Können Sie mir das erklären?!)

Frau Kollegin Bachner, nehmen Sie doch zur Kenntnis: Gendarmerieposten, Wach­zimmer werden keinen Deut zur Senkung der Kriminalität beitragen, sondern es ist unumstritten die Leistung der dort tätigen Beamten, die dazu beiträgt! (Bundesrat Konecny: Ja, sie brauchen ein Wachzimmer, um Leistung erbringen zu können!)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie vergessen bei dieser Diskussion, bei welcher Sie den Personalstand bemängeln, die Wachzimmerschließung und die Postenschließung kritisieren, dass all dies vor allem die Folge Ihrer verfehlten Finanzpolitik in der Vergangenheit ist. Es waren die Finanzminister Vranitzky, Klima, Edlinger, die – und das wurde heute schon in einem Beitrag erwähnt – einen Schuldenberg hinterlassen haben, sodass es keinen Sinn mehr macht, Wachzimmer offen zu halten, die personell nicht besetzt sind. Es kann sich diese Republik auf Grund Ihrer verfehlten Finanzpolitik in der Vergangenheit heute, in Zeiten wie diesen, das nicht mehr leisten. (Bundesrätin Bachner: Das ist so ein alter Hut jetzt!)

Frau Kollegin Bachner! Sie beklagen in Ihrer Dringlichen Anfrage auch, dass es inner­halb der Exekutive zu personellen Veränderungen gekommen ist, und Sie beklagen das in Sorge darum, dass es in erster Linie um die Position der leitenden Beamten geht. Kollege Schimböck von Ihrer Fraktion hat gemeint, dass es bei leitenden Beam­ten, und zwar bei Landesgendarmeriekommandanten, zu Personalveränderungen gekommen ist. Sie vergessen, meine Damen und Herren – um nicht zu sagen, dass Ihnen das egal ist –, dass eigentlich die Sorge in erster Linie den so genannten kleinen Beamten zu gelten hat. (Bundesrat Konecny: O ja, davon hat er gesprochen!) – Herr Kollege Konecny, ich habe das Gefühl, dass deren Schicksal nicht Ihr Thema ist, denn sonst stünde in Ihrer Dringlichen Anfrage deren Schicksal an erster Stelle und nicht die


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Position der leitenden und höheren Beamten. (Bundesrat Konecny: Bei 5 300 von 30 000, da sind schon ein paar kleine darunter!)

Herr Kollege Konecny! Noch ein paar Bemerkungen zur Kriminalstatistik. Es muss auch festgehalten werden, dass bisher alle Innenminister der Zweiten Republik, im Besonderen aber Minister Franz Löschnak, Minister Caspar Einem und Minister Karl Schlögl – aber auch Bundesminister Ernst Strasser jetzt –, eine völlig eigenwillige Datenerhebung für die Kriminalstatistik hatten, und schon deshalb ist ein Vergleich nicht machbar, weil eben unterschiedliche Grundlagen für diese Erhebungen vorlagen. Es haben sich natürlich die Grundlagen geändert, und diese sind ja ein ausschlag­gebender Teil bei der Erhebung für die Kriminalstatistik.

Es muss uns aber auch bewusst sein, meine Damen und Herren, dass sich in der Zwischenzeit auch die Rechtsnormen geändert haben. In Zusammenhang damit folgende Stichworte: Drogenhandel, Menschenhandel. Für diese Bereiche sind neue, strengere und umfassendere Gesetze geschaffen worden, da es da in letzter Zeit zu einem enormen Anstieg der Kriminalität kam. Vor 20, 30 Jahren waren Rechtsnormen in diesen Bereichen noch nicht erforderlich.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Unabhängig von den Veränderungen der Grundlagen für die Erhebungen bei der Kriminalstatistik bedarf es – und das ist einer der wichtigstes Punkte, die in dieser Debatte behandelt werden sollen – motivierter, engagierter Exekutivbeamter, die bereit sind, die Kriminalität schon im Vorfeld zu bekämpfen, und die bereit sind, sich für so genannte Präventivmaßnahmen einzu­setzen. Diesbezüglich hätte ich mir viel mehr Beachtung in dieser Debatte gewünscht. So hätte ich zum Beispiel erwartet, dass als zentraler Punkt genannt worden wäre, dass wir Parlamentarier uns endlich dazu durchringen sollten, dass ein modernes, zeitgemäßes Dienstrecht erlassen wird. Das wäre ein vernünftiger Schritt, das wäre ein Präventivschritt, das wäre ein motivierender Schritt. Er wäre sicherlich der richtige Weg, die Kriminalität zu bekämpfen, weil sich engagierte, motivierte Beamte dann ihrer Aufgabe gerne stellen würden.

Nun ein Satz zu dem von den Sozialdemokraten eingebrachten Entschließungsantrag: Sie verlangen schon zum wiederholten Male hier in diesem Hohen Haus, dass 1 000 Exekutivbeamte mehr eingestellt werden. Diese Forderung ist auch in einem Protokoll nachzulesen, sie ist ein alter Hut. (Bundesrat Konecny: Aber unerfüllt! – Zwischenruf der Bundesrätin Bachner.) Unabhängig davon, Frau Kollegin Bachner, sagt sie nichts aus über die Notwendigkeit. (Ironische Heiterkeit der Bundesrätin Bachner.) Sie sagen in Ihrem Antrag nichts über den Bedarf. Sie sagen aber auch nicht, wo Sie diese einsetzen und wie Sie diese finanzieren würden. Ich sage es noch einmal: Es ist ein alter Hut!

Die Entwicklung der Kriminalitätsrate hat natürlich auch Veränderungen im Exekutiv­bereich zu Folge. Es wäre an der Zeit, meine Damen und Herren von der SPÖ, sich bei Dringlichen Anfragen an den Zeiterscheinungen, an den Gegebenheiten der Zeit, in der wir leben, zu orientieren, sie dahin gehend auszurichten. Wir werden daher, weil das nicht der Fall ist, Ihrem Entschließungsantrag nicht die Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrätin Bachner: Oh Wunder!)

18.18

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


18.18

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt, nach den Reden meiner


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beiden Vorredner, weiß ich ehrlich gesagt nicht genau, was ich tun soll, denn eigentlich haben bisher schon vier Rednerinnen und Redner von der SPÖ-Fraktion gesprochen und genau und deutlich und klar in vielen Minuten erklärt, was uns erstens zu dieser Dringlichen Anfrage und zweitens zu diesem Entschließungsantrag bewogen hat. (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter.)

Herr Kollege Weilharter, Ihre Behauptung, Sie wüssten nicht den Grund für diese Dringliche Anfrage, führt mich stark in Versuchung, Ihnen jetzt die Langform meiner Rede vorzutragen, die aus 16 DIN-A4-Seiten besteht. Ob ich sie in 20 Minuten durch­bringen kann, weiß ich nicht. Ich könnte es aber doch mit der Kurzform versuchen und werde es jetzt auch tun, aber ich darf mich ja ohnehin noch ein zweites Mal zu Wort melden. Aber vielleicht geht es sich ja aus!

Bei einem, meine Herren – Damen haben von den anderen Fraktionen hier noch keine geredet –, werden Sie mir wohl zustimmen: Mit weniger Personal kann nicht mehr Sicherheit erzeugt werden! Oder? Ich nehme wohl an, dass das ein jeder und eine jede hier herinnen so sieht. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.)

Herr Kollege Kühnel ist jetzt leider nicht im Saal. Trotzdem möchte ich Folgendes klarstellen – vielleicht richten Sie es ihm aus –: Ich weise auf das Schärfste zurück, dass er sich hier herstellt und behauptet, wir wollten polizeistaatliche Methoden ein­führen, weil wir wollen, dass es mehr Exekutivbeamte gibt, als derzeit in Amt und Würden sind, nämlich so viele, wie es schon einmal waren, um die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher zu gewährleisten! Das ist unser Anliegen, und das wollen wir mit dieser Forderung erreichen – nichts anderes! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Baier.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht um die Bevölkerung, falls Ihnen das noch nicht aufgefallen ist! Die Bevölkerung in diesem Staat fühlt sich durch die steigenden kriminellen Handlungen zunehmend gefährdet – und das nicht nur subjektiv. Es bleibt mir nicht erspart, Herr Kollege Weilharter, auch noch ein paar Zahlen zu nennen. Im Gegensatz zu manch anderen Rednerinnen – Rednern; in diesem Fall nützt Gendern einfach gar nichts! –, also: im Gegensatz zu meinen Vorrednern beziehe ich mich auf die österreichische Kriminalstatistik 2003, welche schriftlich vorliegt, welche im Internet abrufbar ist und welche von jedem gelesen werden kann. Nur diese Zahlen werde ich nennen, keine anderen, keine erfundenen, keine, mit denen man das Jahr 2001 mit den ersten neun Monaten des Jahres 2004 vergleicht, damit man möglichst irgend­welche seltsamen Vergleichszahlen herausbringt, die niemand, aber auch wirklich niemand vergleichen kann. (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter.) Ich sage ja nur! Man kann Statistiken auch anders und immer so interpretieren, wie man möchte.

Ich nenne lediglich wenige Zahlen, ganz wenige, die aber eine deutliche Sprache sprechen: Im Vorjahr, also 2003 wurden laut Kriminalstatistik 654 381 Straftaten begangen, das steht da drinnen! Das sind um 10,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor, also im Jahr 2002. Noch stärker angestiegen sind im selben Zeitraum die Eigentums­delikte, nämlich insgesamt um 11,4 Prozent. Und was die Kriminalitätsentwicklung betrifft, so sind die Delikte im Jahr 2003 in diesem Bereich um 8 Prozent gestiegen, die Aufklärung um mehr als 10 Prozent gesunken – alles innerhalb eines Jahres!

Ich denke, es hat keinen Sinn, das Jahr 1997 mit dem Jahr 2004 oder 2003 zu vergleichen, die Entwicklung betrifft vielmehr die letzten Jahre – und das sind die interessanten Zahlen!

Da ich aus dem Bundesland Salzburg komme, auch noch eine Zahl zum Bundesland Salzburg: Auch dort gibt es Steigerungen, allerdings nicht in diesem großen Ausmaß, sondern eine Steigerung von 2 Prozent, die Aufklärungsrate ist natürlicherweise ebenfalls gesunken. Und, meine Damen und Herren, dieser Trend hält sehr wohl auch


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2004 an; es nützt auch nichts, wenn man hier andere Zahlen vorlegt, denn das, was Tatsache ist, muss Tatsache bleiben! Es gibt ein Plus von 2003 auf 2004!

Ich möchte Ihnen nur mit einer Zahl veranschaulichen, wovon wir wirklich reden – vielleicht, Herr Kollege Weilharter, wissen Sie dann, warum wir mehr Personal haben wollen –: Es gibt im Staate Österreich 1 754 Delikte pro Tag! Pro Tag! Von diesen wird nicht einmal die Hälfte aufgeklärt. Und da fragen Sie sich wirklich allen Ernstes, wieso wir mehr Personal haben wollen? Das verstehe ich wirklich nicht! (Bundesrat Weilharter: Wie kommen Sie auf die Zahl ...?)

Der Herr Innenminister, welcher heute leider nicht anwesend ist – ich hätte es gerne mit ihm persönlich diskutiert! –, behauptet in den letzten Jahren fast täglich, dass es mehr Polizisten auf der Straße gibt. Das hören wir immer wieder, das sagt er uns immer wieder in irgendwelchen Sonntags- oder anderen Reden. Diese Behauptungen werden nicht wahrer, nur weil sie immer öfter wiederholt werden. Sie stammen vielleicht aus irgendwelchen Wunschvorstellungen. Wahr sind sie deshalb nicht.

Es ist auch so, dass er sich selbst bereits widersprochen hat. Es gibt im Nationalrat eine parlamentarische Anfrage, und in der Beantwortung dieser Anfrage musste ja auch zugegeben werden, dass diese Zahlen, die der Herr Innenminister in seinen Reden immer vorbringt, so nicht richtig sind.

Auch der Rechnungshof hat diese Zahlen widerlegt. Zum Beispiel hat er festgestellt, dass zu den Polizisten, die sich angeblich auf der Straße befinden, auch jene Polizis­ten gezählt werden, die in der Wachstube sitzen und Zeugen vernehmen. Also wenn man das als Straßendienst bezeichnet, wenn Sie das als Straßendienst bezeichnen wollen – das kann ich mir gar nicht vorstellen, dass Sie das tun! Diese Exekutiv­beamten sind nicht im Außendienst. Was wir brauchen, sind aber Exekutivbeamte im Außendienst.

Auch in Salzburg gibt es natürlich einen eklatanten Personalmangel. Wir haben einen Personalstand, der jenem des Jahres 1992 beziehungsweise 1993 entspricht, was die Sicherheitswache der Bundespolizeidirektion betrifft. Der Personalstand des Kriminal­dienstes entspricht sogar jenem der siebziger Jahren. Wie sich das auswirkt, möchte ich Ihnen an einem ganz kleinen Beispiel zeigen, es war gestern „aktuellst“ in der „Kronen Zeitung“ nachzulesen.

Darin geht es zur Abwechslung einmal nicht um eine Großstadt, sondern es geht um den Pinzgau. Im Pinzgau, so titelt die „Kronen Zeitung“, fehlen 20 Gendarmen. Sie fehlen nicht einmal im Stellenplan, sehr geehrte Damen und Herren, sie sind nur einfach nicht da. Statt 152, die angeblich da sein sollten, sind es nur 131. Jetzt fragen Sie sich: Na und, was sollen denn diese 20 für ein Problem darstellen?

Ich gehe davon aus, die meisten von Ihnen waren schon einmal in einem Skiort, wie wir sie im Pinzgau einige haben, etwa Zell am See, Saalbach und so weiter. Wie Sie wissen, gibt es gerade in der Winterzeit hier sehr, sehr viele Touristinnen und Touris­ten, und das führt zu verstärkten Alkoholproblemen, zu verstärkten Drogendelikten, zu Raufereien, Einbrüchen, fingierten und echten Skidiebstählen et cetera. Zu den 85 000 Einwohnern, die der Pinzgau normalerweise hat, kommen also noch 70 000 Gäste­betten dazu.

Im Zentralraum Zell am See-Kaprun-Saalbach gibt es im Winter zu den 20 000 Einwohnerinnen und Einwohner noch 30 000 Touristinnen und Touristen. (Bundesrat Kneifel: Gott sei Dank!) – Gott sei Dank, genau! Was glauben Sie, wie viele Wachebeamte in der Nacht für diese 50 000 Leute da sind? Man sollte eigentlich erraten können, wie viele man braucht. Stellen Sie sich einmal vor: Ganze zwei! Zwei Beamte sind für den gesamten Raum zuständig, dafür, sämtliche Delikte – und jeder


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von Ihnen, der schon einmal in so einem Ort war, weiß, wie es da zugeht! – die ganze Nacht unter Beobachtung zu halten.

Von Prävention zu reden ist schön und gut – wir wünschen uns auch Prävention –, aber was brauchen wir für die Prävention? – Wir brauchen Personal! Und darum geht es uns.

Im Raum Saalbach ist die Situation besonders dramatisch. Saalbach ist ein wunder­schöner Skiort, ich kann Sie nur einladen, einmal dorthin zu kommen. Der dortige Gendarmerieposten wurde sukzessive geradezu ausgehungert! 21 Gendarmeriebeam­te haben wir in Saalbach gehabt. 21! Und wie viele sind es jetzt? – Ganze acht! Nur mehr acht Beamte sind jetzt dort! Im Winter sollen sie angeblich großzügig auf 16 aufgestockt werden. Wie das passieren soll, wissen wir noch nicht genau.

Im vorigen Winter war das so: Im Jänner ist der Herr Innenminister draufgekommen: Hoppala, das geht wirklich nicht mehr so weiter dort, da stimmt irgendetwas gar nicht mehr!, und hat einige Polizeischüler, die gerade mit der Polizeischule fertig geworden sind, dort hingeschickt. Diese hatten aber weder Ortskenntnisse noch sonst irgendeine Ausbildung, die in so schwierigen Situationen notwendig gewesen wäre. (Bundesrat Kneifel: Aber neue Besen kehren gut!) Dann hat er zu einer Notmaßnahme gegriffen, er hat nämlich aus der Stadt Salzburg Polizisten abgezogen und sie nach Saalbach transferiert, zum Dienst „zugeteilt“ heißt das dann.

Nur: Heuer geht das auch nicht mehr, denn es fehlen in der Stadt Salzburg 90 Exe­kutivbeamte! Also wir geben bestimmt keinen Einzigen mehr her, und das macht der Herr Innenminister auch nicht mehr, hat er uns in der Stadt, Gott sei Dank, schon zugesagt. Aber Saalbach hilft das gar nichts!

Sie sehen also nur an diesem einen Beispiel – und es gibt natürlich nicht nur die von uns in unserer Dringlichen Anfrage angeführten Meldungen in diversen Medien, Unmengen solcher Meldungen! –: Diese Personalzahlen, sehr geehrte Damen und Herren, sind das Ergebnis einer rigiden, linearen und verantwortungslosen Personal­einsparungswelle des Bundes seit dem Jahr 2002!

Die personellen Missstände sind noch verschärft worden durch den Überstunden­erlass – diejenigen, die in diesem Bereich arbeiten, wissen wovon ich rede – und durch die Reduzierung der Mindeststände in den einzelnen Einsatzgruppen. Das hat die Situation nämlich schlussendlich auf die Spitze getrieben.

