Parlamentskorrespondenz Nr. 361 vom 29.03.2023

Nationalrat stimmt Maßnahmen zur Sicherstellung der Qualität des häuslichen Unterrichts zu

Debatte über akuten Lehrer:innenmangel sowie Wirksamkeit der Deutschfördermaßnahmen

Wien (PK) – Die Sicherstellung der Qualität des häuslichen Unterrichts steht im Mittelpunkt eines von der Regierung vorgelegten Schulrechtspakets, das heute im Nationalrat in dritter Lesung mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS beschlossen wurde. Im Konkreten sollen die für die Überprüfung des Leistungsstands relevanten Reflexionsgespräche auf die Vorschulstufe ausgeweitet werden. Außerdem müssen die Eltern den Bildungsdirektionen ein pädagogisches Konzept vorlegen sowie bekanntgeben, an welchem Ort der häusliche Unterricht stattfinden soll. Bei den im Ausschuss zusätzlich vorgenommen Änderungen ging es weiters um die Sicherstellung der Qualität der Ausbildung und des Unterrichts für Pflegeassistenzberufe sowie um die Feststellung der Sprachkompetenz durch MIKA-D-Testungen, die nun zumindest einmal am Ende eines jeden Semesters erfolgen können. Ein im Zuge der heutigen Sitzung von Mandatar:innen der ÖVP, SPÖ und Grünen eingebrachter Entschließungsantrag, der auf die Vermittlung von Erste-Hilfe-Kenntnissen in den Schulen abzielt, wurde einstimmig beschlossen.

Von einem wichtigen Schritt zum Wohle der Kinder sprach Bundesminister Martin Polaschek. Die Regierungsvorlage schaffe nicht nur mehr Rechtsklarheit, sondern auch eine bessere Nachvollziehbarkeit der Regelungen. Die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten sollen in Hinkunft klar erkennen können, welche Aufgaben und Pflichten mit dem häuslichen Unterricht verbunden seien.

Regierungsvorlage sieht Qualitätsverbesserungen beim häuslichen Unterricht vor

Zur Sicherstellung der Qualität häuslichen Unterrichts in Österreich sieht das Schulrecht spätestens zwei Wochen nach den Semesterferien sogenannte Reflexionsgespräche bei dem bzw. der zuständigen Schulleiter:in vor. Die daheim unterrichteten Kinder und Jugendlichen werden dabei in Anwesenheit ihrer Erziehungsberechtigten auf ihren Leistungsstand und Lernfortschritt geprüft. Nun sieht eine Regierungsvorlage vor, diese Reflexionsgespräche auf die Vorschulstufe auszuweiten, um den Übergang von der elementarpädagogischen in die schulische Bildung zu verbessern. Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten müssen der Bildungsdirektion alle relevanten Informationen übermitteln, was etwa auch die Vorlage eines pädagogischen Konzepts sowie die Angabe des Ortes betrifft, an dem der häusliche Unterricht stattfinden soll. Im Rahmen der Sammelnovelle kommt es zudem noch zu einer Verlängerung einer COVID-19-Sonderbestimmung bis zum Ende des Wintersemesters 2024/25, um nachteilige Auswirkungen auf eine bestimmte Gruppe von Bezieher:innen von Studienbeihilfe abzufedern.

