Stenographisches Protokoll

660. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 3. Februar 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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660. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 3. Februar 2000

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 3. Februar 2000: 9.03 – 20.30 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird

2. Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden

*****

Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache der Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach 5

Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung

Ludwig Bieringer 25

Antrag gemäß § 37 (2) GO-BR auf Anwesenheit des Bundeskanzlers bei der Behandlung der dringlichen Anfrage 1680/J-BR/00 25

Annahme 25

Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung

Albrecht Konecny 26

Antrag gemäß § 37 (2) GO-BR auf Anwesenheit des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten bei der Behandlung der dringlichen Anfrage 1680/J-BR/00 26

Antrag auf namentliche Abstimmung 26

Annahme des Antrages auf namentliche Abstimmung 26

Ablehnung 27

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung 27

Unterbrechung 25


Bundesrat
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660. Sitzung / Seite 2

Besprechung einer Anfragebeantwortung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1548/AB-BR/00 gemäß § 60 (2) GO-BR 8

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 60 (2) GO-BR 91


Bundesrat
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660. Sitzung / Seite 3

Redner:

Albrecht Konecny 91 und 93

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 92 und 94

Personalien

Krankmeldung 5

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 8

Ausschüsse

Zuweisungen 8

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Erhard Meier, Albrecht Konecny und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die außen- und europapolitische Situation Österreichs, bedingt durch die wahrscheinliche Regierungsbeteiligung der FPÖ (1680/J-BR/00)

Begründung: Erhard Meier 28

Beantwortung: Staatssekretärin Dr. Benita-Maria Ferrero-Waldner 35

Redner:

Albrecht Konecny 38

Dr. Ferdinand Maier 41

Dr. Peter Böhm 44

Stefan Prähauser 46

Mag. Harald Himmer 50

Brunhilde Fuchs (tatsächliche Berichtigung) 54

Dr. Robert Aspöck 54

Ludwig Bieringer 55

Erhard Meier 57

Mag. John Gudenus 59

Mag. Michael Strugl 60

Karl Drochter (tatsächliche Berichtigung) 61

Christoph Hagen 61

Dr. Klaus Nittmann 62

der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher, Albrecht Konecny und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Auswirkungen der Regierungsbeteiligung der FPÖ auf den Wirtschaftsstandort Österreich – drohender Verlust von Arbeitsplätzen (1681/J-BR/00)

Begründung: Mag. Dietmar Hoscher 63

Beantwortung: Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 66

Redner:

Karl Drochter 70

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 72, 81 und 89

Dipl.-Ing. Hannes Missethon 74

Dr. André d'Aron 76

Johanna Schicker 78

Hans Ager 84

Ulrike Haunschmid 86

Peter Marizzi 87

Verhandlungen

(1) Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird (14 und 24/NR sowie 6083/BR d. B.)

Berichterstatterin: Johanna Schicker 9

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Alfred Schöls 9

Stefan Prähauser 11

Engelbert Weilharter 12

Bundesministerin Eleonora Hostasch 13

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 14

(2) Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherunsgesetz 1977 und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden (52/A und 25/NR sowie 6084/BR d. B.)

Berichterstatterin: Johanna Schicker 15

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Engelbert Schaufler 15

Karl Drochter 17

Engelbert Weilharter 20 und 23

Bundesministerin Eleonora Hostasch 21

Christoph Hagen 23

Alfred Schöls 24

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 25

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Ferdinand Gstöttner, Albrecht Konecny und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Umsetzung des Ersten Bundesrechtsbereinigungsgesetzes (1671/J-BR/99)

der Bundesräte Georg Keuschnigg, Maria Grander und Hans Ager an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Lücken im Mobilfunknetz an der Westbahnstrecke (1672/J-BR/99)


Bundesrat
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der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Schädigung der Republik Österreich durch den früheren Finanzminister Dkfm. Lacina (1673/J-BR/99)

der Bundesräte Wilhelm Grissemann und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die Einrichtung einer HTL für EDV und Informatik in der aufgelassenen BH-Kaserne in Imst in Tirol (1674/J-BR/99)

der Bundesräte Ulrike Haunschmid und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Ausgabeneinsparungen durch bessere Vorsorgemaßnahmen gegen ansteckende Krankheiten (1675/J-BR/99)

der Bundesräte Wilhelm Grissemann und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Realisierung des Tschirganttunnels in Nassereith in Tirol (1676/J-BR/99)

der Bundesräte Christoph Hagen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Möglichkeit der psychologischen beziehungsweise therapeutischen Betreuung der Gendarmerie- und Polizeibeamten/innen nach traumatischen Erlebnissen im Rahmen ihrer Dienstverrichtung (1677/J-BR/99)

der Bundesräte Hans Ager, Maria Grander, Georg Keuschnigg und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Aufgliederung der Getränkesteuer nach Gemeindetypen (1678/J-BR/99)

der Bundesräte Ludwig Buchinger und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Gendarmerieeinsatz am 22. Februar 1998 in 2241 Schönkirchen/Niederösterreich (1679/J-BR/00)

der Bundesräte Erhard Meier, Albrecht Konecny und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die außen- und europapolitische Situation Österreichs, bedingt durch die wahrscheinliche Regierungsbeteiligung der FPÖ (1680/J-BR/00)

der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher, Albrecht Konecny und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Auswirkungen der Regierungsbeteiligung der FPÖ auf den Wirtschaftsstandort Österreich – drohender Verlust von Arbeitsplätzen (1681/J-BR/00)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Christoph Hagen und Kollegen (1547/AB-BR/00 zu 1669/J-BR/99)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und Kollegen (1548/AB-BR/00 zu 1668/J-BR/99)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Ferdinand Gstöttner und Kollegen (1549/AB-BR/00 zu 1671/J-BR/99)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und Kollegen (1550/AB-BR/00 zu 1670/J-BR/99)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Wilhelm Grissemann und Kollegen (1551/AB-BR/00 zu 1676/J-BR/99)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen (1552/AB-BR/00 zu 1673/J-BR/99)

 


Bundesrat
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Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich eröffne die 660. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 659. Sitzung des Bundesrates vom 21. Dezember 1999 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet hat sich das Mitglied des Bundesrates Hedda Kainz. Ansonsten liegen mir keine Krankmeldungen und Entschuldigungen vor. Wir sind daher in sehr hoher Zahl präsent.

Antrittsansprache

9.04

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wie man sieht, geht es den Rednern am Rednerpult etwas besser als den Präsidenten. Die Redner brauchen nämlich nur ein Knopferl zu betätigen, um das Pult in die geeignete Höhe zu stellen. Für mich muss es hingegen eigens aufgestellt werden! (Bundesministerin Hostasch: Das ist Arbeitsplatzbeschaffung!)

Meine Damen und Herren! Seit 13 Jahren, also 26 Mal, haben Bundesratspräsidenten ihre Antrittsrede aus der gesicherten Position des Angehörigen einer der beiden Regierungsparteien gehalten. Sie konnten bei Ankündigungen über Vorhaben – sei es betreffend die Stellung des Bundesrates oder betreffend den Föderalismus allgemein – sicher sein, dass sich die Dinge auch so entwickeln werden, wie sie von ihnen dargestellt wurden. Zweimal konnte auch ich schon aus dieser sehr komfortablen Position heraus dem Bundesrat anlässlich der Übernahme des Vorsitzes durch das Bundesland Wien meine Überlegungen darlegen. – Diesmal sind die Bedingungen anders.

Gestatten Sie mir daher, gleich zu Beginn zu sagen: Ich verspreche Ihnen, all mein Bemühen darauf zu konzentrieren, die mir in diesem Halbjahr übertragenen Aufgaben gewissenhaft und ohne Parteilichkeit zu erfüllen. Der Bundesrat hat sich immer dadurch ausgezeichnet, dass seine Mitglieder untereinander in menschlich guter Art und Weise miteinander verkehrt sind. Auch wenn manche Töne in der Debatte etwas zu rau waren, waren sie eben von der Überzeugung getragen, für das Richtige zu kämpfen. Sehr selten mündeten sie aber in Verächtlichmachung oder persönlicher Diffamierung. Ich hoffe, diese Gesinnung wird den Bundesrat auch weiterhin, trotz harter Auseinandersetzungen, die selbstverständlich auf Grund von Neupositionierungen zu erwarten sind, auszeichnen.

Meine Damen und Herren! Zu Beginn eines neuen Jahrhunderts erliegt man – auch mir bleibt das nicht ganz erspart – der Versuchung, den Blick auch auf Vergangenes zu richten. Vor 80 Jahren hat sich unsere Republik jene Verfassung gegeben, auf der auch heute noch unser Gemeinwesen ruht. Die Änderungen, die sie im Laufe der Zeit erfahren hat, entsprangen verschiedensten Notwendigkeiten und politischen Überlegungen – Überlegungen, wie denn das gesellschaftliche Zusammenleben geregelt sein soll. Niemals aber wurden ihre Grundprinzipien in Frage gestellt. Daher bin ich der Überzeugung, dass an Überlegungen, welche Änderungen die Zeit oder geändertes politisches Wollen notwendig erscheinen lassen, mit Bedacht, Geduld und hohem Verantwortungsbewusstsein herangetreten werden muss.

Im Zuge der Beratungen zum Regierungspakt zwischen FPÖ und ÖVP ist bekannt geworden, dass auch die Umsetzung des Perchtoldsdorfer Übereinkommens Teil davon sein soll. Dieses gibt in Punkt 8 wieder, dass eine grundsätzliche Reform des Bundesrates im Sinne der Stärkung seiner Stellung als Länderkammer anzustreben ist. Diese sehr offene Formulierung wurde von einigen ÖVP-Landeshauptleuten in die Richtung interpretiert, dass die Einrichtung eines gebundenen Mandats der Bundesräte geschaffen werden soll.

Ich bin der Überzeugung, dass gerade das freie Mandat eine Grundlage für die politischen Arbeits- und Gestaltungsmöglichkeiten jedes einzelnen Bundesrates ist, dass das freie Mandat eine Garantie für die Unabhängigkeit jedes einzelnen Bundesrates bietet und dass nur ein


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solches die Wahrnehmung der Gesamtländerinteressen für jeden einzelnen Bundesrat ermöglicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Der ehemalige Bundesrat Dr. Christian Broda – Sie haben ihn vielleicht auch in anderer Funktion in Erinnerung – hat dazu einmal ausgeführt: Es ist das freie Mandat, das uns davor bewahrt, zu einem Gremium von Interessentenvertretern degradiert zu werden. – Ich bitte Sie daher, meine Damen und Herren, bei weiteren Überlegungen diesen Gesichtspunkt ausreichend zu berücksichtigen.

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, Österreichs Geschichte seit 1945 in Kapitel einzuteilen, weil dann die Versuchung groß ist zu sagen, dass ein neues Kapitel beginnt, obwohl eigentlich nur eine demokratische Entwicklung ihren Lauf genommen hat. Aber signifikante Abschnitte gibt es zweifellos.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Politik erfüllt von der Erkenntnis, die durch grauenhaftes Leid gewonnen wurde, dass nur die Demokratie die Durchsetzung der eigenen wie auch der anderen Meinung ermöglicht, denn sie schließt als Lebensform und Geisteshaltung die Achtung vor der Überzeugung des anderen ein. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. d'Aron: Genau das wünschen wir uns!)

In diesem Miteinander, meine Damen und Herren, gelangen der Wiederaufbau, die Festigung der Demokratie und die Erlangung des Staatsvertrages.

Der nächste Abschnitt hat uns durch das Erreichen der Souveränität die Möglichkeit gegeben, selbst zu entscheiden, was aus uns wird. Wir haben unser Land zu einer Heimstätte des gesamten Volkes mit Vollbeschäftigung, steigendem Wohlstand, sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit gemacht. Außerdem haben wir durch unsere selbstgewählte Verpflichtung zur Neutralität der Welt das Beispiel eines Volkes gegeben, das von der Freiheit, die es errungen hat, einen würdigen Gebrauch zu machen versteht.

Damit komme ich zum dritten Abschnitt, zu unserem Eintritt in ein gemeinsames Europa, mit dessen Werten wie Demokratie, Freiheit, Menschenwürde und Frieden wir unverbrüchlich verbunden sind: Gerade in der außenpolitisch und europapolitisch sensiblen Situation, in der sich unsere Republik gegenwärtig befindet, kann ich nur den Appell an Sie richten, keinen Gegensatz zwischen den Werten des Nationalstaates Österreich und den Werten der Europäischen Union, deren integrativer Bestandteil wir sind, aufzubauen! Diese Werte sind keine Gegensätze, sondern ergänzen einander und tragen zu einem starken Österreich in einem geeinten Europa bei.

Auch wenn Österreich erst 1995 der Europäischen Union beigetreten ist, hat gerade unser Österreich zu der Entwicklung der europäischen Werte, beginnend mit der europäischen Aufklärungsbewegung, einen maßgeblichen Beitrag geleistet.

Meine Damen und Herren! Die Welt hat sich in einer Weise geändert, dass wir in unserer Verantwortung als Parlamentarier in hohem Maße herausgefordert sind, klug zu überlegen und nichts an Details und Interdependenzen zu übersehen oder als unbedeutend zu erachten. Die Globalisierung der Märkte für Waren und Dienstleistungen – in Europa insbesondere die Vollendung des Binnenmarktes – hat einen Wettbewerb zwischen den nationalen Standorten in Gang gesetzt. Dieser Wettbewerb veranlasst die Politik, vielfältige Maßnahmen zu setzen, unter welchen sich auch Maßnahmen wie etwa die Einschränkung der sozialen Standards im Arbeitsrecht zu Ungunsten der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen befinden. Andererseits aber können steuerliche Belastungen von Arbeitseinkommen und Konsumausgaben zur Finanzierung des Sozialstaats nicht beliebig erhöht werden. Daher zwingt die Standortkonkurrenz unter Umständen zu Einschränkungen sozialstaatlicher Leistungen.

Kurz gesagt, all das resümierend: Die sozialen Folgeprobleme der entgrenzten Ökonomie sind geeignet, das Vertrauen in die demokratische Politik überhaupt zu untergraben. Daher hat der amerikanische Sozialwissenschafter Norman Birnbaum völlig zu Recht darauf hingewiesen – ich sage gleich dazu, dass er nicht der Sozialdemokratischen Partei angehört –, dass die Reali


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sierung des weiteren Ausbaus der Demokratie nur unter der Voraussetzung einer ernsthaften Debatte um die Demokratisierung der Wirtschaft erfolgen könne.

Daher bin ich überzeugt, dass auch unter den Bedingungen der Globalisierung und der Standortkonkurrenz im Binnenmarkt die nationale und die regionale Politik keineswegs zum bloßen Vollzug ökonomischer Sachzwänge verurteilt ist, vor allem wenn wir nicht "ho ruck!" agieren, sondern auch Bewährtes wie die Sozialpartner in die Verantwortung einbinden.

Die Politik ist, wie sich an diesem Beispiel zeigt, mit der Lösung immer komplizierterer gesellschaftlicher Aufgaben konfrontiert. Sie braucht dafür Experten, welche die notwendigen Grundlagen dafür liefern. In Österreich ist die Gesetzgebung im Vergleich zur Vollziehung bei der Ausstattung durch Experten äußerst benachteiligt, und ich fürchte, es wird auch nicht gelingen, eine gerechte Balance zwischen Gesetzgebung und Vollziehung zu schaffen!

Im Besonderen muss ich als Präsidentin des Bundesrates auf eine extreme Benachteiligung unserer Kammer hinweisen. Den Bundesräten stehen keine Geldmittel zur Verfügung, für ihre parlamentarische Arbeit Expertenwissen in Form von Dienst- oder Werkverträgen anzukaufen. Ich werde daher diese Angelegenheit in einer der kommenden Präsidialsitzungen mit den Vizepräsidenten und Fraktionsvorsitzenden besprechen, da dieser Zustand – betrachtet man einen internationalen Vergleich bei ähnlichen Kammern – wirklich beschämend ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einen letzten, für mich persönlich sehr wichtigen Gedanken ausführen: Österreichs Schicksal ist uns allen kostbar, denn in seiner wechselvollen Geschichte wurde es letztendlich zur Heimstätte freier Bürger, die ein Recht auf Obsorge haben. Daher werde ich Österreich und seine Menschen gegen ungerechte Angriffe und Pauschalverurteilungen bei allen sich bietenden Gelegenheiten in Schutz nehmen.

Aber vor dem Hintergrund unserer Geschichte ist es nicht verwunderlich, dass die internationale Wertegemeinschaft über so manche politische Aussagen sowie Wahlkampfaktivitäten erschreckt ist. Entschuldigungen und Bedauern über Gesagtes und Taten, meine Damen und Herren, müssen auf Ernsthaftigkeit und Authentizität nachhaltig überprüfbar sein!

Meine Damen und Herren! In unserem Kreise sind nicht mehr sehr viele, die den totalen Staat bewusst erlebt haben. Wir anderen müssen weitergegebenes Wissen verarbeiten und uns darum bemühen, dass nichts verfälscht wird. Vor allem aber muss die wichtigste Erkenntnis, zu der wir auf Grund der entsetzlichen Ereignisse unserer jüngeren Geschichte gekommen sind, unser politisches Wirken immer und überall leiten, nämlich dass Freiheit und die Würde aller Menschen unverzichtbare Werte sind.

Der schmerzliche Tod tausender Österreicher in einem verbrecherischen Krieg, die tausendfachen Morde aus rassischen und politischen Gründen, der freiwillige Opfertod so vieler für ein freies Österreich lehren uns unmissverständlich: Es liegt an uns, die Geschicke unseres Landes so zu gestalten, dass wir unseren Blick vor keinem dieser toten Zeugen zu senken brauchen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

9.19

Einlauf und Zuweisungen

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eingelangt sind sechs Anfragebeantwortungen, und zwar 1547/AB bis 1552/AB, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen.

In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.


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Weiters eingelangt ist ein Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2000 betreffend ein Bundesgesetz über die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses für das Jahr 1998.

Gemäß Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz unterliegt dieser Beschluss nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates.

Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung des vorliegenden Beschlusses durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt sind ferner zwei Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe diese beiden Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Ankündigung von dringlichen Anfragen

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich Ihnen bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Erhard Meier, Professor Albrecht Konecny und Genossen an den Bundesminister fόr auswδrtige Angelegenheiten betreffend die auίen- und europapolitische Situation Österreichs, bedingt durch die wahrscheinliche Regierungsbeteiligung der FPÖ, vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus. Ich werde Ihnen die genaue Zeit, sobald sie mir bekannt ist, sofort mitteilen.

Überdies gebe ich bekannt, dass mir ein weiteres Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher, Professor Albrecht Konecny und Genossen betreffend Auswirkungen der Regierungsbeteiligung der FPΦ auf den Wirtschaftsstandort Φsterreich – drohender Verlust von Arbeitsplδtzen vorliegt. Diese Anfrage ist an den Herrn Bundesminister fόr wirtschaftliche Angelegenheiten gerichtet.

Die Behandlung dieser dringlichen Anfrage wird im Anschluss an die Behandlung der dringlichen Anfrage an den Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten erfolgen.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1548/AB-BR/00

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Schließlich gebe ich Ihnen noch bekannt, dass mir ein gemäß § 60 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates gestelltes Verlangen der Bundesräte Professor Konecny und Genossen vorliegt, eine Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 1548/AB der Anfrage 1668/J-BR/99 an den Herrn Bundesminister fόr wirtschaftliche Angelegenheiten durchzufόhren.

Die Besprechung dieser Anfragebeantwortung wird im Anschluss an die Behandlung der ebenfalls an den Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten gerichteten dringlichen Anfrage erfolgen.

Ich darf Ihnen gleich mitteilen, obwohl ich gesagt habe, dass die Behandlung dieser Anträge nicht später als um 16 Uhr stattfinden wird, dass daran gedacht ist, die Verhandlungen um


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15 Uhr wieder aufzunehmen. Ich meine, dass diese Zeit den angesprochenen Ministern für die Vorbereitung der dringlichen Anfrage selbstverständlich gewährt werden muss. Wir werden daher am Schluss der Debatte über die beiden Tagesordnungspunkte die Sitzung unterbrechen und sie um 15 Uhr wieder aufnehmen.

1. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird (14 und 24/NR sowie 6083/BR der Beilagen)

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung darüber hat Frau Bundesrätin Schicker übernommen. Ich darf sie um den Bericht bitten.

Berichterstatterin Johanna Schicker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch den gegenständlichen Gesetzesbeschluss soll die Richtlinie 97/74/EG zur Ausdehnung der Richtlinie 94/45/EG über die Einsetzung des Europäischen Betriebsrates oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmungsgruppen auf das Vereinigte Königreich umgesetzt werden.

Zur Verwirklichung des genannten Zieles sind folgende Bestimmungen enthalten:

Ausdehnung des Geltungsbereiches der Europäischen Betriebsverfassung über das Vereinigte Königreich;

Absicherung der bis zum In-Kraft-Tretens-Datum abgeschlossenen eigenständigen Vereinbarungen über eine länderübergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer.

Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2000 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schöls. – Bitte.

9.25

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich leugne nicht, dass ich natürlich von dem, was wir in den letzten Tagen miterleben müssen, sehr betroffen und teilweise auch sehr beeindruckt bin, und zwar aus verschiedenen Gründen.

Vorab möchte ich sagen, dass meine Fraktion, die Österreichische Volkspartei, dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in der zweiten Kammer des Hauses die Zustimmung geben wird, weil die Österreichische Volkspartei immer eine Partei war und auch in Zukunft sein wird, die sich zur gelebten Sozialpartnerschaft bekennt. Die Österreichische Volkspartei wurde als soziale Integrationspartei gegründet und hat diese Verpflichtung nicht nur innerparteilich gesehen, sondern hat auch in der Vergangenheit mitgewirkt und wird auch in Zukunft als gestaltende Kraft in der Sozialpolitik mitwirken. Es gibt nicht nur, wie in den letzten Tagen in den Medien gelegentlich dargestellt wurde, in der Sozialdemokratie Mandatare, die sich der Gewerkschaftsbewegung und der Gewerkschaftsidee verpflichtet fühlen – ich betone: verpflichtet fühlen –, sondern es gibt diese auch in der sozialen Integrationspartei Österreichische Volkspartei. Für meinen Begriff als Gewerkschafter sind es zu wenige, aber Gott sei Dank sind dies Bekenner zur Gewerkschaftsidee, und wir werden – dieses Versprechen darf ich in dieser Stunde abge


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ben – sicherlich auch in Zukunft unserer Verantwortung als Gewerkschafter nachkommen, so schwer dies da und dort sein mag und sein wird.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch festhalten, dass für mich persönlich das Verhalten des Kollegen Rudi Nürnberger nicht ganz nachvollziehbar ist, weil wir es – Frau Bundesministerin, du weißt es! – eigentlich immer so gehalten haben, dass wir uns von Beginn an positioniert haben, aber natürlich auch Konsensbereitschaft gelebt haben. Daher bedauere ich sehr, dass einer der Gründe – es wird sicherlich nicht der einzige gewesen sein –, dass es zu keiner Zusammenarbeit meiner Partei mit der Sozialdemokratischen Partei für die Zukunft gekommen ist, auch das nicht ganz nachvollziehbare Verhalten des Kollegen Nürnberger war, das letztendlich dazu geführt hat, dass der Koalitionspakt nicht zu Stande gekommen ist.

Ich möchte an dieser Stelle – das ist mir ein Bedürfnis – dir, Frau Bundesministerin, als Gewerkschaftsfunktionär und als einer, der sich auch in der Sozialpolitik eingebracht hat, dafür danken, was du umzusetzen versucht hast. Ich sage bewusst: umzusetzen versucht hast, weil wir alle wissen, dass wir noch immer Wünsche haben, die offen sind, und dass wir natürlich auch von unserer unterschiedlichen Position – ich als Christgewerkschafter und du als sozialdemokratische Gewerkschafterin – einen anderen Zugang zu manchen Dingen gehabt haben. Trotzdem möchte ich dir von dieser Stelle aus danke sagen und dich bitten, auch darauf zu achten, dass in dieser Gewerkschaftsbewegung, die ein Teil der österreichischen Sozialpartnerschaft ist, die Sitten nicht verrohen und die Sprache nicht verroht: Denn das, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geschätzten Damen und Herren, ist es, was mich am meisten betroffen macht, und da nehme ich jetzt überhaupt niemanden aus und sage: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen! (Bundesrat Meier: Das braucht man uns nicht extra zu sagen!)

