Parlamentskorrespondenz Nr. 1091 vom 20.10.2023

Neu im Verfassungsausschuss

Wien (PK) – Nach längeren Verhandlungen hat die Regierung dem Nationalrat den Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz und begleitende Verfassungsänderungen vorgelegt (2238 d.B.). Mit der Regierungsvorlage soll die Amtsverschwiegenheit endgültig aus der Verfassung gestrichen und ein grundsätzliches Informationsrecht für Bürger:innen gegenüber dem Staat eingeführt werden. Auch werden Informationen von allgemeinem Interesse proaktiv zu veröffentlichen sein. Es gehe um einen Paradigmenwechsel, staatliche Transparenz soll zur Regel, Geheimhaltung zur Ausnahme gemacht werden, heißt es dazu in den Erläuterungen.

Inhaltlich knüpft der Regierungsentwurf an einen im Jahr 2021 in Begutachtung geschickten Gesetzesvorschlag an, der laut Verfassungsministerin Karoline Edtstadler auf Basis der eingebrachten Stellungnahmen und der darauffolgenden zahlreichen Gespräche überarbeitet wurde. Für einen endgültigen Beschluss benötigt er sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit und damit die Unterstützung zumindest einer der beiden großen Oppositionsparteien. Außerdem kann das Informationsfreiheitsgesetz nur mit Zustimmung aller neun Bundesländer kundgemacht werden, da dieses auch ihren Zuständigkeitsbereich betrifft.

Proaktive Veröffentlichung von Informationen von allgemeinem Interesse

Mit der Regierungsvorlage sollen unter anderem die Ministerien, die Landesverwaltungen, das Parlament, die Gerichte und weitere staatliche Organe verpflichtet werden, Informationen von allgemeinem Interesse von sich aus zu veröffentlichen. Dazu zählen etwa in Auftrag gegebene Gutachten, Studien, Tätigkeitsberichte, Umfragen und Verträge, wobei bei Verträgen mit einem Wert von mindestens 100.000 € laut Entwurf jedenfalls davon auszugehen ist, dass ein öffentliches Interesse daran besteht. Über ein regelmäßig zu aktualisierendes zentrales Informationsregister sollen diese Informationen für die Öffentlichkeit leicht zugänglich gemacht werden. Gleichzeitig ist ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht der Bürger:innen auf Zugang zu Informationen gegenüber der Verwaltung vorgesehen.

Der Gesetzentwurf enthält allerdings auch einige Einschränkungen. So soll etwa weiter Geheimhaltungspflicht bestehen, wenn die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch Veröffentlichungen oder Auskunftserteilungen gefährdet würde, wenn dies zur Abwehr eines erheblich wirtschaftlichen oder finanziellen Schadens geboten ist oder wenn zwingende integrations- oder außenpolitische Gründe dies erfordern. Ebenso soll der Öffentlichkeit der Zugang zu Dokumenten verwehrt bleiben, die der Vorbereitung einer Entscheidung dienen. Auch Rechte Dritter sind zu berücksichtigen, wobei etwa Betriebsgeheimnisse, Urheberrechte, die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses und das Grundrecht auf Datenschutz angeführt werden.

Vorgesehen ist überdies, Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohner:innen von der proaktiven Veröffentlichungspflicht auszunehmen, wobei laut Erläuterungen das Ergebnis der letzten Volkszählung maßgeblich sein wird. Zwar werden auch sie im Falle von Anfragen Auskünfte erteilen müssen, Vorabveröffentlichungen sind aber nur auf freiwilliger Basis in Aussicht genommen. Begründet wird das damit, dass man die Leistungsfähigkeit der Gemeinden – auch in technischer Hinsicht – nicht überfordern wolle. Gesetzliche Interessenvertretungen werden nur gegenüber ihren eigenen Mitgliedern zu Transparenz verpflichtet sein.

Auskünfte innerhalb von vier Wochen

Die vom Gesetz erfassten Stellen sollen Auskunftsbegehren von Bürger:innen und Journalist:innen grundsätzlich innerhalb von vier Wochen beantworten müssen. In Ausnahmefällen kann diese Frist um weitere vier Wochen verlängert werden. Sind andere Personen betroffen, müssen sie nach Möglichkeit verständigt und angehört werden, wobei die Entscheidung über die Informationserteilung letztlich bei der Behörde bzw. der betroffenen Stelle liegt. Sie hat die einzelnen Interessen abzuwägen. Nicht beantwortet werden müssen extrem zeitraubende oder offensichtlich mutwillige Anfragen. Landet eine Anfrage bei einer falschen Stelle, ist sie so rasch wie möglich an die zuständige Stelle weiterzuleiten.

Wird die erbetene Auskunft verweigert, etwa mit Berufung auf einen Ausnahmetatbestand, soll sich der bzw. die Betroffene an das zuständige Verwaltungsgericht wenden können. Davor hat die Stelle – innerhalb von zwei Monaten nach Einlangen eines schriftlichen Antrags – gebührenfrei einen entsprechenden Bescheid zu erlassen. Für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist ebenfalls eine Frist von zwei Monaten vorgesehen. In letzter Konsequenz könnte laut Erläuterungen eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Zugang zu Information erhoben werden.