Die Bildung sei der Schlüssel zum Erfolg, betonte Abgeordnete Gertraud Salzmann (ÖVP), dies gelte nicht für das Individuum, sondern für die ganze Gesellschaft. Deshalb werde sehr viel in den Ausbau hochwertiger Bildungsangebote investiert. Eine weitere Attraktivierung des Lehrer:innenberufs werden die nächsten notwendigen Schritte sein. Als Beispiel nannte sie die geplante Verkürzung des Lehramtsstudiums auf fünf Jahre. Da bei allen Maßnahmen immer das Kindeswohl im Zentrum stehe, müssen klare Rahmenbedingungen geschaffen werden, nahm Salzmann auf die konkreten Inhalte der Regierungsvorlage Bezug. Rudolf Taschner und Romana Deckenbacher (beide ÖVP) verteidigten abermals die Deutschförderklassen, die einen wesentlichen Anteil daran hätten, dass Deutsch in den Schulen besser unterrichtet werden könne. Es sollten alle Schulen so attraktiv gestaltet werden, dass die Eltern gar nicht auf die Idee kommen, ihre Kinder zu Hause zu unterrichten, bekräftigte Taschner. Entscheidend dafür seien aus seiner Sicht vor allem gute Lehrkräfte, die möglichst viel Freiheit haben. Andrea Holzner (ÖVP) hob die Vorteile der Etablierung einer Pflegelehre hervor, die sich etwa in der Schweiz bereits seit 2004 bewährt habe.

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP) brachte einen Entschließungsantrag betreffend Vermittlung von Erste-Hilfe-Kenntnissen in der Schulen ein, der von ÖVP, Grünen und SPÖ mitgetragen wurde. Neben einer Aktualisierung des Erlasses "Erste Hilfe in der Schule" soll es vor allem entsprechende Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrer/innen in diesem Bereich sowie die Verankerung der Vermittlung von altersadäquat lebensrettende Sofortmaßnahmen im Ausmaß von zwei Stunden pro Semester. Weiters soll im Dialog mit den Rettungsorganisationen erörtert werden, wie gemeinsam die Kapazitäten für externe Angebote für Erste Hilfe Kurse für Kinder und Jugendliche verbessert und ausgebaut werden können. Abgeordnete Romana Deckenbacher (ÖVP) brachte einen Abänderungsantrag ein, durch den unter anderem die Qualität der Ausbildung und des Unterrichts für Pflegeassistenzberufe sichergestellt werden soll. Weitere Änderungen betreffen die Feststellung des Sprachstandes und der erforderlichen Sprachkompetenz durch MIKA-D-Testungen, die zumindest einmal am Ende eines jeden Semesters zu erfolgen haben.

Sibylle Hamann (Grüne) zeigte sich froh darüber, dass es bezüglich der Verbesserungen bei der Kontrolle des häuslichen Unterrichts einen breiten politischen Konsens gebe. Es handle sich dabei um pragmatische Anpassungen im Sinne der Schüler:innen. Denn man dürfe die Kinder und Jugendlichen nicht irgendwelchen obskuren Gruppierungen überlassen, betonte die Rednerin. Positiv beurteilte sie auch die wesentlichen Verbesserungen bei den Deutschfördermaßnahmen. So würden etwa zusätzliche Mittel für die Bildung von kleineren Gruppen, für Teamteaching und individuelle Förderungen zur Verfügung gestellt. Überdies werde sichergestellt, dass die Kinder jederzeit in die Regelklassen wechseln können.

SPÖ will Schulsystem umfassend reformieren und Deutschförderklassen abschaffen

Ihre Fraktion sei grundsätzlich der Auffassung, dass Kinder in Bildungseinrichtungen unterrichtet werden sollten, betonte Abgeordnete Petra Tanzler (SPÖ). Als Argumente dafür führte sie das dort vorhandene Fachpersonal, das Erlernen von sozialen Kompetenzen oder den Erwerb der gemeinsamen Sprache an. Da die Anträge auf häuslichen Unterricht aufgrund der Pandemie stark zugenommen hätten, sei es zu begrüßen, dass es nun zu Verschärfungen komme. Aufgezeigt würde dadurch aber auch das mangelnde Vertrauen in das reguläre Schulsystem, das zahlreiche Baustellen aufweise. Würden die über hunderttausend Pädagog:innen Dienst nach Vorschrift machen, dann wäre das System schon längst gekippt, zeigte sich Tanzler überzeugt. Was die im Ausschuss vorgenommenen Abänderungen betrifft, so stehe ihre Fraktion den Vorschlägen sehr kritisch gegenüber, da sie sowohl den geplanten Lehrberuf für die Pflegeassistenz noch die "wertlosen Deutschförderklassen samt dem MIKA-D-Testungen" ablehne. Ebenso sei die nun in Niederösterreich erhobene Forderung nach einer Verankerung von Deutsch als Pausensprache in den Haus- und Schulordnungen "diskriminierend, pädagogisch bedenklich und nutzlos". Wenn die Schulstruktur kaum eine Rolle spiele, wie vom Abgeordneten Taschner behauptet werde, dann frage er sich, warum die ÖVP so fest an der frühen Segregation der Kinder festhalte, gab Christian Oxonitsch (SPÖ) zu bedenken. Internationale Studien würden eindeutig belegen, dass die frühe Trennung der Schüler:innen nach dem zehnten Lebensjahr den österreichischen Kindern schade.