Dieser massive Personalabbau bei der Exekutive, die Schließung von Gendarmerie­posten – das hat natürlich zur Folge, dass weniger Gendarmeriebeamte und Polizisten auf der Straße sind –, der Überstundenerlass, die Einschränkung von Streifen bei gleichzeitig steigender Kriminalität – und diese ist angestiegen, das wird niemand hier bezweifeln – führen zu einer Übernahme von zahlreichen Sicherheitsaufgaben durch private Sicherheitsgewerbedienste, sehr geehrte Damen und Herren. Das heißt, es kommt zu einer Privatisierung der Sicherheit! Von ÖVP und FPÖ wird das ja oft sogar offen propagiert!

Manche Städte überlegen die Gründung einer eigenen Stadtpolizei oder – so wie Wien – die Übernahme der uniformierten Polizei. Es gibt Gemeinden – und zwar nicht wenige –, die bereits in den letzten Jahren private Wachdienste beschäftigt haben, für verschiedene Dinge wie Überwachungsaufgaben, Streifendienste und so weiter. – Für mich stellt sich da schon die Frage: Wer in diesem Staat ist jetzt eigentlich noch zuständig für die Sicherheit?

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister Strasser – wie gesagt, ich hätte es ihm sowieso gerne selbst gesagt – ist mit seiner Polizeireform – auch das wurde


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schon mehrfach angesprochen –, dem so genannten Team 04, der Zusammenlegung aller Wachkörper, unserer Meinung nach bereits jetzt gescheitert.

Mit großer Mehrheit wird von den einzelnen Wachkörpern – und um die geht es nämlich auch, neben der Sicherheit – die Zusammenlegung und insbesondere das neue Dienstzeitmodell abgelehnt. Dieses Dienstzeitmodell bedeutet nämlich unter anderem – ich kann nur wenige Dinge aufzählen – mehr Arbeit um weniger Geld, Familien- und Gesundheitsfeindlichkeit und zudem ist es unsozial. Der Probebetrieb, der vom Herrn Bundesminister so idealistisch geschildert wurde, hat in Wirklichkeit bereits nach einem Monat zu zahlreichen, nicht wegzudiskutierenden Negativseiten geführt.

Außerdem – und ich möchte es nur noch einmal kurz wiederholen, weil es von meinen Vorrednern von der SPÖ ohnehin schon angesprochen wurde – ist trotz dieser Zahlen, die heute hier genannt wurden, nicht auszuschließen, dass es zu einem Zusam­menbruch des Sicherheitsapparates kommt. Und dabei ist es egal, sehr geehrte Damen und Herren, ob es 5 000 Exekutivbeamte sind, 10 000 oder 12 000, die sich alle neu bewerben müssen – neu bewerben um einen Job, den sie ohnehin haben, von dem sie aber nicht wissen, ob sie ihn behalten werden und wie das nächste Jahr ausgeht.

Herr Kollege Himmer ist jetzt auch nicht da. (Bundesrat Dr. Kühnel: Oja!) – Ah doch, er ist da! Der Vergleich mit der Telekom mag zwar vielleicht für Sie passen, aber die Sicherheitsbeamten in Österreich denselben Situationen auszusetzen, die Sie in der Telekom normal finden (Bundesrat Mag. Himmer: Das habe ich ja nicht gesagt!), das finde ich, ehrlich gesagt, nicht gerechtfertigt!

Grundsätzlich möchte ich für die SPÖ sagen, dass wir natürlich alles begrüßen – natürlich auch die Nutzung der Synergieeffekte zwischen Polizei und Gendarmerie, sollte es zu solchen kommen. Nur: Um die geht es ja dem Innenminister nicht! Es könnte zum Beispiel um ein gemeinsames Beschaffungswesen gehen, um qualifizierte gemeinsame Ausbildungseinrichtungen – ich bin gespannt, ob sie wirklich kommen werden. (Bundesrat Dr. Kühnel: Die gibt es ja schon, Frau Kollegin!) – Ja, gibt es schon?! Sie behaupten, die seien ja alle schon durch all diese Ausbildungs­maß­nahmen durchgegangen – ich weiß nicht genau, welche Altergruppe Sie da im Auge haben. (Bundesrat Dr. Kühnel: Die Jungen sind schon ... ausgebildet!) Ich weiß, dass es nicht nur 25-Jährige bei der Gendarmerie und bei der Polizei gibt.

Die SPÖ spricht sich jedenfalls aus den von mir bereits erwähnten Gründen ganz dezidiert gegen diese in dieser Form geplante Zusammenlegung aus – abgesehen davon, dass diese Form der Zusammenlegung hohe Kosten verursacht, die völlig unnotwendig sind.

Die spezifischen Sicherheitsbedürfnisse – und Sie werden mir Recht geben, dass die unterschiedlich sind, ob es sich um ein Ballungszentrum handelt oder um einen regionalen Raum; Beispiele habe ich ohnehin genannt, sind auch von anderen schon genannt worden –: Diesen spezifischen Unterschieden wird mit dieser Reform – Quasi-Reform – überhaupt nicht Rechnung getragen! Abgesehen davon wäre es sinnvoll, die Ergebnisse des Österreich-Konvents abzuwarten – ich weiß nicht und hätte den Bundesminister gerne gefragt, warum er das nicht tun will –, in dem eine neue Verfassung, aber auch wesentliche Fragen der Behördenstruktur erörtert werden sollen. Vielleicht macht er es ja noch.

Sehr geehrte Damen und Herren! Aus Sicht der SPÖ ist es aus all diesen Gründen nicht sinnvoll, diese so genannte Polizeireform auf die Zusammenlegung dieser beiden Wachkörper zu konzentrieren. Was aber als erster Schritt jedenfalls unbedingt notwendig ist, ist die Besetzung der vorhandenen Planstellen – denn die sind ja nicht


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einmal besetzt! –, aber natürlich auch – denn damit werden wir nicht auskommen – die Erhöhung der Planstellen auf den Stand von zumindest 1999, um die Sicherheit in Österreich zu gewährleisten.

In einem Punkt möchte ich meinen Vorrednern Recht geben, sie haben nämlich alle die Exekutivbeamten auf allen Ebenen gelobt. Für diese Exekutivbeamten soll aber nicht nur Lob gelten, sondern etwas ganz wesentlich Wichtigeres: ihnen annehmbare Arbeitsbedingungen zu garantieren! Das wollen wir mit unserem Entschließungsantrag erreichen, und vielleicht können Sie sich doch noch entschließen, dem zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.35

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Reisenberger. – Bitte.

 


18.35

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sie hatten heute zu einem Thema Stellung zu nehmen, das sicherlich nicht einfach ist, denn wir haben Sie ja kennen gelernt: Wenn es um Ihr Gebiet geht, so vertreten Sie, so habe ich Sie kennen gelernt, Ihre Sache, wenn auch durchaus des Öfteren mit anderer politischer Meinung, aber doch sehr engagiert und vom Inhalt her mit sehr viel Wissen. – Das konnten Sie heute nicht, und Sie waren leider Gottes, das muss man auch dazusagen, nicht gut gebrieft in den Antworten, die Ihnen gegeben worden sind – und das entspricht dem, was typisch für Herrn Minister Strasser ist, was ich tagtäglich in der Diskussion feststellen kann: oberflächlich, über Sachen hinweggehend und sich dann eben auf ein paar Punkte beschränken, die uns nicht gefallen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, Sie müssen es sich ja nicht anhören! Sie können auch hinausgehen, Sie können an etwas anderes denken – all diese Möglichkeiten haben Sie, Frau Kollegin, das bleibt ganz allein Ihnen überlassen.

Auf die erste unserer heutigen Fragen, wie viele Gendarmerieposten geschlossen worden sind, bekamen wir keine Antwort. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Ich habe jede Frage beantwortet!) – Nein, Sie haben gesagt, 119 seien zusammengelegt worden, Herr Minister! (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Ich habe jede Frage beant­wortet!) Sie haben uns trotz Zwischenfragen nicht beantwortet, wie viele geschlossen worden sind. (Bundesrat Kneifel: Jede Frage ist beantwortet!) – Na, dann haben Sie etwas gehört, was in diesem Saal nicht war. Man braucht ja nur das Protokoll herzu­nehmen, dann sieht man es. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir haben ebenso wenig gehört, wie viele Polizeiposten seit dem Jahr 2000 geschlos­sen beziehungsweise zusammengelegt worden sind. – Auch hier hörten wir nur, wie viele zusammengelegt worden sind.

Wir haben zum Beispiel auf die Frage 7, wieso die Aufklärungsquote von 50 auf rund 37 Prozent gesunken ist – gehört: reisende Täter, das seien Gruppen, die machten immer gleich eine „ganze Partie“. – Vollkommen richtig, nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, eines darf man dabei auch nicht vergessen, wenn man sich die Statistik hernimmt: Gerade solche Gruppen, die in Rudeln auftreten und gleich eine „ganze Partie“ mitnehmen, wie Auto-Einbrüche oder Einbrüche in Kleingarten- oder sonstigen Häusern, handhabt die Statistik in der Zwischenzeit folgendermaßen: Wenn fünf Autos aufgebrochen werden oder irgendwo fünf, sechs Kleingartenhäuser, dann war früher jeder Einzelne dieser Fälle ein Fall, der in der Statistik auch als solcher aufgetaucht ist. Heute hingegen sind diese fünf aufgebrochenen Autos nur mehr ein Fall, heute sind drei, vier aufgebrochene Kleingartenhäuser nur mehr ein Fall, der gemeinsam behandelt wird! – So schaut das aus, und so schaut die Statistik aus! (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.)


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Warum höre ich jetzt nur ein betretenes Schweigen von Ihrer Seite her? – Weil Sie es selbst wissen und weil Sie auch betrübt sind deswegen! (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.) Dann, bitte, sagen Sie doch etwas dazu! (Bundesrätin Roth-Halvax: Sinnlos! Zahlt sich gar nicht aus!)

Sie sagen auf die Frage 13, also wie viele Beamte des Ressorts bei den Personal­vertretungswahlen 2004 wahlberechtigt sind, diese Zahl zu eruieren sei nicht möglich. – Das ist aber sehr eigenartig! Diese Wahlen finden in kurzer Zeit statt ... (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) – Ich sage nicht, dass Sie es wissen müssen, Herr Minister! Sie haben gesagt: in etwa 31 800. Aber Sie haben als Antwort mitbekommen, die konkrete Zahl zu sagen sei nicht möglich.

Wie beabsichtigen Sie, das Problem der Karenzvertretung zu lösen? – Hierauf gibt es auch wiederum eine schöne Antwort: Das sei möglich, wenn es vom Budget her „da ist“! (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) – In vielen Fällen stellt sich aber bei der Karenz – und die ist ja vorhersehbar – im Vorhinein schon die Frage: Kann ich etwas machen, oder kann ich es nicht machen?

Gleiches bei Frage 28, warum die Übergangsbestimmungen der Regierungsvorlage nicht in Begutachtung geschickt wurden: Die Komplexität verhindere es. – Also bitte, das sind ja Dinge, die wiederum ganz eindeutig auf die Oberflächlichkeit dieses Ministers – wie er seine Gesetze vertritt und wie er sich der Diskussion stellt – hinweisen.

Wenn ich dann auf Frage 36 höre, dass eigentlich keine Kosten bei der Umstellung der Uniformen beziehungsweise durch die neuen Designs der Fahrzeuge anfielen, so bin ich sehr überrascht, dass der Herr Minister all das offensichtlich in Eigenregie gemacht und nichts dafür bekommen hat. Es kann mir nämlich keiner einreden, dass diese Vorschläge kostenlos – gerade in diesen Fragen! – gebracht worden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gäbe noch eine Menge von Punkten, die man dazu konkret anführen könnte, lassen Sie mich aber nur auf ein paar Punkte eingehen, die jetzt in der Diskussion schon angesprochen worden sind!

Kollege Himmer, der in letzter Zeit wirklich immer mit relativ sachlichen Argumen­tationen aufwartet, hat mich auch heute in einigen Punkten durchaus zur Zustimmung bewegt. Er hat gesagt, dass wir uns in manchen Punkten über Parteigrenzen hinweg sehr einig sind, was die Probleme in diesem Bereich betrifft. Aber Strasser als den Garanten für Lösungen, wie es hier weitergehen kann, zu bezeichnen – also da, muss ich sagen, sind wir leider Gottes schon sehr weit auseinander, denn gerade Minister Strasser ist für mich alles andere als der Garant für Lösungen in diesen Fragen; das zeigt sich auch bei den betreffenden Gesetzen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Kollege Himmer! Dass wir heute von dir zu hören bekommen, dass bei der Übergabe des Ministeriums damals angeblich herausgerissene Kabel vorgefunden wurden, Dateien vorher gelöscht wurden, ist eigentlich sehr bezeichnend dafür, dass diese Märchen – mehr Wahrheitswert haben all diese Aussagen sehr oft nicht – schon das letzte Punkterl sind, zu dem man in dieser Diskussion greift.

Was die Unsicherheit der Mitarbeiter anlangt, unterstelle ich dir, Kollege Himmer, dass du bewusst nicht die Wahrheit darüber gesagt hast, wie du selbst denkst und wie du empfindest, denn gerade die Firma Alcatel ich kannte diese schon sehr gut, als sie noch ITT hieß – war und ist auch heute noch alles andere als eine Firma, die ihre Mitarbeiter in Unsicherheit lässt. Geschäftsleitung und Betriebsrat sind immer gemeinsam bemüht, Notwendigkeiten umzusetzen und nicht, so wie es hier geschieht, Leute ganz einfach ein, eineinhalb Jahre lang in Unsicherheit zu lassen. (Abg. Mag. Himmer: Das ändert sich ständig!)


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Dass sich etwas ändert, das ist klar und geschieht überall, aber das entschuldigt nicht, dass dann Mitarbeitern bewusst eineinhalb Jahre lang oder noch länger gesagt wird: Wird sein, wird vielleicht nicht sein. – Das dürfte man sich in Wirklichkeit nirgendwo leisten, weil die Motivation der Mitarbeiter dadurch mehr als nur sinken würde und man das ganz einfach auch nicht vertreten kann.

Kollege Himmer, du hast gesagt: Keine Posten weniger, aber Hunderte Beamte mehr auf der Straße. Ich hoffe, du weißt nicht mehr und meinst mit „auf der Straße“ nicht, dass sie dann arbeitslos sind. So könnte man das nämlich auch interpretieren, und so kann es aber nicht sein, denn wir haben in Wirklichkeit ganz einfach die Situation – wie heute schon einige Male erwähnt worden ist –, dass die Sicherheit nicht dadurch gesteigert werden kann, dass man weniger Leute für diese Sicherheit sorgen lässt. So geht es ganz einfach nicht.

Wenn wir dann Herrn Bundesrat Kampl aus Kärnten hören, der offensichtlich schon auch die Meinung vertritt, dass in Kärnten alles anders und alles besser ist, und – Kollege Himmer hat vorhin betont, dass man die Namen richtig aussprechen sollte; ich bin schon auch dafür – auf kärntnerisch alles ummodelt und aus unserem Kollegen Konecny einen „Konecnik“ macht, so ist das für uns etwas, worüber man vielleicht lächeln kann, aber nichts von der Wertigkeit her.

Was die Dienstposten in Kärnten betrifft, ist es in Wirklichkeit doch so, dass Haider sich voll dagegengestellt und gesagt hat: Überall anders vollkommen richtig, nur bei mir nicht! – Sein typisches Verhalten, wie er es immer macht. Gut für Kärnten, gar keine Frage. Ich frage Sie an dieser Stelle: Warum weigert sich dann gerade dieses Kärnten mit seinem Landeshauptmann Haider, die vereinbarten Flüchtlingskontingente zu erfüllen? – Das ist plötzlich eine ganz andere Situation, das ist etwas ganz anderes, nicht wahr? Dort, wo es uns passt, spielen wir das eigene Land, dort, wo es uns nicht passt, reden wir uns auf die anderen aus. So ist das doch, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Lieber Kollege Kühnel! Ich würde nie den ersten Bezirk belächeln – ganz im Gegenteil, das ist ein wichtiger Bezirk in Wien, es gibt dort viele Probleme –, aber was ich manchmal belächle – und bitte nicht böse sein –, sind die in meinen Augen zumindest fachlich falschen Schlussfolgerungen, die Sie ziehen. Diese kann ich ganz einfach nicht zur Kenntnis nehmen, ich kann sie auch nicht ernst nehmen, sonst müsste ich sagen: Um Gottes willen, was passiert denn heute hier in diesem Saal?!

Sie haben heute gesagt, Herr Kollege Kühnel, Richter und so weiter und selbst­verständlich auch die Exekutive sollen dienen und schweigen. – Darüber kann ich im besten Sinne nur mehr lächeln, denn wenn ich das ernst nehme, muss ich fragen: Freunde, wo sind wir hier? Wo können solche Aussagen gemacht werden? Das funk­tioniert nicht einmal mehr beim Bundesheer – Gott sei Dank! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Herr Kollege Kühnel! Selbst beim Bundesheer – Gott sei Dank – ist es schon möglich, sein Recht in An­spruch zu nehmen und dieses auch zu artikulieren.

