Parlamentskorrespondenz Nr. 317 vom 16.03.2021

Schallenberg: Mehr Aufmerksamkeit Europas für Westbalkan-Staaten notwendig

Außenpolitischer Ausschuss verurteilt Militärputsch in Myanmar

Wien (PK) – 2020 sei eindeutig ein verlorenes Jahr in Bezug auf das Engagement der Europäischen Union in der Region Südosteuropas gewesen. Es sei "noch nichts gewonnen" am Westbalkan, die EU stehe in dieser Region in geopolitischer Konkurrenz mit anderen Ländern wie Russland, China oder Saudi-Arabien. Europa müsse wieder mehr Energie und Aufmerksamkeit in die Staaten des Westbalkans legen, erste Anzeichen gebe es dafür, sagte heute Außenminister Alexander Schallenberg im Außenpolitischen Ausschuss des Nationalrats, ein 2020 dürfe sich jedenfalls nicht wiederholen. Seine Enttäuschung drückte Schallenberg zudem darüber aus, dass das Rahmenabkommen für den konkreten Beginn und den Ablauf der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien noch nicht vorliegt.

Österreich werde sich weiterhin dafür einsetzen, dass die EU-Perspektive für die südosteuropäische Region mit Leben erfüllt wird, so Schallenberg. Notwendig seien aber auch Gespräche, die über den EU-Beitrittsprozess hinausgehen. "Es geht nicht nur um Beitrittsverhandlungen ja oder nein", so der Außenminister.

Europa sieht Schallenberg zudem gefordert, wenn es um die Wiederbelebung des internationalen Atomabkommens mit dem Iran geht. In der Patt-Situation zwischen den USA und dem Iran sollte aus Sicht Schallenbergs die EU "aufs Parkett kommen und Vorschläge entwickeln", wie man wieder einen Schritt weitergehen könne. Das Außenressort versuche hier sein Maximum und habe Wien als Ort des Dialogs angeboten. Schallenberg will am Iran-Atomabkommen jedenfalls festhalten, auch wenn es "am seidenen Faden" hänge. Ein "Breakup" des Abkommens, das rund dreizehn Jahre verhandelt wurde, würde ein atomares Wettrennen im Iran verursachen. Zur Zeit sei "der Patient stabilisiert, die Operation aber noch ausständig", so der Minister etwa gegenüber Reinhold Lopatka (ÖVP).

Diskutiert wurden im Außenpolitischen Ausschuss auch die aktuellen Pläne in der EU-Außenpolitik auf Grundlage eines entsprechenden von Schallenberg an den Nationalrat vorgelegten Arbeitsprogramms. Demnach will sich die EU als aktiver, geeinter, globaler Akteur, der in der Welt für einen regelbasierten Multilateralismus einritt, stärker positionieren. Im Fokus der EU-Außenpolitik stehen in diesem Jahr zudem die Sicherheit der EU-BürgerInnen, der neue Asyl- und Migrationspakt, die Beziehungen zur Region Südosteuropas, zur USA, zu Russland und zur Türkei sowie die Entwicklungen im Berg-Karabach-Konflikt sowie im Zusammenhang mit den Verträgen zu atomaren und chemischen Waffen (III-237 d.B.).

Angesprochen von Axel Kasseger (FPÖ) auf den geplanten EU-Asyl- und Migrationspakt, den die Freiheitlichen in der jetzigen Form ablehnen, informierte Schallenberg, dass es dazu Gespräche zwischen den EU-Innen- und AußenministerInnen gegeben habe. Wesentliches Thema seien derzeit maßgeschneiderte Migrationspartnerschaften mit Herkunfts- und Transitländern. Hier müsse die Union als Handels- und Finanzmacht Konditionalitäten verbessern. Es gehe vor allem um eine kohärente und einheitliche Vorgehensweise unter den Mitgliedstaaten.

Zum Austritt der ungarischen Regierungspartei Fidesz aus der Fraktion der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament meinte der Minister, dass dieser zur Kenntnis zu nehmen sei, auch wenn er den Austritt bedaure.