FPÖ orten massive Verschärfungen beim häuslichen Unterricht und mahnen Lösungen für den Lehrer:innenmangel ein

Wenn jedes siebente Kind in den Wiener Schulen aufgrund von Sprachproblemen dem Unterricht nicht folgen könne und mehr als ein Drittel der Schüler:innen nicht Deutsch als Muttersprache habe, dann müsse etwas getan werden, konstatierte FPÖ-Mandatar Hermann Brückl. Dazu zählten etwa die Deutschförderklassen oder die Einführung von Deutsch als Pausensprache. Bezüglich der zur Debatte stehenden Novelle räumte er leichte Verbesserungen ein, gleichzeitig aber auch massive Verschärfungen. Ablehnend stand er etwa der Verpflichtung zur Vorlage eines pädagogischen Plans durch die Eltern oder der Angabe des Ortes des häuslichen Unterrichts gegenüber. Statt dieser Maßnahmen hätte er sich vielmehr gewünscht, dass Minister Polaschek die Gründe erhoben hätte, warum es während der Coronakrise so viele Schulabmeldungen gegeben hat. Außerdem müsse der Minister endlich aktiver werden und Lösungen für den akuten Mangel an Pädagog:innen anbieten, forderte Brückl.

NEOS bemängeln Schlechterstellung von "freien Schulen" und üben Kritik an Deutschfördermaßnahmen

Martina Künsberg Sarre (NEOS) begrüßte die Fortschritte beim häuslichen Unterricht. Generell stünde für sie aber ein innovatives und modernes Schulsystem im Vordergrund, in dem sich alle Kinder wohlfühlen. Kritisch merkte sie an, dass die sogenannten freien Schulen schlechter gestellt werden sollen. Diesbezüglich brachte sie auch einen Abänderungsantrag ein, der aber keine Mehrheit fand. Wenig Positives konnte Künsberg Sarre den Deutschfördermaßnahmen abgewinnen, die alle dazu beitragen würden, Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache "vorzuführen". Keine Zustimmung von Seiten der NEOS gab es auch für die Pflegelehre.

Polaschek: Anpassungen führen zu mehr Rechtsklarheit und Nachvollziehbarkeit für die Erziehungsberechtigten

Die vorliegende Regierungsvorlage spiegle die Erfahrungen des vergangenen Schuljahres wider und nehme Anpassungen vor, die für mehr Rechtsklarheit und Nachvollziehbarkeit sorgen sollen, betonte Bundesminister Martin Polaschek. Die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten sollen in Hinkunft klar erkennen können, welche Informationen eine Anzeige eines häuslichen Unterrichts enthalten müsse. Durch die Verpflichtung zur Vorlage eines pädagogischen Konzepts können auch die Schulbehörden besser abschätzen, ob die Kinder und Jugendlichen den nötigen Bildungszuwachs erreichen können und ob die bestmögliche Förderung gewährleistet ist. Für wichtig erachtete der Minister auch die Verlängerung der COVID-Sondervorschriften für Studierende, die im Studienjahr 2019/20 ein achtsemestriges Studium begonnen haben. Zudem ermögliche die Novelle, dass Berufsschulunterricht in Pflegeassistenzberufen in fachtheoretischen und praktischen Gegenständen in Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege durchgeführt werden könne. Damit seien die Grundlagen dafür gelegt, dass die Pflegelehre als wichtiger Bestandteil der im vorigen Jahr vorgestellten Pflegereform der Bundesregierung bestmöglich umgesetzt werden könne.