Denn für mich ist kein Unterschied zwischen der Aktion des seinerzeitigen Vorsitzenden der Jugendorganisation der Partei, der den Boden Moskaus geküsst hat, nämlich nicht des befreiten Moskaus, sondern zu einer Zeit, als die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken noch bestanden ist und ein menschenverachtendes System war, und anderen Aussagen, die ich genau so verurteile. Ich möchte das nur auch einmal gesagt haben. (Bundesrat Freiberger: Auch der Heilige Vater ...!)

Es wäre, so glaube ich, eine Anmaßung, wenn sich Alfred Gusenbauer mit dem Heiligen Vater vergleichen würde. Das muss ich schon sagen – bei allem Verständnis! (Beifall bei der ÖVP.)

Das sind nämlich jene Dinge, die in anderen Bereichen dazu führen, dass man glaubt, man muss besonders originell in der Formulierung, in der Tat sein, und dann mit anderen Maßstäben die vielleicht sogar originell angelegte, aber nicht so verstandene Aktion mißt.

Mich macht es sehr betroffen, wenn es stimmt, was heute in einigen Zeitungen steht, nämlich dass angeblich der Fuchs kommen soll und sich die Hühner vor dem Fuchs fürchten. Aber das war wahrscheinlich genau so lustig gemeint wie der Bodenkuss von Alfred Gusenbauer. Nur: Wir müssen in der Sprache und in der Tat mehr Acht geben, was wir sagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in den letzten Tagen viel nachgedacht und auch in meiner Fraktion immer wieder darauf hingewiesen, dass wir als Christgewerkschafter ein Teil dieser unserer Partei und auch ein Teil dieser Sozialpartnerschaft sind. Gestattet mir, nachdem ich noch genügend Redezeit habe, am Ende meiner Wortmeldung aus den Reden eines Sattlergesellen zu zitieren, der als großer christlicher Arbeiterführer in dieser Republik viele Funktionen ausgeübt hat: Leopold Kunschak, vor dem ich als Christgewerkschafter große Hochachtung habe, hat am 9. Februar 1934 im Wiener Gemeinderat eine Rede gehalten. Manche Dinge scheinen sich eben zu wiederholen, und der Grundsatz, das Einzige, was wir lernen, ist, dass wir aus der Geschichte nicht lernen, hat in den letzten Tagen für mich wieder sehr viel Gültigkeit gehabt.

Leopold Kunschak hat vor dem Wiener Gemeinderat gesagt – ich kann jeden Satz auch in der heutigen Zeit unterstreichen –: Zutiefst ist unser Volk in seiner Seele aufgewühlt durch die Sorgen des Alltags und durch die Fülle tönender Schlagworte, als dass es nicht ein Gebot der Stunde wäre, alle zur Besinnung zu rufen. Ich bin nicht so töricht, sagt Leopold Kunschak, zu


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glauben, dass es jemals zu einer Harmonie der Anschauungen in politischer, kultureller und wirtschaftlicher Beziehung kommen werde. Es wird immer, so lange es Menschen gibt, differente Anschauungen geben, und es wird immer so sein, dass einzelne Menschen oder Gruppen von Gleichgesinnten für ihre Anschauung werben.

Es wird daher auch immer Parteien geben. Worum es aber allen ehrlichen Patrioten gehen muss, das ist die Beseitigung des Überwucherns und des Erstarrens des Parteiengeistes. Auf diesem Weg gibt es eine Weggemeinschaft, die über viele Gegensätzlichkeiten hinweg auch Elemente zu gemeinsamer Arbeit zusammenzuführen vermag. Als erste Voraussetzung hiefür gilt der reine Wille und die sittliche Kraft, das Trennende zu meiden, das Einigende zu suchen. Wer anderen seine Meinung eventuell auch mit Brachialgewalt aufzwingen will, der ist allerdings für diesen Dienst am Volk, für diesen heiligen Dienst am Vaterland unbrauchbar. – So sprach Leopold Kunschak am 12. Februar 1934 vor dem Wiener Gemeinderat. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

9.35

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Prähauser. – Bitte.

9.35

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte, bevor ich auf die Ausführungen des Kollegen Schöls eingehe, einige Anmerkungen zum Gesetz machen, damit wir auch wissen, was wir gemeinsam beschließen wollen.

De facto geht es darum, dass mit diesem Gesetz die Richtlinie 97/74/EG umgesetzt wird. Es ist höchst an der Zeit, dieses Gesetz zu novellieren. Wir sind nicht ganz in Verzug, aber am Rande des Verzuges. In zwei Jahren haben wir es gerade noch geschafft, diesen wichtigen Schritt zu tun.

Es geht darum, die Ausweitung des Geltungsbereiches der Europäischen Betriebsverfassung auf Großbritannien vorzunehmen. Ich glaube, das ist ein großer Schritt auch in Richtung Anhörung der Arbeitnehmer über die Grenzen hinaus, und zwar besonders im Lichte dessen, dass sehr viele Betriebe auch grenzüberschreitend Produktionsstätten haben. Gerade Österreich ist ein Unternehmen, das es durch seine sehr gute Wirtschaft und seine hervorragenden Arbeitnehmer geschafft hat, europaweit, ja eigentlich weltweit wirtschaftlich Fuß zu fassen, und dem sollte auch dadurch Rechnung getragen werden, dass die Arbeitnehmer entsprechend gleich behandelt werden.

Ich glaube, dass es höchste Zeit ist, dieses Gesetz zu beschließen, aber man sollte dabei nicht vergessen, dass es in der nächsten Zeit noch sehr viel zu tun geben wird, um die Interessen der Arbeitnehmer – das ist die vorrangige Aufgabe von uns Sozialdemokraten – verstärkt zu vertreten.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schöls – ich gestehe ihm durchaus zu, keine Krokodilstränen vergossen zu haben – hat die Sozialpartnerschaft angesprochen. Ich meine, dass auf die Sozialpartnerschaft in der nächsten Zeit einiges zukommen wird. Ich glaube aber, dass die Vergangenheit der Sozialpartnerschaft Garant dafür sein wird, dass man sich im Interesse der Arbeitnehmer und auch der Wirtschaft – das gebe ich zu – letztendlich zu einem Konsens finden wird können. Ich glaube aber auch, dass die künftige Koalition in ihrem eigenen Bereich Probleme bekommen könnte, sollte die FPÖ auf ihre immer wieder erhobenen Forderungen nach Abschaffung der Kammern zurückkommen. Das aber ist eine Diskussion, die in der Koalition zu führen sein wird. Wir als Sozialdemokraten werden dem, zumindest wenn es um die Arbeiterkammer geht, keinesfalls zustimmen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich habe aber auch die Anpassungen der Freiheitlichen Partei gelesen, die sich letztlich für eine Senkung der Beiträge ausgesprochen hat. Ich sehe momentan die Gefahr der Abschaffung der Kammer oder einer derartigen Diskussion nicht. So gesehen ist, so glaube ich, bereits ein kleiner Fortschritt erzielt worden.


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Herr Kollege Schöls! Ich glaube, du machst es dir ein bisschen einfach, wenn du meinst, Rudi Nürnberger sei schuld, dass es in Zukunft keinen Koalitionspakt SPÖ/ÖVP geben wird. Dabei haben sehr viele Dinge eine Rolle gespielt. Wir werden heute noch ausreichend Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren. Ich ziehe den Hut vor einem Vertreter einer Interessengemeinschaft, der meint, einen Pakt persönlich nicht mit tragen zu können. Ich verstehe die Aufregung überhaupt nicht, denn wenn sich ein Bundeskanzler, ein Klubvorsitzender, ein Parteivorsitzender-Stellvertreter mit ihrer Unterschrift für einen Pakt verbürgen, dann ist das für uns genau so gültig. Aber man sollte nicht so weit gehen, dass einzelne ihr Gesicht verstecken müssen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben viele andere Aufgaben in diesem Bereich; ich denke etwa nur an die Angleichung der Arbeitnehmerrechte, Arbeiter und Angestellte. Da haben wir uns in Zukunft vielen Herausforderungen zu stellen. Ich darf vorausschicken, ich habe mit der neuen – wahrscheinlichen – Rolle der SPÖ, in Opposition zu sein, kein Problem. Für mich gilt es, im Interesse der Allgemeinheit das zu tun, was ich für sinnvoll halte, nämlich unsere Inhalte entsprechend in die Politik einzubringen.

Ich weiß, das wird aus der Opposition heraus ein bisschen schwieriger sein, aber auch das haben wir einmal gelernt. Ich habe Herrn Kollegen Bieringer heute schon darauf aufmerksam gemacht: Auf mich kommen nun Wals-Siezenheimer-Zeiten zu. Ich war dort auch in der Opposition – so lange, bis die absolute Mehrheit seiner Partei dort gebrochen war. Wir haben dann sehr gut zusammenarbeiten können.

Ich glaube, man kann aus jeder Position heraus, wenn man die Interessen der Bevölkerung dieses Staates und die Interessen des Staates nicht vergisst, auch in Zukunft sehr deutlich herauskehren, welche Partei für dieses Land die besseren Ideen hat. Ich glaube, die Wählerinnen und Wähler sind selbständig und aufgeschlossen genug, das für sich zu entscheiden. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )

Herr Kollege Bieringer! Ich habe ja gesagt, als ich in der Gemeinde war, wurde die absolute Mehrheit gebrochen. Es spricht auch nicht gegen mich, wenn sie wieder zu Stande kam, als ich nicht mehr dort war. (Bundesrat Bieringer: Das war ein Zufall! – Heiterkeit.)

Ich möchte auch noch anmerken, Kollege Schöls, wir zwei sind in einem Alter, in dem wir auch schon Kinder großgezogen haben. Ich jedenfalls habe zwei Söhne im Alter von 30 und 16 Jahren, und Kinder, Jugendliche haben das Vorrecht, der Zeit voraus zu sein und Idealen nachzuhängen, die sie vielleicht später im Laufe der Entwicklung ihrer Lebenserfahrungen dann anders sehen. Ich würde Kollegen Gusenbauer nachsehen, dass er damals – ich war nicht dabei, aber ich kann mir gut vorstellen, dass so etwas im Übermut der Jugend geschieht – den Boden in Moskau geküsst hat. Ich glaube, das ist nicht unser aller Einstellung. Ich glaube nicht, dass es einen zweiten Sozialdemokraten gibt, der das gemacht hat.

Wenn man weiß, dass Gusenbauer inzwischen zur Mitte abgedriftet ist, dann muss man sagen, er hat dazugelernt. Ich habe im Fernsehen die letzten Beiträge des Kollegen Gusenbauer gesehen und bin der Meinung, er wird mit sehr viel Esprit, Wissen und einer guten Rhetorik in der Lage sein, sich in die Tagespolitik einzubringen. Ich freue mich schon darauf.

Aber ich freue mich auch auf die Arbeit, die auf uns zukommt. Wir haben jetzt die Gelegenheit, unsere Interessen, die ausschließlich auf die Arbeitnehmer, die Männer und Frauen in diesem Staate ausgerichtet sind, hervorzukehren und diese auch zu vertreten. (Beifall bei der SPÖ.)

9.42

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

9.42

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Damen und Herren! Wir, die Freiheitlichen, werden der Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes unsere Zustimmung geben.


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Erstens handelt es sich dabei, wie schon dem Bericht zu entnehmen war, um die Umsetzung einer Richtlinie, wobei der Geltungsbereich auf das Vereinigte Königreich ausgedehnt wird und sich daher beinahe über den gesamten europäischen Wirtschaftsraum, zumindest aber innerhalb der Union, erstreckt.

Dadurch, meine Damen und Herren, ist eine gesetzliche Gleichstellung der Rahmenbedingungen für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer gegeben, die in den verschiedenen Staaten innerhalb der Union Betriebsstandorte haben, die dort, wo die Bestimmungen dieser Arbeitsverfassung gelten, operieren. Das ist in Summe sicherlich positiv zu bewerten.

Zweitens: Wir verkennen aber nicht die Tatsache, dass die Vollziehung dieser Arbeitsverfassung eine nationalstaatliche Angelegenheit bleibt, seien es die Verfahren, die meistens bei Gerichten ausgetragen werden, oder auch, wie sehr oft, außergerichtliche Vergleiche und Verhandlungen. Die Änderung der Vorlage – das muss auch gesagt werden, meine Damen und Herren – trifft daher keine Aussage über die Kosten derartiger Verfahren, und das muss in der derzeitigen Situation korrekterweise auch bemerkt werden.

Ungeachtet dessen hätte die Umsetzung der vorliegenden Richtlinie innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren erfolgen sollen, also bis 15. Dezember 1999. Dass das nicht zeitgerecht geschehen ist, beweist einmal mehr – da darf ich auf Kollegen Prähauser zurückkommen –, wie ernst Sie von der Sozialdemokratie es mit den Arbeitnehmern meinen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es mag schon sein, dass dies der Weg innerhalb der Sozialdemokratie ist, nämlich von Victor bis Viktor: von Victor Adler, dem Kämpfer für die Arbeiterbewegung, hin bis Viktor Klima, weg von der Arbeiterbewegung. Anders ist es nämlich nicht erklärbar, dass Sie mit diesen wichtigen Gesetzesmaterien so in Verzug sind. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das mag die Erklärung dafür sein, dass vor allem Sie von der Sozialdemokratie sich erst mit einer derartigen Zeitverzögerung entschließen, Arbeiterrechte durchzusetzen.

Meine Damen und Herren! Ich wiederhole noch einmal: Wir, die Freiheitlichen, erkennen sehr wohl die Notwendigkeit dieser Vorlage und werden daher unsere Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

9.45

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. – Bitte.

9.46

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Einige wenige Worte auch meinerseits zu diesem Tagesordnungspunkt, aber vielleicht auch schon vorwegnehmend zum zweiten, weil es für mich ein hoffentlich gutes Signal ist, wenn heute im Bundesrat zwei Sozialgesetze als Ergebnis der Arbeit der bisherigen Bundesregierung beschlossen werden, einer Bundesregierung, die unter sozialdemokratischer Führerschaft gestanden ist und in der Sozialpolitik einen ganz wichtigen Stellenwert hatte. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, davon ausgehen zu können, dass beide Tagesordnungspunkte und nicht nur der bereits jetzt diskutierte auch im Bundesrat auf einstimmige Zustimmung stoßen werden, und ich hoffe daher, dass es auch in Zukunft möglich sein wird, dass wichtige Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenanliegen auch im Bundesrat unterstützt werden und insbesondere von einer kommenden Bundesregierung auch mit Nachdruck verfolgt werden.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wenn wir jetzt vom Arbeitsverfassungsgesetz reden und es hier "nur" – unter Anführungszeichen – um eine Anpassung an eine EU-Richtlinie geht, so möchte ich das unterstreichen, was schon gesagt wurde. Es sind uns genügend na


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tionale Spielräume gegeben, Arbeitnehmermitbestimmungsrechte auf der nationalen Ebene weiter zu entwickeln, und ich bitte Sie daher mit allem Nachdruck, auch in Zukunft dem Arbeitsverfassungsgesetz und damit einer wichtigen Grundlage des Dialogs auf der betrieblichen Ebene, dem Dialog zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern entsprechenden Stellenwert beizumessen.

Wir haben noch immer nicht wirklich eine Gleichwertigkeit zwischen Kapital und Arbeit, und das Arbeitsverfassungsgesetz ist ein wichtiges Instrument, um der Arbeitnehmerseite die Möglichkeit zu geben, die eigenen Interessen zu artikulieren und sie durch Information, Mitwirkung und Mitbestimmung letztlich auch umzusetzen und zu beeinflussen. Im Sinne der Sozialpartnerschaft hat in der Vergangenheit diese Beeinflussung immer auch ein Miteinander bedeutet, weil man erkannt hat, dass ein Weg, der miteinander gegangen wird, für beide Seiten erfolgreich ist und auch soziale Sicherheit und soziale Stabilität mit sich bringt.

Ich bitte Sie aber auch, bei allen Ihren zukünftigen Beratungen immer vor Augen zu haben, wie wichtig es ist, zur Umsetzung von beiderseitigen Rechten und Pflichten einerseits die Instrumente der Gesetze zu haben, dass es andererseits aber unverzichtbar ist, den Kollektivvertrag für bestimmte Branchen, für Gruppen von Betroffenen als Steuerungsinstrument einzusetzen, und dass durch den Kollektivvertrag noch weitere Rechte auf die betriebliche Ebene verlagert werden sollen.

Nur dann, wenn über das kollektive Recht auch eine Wettbewerbsneutralität erzeugt wird, kommt es nicht zu einer Entsolidarisierung innerhalb einzelner Branchen, denn dadurch wären natürlich die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer a priori in negativer Weise betroffen.

Ich bitte Sie daher wirklich, diesen Stufenaufbau unserer Rechtsordnung auch in der zukünftigen Sozialpolitik zu wahren, zu unterstützen und zu fördern. Dieser hat uns sehr viel Erfolge gebracht, und es sollen auch in Zukunft in der Sozialpolitik Erfolge erreicht werden. Ich bitte daher, der Sozialpolitik, der Arbeitsmarktpolitik und, was wirklich für die Menschen so unverzichtbar ist, den sozialen Anliegen einen hohen Stellenwert auch in Zukunft beizumessen. (Beifall bei der SPÖ.)

9.50

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden (52/A und 25/NR sowie 6084/BR der Beilagen)

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden.

Ich bitte Frau Bundesrätin Schicker um die Berichterstattung.


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Berichterstatterin Johanna Schicker:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der gegenständliche Beschluss des Nationalrates wurde als Initiativantrag der Abgeordneten zum Nationalrat Verzetnitsch, Dr. Feurstein und Genossen am 15. Dezember 1999 im Nationalrat eingebracht.

Der Eintritt in Maßnahmen der Einrichtung für die Lebens- und Genussmittelbranche (Stiftung "Aufleb") kann nach geltendem Recht nur bis 31. Dezember 1999 erfolgen. Im Jahr 2000 ist jedoch noch mit Auswirkungen des EU-Beitrittes auf die Lebens- und Genussmittelbranche zu rechnen. Es soll daher der Eintritt in Maßnahmen der Einrichtung für die Lebens- und Genussmittelbranche noch bis 31. Dezember 2000 möglich sein. Dadurch soll jedoch keine Verlängerung der Einrichtung für die Lebens- und Genussmittelbranche eintreten, welche wie geplant mit Ende des Jahres 2003 beendet werden soll.

Durch Qualifizierungsmaßnahmen in Form einer Arbeitsstiftung wird die Arbeitslosigkeit der betroffenen Arbeitnehmer wirksam bekämpft. Zudem erhöhen diese Maßnahmen die Attraktivität des Beschäftigungsstandortes Österreich.

Die Arbeitsstiftung "Aufleb" wurde als "Best Practice"-Projekt in der EU anerkannt. Im Rahmen der Stiftung wurden bisher ArbeitnehmerInnen aus 1 275 verschiedenen Betrieben betreut. Die Vermittlungsquote beträgt 87 Prozent. Stichproben haben die Nachhaltigkeit der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bestätigt. Der über die vorhandenen Mittel der Einrichtung hinausgehende Finanzierungsbedarf soll daher durch Fördermittel des Arbeitsmarktservice gedeckt werden.

Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2000 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schaufler. – Bitte.

9.52

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Verehrte Damen! Geschätzte Herren! Hohes Haus! Bei dieser Gesetzesvorlage geht es an und für sich nicht um eine Verlängerung der so genannten Aufleb-Stiftung, sondern um eine Erweiterung der Eintrittsmöglichkeit um ein Jahr.

Ein bisschen zurück zu den Ursprüngen dieser Stiftung: Es war klar, dass mit dem Beitritt zur Europäischen Union eine Branche in Österreich besondere Schwierigkeiten haben wird, und zwar der Nahrungs- und Genussmittelbereich. Das war von vornherein klar.

Man hat also diese Stiftung beschlossen, und zwar in sozialpartnerschaftlicher Manier, der Österreich insgesamt sehr viel verdankt. Ich wollte diese in der Vergangenheit nicht missen, dies aber auch in Zukunft nicht tun. Sozialpartnerschaft ist doch eine der Möglichkeiten, die natürlich gewachsenen Interessengegensätze zu überbrücken und am Verhandlungstisch zu Erfolgen für beide Seiten zu gelangen. Ich meine – da stehe ich etwas im Gegensatz zu einem der Vorredner, nämlich Kollegen Prähauser –, dass man sich zu allen Kammern bekennen muss, nicht nur zu einer. Es nützt nichts, wenn ich sage, die Wirtschaft ist gut organisiert über Kammern oder die Arbeitnehmerschaft ist gut organisiert, ich brauche einen Gesprächspartner auf der anderen Seite des Tisches. (Bundesrat Prähauser: Herr Kollege! Das habe ich gar nicht gesagt! Wir stehen zu beiden Kammern! Die andere ist Ihr Problem!)

Ich konnte genug Erfahrung sammeln – gerade im Bereich der Gewerkschaft der Arbeiter in der Land- und Forstwirtschaft, die dann mit der Gewerkschaft der Lebens- und Genussmittelarbeiter fusioniert wurde und heute Gewerkschaft Agrar-Nahrung-Genuss heißt, mit den jungen Demokratien und deren Vertreter im Osten, die uns immer wieder gefragt haben, wie wir das bei


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Lohnverhandlungen und bei Neuregelungen von Gesetzen und Arbeitnehmerregelungen machen. Wir haben sie eingeladen und ihnen gezeigt, wie Sozialpartnerschaft in den großen Bereichen funktioniert, wo die Arbeiterkammer, die Wirtschaftskammer, der ÖGB und so weiter an einem Tisch sitzen. Aber wir durften ihnen auch zeigen, wie es in kleineren Bereichen, bei den Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft, sprich Landarbeiterkammern und Landwirtschaftskammern, funktioniert. Und sie waren erstaunt darüber, dass es eine so geregelte Sprachkultur geben kann, obwohl die Interessen oft meilenweit auseinander waren und auch in Zukunft sein werden. In manchen Bereichen könnte sich die Politik durchaus ein Beispiel an der Kultur der Sozialpartner nehmen.

Die Aufleb-Stiftung wurde de facto mit 12. Juni 1994 in Kraft gesetzt, denn das war der Tag des Beitritts zur Europäischen Union mit seinen Folgeerscheinungen.

Das ursprüngliche Ziel klar und deutlich formuliert war und ist: Vereinszweck ist die Förderung der Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes, insbesondere durch Berufsorientierungs- sowie Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für ehemalige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Nahrungs- und Genussmittelbranche, welche in den Betreuungsbereich des Vereines aufgenommen werden. Die Aus- und Weiterbildung umfasst alle berufsfördernden und arbeitsplatzbeschaffenden Maßnahmen. Die Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sind marktorientiert durchzuführen. – Das war der Grundsatz.

Ich darf schon vorweg darauf hinweisen, dass diese Aufleb-Stiftung insgesamt sehr gut gearbeitet hat, ich werde das anhand von Zahlen noch beweisen, und schlussendlich auch die Anerkennung der Europäischen Union als "Best Practice"-Projekt bekommen hat. Darauf dürfen wir stolz sein.

Vielleicht vorweg noch zur Finanzierung, die ursprünglich festgelegt wurde: Für die Kosten der Stiftung für Verwaltung und Ausbildung wurden 450 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt. Diese wurden aufgebracht durch den Europäischen Sozialfonds mit 159 Millionen Schilling, durch das Arbeitsmarktservice ebenso mit 159 Millionen Schilling, die Bundesländer mit 59,5 Millionen Schilling und die Wirtschaftskammer mit 72,5 Millionen Schilling. Es hat sich jetzt in der Diskussion um diese Erweiterung der Zutrittsmöglichkeit gezeigt, dass voraussichtlich nicht alle Mittel gebraucht werden. Es handelt sich eigentlich um einen Meilenstein im Bereich des Arbeitsmarktservice, wenn bei einem Projekt mit dem vorhandenen Geld nicht nur das Auslangen gefunden wurde, sondern sogar etwas übrig bleibt. Diese Mittel werden der Wirtschaft mit diesem Gesetz zurückgegeben, soweit ich informiert bin, handelt es sich um 12 Millionen Schilling.