„Angemessene Dienstposten“ heißt bei Ihnen „Polizeistaat“. – Also bitte, wo sind wir denn? Wenn man den Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit geben will und geben muss, ihre Aufgaben zu erfüllen, und sie tun das in einem wahnsinnig hohen Ausmaß, dann muss man sich die Frage gefallen lassen: Wollen Sie einen Polizeistaat?! – Das finden Sie lustig? Ich finde das mehr als traurig, ich finde das mehr als dramatisch, dass Sie hier hergehen und solche Äußerungen von sich geben. Das ist das, was mich im besten Sinne meiner Erziehung manchmal zum Lächeln bringt, um nichts anderes zu sagen, sehr geehrter Herr Kühnel! Nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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Sie erzählen uns heute, wie toll die ÖVP-Frauenpolitik ist. – Wunderbar. Ich höre einige gute Ansätze, muss aber gleich wieder erkennen, dass Ihnen das jemand aufge­schrieben haben muss, denn wenn es dann um „qualifizierte Posten“ geht, sprechen Sie nur von einem „qualifizierten Mann“, der diesen Posten ausfüllen kann. Selbst auf Zwischenrufe hin bleiben Sie beim „qualifizierten Mann“. Eine Frau kann für Sie offensichtlich nicht qualifiziert sein. Das ist die Geisteshaltung, die Sie uns tagtäglich präsentieren, und daher ist ganz einfach das Lächeln darüber schon ein sehr verzo­genes und ein sehr bitteres geworden.

Weniger Beamte in der Exekutive bedeutet weniger Sicherheit – darum kommen wir nicht hierum. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) – Und Beamtinnen, vollkommen richtig, Herr Minister, da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. (Rufe bei der ÖVP: Aufpassen!)

Ich sage auch gleich Folgendes dazu – weil Sie gemeint haben, Sie haben alle Zahlen vom Innenministerium bekommen, weil gesagt wird, nichts wurde abgebaut, nur umge­schoben und dergleichen mehr –: Am 1. September 1999 waren die letzten Personal­vertretungswahlen. Damals lag in Wien der Stand der Wahlberechtigten bei exakt 6 000. Bei den kommenden Wahlen im Dezember werden – das können wir bereits sagen – 5 400 wahlberechtigt sein, exakt 10 Prozent weniger. Diese 10 Prozent haben sich aber nicht irgendwie „aufgelöst“, sondern um diese 10 Prozent ist reduziert worden, ob wir das wahrhaben wollen oder nicht!

Die Überlastung der Kolleginnen und Kollegen, die Dienst versehen, zeigt sich tag­täglich. Ein konkreter Fall: Meiner Tochter wurde das Nummernschild ihres Autos abmontiert, gestohlen, verloren – was genau, kann man im Nachhinein nie sagen. Es war weg. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Selbst wird sie es nicht abmontiert haben, Herr Kühnel; so geschickt wie Sie ist sie nicht.

Wir mussten natürlich Anzeige erstatten und kamen mit den Beamten auf dem Wachzimmer ins Gespräch. Der Kollege, der offensichtlich schon ziemlich gestresst war, erzählte mir, dass er in Wirklichkeit gerade die 22. Stunde Dienst versah. Das sei nicht das Übliche, das stehe nicht im Dienstplan, es sei nur so, dass ein Kollege kurzfristig krank geworden ist, was ja passieren kann, und es absolut keine Reserven gibt.

Das ist nichts Unübliches. In solchen Fällen müssen die Beamten ganz einfach 24, 36, 48 Stunden lang ihren Dienst versehen. Die „Sicherheit“, die somit für uns alle gegeben ist und vor allem auch für die Kolleginnen und Kollegen, die das körperlich durchhalten müssen, brauche ich hier nicht extra zu erläutern, das erklärt sich wohl von selbst. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der Dank an die Beamten, der heute von Regierungsseite gekommen ist, ist mehr als notwendig. Das ist richtig, denn sie verdienen sich mehr als nur ein paar Worte. Wir sind immer wieder vor Ort bei den Kolleginnen und Kollegen, führen Gespräche mit ihnen, wir kennen ihre Probleme und versuchen zu helfen, wo es geht.

Lassen Sie mich mit einem Satz schließen, der zweifelsohne nicht aus dem linken roten oder grünen Eck kommt. Professor Krejci, ein, wie ich meine, anerkannter Wirtschaftsguru sagte: So einen rein politisch gefärbten Austausch von Positionen auf schwarz und ein paar Blaue hat es noch nie gegeben. Als Beisatz meinte er: nicht einmal in einer roten Alleinregierung von Kreisky. – Glückwunsch, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

18.49

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Dr. Kühnel zu Wort gemeldet. Ich weise darauf hin, dass eine


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tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des zu berichtigenden Sachverhaltes zu beschränken.

Herr Dr. Kühnel! Sie haben das Wort.

 


18.50

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Ich danke für den Hinweis, Frau Präsidentin; ich lasse daher alle Anreden weg; man ist mir hoffentlich deswegen nicht böse.

Was die Polizei anlangt, habe ich nicht gesagt, dass sie schweigen soll. Ich habe in meiner Rede, und zwar in Anwesenheit der Frau Justizministerin, bestimmte Gruppen erwähnt – darunter auch die Exekutive –, die sich überlegen sollen, ob sie von ihrem Streikrecht Gebrauch machen. Ich habe nicht gesagt, die Polizei soll schweigen. – Erstens. (Rufe bei der SPÖ: Dienen!)

Das Zweite: Das Streikrecht habe ich nicht in Frage gestellt, aber, wie gesagt, man soll sich überlegen, ob man auf Grund seiner Reputation, die man hat, tatsächlich davon Gebrauch macht.

Drittens – das ist auch eine sachliche Berichtigung – zu Professor Krejci: Es mag schon sein, dass er ein „Guru“ war. (Bundesrat Konecny: Das können Sie nicht tatsächlich berichtigen!) – Ob er heute noch ein „Guru“ ist, weiß ich nicht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Reisenberger: Das ist eine persönliche Einschätzung!)

18.51

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


18.51

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Minister (in Richtung des sich gerade von der Regierungsbank erhebenden Bundesministers Dipl.-Ing. Pröll), lassen Sie sich noch einmal kurz nieder, ich brauche ohnehin nicht sehr lange. Es hat mich jedoch schon gereizt, hier noch einmal herauszukommen. Aber nicht Sie, Herr Bundesminister, waren dafür ausschlaggebend, sondern Herr Bun­desrat Dr. Kühnel mit seiner „netten“ Aussage betreffend diese 1 000 Polizisten mehr, die wir uns wünschen ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Nein, ich glaube nicht! Ob wir uns einen Polizeistaat wünschen, wurden wir gefragt. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Aber dass wir uns deshalb einen Polizei­staat wünschen, ist eine Unterstellung von Ihnen!

Der Unterschied zwischen einem Polizeistaat und einem Nicht-Polizeistaat hängt doch nicht von der Zahl der Polizisten, sondern wohl eher von den Methoden ab, die Polizisten anwenden. (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Polizistinnen!) – Polizistinnen und Polizisten, ja!

Wenn hingegen Herr Minister Strasser mit seinem Vorschlag betreffend Videoüber­wachung von öffentlichen Plätzen kommt, dann hat das für mich schon ein bisschen mehr mit Polizeistaat zu tun.

Seitens des Klubs der Grünen in Niederösterreich wurden im vergangenen Jahr einige Gendarmerieposten besucht, und wir haben dort die Beamten gefragt, was ihnen so abgeht. Ziemlich unisono hat es darauf folgende Antworten gegeben: Wir sind einfach zu wenige Leute; es gibt nicht einmal einen Internet-Anschluss am Posten. Und wenn man das Wort „ADONIS“ in den Mund genommen hat, haben eigentlich alle Beamten


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eher zu lächeln beziehungsweise zu lachen begonnen. Mehr ist ihnen zu den Refor­men nicht eingefallen.

Da Sie, Herr Kollege Kühnel, gesagt haben, Sie verstehen nicht, dass Kollege Schen­nach Bedenken hat bezüglich parteipolitischer Einflussnahme, wenn Polizei und Gendarmerie zusammengelegt werden, kann ich dazu nur sagen: Sie sind auch nicht aus Niederösterreich, sondern aus Wien! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

18.53

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen vor, und zwar auf Fassung einer Entschließung betreffend tausend Exekutiv­beamtin­nen beziehungsweise Exekutivbeamte mehr für die Sicherheit der Österreicher und Österreicherinnen.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die Verhandlungen zur Tages­ordnung wieder auf. Wir setzen die Verhandlung über Tagesordnungspunkt 10 betref­fend das Gentechnikgesetz fort.

Es liegt hiezu allerdings keine Wortmeldung mehr vor.

Ich frage: Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Daher ist die Debatte über Tagesordnungspunkt 10 geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz über das Verbot des Inverkehrbringens von kosmetischen Mitteln, die im Tier­versuch überprüft worden sind (614 d.B. und 631 d.B. sowie 7129/BR d.B. und 7140/BR d.B.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen zum 11. Punkt der Tages­ordnung.


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Die Berichterstattung darüber hat Frau Bundesrätin Wimmler übernommen. Ich bitte sie um den Bericht.

 


Berichterstatterin Herta Wimmler: Geschätzte Frau Ministerin! Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des National­rates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz über das Verbot des Inverkehrbringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fraunschiel. – Bitte.

 


18.56

Bundesrätin Andrea Fraunschiel (ÖVP, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Der vorliegende Beschluss beruht auf einem Vier-Parteien-Antrag, und dieses Gesetz dient der Umsetzung einer EU-Richtlinie. Damit sollen die Rechtsvorschriften der EU-Mitgliedstaaten betreffend kosmetische Mittel angeglichen werden.

Österreich hatte ja schon ein generelles Verbot von Tierversuchen bei der Herstellung von Kosmetika ausgesprochen. Österreich hatte da eine Vorreiterrolle, was aber sicherlich insofern einfacher war, als es in Österreich keine großen Kosmetikhersteller gibt.

Dieses Verbot war eine wichtige Maßnahme, bedeutete aber, dass zwar in Österreich hergestellte Kosmetika ohne Tierversuche hergestellt wurden, jedoch konnte das bei den in Österreich im Handel erhältlichen Kosmetika nicht festgestellt beziehungsweise nachgewiesen werden.

Nunmehr wird sichergestellt, dass Kosmetika, bei deren Herstellung Tierversuche durchgeführt werden, obwohl entsprechende Alternativen bereits erarbeitet und vali­diert wurden, nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen. Konsumentinnen – und, wie ich höre: auch immer mehr Konsumenten – können daher sicher sein, dass Produkte EU-weit nach denselben Standards hergestellt und kontrolliert werden.

Der meiner Überzeugung nach wichtigste Punkt: Tierleid kann damit vermieden werden. Es stellt ein Zeichen des Grades der Humanität einer Gesellschaft dar, wie mit Mitgeschöpfen umgegangen wird.

Daher ist unsere Fraktion selbstverständlich für ein solches Gesetz. (Beifall bei der ÖVP.)

18.58

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


18.58

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Jedes Jahr werden mindestens 35 000 Tiere allein in Europa und 1 000 weitere Tiere weltweit in qualvollen und unzuverlässigen Versuchen verwendet, um Kosmetika und deren Inhaltsstoffe zu testen. Hautcremes, Make-ups, Shampoos, Parfums, Zahnpasten und so weiter: All diese Produkte werden in Tierversuchen getestet.


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Wenn man bedenkt, dass die Zahl der Versuchstiere seit dem Jahre 1999 um 32 Pro­zent gestiegen ist, sieht man, dass das eine alarmierend hohe Zahl ist. Im Bereich Kosmetik wird eine Vielzahl verschiedener Tierexperimente durchgeführt. Dazu gehört zum Beispiel ein schmerzhafter Augen- und Hauttest zur Untersuchung augen­reizen­der Eigenschaften, bei dem unbetäubten, in Kästen fixierten Kaninchen Substanzen in die Augen geträufelt werden. Der Hautreizungstest, bei dem der Teststoff auf die geschorene Rückhaut von Kaninchen oder Meerschweinchen gerieben wird, ist pure Tierquälerei!

Die Niederlande und England sind derzeit die einzigen Länder, die ein ausnahmsloses Verbot von Tierversuchen für Kosmetika und deren Inhaltsstoffe vorgeschrieben haben.

Gerade in der Kosmetikindustrie finden sich bereits Möglichkeiten, auf Tierversuche zu verzichten, da es zahlreiche Alternativmethoden zu Tierversuchen gibt, sei es mit neuen Labormethoden, verbesserten Prüfstrategien oder durch computerunterstützte Methoden, die Inhaltsstoffe auf ihren Aufbau und ihre Wirkung hin miteinander vergleichen können. Man könnte teilweise auch auf die altbewährten Kosmetikrohstoffe zurückgreifen, die den Kosmetikbedarf völlig abdecken würden.

Wenn wir derzeit irgendein kosmetisches Produkt kaufen, unterstützen wir im Allge­meinen die Durchführung dieser Tierversuche, auch wenn an dem Produkt selbst nicht mehr getestet wird. Wenn die Konzerne feststellen, dass immer mehr Menschen darauf achten, dass sie Kosmetikprodukte kaufen, die nicht an Tieren getestet wurden, und wenn sie feststellen müssen, dass immer mehr Menschen nicht bereit sind, Tierver­suche für Kosmetika mitzufinanzieren, dann werden diese Konzerne umdenken müssen und Alternativen zu Tierversuchen entwickeln müssen.

Viele Firmen preisen ihre Produkte mit dem Vermerk „tierversuchsfreie Kosmetik“, „ohne Tierversuche“ an. Dies stimmt nicht immer und ist eine Irreführung des Konsu­menten. Andere Firmen führen mit ihren Endprodukten Tierversuche durch, um bei Gesundheitsschäden der Anwender nicht haftbar zu sein.

Ziel aller politisch Verantwortlichen muss es sein, dass die Entwicklung von kosme­tischen Mitteln ohne Tierleid möglich ist und die Herstellung von Kosmetika ohne Tierversuche erfolgt.

Wir stimmen daher dem Bundesgesetz über das Verbot des Inverkehrbringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind, zu. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mag. Himmer.)

19.02

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


19.02

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es freut mich, dass im Zuge der Ausschussverhandlungen die ursprüngliche Regierungsvorlage um wesentliche Punkte ergänzt werden konnte, sodass damit auch der grünen Fraktion eine Zustimmung möglich wurde und es sich beim vorliegenden Gesetz um einen Vier-Parteien-Antrag handelt.

Die Schönheitsindustrie mag ein umsatzstarker und lohnenswerter Wirtschaftszweig sein, damit lässt sich aber Tierquälerei nicht rechtfertigen. Einerseits sollte allein schon zu denken geben, dass überhaupt Produkte für Kosmetika verwendet werden, die derart starke und reizende Nebenwirkungen haben. Darüber hinaus dienen Tierver­suche in der Kosmetikindustrie auch weniger dem Schutz der Konsumentinnen und


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Konsumenten, sondern in erster Linie der Absicherung der Produzierenden, indem sie nämlich einen Schutz vor Regressforderungen darstellen.

Wer Kosmetika produziert, muss nämlich, bevor er sie auf den Markt bringen kann, gewisse Testergebnisse nachweisen und ist damit dann für eventuell trotzdem auftre­tende Schäden, die es durchaus geben kann, nicht mehr haftbar. Dass das Produkt aber wirklich unbedenklich ist, lässt sich normalerweise erst nach einem längeren Gebrauch durch Menschen mit Sicherheit sagen.

Eine derartige Quälerei von Tieren, wie sie bei diesen Tests passiert, lässt sich jedenfalls nicht mit dem Profitstreben der Kosmetikindustrie legitimieren.

Dass das Inverkehrbringen von Kosmetika, die in Tierversuchen getestet wurden, nun wirksam verboten wird, ist eine gute Maßnahme, kann aber trotzdem nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass nur ein kleiner Teil der tatsächlich durchgeführten Tierversuche in der Kosmetikindustrie stattfindet. Das weitaus größere Problem stellt der medizinische Bereich dar. Bei jeder Diskussion über Tierversuche kommt früher oder später dieses Totschlagargument, dass man in der Forschung eben nicht ganz auf Tierversuche verzichten kann und diese notwendig sind – und damit fertig.

Es ist noch lange nicht so, dass wir vor der lückenlosen Abschaffung von Tierver­suchen stehen würden oder dass Tierversuche nur in Fällen durchgeführt würden, wo es keine andere Möglichkeit gibt. Das Gegenteil ist der Fall. Die Suche nach Alternativen wird in viel zu geringem Ausmaß betrieben. Das Budget, das in Österreich zur Erforschung dieser Alternativmethoden zur Verfügung steht, ist relativ gering, obwohl die EU in einer Richtlinie ihre Mitgliedstaaten auffordert, eben diese Forschung zu verstärken.

Trotzdem gibt es bereits jetzt eine ganze Reihe von Methoden, die Tierversuche ersetzen könnten, auf die auch meine Vorrednerin schon hingewiesen hat. Diese reichen von Versuchen an Zellkulturen, an gebrüteten Hühnereiern, die zum Beispiel den Test über die Reizwirkung von Chemikalien oder kosmetischen Substanzen er­setzen könnten, Gewebsschnitten oder niedrigen Organismen über analytische Methoden bis hin zu Computersystemen, die vor allem im rein naturwissenschaftlichen Teil von Forschung eingesetzt werden können.

Dass oft aber die etablierte Methode des Tierversuches vorgezogen wird, dürfte auch an der mangelnden Forschung und viel zu geringen Förderung von Alternativen liegen.

Obwohl Tierversuche in der Forschung sehr beliebt sind, ist auch ihre Aussagekraft inzwischen durchaus umstritten, denn Menschen und Tiere sind so unterschiedlich, dass sich die Ergebnisse aus Tierversuchen keinesfalls ohne weiteres auch auf Menschen umlegen lassen. Das ist auch der Grund dafür, dass zum Beispiel ein Medikament, das an Tieren getestet wurde, bevor es auf den Markt kommt, noch am Menschen getestet werden muss.

