Parlamentskorrespondenz Nr. 871 vom 28.11.2006

S-V-B-Mehrheit für Übergangslösung bei privater Pflege

Bartenstein: Keine perfekte, aber bestmögliche Lösung

Wien (PK) - Der Budgetausschuss des Nationalrates hielt heute unter dem Vorsitz seines Obmannes Jakob Auer seine erste Geschäftssitzung in der XXIII. Gesetzgebungsperiode ab. Seitens der Regierung waren Sozialministerin Ursula Haubner, Wirtschaftsminister Martin Bartenstein und Finanzstaatssekretär Alfred Finz erschienen. Einstimmig verabschiedeten die Ausschussmitglieder zunächst eine Regierungsvorlage zur Besoldungs-Novelle 2007 (1 d.B.) zur Umsetzung des Ergebnisses der Gehaltsverhandlungen mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes. Dann verabschiedeten SPÖ, ÖVP und BZÖ mit ihrer Mehrheit den ÖVP-Antrag 25/A mit Übergangsbestimmungen bis zur Neuregelung der Pflege, mit denen Strafbestimmungen für private ArbeitgeberInnen nicht angemeldeter Pflegekräfte vorübergehend außer Kraft gesetzt werden. Das Verlangen des BZÖ (30/A) auf Erhöhung des Pflegegeldes um 5 % im Jahr 2007 sowie eine jährliche gesetzliche Valorisierung ab 2008 wurde mit SP-VP-Mehrheit vertagt.

Besoldungs-Novelle 2007

Die Debatte eröffnete Abgeordneter Bruno Rossmann (G) mit der Feststellung, 2,35 % mehr Gehalt für den öffentlichen Dienst sei kein überragender Abschluss. Sockelbeträge wären geeignet gewesen, kleine Einkommen stärker zu berücksichtigen, was sowohl aus verteilungspolitischen als auch aus ökonomischen Gründen sinnvoll wäre, um den privaten Konsum - laut WIFO die Achillesferse der Konjunktur - stärker zu fördern.

Abgeordneter Otto Pendl (S) warnte davor, den öffentlichen Dienst nur als Kostenfaktor zu sehen, unterstrich die hervorragenden Dienstleistungen der Beamten und Vertragsbediensteten und appellierte an die Abgeordneten, sich gemeinsam für den öffentlichen Dienst stark zu machen.

Abgeordneter Fritz Neugebauer (V) hielt die Entscheidung für eine lineare Gehaltserhöhung im öffentlichen Dienst für gut begründet und erinnerte daran, dass der Gehaltsabschluss auch von den Länder- und Gemeindevertretern breit mitgetragen wurde.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) machte auf den großen Arbeitsdruck aufmerksam, der auch in der öffentlichen Verwaltung, in den Schulen und im Sicherheitsdienst herrsche und wandte sich gegen "Zerrbilder", die bei der Diskussion um die Pragmatisierung in der Öffentlichkeit gezeichnet werden. Der Gehaltsabschluss liege unter der Privatwirtschaft, aber über der Inflationsrate und lasse Augenmaß erkennen.

Finanzstaatssekretär Alfred Finz meinte, Sockelbeträge, über die diskutiert wurde, sollte man vermeiden, um Verschiebungen in der Gehaltsstruktur zu vermeiden. Für die Zukunft plädierte Finz für eine Reform der gesamten Gehaltsstruktur zugunsten jüngerer Beschäftigter.

Pro und kontra Übergangslösung für private Pflegekräfte  

Abgeordneter Karl Öllinger (G) leitete die Debatte mit Kritik an Problemen ein, die die vorgesehene Übergangslösung für die Beschäftigung von Pflegekräften in privaten Haushalten mit sich bringe. Die Intention, Pflegekräfte nicht wegzuschicken, sei verständlich, die Übergangslösung reiche aber nicht aus, weil illegale Beschäftigung nicht nur für die Vergangenheit amnestiert, sondern auch künftig, wenn auch befristet, zugelassen wird. Damit würden Arbeitnehmerschutzbestimmungen ausgehebelt, kritisierte Öllinger. Es gehe nicht an, dass PflegerInnen neben dem zu Pflegenden im Bett oder daneben auf dem Boden übernachten müssen. Fragen wie der Entfall von Sozialversicherungsbeiträgen blieben unbeantwortet, überdies enthalte der Antrag keine Lösung für die besonderen Probleme der Demenzkranken.

