Antrittsansprache des Präsidenten

Präsident Mag. Christian Buchmann: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie via ORF III heute mit dabei sind oder uns via Livestream zugeschaltet sind! Als sichtbares Zeichen dafür, dass die Steiermark in diesem Halbjahr den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz und im österreichischen Bundesrat innehat, weht auf dem Josefsplatz die steiermärkische Landesfahne in den Farben weiß-grün, mit dem feuerspeienden Panther im Schild, bekrönt vom Herzogshut.

Ich freue mich sehr, dass ich in diesem Halbjahr den Vorsitz im Bundesrat führen darf; ich werde das gemeinsam mit meinen KollegInnen im Präsidium, der niederösterrei­chischen Bundesrätin Doris Hahn und dem Tiroler Bundesrat Dr. Peter Raggl, sehr ger­ne tun.

Ich möchte einleitend dem Herrn Landeshauptmann der Steiermark, dem Landtag Stei­ermark und meiner Gesinnungsgemeinschaft für die Ehre, in diesem Halbjahr den Vor­sitz im Bundesrat führen zu dürfen, sehr herzlich Danke sagen. Dies ist eine Ehre, die in Zeiten einer Pandemie gleichzeitig auch eine besondere Herausforderung darstellt.

Ich möchte eingangs auch meiner Vorgängerin im Amt, der Salzburger Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, sehr herzlich danken. Sie ist ihrem Motto, die Kultur des Miteinanders zu pflegen, mehr als nur gerecht geworden. Liebe Andrea, du hast dem Hohen Haus alle Ehre gemacht, danke für deinen Einsatz und deine Leistungen! (Allge­meiner Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundesrat ist ein zentraler Grundpfeiler des föderalen politischen Systems in Österreich – wenn man so sagen möchte, der fö­deralen politischen Verfasstheit unseres Landes. Seit 100 Jahren wirken die österreichi­schen Bundesländer an der Gesetzgebung und Gesetzwerdung mit und sind damit das Sprachrohr der österreichischen Bundesländer.

Gestern war aus Anlass der Ratspräsidentschaft der portugiesische Botschafter de Al­meida-Ribeiro bei uns im Europaausschuss. Er hat gemeint, dass wir ein Pillar of De­mocracy in Austria sind, also auch ein Grundpfeiler der Demokratie in der österreichi­schen Politik und Gesetzgebung.

Die Parlamentsdirektion hat zum Anlass 100 Jahre Bundesrat ein sehr lesenswertes Buch herausgegeben (das genannte Buch in die Höhe haltend): „100 Jahre Bundesrat – Eine starke Säule der Republik“. Darin hat Bundeskanzler Sebastian Kurz in seinem Vorwort beispielsweise gemeint, dass der österreichische Bundesrat das Ländergewis­sen in der Bundesgesetzgebung darstellt.

Ja, wir sind in der Tat ein Sprachrohr der österreichischen Bundesländer, und unser Bundesrat hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Europa- und Zukunftskam­mer weiterentwickelt, zu einer Zukunftskammer, weil es immer wieder gelungen ist, ak­tuelle Themenstellungen anzusprechen. Ich denke dabei beispielsweise an die Initiative von Ingo Appé, der dem Trinkwasser einen besonderen Stellenwert eingeräumt hat. Ich denke an die Initiativen meiner unmittelbaren Vorgänger Karl Bader, Robert Seeber und Andrea Eder-Gitschthaler, die die Stärkung des ländlichen Raums ganz besonders in den Vordergrund gestellt haben, aber es hat auch Initiativen in Richtung Digitalisierung und Pflege gegeben.