Die weite Verbreitung von Tierversuchen beruht aber gerade auf der Annahme, dass die Reaktion des Tieres zumindest vergleichbar ist mit jener des Menschen. Das Krankheits- und Heilungsgeschehen bei Menschen ist allerdings sehr komplex. In den so genannten Tiermodellen werden zwar Systeme und Krankheitsbilder künstlich hergestellt und untersucht, aber sehr viele Faktoren, die bei der Krankheitsentstehung wichtig sind, können nicht nachgeahmt werden, wie zum Beispiel Ernährung, Stress, Umwelteinflüsse, psychische oder soziale Faktoren und vieles mehr.

Trotzdem werden diese Tests durchgeführt, die diese Faktoren nicht berücksichtigen, vor allem bei Krankheiten wie Krebs, Allergien oder Herz- und Kreislauferkrankungen, obwohl bekannt ist, wie sehr die äußeren Umstände genau in diesen Fällen den


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Krankheitsverlauf beeinflussen. Die Aussagekraft solcher Tests ist mit Sicherheit begrenzt.

Ein Ausweg aus dieser Situation liegt meines Erachtens in einer verstärkten Erfor­schung von wissenschaftlichen Alternativen zu Tierversuchen. Gleichzeitig muss sich Österreich auch auf der EU-Ebene massiv dafür einsetzen, dass bereits entwickelte Alternativmethoden rasch anerkannt werden, denn an der bisher in Österreich gültigen Regelung – so gut sie im Prinzip auch war – konnte man nur zu gut erkennen, wie begrenzt in diesem Bereich die Wirkung von rein nationalen Regelungen ist.

Durch eine verpflichtende Veröffentlichung aller durchgeführten Tierversuche könnten ebenfalls viele Doppel- und Mehrfachversuche und somit sehr viel Tierleid verhindert werden. Ziel in der Zwischenzeit müsste es sein, Tierversuche durch alternative Verfahren zu ersetzen, wo es medizinisch unbedenklich und wissenschaftlich möglich ist, und den Bereich von vermeidbaren Verfahren schnellstmöglich zu vergrößern. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.07

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fröhlich. – Bitte.

 


19.07

Bundesrätin Christine Fröhlich (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuallererst darf ich meiner Freude darüber Ausdruck geben, dass im Nationalrat einstimmig der Beschluss gefasst wurde, dass der Handel mit Kosmetika, welche mit Hilfe von Tierversuchen entwickelt wurden, bis zum Jahr 2013 schrittweise verboten wird.

Es ist nicht einzusehen, warum unzählige Tiere unsägliches Leid erdulden müssen, wenn andere Methoden, zum Beispiel Tests mit menschlichen Zellkulturen, zum gleichen, wenn nicht sogar zu einem besseren Ergebnis führen.

Obwohl es bereits Tausende Schönheits- und Körperpflegeprodukte gibt, forscht die kosmetische Industrie unermüdlich an neuen chemischen Wirkstoffen. So führt die kosmetische Industrie als Grund für die Durchführung von Tierversuchen die Ver­brauchersicherheit an. Angeblich können nur Tierversuche die Unbedenklichkeit von Kosmetika garantieren und vor möglichen Schäden durch ein neues Produkt schützen. In Wahrheit tragen Tierversuche nicht zur Sicherheit der Verbraucher bei. Die Ergeb­nisse der Experimente lassen sich wegen der vielfältigen anatomischen und psychi­schen Unterschiede zwischen Mensch und Tier sowie zwischen Tieren untereinander nicht auf den Menschen übertragen.

Bei den Herstellern von Kosmetikprodukten zeichnen sich deutliche Parallelen zur Vorgehensweise der Pharmaindustrie ab, beide sichern sich mit Tierversuchen vor Ersatzansprüchen bei möglichen Schadensfällen ab. Tierversuche dienen damit der Sicherheit des Produzenten, nicht des Verbrauchers, sie haben lediglich eine Alibi­funktion.

Der vorliegende Gesetzentwurf geht somit in die richtige Richtung. Ein besonderes Augenmerk muss aber natürlich darauf gelegt werden, dass in unserem Wirtschafts­raum nicht strenge Maßstäbe angelegt werden, aber aus nicht EU-Ländern falsch oder mangelhaft deklarierte Produkte zu Dumpingpreisen bei uns auf den Markt kommen.

Auch wenn das Wohl der Menschen für uns oberste Priorität haben muss, dürfen wir doch die Ehrfurcht vor der Kreatur nicht verlieren. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheit­lichen und den Grünen.)

19.10

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
714. Sitzung / Seite 163

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist Frau Bundesminis­terin Rauch-Kallat. – Bitte.

 


19.10

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Präsi­dentin! Hoher Bundesrat! Österreich hatte bereits ein Gesetz, das das Inverkehrbrin­gen von Kosmetika, die im Tierversuch getestet wurden, verboten hat. Dieses Gesetz war leider nicht mehr EU-konform – Österreich hatte damit eine Vorreiterrolle inne –, und daher war es zu novellieren.

Mit der vorliegenden Novelle wird der EU-Konformität Rechnung getragen und gleichzeitig sichergestellt, dass auch in Zukunft Kosmetika, die im Tierversuch getestet wurden, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, in Österreich nicht in Verkehr gebracht werden dürfen.

Österreich kommt damit seinen Vorstellungen von einem umfassenden Tierschutz nach, und ich danke sehr herzlich für die Zustimmung im Nationalrat und gehe davon aus, dass es auch hier im Bundesrat die Zustimmung aller Fraktionen geben wird.

Sie können sicher sein, dass ich als für den Tierschutz verantwortliche Ministerin auch in Zukunft alles tun werde, um Tierleid zu verhindern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.11

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist damit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die als Bundesgesetz geltende Verordnung über den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei Arbeiten in Druckluft sowie bei Taucherarbeiten und das Mutterschutzgesetz 1979 geändert werden (504 d.B. und 632 d.B. sowie 7141/BR d.B.)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Väter-Karenzgesetz geändert wird (633 d.B. sowie 7142/BR d.B.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 12 und 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 12 und 13 ist Frau Bundesrätin Fraunschiel. Ich darf sie um die beiden Berichte bitten.

 



Bundesrat
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714. Sitzung / Seite 164

Berichterstatterin Andrea Fraunschiel: Ich bringe den Bericht des Gesundheits­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die als Bundesgesetz geltende Verordnung über den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei Arbeiten in Druckluft sowie bei Taucherarbeiten und das Mutterschutzgesetz 1979 geändert werden.

Der Ausschussbericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich darf daher sogleich den Antrag stellen:

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters erstatte ich den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Väter-Karenzgesetz geändert wird.

Auch dieser Ausschussbericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


19.15

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich werde mich heute ausnahmsweise nicht zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie äußern, sondern ich werde argumentieren, warum die grüne Fraktion bei Punkt 12 der Tagesordnung nicht zustimmen wird. Es ist allerdings ein wenig ermüdend, wenn man immer wieder auf dieselben Dinge hinweisen muss.

Die Verordnung über den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer) – vielleicht hören Sie mir zu! – bei Arbei­ten in Druckluft sowie bei Taucherarbeiten behandeln wir heute nur deshalb, weil die EU eine Verletzung der Gleichbehandlungsrichtlinie festgestellt hat. Infolgedessen ist auch der Inhalt, der uns heute vorliegt, eine nötige Anpassung, und gegen diesen Inhalt würden wir uns auch nicht aussprechen.

Unsere Ablehnung ist symbolisch zu sehen, und zwar aus folgendem Grund: Die Form dieses Gesetzes ist auch wichtig, und wenn es schon darum geht, dass das Gesetz geändert wird, weil die Gleichbehandlungsrichtlinie verletzt wurde, würden wir uns wünschen, dass es durchgehend geschlechtsneutral formuliert wird.

Wenn schon einzelne Begriffe in diesem Gesetz, zum Beispiel „Signalmann“, genau deshalb geändert werden, weil sie nicht geschlechtergerecht, nicht geschlechtsneutral sind, dann ist es mir nicht verständlich, wieso es nicht möglich ist, im selben Atemzug gleich das gesamte Gesetz geschlechtsneutral zu formulieren; so groß könnte der Aufwand dafür nicht sein.

So wie es jetzt gemacht wurde, klingt eine ganze Reihe von Sätzen in diesem Gesetz konfus. Es ist auch besonders interessant, die Materialien dazu zu lesen. Da ist davon die Rede, dass in Zukunft, wenn man dieses Wort durch jenes ersetzt, auch für Frauen die Ausübung dieser Tätigkeit möglich ist. Dann wird explizit gesagt: ist auch „Arbeit­nehmerinnen“ die Arbeit als „Taucherinnen“ möglich. Etwas später ist dann von „Arbeit­nehmern“ und deren „Schwangerschaft“ die Rede.


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Es ist einfach sprachlich derart konfus, dass wir diesem Gesetz nicht zustimmen wollen, nicht also, weil wir gegen den Inhalt sind, sondern einfach deshalb, weil wir der Meinung sind, insbesondere in diesem Bereich wäre es doch auch wichtig, auf die Symbolik zu achten. Mit der sprachlichen Symbolik dieses Gesetzes sind wir nicht einverstanden, vor allem deshalb, weil dieses Gesetz heute zur Diskussion steht, weil die Gleichbehandlungsrichtlinie verletzt wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

19.17

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zum Wort gemeldet: Frau Bundesrätin Gansterer. – Bitte.

 


19.17

Bundesrätin Michaela Gansterer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Jedes Gesetz, ob neu oder nur EU-konform angeglichen, wie das beim vorliegenden Väter-Karenzgesetz der Fall ist, das zur Verbesserung der Stellung der Familie bezie­hungsweise zur Gleichstellung von Frau und Mann innerhalb der Familie beiträgt, wird von mir begrüßt und unterstützt. So ist es eben auch bei diesem Väter-Karenzgesetz. Ich persönlich als dreifache Mutter hätte mir dieses Gesetz schon vor Jahren ge­wünscht.

Leider sprechen die Zahlen noch nicht das, was ich mir selbst auch vorstelle. Diese Regelung wird von den Männern noch nicht so in Anspruch genommen, aber ich denke, dass das eine Frage der Zeit ist. Wir müssen auch weiterhin darauf drängen und daran arbeiten, dass der Einkommensunterschied zwischen Mann und Frau ausgeglichen wird.

Dieses Recht auf Karenzurlaub für Väter ist auch deshalb ein Schritt in die richtige Richtung. Es bedeutet eben, dass eine Frau, wenn sie einen Kinderwunsch hat, nicht gleichzeitig auf Karriere, Beruf und damit auch auf eine gute Verdienstmöglichkeit verzichten muss.

Karenzurlaub für beide Elternteile zur gleichen Zeit halte ich für nicht notwendig und auch für nicht finanzierbar, weder von Seiten des Staates noch von der betroffenen Familie selbst.

„Vaterschutzmonat“ ist ein Begriff, der für mich überhaupt sehr neu war. Ich kann mit diesem Begriff auch nicht wirklich etwas anfangen. Ich weiß nicht genau, wovor man den Vater da schützen muss.

Ich glaube, dass eine Frau – und darauf sind wir im Endeffekt auch sehr stolz – absolut in der Lage ist, nach einer normalen Geburt – ich spreche hier nicht von einem Kaiserschnitt und nicht von Komplikationen – ein Baby zu betreuen und auch noch die notwendigen Dinge im Haushalt zu verrichten.

Damit wir einander nicht falsch verstehen: Ich nehme hier die Männer, die Väter ganz gewiss nicht aus der Pflicht, aber ich glaube, dass sie nach der Arbeit noch aus­reichend Zeit haben, sich bei der Erziehungsarbeit genauso wie bei der Hausarbeit einzubringen.

Karenzanspruch hat meiner Meinung nach nur der, der mit dem Kind in einem Haushalt lebt, wenn es beide Elternteile sind, dann beide. Aber wenn ein Elternteil mit einem Kind allein in einem Haushalt lebt, dann sprechen wir doch immer vom Allein­erzieher – und dann plötzlich kommt der Elternteil, der nicht mit dem Kind zusam­menlebt und nimmt Karenzurlaub in Anspruch. In dem Moment übernimmt er doch auch einen großen Teil der Erziehungsarbeit. Das ist für mich ein Widerspruch zum Begriff „Alleinerzieher“. Wenn man damit vielleicht bewirken möchte, dass der Elternteil, der mit dem Kind nicht zusammenlebt, sich mehr um das Kind kümmert und


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sorgt, dann verstehe ich das sehr wohl, aber auch da glaube ich, wenn der echte Wille vorhanden ist, ob jetzt vom Vater oder von der Mutter, sich da einzubringen, dann ist absolut ausreichend Zeit dafür: in der Freizeit, am Wochenende, am Feierabend und im Urlaub. Der echte Wille muss vorhanden sein, und ich glaube, es gilt auch hier wie bei vielen anderen Themen der Leitsatz: Qualität geht vor Quantität. Wenn ich die Zeit, die ich für mein Kind habe, wirklich sinnvoll und gut nütze, dann wird sich das auf die Zukunft unserer Kinder sehr positiv auswirken. Es geht nicht immer um Quantität. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

19.21

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Lueger.

 


19.22

Bundesrätin Angela Lueger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ein Vertragsverletzungs­verfahren der EU zwingt Österreich wieder einmal, eine Änderung des Bundesgeset­zes über den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Arbeiten in Druckluft sowie bei Taucherarbeiten herbeizuführen. Einerseits ist es begrüßenswert, dass die sprachliche Gleichbehandlung in einigen Teilen dieses Gesetzes Einzug gehalten hat. Es stimmt mich aber trotzdem traurig, dass es nicht gelungen ist, dass man die Chance nicht genützt hat, speziell wenn ein Gesetz zur Änderung ansteht, alles geschlechtsneutral zu formulieren. Nichtsdesto­trotz werden wir diese Änderung unterstützen und diesem Antrag zustimmen.

Zum Zweiten möchte ich zum vorliegenden Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Väter-Karenzgesetz geändert werden soll, kommen. Diese Änderung ist auch durch ein von der Europäischen Kommission eingeleitetes Verlet­zungsverfahren gegen die Elternurlaubsrichtlinie notwendig geworden. In der bishe­rigen Regelung trat das Recht des Vaters hinter das Recht der Mutter zurück. Männer, die in Karenz gehen, sind in der Minderheit. Lediglich 2,3 Prozent der Väter waren im Vorjahr in Karenz. Nach Ergebnissen einer Studie würden jedoch gerne 37 Prozent der Väter bei ihren Kindern zu Hause bleiben. Wunsch und Wirklichkeit klaffen also weit auseinander.

Die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen haben sich nicht verbessert, nein, sie sind sogar schlechter geworden. Es gibt keine effektiven Ansätze für Veränderungen oder Verbesserungen der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung. Diese Regierung rühmt sich immer wieder, besonders familienfreundlich zu sein, doch in Wirklichkeit fehlen die geeigneten Rahmenbedingungen und die entsprechenden Begleitmaß­nah­men. Budgetmittel für die Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen, die so ge­nannte Kindergarten-Milliarde, wurden gestrichen. Ich denke, dass sie ein guter Beitrag war, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern.

Frau Ministerin! Mit Ihrem Bericht über fehlende 18 000 Kinderbetreuungsplätze, den Sie gemeinsam mit der Staatssekretärin vorgelegt haben, gehen Sie meines Erachtens an der Realität vorbei. 90 000 Kinder haben keinen oder keinen geeigneten Kinder­betreuungsplatz. Vor allem im ländlichen Raum herrscht Mangel an ganztägigen hoch­wertig pädagogisch geführten Kinderbetreuungseinrichtungen.

Das Geld, meine Herrschaften, ist das zweite Argument, warum Väter nicht in Karenz gehen. Männer verdienen immer noch mehr als Frauen. Die Lohnschere zwischen Männern und Frauen geht immer weiter auseinander, und jetzt erklären Sie mir bitte: Wie sollen es sich die jungen Familien mit Kindern leisten können, auf das höhere Einkommen, das dann entfallen würde, zu verzichten?! Ich kenne sehr wenige, die sich das leisten können; auch die Statistik mit diesen 2 Prozent hat das eindeutig bewiesen.


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Eine wesentliche Forderung seitens der Kinderfreunde ist die Einführung des Vater­schutzmonats. Ich finde diese Idee sehr gut, und daher steht auch die SPÖ hinter dieser Idee, denn so haben Väter und Mütter die Möglichkeit, sich auf die neue Familiensituation einzustellen. Und da stimme ich Kollegin Gansterer nicht zu, wenn sie sagt, bei den Vätern geht es nicht um die Quantität, sondern um die Qualität. Meines Erachtens reicht es nicht aus, dass Väter zwei oder drei Stunden zur Verfü­gung haben, um mit ihren Kindern zu spielen. Wenn die Männer arbeiten gehen und dann spät nach Hause kommen, wird nicht die Möglichkeit sein ... (Zwischenruf der Bundesrätin Gansterer.) – Legen Sie Ihr neugeborenes Kind um 22 Uhr nieder? (Bundesrätin Gansterer: Oft, oft!) Oft! Okay, dann sind Sie vielleicht die rühmliche Ausnahme, aber das stimmt sicherlich nicht!