Bezüglich der von den Abgeordneten Harald Troch (SPÖ) und Henrike Brandstötter (NEOS) thematisierten unter Druck gekommenen Presse- und Medienfreiheit in Slowenien, sagte Schallenberg, dass es keine Tabus in Gesprächen unter Nachbarn gebe und das Thema angesprochen werde. Die Dialogschiene dürfe nicht abreißen, auch nicht mit Polen und Ungarn.

Neue EU-Sanktionen gegenüber China, Südsudan und Nordkorea möglich

Die EU-Außenpolitik sieht Schallenberg in diesem Jahr noch von der COVID-19-Pandemie überschattet. Ohne die Herausforderung kleinreden zu wollen, wie Schallenberg sagte, dürfe Europa aber nicht glauben, dass es mit dem Virus einzigartige Schwierigkeiten auf der Welt habe. Viele andere Regionen in der Welt würden gerne mit Europa tauschen, da sie tagtäglich um Leib und Leben sowie Grundrechte kämpfen müssten. COVID-19 sei gerade in schwächeren Staaten ein Brandbeschleuniger für Krisen, die langfristige Konsequenzen hätten. Die Repressionen und Menschenrechtsverletzungen würden zunehmen , weshalb man vonseiten der EU etwa gegenüber Russland erstmals den Menschenrechts-Sanktionsmechanismus eingesetzt habe. Beim nächsten EU-Außenministerrat kommenden Montag werde vor dem Hintergrund von Menschenrechtsverletzungen auch über neue Sanktionen gegenüber anderen Ländern wie China, Nordkorea oder dem Südsudan beraten, wie der Minister gegenüber Grün-Abgeordneter Ewa Ernst-Dziedzic erklärte.

Ein europäisches und besorgniserregendes Thema ist für Schallenberg außerdem die Erstarkung des islamistischen Terrorismus in Afrika bzw. insbesondere in der Sahel-Zone. Zudem drohe Äthiopien das nächste Syrien zu werden, so der Außenminister.

Parlamentsfraktionen fordern außenpolitisches Engagement für Myanmar

Anlass zur Sorge gibt für Schallenberg außerdem der vor Kurzem in Myanmar stattgefundene Militärputsch, der auch von allen Parlamentsfraktionen entsprechend eingestuft und verurteilt wird. Sie treten deshalb an den Außenminister mittels Entschließungsantrag heran und ersuchen, sich vonseiten Österreichs gemeinsam im Verbund mit den EU-Partnern weiterhin für eine sofortige Einstellung des gewaltsamen Vorgehens des Militärs gegenüber den friedlichen Protesten der Zivilbevölkerung, für eine Freilassung von festgenommenen PolitikerInnen und VertreterInnen der Zivilgesellschaft, für eine ungehinderte Telekommunikation, für eine Rückkehr zum demokratischen Prozess und für eine Wiederherstellung der Zivilregierung einzusetzen. Zudem sprechen sich die Parlamentsfraktionen für eine unabhängige internationale Untersuchung der Vorgänge aus.

Ursprung des von allen Parlamentsfraktionen unterstützten Entschließungsantrags ist eine Initiative von ÖVP und Grünen, die im Ausschuss zusammen mit der SPÖ abgeändert wurde (1272/A(E)). Als miterledigt gilt damit ein ähnliches Anliegen der SozialdemokratInnen, in dem Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ) im Fall von Myanmar ebenfalls bilaterales, europäisches und internationales Engagement vonseiten des Außenministers einfordert (1284/A(E)). Ein Entschließungsantrag der NEOS im Zusammenhang mit der Einführung von Sanktionen, wie das Einfrieren von Konten oder Einreisebeschränkungen nach Österreich, fand keine Mehrheit im Ausschuss (1334/A(E)).

Vertagt wurden zudem zwei NEOS-Anträge, in denen zum einen eine abgestimmte Politik zwischen der EU und den USA in Verhandlungen mit China insbesondere im Zusammenhang mit dem EU-China-Investitionsabkommen (1333/A(E)) eingefordert und zum anderen darauf gedrängt wird, die Unterdrückung der UigurInnen durch China als Genozid (1383/A(E)) einzustufen. (Fortsetzung Außenpolitischer Ausschuss) keg