Wie hat sich diese Stiftung ausgewirkt? – Seit Bestehen sind 6 058 Personen aus 1 275 Betrieben in diese Stiftung eingetreten. 3 955 sind bereits wieder ausgetreten, sodass derzeit 2 103 Personen in Betreuung sind. Insgesamt war das Verhältnis von Männern und Frauen 2 zu 1, also 2 004 Frauen zu 4 054 Männer. Es ist vielleicht interessant – es sind nicht nur Arbeiter in die Stiftung hineingegangen, sondern auch Angestellte –, dass 1 568 Angestellte und 4 466 Arbeiter betroffen waren.

Besonders interessant ist, in welchem Lebensalter die Menschen eingetreten sind – diese Zahlen möchte ich Ihnen nicht vorenthalten –: Bis zu einem Lebensalter von 30 Jahren sind 19 Prozent eingetreten, in einem Alter zwischen 30 und 40 Jahren fast ein Drittel, nämlich 32 Prozent, zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr 27 Prozent und über 50 Jahre 22 Prozent. Wenn man die Problematik der Altersarbeitslosigkeit in Österreich kennt, kann man ermessen, was die Stiftung zu leisten hatte, die Vermittlungsquote betrug nämlich 87,2 Prozent, und das unmittelbar nach dem Austreten.

Natürlich muss man auch prüfen, wie es später aussieht, ob die Arbeitsplätze gehalten werden konnten, ob also die Menschen tatsächlich auf längere Zeit vermittelt wurden. In der Steiermark hat man dies überprüft und festgestellt, dass die Quote 98 Prozent beträgt. Das heißt also, die Menschen, die durch die Stiftung gehen, bleiben dann auch in jenem Beruf, für den sie nach Aus- und Weiterbildung qualifiziert waren.


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Interessant ist auch noch Folgendes: Da die Stiftung an und für sich eine Verweildauer von drei bis vier Jahren als Maximum vorsieht, könnte man denken, die meisten Menschen werden dort sehr lange bleiben. Das stimmt aber nicht, denn die durchschnittliche Verweildauer beträgt nicht einmal zehn Monate, sondern ganz konkret 9,7 Monate, wobei wieder zwischen Arbeitern und Angestellten zu unterscheiden ist. Die Arbeiter verbleiben im Schnitt genau 9,3 Monate, die Angestellten elf Monate.

In welche Bereiche sind die so genannten – ich darf sie so bezeichnen – "Stiftlinge" dann gegangen? – Ein großer Prozentsatz, nämlich 32 Prozent, haben den kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Bereich und 26 Prozent den Handels- und Verkehrsbereich gewählt. Was mich überrascht hat, ist, dass in den EDV-Bereich nicht mehr als 5 Prozent gegangen sind. In den technischen Bereich sind 6 Prozent gegangen, in den Bereich Sozialberatung und Pflege 11 Prozent, in den pädagogischen Bereich 2 Prozent, in den Gesundheitsbereich und Ähnliches 5 Prozent und in die Hotel- und Gastwirtschaft 5 Prozent. Zurück in den Bereich Nahrungs- und Genussmittelindustrie nach Höherqualifizierung sind 8 Prozent gegangen. Dann ist noch die Frage: Wie viele haben sich aus diesem Bereich selbständig gemacht? – Das sind konkret 170 Personen oder etwa 4,5 Prozent.

Ich meine, dass diese Zahlen für sich und die Stiftung sprechen und dass die Sozialpartner hier eine exzellente Regelung nach dem EU-Beitritt zu Stande gebracht haben. Diese Aufleb-Stiftung wird noch weiter laufen, sie wurde bereits mehrmals verlängert. Ursprünglich war daran gedacht, dass der Zutritt nur bis 31. 12. 1998 erfolgen kann. Dieser wurde jetzt bis 31. 12. 2000 erweitert. Man rechnet damit, dass in diesem Jahr noch etwa 1 000 Personen zur Betreuung in die Aufleb-Stiftung kommen werden.

Ich meine, damit habe ich dieses Gesetz zur Genüge umrissen und Ihnen noch einige Informationen über den letzten Stand gebracht, weil wir in der Gewerkschaft Agrar-Nahrung-Genuss natürlich über diese Zahlen verfügen. Wir sind allen dankbar, die heute zustimmen werden, weil wir mit den Betroffenen sozusagen auf Tuchfühlung arbeiten und ganz genau wissen, wo sie der Schuh drückt.

Ich hoffe – das darf ich in einer derartigen Stunde von dieser Stelle aus zum Ausdruck
bringen –, dass die Sozialpartnerschaft auch in Zukunft, die anstehenden Probleme gemeinsam zum Vorteil der Arbeitnehmer und der Gesamtwirtschaft in diesem Land meistern wird.

Frau Ministerin! Dir darf ich sagen, wir haben persönlich sehr guten Kontakt gehabt. Ich bitte dich – ich ersuche, dieses persönliche Wort zu entschuldigen –, dass das auch in Zukunft so bleiben möge. Egal, wo wir beide auch immer stehen werden, Gewerkschafter werden wir bleiben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

10.03

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Drochter. – Bitte.

10.03

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Kollege Schöls hat vor einer halben Stunde – vorsorglich hat er den Platz gewechselt (Bundesrat Schöls: Ich sitze auf meinem Platz!)  – seine Pflichtübung gemacht. Ich verstehe seine Unsicherheit, sein Unwohlsein. Wenn ich mit der FPÖ Sozialpolitik, Wirtschaftspolitik und Außenpolitik machen müsste, ginge es mir nicht anders. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Nun einige Anmerkungen der Wahrheit zuliebe zu den Ausführungen des Kollegen Schöls, was Kollegen Nürnberger betrifft. Für ihn ist das Verhalten von Vizepräsidenten Nürnberger nicht nachvollziehbar. (Bundesrat Schaufler: Für mich auch nicht!) Das Verhalten von Nürnberger ist sehr wohl nachvollziehbar, und zwar nicht nur für mich, sondern auch für Zigtausende Gewerkschaftsmitglieder und österreichische Arbeitnehmer.


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Kollege Vizepräsident Neugebauer, Vorsitzender der Fraktion Christlicher Gewerkschafter und Vorsitzender der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, hat nach meinen Informationen in der Österreichischen Volkspartei den Maßnahmen, die das Anheben des faktischen Pensionsalters im öffentlichen Dienst betreffen, auch nicht zugestimmt.

Auch im ÖGB-Präsidium hat es eine übereinstimmende Meinung zum Thema faktisches Pensionsalter gegeben. Sie war sehr klar und unmissverständlich. Diesbezüglich gibt es keine unterschiedlichen Auffassungen in der österreichischen Gewerkschaftsbewegung. Unsere Meinung, unsere Vorschläge, unsere Konzepte zur Anhebung des faktischen Pensionsalters sind Folgende: Wir verlangen, dass für die älteren Kolleginnen und Kollegen alles getan und Vorsorge getroffen werden muss, dass sie länger in Beschäftigung bleiben können. Wir finden, es ist keine Lösung, so wie das derzeit passiert, sie mit einem "golden Handshake" mit 50, 52, 55 oder 56 Jahren in die Arbeitslosigkeit oder in die Notstandsunterstützung zu verabschieden. Die Arbeiterkammern, die Gewerkschaften, der ÖGB über fraktionelle Grenzen hinaus haben diesbezüglich sehr umfassende und auch umsetzbare Vorschläge gemacht.

Nun noch einiges zu den Ausführungen von Kollegen Schöls. Zur Richtigstellung: Kollege Nürnberger hat schon zu Beginn der Parteienverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP, in denen dieses Thema angesprochen wurde, seine Bedenken und seine Ablehnung bekundet – dies im Gegensatz zum Obmann des ÖAAB, des Kollegen Fasslabend, der von Kollegen Nürnberger auf diese Problematik angesprochen wurde, von der Zigtausende Kolleginnen und Kollegen negativ betroffen sein würden. Kollege Fasslabend, Vorsitzender des ÖAAB, sagte nicht einmal ein Wort. Seine einzige Reaktion war, dass er einen roten Kopf bekam.

Zur Richtigstellung: Die Regierungsbildung zwischen SPÖ und ÖVP ist nicht an diesen Punkten gescheitert, sondern weil heute eindeutig feststeht, dass die Österreichische Volkspartei nie die Absicht hatte, nie das ehrliche Bemühen gezeigt hat (Bundesrat Mag. Wilfing: Das ist eine Ausrede!), mit der Sozialdemokratie eine Regierung einzugehen, sondern schon längst mit der FPÖ in einem Bett lag. Es gibt – ich komme vom Land – ein Sprichwort: Wenn man sich mit einem Hund ins Bett legt, muss man damit rechnen, dass man in der Früh mit Flöhen aufwacht. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist eine menschenverachtende Sprache, Herr Präsident! – Weitere Rufe bei den Freiheitlichen: Unerhört!) – Ich habe gesagt, es gibt am Land ein Sprichwort.

Der Bruch erfolgte, weil die Sozialdemokratie nicht bereit war, der Österreichischen Volkspartei das Finanzministerium ... (Bundesrat Ing. Scheuch: Ist das die neue Sprache?) – Es gibt ein weiteres Sprichwort: Wie man in den Wald hineinschreit, so hallt es zurück!, lieber Kollege!

Nun einige kurze Anmerkungen zu den sehr ausführlichen und präzisen Ausführungen des Kollegen Schaufler, der sehr gut nachvollziehbar dargestellt hat, warum es zur Verlängerung der Aufleb-Stiftung kommt. Er hat besonders erwähnt, dass sich die Rahmenbedingungen geändert, aber sicherlich nicht verbessert haben. Zu erwähnen ist ferner, dass dieser wirtschaftliche Bereich auch unter der bevorstehenden Einführung des Euros weitere Schwächen zeigen wird. Es ist außerdem anzumerken, dass hier die Macht der Handelsketten, die Oligopole eine negative Wirkung haben, die Betriebe nicht die notwendige Ertragslage haben und dadurch Arbeitsplätze gefährdet werden beziehungsweise verloren gehen. Die EU-Erweiterung wird das Weitere dazu beitragen.

Er hat auch eine sehr klare Darstellung der Finanzierung gegeben. Ich erlaube mir nur anzumerken, dass sich in dieser jetzt zu beschließenden Phase die Wirtschaftskammer von der Finanzierung zurückgezogen hat. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, muss man auch sagen, dass in Vorarlberg eine FPÖ-ÖVP-Regierung auf Landesebene eigentlich die einzige Regierung war, die eine Fortsetzung der Aufleb-Stiftung als überflüssig angesehen hat. Ich bedauere das sehr.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte heute aber auch die Gelegenheit nützen, weil es das letzte Mal ist, Frau Bundesministerin, dass Sie in dieser Funktion bei uns sind, und mich recht herzlich für die beispiellose Leistung bedanken, die Sie, sehr geehrte Frau Bundesministerin, in dieser Funktionsperiode erbracht haben. Es war nicht immer leicht, auch


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nicht mit uns, aber wir haben immer einen Weg im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Frauen, der sozial Bedrängten und der sozial Schwachen gefunden.

Ich darf hier die Beschäftigung anführen, insbesondere die beispielhaften Maßnahmen in Europa betreffend die Jugendarbeitslosigkeit, die verstärkte Integration der Frauen auf dem Arbeitsmarkt, die Bemühungen zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit und der Arbeitslosigkeit der älteren Bürgerinnen und Bürger. Sicherlich waren auch Sie vom letzten OECD-Bericht aus dem Jahre 1999 sehr berührt, der Ihnen, sehr geehrte Frau Bundesministerin, ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt hat.

Selbstverständlich darf man beim Kapitel Beschäftigung nicht die Nationalen Aktionspläne, das Auffangnetz für unsere Jugend – eine beispielhafte Maßnahme in Europa, die von beiden Parteien und von den Sozialpartnern getragen wurde, um der Jugend eine Chance auf Ausbildung, auf Qualifikation, also eine Chance für eine weitere Entwicklung zu geben – und vor allem die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt vergessen: Nach zehn Jahren gibt es eine Abkehr von einer steigenden Arbeitslosigkeit um 20 000 Arbeitslose und mehr.

Der Bereich der Sozialversicherung ist auch ein wichtiger Faktor Ihrer Bemühungen der letzten Jahre gewesen: Einbeziehung aller Erwerbseinkommen, die neuen Selbständigen, vor allem die geringfügig Beschäftigten und die Öffnung der Zahnambulatorien seit dem Jahre 1999. Auch das ist ein jahrzehntelanges Verlangen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, auch hier wieder der sozial Schwachen oder jener, die auf Grund ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation am Rande unserer Gesellschaft leben, gewesen, dass sie einen Zahnersatz zu einem fairen Preis bekommen können.

Sie waren gemeinsam mit dem Hauptverband sehr maßgeblich an den Vorbereitungen zur Einführung der Chipkarte beteiligt. Aber zu erwähnen gilt es auch den Bereich der Pflegevorsorge und der Behindertenintegration. Die Leistungen für Pflegebedürftige und vor allem auch die Integration von behinderten Menschen sind verbessert worden. Im Arbeitnehmerschutz gelang es durch Ihren Einsatz, durch Ihre Maßnahmen – die sicherlich auch wieder von der SPÖ-ÖVP-Regierung und von den Sozialpartnern getragen wurden –, die Zahl der Arbeitsunfälle gravierend zu senken. Es gelang auch, die Anzahl der tödlich verunglückten Kolleginnen und Kollegen in beträchtlichem Ausmaß zu senken, und im Bereich der Berufskrankheiten konnte ebenfalls vieles umgesetzt werden.

Ich muss hier aber Folgendes einflechten, meine sehr geehrten Damen und Herren: Nach dem jetzigen Wissensstand, den ich persönlich habe und den die Gewerkschaften sowie die Arbeiterkammern haben, besteht akute Gefahr, dass diese präventiven Maßnahmen im Bereich der Arbeitnehmer, vor allem in den Klein- und Mittelbetrieben, durch die Kürzung der Mittel der Unfallversicherung nicht mehr fortgesetzt werden können. Ich hoffe nicht – aber man kann es nicht ausschließen –, dass wir nächstes Jahr, wenn wir über die soziale Situation diskutieren, ein Ansteigen der negativen Erscheinungen, die es auf dem Arbeitsmarkt und am Arbeitsplatz zweifelsohne geben wird, zur Kenntnis nehmen werden müssen.

Nicht unbeträchtlich waren auch die Leistungen im Bereich der Gesundheitsreform. Ich erwähne nur ein Highlight: Die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung und auch die Gesundheitsreform waren Meilensteine in der österreichischen Gesundheitspolitik.

Was die Novellierung zum Arbeitsverfassungsgesetz betrifft, verweise ich vor allem auf die betriebliche Frauenförderung. Wo werden die Frauen Gehör finden, wenn es stimmt, dass es in der nächsten FPÖ-ÖVP-Regierung kein Frauenministerium und kein Umweltministerium mehr geben wird? – Im Bereich Mutterschutz und Karenzgeld wurde ebenfalls vieles verbessert.

Im Bereich des Arbeitsrechtes war es ein gemeinsamer Verdienst mit der Sozialministerin, Kollegin Hostasch, dass die flexiblen Modelle der Arbeitszeitregelung, die Bildungskarenz und das Frauennachtarbeitsgesetz umgesetzt wurden. Maßgebliche Schritte in die richtige Richtung erfolgten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und auch durch das Jahresarbeitszeitmodell in der Bauwirtschaft, wodurch eine Verlagerung der Normalarbeitszeit auf bis zu 45 Stunden in der Sommerperiode möglich ist.


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Ich stehe aber nicht an, heute auch zu erwähnen, was nicht gelungen ist, sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es war sicherlich nicht Ihr Wollen, denn Sie haben im Bereich der "Aktion Fairness" um die Angleichung der Rechte der Arbeiter an jene der Angestellten gekämpft. Das konnten wir nicht durchsetzen, das wurde schon damals – ich weiß nicht, welche Perspektive da gegeben war – von der Österreichischen Volkspartei verhindert. Auch die Novelle zum Arbeitsverfassungsgesetz, wodurch mehr Mitbestimmung für die Arbeitnehmer möglich oder angestrebt wurde, konnte nicht umgesetzt werden.

Was mich besonders betrifft, ist der Umstand, dass es nicht möglich war, ein sehr weit gediehenes Gesetzesvorhaben – nämlich jenes der Bekämpfung der Schwarzarbeit – umzusetzen und zu verwirklichen. Denn durch die Nichtumsetzung des schon im Text vorliegenden Gesetzes im Nationalrat zur Bekämpfung der Schwarzarbeit erleiden nicht nur ... (Bundesrat Ledolter: Wir haben damit aber nichts mehr zu tun! – Bundesrat Hagen: Hohe Lohnnebenkosten!)

Herr Kollege! Ich weiß schon, was Sie mir sagen wollen! Ich weiß auch, was Wirtschaftsbundobmann Dr. Leitl im Namen der Gastronomie vor hat. Darauf sind wir schon eingestellt, aber die Bekämpfung der Schwarzarbeit, lieber Herr Kollege (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Wilfing.  – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), ist ein Hindernis für eine faire Wirtschaft, ist ein überwindbares Hindernis für all jene Wirtschaftstreibenden, vor allem für die kleineren, die sich ... (Bundesrat Weilharter: Herr Kollege! Sie haben 30 Jahre Zeit gehabt! – Bundesrätin Haunschmid: 30 Jahre, dass Sie es ändern können!)

Ich sage ja, es ist am Widerstand der ÖVP gescheitert, dass es hier zu fairen Wettbewerbsbedingungen kommt. Sie haben zugestimmt, dass im Bereich der Schwarzarbeit keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlt werden und und und. (Bundesrat Schöls: Da haben Sie sich zur Wehr gesetzt!) Ich will das nicht noch verlängern. Ich weiß schon, dass das wieder ... (Weitere heftige Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ja, ich höre Ihnen gerne zu! Ich höre Ihnen gerne zu, ich verstehe auch Ihre Position. Man kann natürlich mehr für sich lukrieren, wenn man Arbeitnehmer hat, die unter dem Kollektivvertrag arbeiten oder rund um die Uhr arbeiten müssen und so weiter. Ich möchte die Leiden dieser Arbeitnehmer hier gar nicht aufzählen, Herr Kollege! (Bundesrätin Haunschmid: Aber um 11 Uhr in der Nacht ein Schnitzel essen wollen!)

Sie sollten auch als Wirtschaftstreibender einmal daran denken, dass die österreichische Wirtschaft – nicht nur bei uns – aus jenen Damen und Herren besteht, die in der Wirtschaft tätig sind. Die Inhaber der Betriebe, aber auch die Arbeitnehmer sind ein wesentlicher Faktor der Wirtschaft, und vor allem auch die Konsumenten. (Ruf bei der ÖVP: Freut mich, dass Sie das zugeben!)

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich möchte mich recht herzlich bedanken im Namen der Sozialdemokratie, besonders der Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat, aber auch im Namen der österreichischen Gewerkschaftsbewegung – über die Fraktionsgrenzen hinaus – und der neun Arbeiterkammern sowie der Bundesarbeitskammer.

Zum Schluss danke ich Ihnen persönlich und darf sagen: Sie haben einer künftigen Sozialministerin oder einem künftigen Sozialminister die Latte sehr hoch gelegt. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.23

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

10.23

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich meine, es ist notwendig, von 30 Jahren sozialistischer Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik wieder zurück zur Tagesordnung zu kommen. Ich werde mich daher mit meinem Debattenbeitrag auf die Tagesordnung beschränken. (Bundesrätin Schicker:


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Das heißt, weg von der Sozialpolitik! Das ist eine Aussage! – Bundesrat Kon
ecny: Das ist richtig, damit ist zu rechnen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Auf Grund der vorliegenden Gesetzesänderungen betreffend das Arbeitslosenversicherungsgesetz und das Arbeitsmarktgesetz ist selbstverständlich eine Verlängerung der Aufleb-Arbeitsstiftung um ein Jahr möglich. Es geht aber auch darum, dass die Rückzahlung der so genannten Kofinanzierung durch die Wirtschaftskammer erfolgt.

Meine Damen und Herren! Wir konnten im Ausschuss auch erfahren, dass die Arbeitsstiftungen in Österreich sehr erfolgreich sind. Die Erfolgsquote liegt bei rund 87 Prozent. Wenn man das in absolute Zahlen umrechnet und feststellt, dass 6 000 Personen in diesen Stiftungen sind, so muss man, so glaube ich, mit Fug und Recht von einem durchaus beachtlichen Erfolg sprechen.

Meine Damen und Herren! Wir verkennen aber nicht die Tatsache, dass es durchaus auch ein paar Wermutstropfen gibt, nämlich erstens, dass die Vermittlung nach wie vor nicht durch das Arbeitsmarktservice erfolgt – oder ist es vielleicht, meine Damen und Herren, gerade deshalb der Erfolg der Stiftungen, dass diese Vermittlungen nicht durch das AMS erfolgen; das kann auch sein –, und zweitens, dass Stiftungen nicht allen Arbeitslosen beziehungsweise Arbeitssuchenden zugänglich sind. Das muss durchaus auch bemerkt werden.

Aber, meine Damen und Herren, weil das in Summe – ich glaube, 87 Prozent Erfolg sprechen dafür – notwendig und eine gute Sache ist, wird meine Fraktion der Vorlage die Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.25

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. – Bitte.

10.26

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Mein Ministerium wird heute die aktuellen Arbeitsmarktdaten zum 31. Jänner bekannt geben. Ich darf Ihnen die wichtigsten Daten vielleicht vorweg nennen, und ich hoffe, Sie freuen sich mit mir darüber, dass die Arbeitsmarktsituation in Österreich weiterhin erfolgreich ist – insofern, als wir wieder mit mehr Beschäftigten rechnen können, aber insbesondere mit einem deutlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit zum 31. Jänner im Vergleich zum Vorjahr. (Bundesrat Dr. d'Aron: Versteckte Arbeitslosigkeit!)

In konkreten Zahlen heißt dies, dass die Arbeitslosigkeit im Jahresabstand um fast 22 000 Personen oder 7,3 Prozent zurückgegangen ist, bei den Frauen noch höher als bei den Männern. In allen Bundesländern ist ein Rückgang der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen. (In Richtung Bundesrätin Haunschmid:) Frau Bundesrätin! Wenn Sie den Kopf schütteln, dann negieren Sie hier Fakten, weil ... (Bundesrätin Haunschmid: Versteckte Arbeitslosigkeit habe ich gesagt! – Bundesrat Dr. d'Aron: Schulungen ...!) Wenn Sie von versteckter Arbeitslosigkeit reden, dann sagen Sie das aus Unwissenheit oder in bewusster Verfälschung von Fakten. Es werden nirgendwo Arbeitslose versteckt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Weilharter: Das ist zu wenig! Sehr tief ist das!)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Die Statistik und die Transparenz unserer Arbeitsmarktdaten sind vorbildlich. Es wird genau ausgewiesen, wie viele Beschäftigte, wie viele Arbeitslose in Ausbildungsmaßnahmen sind. Es wird gleichermaßen ausgewiesen, wie viele Arbeitssuchende bereits eine Wiedereinstellungszusage haben – eine Methode der Wirtschaft, gegen die man eigentlich massiv auftreten müsste, weil damit zu Lasten Dritter Politik betrieben und betriebliche Politik unterstützt wird. Wir haben eine Wiedereinstellungszusage, über 100 000 vorgemerkte Arbeitslose haben bereits eine Einstellungszusage. Ich glaube, das wäre ein wichtiges Thema, dem auch Sie sich in Zukunft widmen könnten oder sollten.