Meines Erachtens können Väter Erfahrungen sammeln, wenn sie im Sinne der Gleich­berechtigung einen angemessenen Teil der Betreuungsarbeiten übernehmen.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich glaube auch nicht, dass man Männer dazu ermutigen kann, die Väterkarenz in Anspruch zu nehmen, wenn ich mir die derzeitige Arbeits­markt­situation ansehe, noch dazu, wo der Kündigungsschutz für Väter drastisch vermindert wurde. Die gespannte Arbeitsmarktlage verhindert meines Erachtens die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und verstärkt umso mehr die traditionelle Ge­schlechterrolle. Es bedarf noch gewaltiger Anstrengungen, dass es in den nächsten Jahren dazu kommt, dass noch mehr Väter die Karenz in Anspruch nehmen. Aber wir werden nicht aufgeben und konstruktiv daran mitarbeiten, dass es zu einer gleich­berechtigten Aufteilung von Betreuungsarbeiten kommt. Wir werden daher dieser Änderung zustimmen, aber nur mit dem Beisatz, dass das nur die Basis und die Ausgangslage sein kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.28

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


19.28

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kollegin Gansterer! Es war ja hervor­ragend, dass du vorher herausgegangen bist und alles schon einmal angeschnitten hast, jetzt brauche ich nur mehr darauf einzugehen.

Erklär mir bitte: Warum ist für dich das Wort „Vaterschutzmonat“ so komisch, und warum braucht der Vater keinen Schutz, wenn es gleichzeitig Mutterschutzwochen gibt? Also ich weiß nicht, warum die Mutter einen Schutz braucht ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, schon, aber der Vater könnte das auch übernehmen, ich finde das nicht so abwegig. (Zwischenruf der Bundesrätin Gansterer.) Das ist mir schon klar, dass er nicht schwanger werden kann, aber warum ist „Vaterschutzmonat“ so abwegig, wenn es Mutterschutzwochen gibt? (Bundesrat Mag. Himmer: Es ist schon ein Stress, der Vaterschutzmonat!) Ja, es ist schon Stress, genau! Vielleicht könnt ihr euch das noch parteiintern ausmachen.

Des Weiteren verstehe ich auch nicht, warum es so abwegig ist, dass beide Elternteile gleichzeitig die Karenz in Anspruch nehmen. Das heißt ja nicht, dass beide Elternteile zwei Jahre lang Vollzeit zu Hause sind, sondern das heißt, dass sie sich einfach die Karenzzeit aufteilen können, und das wäre doch nicht ... (Zwischenruf der Bundesrätin Gansterer.) – Ja, aber warum können sie nicht gleichzeitig in Teilzeitkarenz gehen? Das würde ja nicht mehr kosten, das wäre nur eine weitere Wahlmöglichkeit für die Familien. (Bundesrätin Gansterer: Es ist ein Unterschied, ob ich sage, beide gleich­zeitig, oder ob ich sage ...!) Ja, aber sie können trotzdem beide gleichzeitig in Karenz gehen, dann wäre es auch aufgeteilt, und es gibt ja trotzdem nur zwei Jahre Karenz


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und einen Tag pro Person. (Bundesrätin Gansterer: Dann ist keiner beim Kind! Ist das gescheiter?) Nein, da wäre ja trotzdem jemand beim Kind. Man kann ja auch Teilzeit arbeiten in der Karenz.

Dass es so abwegig sein soll, diese Möglichkeit den Vätern einzuräumen, das verstehe ich nicht ganz. (Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Gansterer.)

Ich denke, wir sind uns alle darüber einig, dass die Väterkarenz viel zu wenig in Anspruch genommen wird. Dass das viele Gründe hat, dass diese Väterkarenz viel zu wenig in Anspruch genommen wird, darüber sind wir uns, glaube ich, auch einig. Dass zu diesen Gründen die Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau zählen, da sind wir uns auch einig.

Ich denke, es wäre auch eine Möglichkeit, vielleicht ein paar Väter dazu zu bewegen, die Väterkarenz in Anspruch zu nehmen, wenn ich möglichst viele Variationen anbiete. Und eine dieser Variationen wäre meiner Meinung nach, dass man sich die Karenz aufteilt, indem man gleichzeitig in Teilzeitkarenz geht. (Beifall bei den Grünen.)

19.31

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich kann nur sagen, es ist durchaus erfreulich, dass hier im Haus im Prinzip alle aus eigener Erfahrung sprechen und sich untereinander unterhalten. Es ist nur schon schwierig, den Redner noch zu verstehen.

Ich darf bitten, dass jetzt Herr Bundesrat Schnider zum Rednerpult kommt.

 


19.31

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz mancher launiger Bemerkungen zwischen­durch muss ich sagen, dass man in dieser Diskussion spürt, dass es hier um ein bisschen mehr geht als nur um ein EU-Gesetz, dem man ein anderes folgen lässt, und das finde ich auch richtig und äußerst wichtig.

So glaube ich, auch wenn sich in der Praxis auf Grund dieser Gesetzesänderung nicht sehr viel verändert, dass wir aber trotzdem ein Thema ansprechen, das in eine Rich­tung weist, wo wir auf alle Fälle in unserer Kammer und weit darüber hinaus nachdenken müssen, denn es haben sich Familienwelt, Familienkultur, Zusammen­leben, Partnerschaft, Rollenverständnis verändert. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Deshalb muss ich sagen, ich bin sehr dankbar dafür, dass wir mit dieser Diskussion hier vor allem rüberbringen – und ich hoffe, wir schaffen es –, dass dieses Thema Väterkarenz ganz wichtig ist. Mir persönlich tut es eigentlich auch sehr Leid, dass es sehr wenige Prozente unseres Geschlechts sind, die diese Möglichkeit in Anspruch nehmen. Ich möchte nicht all das wiederholen, was hier schon gesagt worden ist, aber vielleicht noch zwei andere Daten dazu, die mir aufgefallen sind: Besonders arbeitslose Männer und Männer, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, haben dieses Angebot genützt. Das heißt, dann, wenn ich entweder keine Arbeit habe oder wenn das Risiko gering oder nicht vorhanden ist, dass ich meine Arbeit verliere oder sonst etwas einbüße, traue ich mir das eher zu.

Ich behaupte hier aber, dass sich viel mehr Männer das zutrauen würden, wenn wir uns des einen oder anderen Punktes, der hier von allen unterschiedlich angesprochen worden ist, was ja auch zu einer Debatte dazugehört, noch ein Stückchen mehr annehmen würden.

Und dann möchte ich noch etwas sagen. Ich glaube, der Philosoph Paul Liessmann sagt es so schön: das Verschwinden des Vaters als Sozialcharakter. Ich glaube, das müssen wir schon sehr wohl auch so sehen, und da sollten wir uns als Väter nicht


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selber in die Tasche lügen. Ich tue es jedenfalls nicht. Ich habe drei Kinder zwischen zehn und 14 Jahren, und ich weiß, wie viele Stunden ich noch Zeit habe. Ich sage aber dazu, dass wir uns gerade dort, wo es um Väterkarenz, um Zeit geht, die man seinen Kindern widmen kann, nicht damit beruhigen sollten, dass wir sagen, jetzt ist in diesem Bereich alles EU-konform und das ist schön, sondern wir sollten die Diskussion tiefer gehend führen, und dafür würde ich plädieren.

Zu alledem, was in der Diskussion gekommen ist: Einkommenskluft, Jobverlust, Karriereknick, könnte man noch alles Mögliche anfügen, aber ich denke, wir sollten vor allem Aufklärung betreiben. Wir sollten schauen, dass dieses Thema in Diskussion kommt, denn wenn nur wir hier sprechen und das eine oder andere gesetzlich nachjustieren, ist mir das ein bisschen zu wenig.

Deshalb, muss ich ganz ehrlich sagen, bin ich als Steirer sehr stolz auf unsere Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder, denn diese ist zuständig für den Bereich Generationen, Jugend und Familie und hat in den letzten Monaten ganz bewusst dieses Thema zu einem wesentlichen Thema gemacht und hat gemeinsam mit einem Vater, der einer der Ersten war, der diese Väterkarenz in Anspruch genommen hat, ganze Aktivitäten aufgezogen, wie zum Beispiel die Prämierung von Betrieben mit dem Sonderpreis „Väterkarenz“ im Rahmen des Preises „Frauen- und familienfreundlichster Betrieb“. 100 Betriebe haben sich dafür beworben! Daran sehen wir, dass die Wirt­schaft, dass jene, die Arbeitsplätze schaffen und zur Verfügung stellen, sehr viel weiter sind, als wir das teilweise glauben, und dass diese teilweise auch für sehr flexible Handhabungen in dieser Richtung zu haben wären.

Und ein Zweites: Wir haben in der Steiermark im Rahmen unserer Recherchen natür­lich festgestellt, dass es auch Modelle in anderen Ländern gibt. Jetzt können wir uns über Begriffe streiten und was weiß ich noch alles, aber eines möchte ich sagen: Ein paar Wochen sind besser als gar nichts! Ich glaube ganz ehrlich, wenn man ein Monat oder zwei Monate wie zum Beispiel in Schweden, wenn ich das richtig im Kopf habe, mit seinen Kindern verbringen kann – und dieses Recht hat nur der Vater und verfällt, wenn er es nicht in Anspruch nimmt; nur ein Beispiel, darüber sollte man einmal nach­denken –, dass man dabei auch so etwas lernt wie Ausdauer, Geduld und auch Managementfähigkeiten. Und ich behaupte hier, das ist quasi eine Fort- oder Weiterbildung für uns Väter, und deshalb sollte man das fast auch ein Stück anrechnen in einem Aus- oder Weiterbildungsweg. Das wären so Gedanken, die ich gerne hier mit hereingebracht hätte. Wir reden immer von den „soft skills“. Genau das ist es, was man nur in einem Beziehungsfeld zwischen Generationen lernt – und da wohl am allerbesten in der eigenen Familie mit den eigenen Kindern. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen und der Grünen.)

Wenn ich hier noch ein paar Zahlen hinzufügen darf: Es ist schon interessant, wenn in Norwegen 70 Prozent der Väter das Angebot in Anspruch nehmen, in Schweden 38 Prozent und so weiter, nur glaube ich, wir müssen das Schritt für Schritt angehen. Meine Bitte wäre, dass wir dieses Thema nicht aus dem Blick verlieren und sagen, wir haben dieses Gesetz nachjustiert, das Thema ist abgehakt, sondern dass wir erken­nen, dass dieses Thema Väterkarenz auf einen viel größeren gesellschaftlichen Themenkreis hinweist, eben auf Themen, die wir steirischen Politiker in der ÖVP sehr gerne diskutieren: Wie schaut heute Partnerschaft, wie schaut heute das Zusammen­leben in Familien aus? Und da dürfen wir uns nicht selber in die Tasche lügen.

Zum Schluss kommend, und das hat auch unsere Landesrätin gemeinsam mit der Brau Union inszeniert: Wo kann man denn am besten diskutieren, wo kommen denn viele zusammen, wo kann man denn auch uns selber darauf hinweisen, dass wir ein bisschen über die Väterkarenz diskutieren sollten? – Na ganz einfach: in den Gast­stätten! Um das zu fördern, werden 500 000 Bierdeckel an die Gaststätten ausgeteilt.


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(Der Redner zeigt den angesprochenen Bierdeckel.) Natürlich kann man jetzt sagen: Was soll dieser Bierdeckel? Wenn so ein Bierdeckel mit der Aufschrift www.vaeterkarenz.steiermark.at auf dem Tisch liegt, dann ist das ein Hinweis und regt sicherlich zum Diskutieren an. Ich denke, es geht vor allem darum – und das wäre unser gemeinsamer nächster Schritt –, dass wir nicht vergessen, dass dieses Thema leicht in Vergessenheit geraten kann. Deshalb habe ich mir erlaubt, diese Bierdeckel mitzubringen, diese ein bisschen unter uns zu bringen und damit auch ein kleines Signal zu setzen: Vergessen wir das Thema nicht! Es hat eine größere Bandbreite, als wir es vielleicht auf den ersten Blick sehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen. – Der Redner verteilt einige der angesprochenen Bierdeckel an die Bundesräte aller Fraktionen.)

19.39

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Rauch-Kallat das Wort.

 


19.39

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich danke ganz herzlich für diese sehr engagierte und von Herrn Bun­desrat Schnider sogar leidenschaftlich geführte Diskussion. Sie freut mich des­wegen so besonders, weil ich als Mitglied dieses Hauses vor 20 Jahren erlebt habe, wie erregt das Auditorium war, als ich die verpflichtende Einführung des Hauswirt­schaftsunterrichtes für Knaben gefordert habe und den Herren damals (Bundesrat Bieringer nickt zustimmend) – er kann sich noch erinnern! – gesagt habe: Was regen Sie sich denn so auf? Es trifft Sie ohnehin nicht mehr. Die haben das missverstanden, weil es ja ihre Söhne anging, und waren beleidigt.

Ich freue mich deswegen ganz besonders, weil das Thema Väterkarenz natürlich auch besonders von einem Mann angesprochen wurde, und das ist letztendlich das Thema. Die Bierdeckel, die du angesprochen hast, Herr Bundesrat, hat es davor schon in Tirol gegeben, und zwar mit dem Aufdruck „Mander, s’isch Zeit“. (Heiterkeit.)

Das habe ich natürlich besonders gut gefunden, weil es darauf hinweist, dass die Zeit es verlangt, eine partnerschaftliche Lebensführung anzustreben. Ich denke, dass viele junge Männer das in der Zwischenzeit auch erkannt haben, dass wir aber noch sehr viel Bewusstseinsarbeit bei den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern leisten müssen und, wie ich meine, auch bei den Arbeitskollegen – weniger bei den Kolleginnen als bei den Kollegen, denn es ist immer noch nicht gesellschaftlich anerkannt, dass ein Mann die Karenz in Anspruch nimmt.

Das, was gefordert wird, Andreas Schnider, dass nämlich der Staat ein Angebot macht, das nur vom Vater in Anspruch genommen werden kann, das haben wir ja schon. Die sechs Monate innerhalb der 36 Monate Karenz gibt es ja nur, wenn der zweite Partner das in Anspruch nimmt. Also vorausgesetzt, dass die Mutter die 30 Monate Karenz in Anspruch nimmt, bleiben die sechs Monate nur dann, wenn der Vater sie nimmt, und das sollte ja auch ein Anreiz sein.

„Vaterschutzmonat“. – Ich bin mit dem Namen „Vaterschutzmonat“ auch nicht sehr glücklich, weil der Schutz der Mutter ja der gesundheitliche Schutz ist, also Mutter­schutz. Der Vater hat außer dem Stress und der Nervosität, unter denen er bei der Geburt seines Kindes leidet, nicht wirklich ein gesundheitliches Problem. – Wenn ich allerdings die Leibesfülle mancher Väter betrachte (Heiterkeit), muss ich sagen: Auch die ist gesundheitlich zu schützen (Bundesrat Hösele: Eine sexistische Äußerung! – neuerliche Heiterkeit), aber die geht nicht so rasch weg wie bei einer regulären Geburt; das dauert meistens etwas länger.


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Aber die Idee, diese erste Zeit mit dem Kind zu verbringen – die zehn Tage in England beziehungsweise in Schweden einen Monat –, hat schon auch etwas für sich. Ich darf darauf hinweisen, dass es auch jetzt Möglichkeiten gibt, das in Anspruch zu nehmen, wenn auch nicht als bezahlte Karenz. Nachdem meine Tochter vor zehn Wochen ent­bunden hat und sich mein Schwiegersohn ganz selbstverständlich 14 Tage Urlaub genommen hat für die ersten 14 Tage, habe ich gemerkt, wie stressentlastend das für beide Elternteile vor allem beim ersten Kind sein kann. Wir alle, die wir Kinder hatten, wissen, wie viel Stress ein erstes Kind bringt, weil man bei allem so unsicher ist. Und da war es einfach gut, dass beide da waren.

Denn – auch das sei der Kollegin von den Grünen gesagt – die 22-Uhr-Neugeborenen müssen nicht nur um 22 Uhr gefüttert werden; sie müssen leider meistens auch um 2 Uhr früh noch gefüttert werden, und da ist der Vater dann schon zu Hause.

Ich sehe mit Freude, wie schnell mein Schwiegersohn jetzt nach Hause kommt, damit er bei seinem Kind sein kann. Das heißt, alles, was wir tun können, um das zu fördern, ist ganz wichtig, und daher freue ich mich über die engagierte Debatte hier im Haus.

Sie können sicher sein, dass ich mich als Frauenministerin – eigentlich ist ja der Wirtschaftsminister, den ich hier gerne vertrete, zuständig, und das ist natürlich ein zutiefst frauen- und männerpolitisches Thema – freue, dass ob dieser beiden Tages­ordnungspunkte, in denen es um die Gleichstellung von Männern geht – weniger von Frauen, denn das Diskriminierungsverfahren, das die EU angestrebt hat, bezog sich ja auf die Bevorzugung der Frauen und die Benachteiligung des Mannes –, hier so engagiert diskutiert wurde, und ich danke Ihnen dafür.

Sie können mich als Verbündete sehen, denn bei allen Anliegen, die das Thema Väter­karenz und eine stärkere partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit betreffen, werden Sie mich an Ihrer Seite haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.44

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die als Bundesgesetz geltende Verordnung über den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitneh­mer bei Arbeiten in Druckluft sowie bei Taucherarbeiten und das Mutterschutz­ge­setz 1979 geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Väter-Karenzgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.


Bundesrat
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714. Sitzung / Seite 172

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Maklergesetz, das Versicherungs­vertragsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Bankwesengesetz geändert werden (616 d.B. und 629 d.B. sowie 7143/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Bader. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


Berichterstatter Karl Bader: Der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2004 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Maklergesetz, das Versicherungs­vertragsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Bankwesengesetz geän­dert werden, liegt Ihnen wie alle anderen Berichte schriftlich vor. Ich darf daher so­gleich zum Antrag kommen:

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Kaltenbacher das Wort.