Ja, unser Bundesrat hat sich auch zu einer Europakammer weiterentwickelt. Sie wissen, dass Österreich seit 1995 Mitglied der Europäischen Union ist. Damals mussten Sou­veränitätsrechte des österreichischen Parlaments abgegeben werden, im Vertrag von Lissabon sind allerdings auch den nationalen Parlamenten Mitwirkungsrechte und Kon­trollrechte eingeräumt worden. Unser Bundesrat übt diese Mitwirkungs- und Kontroll­rechte im Rahmen der Spielregeln sehr, sehr intensiv aus – mit Stellungnahmen, mit Mitteilungen bis hin zu Subsidiaritätsrügen sind wir europaauffällig geworden –, und ich darf insbesondere den Mitgliedern des Europaausschusses in diesen Jahrzehnten, aber auch dem Hohen Haus insgesamt für diese Initiativen sehr herzlich Danke sagen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Der österreichische Bundesrat war und ist sich immer auch der Bedeutung von Erinne­rungskultur für die Gegenwart bewusst. Sie wissen, gestern vor 76 Jahren wurde das KZ Auschwitz-Birkenau befreit. Wir haben daher die weltweite We-Remember-Gedenk­kampagne mit einem gemeinsamen Zeichen unterstützt, weil wir es den Opfern des Na­tionalsozialismus schuldig sind, niemals zu vergessen und konsequent gegen Hass, Ge­walt und jede Form des Antisemitismus vorzugehen. Ich bedanke mich für dieses ge­meinsame Zeichen im Namen aller, denen dieses Thema ein besonderes Anliegen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist sehr bewusst, dass die Vorsitzführung im Bundesrat in Zeiten einer Pandemie eine Herausforderung darstellt und dass viele Menschen – wir eingeschlossen – Sehnsucht nach Normalität haben, Sehnsucht, sich wieder mit der Familie und mit Freunden treffen zu können, Sehnsucht, den beliebten Besuch beim Wirten durchzuführen, Sehnsucht, beim Lieblingsfußballverein auf der Tri­büne zu sitzen oder einen Konzert- oder Museumsbesuch durchführen zu können, oder wir in der Politik Sehnsucht danach haben, den direkten Bürgerkontakt wahrzunehmen, weil es uns wichtig ist, dass wir von Angesicht zu Angesicht erfahren und spüren, wie die Menschen in diesem Lande denken und wie wir gemeinsam Problemstellungen meis­tern können.

Diese Sehnsucht eint uns. Manchmal gibt es auf dem Weg, diese Sehnsucht zu stillen, unterschiedliche Zugänge. Ich glaube, dass wir das Sowohl-als-auch und nicht das Ent­weder-oder pflegen sollten – das Sowohl-als-auch, weil es wichtig ist, auf der einen Seite die besonders verletzlichen Gruppen in unserer Gesellschaft, ich meine damit die älteren Generationen, ich meine damit jene Menschen, die Vorerkrankungen haben, besonders zu schützen, und auf der anderen Seite, und ich weiß, das ist auch ein Thema des Vor­sitzenden der Landeshauptleutekonferenz, die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen und das Comeback der Wirtschaft zu unterstützen. Wir brauchen das Sowohl-als-auch und nicht das Entweder-oder. Und wenn wir das Sowohl-als-auch gemeinsam pflegen wollen, dann sind Kampfrhetorik, der Umgang mit Halbwahrheiten oder das be­wusste Leugnen der Pandemie vor allem keine soziale Tat. Es ist damit nicht möglich, eine solidarische Gesellschaft zu schaffen. Es wird mir ein besonderes Anliegen sein, gemeinsam mit Ihnen an dieser solidarischen Gesellschaft zu arbeiten. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Das Gute liegt so nah – Regionen sind die Fundamente Europas“, das ist das Motto meiner Präsidentschaft. Ich habe dieses Motto sehr bewusst gewählt, weil ich glaube – und das zeigen auch alle Untersuchungen –, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes das größte Vertrauen in jene Gebiets­körperschaften haben, die nahe am Menschen sind. Das sind unsere Kommunen, unse­re Gemeinden, das sind unsere Städte und die Regionen, in denen sie leben – das sind in Österreich die Bundesländer.

Wenn das so ist, dann ist es doch eine schöne Verbindung, wenn wir an die österreichi­schen Bundesländer und das, was uns auf europäischer Ebene eint, nämlich die Grund­freiheiten der Europäischen Union – die momentan durch die Pandemie stark einge­schränkt sind, wenn Sie beispielsweise nur an die Reisefreiheit denken –, denken. Das gilt aber insbesondere auch, wenn es um die Werte in der Europäischen Union geht: Denken Sie an die Menschenwürde, denken Sie an die Freiheit, denken Sie an die De­mokratie, denken Sie an Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit, die es in diesen Regionen gemeinsam zu pflegen gilt.

Ich möchte daher gemeinsam mit den jungen Menschen in diesem Lande – wenn es Corona zulässt – und in einer virtuellen Form an der Zukunft Europas arbeiten und ge­meinsam über die Zukunft Europas nachdenken. Ich möchte gemeinsam mit ihnen hier im Hohen Haus ein Jugendmeeting veranstalten, um deutlich herauszuhören, wohin die jungen Menschen unseres Landes gehen wollen. Ich möchte die neun Europaausschüs­se der österreichischen Landtage nach Graz einladen, um gemeinsam mit dem österrei­chischen Bundesrat über Subsidiaritätsfragen, über Verhältnismäßigkeitsfragen zu dis­kutieren und damit einen Mehrwert für die Menschen in unseren Regionen zu schaffen.

Kunst ist ein integraler Bestandteil unserer Gesellschaft und damit auch des politischen Lebens. Wenn Sie hier im Redoutensaal der Hofburg an die Wände blicken, spüren Sie, dass uns Kunst und Kultur begleiten. Ich möchte das auch in meine Präsidentschaft einbinden. Ich habe daher den renommierten Medienkünstler Richard Kriesche eingela­den, eine besondere Kunstinstallation in den Amtsräumlichkeiten des Bundesrates zu errichten, um im Kontext von Europa, Politik und Demokratie, aber auch von Kunst und Kultur darauf hinzuweisen, dass das Ganze – ich habe einen ganzheitlichen Denkan­satz – jedenfalls mehr als die Summe seiner Teile ist. Wenn wir es gemeinsam richtig anlegen, können wir einen ganz besonderen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen, das ist aber gerade in Zeiten einer Pandemie eine besondere Herausforderung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur das Medienkunstwerk von Richard Kriesche wird Kunst und Kultur zeigen. Ich bin dem steirischen Kulturlandesrat Christopher Drex­ler sehr dankbar für seine Initiative zur Steiermarkschau. Im April wird die Steiermark­schau in Wien zu Gast sein und damit das deutliche Bekenntnis zu Kunst und Kultur dokumentieren. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie dann die Einladung annehmen und sich die Steiermarkschau, die voraussichtlich am Heldenplatz zu sehen sein wird, ansehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe in meinem politischen Leben mehrere Sta­tionen durchlaufen. Ich habe die Ehre gehabt, in meiner Heimatstadt Graz als Gemein­derat und als Stadtrat zu wirken. Ich habe in der steiermärkischen Landesregierung und im steiermärkischen Landtag mitarbeiten können. Ich war auf europäischer Ebene Mit­glied des Ausschusses der Regionen, hatte in der Cosac, der parlamentarischen Dimen­sion der Ratspräsidentschaft, die Möglichkeit, meine Stimme zu erheben. Ich habe nun die Möglichkeit, für die nächsten fünf Monate gemeinsam mit Ihnen im österreichischen Bundesrat ganz besonders zu wirken.

Ich habe ein Credo, und dieses möchte ich Ihnen gerne mitteilen: Die Rolle des öster­reichischen Bundesrates, unsere gemeinsame Rolle ist es, Dinge möglich zu machen – natürlich kritisch reflektiert – und damit in Zeiten einer Pandemie eine Trendwende mit­einzuleiten und auch das Comeback der österreichischen Wirtschaft zu ermöglichen.

Ich glaube, dass wir gemeinsam das Notwendige tun sollen und sogar das Notwendige tun müssen, im Wissen, dass es nicht zwangsläufig hinreichend sein muss, wenn wir das Notwendige tun. Das spüren wir jeden Tag: Wir sind mit geänderten Rahmenbedin­gungen konfrontiert, wir haben einen starken Wandel auch in unserer Gesellschaft, wir haben ein Auseinanderdriften unserer Gesellschaft. Es sollte unser gemeinsames Anlie­gen sein, dieses Auseinanderdriften zu verhindern und eine solidarische Gesellschaft zu erreichen – und das in Wort und Tat, denn das Gemeinsame vor das Trennende zu stel­len ist mir ein besonderes Anliegen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mein Motto: „Das Gute liegt so nah“, erwähnt. Ein Teil dieses Mottos ist dem Werk eines gro­ßen Schöpfers deutscher Dicht- und Sprachkunst entnommen, nämlich Johann Wolf­gang von Goethe, der in seinen Erinnerungen über das Glücklichwerden gemeint hat – ich zitiere –: „Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah. Lerne nur das Glück ergreifen, denn das Glück ist immer da.“ – Ich danke Ihnen für die Aufmerk­samkeit. Ein steirisches Glückauf! (Allgemeiner Beifall.)

9.16