Ich glaube auch, sehr geschätzte Damen und Herren, dass diese Zahlen – es sind alle Altersgruppen vom Rückgang der Arbeitslosigkeit erfasst, das sehen Sie, wenn Sie sich die Zahlen im


Bundesrat
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Detail anschauen – ein Beweis dafür sind, dass eine erfolgreiche Beschäftigungspolitik in unserem Land gemacht wurde.

Ich sage jetzt bewusst "Beschäftigungspolitik" und nicht nur "Arbeitsmarktpolitik", weil Arbeitsmarktpolitik eine Ergänzung einer umfassenden Beschäftigungspolitik ist. Es ist natürlich so, dass in erster Linie die Wirtschaft gefordert ist. Sie ist auch jener Bereich, der Arbeitsplätze anbietet und zusätzliche schafft. Aber ohne ergänzende aktive Arbeitsmarktpolitik hätten wir diese Erfolge nicht, da könnten wir keine international hervorragende Position aufzeigen und auch wieder verteidigen – wenn ich insbesondere die Jugendsituation anspreche. Da sind wir international an der vordersten Stelle, bei uns kann praktisch kaum von Jugendarbeitslosigkeit geredet werden. Das ist etwas, was für eine Demokratie ganz entscheidend ist: dass die Jugend eine Perspektive hat, dass sie eine Zukunft hat und dass die Jugend weiß, dass sie Vertrauen zur Politik und zum Staat haben kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Wenn hier von einer Gesetzesänderung im Zusammenhang mit der Aufleb-Stiftung die Rede ist, so ist zu sagen, dass die Stiftung eine Maßnahme im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik ist. Sie ist eine hervorragende Maßnahme, aber nicht die einzige, die angeboten wird. Sie ist eine teure Maßnahme im Vergleich zu manchen anderen, aber die Daten, über die Herr Bundesrat Schaufler hier berichtet hat, sprechen für sich und beweisen, dass diese Investitionen richtige, wichtige und sehr effiziente Investitionen gewesen sind.

Obwohl Herr Bundesrat Schaufler jetzt von einem Datenfriedhof oder -salat gesprochen hat – ich weiß nicht, was er gemeint hat –, möchte ich Ihnen trotzdem noch zwei Daten nennen. Zwei Drittel der Teilnehmer an der Aufleb-Stiftung sind weniger als zehn Monate lang in dieser Stiftung. Da zeigt sich, wie groß die Durchlässigkeit ist und wie schnell die Integration in den Arbeitsmarkt möglich wurde. Nur 2 Prozent der Teilnehmer sind länger als zwei Jahre in der Stiftung. Das ist ein Beweis dafür, dass den Menschen damit eine sehr erfolgreiche und zu Recht als "Best Practice" ausgezeichnete Maßnahme der aktiven Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung steht.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich kann Sie nur dringend ersuchen, auch in der kommenden Gesetzgebungsperiode alles zu unterstützen, was aktive Arbeitsmarktpolitik-Maßnahmen betrifft. Es ist erforderlich, die aktive Arbeitsmarktpolitik auch budgetär entsprechend auszugestalten, und immer wieder erforderlich, zu prüfen, wie effizient die Maßnahmen sind. Es ist aber auch erforderlich, sich dort, wo sich die Effizienz beweist, verstärkt dafür zu verwenden, um das zu erreichen, was wir wollen: eine konsequente, erfolgreiche Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und auch die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen (Bundesrat Dr. d'Aron: Das wollen wir!)  – Arbeitsplätze, die qualitativ gut sind, die sozial- und arbeitsrechtlich abgesichert sind und bei denen jede und jeder eine Perspektive erblickt. (Bundesrat Dr. d'Aron: Das wollen wir!)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Erlauben Sie mir hier zum Abschluss und quasi zur Verabschiedung, mich beim Bundesrat dafür zu bedanken, dass wir in diesem Haus mehrere wichtige Vorhaben gemeinsam diskutieren und beschließen konnten. Ich möchte mich insbesondere für die anerkennenden Worte bedanken, die mir gegenüber von Bundesräten hier zum Ausdruck gebracht wurden.

Ich möchte, weil das Schwarzarbeitsgesetz angesprochen wurde, ergänzen – nur um bei der Wahrheit zu bleiben –, dass dies ein einstimmiger Beschluss des Ministerrates war, eine vom Ministerrat verabschiedete Regierungsvorlage, die dem Hohen Haus zugeleitet wurde. Es gab daher vollen Konsens zwischen den SPÖ- und ÖVP-Ministern in der Bundesregierung. Aber es ist am Widerstand des ÖVP-Klubs gescheitert, und so konnte dieses besonders wichtige soziale Vorhaben nicht realisiert werden.

Ich möchte aber den Bundesrat dringlich ersuchen, alles zu tun, dass unsere Demokratie weiterhin gestärkt wird, dass aber auch das internationale Ansehen unseres wunderschönen Landes in der Form wiederhergestellt wird, dass wir weiterhin sehr stolz auf unser Land sein


Bundesrat
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können. – Ein herzliches gewerkschaftliches Glückauf! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.33

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Verehrte Frau Bundesminister! Sie gestatten mir, dass ich auch von hier aus ein Wort sage. Es war für uns immer sehr erfreulich, dass Sie dem Bundesrat mit Geduld und Freundlichkeit zur Verfügung gestanden sind. Ihre Debattenbeiträge waren immer von großer Kompetenz gekennzeichnet. Sie waren vor allen Dingen von einer Tatsache getragen: Es war spürbar, dass Sie die Menschen lieben. Dafür ganz herzlich danke! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Nicht nur ich, sondern viele in diesem Haus wünschen Ihnen aus ganzem Herzen alles Gute und alles Schöne. Das, was Sie sich für die Zukunft vorgenommen haben, soll auch eintreten! (Bundesministerin Hostasch: Danke!)

Ich sehe, es gibt eine weitere Wortmeldung. – Herr Bundesrat Weilharter, bitte.

10.34

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Damen und Herren! Ich sehe mich gezwungen und halte es letztlich für erforderlich, eine Klarstellung vorzunehmen, nämlich dann, wenn von der Regierungsbank aus auf Grund der Gestik einzelner Mitglieder dieses Hauses – in dem Fall eines Mitgliedes meiner Fraktion – Uninformiertheit und Unwahrheit unterstellt wird.

Meine Damen und Herren! Das kann nicht der Stil dieses Hauses sein. Ich bitte, auch von Seiten der Regierung diese Fauxpas in Hinkunft zu unterlassen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesministerin Hostasch: "Unwahrheit" habe ich nicht gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

10.35

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Weilharter! Ich verstehe, dass heute – vor allen Dingen unter der neuen Rollenverteilung, wie sie hier im Hause eingeübt wird – besondere Sensibilität gegeben ist. Aber ich habe den Eindruck gehabt, dass die Frau Bundesministerin auf einen Zwischenruf reagiert hat. (Bundesrätin Haunschmid: Nein!)

Ich glaube, das muss jedem möglich sein. Sollte es hier ein Missverständnis geben, darf ich Sie trotzdem darum bitten, auch wenn die Nerven blank liegen und man noch nicht die Position gefunden hat, die man in Zukunft einnehmen wird, im Interesse unseres Hauses, dass wir weiter so miteinander umgehen, wie wir es bisher gewohnt waren: in erster Linie, bitte, den Menschen zu beachten, und alles andere kommt dann! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, dann machen Sie es bitte!)

Ich sehe, dass noch eine Wortmeldung von Bundesrat Hagen und dann von Bundesrat Schöls vorliegt. – Bitte.

10.37

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kollegen! Ich muss sagen, ich kann das nicht so auf der Bank sitzen lassen, was hier vorhin geäußert wurde. (Heiterkeit. – Bundesrätin Schicker: Was sitzt auf der Bank?) Da stellt es einem die Haare auf, auch wenn sie noch so kurz sind. (Bundesrat Prähauser: Sie stehen aber sonst auch!) Aber es stellt sie mir doppelt auf.

Ich möchte nur eines zu den Arbeitslosenzahlen sagen, zu dem, was über die Arbeitslosen geäußert wurde: dass alles viel besser geworden ist. Man muss sich bewusst sein, dass hier Zahlen hinausgegeben werden, die nicht der Wahrheit entsprechen. Denn wenn ich jemand in die Umschulung schicke und dafür vom Staat aus bezahle, dann zählt er meiner Ansicht nach auch noch als Arbeitsloser.

Dasselbe ist bei ... (Bundesrat Gasteiger: Zweifeln Sie an der Frau Ministerin? – Das ist aber gut!) Ich sage, dass hier nicht alles so ist, wie man es darstellt. Das ist ganz einfach.


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Zur Jugendarbeitslosigkeit möchte ich sagen, dass Jugendliche, die keine Arbeit bekommen – das weiß ich aus der Praxis, da müssen Sie öfter zum Volk gehen, wenn Sie das auch wissen wollen –, in Umschulungskurse beziehungsweise in Kurse geschickt werden, um ein Jahr zu überbrücken, bis sie eine Lehrstelle bekommen. Das ist eine Tatsache. (Bundesrätin Mag. Trunk: Deshalb wollen Sie den Arbeitsdienst! – Zwischenrufe bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen.)

Das möchte ich Ihnen nur sagen. Das hat nichts mit dem Arbeitsdienst zu tun. Das ist eine Tatsache. Sie müssen sich mehr beim Volk informieren, dann werden Sie so etwas wissen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk.  – Bundesrätin Haunschmid: Wer redet von Arbeitsdienst? – Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Zur Schwarzarbeit möchte ich noch etwas sagen. (Anhaltende Zwischenrufe.) Darf ich vielleicht ganz kurz etwas zur Schwarzarbeit sagen? – Da geht es darum, dessen müssen wir uns auch bewusst sein: Wenn wir nicht solch hohe Lohnnebenkosten haben, wenn wir die Möglichkeit haben, dass die Leute etwas verdienen, dass sich Arbeit noch lohnt, dann melden sich die Leute auch an, dann gibt es keine Schwarzarbeit, und dann floriert die Wirtschaft. Das ist ebenfalls klar.

Wenn ich dazu nur ein Beispiel anführen darf, das mir vor ein paar Tagen von einem Postler, einem Angestellten der Post zugetragen wurde. Er war für ein Gehalt von 11 000 S als Briefträger unterwegs. Da gibt es die Äußerung: Wenn ich arbeitslos bin und stempeln gehe, dann bekomme ich 9 000 S Sozialhilfe, nein, Arbeitslosenunterstützung. 9 000 S – und für 11 000 S soll ich um 5 Uhr in der Früh aufstehen und arbeiten gehen?

So ist das Denken, so ist die Jugend erzogen worden. Dessen muss man sich einmal bewusst sein. Da braucht man sich nicht zu wundern, dass die Arbeitslosenzahlen so steigen und das Sozialsystem so ausgebeutet wird, wie es im Moment der Fall ist. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Man muss unterscheiden, was Sozialhilfe und was Arbeitslosenunterstützung ist! – Bundesrätin Mag. Trunk: Lesen Sie hier: Arbeitsdienst!)

10.40

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schöls. – Bitte. (Bundesrätin Mühlwerth: Er hat Notstandshilfe gemeint! – Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen. – Präsidentin Haselbach gibt das Glockenzeichen.)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schöls ist jetzt als Letzter zu Wort gemeldet. Ich weiß nicht, ob noch Wortmeldungen erfolgen, aber er ist nun derjenige, der am Wort ist. (Bundesrat Prähauser: Der letzte alter Zeitrechnung! – Heiterkeit bei der SPÖ.) Wir sind anschließend mit unserer Tagesordnung vorläufig zu Ende. Ich würde meinen, wir alle können dann draußen unser Mütchen kühlen. – Bitte.

10.41

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte, da das Protokoll, in dem es dann nachgelesen werden kann, noch nicht zur Verfügung steht, darlegen, wie ich die Position des Kollegen Vizepräsidenten Nürnberger analysiert habe; nicht dem Inhalt nach kann ich sie nicht nachvollziehen, sondern vom Verhalten her kann ich sie nicht nachvollziehen. (Zwischenruf der Bundesrätin Fuchs. ) So wie Kollege Drochter die Information hat, dass Herr Bundesminister Fasslabend einen roten Kopf gehabt hat – den ich übrigens nicht habe –, habe ich wiederum den Informationsvorsprung, dass Herr Vizepräsident Nürnberger bei den Verhandlungen anwesend und steinerner Gast war. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Was ich aufzeigen wollte, ist, dass das nicht der Sinn und die Gangart der Gewerkschaften ist, denn zur neuen Sozialpolitik und zu anderen Dingen haben wir inhaltlich keine Frage. Ich bekenne mich zum Beschluss des Zentralvorstandes der GÖD, und auch Klubobmann Khol hat gestern klar gesagt, alle sozialpolitischen Maßnahmen würden nur im Einvernehmen mit den Gewerkschaften erfolgen. (Zwischenruf der Bundesrätin Fuchs. ) Das war in der Vergangenheit


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660. Sitzung / Seite 25

so, und das wird auch in Zukunft so sein. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Haunschmid. )

10.43

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Bundesrat Bieringer zu Wort gemeldet. Sie können selbstverständlich Ihre Wortmeldung auch von Ihrem Sitz aus abgeben. – Bitte.

10.43

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle gemäß § 37 Abs. 2 GO-BR folgenden Antrag:

Antrag

des Bundesrates Ludwig Bieringer

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gemδί § 37 Abs. 2 GO-BR wird die Anwesenheit des Bundeskanzlers bei der Behandlung der dringlichen Anfrage der Bundesrδte Erhard Meier und Prof. Albrecht Konecny an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die außen- und europapolitische Situation Österreichs, bedingt durch die wahrscheinliche Regierungsbeteiligung der FPÖ verlangt.

*****

Ich ersuche Sie, Frau Präsidentin, über diesen Antrag abstimmen zu lassen.

10.44

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Sie haben den Antrag auf Anwesenheit des Herrn Bundeskanzlers bei der Behandlung der dringlichen Anfrage an den Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten gehört. Ich lasse nun über diesen Antrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Mehrheit.

Der Antrag ist daher angenommen.

Die heutige Tagesordnung ist erschöpft.

Ich unterbreche jetzt bis zur Behandlung der dringlichen Anfragen um 15 Uhr die Sitzung, so wie ich es schon zu Beginn der Sitzung bekannt gegeben habe.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 10.45 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufgenommen. )


Bundesrat
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Vizepräsident Jürgen Weiss:
Ich nehme jetzt, um 15 Uhr – zu dem vereinbarten Zeitpunkt –, die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Bundesrδte Erhard Meier, Albrecht Konecny und Genossen an den Bundesminister fόr auswδrtige Angelegenheiten betreffend die auίen- und europapolitische Situation Österreichs, bedingt durch die wahrscheinliche Regierungsbeteiligung der FPÖ (1680/J-BR/00)


Bundesrat
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660. Sitzung / Seite 27

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Wir gelangen zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Erhard Meier und Professor Albrecht Konecny und Kollegen an den Herrn Bundesminister fόr auswδrtige Angelegenheiten. (Rufe bei der SPÖ: Wo ist er? Wo ist er denn?)

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Erhard Meier als erstem Anfragesteller... (Bundesrat Konecny: Zur Geschäftsbehandlung!) Ich bitte, mich ausreden zu lassen!

Ich erteile Ihnen das Wort zur Geschäftsbehandlung. – Bitte

15.02

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Sie haben begonnen, Herrn Bundesrat Meier zur Begründung der dringlichen Anfrage aufzurufen. Wir haben eine Dringliche Anfrage betreffend die außen- und europapolitische Situation der Republik Österreich gestellt. Dass in einer solch sensiblen Situation die Beantwortung nicht durch den Bundesminister persönlich erfolgt, ist nicht nur eine Flucht aus der Ministerverantwortlichkeit, sondern auch eine Brüskierung des Bundesrates in seiner Gesamtheit. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Prähauser: Unglaublich! – Bundeskanzler Mag. Klima betritt den Saal und begibt sich unter Bravorufen und Standing Ovations von Seiten der SPÖ zur Regierungsbank.)

Ich meine darüber hinaus, dass eine solche Vorgangsweise auch die Länderparlamente, die schließlich uns Bundesräte entsenden, aufs Äußerste brüskiert.

Ich stelle daher gemäß § 37 Abs. 2 der Geschäftsordnung den Antrag, dass die Anwesenheit des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten bei der Behandlung der an ihn gerichteten dringlichen Anfrage der Bundesrδte Erhard Meier, Albrecht Konecny und Genossen betreffend die auίen- und europapolitische Situation Φsterreichs, bedingt durch die wahrscheinliche Regierungsbeteiligung der FPΦ, verlangt werden soll.

Gleichzeitig stelle ich den Antrag, über diesen Antrag namentlich abzustimmen.

15.03

Vizepräsident Jürgen Weiss: Sie haben den Antrag auf Anwesenheit des Herrn Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten gehört.

Es ist weiters begehrt worden, dass eine namentliche Abstimmung durchgeführt wird.

Ich frage, wer diesem Begehren beitritt und dieses unterstützt? – Das Verlangen ist ausreichend unterstützt. Es wird daher eine namentliche Abstimmung durchgeführt.

Ich bitte die Schriftführung um den Namensaufruf.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Giesinger geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten mit "Ja" oder "Nein" bekannt.)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Ergebnis wird sogleich bekannt gegeben werden.

Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt:

Für den Antrag mit "Ja" haben 21 Mitglieder des Bundesrates gestimmt; gegen den Antrag mit "Nein" haben 40 Mitglieder des Bundesrates gestimmt. – Der Antrag ist somit abgelehnt.

*****

Mit "Ja " stimmten die Bundesräte:

Boden;

Drochter;

Freiberger, Fuchs;

Gasteiger, Grillenberger, Gstöttner;

Hager, Haselbach, Mag. Hoscher;

Konecny, Kraml;

Marizzi, Meier;

Payer, Prähauser;

Mag. Repar;

Schicker;

Thumpser, Mag. Trunk;

Winter.

Mit "Nein" stimmten die Bundesräte:

Ager, Dr. Aspöck;

Bieringer, Dr. Böhm, Buchinger;

Dr. d'Aron;

Gerstl, Giesinger, Grander, Ing. Grasberger, Grissemann, Ing. Gruber, Mag. Gudenus;

Hagen, Haunschmid, Hensler, Mag. Himmer, Dr. Hummer;

Keuschnigg, Koller;

Dr. Liechtenstein, Dr. Linzer;

Dr. Maier, Dipl.-Ing. Missethon, Mühlwerth;

Mag. Neuner, Dr. Nittmann;

Ing. Polleruhs, Pühringer;

Ram, Rodek;


Bundesrat
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660. Sitzung / Seite 28

Saller, Schaufler, Ing. Scheuch, Schöls, Steinbichler, Mag. Strugl;

Weilharter, Mag. Wilfing, Wolfinger.

*****

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesrat Erhard Meier als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

15.09

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Der Text unserer Anfrage an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die außen- und europapolitische Situation Österreichs, bedingt durch die wahrscheinliche Regierungsbeteiligung der FPÖ, liegt Ihnen vor. Diese Anfrage ist an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten gerichtet.

Natürlich kann der Außenminister durch die Staatssekretärin im Außenministerium vertreten werden. Es tut mir allerdings sehr leid, dass das, was wir hier zu sagen haben, nicht direkt an ihn gerichtet werden kann. Ich weiß nicht, welche Termine oder welche andere Gründe es sind, die ihn veranlassen, nicht an dieser Sitzung des Bundesrates teilzunehmen. Der Bundesrat ist immerhin die Länderkammer des österreichischen Parlaments. Durch die sich abzeichnende Koalitionsregierung zwischen FPÖ und ÖVP oder ÖVP und FPÖ hat sich eine Situation ergeben, die zu den verschiedensten Diskussionen und Stellungnahmen geführt hat. Ich darf am Anfang meiner Ausführungen feststellen, dass laut Verfassung Mehrheiten im Parlament als der Legislative voll anzuerkennen sind und sie auch die Grundlage für die Arbeit und den Bestand einer Bundesregierung darstellen. Die Sozialdemokraten anerkennen dieses in unserer Verfassung verankerte Prinzip selbstverständlich voll und ganz.

Dies schließt aber nicht aus, dass es jedermann, jeder Frau, jeder Gruppierung und jeder politischen Partei auf der Grundlage der Meinungsfreiheit und der Freiheit, ihre Meinung in demokratischer Weise zu vertreten, frei steht, ihre Meinung zur kommenden Regierung auszudrücken und zu dokumentieren, dass sie mit Grundhaltungen, die manche in der Vergangenheit an den Tag gelegt haben, nicht einverstanden sind.

Diese Kritik, mit entsprechenden Begründungen versehen, drücken wir Sozialdemokraten und viele andere Personen in Österreich aus. Diese Kritik und Warnungen vor weiteren Verbreitungen von Grundhaltungen und Ideen des FPÖ-Obmannes finden ein starkes Echo weit über Österreich hinaus – in der Europäischen Union und auch bei Vertretern anderer Staaten.

Derjenige, der meint, dies sei von der SPÖ international durch Intervention erreicht worden, überschätzt, sosehr die internationale Bewegung sozialdemokratischer Parteien großes Gewicht hat, den Einfluss der SPÖ auf Liberale und Konservative und nicht den Sozialdemokraten zuzurechnende Gruppierungen.

Es geht dabei nicht um die Person des FPÖ-Obmannes, sondern um seine bisher gemachten Aussprüche und die darin enthaltenen versteckten oder sogar sichtbar werdenden Ideen. Denken Sie dabei an seine ablehnende Haltung gegenüber der EU, dem Euro und der EU-Erweiterung! Denken Sie an die hetzerische Wahlwerbung, verbunden mit eindeutigem Schüren von Emotionen gegen Ausländer hier in Wien! Denken Sie an das Volksbegehren, in welchem das Schlagwort "Österreich zuerst!" gegen andere Staatsbürger aufgestachelt und Stimmung gemacht hat!

Es wird uns und Andersdenkenden doch niemand unterstellen, dass wir Österreich nicht lieben und schätzen (Beifall bei der SPÖ)  – dies gerade deshalb, weil Österreich nicht nur ein wunderschönes und liebenswertes Land ist, sondern auch deswegen, weil durch eine sehr positive Leistung der Politik der Verantwortlichen – bei aller möglichen Kritik und in Anbetracht der Tatsache, dass nicht alles für alle erreicht worden ist – Österreich einen überaus hohen wirtschaft


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660. Sitzung / Seite 29

lichen, sozialen und kulturellen Standard, um nur einige Sparten zu nennen, erreicht hat, der auch international voll anerkannt wird.

Die EU-Aussagen richten sich nicht gegen die Österreicher und die österreichischen Bürger und Bürgerinnen, sondern gegen die Regierungsbeteiligung einer Partei. Die derzeitige Entwicklung schadet Österreich als Ganzem und nicht nur jenen, die mit dieser Kritik eigentlich gemeint sind. Dabei glaube ich, dass nicht einmal die etwas mehr als 27 Prozent FPÖ-Wähler und -Wählerinnen diese Entwicklung so wollten, sondern aus ganz anderen Motiven die FPÖ gewählt haben. (Bundesrat Ing. Scheuch: Die werden schon selbst wissen, was sie wollen!)

Da die FPÖ nicht mehr als 50 Prozent der Wählerstimmen erreicht hat, kann ihre Haltung wohl nicht repräsentativ sein. In diesem Sinne verteidige ich Österreich, indem ich mich dagegen verwahre, dass "die Österreicher" und "die Österreicherinnen" – unter Anführungszeichen – mit dieser Kritik gemeint sind. Man sollte dies zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Nun verhilft die ÖVP mit ihren etwas mehr als 27 Prozent der Stimmen der FPÖ zum Eintritt in eine österreichische Bundesregierung und wertet damit die Haltung des FPÖ-Bundesobmannes auf, obwohl, wie ich weiß, bei weitem nicht alle ÖVP-Wähler und ÖVP-Wählerinnen diesem Experiment einer ÖVP-FPÖ-Koalition zustimmen. Auch manche ÖVP-Funktionäre haben bei dieser Mitwirkung, die sie nicht voll mittragen können, ein schlechtes Gefühl.