 


19.47

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Umsetzung der EU-Versicherungs­vermittler-Richtlinie macht es notwendig, dass die Gewerbeordnung 1994, das Makler­gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Bankwesengesetz geändert wer­den. Ziele dieser Richtlinie sind die Harmonisierung des Versicherungsvermitt­lungs­rechts auf europäischer Ebene sowie die Umsetzung des Dienstleistungsfreiheits­gedankens.

Es geht also um die Liberalisierung einer Dienstleistung sowie letztendlich darum – und das ist uns besonders wichtig –, den Konsumentenschutz zu verstärken und hervor­zuheben.

Aber unsere Kritikpunkte betreffen eben gerade den Konsumentenschutz. Der erste Punkt unserer Kritik ist die Zusammenlegung Gewerbemakler und Agent, die an sich unterschiedliche Interessen vertreten: der Makler die Kunden, der Agent sozusagen die Versicherer. Daher gibt es bei der Zusammenlegung, wie sie hier vorgesehen ist, größere Interessenkonflikte.

Der zweite Punkt ist der Wegfall des Doppelbestätigungverbotes. Das ist problema­tisch, weil von Versicherungsseite sehr viel angeboten werden kann und für den Kunden nicht erkenntlich ist, worum es hier geht. Das ist zwar durch die Deklarie­rungspflicht entschärft worden, ist aber trotzdem eine einseitige Benachteiligung der Kunden.

Faktum ist, dass hier eine Gesetzesänderung zur Anpassung der Richtlinie vorliegt, zu der die Betroffenen kaum oder gar nicht befragt worden sind. Für den Konsumenten hat sich kaum etwas geändert. Ein im Nationalrat unsererseits eingebrachter Abän­derungsantrag wurde abgelehnt; er hätte für mehr Transparenz und Sicherheit für die Versicherungskunden sorgen sollen.


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Wir sind für Wettbewerb, wir sind für freie Dienstleistung, jedoch braucht dieser Wettbewerb klare Regeln. Solche Regeln können wir hier nicht erkennen, daher können wir dieser Vorlage nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.49

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ager. Ich erteile ihm das Wort.

 


19.49

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Frau Bundes­ministerin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hoher Bundesrat! Der Punkt 14 der heutigen Tagesordnung betrifft, wie Kollege Kaltenbacher schon ausgeführt hat, den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Maklergesetz und eine Reihe anderer Ge­setze geändert werden.

Beim ersten Hinsehen sind das eigentlich alles normale Dinge, aber wenn man dann ein bisschen in die Tiefe geht bei dieser Gesetzesänderung, kommt man drauf, dass da eine ganze Reihe wichtiger Dinge enthalten sind, mit denen man sich beschäftigen sollte.

Unter anderem ist dies die Schaffung eines einheitlichen europäischen Binnenmarktes auf dem Dienstleistungssektor; auch das hat mein Kollege gesagt. Zu diesem Zweck gab es eingehende Verhandlungen mit den betroffenen Gruppen. Ich glaube, heraus­gekommen ist ein brauchbarer Kompromiss, und mehr wird diese Gesetzesmaterie nicht sein. Es wird immer Kritik geben: Der eine will das so, der andere hat einen anderen Zugang gewählt.

Dass es sich hier auch um die Umsetzung einer EU-Richtlinie handelt, ist auch klar. Für meine Begriffe ist der Verbraucherschutz sehr gut darin geregelt. Besser kann es aber immer werden; keine Frage.

Besonders wichtig an dieser Regelung scheint mir zu sein, dass sie den gesamten Vorsorgemarkt betrifft. Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass dieser Vorsorgemarkt sehr wichtig ist. Es ist wichtig, dass Dinge wie Harmonisierung und Liberalisierung der Dienstleistung sowie der unbedingte Konsumentenschutz darin enthalten sind, weil das ja jeden betrifft.

Dass das auch zu mehr Wettbewerb führt, zu mehr Innovation, zu mehr Produkt­verbesserung und zu mehr Qualität, ist auch klar. Und das sind, wie Harry Himmer heute schon einmal gemeint hat, dann auch die Dinge, die in einer freien Markt­wirtschaft einfach zu geschehen haben; alles andere ist zu kurz gedacht.

In Hinkunft wird die Tätigkeit der Versicherungsvermittler durch Makler, Agenten, Ver­mögensberater, Kreditinstitute und Unternehmer mit dem dazugehörigen Nebenge­werbe ausgeführt. Zur Haftungsabsicherung für den Konsumenten wird eine Melde­verpflichtung des haftenden Unternehmers eingeführt und dafür ein Versicherungs­vermittlerregister geschaffen.

Damit ich aber nicht beim Versicherungsgesetz alleine hängen bleibe, möchte ich mich noch auf andere Punkte kurz konzentrieren, die insbesondere auch das Betriebs­anlagenrecht betreffen, das sehr umfangreich ist, wie wir Unternehmer wissen, und das uns auch immer wieder sehr beschäftigt. Ich glaube, wir alle sollten schon auch bedenken, dass die Dinge im Gesetz möglicherweise sehr leicht zu lesen, aber in der freien Wirtschaft draußen manchmal sehr schwer umzusetzen sind. Es wird die Definition des Standes der Technik im Bereich Wasserrecht und Abfallwirtschafts­gesetz präzisiert. Emissionswerte werden unter Einbeziehung der technischen Be­schaffenheit, der Betriebsanlage, des geographischen Standorts und so weiter gere-


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gelt. Die Miteinbeziehung der Gewerbebehörde bei der Umsetzung von Seveso 2 ist ein weiterer Punkt; die Grünen waren auf diesem Thema immer „drauf“.

Sehr wichtig ist auch, dass jetzt eine modernere Zahlungsabwicklung möglich ist. Man braucht jetzt nicht mehr mit dem Zahlschein zur Bank gehen; das ist, glaube ich, auch ein Nonsens gewesen.

Der Landeshauptmann kann nunmehr generell gegen Bescheide der UVS im Verfah­ren nach der Gewerbeordnung Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit beim Verwal­tungsgerichtshof erheben. Das ist auch neu und auch ein wenig im Sinne des Föderalismus, wie ich meine.

Schlepplifte sind jetzt im Seilbahngesetz und nicht mehr in der Gewerbeordnung enthalten. Das muss man sich dann alles eben zusammensuchen.

Im Sinne einer vernünftigen Liberalisierung bei der Lehrlingsausbildung ist die Aus­bilderprüfung nicht mehr die einzige Möglichkeit und das einzig selig Machende. Ich glaube, das ist auch wichtig bei vielen, vielen anderen Möglichkeiten, wie Fachhoch­schulen und so weiter. Die Möglichkeit der Lehrlingsausbildung gibt es auch in diesem Sektor.

Nun noch zum Thema Gewerbeordnung. – Die stark im Trend liegenden Sportberufe wie Sportwissenschaftler oder Diplomtrainer werden durch diese aktuelle Gewerbe­ordnungsnovelle meiner Meinung nach enorm aufgewertet, und ich finde das auch gut so.

Durch Ausweitung des Gewerbes der Lebens- und Sozialberatung werden bisher bestehende gewerberechtliche Beschränkungen überwunden und eine rechtlich fun­dierte Berufsausbildung ermöglicht. Und ich weiß, wovon ich da rede, weil ich aus dem Tourismus komme, wie Sie wissen, und da hatten wir jahrelang das Problem, bei den Skilehrern zum Beispiel, wo man das dann ein bisschen umgangen und gesagt hat: Jeder einzelne Skilehrer hat ein eigenes Gewerbe und ist ein eigener Unternehmer. Das war nicht ganz richtig, muss ich sagen.

Ich glaube, dass da für einen wachsenden Personenkreis Möglichkeiten entstehen, ihr Wissen und ihr Können zur Förderung der Gesundheit und des allgemeinen Wohl­befindens gezielt einzusetzen. Das ist das, was du gesagt hast ,liebe Frau Bun­desministerin, und was auch auf mich zutrifft: Das mit der Leibesfülle sehen wir alles ein, wir Männer, nur ist auch da die Umsetzung ein bisschen schwierig.

Ich glaube, freuen können sich auch Hotels, Fitness- und Wellnessbetriebe, die bisher, wie ich schon gesagt habe, oft in dieser Grauzone agieren mussten. Sie haben jetzt die Möglichkeit, das in diesem Segment mit Kooperationen mit diesen neuen Gruppen der Selbständigen abzuwickeln.

Weiters bietet diese Novelle auf Grund von Sportstudien und Trainerausbildungen, die international einen großartigen Ruf besitzen, neue Berufschancen auch für junge Menschen. Und es wäre endlich die immer wieder brisante Diskussion über eine Scheinselbständigkeit zu einem Eintrittsschein zu einer guten und geordneten Selb­ständigkeit vom Tisch.

In diesem Sinne werden wir dem Punkt 14 mit seinen vielseitigen und sinnvollen Adaptierungen gerne zustimmen, und ich hoffe, Sie werden das auch tun. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.57

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Kerschbaum das Wort.

 



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19.57

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Lieber Herr Kollege Ager, ich muss Ihnen zustimmen: Es gibt sehr viele Bestimmungen in diesem Gesetz, die aus konsumenten­politischer Sicht sinnvoll sind. Leider gibt es auch ein paar Bestimmungen, die uns zu wenig weit gehen, zum Großteil zu wenig weit gehen.

Sie haben auch gesagt, dass beim Betriebsanlagenrecht, beim Gebot zu Energie­effizienz, die Grünen immer „drauf“ gewesen sind. Wir sind weiterhin „drauf“. Das Prob­lem ist nämlich, dass der Verfassungsgerichtshof im Oktober genau diesen Passus wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz aufgehoben hat, und um diese Energie­effizienz zu halten, wäre es unbedingt nötig, hier eine Verfassungsbestimmung zu schaffen.

Also wir werden weiter „drauf“ bleiben müssen, denn offensichtlich ist das Gebot der Energieeffizienz noch nicht so ganz durch.

Ein weiterer kritischer Punkt ist die Aufhebung des Versandhandelsverbotes von Nah­rungsergänzungsmitteln. Das hat uns die EU leider vorgeschrieben, aber ich denke mir, auch wenn wir das Verbot aufheben müssen, so kann man doch zumindest Regelungen für den Handel mit diesen Nahrungsergänzungsmitteln schaffen, und zwar Regelungen insofern, als zum Beispiel bei Inseraten für diese Mittel unbedingt ein Name und eine klagfähige Adresse angegeben werden müssen. Es fehlt auch eine Auskunftspflicht für Werbeträger und allgemeine Zugänglichmachung von Auskünften über gemeldete Nahrungsergänzungsmittel.

Und ein letzter Punkt, zu dem es im Nationalrat dann eine ziemlich heftige Diskussion gegeben hat: die Transparenz der Unterschiede zwischen Versicherungsangestellten, Agenten und Maklern. Laut einer Umfrage kennen nur 23 Prozent der KonsumentInnen diese Unterschiede. Ich muss gestehen, ganz genau kannte ich die Unterschiede auch nicht, aber sie liegen offensichtlich in der Haftung. (Bundesrätin Zwazl: Sie liegen in der Haftung!) Ja? – Sie liegen in der Haftung.

Ich habe das vorher auch nicht gewusst. Es war interessant, das jetzt zu lesen: Dass nämlich auf der einen Seite, wenn man bei einem Agenten eine Versicherung ab­schließt, der Vertrag in Wirklichkeit zwischen dem Agenten und dem Versicherungs­unternehmen besteht, und wenn ich den Versicherungsvertrag über einen Makler abschließe, dann besteht der Vertrag zwischen mir und dem Makler. Das heißt, wenn ich mit einem Agenten einen Vertrag abschließe, der dann in die Binsen geht, kann ich im Prinzip nichts machen. Wenn ich dagegen einen Makler habe, dann gibt es da eine Haftung. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Jedenfalls ist es so, dass im Nationalrat offensichtlich auch nicht so ganz klar gewesen ist, ob das jetzt wirklich in transparenter Weise getrennt ist, ob einem als Konsument wirklich bewusst ist, ob man mit einem Makler redet oder mit einem Agenten, oder wie das jetzt mit der Haftung ist. Es sind diesbezüglich sogar Gutachten in Auftrag gegeben worden, und selbst diese Gutachten haben einander widersprochen.

Ich denke, wenn man ein Gesetz schon neu schafft, dann sollte man das vielleicht doch in so deutlicher und klarer Form tun, dass man nicht schon vor der Beschluss­fassung über die Auslegung streiten muss.

Im Übrigen ist auch der Verein für Konsumenteninformation gegen diese Regelung aufgetreten und auch der Fachverband Versicherungsmakler der Wirtschaftskammer Österreich.

Wie gesagt, es sind einige Punkte in diesem Gesetz enthalten, die wir aus konsumen­tenschutzpolitischer Sicht gerne unterstützt hätten. Leider gibt es aber auch einige


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Punkte, die wir in dieser Form noch nicht mittragen können. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

20.01

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kneifel. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.01

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich darf gleich anschließen an Frau Kollegin Kerschbaum von den Grünen, die gesagt hat, es fällt ihr schwer, die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Vermittlertypen im Bereich des Versicherungswesens zu treffen. Ich habe mich auch genau erkundigt, nämlich bei meinem Fachgruppen­vorsteher in Oberösterreich, Herrn Dr. Gerold Holzer, und er hat mir das wie folgt geschildert – und ich glaube, das ist auch relativ einfach zu verstehen –:

Der Versicherungsvertreter ist Angestellter eines bestimmten Versicherungsunter­nehmens, und zur Ausübung seiner Tätigkeit ist keine gesonderte, spezielle Aus­bildung vorgeschrieben. Er ist dem Versicherungsunternehmen gemäß dem Angestell­tengesetz verantwortlich.

Der Versicherungsagent ist selbständiger Unternehmer und verkauft Produkte einer oder mehrerer Versicherungen, an die er vertraglich gebunden ist. Er ist in seiner Tätigkeit quasi verlängerter Arm des jeweiligen Versicherungsunternehmens und die­sem verantwortlich.

Jetzt zum dritten Vermittlertyp, dem Versicherungsmakler. Er ist ebenfalls selb­ständig, von den Versicherungsunternehmen unabhängig und muss gemäß Makler­gesetz, neben anderen Pflichten, eine objektive Risikoanalyse durchführen und aus­gewogenen Rat erteilen. Der unabhängige Makler muss den bestmöglichen Versiche­rungsschutz vermitteln und ist rechtlich vorwiegend dem Kunden verpflichtet.

In Österreich gibt es derzeit nach der Statistik der Wirtschaftskammer 2 987 aktive Maklergewerbeberechtigungen und rund 7 700 Agentengewerbeberechtigungen. Die Makler, von denen wir heute auf Grund dieser gesetzlichen Neuregelung sprechen, sind hier also klar die kleinere Gruppe.

Ich bin froh, dass in dieser Novelle, die ja einer Umsetzung einer EU-Richtlinie ent­spricht – beziehungsweise mit der der Verpflichtung zu einer solchen Umsetzung nachgekommen wird –, die Deklarationspflicht gegeben ist. Das heißt, ein Versiche­rungsvermittler muss sich klar deklarieren, in welcher Funktion und in welcher Aufgabe er dem Konsumenten, dem Versicherten gegenübertritt.

Ich habe schon erwähnt, dass es sich um eine EU-Richtlinie handelt, die wir heute umsetzen. Frau Kollegin Kerschbaum, glaube ich, hat die Gallup-Studie erwähnt, nach der 91 Prozent der befragten Österreicher eindeutig wissen wollen, mit wem sie es beim Abschluss einer Versicherung zu tun haben. Ich glaube, das ist eine ganz natürliche Forderung und ein Verlangen, dem auch nachgekommen wird. Die Öster­reicher wollen auch in Zukunft unterscheiden, wer in welcher Eigenschaft eine Ver­sicherung vermittelt und damit in der Folge dann auch die Verantwortung und die Haftung – auch schon erwähnt – übernimmt.

Eines, glaube ich, muss man schon feststellen bei dieser Gesetzesänderung in der Gewerbeordnung: dass natürlich auf die Versicherungsmakler eine neue Herausfor­derung zukommt. Sie müssen nämlich ihre Unterscheidungskriterien noch deutlicher am Markt behaupten und auch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit leisten, um klarer erkennbar zu machen, dass sie bei ihrer geschäftlichen Tätigkeit eigentlich ausschließ­lich das Kundeninteresse verfolgen. Das, glaube ich, sollten wir auch berücksichtigen,


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wenn wir heute im Hinblick auf eine EU-Richtlinie diese Gewerbeordnungsnovelle umsetzen: eine Vereinfachung dieses Begriffes. (Beifall bei der ÖVP.)

20.05

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Rauch-Kallat das Wort.

 


20.05

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Die vorliegende Gesetzesnovelle ist eine zeitgerechte Umsetzung der Versicherungsvermittlungsrichtlinie unter Berücksichtigung der österreichischen Spezifika, einer unbürokratischen Überleitung bestehender Berechtigungen sowie Liberalisierungen und einer Verbesserung des Konsumentenschutzes und auch einer Vereinheitlichung der Regelungen für alle Formen der Versicherungsvermittlung und dadurch einer Vermeidung von Ungleichbehandlungen. Die damit verbundenen Ände­rungen in den diversen anderen Gesetzen zeigen, dass wir mit dieser Materie auch die entsprechenden Voraussetzungen schaffen, den Vorgaben der Europäischen Union zeitgerecht zu entsprechen.