Der Valorisierung des Pflegegeldes würde er sofort zustimmen, sagte Öllinger, hielt aber fest, dass der Bereich "Pflege und Betreuung" grundsätzlich neu geordnet werden müsse.

Abgeordneter Lutz Weinzinger (F) sah die Familien durch die demographische Entwicklung überlastet, erteilte der vorgeschlagenen Übergangslösung, die unrechtmäßigen Vorgangsweisen Tür und Tor öffne, Rechtsunsicherheit erzeuge und illegale Zuwanderung ermögliche, aber eine Absage. Gefragt sei eine echte Lösung, bei der klar zwischen Pflege und Haushaltshilfe unterschieden werde.

Zum BZÖ-Antrag auf Valorisierung des Pflegegelds, der auf Antrag von Abgeordnetem Günther Stummvoll mit S-V-Mehrheit vertagt wurde, legte der Abgeordnete einen Abänderungsantrag vor, der eine Anpassung des Pflegegelds an die Indexentwicklung seit 1994 vorsah. 

Abgeordnete Heidrun Silhavy (S) stimmte der vorgesehenen Notmaßnahme zu, plädierte aber nachdrücklich dafür, das System dauerhaft zu reformieren. "Das geht nicht zum Nulltarif", sagte Silhavy.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) hielt es für notwendig, Kriminalisierungen zu vermeiden, und schlug vor, einen Notfallfonds für die nachträgliche Anmeldung von Pflegekräften bei der Sozialversicherung zu schaffen. Bei der Valorisierung des Pflegegeldes sollte man nicht vertagen, sondern schnell handeln, eine Auffassung, der sich auch SP-Abgeordnete Melitta Trunk anschloss.

Bundesministerin Ursula Haubner zeigte sich erfreut darüber, dass die schon lange geforderte Erhöhung des Pflegegeldes außer Streit stehe und ab 2007 kommen soll. Außer Streit stand für sie auch die Notwendigkeit einer umfassenden Reform der Pflege sowie spezielle Regelungen für Demenzkranke. Die Probleme bei der vorgeschlagenen Übergangslösung bei der Beschäftigung privater Pflegekräfte sah auch die Ressortleiterin, die Arbeitnehmer werden sozialversicherungsrechtlich nicht abgesichert und überdies zwei Klassen geschaffen, nämlich jene, die angemeldet werden, und jene, die nicht angemeldet werden. Es sei aber notwendig, die Familien zu entkriminalisieren; die Familien brauchen Pflegekräfte, die sie sich leisten können, daher schloss sich die Ministerin dem Vorschlag Dolinscheks zur Schaffung eines Notfallfonds an.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein führte gegenüber Abgeordnetem Öllinger aus, dass die Amnestieregelung keine steuerrechtlichen Probleme nach sich ziehe und auch Arbeitnehmerschutzgesetze nicht berührt seien. Die Übergangsregelung sei nicht perfekt, eine solche sei im Moment aber nicht erreichbar, daher müsse man sich für die bestmögliche Lösung, also für eine Amnestie, entscheiden. Damit könne man den Familien helfen, die auf Pflegeleistungen angewiesen sind.

Für die Zukunft schlug Abgeordneter Christoph Matznetter (S) vor, neue Organisationsformen bei der Pflege ins Auge zu fassen. Er dachte an NGOs und wies auf die erfolgreiche Tätigkeit von Hilfsvereinen hin. Eine anständige Lösung setze ein offene Diskussion über die Gefahr eines Pflegenotstands in Tschechien und in der Slowakei sowie die Bereitschaft voraus, Fragen des Arbeitnehmerschutzes nicht auszublenden.

Skepsis gegenüber dem Einsatz von NGOs bei der Pflege zeigte Abgeordneter Lutz Weinzinger (F), der sich eine staatliche Organisation von Pflegeleistungen vorstellen konnte. (Fortsetzung)


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