Die ÖVP, die zuvor strikt für die Oppositionsrolle war, hat ihre Meinung geändert. Viele glauben, dass diese Haltung in Richtung eines Zusammengehens mit der FPÖ schon länger vorgesehen war und angestrebt wurde. Die ÖVP fungiert jetzt als Steigbügelhalter für die FPÖ – und im Hintergrund für Dr. Haider, der augenscheinlich dieser Regierung nicht angehören wird –, und dafür wird die FPÖ dem ÖVP-Obmann Dr. Schüssel zur Funktion des Bundeskanzlers verhelfen.

Viele meinen, dass das persönliche Ziel von Dr. Schüssel, einmal Bundeskanzler zu werden, wesentlich zu dieser Konstellation beigetragen hat. (Ruf bei der ÖVP: Aber auch das Ziel von Herrn Klima!)

Herr Außenminister Dr. Schüssel! Ich bitte, ihm das mitzuteilen. Damit tragen Sie die gesamte Kritik, die sich gegen Dr. Haider und die FPÖ aus dem Inland und aus dem Ausland richtet, voll mit.

Herr Außenminister! Sie hätten als Außenminister, wenn Sie in der Vergangenheit im Konzert der internationalen Politik voll mitgewirkt hätten, wenn Sie entsprechende Kontakte gehabt und ihre Fühler im Felde internationaler Meinungsbildung ausgestreckt hätten, gespürt, welche Entwicklung sich abzeichnet. Sosehr Innenpolitik und Wahlergebnisse Sache des jeweiligen Landes sind und keine Eingriffe von anderen Staaten oder Politikern möglich sind, so sehr ist es durchaus legitim, dass andere Staaten und ihre Vertreter ihre Sorge ausdrücken, wenn es um die Vertretung von Meinungen, die die Gefahr von Fremdenfeindlichkeit und die Verletzung von Menschenrechten in sich bergen, geht.

Österreich ist ein integrierter und integrierender Bestandteil der Europäischen Union und hat als solcher seinen Beitrag zu dieser Gemeinschaft zu leisten, muss sich allerdings als Partner auch die Meinung der anderen Partner anhören und darüber nachdenken und internationale Meinungen beachten. Das so genannte EU-Ausland ist zweifellos durch die gemeinsame Mitgliedschaft, verknüpft mit vielen gemeinsamen Richtlinien und Verordnungen auch von der Gesetzgebung her, eine Staatengemeinschaft, die auch Gesamtentwicklungen beobachten und ihre Stellungnahme dazu abgeben kann.

Herr Außenminister Dr. Schüssel! Sie selbst waren Ratsvorsitzender während unserer EU-Präsidentschaft. Sie sind als Außenminister derzeit Vorsitzender der OSZE, und Sie wissen sehr wohl genau, dass man in diesen Gemeinschaften im gegenseitigen Verständnis wirken muss.

Ich zitiere den Bundespräsidenten, der gesagt hat, eine Isolation Österreichs sei ihm in zahlreichen Kontakten mit ausländischen Staats- und Regierungschefs – von Clinton über Chirac, Prodi, Aznar bis Guterres – angekündigt worden. Er habe die österreichischen Politiker hierüber


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auch informiert. Es sei eine politische Fehleinschätzung, von einer organisierten ausländischen Kampagne zu sprechen, meinte Klestil, angesprochen auf Außenminister Wolfgang Schüssel. Seit der EU-Mitgliedschaft Österreichs gelten Grundsätze, die jedes Land zu befolgen hat, falls es als Partner ernst genommen werden möchte. – Ende des Zitats.

Ich bringe ein weiteres Zitat: Der Vorwurf des amtierenden österreichischen Außenministers Wolfgang Schüssel, Wien sei nicht konsultiert worden, wurde nachdrücklich zurückgewiesen. Davon kann keine Rede sein, hieß es in Berlin. Die Österreicher waren eindringlich vorgewarnt. – APA vom 1. Februar dieses Jahres.

Nun scheint es, Herr Dr. Schüssel, dass Sie auf die Gepflogenheiten und Wohlmeinungen zusammenwachsender internationaler Gemeinschaften keine Rücksicht nehmen wollen, nur um die Koalition mit der FPÖ nicht zu gefährden und selbst Bundeskanzler zu werden.

Was hat denn Dr. Haider in der Vergangenheit nicht schon alles gesagt? – Tun konnte er es ja bisher österreichweit nicht. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist eine Unterstellung!) Stimmt ja. (Bundesrat Dr. Nittmann: ... in Dänemark!)

Sie werden es, obwohl wiederholt gehört, noch immer abstreiten, dass es so war: Als Landeshauptmann Haider in Kärnten abgewählt wurde, hat er vorher den Ausspruch getan: Das hat es im Dritten Reich nicht gegeben, weil im Dritten Reich haben sie ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht, was nicht einmal Ihre Regierung in Wien zusammenbringt.

Meine Damen und Herren! Sie wissen auch, dass er Konzentrationslager als "Straflager" bezeichnet hat, als ob dort normal gerichtlich Verurteilte untergebracht worden wären. (Bundesrätin Mühlwerth: Na bitte, das darf doch nicht wahr sein! – Bundesrat Prähauser, in Richtung der Bundesrätin Mühlwerth: Das hat er aber gesagt! – Weitere Zwischenrufe zwischen SPÖ und FPÖ.)

Dr. Busek hat gesagt – ich zitiere –, Haider solle die EU nicht mit einem Bierzelt verwechseln. Der FPÖ-Obmann werde sich aber nicht mehr ändern. Er sei ein "Wiederholungstäter" oder, wie sich Busek ausdrückte, "50 Jahre und kein bisschen weise!"(Widerspruch bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Entschuldigungen von Dr. Haider sind entweder Umschreibungen oder "Wenn-es-halt-sein-muss"-Entschuldigungen. Es gibt die verschiedensten gegenteiligen Aussagen, weil natürlich Dr. Haider seine Meinungen ändert wie seine Kleidung zu den verschiedensten Anlässen. Das ist seine Sache. (Bundesrätin Mühlwerth: Haben Sie immer das gleiche Hemd an?)

Haiders Aussagen zur EU: Die Vollmitgliedschaft bei der Europäischen Gemeinschaft ist für Österreich eine unabdingbare Notwendigkeit, um das Mitspracherecht für unser Land zu sichern und zu verhindern, dass Österreich zu einer europäischen Bettlerrepublik wird, die wegen jeder Kleinigkeit bei der EG anklopfen und verhandeln muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Bundeskanzler Vranitzky hätte die Pflicht, in Richtung Vollbeitritt Österreichs zur EG Maßnahmen zu setzen, wirtschaftspolitisch sei Österreich bereits jetzt isoliert, Hindernisse auf dem Wege dahin müssten beseitigt werden.

Der gleiche Dr. Haider sagt aber etwas später: Die EG verfügt bis heute über keine ausreichende demokratische Struktur, keinen föderalistischen Ansatz und kein Minderheitenrecht. Unter diesen Voraussetzungen ist ein EG-Beitritt Österreichs voreilig und nicht zielführend.

Man könnte diese Aussagen von Haider beliebig fortsetzen. Das würde aber zu lange dauern. Vielleicht noch ein paar Beispiele, weil es gerade aktuell ist, zur EU-Osterweiterung.

Haider sagte dazu: Es sollte auf den EWR-Wirtschaftsraum sofort verzichtet werden, und der Aufnahme der EFTA-Staaten in den europäischen Staatenbund stünde nichts im Wege. Gleiches gilt für mittel- und osteuropäische Staaten, die den wirtschaftlichen Standard Griechenlands oder Portugals erreichen. Es gäbe keine Gründe, sie auszuschließen.


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Etwas später sagte er: Die EU-Osterweiterung ist eine Kampfansage an Österreich und ein Vernichtungsfeldzug gegenüber der heimischen Landwirtschaft. Durch die EU-Osterweiterung droht ein Zuzug von 150 000 Arbeitskräften allein im ersten Jahr. – Und so weiter und so fort.

Meine Damen und Herren! Sie kennen die Geschichte über den Euro. Schon 1995 sagte Dr. Haider, der Schilling könne durch den ECU – so hieß er damals noch – ersetzt werden. Er habe mit den Zielsetzungen einer Wirtschafts- und Währungsunion in der EU, wie sie im Maastrichter Vertrag festgeschrieben ist, kein Problem. Wenn die Voraussetzungen zur Harmonisierung der Volkswirtschaften geschaffen würden, könnte auch der Schilling durch die europäische Einheitswährung ECU ersetzt werden. – 6. 2. 1995.

Am 24. 4. 1996 warnte Haider davor, dass Österreich bei einer Aufgabe des Schillings keine eigene Finanz- und Wirtschaftspolitik mehr machen könnte, was sich wiederum auf den heimischen Arbeitsmarkt auswirke. Das sei auch der Sündenfall der SPÖ, die in diese Wirtschafts- und Währungsunion hinein wolle und dabei die beschäftigungspolitischen Aspekte, die die Wirtschafts- und Währungsunion mit sich bringe, wie Lohnverzicht und Arbeitslosigkeit, vergesse. – Und so weiter.

Meine Damen und Herren! Zum Thema Gastarbeiter meinte Haider am 11. 5. 1990: Entgegen allen anders lautenden Äußerungen sei die Arbeitsmarktverwaltung in der Frage der Beschäftigungsbewilligungen nach wie vor in keinster Weise kooperativ. Er kenne zahlreiche Beispiele, so Haider, dass Ausländer zum Beispiel in Gastgewerbebetrieben in Kärnten beschäftigt werden könnten, aber keine Arbeitsbewilligung erhielten.

Ein Kontra zu diesem Standpunkt: Scharfe Kritik an Sozialminister wegen Ausländerquoten, scharfe Kritik an Sozialminister wegen dessen skandalösen Vorhaben, Gastarbeiter, die einen Befreiungsschein besitzen, aus dem Kontingent für ausländische Beschäftigungen herauszunehmen, übte heute der Bundesobmann der Freiheitlichen Dr. Jörg Haider.

Weil wir hier im Bundesrat sind und weil es gerade vorhin die erfreuliche Abstimmung gab, in der auch die föderalistisch betonten Bundesräte dagegen gestimmt haben, möchte ich schon zitieren, was Dr. Haider über die Landeshauptleute gesagt hat. Er hat es selbst nicht bestritten, denn wenn es zu bestreiten ist, schickt er meistens jemanden anderen vor. Das Tonband-Zitat über die Arbeit der anderen Landeshauptleute lautete: In Wirklichkeit wollen die doch nur repräsentieren und nichts arbeiten. Genauso schauen die Strukturen in den Ländern aus. Es wird nichts bewegt, sondern man schaut ein bisschen: Was macht der Bund, oder welche Abfallprodukte der Bundespolitik kann man im Land übernehmen, oder welche Förderungen genehmigt der Bund wieder, die man in den Ländern umsetzen kann? Das ist die ganze Phantasie. Daher ist ja auch die Landespolitik im Wesentlichen kümmerlich geworden, nicht? – Die großen Landeshauptleute, die noch Visionen und Perspektiven gehabt haben, sind ja nicht mehr da.

Westenthaler hat der Kritik daran natürlich entgegnet: Jörg Haider hat davon gesprochen, dass es ein gutes Arbeitsklima in der Landeshauptleutekonferenz gibt, dass natürlich auch in der Vergangenheit vielleicht zu viel repräsentiert worden ist, aber er hat niemandem einen Vorwurf gemacht, dass jemand faul ist oder zu wenig arbeite, ganz im Gegenteil. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. )

Es ist gut, dass Sie die Frau Landeshauptmann der Steiermark zitieren. Sie wechselt laufend ihre Meinung. (Beifall bei der SPÖ.)

Als die ÖVP beschloss, in Opposition zu gehen, wenn sie bei den Nationalratswahlen Dritte würde, sagte Frau Landeshauptmann Klasnic: Wir sind eine staatstragende Partei, die Regierungsverantwortung übernehmen müsse. Als dann der Wechsel zu Koalitionsverhandlungen kam, sagte sie, man müsse bei dem Wort, das man einmal gegeben hat, bleiben, sonst erwecke man Misstrauen bei der Bevölkerung. – So ging es dahin in dieser Geschichte. Teilweise nahm sie an entscheidenden Sitzungen in Wien gar nicht teil, in denen sie mitreden hätte können. – Ich danke also für diesen Einwurf. Ich muss aber zugeben, dass sie eine ausgezeichnete Tanzpartnerin von Herrn Dr. Jörg Haider ist, wie wir alle es festgestellt haben. (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Nun zur internationalen Situation, die allen bekannt ist: Es besteht kein Zweifel, dass Dr. Jörg Haider an einer Veranstaltung der Lega-Nord teilgenommen hat. Haider trat bei einer Veranstaltung der Lega-Nord am Wochenende des 16. und 17. Oktober 1999 auf und traf sich auch mit Umberto Bossi. Wie Bossi erklärte, habe er sich mit Haider über die Bewahrung der lokalen Autonomie unterhalten. Der Lega-Chef berichtete, dass Haider auf die Bühne gestiegen sei, auf der er gerade eine Wahlrede hielt, und "Es lebe Padanien!" gerufen habe. Sie wissen ja, Padanien ist der imaginäre norditalienische Separatstaat, von dessen Gründung Bossi seit Jahren träumt. (Bundesrätin Mühlwerth: Das stimmt aber nicht, das wissen Sie aber!)

Der Kontra-Bericht lautet natürlich: Einen Bericht der Lega-Zeitung "Padania", wonach Haider "Viva la Padania!" gerufen habe, dementiert die FPÖ über ihren Pressedienst.

20. 10. 1999: Der Freiheitliche Pressedienst stellt hiermit klar, dass Jörg Haider weder an einer Wahlveranstaltung der Lega-Nord teilgenommen noch anlässlich einer solchen oder sonst irgendwo "Es lebe Padanien!" gerufen hat.

Gegenüber dem "Standard" bestätigte die Lega Nord allerdings sowohl das Treffen mit Herrn Bossi als auch Haiders Auftritt vor etwa 1 000 Menschen in Vicenza. Richtig sei allerdings, dass es sich um keine eigentliche Wahlkampfveranstaltung gehandelt hat. – Und so weiter.

Meine Damen und Herren! Wenn ein Politiker aus einem anderen Staate bei einer in Österreich für eine Abspaltung agierenden Partei teilnähme und deren Interessen unterstützte, welche Haltung würde dann Österreich einnehmen? – So ist es wohl nicht verwunderlich, dass natürlich die Italiener, aber auch andere Staaten und deren Vertreter, sich genau anschauen und schon wissen, was Herr Dr. Haider gesagt hat. (Bundesrätin Fuchs: Mussolini-Klan! – Bundesrat Dr. d'Aron: Haben Sie ihnen die Unterlagen geschickt?) Ich habe es Ihnen sicher nicht geschickt, da können Sie sicher sein.

Ich könnte jetzt weiter aus dem Republikaner-Interview zitieren, Christian Kaes in Innsbruck, worüber Haider sagt: Wir haben ihn nie getroffen, wir haben es nicht nötig. – Von jenen selbst wird aber angegeben, dass er sie getroffen hat.

Haider fordert für den Sozialstaat Rodungsbewilligungen: Wir brauchen eine Rodungsbewilligung im Dickicht des Sozial- und Kammerstaates. – Ich persönlich bin für alle Kammern, um da keinen Irrtum aufkommen zu lassen.

Befristete Reduzierung der Urlaubsansprüche, Senkung des Arbeitslosengeldes, befristete Absetzung des zweiten Karenzjahres. – APA vom 15. Juni 1993. Die Zeit spielt eigentlich gar keine Rolle. Er ändert seine Meinung immer.

Recht lustig ist das, was den Semmeringtunnel betrifft. Da ist er in einer schwierigen Situation, denn es steht außer Zweifel, dass der Semmeringtunnel für die gesamte Obersteiermark und natürlich auch für Kärnten von lebensnotwendiger wirtschaftlicher Bedeutung ist: Ich sehe das gar nicht als parteipolitisches Problem, sondern als wirtschaftliches Problem. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Das glaube ich schon ...!) Ja, aber die ÖVP hat einem entsprechenden Ministerratsbeschluss nicht zugestimmt, das von vornherein zu verfolgen und das niederösterreichische Gesetz aufzuheben.

Als Haider von einem Redakteur zum Stichwort Semmering-Bahntunnel gefragt wird, sagte dieser Redakteur: Da sind Sie gleichzeitig dafür und dagegen. – Haider: Die FPÖ hat eine negative Position dazu gehabt. Die Kärntner Landesregierung, die nicht mit einer FPÖ-Mehrheit ausgestattet ist, hat etwas anderes beschlossen. Daher habe ich als Landeshauptmann die Verpflichtung, diesen Beschluss zu exekutieren. (Bundesrat Ing. Scheuch: Das ist Demokratie! – Beifall bei den Freiheitlichen.)  – Redakteur: Ich bin amüsiert. Sie müssen jetzt wider Willen einen Beschluss einer SP-VP-Mehrheit nachvollziehen. – Haider: Nein, nein, das war ein Beschluss auch der Freiheitlichen. – Das ist die Antwort auf Ihre Frage. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Ich habe in der "ZiB 2" am 1. Februar auch Herrn Dr. Schüssel gehört, und er hat dort unter anderem gesagt: Ich will Angst nehmen. – Ich stimme ihm in dieser Aussage zu. Aber, Herr Dr. Schüssel, Sie machen eine Koalition mit dem Obmann einer Partei, der diese Angst immer geschürt hat. Schlagwort Euro: Die EU nimmt euch den Schilling weg. – Wenn das kein Schüren von Angst ist, dann weiß ich nicht, was es ist!

Ich war bei einer Diskussion mit der FPÖ-Abgeordneten Madl – sie ist jetzt nicht mehr im Nationalrat –, dort hat sie den Menschen gesagt: Wenn wir zur EU gehen, müssen wir das gute österreichische Wasser in die Wüste Sahara – nicht nach Spanien! – liefern. – Der Begriff "Wüste" heißt: Ich brauche viel Wasser, und Österreich hat keines mehr. Wenn das nicht Angstschüren ist! (Bundesrat Weilharter: Das ist Ihre Interpretation, Herr Kollege! Ihre subjektive Interpretation!)

Angst vor Ausländern? – Schauen Sie, wie viele Ausländer hier seit Generationen leben. Jeder zweite Wiener ist einer – um dieses Schlagwort zu gebrauchen. Angst vor Zuwanderung, Angst vor EU-Osterweiterung: mit diesen Vertretern, Frau Staatssekretärin – ich spreche Sie an, weil Sie hier sind –, begeben Sie sich in eine Koalition!

Nun zu den internationalen Kommentaren, meine Damen und Herren, und Sie können versichert sein, dass es sich da um keine Organisation der SPÖ, der SP, der Sozialistischen Internationale handelt. Es sagte am 26. Jänner der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Hermann-Josef Arentz, dass er sich über die Verhandlungen entsetzt, und er fordert, dem Mummenschanz ein schnelles Ende zu bereiten.

Weiteres Zitat: Eine anständige christlich-demokratische und konservative Partei dürfe mit den rechten Schmuddelkindern um Haider nichts zu tun haben, betont Arentz in der "Neuen Osnabrücker Zeitung". (Bundesrat Konecny: Weitermachen!)

Natürlich warnt Jospin vor einer Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei: Die französische Regierung verfolge die Koalitionsgespräche zwischen FPÖ und Volkspartei mit sehr großer Beunruhigung. Zugleich lehnt Jospin alle Vergleiche mit der Zeit des Dritten Reiches ab. – Es geht um etwas ganz anderes, nämlich um die Grundhaltung, und nicht nur um den Nationalsozialismus, meine Damen und Herren! Ich habe nie gesagt, dass FPÖ gleich Nationalsozialismus ist, das möchte ich ausdrücklich betonen. – Wir sollten uns davor hüten, etwas zu vermengen; die Zeiten sind nicht gleich, führt Jospin weiter aus.

Auch der Generalsekretär des Europarates Schwimmer sagt: Vorbehalte gegen die FPÖ gibt es zweifellos quer durch alle Parteien.

Die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Nicole Fontaine, die ich auch persönlich kennen und auf Grund ihrer Fähigkeiten schätzen gelernt habe, zeigt sich besorgt über eine Regierungsbeteiligung der FPÖ. Ich zitiere: Die Partei von Jörg Haider transportiert eine Ideologie, die den Gegenpol der humanistischen Werte darstellt, die jeder demokratischen Gesellschaft zugrunde liegen. Die Union basiert auf diesen Werten des Respekts, der Menschenrechte und der Ablehnung von Ausgrenzung, und es wäre nicht tolerierbar, dass eine Partei, die diese fundamentalen Prinzipien negiert, in einem EU-Land an die Macht kommt.

Die belgische Regierung fordert am 27. Jänner in einem Schreiben die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft auf, wegen der politischen Entwicklung Österreichs so rasch wie möglich einen Außenministerrat einzuberufen. Die Folge kennen wir.

Aber auch der Präsident der Europäischen Volkspartei, Wilfried Martens, teilt mit, dass die EVP in der nächsten Sitzung ihres politischen Büros am 10. Februar über die europäische Dimension speziell bezüglich der Erweiterung sprechen werde, die sich aus einer Koalition zwischen ÖVP und FPÖ ergeben könnte. Er sei sich der Sorgen über die Aussichten einer Koalition zwischen dem EVP-Mitglied ÖVP und der FPÖ unter Jörg Haider bewusst.

28. Jänner: Politiker der belgischen christlichen Volkspartei warnen die ÖVP vor einer Koalition mit der FPÖ und drohen sogar mit der Möglichkeit eines Ausschlusses aus der Europäischen


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Volkspartei. Ich zitiere: Eine christliche Partei darf nicht mit Haider zusammengehen, sagte der ehemalige belgische Premierminister und Außenminister Eyskens. Eine österreichische Regierung mit FPÖ-Beteiligung wäre ein schwarzer Fleck auf der Europäischen Union.

Spaniens Ministerpräsident Jose Aznar bringt in einem Telefonat mit Bundespräsident Thomas Klestil eine große Besorgnis über mögliche Regierungsvereinbarungen zwischen ÖVP und FPÖ zum Ausdruck. – Ich möchte hier eigentlich die Liste abkürzen.

29. Jänner: Der französische Präsident Jacques Chirac, der bereits vor einigen Tagen in einem Telefonat mit Bundespräsident Klestil seine große Sorge über die laufenden Koalitionsgespräche und die Perspektive einer freiheitlichen Regierungsbeteiligung ausgedrückt hat, wendet sich über die französische Präsidialamtssprecherin erneut an die Öffentlichkeit – ich zitiere –: Es ist unerlässlich, dass die 14 europäischen Partner Österreichs rasch Maßnahmen beschließen und ankündigen, die sie bei einer Regierungsbeteiligung der Haider-Partei ergreifen.

Ich glaube, es geht dem Präsidenten Chirac auch nicht um die Person von Dr. Haider. Aber wir wissen ja, dass es gerade in Frankreich rechte Parteien um Le Pen gegeben hat. Genauso, wie die Italiener natürlich Sorge haben um eine Unterstützung der Abtrennung Padaniens – diese kommt ohnehin nicht zustande –, haben auch die Franzosen Sorge über den Beginn einer rechten Entwicklung. (Bundesrat Dr. Böhm: Das hat nur mit uns nichts zu tun!)

Das hat mit der Regierungsbildung und mit jener Meinung zu tun, die das Ausland über die kommende Regierungskoalition hat. Aus diesen Fakten hat sich dort diese Meinung gebildet. Deshalb zitiere ich. (Bundesrat Dr. d'Aron: Dank Ihrer Hilfe!)

Auch der OSZE-Medienbeauftragte Freimut Duve zeigt sich besorgt über die innenpolitische Lage in Österreich: Der Kampf gegen die Diskriminierung von Minderheiten und Ausländerfeindlichkeit sei ein wesentlicher Aufgabenbereich der OSZE, und die Haltung des Vorsitzlandes zu diesem Thema habe besondere Ausstrahlungskraft.