Ich danke daher für Ihre Unterstützung dieses Gesetzesvortrages. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

20.06

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

15. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung des Berechtigungsumfanges für das Gewerbe der Zahntechniker sowie Direktverrechnung der Sozialversicherung mit den Zahntechnikern (139/A (E)-BR/2004 sowie 7144/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


Berichterstatter Mag. Harald Himmer: Sehr geehrter Herr Präsident! Der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Entschließungsantrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung des Berechti­gungsumfanges für das Gewerbe der Zahntechniker sowie Direktverrechnung der Sozialversicherung mit den Zahntechnikern beziehungsweise die Begründung des Ent­schließungsantrages liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Bei der Abstimmung im Ausschuss fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte.

 



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20.08

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Für mich als Antragsteller war es nicht ganz nachvollziehbar, weshalb der Antrag im Ausschuss keine Mehrheit gefunden hat, enthält er doch eine Forderung, die es schon fast zehn Jahre lang gibt, die auch im Wirtschaftsparlament der Wirtschaftskammer Oberösterreich einstimmig beschlossen wurde und dann auch noch im Wirtschaftsparlament der Wirtschaftskammer Österreich am 24. Juni 2004 als Vierparteienantrag (Bundesrat Konecny: Oh!) vom Ring Frei­heitlicher Wirtschaftstreibender, vom Österreichischen Wirtschaftsbund, von der Sparte Industrie (Bundesrat Konecny: Zwazl, was ist euch denn da passiert?!) und vom Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband einstimmig beschlossen wurde.

Ich habe heute eine Information bekommen, wonach dieser einstimmige Beschluss zu dieser Thematik irrtümlich einstimmig erfolgte. (Heiterkeit.) Dort hat es geheißen: Erweiterung des Berechtigungsumfanges für das Gewerbe der Zahntechniker und Direktverrechnung der Sozialversicherung mit den Zahntechnikern. Das ist also dort vom Büro der Wirtschaftskammer Österreich formuliert worden. Es gibt dazu auch einen ausführlichen Schriftwechsel, und so steht das auch im Protokoll.

Ich habe mir gestern nach dieser Information, die aus Wirtschaftsbundkreisen kam, noch einmal das Protokoll der Wirtschaftskammer Österreich faxen lassen und habe dann sicherheitshalber – da es auch dahin gehend eine andere Information gab – noch telefonisch mit dem Bundesinnungsmeister Rudolf Müller Kontakt aufgenommen, der mir telefonisch versichert hat, dass er natürlich nach wie vor (Bundesrat Konecny: Oh!) zu diesem Antrag vom 24. Juni 2004 steht. (Bundesrat Stadler: Jetzt wird es spannend! – Bundesrat Konecny: Hört, hört!) Ich darf dazusagen, dass Rudolf Müller Mitglied – und ich glaube, Gottfried (zu Bundesrat Kneifel gewandt), auch Funktionär – des ÖVP-Wirtschaftsbundes ist.

Rudolf Müller hat nach diesem Antrag damals eine Stellungnahme in einer Zeitung abgegeben – und zwar im Juli dieses Jahres –, und diese Stellungnahme ist auch ganz interessant. Darin legt er nämlich klar, dass eigentlich noch ein zusätzliches Problem dieses Gewerbes besteht: dass nämlich die Zahnärzte es sich zusehends zur Gewohn­heit machen, quasi nicht ausgebildete Zahntechniker in einem Nebenbereich der Ordination zu beschäftigen, und dort das Gewerbe des Zahntechnikers – für das die Berechtigung ja bekanntlich erst mit einer Meisterprüfung und so weiter erworben wird – eben irgendwie in einem eher illegalen Bereich ausüben.

Und ich darf Ihnen das auch zur Kenntnis bringen: Die Zahntechniker sehen hier ein Riesenproblem. Es „stellt sich die Frage“ – schreibt eben dieser Bundesinnungsmeister Rudolf Müller –, „warum die Zahnärzte der Meinung sind“, auch „Zahntechnikermeister zu sein. Warum darf ein Zahnarzt ein Praxislabor führen,“ ohne eine Zahntechniker­ausbildung zu haben beziehungsweise „ohne einen Zahntechnikermeister anzustellen? Warum darf ein Zahnarzt ein Medizinprodukt herstellen und muss keine Konformitäts­erklärung an den Patienten abgeben? Warum darf ein Zahnarzt einen Zahnersatz herstellen und muss keine Qualitätsrichtlinien einhalten? Warum wird hier mit zweierlei Maß gemessen?“

Mir kommt das ungefähr so vor – wir haben in der sozialdemokratischen Fraktion einen Unternehmer unter uns, einen Kollegen, der Optikermeister ist –, wie wenn ein Augen­arzt in einem Nebenraum seiner Ordination Brillen produziert. Ich habe einen solchen eigentlich noch nie gesehen! Ich habe auch noch nie einen Chirurgen gesehen, der bedauerlicherweise eine Amputation bei einem Patienten vornehmen muss und nachher eine Prothese irgendwo nebenbei fertigt. All das sind eigene Berufe!


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Und so gibt es eben in vielen Ländern – in der Schweiz, in nordischen Ländern – den Zahnprothetiker. Das ist – um auch hier einem Gerücht vorzubeugen – kein akade­mischer Beruf, sondern das sind Handwerke! Ich habe Ihnen hier – ich will um diese Uhrzeit die Debatte wirklich nicht verlängern – auch noch die Ausbildungsordnung vom Schweizer Kanton Zürich mitgenommen. Dort schaut es so ähnlich aus wie bei uns: Da gibt es einen Zahntechnikerlehrling und einen -meister. Dieser macht dann eine Zu­satzausbildung und ist dann eben Prothetiker. Er kann zum Beispiel einen heraus­nehmbaren Zahnersatz sehr kostengünstig für ältere Menschen wieder reparieren.

Sie wissen, es gibt in unserem Land zusehends mehr ältere Menschen, denen immer kleinere Pensionen und Renten zur Verfügung stehen, und mir haben einige Zahn­techniker gesagt, sie könnten diese medizintechnischen Produkte um 10 bis 30 Pro­zent billiger herstellen. – Also insofern wäre es auch eine Sache des Konsumenten­schutzes.

Es hat dann – das ist ja auch vielen der hier Anwesenden nicht unbekannt – noch einen Schriftverkehr zwischen dem Gesundheitssprecher der ÖVP, Dr. Rasinger, und dem Generalsekretär-Stellvertreter der Wirtschaftskammer, Mitterlehner, gegeben, wo herausgekommen ist, dass man da eben in einem Spannungsfeld zwischen Qualitäts­sicherung – wie das die Ärzte nennen – und Liberalisierung der Gewerbeordnung nicht recht weiterkommt. Der Vorschlag dieser Wählergruppe war es dann – auch in Richtung Wirtschaftskammer –, man möge abwarten: Irgendwann werde sich die Zahn­ärzteschaft aus der Ärztekammer ausklinken, werde eine eigene Zahnärztekammer gründen, und mit dieser solle man dann verhandeln. – Es ist also vorprogrammiert, wenn wir diesen Weg weiter beschreiten, dass diese, glaube ich, wirklich gute Sache schubladisiert wird und eine Lösung auch im nächsten Jahrzehnt nicht zu erwarten ist.

Ich fasse noch einmal zusammen: Worum geht es hier also? – Die Zahntechniker – das ist jetzt nicht etwas, was ich erfinde, sondern das haben der oberösterreichische Innungsmeister und sein Innungs-Geschäftsführer, also Gerhard Sixt und Karl Stadler, die beide Kollegem Gottfried Kneifel sehr gut bekannt sind, zum Ausdruck gebracht – wollen ganz einfach berechtigt sein, im Rahmen ... (Zwischenruf des Bundesrates Kneifel.) Ja, ich glaube, nicht wahr? (Bundesrat Kneifel: Die sind bekannt, ja!) Ja, sie sind, glaube ich, hervorragende Funktionäre, und einer von ihnen ist ein sehr guter Geschäftsführer in der Wirtschaftskammer.

Zahntechniker sollen also berechtigt sein, im Rahmen der Herstellung, einer Reparatur oder der Eingliederung eines aus dem Mund herausnehmbaren Zahnersatzes einen Abdruck vom Gebiss zu nehmen und so weiter, also diese Arbeiten – Abdrucknahme im menschlichen Mund – durchzuführen.

In diesem Zusammenhang eine Kuriosität – und das wird mir Kollegin Zwazl bestä­tigen –: Es gibt ja eine ganze Reihe von Gewerben, die ohne besondere Schulung im Mund „herumdentieren“. Ich denke da zum Beispiel an die Piercing-Institute, die durchaus eine Gewerbeberechtigung haben, die Löcher in Zungen machen – was immer! Es ist sogar der Friseur berechtigt, am Zahn einen Schmuck anzubringen. – Das alles gibt es in der Gewerbeberechtigung. Nur dort, wo man einer starken Lobby irgendwie in die Quere kommt, da geht auf einmal nichts mehr.

Und deshalb würde ich Sie bitten, vielleicht doch von Ihrem Standpunkt abzurücken. Es kann doch – ich sehe hier ja einige Wirtschaftsbündler – für euch nicht so schwer sein, wenn ihr etwas einmal beschlossen habt – Gottfried in Oberösterreich – und es dann noch einmal beschlossen habt in Wien in der Bundeswirtschaftskammer. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) – Ich kann dir das Protokoll gerne vorlesen, Gottfried, denn du schaust so verwundert. Ich weiß nicht, ob du dabei warst in Wien (Bundesrat Kneifel: Ich habe es nicht beschlossen!), aber Kollegin Zwazl hat das zumindest mit


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beschlossen in der Wirtschaftskammer Österreich. (Bundesrat Mag. Himmer: ... Ober­österreich!) In der Wirtschaftskammer Österreich, Herr Mag. Himmler! (Bundesrat Mag. Himmer: Nein: Himmer! – ... eine tatsächliche Berichtigung machen!) Ich erspa­re euch jetzt die Verlesung des Protokolls. Es sind also die Berufsgruppen dafür.

Wenn wir uns da jetzt so quasi mit der rechten Hand hinter dem linken Ohr kratzen müssen, meine ich: Sparen wir uns das doch und stehen wir hier zu einer Lösung, die gesundheitsfördernd ist und die einem Berufsstand eine Berechtigung zuerkennt, die er ohnedies in gewisser Weise hat – denn viele kennen ja das beim Zahnarzt: Auf einmal kommt einer mit einem weißen Mäntelchen herein, und das ist nicht die Zahnarzt-Gehilfin – die nämlich das alles machen darf, mit solch einer kleinen Ausbildung –, sondern das ist ein Zahntechnikermeister. Der kommt da herein und macht auf einmal einen Abdruck, weil er das eben kann, weil er das gelernt hat, weil er die Ausbildung und die entsprechenden Abschlüsse hat.

Ich glaube also, wir sollten uns hier besinnen und zu dem stehen, was ohnehin die meisten oder einige der hier Anwesenden, auch auf der rechten Reichshälfte – wie Dr. Kühnel das so einteilt –, schon ein-, zweimal beschlossen haben. Stehen Sie jetzt noch ein drittes Mal zu dieser Sache, meine Damen und Herren, und stimmen Sie diesem Antrag der Sozialdemokraten auch hier zu! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

20.17

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Zwazl. Ich erteile ihr das Wort.

 


20.17

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Der vorliegende (Zwischenruf bei der SPÖ) – immer direkt und genau! – Entschließungsantrag mag auf den ersten Blick ein positives Signal für unsere Zahntechniker sein. Wenn man jedoch genauer hinsieht, so ergeben sich einige Punkte, die dem Inhalt des Antrages widersprechen.

Ich bin auch nicht grundsätzlich dagegen, aber ich halte diesen Schritt derzeit für verfrüht. (Bundesrat Konecny: Oh!) Ich habe mich ... (Bundesrat Konecny: Und warum haben Sie dann zugestimmt?) – Wenn Sie mir die Chance dazu geben, rede ich gerne weiter. (Bundesrat Konecny: Ja, natürlich! Aber nützen Sie sie!)

Ich habe mich über diesen Antrag auch intensiv mit unseren Zahntechnikern unter­halten, sowohl auf der Landesebene als natürlich auch auf der Bundesebene. Grund­sätzlich herrscht hier die Meinung vor, dass es wichtig ist, dass es eine strikte Trennung zwischen technischem und medizinischem Bereich geben soll. Und das vertritt der von Ihnen zitierte Herr Bundesinnungsmeister Rudolf Müller, von dem mir auch ein Artikel vorliegt, den ich Ihnen ja heute – weil ich so fair bin – gegeben habe, der von ihm nach dem Entschließungsantrag an alle Vertreter seines Berufes in ganz Österreich geschrieben wurde und in dem er seine Stellungnahme ganz klar und präzisiert auf den Tisch legt. – Ich habe Ihnen den Artikel gegeben, und Sie haben das heute auch durchlesen können. (Ruf bei der ÖVP: Hört, hört! – Bundesrat Konecny: Was ist daran zu hören?)

Im Antrag wurde als Begründung der Vergleich mit anderen EU-Mitgliedsländern, zum Beispiel mit Holland oder Dänemark, angeführt. Hiezu hat uns – der Wirtschafts­kammer Österreich – das Wirtschaftsministerium die Auskunft gegeben, dass dieser Vergleich bereits geprüft wurde und festgestellt wurde, dass es in anderen euro­päischen Staaten keine Zulässigkeit des selbständigen Arbeitens im Mund gibt, es sei denn, man hat ein Hochschulstudium. Und diese Stellungnahme wurde auch von der


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Wirtschaftskammer Österreich, von Dr. Hanreich, bestätigt und auch weitergegeben. (Bundesrat Konecny: Das heißt, Sie haben zugestimmt, ohne alles zu wissen? Oder wie verstehe ich Ihre Argumentation?)

Ja, Herr Professor, wir können das Verfahren abschließen. Es ist so, wenn ein Antrag von einer Berufsgruppe zu einer Vollversammlung kommt (Bundesrat Kraml: Dann wird zugestimmt! – Bundesrat Stadler: Dann wird zugestimmt!), dass diesem Antrag zugestimmt wird, weil dann die Berufsgruppe hier weiterarbeitet. Das ist ganz klar. Ich bin kein Zahntechniker, aber ich habe (Bundesrat Stadler: Zugestimmt!) mich jetzt auf Grund dieses Antrages, der hier im Bundesrat ist, ganz einfach mit meinen Mitgliedern (Bundesrat Konecny: Das heißt, Sie meinen das nicht ernst, wenn Sie zustimmen?) in Verbindung gesetzt. Und das, was ich Ihnen sage, ist die Meinung unserer Mitglieder.

Hier geht es um einen Berufsstand, der eine hoch qualifizierte ... (Bundesrat Konecny: Der Innungsmeister hat etwas anderes gesagt!) – Nein, hier ist die Meinung nieder­gelegt. (Die Rednerin verweist auf einen Artikel.) Sie bekommen dann von mir diesen Artikel. (Bundesrat Konecny: Den kenne ich!) Den kennen Sie nicht, denn sonst würden Sie mit mir nicht so reden. (Bundesrat Konecny: Entschuldigen Sie, heute hat er etwas anderes gesagt!) Jetzt lassen Sie mich weiterreden.

Ich bin aber der Meinung, dass die Zukunft des Zahntechnikergewerbes als nicht gerade rosig zu beurteilen ist. Wo liegen da eigentlich die Ursachen? – Sie liegen darin – und das stimmt –, dass in Zahnarztpraxen zahlreiche zahntechnische Arbeiten verrichtet werden. Und in diesem Bereich stellen oftmals angelernte Hilfskräfte oder minder ausgebildete Zahntechniker ohne Kontrolle Zahnersatz für den Patienten her. Um das klarzustellen: Der Zahnarzt hat keine ausreichende technische Ausbildung. Er kann auch keine Lehrlinge ausbilden. Deshalb bitten wir und verlangen wir auch von der Ärztekammer, dass sie die Vereinbarung, die 1997 gemeinsam mit der Ärzte­kammer getroffen wurde, dass eben Zahnersatz, zahntechnische Arbeiten nur von unseren Zahntechnikern gemacht werden können, einhält.

Genau darum geht es unseren Zahntechnikern. Die Praxislabors in den Zahnarzt­praxen müssen ganz einfach den gewerberechtlichen Vorschriften für Zahntechniker entsprechen. Das ist das vordringliche Ziel unserer Mitglieder. Wenn jemand einen Meister anstellt, dann erfüllt er diese Voraussetzungen, und dagegen ist dann nichts zu sagen. Wenn wir nicht eine faire Zusammenarbeit zwischen Zahnärzten und Zahn­technikern erreichen, werden wir mit einem ganz anderen Problem zu kämpfen haben, denn der Zahnersatz kann nämlich bei geringen Versandkosten mit der Einführung von 3D-Programmen kostengünstig in Asien produziert werden. Wir streben wirklich nicht ein Gegeneinander an, wo es nur Verlierer geben kann, sondern wir wollen ganz einfach ein besseres Miteinander erreichen, wo schließlich und endlich – und das ist auch etwas ganz Wesentliches – der Patient der Gewinner ist. Und nach Rücksprache mit allen Branchenvertretern weiß ich, dass die Idee zur Berufsausweitung viel zu wenig ausgegoren ist.