Besondere Bestimmungen für staatsnahe Unternehmen

Besondere Bestimmungen sieht der Entwurf für staatsnahe Unternehmen, Stiftungen und Fonds vor, die der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen. Zwar sollen grundsätzlich auch sie der Auskunftspflicht unterliegen, eine Pflicht zur Vorabveröffentlichung von Informationen ist aber nicht vorgesehen. Außerdem sollen keine Auskünfte erteilt werden müssen, wenn das die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens oder seine geschäftlichen Interessen beeinträchtigen würde. Gänzlich ausgenommen sind börsennotierte Gesellschaften bzw. Unternehmen, die unter dem beherrschenden Einfluss börsennotierter Gesellschaften stehen. Anders als bei Anfragen an staatliche Stellen sind weiters gewisse Formerfordernisse für Informationsbegehren einzuhalten. Bei unzulässigen Auskunftsverweigerungen sollen sich Betroffene gleichfalls an das zuständige Verwaltungsgericht wenden können.

Beratung und Unterstützung durch die Datenschutzbehörde

Beraten und unterstützt werden sollen die vom Informationsfreiheitsgesetz betroffenen Stellen und Unternehmen durch die Datenschutzbehörde. Diese soll laut Gesetzentwurf Leitfäden und Fortbildungsangebote bereitstellen. Zudem soll sie das Gesetz begleitend evaluieren.

Privilegierte Auskunftserteilungen an Abgeordnete und Bundesrät:innen im Rahmen des Interpellationsrechts sieht der Regierungsentwurf nicht vor. Vielmehr soll in der Verfassung ausdrücklich festgeschrieben werden, dass die im Gesetz genannten Geheimhaltungsgründe auch für die Beantwortung parlamentarischer Anfragen maßgeblich sind. Damit schreibe man die geltende Rechtslage fort, schließlich seien die Mitglieder der Bundesregierung auch derzeit zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit gegenüber dem Nationalrat verpflichtet, wird dazu in den Erläuterungen festgehalten.

Nicht notwendig wird es sein, Informationen die bereits in anderen gesetzlich vorgesehenen Datenbanken aufscheinen, nochmals zu veröffentlichen. Laut Erläuterungen betrifft das etwa das Rechtsinformationssystem des Bundes, die Transparenzdatenbank, vergaberechtliche Veröffentlichungsverpflichtungen oder das Firmenbuch.

Kosten für die Verwaltung schwer abschätzbar

In den Erläuterungen wird darauf verwiesen, dass es zwar schon jetzt eine Auskunftspflicht der Verwaltung gibt, diese jedoch in einem Spannungsverhältnis zur in der Bundesverfassung verankerten Amtsverschwiegenheit steht. Zudem würden die Fristen zur Auskunftserteilung als zu lang und der Rechtsschutz als unzureichend empfunden.

Schwer sagen lässt sich laut Regierung, welche Kosten die neuen Bestimmungen verursachen werden. Sie geht aber davon aus, dass es zumindest unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes zu einem Anstieg von Auskunftsbegehren und damit zu höheren Personalaufwendungen kommen wird. Mittelfristig sei aber von einer Stabilisierung auszugehen, da die proaktive Veröffentlichungspflicht zu einer Reduzierung individueller Anfragen führen sollte. Die jährlichen Kosten für das Informationsregister werden auf 800.000 € für das Jahr der Errichtung und 500.000 € im laufenden Betrieb geschätzt.

Inkrafttreten soll das neue Informationsfreiheitsgesetz 18 Monate nach dessen Kundmachung, also frühestens im Laufe des Jahres 2025. Ab diesem Zeitpunkt soll auch die proaktive Veröffentlichungspflicht gelten. Ältere Informationen müssen nicht bereitgestellt werden. Begründet wird diese lange Legisvakanz mit notwendigen Vorbereitungsarbeiten, etwa was die Einrichtung des geplanten Informationsregisters betrifft.

Lange Vorgeschichte

Beim nunmehr vorgeschlagenen Informationsfreiheitsgesetz handelt es sich im Übrigen nicht um den ersten Vorstoß in diese Richtung. Bereits im Dezember 2014 hatte die damalige rot-schwarze Koalition einen Anlauf zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses gestartet (siehe 395 d.B. aus der 25. Gesetzgebungsperiode). Allerdings verliefen die intensiven parlamentarischen Verhandlungen über die Verfassungsnovelle und ein später dazu vorgelegtes Ausführungsgesetz letztendlich im Sand – Knackpunkte waren unter anderem die Frage der Einrichtung eines Informationsbeauftragten und die Ausgestaltung des parlamentarischen Interpellationsrechts. Auch vorhergehende und nachfolgende Initiativen von NEOS, Grünen und JETZT fanden keine Mehrheit. Aktuell stehen neben dem nunmehrigen Gesetzentwurf der Regierung auch Anträge der SPÖ (60/A und 61/A) und der NEOS (453/A) im Verfassungsausschuss zur Diskussion. (Schluss) gs