Meine Damen und Herren! So geht es weiter. Sie haben wahrscheinlich die Stellungnahme der US-Außenministerin Albright gehört. Der ÖVP-Obmann von Wien, Görg, sagte – ich habe es selbst im Rundfunk gehört –: Schüssel war sich bewusst, welche Kritik auf ihn zukommt.

Es gibt natürlich auch positive Reaktionen zu dieser kommenden Koalition. 26. Jänner: Die rechte Nationalallianz Italiens reagiert positiv auf die Koalitionsgespräche zwischen ÖVP und FPÖ. 27. Jänner: Le Pen begrüßt Koalitionsverhandlungen ÖVP/FPÖ. 27. Jänner: Alessandra Mussolini – der Name bürgt für Qualität (Bundesrat Dr. Nittmann: Das sagen Sie! – weitere Zwischenrufe)  – begrüßt die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ: Haiders Regierungsantritt sei ein positiver Faktor. 27. Jänner: Die Lega Nord hofft auf engere Kooperation mit Haider. 28. Jänner: Der Vorsitzende der deutschen CDU, Wolfgang Schäuble – angeblich hat diese Partei derzeit große Probleme –, bekundet volles Vertrauen in die Schwesterpartei. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber Rau hat auch Probleme, und das ist ein SPDler! – Bundesrat Mag. Gudenus: Der Vielflieger Vranitzky hat große Probleme!)

Meine Damen und Herren! Heute hat das Europäische Parlament eine Resolution mit ganz großer Mehrheit beschlossen. Meine Damen und Herren! Sie können es heute überall nachlesen, auch aus Zeitgründen möchte ich hier nicht im Einzelnen darauf eingehen. Es sind nur folgende Punkte wahrscheinlich besonders hervorzuheben.

Erstens: Das Europäische Parlament verurteilt alle beleidigenden, ausländerfeindlichen und rassistischen Aussagen, die der Vorsitzende der Freiheitlichen Partei Österreichs, Jörg Haider, seit vielen Jahren gemacht hat. Zweitens: Es vertritt die Auffassung, dass die Aufnahme der FPÖ in eine Koalitionsregierung die extreme Rechte in Europa legitimiert. Drittens ist es der Ansicht, dass derartige Überzeugung bei der Entwicklung der politischen Beziehungen zwischen Österreich und der EU nicht zum Tragen kommen dürfen. Es erinnert insbesondere Herrn Schüssel als Vorsitzenden der ÖVP – darum wäre es schön, wenn er hier gewesen wäre – an seine tiefgreifende politische Verantwortung, zu gewährleisten, dass jede Regierung unter


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seinem Vorsitz Geist und Buchstaben der grundlegenden Prinzipien des Vertrages respektieren muss. – Und so weiter.

Meine Damen und Herren! Das Abstimmungsergebnis im Europäischen Parlament erbrachte 406 Stimmen – das sind über 78 Prozent – für diesen Antrag, 53 Gegenstimmen und 60 Enthaltungen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Dank unserem Herrn Bundeskanzler! – Bundeskanzler Mag. Klima: Ich bin so riesig einflussreich!) Hier von einer sozialistischen oder sozialdemokratischen Aktion und Verschwörung zu sprechen, ergibt sich aus diesem Ergebnis.

Meine Damen und Herren! Ich hätte noch sehr viel vorbereitet, und vieles habe ich nicht vorbereitet, was noch zu sagen wäre. Das zu dem Thema, Frau Staatssekretärin, dessen Beantwortung wir gerne von Herrn Dr. Wolfgang Schüssel selbst erfahren hätten. (Bundesrätin Fuchs: Er ist ein bisserl feig!) Wir werden uns noch über das Regierungsprogramm und vor allem über die Umsetzung dessen, was darin enthalten ist, hier auseinander setzen. Aber es wurde heute zu Mittag eine Präambel zum kommenden Regierungsprogramm von Dr. Schüssel und Dr. Haider feierlichst unterzeichnet. Darin sind Werte enthalten, denen wir alle zustimmen. Diese Präambel ist eine Selbstverständlichkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Gudenus: Bravo!)

Danke für den Applaus, über den Inhalt sind wir uns einig! (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie reden heute sehr gut, Herr Kollege!) Es scheint aber doch bemerkenswert zu sein, meine Damen und Herren, dass das, was für eine demokratische Gesellschaft selbstverständlich ist, erst nach Aufforderung des Bundespräsidenten in einer Präambel bekräftigt werden muss, weil sonst Zweifel bestehen könnten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe einen Punkt dieser Präambel herausgenommen. Der heißt nun: Die Bundesregierung unterstützt die Charta der europäischen politischen Parteien für eine nichtrassistische Gesellschaft und verpflichtet sich, auf die vorbildliche Verwirklichung der in dieser enthaltenen Grundsätze in Österreich hinzuwirken. – Sehr gut, dass es darin steht! SPÖ, Liberale und Grüne haben das längst unterschrieben, ÖVP und FPÖ nicht. Das ist eine gute Koalition! (Beifall bei der SPÖ.)

15.46

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der dringlichen Anfrage erteile ich Frau Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner das Wort. – Bitte.

15.47

Staatssekretärin im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita-Maria Ferrero-Waldner: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die an den Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten gerichtete dringliche Anfrage erfolgt vor dem Hintergrund der bekannten innenpolitischen Entwicklung in Österreich sowie auch der Reaktionen aus dem Ausland auf diese Entwicklung.

Lassen Sie mich daher einleitend zu diesen Reaktionen etwas feststellen. Die von unseren Partnern im Ausland zum Ausdruck gekommene Besorgnis wird auch von uns ernst genommen. (Bundesrat Prähauser: Seit wann?) Die von Portugal im Namen der 14 EU-Mitgliedstaaten am 31. Januar veröffentlichte Erklärung ist aber meiner Ansicht nach unangebracht, überzogen und durch keinerlei Fakten gedeckt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Entscheidung war in dieser Form auch wirklich unvorhersehbar, weil sie im Widerspruch zum Geist des EU-Vertrages steht, der – das wissen Sie auch – vom Grundsatz der Solidarität und der Zusammenarbeit der EU-Partner ausgeht. Diese Aktion wurde auf höchster politischer Ebene und teilweise unter Ausschaltung der Außenminister und insbesondere der EU-Stellen in Brüssel abgesprochen und durchgeführt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich kann nicht umhin, an dieser Stelle zu wiederholen, dass beim Vorgehen unserer EU-Partner auch das Gebot der Fairness verletzt wurde, weil man Österreich zumindest die Gelegenheit


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hätte bieten müssen, seinen Standpunkt darzulegen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Vorgangsweise widerspricht unserer Ansicht nach dem Geist der unter EU-Mitgliedstaaten eben herrschenden Solidarität und Zusammenarbeit. Wir erwarten von unseren Partnern in der EU – das möchte ich schon sagen –, dass sie mit uns einen partnerschaftlichen und sachlichen Dialog führen. Wir erwarten weiters, dass die neue Bundesregierung an ihrem Programm und an ihren Taten gemessen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ganz im Gegensatz zu dieser Erklärung der 14 möchte ich auf die objektive und sachliche Stellungnahme der Europäischen Kommission hinweisen. Diese äußert zwar ihre Besorgnis, die wir durchaus akzeptieren können, will aber die neue Bundesregierung eben an ihren Handlungen messen.

Zu den geäußerten Vorwürfen möchte ich anmerken, dass Österreich – ich glaube, wir stimmen alle zu – eine stabile Demokratie ist, in der die Menschenrechte und die Grundfreiheiten durch die Verfassung gewährleistet und durch eine unabhängige Justiz geschützt werden. (Bundesrätin Fuchs: Gewesen! Alles gewesen!) Österreich ist ein weltoffenes Land, in dem Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung von Ausländern keinen Platz haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Sollte! – Bundesrat Prähauser: Ein Wunschtraum! – Weitere Zwischenrufe. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie alle wissen doch, dass wir im Verhältnis zur Größe unseres Landes im europäischen Vergleich mehr Flüchtlinge aufgenommen haben als jedes andere EU-Land. Auch das muss einmal gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Unter Protest der FPÖ!)

Österreich – das möchte ich bekräftigen – ist aber auch nach der Erklärung der 14 EU-Mitgliedstaaten international handlungsfähig. (Bundesrat Meier: Hoffentlich!) Wir nehmen unsere Aufgaben als Vorsitzende der OSZE wahr, und wir vertreten wie bisher unsere Interessen in den Vereinten Nationen sowie selbstverständlich auch in allen EU-Gremien. (Bundesrätin Fuchs: Oder auch nicht! – Bundesrat Dr. d'Aron: Sicher!)

Im Interesse Österreichs – das scheint mir ganz besonders wichtig zu sein – müssen wir aber vor allem einer weiteren Eskalation entgegenwirken. Mäßigung, Besonnenheit und Zurückhaltung sind daher auch in der Sprache geboten! (Allgemeiner Beifall. – Bundesrat Prähauser: Jawohl!) Daher wollen wir seitens des Außenministeriums durch gezielte und überzeugende Arbeit aufklären und unsere EU-Partner zu einer Überprüfung ihrer Entscheidung veranlassen.

Zu den einzelnen Punkten der Anfrage möchte ich nun Folgendes ausführen:

Zu Punkt 1:

Es war nicht absehbar – ich sage das hier noch einmal –, dass es zu einer abgesprochenen und inhaltlich so weit gehenden Reaktion der anderen 14 Staaten kommen würde. Nicht absehbar war diese Reaktion deshalb, weil wir darauf vertrauten, dass unsere Partner die eben im EU-Vertrag festgehaltenen Grundsätze der Solidarität und Zusammenarbeit in ihrem Verhalten auch selbstverständlich uns gegenüber zugrunde legen würden. (Bundesrat Drochter: Die ganze Welt ist gegen uns!)

Zu Punkt 2:

Das Außenministerium hat erstmals am Freitag, dem 27. Januar, davon Kenntnis erhalten, dass der belgische Ministerpräsident im Zusammenhang mit einer möglichen Regierungsteilnahme der Freiheitlichen Partei einen Brief an die portugiesische Ratspräsidentschaft zu richten beabsichtigte. Die bilaterale Botschaft in Brüssel, aber auch die ständige Vertretung bei der EU wurden dann umgehend beauftragt, Erkundigungen über das beabsichtigte weitere Vorgehen Belgiens einzuziehen.


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Der Brief selbst ist uns nicht bekannt gemacht worden. Der Text der Erklärung, die Portugal auf nicht einwandfreie Weise als EU-Präsidentschaft im Namen der 14 Mitgliedstaaten veröffentlichte – denn normalerweise kann die EU-Präsidentschaft als solche nur sprechen, wenn eine Erklärung von 15 gestützt ist –, ist uns im Laufe des Nachmittags des 31. Jänner zur Kenntnis gebracht worden.

Zu Punkt 3:

Sehr geehrte Damen und Herren! Selbstverständlich gab es nach den Wahlen vom 3. Oktober 1999 eine Reihe von Anfragen von Regierungsmitgliedern anderer Staaten, die sich nach der weiteren innenpolitischen Entwicklung erkundigten. In diesem Zusammenhang war freilich niemals von einer gemeinsamen Aktion der anderen EU-Mitgliedstaaten gegen Österreich die Rede.

Zu Punkt 4:

Wie ich schon einleitend feststellte, nehmen wir – das möchte ich auch hier noch einmal unterstreichen – die Besorgnis anderer Staaten ernst. Innerhalb der EVP gab es freilich auch einige Stellungnahmen, die Verständnis für die in Österreich gegebene innenpolitische Situation äußerten. Ich möchte nur auf einige Erklärungen auch maßgeblicher Vertreter der CDU hinweisen.

Zu Punkt 5:

Wie ich bereits ausführte, haben wir erst unmittelbar vor ihrer Veröffentlichung von dieser gemeinsamen Erklärung der 14 Kenntnis erlangt. Das Außenministerium hat dann am 1. Februar eine Erklärung über den österreichischen Standpunkt veröffentlicht. Die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland wurden angewiesen, im Sinne einer aktiven Informationspolitik unseren Standpunkt den jeweiligen Empfangsstaaten zur Kenntnis zu bringen. Darüber hinaus haben Vizekanzler Dr. Schüssel und ich selbst Kontakt mit zahlreichen Amtskollegen aufgenommen und unsere Haltung erklärt.

Zu den Punkten 6, 7 und 9:

Die darin angesprochenen Fragen betreffen nicht die Vollziehung des Bundes. Daher nehme ich Abstand von einer Beantwortung.

Zu Punkt 8:

Das Interview, das der österreichische Botschafter Dr. Ceska in Paris gab, liegt mir nicht vor. Ich kann daher auch nicht zu einzelnen Äußerungen, die er in einem Gesamtkontext gab, Stellung nehmen. Ich darf dazu sagen, dieses Interview erfolgte wie jedes andere Interview unserer Vertretungsbehörden sicherlich auf Grund einer konkreten Anfrage französischer Medien und enthält sicherlich auch immer Elemente subjektiver Einschätzung.

Zu den Punkten 10, 11 und 12:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwischenstaatliche Beziehungen sind für alle Staaten, ob sie kleinere Staaten sind – im übrigen sage ich immer, Österreich ist ein mittlerer Staat –, ob sie also kleinere und mittlere Staaten sind, aber auch für große Staaten von großer Bedeutung.

Wie ich bereits eingangs ausgeführt habe, ist Österreich weiterhin auch außenpolitisch handlungsfähig und imstande, seine Interessen in allen internationalen Organisationen einschließlich der OSZE und der Europäischen Union wahrzunehmen. Wir sind also durchaus auch in der Lage, den Vorsitz in der OSZE auszuüben. – Danke, Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.58

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein.


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Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Albrecht Konecny das Wort. – Bitte.

15.58

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Wir sind offensichtlich tatsächlich in eine neue Ära eingetreten. Anfragen brauchen nämlich nicht mehr beantwortet zu werden. Es genügt, wenn man ein bisschen etwas zum Thema sagt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich nehme zur Kenntnis, dass es das Charakteristikum eines neuen Stils ist, es zu vermeiden, auf irgendein Detail einzugehen, bei dem man Gefahr laufen würde, falsifiziert zu werden, und sich darauf beschränkt, sehr verklausuliert folgenden Tatbestand einzuräumen.

Ihre Freunde, die Freunde des Herrn Dr. Schüssel, haben seit Monaten gewarnt, dass eine blau-schwarze Koalition in Österreich international nicht folgenlos bleiben würde. Sie haben das diplomatischerweise nicht öffentlich und nicht laut getan, sondern sie haben mit Ihnen und dem Herrn Außenminister intensivst gesprochen. Sie haben Mandatare im Europaparlament und, ich nehme an, den einen oder anderen von Ihnen, die hier im Saal sind und jetzt brav applaudiert haben, beschworen.

Der Herr Außenminister hat sich in seiner Eigenschaft als Parteivorsitzender dafür entschlossen, das zu ignorieren. Ein anderes Ziel war ihm in der Abwägung seiner Interessen offensichtlich wichtiger. Die Interessen unseres Landes hat er bei dieser Interessenabwägung leider vergessen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist nicht das, was ich mir von einem amtierenden Außenminister erwarte. Das ist auch nicht das, was ich mir von einem Staatsmann erwarte, der sich anschickt, Regierungsverantwortung, nämlich die Regierungsverantwortung in Österreich zu übernehmen – auch wenn ich zugebe, dass dieses von mir gewählte Wort ein wenig überzogen ist, denn in Wirklichkeit hat sich Herr Dr. Schüssel dafür entschieden, unter Jörg Haider Bundeskanzler zu werden. Ich wünsche ihm für diese Aufgabenstellung im Rahmen des Möglichen viel Erfolg. (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade diese letzten Tage haben auf geradezu prophetische Weise gezeigt und bewiesen, mit welchem Klotz am Bein diese Regierung behaftet ist. Da hatte also tatsächlich die internationale Staatengemeinschaft, die monatelang vertraulich und persönlich gewarnt hatte, die "Frechheit", das, was sie angekündigt hatte, auch tatsächlich zu tun. Dann gibt es in der österreichischen Innenpolitik noch jenen, der zwar die Verantwortung scheut, die Rolle des "Outlinien-Hineinschreiers" aber sehr gut beherrscht. Dieser zieht nun in einem Stil, zu dem der Herr Bundespräsident Ausreichendes gesagt hat, über die belgische Regierung und den französischen Präsidenten her.

Es ist zugegebenermaßen kein Vergnügen: Ich beneide weder Sie, Frau Staatssekretärin, noch den Herrn Außenminister, und ich beneide wahrlich nicht jene Damen und Herren des Ressorts, die in diesen "Betonpatscherln" Außenpolitik machen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber wenn man schon in der ersten Minute einer Koalitionsregierung daran erinnert wird, wie sterblich man ist, weil der Herr aus Kärnten mit seiner ersten Wortmeldung Herrn Schüssel sein "Moriturus! Moriturus!" ins Ohr flüstert, sich dann aber trotzdem entscheidet, an dieser Regierungskonzeption festzuhalten, dann ist das etwas, was weit über die persönliche Verantwortung, die ein Mensch zu tragen in der Lage ist, hinausgeht.

Herr Dr. Schüssel mag die Zukunft seiner Partei und seine persönliche Zukunft in jeder ihm beliebenden Art aufs Spiel setzen. Beides ist ihm anvertraut! Das Schicksal unseres Landes ist ihm jedoch nicht in dieser Art und Weise anvertraut, dass er es als spielerischen Einsatz bei einem höchst riskanten Spiel verwenden darf.


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Sie sagten so stolz: Österreich ist außenpolitisch handlungsfähig! – Oh ja! Ich nehme an, in jeder Botschaft hebt jemand das Telefon ab, der Portier sitzt auch an seinem Platz, und ich gehe davon aus, dass der geschützte Parkplatz für den Dienstwagen vor dem Haus auch noch vorhanden ist. Sonst noch etwas? – Besteht die Basis für ein vertrauliches und vertrautes politisches Gespräch, bei dem eine seriöse Chance besteht, österreichische Interessen durchzusetzen? Glauben Sie das wirklich, Frau Staatssekretärin? Glauben Sie wirklich an die Chance, für Anliegen dieses unseres Landes, für Anliegen, die wir gemeinsam teilen, für die wir gemeinsam eintreten, die wir mit Beschlüssen abgesichert haben, Partner zu finden? (Bundesrat Ledolter: Glauben Sie, dass das ein sozialistisches Privileg ist?)  – Nein! Es ist das Privileg eines Landes, das in der Staatengemeinschaft jenes Ansehen genießt, auf das sich die Frau Staatssekretärin berufen hat und dem das Ansehen der bisherigen Bundesregierung entspricht. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Dr. Liechtenstein. )

Unsere EU-Partner, die amerikanische Regierung und viele andere Staaten haben zum Aus-druck gebracht, dass Österreich im Begriff ist – nein, selbstverständlich nicht Österreich; dass die Österreichische Volkspartei im Begriff ist –, eine Entscheidung zu treffen, die ebendieser außenpolitischen Handlungsfähigkeit unseres Landes schwersten Schaden zufügen wird. All diese Staaten – die 14 EU-Länder, die USA und Norwegen – haben uns mitgeteilt, dass sie daraus Konsequenzen ziehen werden. Sie haben es an diesem Tage, von dem wir sprechen, erstmals öffentlich getan, nachdem Sie gemerkt haben, dass monatelange persönliche Kontakte, politische Kontakte offensichtlich nicht ausgereicht haben, die Regierung – nein, einen verantwortlichen Politiker, der zufällig auch Außenminister ist – dieses Landes von einem verhängnisvollen Kurs abzubringen. Sie haben uns klar und deutlich zu verstehen gegeben (Bundesrat Dr. Böhm: ... welche Regierung sie wünschen!), dass es in der Europäischen Union einen Wertekanon gibt, den man nicht ungestraft verletzen kann.

Meine Damen und Herren! Das ist nichts, was man diesen Leuten beschwichtigend ausreden kann, obwohl Herr Dr. Schüssel genau diesen Eindruck zumindest verbreiten wollte. Es ist nicht so, dass diese unsere Partner ihre Vorstellungen pflichtübungsmäßig abliefern, der Außenminister oder ÖVP-Obmann daraufhin ein wenig betroffen in die Gegend schaut und sagt: Na ja, so ganz Unrecht haben sie nicht!, sich aber denkt: So tragisch wird das alles nicht werden! Genau diese – wie wir gestehen müssen – ein bisschen österreichische Haltung haben unsere Partner vermutlich befürchtet, und deshalb lassen sie es dabei nicht bewenden.

Es ist auch nicht so, dass diese Länder, diese Regierungen uns nun unterstellen, dass Österreich durch diese Regierungsbildung ein Naziland wird, denn rechnen können diese auch, und daher wissen sie, dass 73 Prozent der Österreicher diese Partei, deren Vorsitzender sich für diese skandalösen Entgleisungen immer nur so ein bisschen entschuldigt, nicht gewählt haben. Natürlich steht in Österreich nicht 1938, die Machtergreifung oder sonst etwas bevor. Darauf haben all diese Regierungen hingewiesen. Aber was hier bevorsteht, ist die Erklärung der Salonfähigkeit einer solchen politischen Haltung. (Bundesrat Hensler: Das ist unter Bruno Kreisky so gewesen!)

Das ist diesem Ausland mit Recht nicht so vorgekommen, denn das Österreich der letzten 30 Jahre hat sich schrittweise – das nicht nur durch Bruno Kreisky, ganz im Gegenteil! – jene internationale Respektabilität erworben, von der die Frau Staatssekretärin gesprochen hat und von der vielleicht Herr Dr. Schüssel gehofft hat, illegitimer Weise noch ein Weilchen zehren zu können. Aber diesen "Vorratsaufbrauch" haben unsere Partner nicht akzeptiert.

Österreich hat so wie andere Länder rechtsextreme populistische Bewegungen, deren Verhaltensweise, politischer Wertekanon und Versuch, Gefühle der Bevölkerung zum Negativen aufzuwühlen, Erfolg versprechend sind. Es gibt das also auch in anderen Ländern, aber in keinem dieser Länder denkt eine konservative, christlich-demokratische Partei darüber nach, mit diesen Parteien Koalitionen zu bilden. Das sollte sich der Herr Außenminister hinter die Ohren schreiben! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich verstehe natürlich, warum Herr Dr. Haider gerade Präsident Chirac mit Hass und Hohn und Beschimpfung überzogen hat. (Bundesrat Mag. Himmer: Ein alter Parteifreund von Ihnen!)  –


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Was? Das ist wahrlich kein Parteifreund von mir, aber ein Mann, der für genau diese Haltung steht! (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. ) Haider hat Chirac vorgeworfen – wenn das überhaupt ein Vorwurf ist –, er habe so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen könne. Ich sage hingegen – viele demokratische, konservative Franzosen sagen das auch –: Er hat alles richtig gemacht, was man richtig machen kann, auch wenn er dabei schwere politische Opfer bringen musste. Denn Jacques Chirac, demokratisch durch Mehrheit legitimierter Präsident seines Landes, hat seine Popularität und seine politische Kraft eingesetzt, um der demokratischen Rechten seines Landes den Gedanken an eine Koalition mit Le Pen auszutreiben. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Dr. Liechtenstein. )

Das ist nicht ohne Verluste abgegangen, es hat ihm Popularität und seiner Partei Stärke gekostet. Aber genau das ist eben die Frage: Wofür stehen wir? Für die engsten Interessen unserer Partei oder für eine gesellschaftspolitische und manchmal auch geschichtliche Aufgabe? – Jacques Chirac hat sich entschieden, dafür hat er sich Jörg Haiders Beschimpfungen und unsere Hochachtung verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich muss mich bei den Kollegen von der Freiheitlichen Partei, die mich immer so erwartungsvoll anschauen, geradezu entschuldigen. Der Basilisk in diesem politischen Theaterstück kommt in meiner Wortmeldung nicht wirklich vor. Sie sind das Thema dieser Debatte, nicht der Partner. Über Sie gibt es ein politisches Urteil, über das wir uns nicht schreiend zu verständigen brauchen, es gibt einen europäischen Konsens, wie dieses Urteil auszufallen hat. (Bundesrat Hagen: Von wem ist es ausgegangen? Haben Sie Zeitung gelesen?) Die Frage ist, ob man bereit ist, mit den "Schmuddelkindern" eine Regierung zu bilden oder nicht, die Frage ist nicht, ob es sich um "Schmuddelkinder" handelt. (Bundesrat Ing. Scheuch: Eine "schöne" Sprache!)

Herr Kollege! Sie gehören zu jenen, die sich mit Recht betroffen fühlen dürfen, wenn der Herr Bundespräsident über einen bestimmten Typ freiheitlicher Funktionäre spricht. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. ) Wir werden das ohnehin in einem Jahr, so nehme ich an, erleben, ansonsten würde ich Sie ersuchen, in jenes Schweigen zu verfallen, das Ihrem Wortschatz angemessen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Was an dieser Stelle nur noch gesagt werden muss, ist Folgendes: Wir werden dieses Land dagegen verteidigen, von dieser künftigen Regierung in Geiselhaft genommen zu werden. Es ist die Regierung des – künftigen! – Bundeskanzlers offensichtlich, die Regierung dieser beiden Regierungspartner, die eine bestimmte Politik zu vertreten und zu verantworten und für ihre Folgen gerade zu stehen hat. Es sind nicht die Österreicher, die als Neonazis verdächtigt werden, es sind nicht die Österreicher, denen etwas vorgeworfen wird, sondern es sind ganz bestimmte Politiker, deren Verhalten, welches nach Meinung vieler ein Fehlverhalten ist, nun angeprangert wird.

Noch etwas sei hier gesagt: Es ist absolut unzulässig, eine Dichotomie zwischen dem demokratischen Recht der Österreicher, über ihre Regierung zu entscheiden, und jenem unserer europäischen und anderen Partner aufzubauen und zu sagen: Wenn dieses Land eine derartige Regierung hat, dann sind wir nur in einem begrenzten Umfang bereit, diese Partnerschaft aufrecht zu erhalten.

Erstens ist der freie Wille, eine solche Regierung zu bilden, bis in diesem Augenblick und darüber hinaus gegeben. Es kann nur niemand sagen, er habe die Folgen nicht gekannt, denn diese liegen auf dem Tisch. Wer sich jetzt für diese Regierung entscheidet – als Regierungsbildner oder als Parlamentarier, der dieser zustimmt –, der weiß, worauf – nicht er, er trägt die wenigsten Opfer! – sich dieses Land einzustellen hat.

Zweitens: Wer hat denn die Österreicher gefragt, ob sie diese Regierung wollen? (Bundesrat Ing. Scheuch: Sie will man offensichtlich nicht mehr!) Es gibt 54 Prozent der Stimmen für zwei Parteien. (Bundesrat Hagen: Demokratische Mehrheit!) Aber der nicht anwesende Herr Kollege Schüssel behandelt seine 27 Prozent wie ein Aktienpaket, das er günstig in der Baisse erworben hat. Seine Wahlkampfaussagen gingen nämlich in eine ganz andere Richtung. Ich lade Sie ein, die Probe aufs Exempel zu machen, ob die Österreicher eine solche Regierung wollen. Ich hätte


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das Herrn Dr. Schüssel gerne selbst gesagt. Aber haben Sie den Mut, die Frage zu stellen, ob eine Mehrheit der Bevölkerung diese Regierung will. (Bundesrat Dr. Böhm: Jetzt schon!) Der Wähler hat einen Willen, ich bin nicht der Interpret des Wählerwillens, Herr Professor Böhm, Sie auch nicht. (Bundesrat Dr. Böhm: Aber Sie tun es ja, ich nicht!)  – Nein, das Gegenteil habe ich getan, Herr Kollege! Ich habe, wie andere meiner Parteifreunde auch, dazu aufgerufen, die Wähler zu fragen, was sie wirklich gewollt haben – nun, da die ÖVP ihnen ankündigungswidrig ein bestimmtes Angebot macht.

Glück auf dazu! Wenn Sie sich nicht trauen, dann sagen Sie aber nicht, die Österreicher wären mit ihrer freien Entscheidung in Widerspruch zur internationalen Entscheidung geraten. Nein! Entweder entscheiden lassen oder schweigen! – Das Schweigen wäre in diesem Fall überhaupt für weite Bereiche der ÖVP das Beste. (Beifall bei der SPÖ.)

16.17

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Ferdinand Maier. Ich erteile ihm das Wort.

16.17

Bundesrat Dr. Ferdinand Maier (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal darf ich nochmals die Frau Staatssekretärin begrüßen, ich bin sehr froh darüber, dass sie stellvertretend für den Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten die Beantwortung der Anfrage sehr kompetent durchgeführt hat. Zu dieser Anfrage möchte ich vielleicht nur einen Satz sagen: Wenn mein Vorredner gemeint hat, es habe eine neue Ära begonnen, dann muss ich ihm Recht geben.

Die dringliche Anfrage ist an sich ein Instrument der Opposition. In dieser "neuen Ära" wird mein Vorredner die Rolle des Oppositionellen noch ein wenig üben können, sodass er dann auch einmal Fragen formuliert, die auf die Vollziehung abstellen und nicht daran vorbeigehen, denn Sie hätten sich drei Fragen sparen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Diese dringliche Anfrage sollte meiner Ansicht nach aber auch Gelegenheit dazu geben, die Entwicklung und die Veränderung der innenpolitischen Situation, die seit etwa zehn Tagen, insbesondere seit dem 26. Jänner in unserem Land geschehen sind, anzusprechen. Machen wir uns nichts vor: Es gibt Sorgen! Viele reagieren besorgt, viele reagieren betroffen. Es gibt eine Reihe von Fragen, Zweifeln, manche befürchten natürlich auch die Folgen, die eine derartige Diskussion im In- und Ausland nach sich ziehen können. Ich glaube, man sollte von dieser Stelle aus alle gesellschaftspolitischen Kräfte dieses Landes auffordern, einen Beitrag zur – wenn Sie so wollen – Deeskalation zu leisten, um jenen, die diese Sorgen haben, ein wenig Sicherheit zu geben. Aber es gibt auch eine Reihe von Pauschalurteilen – mein Vorredner war ein Meister darin –, es gibt auch eine Reihe von Vorurteilen, und diesen ist, wie ich meine, mit Standfestigkeit und Vehemenz zu begegnen. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist eine Aufgabe aller Demokraten und Patrioten in diesem Land. Daher sind wir alle, die wir hier in diesem Gremium sitzen, dazu aufgefordert. (Bundesrätin Mag. Trunk: Sollen wir Jörg Haider heiligen?) Das Image Österreichs im Ausland hat für alle Bedeutung, und dieses ist auch weiterhin zu unterstützen. Eine stabile politische Situation in diesem Lande kann meiner Meinung nach auch der Opposition nicht egal sein, ich erwarte daher auch von der Opposition einen entsprechenden Beitrag. Auch der soziale Friede ist ein Punkt, der uns allen am Herzen liegen sollte. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Die sozialdemokratische Bewegung in diesem Lande ist in Wahlkämpfen federführend darin, als oberstes Motto die Arbeitsplätze – nämlich die Sicherung der Arbeitsplätze und auch die Schaffung von Arbeitsplätzen – in den Vordergrund zu stellen. (Ruf bei der SPÖ: Das war immer unser Ziel!) Die Diskussion, die jetzt – ich komme noch darauf zu sprechen – im In- und Ausland geführt wird, die Sorgen, die es zu Recht gibt, sollten von Ihnen auch hinsichtlich der Arbeitsplatzsicherheit betrachtet werden. Sie sollten auch bei dieser Diskussion einen Beitrag zur


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Sicherheit der Arbeitsplätze leisten und nicht dazu, dass es zu einer Verunsicherung in Bezug auf die Wirtschaftsfaktoren kommt, wodurch dann der soziale Friede in Diskussion gerät. (Bundesrätin Mag. Trunk: Die SPÖ ist jetzt der Täter?) Dazu tragen Sie mit bei! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie sich das ins Stammbuch schreiben: Ich meine, es ist auch bei Machtverlust ein wenig Augenmaß notwendig. So schmerzhaft Machtverlust ist (Zwischenrufe der Bundesräte Mag. Trunk und Marizzi ), ich sage Ihnen Folgendes: Halten Sie hier ein wenig Augenmaß! (Bundesrätin Mühlwerth: Das wird schwer!)

Anlässlich dieser Diskussion habe ich einige Fragen an den Herrn Bundeskanzler. Der Herr Bundeskanzler hat, als Österreich den EU-Vorsitz übernommen hat, keine Kosten und Mühen gescheut und ist natürlich in alle Hauptstädte der EU gereist, um entsprechende Gespräche zu führen.

Der Herr Bundeskanzler und seine Strategen im Europawahlkampf haben ihre Wahlkampfaussagen quasi mit den Konterfeis von Blair und Schröder garniert, die an sich wohl nicht in Österreich kandidiert haben. Ich frage mich: Was hat der Herr Bundeskanzler seit dem 26. Jänner unternommen, mit diesen seinen Freunden zu reden, um genau das, was nun eingetreten ist, zu minimieren oder zu verhindern? (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Ich frage den Herrn Bundeskanzler, wie denn jene Gespräche im Rahmen der Holocaust-Konferenz in Stockholm waren (Rufe bei der SPÖ: Das ist ungeheuerlich!), die dazu geführt haben, dass im "Aftonbladet", einer schwedischen Zeitung, folgender Artikel geschrieben wurde – ich zitiere –:

"In Schweden sammeln sich die politischen Führer der Welt, um über Toleranz zu sprechen. Gleichzeitig versucht in Österreich die rechtspopulistische Partei FPÖ, sich Ministerposten in der neuen Regierung auszuverhandeln. Ein seltsames Zusammentreffen, über das laut gesprochen wird. Die Eröffnung der Konferenz im ,Haus des Volkes‘ in Stockholm dauerte länger als geplant. Redefreudige Eröffnungssprecher waren schuld daran, dass die Zeremonie eineinhalb Stunden länger dauerte als geplant. Es gab also genug Zeit, aktuelle Fragen aufzugreifen. Aber das tat niemand. Der, der das Schweigen brach, war der österreichische Bundeskanzler selbst. In einer Ansprache beim späteren abendlichen Bankett brandmarkte Viktor Klima die rechtspopulistische Partei FPÖ und deren Führer, den ständig lächelnden und braun gebrannten Dr. Jörg Haider." – Zitatende. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Ich frage Sie: Haben Sie dort einen Beitrag dazu geleistet, um den Schaden für Österreich durch das Ausland abzuwehren, oder haben Sie ... (Bundeskanzler Mag. Klima: Kennen Sie meinen Redetext? Haben Sie sich der Mühe unterzogen, ihn zu lesen?) Haben Sie das entgegnet? Das ist in der Zeitung gestanden. (Bundeskanzler Mag. Klima: Ich bitte Sie, der Text ist im Außenamt bekannt!) Herr Bundeskanzler! Ich lese nur das, was in der Zeitung gestanden ist. (Neuerliche Zwischenbemerkung des Bundeskanzlers Mag. Klima. ) Sie können dann dazu Stellung nehmen.

Ich frage mich: Wo war seither der Herr Bundeskanzler, und wo ist seither die SPÖ? (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen. – Bundeskanzler Mag. Klima: Herr Dr. Maier! Ich habe Sie bisher als seriösen Menschen gekannt!)

Meine Damen und Herren! Es wird in der jetzigen Diskussion manchmal gesagt, wir sollten aus der Geschichte lernen. Ich meine, wir sollten das tun. Ich möchte Sie kurz an den 13. Oktober 1987 erinnern. (Bundesrat Prähauser: Ganz kurz aber!) Das war jener Tag – das muss man nicht wissen, aber ich habe das durch Aktenstudium herausgefunden –, der der Schlusstag im Prozess Sinowatz-Worm war. In Zeitungen aus dieser Zeit ist Folgendes zu lesen:

Alfred Worm hatte am 14. Februar 1986 – also mitten im Bundespräsidentenwahlkampf (Bundesrätin Fuchs: "Vorgestern" sozusagen!) – im "profil" geschrieben: Sinowatz hat bereits 1985 in einer Sitzung des burgenländischen Parteivorstandes angekündigt, man werde die Österrei


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cher noch rechtzeitig an die braune Vergangenheit des Präsidentschaftskandidaten Kurt Waldheim erinnern.

Meine Damen und Herren! Da ich zuerst davon gesprochen habe, dass man bei Machtverlust ein wenig mit Augenmaß vorgehen muss, so darf ich Sie an diese Zeit erinnern, denn die Strategen, die damals in der Parteizentrale waren (Bundesrat Freiberger: Waldheim war aber eine ÖVP-Idee, oder?), haben etwa im Frühjahr 1985 erkannt, dass der bis dahin aus der Sicht der SPÖ in ihrem Eigentum befindliche Sitz in der Hofburg in Gefahr ist und der Kandidat der damaligen Opposition einziehen könnte. Und um Macht zu erhalten, ist Ihnen nichts zu schade. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der SPÖ.)

Daher haben auch Ihre Strategen, ähnlich wie jetzt – ich komme noch darauf zu sprechen –, die Kritik ins Ausland getragen (Ruf bei der SPÖ: Eine Frechheit ist das!), damit sie wieder ins Inland zurückkommt. Dann haben Sie selbst quasi eine Art improvisierten Löschversuch unternommen, um den Schaden wieder zu minimieren. Das waren die Aktionen im Wahlkampf 1986. (Bundesrat Dr. Nittmann: Und heute!) Ich glaube, man sollte an sich aus der Geschichte ein wenig lernen. (Ruf bei der SPÖ: Das ist brandaktuell!) Sie haben auch bei all Ihren jetzigen Schritten Augenmaß vermissen lassen. Genauso wie Sie 1983, bevor Sie die Macht abgeben wollten, eine kleine Koalition mit der FPÖ eingegangen sind, um Macht zu erhalten (Beifall bei der ÖVP), genauso war es im Dezember des vergangenen Jahres.

Ich frage Sie, Herr Bundeskanzler: Angeblich gab es Gespräche, in denen man im Wege der Minderheitsregierung – Sie können dann dazu Stellung nehmen – der Freiheitlichen Partei quasi für eine Duldung der Minderheitsregierung der SPÖ zwei Regierungsposten angeboten hat (Ui-Rufe bei der ÖVP), also jener politischen Gruppierung, die Sie hier wie Ihr Herr Vorredner so kritisch angesprochen haben.

Ich bitte Sie in diesem Zusammenhang: Es ist bei Machtverlust eine Frage der Haltung, aber auch eine Frage des Augenmaßes (Bundeskanzler Mag. Klima: Das ist schade, Herr Maier!), wie man vorzugehen hat, sodass wir nicht im Ausland Schaden nehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie die Seite 2 der heutigen Ausgabe der "FAZ" lesen ... (Bundeskanzler Mag. Klima: Lesen Sie die "Süddeutsche"!) Ich verweise auf die "FAZ". Lesen Sie die "FAZ"! Dort wird angekündigt, dass demnächst ein Bericht veröffentlicht werde, der in Österreich zu einem handfesten Staatsskandal werden könne. (Bundesrat Ing. Scheuch: Interessant!) Es gibt diesbezüglich Recherchen. Warten wir diese Recherchen ab! Aber ich sage Ihnen Folgendes: Allein der Umstand, dass im Ausland darüber berichtet wird, dass sich ein handfester Staatsskandal anbahnt, und wir in der heutigen Ausgabe der "Presse" lesen müssen – auf Seite 3, Herr Bundeskanzler –, dass Herr Bundeskanzler Klima dabei "außerordentlich aktiv" war, reicht schon aus. (Bundesrat Dr. Böhm: Ist schlimm genug!) Ich frage Sie: Was ist denn bei diesem Abendessen mit Jospin, Schröder, Wim Kok und so weiter gesprochen worden? (Bundesrätin Mag. Trunk: Wenigstens gibt es noch Demokraten in diesem Land!) Seit diesem Tag, Frau Kollegin, läuft die entsprechende Kampagne im Ausland.

Herr Kollege! Ich bin jedoch unserem Herrn Bundespräsidenten sehr dankbar, denn der Herr Bundespräsident hat vor etwa einem Jahr, wie ich glaube, völlig richtig und – Gott sei Dank – auch unwidersprochen Folgendes gemeint: Er hat gemeint, dass alle im österreichischen Parlament vertretenen Parteien demokratisch gewählt und alle regierungsfähig sind. – Ich halte das für eine der wesentlichsten Aussagen, und ich berufe mich darauf. Daher bitte ich auch jeden Demokraten, dies zu berücksichtigen.

Ich gebe zu, es gibt auch Anlass zu Kritik: Es kann nicht sein, dass man die Aussagen, die der Kärntner Landeshauptmann in den letzten Tagen getroffen hat, unkommentiert hinnimmt. (Bundesrätin Mag. Trunk: Na schau!)  – Das ist durchaus legitim. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.) Aber es kann doch nicht sein, dass man ins Ausland geht, dort unser Land kritisiert und hofft, dass die Kritik ins Inland zurückkommt, und dann daraus politisches Kapital zu schlagen ver


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sucht. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrätin Fuchs: Gott sei Dank wissen Sie noch nicht ...!)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist wirklich Zeit, eine gewisse Abrüstung der Worte vorzunehmen. Dies ist auch ein Appell an künftige Regierungsmitglieder beziehungsweise auch an den Landeshauptmann von Kärnten. (Bundesrat Prähauser: Selbst austeilen, aber wir sollen abrüsten – oder wie meinen Sie das?) Es geht hier um Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren, um unser Land und um die Menschen in diesem Land. Das, was Sie in den letzten Tagen in Ihrer Argumentation strategisch versucht haben, ist, eine Wendung in jene Richtung zu nehmen, dass es in dieser Diskussion nicht um Österreich, sondern nur um Teile einer kommenden Regierung gehe. Ich bitte vielmals: Wenn das, was in der "FAZ" recherchiert wird, was Sie unternommen haben, stimmt, dann geht es hier um mehr. Daher plädiere ich an dieser Stelle für eine Abrüstung der Worte. (Vizepräsident Payer übernimmt den Vorsitz.)

Hand aufs Herz – ich habe das hier schon einmal gesagt –, Österreich ist ein Land, in dem humanitäre Ziele verfolgt werden, das bisher im Ausland für all seine politischen und diplomatischen Tätigkeiten und Aussagen geschätzt wurde. Es hat keinen Sinn, das herunterzumachen. Wir haben während der Zeit des EU-Vorsitzes brilliert, und wir sind – daran ist auch zu erinnern; ich nenne nur das Beispiel "Nachbar in Not" oder andere Aktionen – ein Land, dessen Bevölkerung hilft, und zwar sofort hilft, wenn irgendwo Not herrscht. Das könnte hier auch einmal angesprochen werden. Das kann auch dem Ausland gesagt werden, da brauche ich nicht ins Ausland zu fahren und dort zu erklären, wie mies die innenpolitische Situation ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Ich glaube daher abschließend sagen zu können: In Wirklichkeit ist die künftige Regierung an ihrem Programm und natürlich auch an dessen Umsetzung zu messen. Die Opposition ist eingeladen, diese Umsetzung zu verfolgen und, wenn es nötig ist, auch zu kritisieren. (Bundesrat Thumpser: Danke!)

Ich bin froh, dass wir ein Regierungsprogramm haben, bei dem ich davon ausgehe, dass mehr davon umgesetzt wird als von dem Regierungsprogramm der alten Koalition, bei dem sehr vieles offen geblieben ist. Warum dem so ist, wissen jene, die jetzt in der Opposition sind, sicherlich am besten. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

16.32

Vizepräsident Johann Payer: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. – Bitte.

16.32

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Diese dringliche Anfrage, ihre Thematik und ihre Intention werfen schwerwiegende Bedenken auf. Dabei will ich, ebenso wie dankenswerterweise die Frau Staatssekretärin, den sich an sich aufdrängenden formalen Einwand beiseite lassen, dass die Anfrage insofern ins Leere geht, als sie sich auf gar keine Angelegenheit der Vollziehung des mit ihr ressortmäßig angesprochenen Außenministeriums bezieht; ist es doch undenkbar, dass sich der Außenminister in dieser seiner hoheitlichen Funktion einer Verletzung seiner Amtspflichten dadurch schuldig gemacht hätte, dass er in seiner zugleich gegebenen anderen Eigenschaft als Obmann einer politischen Partei staatsinterne Regierungsverhandlungen mit einer anderen, gleichfalls demokratisch legitimierten Partei aufgenommen hat – das selbst dann, wenn diese andere Partei und eine allfällige Koalition mit ihr bestimmten ausländischen Staaten, und seien es auch andere EU-Staaten, ideologisch-politisch nicht genehm sein sollte. Denn die rückgratlose Hinnahme absolut unzulässiger Einmischungen ausländischer Staaten in unsere inneren Angelegenheiten, insbesondere also in demokratische Willensbildungen, kann nicht als legitime oder sogar gebotene Wahrung unserer guten internationalen Beziehungen verstanden werden.

Daher halte ich in dieser Richtung fest, dass es weder allgemeines Völkerrecht noch EU-Recht erlaubt, sich in die inneren Angelegenheiten der Mitgliedstaaten, insbesondere in ihre interne, demokratisch legitimierte Regierungsbildung einzumischen. Das sieht bedauerlicherweise die


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sozialdemokratische Fraktion zum Schaden des Landes anders. Das beweisen ihre Fragen 3 und 4. Denn was hätte unser Außenminister mit anderen Staaten über die eventuelle Regierungsbeteiligung der FPÖ zu besprechen? – Aber die sozialdemokratische Fraktion ist sich nicht einmal dessen bewusst, dass der Außenminister in dieser seiner Vollziehungskompetenz für die Frage der Bildung einer österreichischen Regierung und ihrer politischen Bewertung absolut unzuständig ist.

Das zeigt auch die Frage 9 zur Genüge. Sie lässt zugleich erkennen, dass diese Fraktion dem Prinzip der Sippenhaftung huldigt; nimmt sie doch offenbar die gesamte Freiheitliche Partei für einzelne verfehlte Äußerungen und Stellungnahmen ihres Obmanns geradezu in Geiselhaft.

Ich stelle selbstverständlich die dringliche Anfrage als Instrument der politischen Kontrolle, wie es typischerweise einer parlamentarischen Opposition zukommt, überhaupt nicht in Frage. Gerade meine Fraktion hat sich dieser Einrichtung bewusst und intensiv bedient. Ich bestreite auch durchaus nicht die Aktualität der gegenständlichen Anfrage; ist doch durch die von den übrigen 14 EU-Mitgliedern Österreich angedrohten Sanktionen zweifellos eine Situation eingetreten, die wir uns gewiss nicht wünschen und die wir nicht gering schätzen können, wobei ich auf die rechtliche Unzulässigkeit und politische Unvertretbarkeit der angekündigten Maßnahmen schon zu sprechen kam.

Eben deshalb müssen sich die Urheber dieser dringlichen Anfrage, also die Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion, selbst daraufhin befragen lassen, was sie damit bezwecken. Geht es ihnen dabei wirklich um das Interesse des Landes, der Republik Österreich, oder äußert sich darin nicht vielmehr das Ressentiment einer Partei, die 30 Jahre hindurch die Geschicke dieses Landes allein oder doch prägend beherrscht hat, die also den Machtverlust noch nicht verwunden hat oder ihn bis zuletzt mit allen Mitteln zu vermeiden sucht (Beifall bei den Freiheitlichen) und die dabei sowohl die Verantwortung für das übergeordnete Interesse des Landes aus den Augen verliert als auch verkennt, wie sehr ihr unser politisches System schädigendes Verhalten auf sie selbst zurückschlagen wird? – Mit Steinen soll bekanntlich nicht werfen, wer im Glashaus sitzt.