Mit der Umsetzung dieses Antrages haben wir noch lange nichts erreicht, denn es ist auch zu erwarten, dass für die Zahntechniker zusätzliche Prüfungen angeordnet werden. Ich spreche hier von den Hygienevorschriften, von den verschiedenen Zahn­fleischerkrankungen. Es gibt gerade bei älteren Menschen ein verstärktes Auftreten von Knochenkrebs im Kieferbereich. Deshalb sind diese Vorschriften ganz einfach wichtig. Wir sollten nicht vergessen, dass wir hierfür in den meisten europäischen Staaten ein Hochschulstudium brauchen.


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Die Ausübungsvorschrift muss auch durch den Sanitätsrat genehmigt werden. Derzeit sind die Voraussetzungen für eine Genehmigung ganz einfach nicht gegeben.

Darüber hinaus muss der Zahntechniker, um überhaupt eine Prothese anfertigen zu können, einen Behandlungsstuhl anschaffen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann nicht jemanden, dem man einen Zahnersatz anpassen will, in einen Sessel oder in ein bequemes Sofa setzen. Man muss ihn in eine gewisse Lage bringen, sonst kann man ihn im Nacken verletzen. Die Investition, von der wir hier sprechen, meine sehr geehrten Damen und Herren, beträgt 70 000 €. Das heißt, das ist eine Kosten­explosion, die für viele ganz einfach nicht leistbar ist, und schon gar nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, für Jungunternehmer.

Solche Investitionen rechnen sich natürlich nur bei einer entsprechenden Auslastung, und diese ist bei dieser Einschränkung ganz einfach nicht gegeben, denn die erwähnte Erweiterung betrifft nur die Totalprothese im zahnlosen, vom Zahnarzt vorbehandelten Mund. Für alle übrigen Kassenleistungen soll natürlich weiterhin der Zahnarzt zuständig sein.

Ohne Zahnarzt können wir uns das auch gar nicht vorstellen, denn von einem Zahnarzt muss zuerst einmal untersucht werden, ob eben der Kiefer in Ordnung ist, denn alles andere wäre doch im Hinblick auf die Patienten grob fahrlässig. Ich rede jetzt gar nicht von der Haftung, die jeder unserer Zahntechniker übernehmen würde. Das würde unser Gesundheitssystem nur verteuern. Und ich frage mich wirklich: Wo liegt der Vorteil für den Patienten?

Wir sprechen auch – Sie sagen das immer wieder und haben das auch im Ausschuss gesagt – von alten, vermögenslosen Menschen, die eine finanzielle Hürde haben. Gerade diese können zur zuständigen Gebietskrankenkasse gehen, die eine Zahn­prothese zu wirklich konkurrenzlos günstigen Konditionen anfertigt. Und ich muss noch einmal sagen, weil wir von den älteren Menschen in den Heimen gesprochen haben, es ist ein Unterschied. Es wäre sehr schön, wenn jemand kommen und ihnen dort den Zahnersatz anpassen würde. Aber dann muss eben in diesen Heimen eine Ordination eingerichtet werden. Es ist nämlich bei der Anpassung eines Zahnersatzes nicht so wie bei der Fußpflege, dass jemand mit einem Kofferl kommen kann und dort die Behandlung durchführt. Das geht ganz einfach nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Entschließungsantrag enthält weiters die Forderung nach Direktverrechnung mit den Sozialversicherungsträgern. In den meisten Fällen verbleibt ein Restbetrag von der Leistung, der eben nicht von den Sozial­versicherungsträgern bezahlt wird. Und da frage ich mich schon: Wo fordert denn dann der Zahntechniker diesen Restbetrag ein? – Beim Patienten direkt oder beim Zahn­arzt? Den Patienten bekommt er in den meisten Fällen gar nicht zu Gesicht.

Es ist auch üblich, dass Zahnärzte verschiedene Preisniveaus haben und natürlich auch die Zahntechniker, aber hauptsächlich dann, wenn prompte Lieferung, höhere Qualität bei der Ausführung und beim Material gewünscht sind. Bei den Preisver­handlungen haben wir daher zwei gleichwertige Partner.

Ich frage mich: Wieso wird bei der Direktverrechnung dem Zahntechniker ein fixer Preis auferlegt und wird nicht auf die individuelle Leistung eingegangen? So dürfte nur der Zahnarzt unterschiedliche Preise der Leistung angepasst verrechnen, aber nicht der Zahntechniker.

Ich glaube, erst dann, wenn all diese Probleme geregelt sind, können wir über eine Erweiterung der Berufsrechte reden. Jetzt ist es ganz einfach zu früh.


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Erlauben Sie mir, nur wenige Dinge aus diesem Artikel zu zitieren, der den Titel trägt „Lieferant oder Konkurrent“. Bundesinnungsmeister Müller sagt: „Die Zahntechniker sehen sich in ihrer Position klar und deutlich als Produzent eines hochwertigen Medizinproduktes, also als Lieferant des Zahnarztes. Und mehr wollen wir gar nicht sein.“ Weiters heißt es: „Wir werden nur miteinander überleben können und nicht gegeneinander.“ Er schließt: „Daher noch einmal meine Bitte nach Zusammenarbeit und Bündelung der gemeinsamen Kräfte an alle beteiligten Berufsgruppen.“ – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Die Rednerin überreicht Bundesrat Konecny den eben zitierten Artikel.)

20.28

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.28

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Präsidentin Zwazl! Wir hatten schon das Vergnügen, heute darüber zu disku­tieren. Es gibt durchaus immer wieder interessante Aspekte. Ich habe jetzt Ihrer Rede genau gelauscht. Okay, ein Bundesinnungsmeister vertritt eine Meinung, und Sie tun so, als ob alle Zahntechniker, die einen Gewerbeschein haben, automatisch dieser Meinung wären.

Zweitens: Wenn schon das Bundeswirtschaftsparlament und das oberösterreichische Parlament einstimmige Beschlüsse fassen, muss ein bisschen mehr dahinter sein als vielleicht eine einzelne Initiative. Sie haben davon gesprochen, wie gefährlich es sein kann, wenn jemand im Mund hantiert.

Also: Der Optiker darf mir in die Augen schauen. Der Hörgeräteakustiker darf in meinem Ohr herumfummeln. (Bundesrat Mag. Gudenus: Wohin schaut der Urologe?) – Das ist ein Arzt. Sie müssen ein bisschen aufpassen! Das eine ist ein Gewerbe und das andere eine medizinische Ausbildung. (Beifall bei der SPÖ.) Das orthopädische Fachgeschäft darf an meinen Füssen herumhantieren und Einlagen anbringen.

Ein Zahntechniker darf mit mir nicht in Kontakt treten, und das ist eine ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Kollege Kühnel, Sie können sich einmal erkundigen, und dann können Sie wieder Zwischenrufe machen. Es ist leider so. Das sind offensichtlich die übrig gebliebenen modernen Sklaven im Gesundheitsbereich. Die dürfen nicht. Wenn sie mit einem Patienten in Kontakt treten, ist es strafbar.

Ich kann jederzeit zu einem Optiker gehen, und der kann mir in die Augen schauen. Ich glaube, Frau Präsidentin Zwazl, wenn jemand in meinem Auge herumtut und auch im Ohr herumzuhantieren hat, hat das unter Umständen bedeutendere Auswirkungen, als wenn er sich einmal mein Gebiss anschaut.

Auch der Optiker und der Hörgeräteakustiker müssen mich bei bestimmten Indi­kationen zum Arzt schicken; dann kann ich wieder zurückgehen, aber ich kann immer noch mit dem persönlich reden. Aber der Zahntechniker ist der anonyme Herr, der irgendwann hinten hereinkommt, sich selten vorstellt, im Mund herumarbeitet und wieder abtritt. Warum? In anderen Ländern geht das auch. Die Mundhygiene wird selbstverständlich in anderen Ländern auch von Zahntechnikern gemacht. Wir müssen upgraden, Frau Präsidentin! Wir haben das bei den Dentisten ja auch gemacht. Wir haben die Dentisten stufenweise hochgehoben, weil da hatten wir auch einen Mangel und haben auch andere fuhrwerken lassen.


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714. Sitzung / Seite 184

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist einfach an der Zeit, hier irgendwo Abhilfe zu schaffen. Das ist ein seriöses Gewerbe, ein Gewerbe, das, auch wenn es bedroht ist, durch eine Leistungserweiterung – jetzt denke ich im Sinne der Wirtschaft – durchaus eine Absicherung erfährt. Die können dann direkt in Kontakt treten, können auch eine Leistungserweiterung machen, wie zum Beispiel mit der Mundhygiene.

Wir können es auch einmal umgekehrt sagen. Sie haben gesagt, es wäre natürlich nett, wenn sie in die Heime kämen. Wissen Sie, was dieser Unfug, dass der Zahn­techniker mit dem Patienten nicht direkt in Kontakt treten kann, die Wiener Gebiets­krankenkasse kostet? – Fast eine Million €! Das heißt, es müssen ständig Transporte aus den Senioren- und Seniorinnenheimen erfolgen, weil der Zahntechniker dort nicht hingehen darf, weil er sich strafbar macht, wenn er in direkten Kontakt tritt. Eine Million € pro Jahr! Ich glaube, wir sollten das Gesundheitsgeld nicht in das Transport­wesen stecken, sondern es gibt lohnendere Dinge im Gesundheitsbereich, wenn wir uns hier nur ein bisschen bewegen.

Wenn schon das hohe Bundeswirtschaftsparlament erkennt, dass in diesem Fall in irgendeiner Weise Handeln Not tut, wäre jetzt doch die Möglichkeit gewesen, zu sagen: Schauen wir uns diesen Bereich an!

Offensichtlich gibt es – Herr Konecny hat das gesagt; das darf er aber nicht sagen, das haben Sie ihm verboten, glaube ich – mittlerweile doch „schwarze Schafe“ unter den Zahnärzten. Es ist bei Ihnen schon durchgeklungen, dass diese schon ein paar Dinge im Nebenzimmer machen, die sie nicht machen dürfen.

Wenn wir jetzt aber den Zahntechnikern eine andere Stellung geben, so sind sie gleichwertigere Partner gegenüber den Zahnärzten als bisher. Bis jetzt sind sie nur abhängig, sind sie in einer direkten Abhängigkeit zum Zahnarzt. Ich glaube, das wäre sehr wohl ein Fortschritt und würde dieses Gewerbe aufwerten. Alle reden nur vom Aufwerten, aber es würde für die Patienten einen interessanteren, direkteren und persönlichen Zugang bringen und vor allem ein bedrohtes Gewerbe – wenn das stimmt, was Sie, Frau Präsidentin, selbst sagen – durch eine Leistungserweiterung absichern.

Ich glaube, Kollege Schimböck hat auf den Piercingbereich hingewiesen, wo Löcher in allen Ecken und im Mund gemacht werden dürfen. Wenn mir hingegen ein Zahn­techniker nicht einmal sagen oder einen Tipp oder Hinweis geben darf, ich sollte aus irgendwelchen Gründen doch zum Zahnarzt gehen, dann ist das einfach ein kras­ser Missstand, den man mit dieser Initiative beseitigen könnte.

Deshalb werden wir zustimmen. In diesem Fall müssen wir den negativen Ausschuss­bericht ablehnen, und wir begrüßen die Initiative, die hier vom Kollegen Schimböck ausgegangen ist. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

20.35

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Bundesrat Mag. Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.35

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Kollegen und Kolleginnen! Ich bin sehr froh, dass Kollege Schennach eine Berufsgruppe in den Mund genommen hat (Heiterkeit – Bundesrat Schennach: Welche denn?), die es jetzt nicht mehr gibt. Es sind dies die Dentisten. Und es sind die Dentisten, die sowohl die Zahntechnik gemacht als auch plombiert haben, somit also alles gemacht haben.


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Ich möchte jetzt nicht mein Beispiel der ärztlichen oder zahnärztlichen Betreuung in den Vordergrund schieben, aber mein 75-jähriger Dentist macht am Land in meiner Gemeinde noch immer alles, was eben sowohl der Techniker als auch der Zahnarzt machen darf. Ich bedaure sehr, dass es diese Berufsgruppe, die diese Kombination von Zahntechnik und zahnärztlicher Betreuung – klarerweise nicht die chirurgische, aber die übliche Löcherlflickerei, Zähne reißen und so weiter – durchgeführt hat, nicht mehr gibt. Dentisten dürfen sich seit geraumer Zeit Zahnärzte nennen, wenn auch ohne Beifügung des Wortes „Doktor“.

Meine Ausführungen gelten all jenen Damen und Herren, die den Beruf des Dentisten ausgeübt haben, und das wahrscheinlich zur größten Zufriedenheit eines Großteil ihrer Kunden. Ich danke von hier aus meinem Dentisten! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der SPÖ.)

20.36

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Einwallner. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.37

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Hohes Haus! Es freut mich, meinen ersten Redebeitrag hier im Haus zu einem Thema halten zu können, das einer Berufsgruppe zu einer Weiter­entwicklung verhelfen soll. Es sind schon einige Argumente dafür genannt worden, die schlagkräftig genug sind, warum die Berechtigung zur Erweiterung des Zahntechnikers zum Prothetiker erfolgt. Es ist auch sicherlich gut und richtig, wenn diese Erweiterung der Berechtigung erfolgt.

Lassen Sie mich auf das eine oder andere Argument noch ein bisschen näher einge­hen. Es geht in diesem Fall nicht um medizinische Behandlungen, das möchte ich deutlich klarstellen. Es geht in erster Linie um das Abdrucknehmen aus dem Mund, das man zur Anfertigung von Prothesen und Teilprothesen benötigt. Es ist eine handwerk­liche Tätigkeit, die ein gut ausgebildeter Zahntechnikermeister ausführen wird.

Ein weiteres Argument – und das halte ich für sehr wichtig, Kollege Schennach hat es auch angesprochen –: Die Versorgung der Patientinnen und Patienten wird besser. Das heißt im Klartext, es wird mehr Anbieter geben, kürzere Wege zu den Anbietern, bessere Serviceleistungen und wahrscheinlich auch kürzere Wartezeiten, wenn es ein Problem gibt.

Durch die Direktverrechnung – auch schon angesprochen – kommt es zusätzlich noch zu mehr Kostentransparenz. Wenn das nicht mehr wünschenswert ist, was wollen wir denn dann? Es ist dies eine absolut berechtigte und gute Forderung.

Es erinnern mich die ganze Debatte und die Diskussion zu diesem Thema ein bisschen an meinen eigenen Berufsstand. Ich bin Optikermeister und Kontaktlinsenanpasser. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, welche Diskussionen es darüber gegeben hat, ob ein Optikermeister und Kontaktlinsenanpasser entscheiden darf, ob er Linsen anpas­sen darf oder nicht. Da sind Horrorszenarien präsentiert worden: Reihenweise werden die Leute blind werden, wenn die Optiker das machen!

Das Gegenteil ist passiert, meine Damen und Herren! Es gibt eine sehr gute partner­schaftliche Zusammenarbeit zwischen Optikern und Augenärzten, genauso gut, wie die Zusammenarbeit zwischen Hörgeräteakustikern und HNO-Fachärzten ist. Ge­nauso wird es auch bei den Zahntechnikern mit den Zahnärzten werden. Erklären Sie mir bitte, warum es in Österreich nicht funktionieren soll, wenn es in vielen anderen


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714. Sitzung / Seite 186

europäischen Ländern einwandfrei funktioniert und schon seit Jahrzehnten praktiziert wird! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Da Bundesinnungsmeister Rudolf Müller schon zitiert wurde, möchte ich ihn auch noch einmal zitieren:

Sehen Sie den Zahntechniker als Lieferanten hochwertiger Produkte und nicht als Handlanger des Zahnarztes. – Zitatende.

Das sollte man berücksichtigen und den Zahntechniker nicht in dieses Eck schieben.

Noch einmal zusammenfassend: Warum sollen Zahntechniker mit Meisterprüfung nicht das machen dürfen, was zahnärztliche AssistentInnen machen dürfen? – In den Mund hineinzuschauen, Abdrücke zu machen, das gehört auch in die Hand des Zahn­technikers, und aus diesem Grund begrüßen wir diese Berechtigungserweiterung und stimmen natürlich dafür. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

20.41

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Offenkundig ebenfalls nicht.

Wir kommen zur Abstimmung, bei der ich der Klarheit halber wie folgt vorgehe: Zur Abstimmung steht der von Bundesrat Schimböck, Kolleginnen und Kollegen einge­brachte Entschließungsantrag. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, möge mit Ja stimmen. (Einige Bundesräte heben die Hand.) – Das war jetzt die Erläu­terung. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Konecny: Wir sind aber auch für Ihre Erläuterungen, Herr Präsident!) Jetzt kommen wir zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Ent­schließungsantrag 139/A (E) der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung des Berechtigungsumfanges für das Gewerbe der Zahntechniker sowie Direktverrechnung der Sozialversicherung mit den Zahntechni­kern ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt elf Anfragen, 2258/J bis 2268/J, eingebracht wurden.

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Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 25. November, 9 Uhr in Aussicht genommen.


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Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 23. November, ab 14 Uhr vorge­sehen.

Weiters gebe ich bekannt, dass die Enquete „Schule und Bildung – Entwicklungs­chancen des österreichischen Schulsystems“ am Mittwoch, den 24. November, von 9 Uhr bis 13.30 Uhr im Sitzungssaal des Nationalrates abgehalten wird.

Abschließend darf ich noch festhalten, dass die Ausschussvorberatungen für die am Donnerstag, den 2. Dezember, vorgesehenen Verhandlungsgegenstände des Bundes­rates nicht wie ursprünglich geplant am Dienstag, den 30. November, sondern bereits am Freitag, den 26. November, ab 11 Uhr stattfinden werden.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 20.44 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien