Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll86. Sitzung / Seite 19

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„Welche wesentlichen Änderungen kommen mit der anstehenden Reform des Erb­rechts auf die Bürgerinnen und Bürger zu?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Da kann ich mich kurz fas­sen. Die wesentlichen Änderungen betreffen das Pflichtteilsrecht. Wir haben das Pflicht­teilsrecht für die Vorfahren beseitigt, wir haben damit im Zusammenhang das Erbrecht für die Ehegatten gestärkt, und wir haben vor allem die Möglichkeit geschaffen, dass die Erben Pflichtteilsberechtigte mit entsprechenden Teilzahlungen, mit Stundungen, allenfalls auch unter gerichtlicher Kontrolle, auszahlen können, damit wirtschaftliche Einheiten nicht notwendigerweise zerschlagen werden müssen. Das halte ich für das ganz Zentrale: die Möglichkeit, Pflichtteilsansprüche nicht sofort befriedigen zu müs­sen, sondern im Interesse der Erhaltung von wirtschaftlichen Einheiten, Kleinunterneh­men, Familienbetrieben und Ähnlichem mehr eine längere Frist dafür zu haben.

Darüber hinaus gibt es ein Novum, das für den einzelnen Bürger auch wirklich sichtbar sein wird: die Möglichkeit, dass Pflegeleistungen, die von Verwandten erbracht wurden, von Amts wegen im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens Berücksichtigung finden sol­len, sofern sie nicht bereits abgegolten wurden. Das halte ich auch für ganz wesentlich, und es war uns auch ein sehr wichtiges Anliegen, eine Regelung für diese Leistungen zu finden, die oft im verwandtschaftlichen Umfeld erbracht werden und bei denen es oft so ist, dass gerade diejenigen, die sie erbringen, weil sich sonst niemand dazu bereit erklärt, nicht unbedingt die sind, die dann auch entsprechend konsequent auf ihre An­sprüche bedacht sind.

Das wollen wir ändern, und es wird in Zukunft so sein, dass im Zuge eines Verlas­senschaftsverfahrens der Gerichtskommissär einen entsprechenden Ausgleich finden wird, und ich denke, das wird in vielen Fällen auch gelingen. Es ist mir auch sehr wich­tig, dass das in das neue Erbrecht Eingang gefunden hat.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Ganz eine kurze vertiefende Frage: Herr Bundesminister, Sie haben die Pflegeleistungen angesprochen. Wir leben in einer wirklich immer älter werdenden Gesellschaft.

Wie konkret kann nun eine Familie darauf vertrauen, dass diese Berücksichtigung auch ausgewogen ist und es zu keinen Streitigkeiten im Verlassenschaftsverfahren kommt?

Die Berücksichtigung gerade dieser Leistungen ist wichtig, es ist aber auch immer eine Sache, bei der verschiedene Menschen verschiedene Meinungen haben. Es ist auch ein ganz klares Signal an unsere Gesellschaft, sich um den Nächsten zu kümmern.

Da würde ich gerne noch konkreter wissen, wie man sich das als Mensch, der dann möglicherweise auch einen Antrag stellt, vorstellen kann.

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Das kann man sich konkret so vorstellen – und das ist eben das Neue –, dass sich der Gerichtskommissär im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens von sich aus ansehen wird, wer Pflegeleistungen er­bracht hat, ob sie abgegolten wurden oder nicht, ob die Pflege im Bereich der Ver­wandtschaft geleistet wurde. Dann kann der Gerichtskommissär mit den Betroffenen in Kontakt treten und einen entsprechenden Ausgleich erzielen. Ich bin überzeugt, dass es unter Einsatz der Autorität des Gerichtskommissärs und des Gerichtes gelingen wird, gerade die in diesem Bereich immer wieder drohenden Streitigkeiten sogar zu verhin­dern.

 


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