ÖVP und Grüne für Fortführung der Förderung von Bildungsmaßnahmen im Bereich Basisbildung sowie zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses

Der von SPÖ-Abgeordneten eingebrachte Antrag betreffend Vorlage eines gesamtheitlichen Erwachsenenbildungspakets fand im Unterrichtsausschuss zwar keine Mehrheit, diente jedoch als Basis für eine mit den Stimmen von ÖVP und Grünen verabschiedete Entschließung der Regierungsfraktionen. Darin sprachen sich die Antragsteller:innen dafür aus, die bestehende Bund-Länder-Vereinbarung zur Förderung von Bildungsmaßnahmen im Bereich der Basisbildung sowie des Nachholens des Pflichtschulabschlusses über das Jahr 2024 hinaus fortzuführen. Wichtig sei die Absicherung von unentgeltlichen Bildungsangeboten für Jugendliche und Erwachsene ab 15 Jahren, betonten Johann Weber (ÖVP) und Sibylle Hamann (Grüne). Für Katharina Kucharowits (SPÖ) ging der Antrag nicht weit genug; sie sprach sich für weitergreifendere Änderungen aus.

SPÖ will Berufsorientierung im ländlichen Raum fördern

Keine Zustimmung fand ein Entschließungsantrag von Elisabeth Feichtinger (SPÖ), der auf eine bessere Begleitung und Beratung von Schüler:innen der 9. Schulstufe hinsichtlich ihrer Bildungs- bzw. Berufslaufbahn abzielte. Feichtinger wollte besonders abseits der größeren Städte im ländlichen Raum ansetzen und dort Berufsorientierungsprogramme von Nichtregierungsorganisationen im ländlichen Raum finanziell ermöglichen. ÖVP und Grüne sahen Berufsorientierung ebenfalls als essentielles Thema an, fanden jedoch keinen Anlass für eine Unterscheidung zwischen Stadt und Land und verwiesen auf bestehende Angebote.

Initiativen von Bürger:innen vom Gesundheitssektor bis hin zu Verkehrsprojekten

Mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde der Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, der insgesamt elf Anliegen von Bürger:innen umfasst. Dabei ging es unter anderem um den Zugang von Pflegepersonal zur Schwerarbeitspension , die Anerkennung von COVID-19-Infektionen am Arbeitsplatz als Berufskrankheit , weitere Entlastungsmaßnahmen für Pendler:innen , eine Ausweitung der LKW-Maut auf Landes- und Gemeindestraßen, die Aufstockung des Bewertungspersonals in der Finanzverwaltung , die Errichtung eines Polizeipostens in der Gemeinde Strasshof sowie die Verhinderung eines Asylquartiers in Kindberg . Auch eine faire Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen von Gesundheits- und Pflegepersonal sowie ein uneingeschränkter Schulbetrieb im Schuljahr 2022/23, unabhängig von der Corona-Lage, gehörten zu den Bürger:innenanliegen.

Im Unterrichtsausschuss weiterberaten werden soll etwa über eine Bürgerinitiative, die einen Rechtsanspruch auf ein 11. und 12. Schuljahr für Kinder mit Behinderung zum Ziel hat. Zudem wird eine Petition zum Thema ME/CFS-Erkrankungen dem Gesundheitsausschuss zugewiesen. Dabei geht es um eine neuroimmunologische Multisystemerkrankung, bei der die Betroffenen an extrem eingeschränkter Leistungsfähigkeit und schwerer Müdigkeit leiden und die zuletzt auch mit Long-COVID in Verbindung gebracht wurde. Gefordert wird unter anderem ein Ausbau der medizinischen Versorgung und die soziale Absicherung von ME/CFS-Patient:innen. (Fortsetzung Nationalrat) sue

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.