Anders formuliert: Sollen hier bloß die Spuren des eigenen Fehlverhaltens verwischt werden? Es kann ja wohl nicht reiner Zufall sein, wenn seriöse internationale und ausländische Medien dem scheidenden Bundeskanzler Klima – ich bedauere, dass er im Moment nicht anwesend ist (Bundesrat Marizzi: Schon da!)  – umso besser, wenn er schon da ist – unterstellen, dass er "zur Pflege eigener Interessen" – so ein Zitat – eine mögliche Regierungskoalition von FPÖ und ÖVP als gesamteuropäische Gefahr beschworen hat. Der Machterhalt für die eigene Partei wäre, wenn das so geschehen sein sollte, dem Kanzler somit die Anschwärzung eines erfolgreicheren politischen Mitbewerbers im Ausland und er wäre ihm, wäre es so geschehen, selbst den Preis wert gewesen, das Ansehen Österreichs zu schädigen und die EU-Partner zu unzulässigen Pressionen zu veranlassen.

Wenn es so geschehen sein sollte, hätte man – noch schlimmer! – dann dabei offenbar sogar in Kauf genommen, dass die eklatant rechtswidrige Aktion der übrigen EU-Staaten – eine so evidente wie flagrante Einmischung in innere Angelegenheiten Österreichs! – eine schwerwiegende Störung des inneren Friedens in unserem Land hervorrufen könnte; dass sie das Vertrauen unserer Bevölkerung in die EU als demokratische und rechtsstaatliche Ordnung gleichberechtigter Partner nachhaltig erschüttern könnte und dass sie zur inneren Zerrüttung des sensiblen Gefüges der Europäischen Union selbst maßgeblich beitragen könnte. Denn Sie sehen ja, dass einzelne Staaten – ich verweise insbesondere auf die jüngste Haltung der griechischen Regierung – bereits erkennen, zu welchen Beschlüssen sie hier veranlasst wurden. Im Übrigen werden in mehreren Ländern und in mehreren Parteien die Stimmen der Kritik auch immer vernehmlicher.

Zielte also die SPÖ unter Aktivierung ihrer Kontakte im Rahmen der Sozialistischen Internationale und der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament bewusst darauf ab, oder nahm sie die vorhersehbaren, für Österreich nachteiligen Konsequenzen lediglich mit Dolus eventualis oder bloß grob fahrlässig in Kauf? – Denn es bedarf überhaupt keiner Verschwö


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rungstheorie, um dies anzunehmen, wenn man die lange andauernden Verleumdungen der Freiheitlichen Partei durch ihre erfolgloseren Mitbewerber, vor allem durch die SPÖ und die so genannten Grünen, im Inland wie im Ausland in Betracht zieht.

Wenn man am Rande der Stockholmer Konferenz zum Holocaust oder des Weltwirtschaftsforums in Davos die Gefahr beklagt hat, dass eine angeblich rechtspopulistische Partei wie die FPÖ – entsprechend ihrem Erfolg in einer demokratischen Wahl – an der Regierung beteiligt sein könnte, dann darf man sich nicht wundern, wenn das in anderen europäischen Staaten Besorgnisse auslöst.

Was haben indes die heute schon mit Recht angesprochene Abwehrhaltung Frankreichs gegenüber der Front National Le Pens, die verständliche Sorge Belgiens vor dem Vlaams Blok, die Angst Italiens vor der Alleanza Nazionale, vormals Movimento Sociale Italiano, und so weiter mit einer allfälligen Beteiligung der FPÖ an einer österreichischen Bundesregierung zu tun? (Bundesrätin Mag. Trunk: Nichts!) – eben! Hat sich doch meine Fraktion von den genannten ausländischen Parteien, mit denen sie oft von Ihrer Seite, wenngleich absolut zu Unrecht, verglichen wird, stets auf das Klarste distanziert und jegliche Annäherung im Zuge der Fraktionsbildung im Europäischen Parlament strengstens vermieden. Die Etikettierung oder gar Punzierung als rechtsextreme Partei weisen wir Freiheitlichen daher mit Schärfe und Entschiedenheit von uns. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was bedeutet demgegenüber die neuerdings bei unserer Charakterisierung anstelle dessen getroffene Einstufung als "rechtspopulistische"Partei? – Innerhalb der meines Erachtens völlig überholten Klassifizierung nach dem alten Links-Rechts-Schema muss die entsprechende Zuordnung "rechts" – rechts ist nicht rechtsextrem, ist gemäßigt rechts – als durchaus wertneutral erachtet werden. "links" ist nicht an sich besser als "rechts", soweit es sich in beiden Fällen nicht um die Extreme handelt. Und auch bei diesen: Stalinismus ist nicht per se besser als Hitlerismus.

So gesehen ist festzuhalten, dass die Europäische Union bislang niemals beunruhigt war, wenn eine orthodox-kommunistische Partei einer Regierung eines Mitgliedstaates angehörte. So schließt jüngst ein spanisches Linksbündnis auch die – zugegeben – heute nicht mehr stalinistische, aber kommunistische Partei Spaniens mit ein, ohne dass das auch nur die geringste Besorgnis oder gar Reaktion der Europäischen Union ausgelöst hätte.

Wie erklärt sich das oder wie lässt es sich rechtfertigen, wenn die EU keinerlei Probleme damit hatte – insofern muss ich meinen Vorrednern teilweise widersprechen –, dass die Regierung Italiens unter Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi nicht zuletzt auch die Alleanza Nazionale, also die Nachfolgeorganisation des MSI, der damals so genannten Neofaschisten unter Gianfranco Fini, eingebunden hatte? – All das ist demnach entweder anlassbezogene Heuchelei oder machtorientierte Zweckpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Man weiß, was Berlusconi für ein Vogel war!)

Wenn also ganz klar und unbestreitbar feststeht, dass die FPÖ als einwandfrei der Demokratie, den Grundrechten und dem Rechtsstaat verpflichtete Partei nicht nur organisiert ist, sondern auch im Sinne dieser Ausrichtung realpolitisch agiert, so ist es nicht mehr nachvollziehbar, wenn in EU-Staaten gemeint wird, eine österreichische Regierung, der auch diese FPÖ angehört, "unter Beobachtung" stellen zu müssen. Dass all diese Vorgänge eine unverkennbare Regie hinter den Kulissen erkennen lassen, ist der wahre Grund für die derzeitige außen- und europapolitische Situation, die wir bedauern, die aber in dieser dringlichen Anfrage mit Scheinheiligkeit beklagt wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.44

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile ihm dieses.

16.44

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren Kollegen des Bundesrates! Ich möchte natür


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lich meiner Enttäuschung Ausdruck verleihen, dass der Herr Vizekanzler und Außenminister hier nicht anwesend ist, denn ich meine, dass diese heutige Situation der Aussprache jener Personen bedarf, die für die heutige Situation verantwortlich sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Staatssekretärin! Eigentlich befremdet es mich, feststellen zu müssen, dass Sie einige Punkte unserer Anfrage in der Art und Weise beantworten, dass Sie sagen: Da sind wir nicht zuständig! Darüber rede ich nicht! – Ich sage Ihnen, Frau Staatssekretärin: Nicht nur das Vollziehen, sondern auch das Repräsentieren ist eine Aufgabe, die Politiker in diesem Staate wahrzunehmen haben, und somit haben Sie die Pflicht, auf unsere Sorgen einzugehen und unsere Fragen zu beantworten.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen nun einen dieser Punkte näher bringen, den die Frau Staatssekretärin nicht beantworten wollte, nicht konnte oder anderes. Das war Punkt 9. Die Frage lautete: Sind Sie der Auffassung, dass Form und Inhalt der Reaktionen des freiheitlichen Parteivorsitzenden auf die von internationaler Seite zum Ausdruck gebrachte Besorgnis über eine Regierungsbeteilung seiner Partei ihn und seine Partei für eine Regierungsbeteiligung qualifizieren? – Ich meine kurz und bündig: Nein!

Meine Damen und Herren! Kollege Maier hat gesagt, wir können uns solche Fragen sparen. Herr Kollege Maier! Ich darf Ihnen versichern: Die Sozialdemokraten werden sich von niemandem, aber schon von gar niemandem hier in diesem Hause Fragen verbieten lassen. Wir werden dann die Finger auf Wunden legen, wenn wir es für notwendig erachten. Wir werden dann fragen, wenn wir wissensdurstig im Interesse der Bürger zu sein haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube auch, Herr Maier, die Sorge, dass wir vielleicht in der Kürze nicht in der Lage sind, die Spielregeln der Opposition zu erlernen, darf ich Ihnen nehmen. Sie werden sehr bald feststellen, dass wir Sozialdemokraten – egal, auf welcher Seite – gewohnt sind, für diesen Staat zu arbeiten und das zu erfüllen, was man von uns erwartet, nämlich das Auge des Volkes mit Blickrichtung auf eine für mich nicht ganz ideale Koalition zu sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf auch dem Herrn Maier sagen, dass er sich Sorgen macht. Herr Kollege Maier! Den Ballast, den diese Regierung mit in die Arbeit zu nehmen hat, den haben Sie sich selbst aufgeladen, nämlich einen Koalitionspartner, der nicht gerade die ideale Voraussetzung dafür ist, im Ausland entsprechendes Ansehen zu bekommen. Ich bin aber gerne bereit – im Gegensatz zur Frau Staatssekretärin –, auf meine Ausführungen, auf meine Behauptungen auch einzugehen.

Ich darf Ihnen sagen, eines ist der Freiheitlichen Partei in dieser Koalition schon gelungen: Die ÖVP – hiemit auch Kollege Maier – hat bereits die Diktion der Freiheitlichen in ihrer Schärfe übernommen. Der Art und Weise, wie er den Bundeskanzler hier angesprochen hat, kann ich nichts anderes attestieren als diese Feststellung.

Wenn Herr Kollege Maier von einer tickenden Bombe spricht, dann hoffe ich in seinem Interesse, dass es sich nicht vielleicht auch um den Inhalt eines Tagebuches handelt, in dem der neue Bundeskanzler mehrmals vorkommt. Da wir noch nicht wissen, was es für eine Bombe ist, lassen wir Spekulationen beiseite und warten mit Interesse darauf.

Meine Damen und Herren! Es wurde heute auch schon begonnen, mit zweierlei Maß zu messen. Selbstverständlich – das ist das Recht der Mehrheit in diesem Haus – kann man Regierungsmitglieder hierher bitten. Selbstverständlich ist der Herr Bundeskanzler dieser Aufforderung der Mehrheit hier gefolgt. Das Gleiche hätten wir uns von der nunmehrigen Koalition auch erwartet, als es darum ging, den Vizekanzler herzubitten. Da hat man mit anderem Maß gemessen. Ich hoffe, das wird in Zukunft anders sein.

Ich verstehe aber die Zeitknappheit des Bundeskanzlers in spe. Er hat natürlich jetzt alle Hände voll zu tun, der Öffentlichkeit seinen Weg in der Regierung zu erklären. Nur eines darf ich ihm heute schon prophezeien: Er wird in naher Zukunft noch sehr viel Zeit aufwenden müssen, der Öffentlichkeit die Wege dieser Regierung näher zu bringen, um Schaden von Österreich abzuhalten.


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Meine Damen und Herren! Ich möchte, da Schüssel erklärt hat, es sei ihm egal, was Haider im Wahlkampf gesagt hat, ihm einige Äußerungen seines Koalitionspartners – aus Kärnten natürlich einwirkend – vor Augen führen. Er hat es vielleicht vergessen. Unter dem Motto "Niemals vergessen!" werde ich ihm helfen, sich daran zu erinnern, und wir als Opposition werden auch nicht vergessen, darauf aufmerksam zu machen.

Meine Damen und Herren! Etwas ist aber eine Grundvoraussetzung, wenn wir von der Abrüstung der Worte sprechen: Es kann nicht so sein, mit einer linken Geraden dem Bundeskanzler ins Gesicht zu schlagen und gleichzeitig zu empfehlen, die Klinge der Auseinandersetzung zu verfeinern oder die Angriffe einzustellen. Also so viel sollte hier noch möglich sein. Es muss uns gestattet sein, uns verbal zu verteidigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn einem jetzt noch einmal vor Augen und vor Ohren geführt wird, welche Sager, welche spontanen Äußerungen dieses Land schon hinnehmen musste, dann verwundert es auch nicht, wenn Gefolgsleute dieser Regierungschefs oder diese Verantwortlichen ebenfalls in ein entsprechendes Horn blasen.

Ich beginne mit einem Zitat, das deswegen, weil es – ich gehe davon aus – mit dem höchsten Mann des Staates zu tun hat, an die erste Stelle kommt. Ein Herr Prinzhorn hat gesagt: Der Herr Bundespräsident hat sich schon ein blutige Nase geholt, wenn er einen blutigen Schädel möchte, dann kann er das auch haben.

Meine Damen und Herren! Da ist abzurüsten und nicht in der Auseinandersetzung im Parlament. Abzurüsten ist dort, wo die breite Öffentlichkeit davon Notiz zu nehmen hat, wie politische Kontrahenten miteinander und wie Regierungspartner mit dem Bundespräsidenten umgehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf Ihnen aus den "Salzburger Nachrichten" vom 28. 1. 2000 zitieren, nur um Ihnen vor Augen zu führen, was ich meine: Die Schalmeientöne zwischen FPÖ und ÖVP deuten auf heftige Zuneigung. – Der Blick auf frühere Zitate zeigt, dass es sich dabei um eine sehr junge Liebe handeln muss.

"Skrupellos", "charakterlos" und "gewissenlos" sagte Wiens ÖVP-Obmann Bernhard Görg über den FPÖ-Obmann Jörg Haider am 1. April 1999.

"Höchste Zeit, dass die Volkspartei in die Opposition geht und sich dort regeneriert", sagte der FPÖ-Spitzenkandidat Thomas Prinzhorn am 21. September 1999.

"Ich will nicht wie Haider alles zerstören, ich will Mut machen, keine Angst." – ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel über Jörg Haider, 21. September 1999.

"Ich glaube der ÖVP doch kein Wort." – Thomas Prinzhorn im Oktober 1999.

"Ich war es schließlich nicht, der ausländische Würdenträger als Säue und Ähnliches bezeichnet hat." – Haider über Schüssels Frühstücksaffäre am 14. Oktober 1999.

Das ist noch nicht einmal fünf Monate her, meine Damen und Herren, und diese zwei sind heute in einem Boot und wollen die Geschicke Österreichs in eine Zukunft lenken, die Schwierigkeiten genug für uns parat haben wird. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. ) Das ist nicht in der APA, sondern in den "Salzburger Nachrichten" gestanden. Herr Kollege Scheuch! Ihnen würde es überhaupt gut anstehen, etwas anderes zu lesen als nur Ihr Parteiorgan, dann hätten Sie mehr Einblick in die Öffentlichkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

"Wie respektvoll sollen die Bürger einem ÖVP-Obmann begegnen, der seit Monaten hin und herschwankt?" – Das ist die jüngste Aussage vom Jänner 2000.

Meine Damen und Herren! Ich verstehe schon, dass Ihnen das nicht gefällt, aber wir sollten davon ausgehen, dass wir uns in der nächsten Zeit öfter mit dem auseinander zu setzen haben, was gesagt wurde, was gesagt wird und was, wie ich befürchte, noch gesagt werden wird.


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Jeder von uns weiß, dass natürlich auch das Demokratieverständnis von Herrn Haider eine eigene Perspektive für sich ist. Ich darf Ihnen einige Worte und Zitate des Parteivorsitzenden der Freiheitlichen Partei hier vom Pult aus noch einmal näher bringen, um der Gefahr zu begegnen, dass man diese Aussagen vergisst. – Bei diesem Stoß an Wissenswertem bekommt man einen trockenen Mund. Gestatten Sie mir daher, einen Schluck Wasser zu nehmen.

Haider hat den "totalen Krieg" festgestellt, den totalen Krieg der SPÖ und der ÖVP gegen die FPÖ.

Den Revisionismus hat er insoweit zitiert, als er sagte: Ich habe gesagt, dass die Wehrmachtssoldaten die Demokratie in Europa, wie wir sie heute vorfinden, ermöglicht haben. Hätten sie nicht den Widerstand geleistet, wären sie nicht im Osten gewesen, hätten sie nicht die Auseinandersetzung geführt, dann hätten wir ... – Was haben wir tatsächlich im Osten als Soldaten gemacht? Er spricht vom "Ausmisten", er spricht vom "Vernichten der Großparteien", er spricht vom "Gaunerpack": "Ich weiß nicht, ob ihr Journalisten der Demokratie einen Dienst erweist, wenn ihr dieses Gaunerpack so glorifiziert." – Mit "Gaunerpack", meine Damen und Herren, waren ÖVP und SPÖ als Koalitionspartner gemeint. Er spricht auch von "roten und schwarzen Filzläusen, die mit Blausäure bekämpft werden sollen".

Meine Damen und Herren! Ihren Magen möchte ich haben: So etwas in so kurzer Zeit vergessen zu können und damit gemeinsame Sache zu machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein ganz bemerkenswertes Zitat darf ich Ihnen auch zu Gemüte führen: Für die FPÖ-Spitze ist nicht die braune Brut die Gefahr in Wien. Nicht die braune Brut ist die Gefahr, sondern das rote Gesindel. – Meine Damen und Herren! Dieser Satz alleine macht es uns Sozialdemokraten unmöglich, mit Haider oder der FPÖ in einer Regierung gemeinsam zu arbeiten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Kollege! Für Sie habe ich auch ein Zitat bereit, womit er Sie gemeint hat, allerdings in der Form der ÖVP: Er spricht hier von "Parasiten". Ich sollte Ihnen das eigentlich vorlesen, damit Sie wissen, was ich meine. Er geht davon aus, "die FPÖ ist der Anwalt der fleißigen, tüchtigen und anständigen Bürger. Tagediebe, Taugenichtse und Schmarotzer sollen sich die Roten und Schwarzen teilen." Wenn man davon ausgeht, was er sagt, meint er: Die Tüchtigen haben FPÖ gewählt, die restlichen 63 Prozent sind Taugenichtse, Schmarotzer. Diese Verunglimpfung ist zurückzuweisen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wie sich die ÖVP in Zukunft mit diesen Themen auseinander setzen wird, ist ihre Sache. Nur eines bedrückt mich sehr, meine Damen und Herren: Bisher war diese Art der Ausdrucksweise national begrenzt. Zuerst ein bisschen in Kärnten, dann hat es auf Österreich übergegriffen, die Biertische waren die Grundlage dafür, und jetzt beginnen wir bereits, über unsere Grenze hinaus Verbalinjurien zu betreiben in der Person des Jörg Haider, die in der Verunglimpfung des französischen Präsidenten und der belgischen Regierung ihren Gipfel gefunden haben.

Meine Damen und Herren! Gleichzeitig aber wehleidig zu klagen, irgendjemand sei schuld, dass die Öffentlichkeit, dass andere Staaten ein Problem mit Österreich als Partner für die Zukunft sehen, ist heuchlerisch und scheinheilig. Ich bitte Sie, darüber nachzudenken, ob Sie hier nicht einen falschen Weg eingeschlagen haben.

Ich darf Ihnen auch noch eine Kleinigkeit dazu sagen: Natürlich bringen es solche Auseinandersetzungen mit sich, dass manche, die bisher ruhig waren, die sich nicht getraut haben, ans Licht zu kommen, jetzt irgendwo hervorkommen und ihren Beitrag in ihrer Art und Weise und Möglichkeit leisten. Eines möchte ich Ihnen, bevor ich so eine Aussage dann auch noch zitiere, in Erinnerung rufen: Wie wird heute gejammert, betrauert, bestritten, Unterstellung geheißen, wenn Österreich als Nazi-Land bezeichnet wird? – Wir haben dem Herrn Bundeskanzler – dafür danke ich Ihnen – und dem Herrn Bundespräsidenten zu danken, die an vorderster Front dafür sorgen, in der Öffentlichkeit darzustellen, dass Österreich kein Nazi-Land ist.

Meine Damen und Herren! Jetzt muss auch die Kollegenschaft der Freiheitlichen Partei ein bisschen mehr zuhören, denn damals waren diese Kollegen wahrscheinlich in großen Teilen


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politisch noch nicht tätig oder haben das vielleicht vergessen: Klima und Herr Präsident Klestil sagen ganz klar: Wir wissen, dass Österreich kein Nazi-Land ist. Was sagt Haider? – "Wäre die FPÖ die Nachfolgepartei der alten NSDAP, dann hätte sie in Österreich bestimmt die Mehrheit."

Meine Damen und Herren! Was heißt das? – Das heißt genau das, was man anderen unterstellt, uns vorzuwerfen. Ich verwehre mich dagegen! Auch wenn es schon ein paar Jahre her ist, Haider hat sich niemals von dieser Aussage distanziert. (Beifall bei der SPÖ.)

Genauso legt er auch bei Entschuldigungen eine Art und Weise an den Tag, dass das für mich niemals eine Entschuldigung sein kann. Die letzte Entschuldigung hat so geklungen: Sollte ich jemand beleidigt haben – er meint Chirac oder die belgische Regierung –, dann täte es mir leid. Hier wäre Anstand angebracht, hier müsste er wissen, dass er jemand beleidigt hat. Dazu sollte er Farbe bekennen und die Verantwortung dafür übernehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Nennen Sie doch Ihre Quellen!)

Meine Damen und Herren! Wir werden heute noch Gelegenheit haben, auch über wirtschaftliche Folgen reden zu können. Aber eines darf ich Ihnen sagen: Es kommen jetzt Auguren aus den Löchern, die mit Verbalattacken an die Öffentlichkeit treten, die ich noch vor einem Monat bei einem Nicht-FPÖler eigentlich für unmöglich gehalten hätte.

Es hat die Entwicklung in der Innenpolitik dazu geführt, dass der Kammerpräsident in Salzburg zurückgetreten ist oder nicht mehr kandidieren wird. Der designierte Wirtschaftskammer-Präsident hat sich, noch bevor er das Amt angetreten hat, mit einem Zitat bereits derart desavouiert, dass ich mich frage, ob es ein Dienst an der Wirtschaft sein kann, solch einen Mann an die vorderste Stelle zu beordern.

Dieses Zitat darf ich Ihnen, Herr Scheuch – jetzt ist er nicht mehr da, schade –, auch wenn es Sie nicht interessiert, noch einmal zur Kenntnis bringen: Diese sollen ihren Mund halten und sich um ihren eigenen Kram kümmern! Viele von ihnen haben selbst "Dreck am Stecken". – Damit meint er ausländische Regierungschefs.

Weiters heißt es – hier meint er die Bewohner des Auslandes, die Österreich als Urlaubsland natürlich immer wieder gerne besuchen –: Wer nicht will, soll halt daheim bleiben! – Und das, meine Damen und Herren, gegenüber der EU und aus der Sicht eines Landes, das ausschließlich davon lebt, dass Fremde dieses schöne Land besuchen und dass Unternehmungen den Wirtschaftsstandort Österreich nutzen, dort Arbeitsplätze schaffen und damit auch einen Teil zum sozialen Frieden beitragen.

Meine Damen und Herren! Wir als Opposition werden aufgerufen sein, den Anfängen und den Entwicklungen dieser Koalition sehr genau auf die Finger zu schauen. Noch einmal, Herr Kollege Maier: Niemals wird es passieren, dass wir uns Fragen untersagen lassen! (Beifall bei der SPÖ.)

17.01

Vizepräsident Johann Payer: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer. Ich erteile ihm dieses.

17.01

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Staatssekretärin! Zunächst möchte ich einmal sagen, dass ich stolz darauf bin, Österreicher zu sein (Bundesrat Marizzi: Da sind Sie nicht allein!) – nicht, weil ich mir etwas darauf einbilde, denn ich weiß sehr wohl, dass man in ein Land hineingeboren wird, sondern deshalb, weil die Menschen dieses Landes im Rahmen einer sozialen Marktwirtschaft und einer pluralistischen Demokratie ein Land aufgebaut haben, das heute zu den reichsten Ländern zählt, das auch zu den schönsten Ländern zählt, nicht nur wegen der Landschaft, sondern auch wegen der Architektur, weil wir ein soziales System haben, das zu den humansten gehört, und weil wir auch ein großzügiges Volk sind. Das sage ich nicht nur deshalb, weil wir dazu neigen, im Kaffeehaus 10 Prozent Trinkgeld zu geben, sondern auch angesichts des Engagements der Österreicher zum Beispiel bei der Aktion "Nachbar in Not".


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Ich glaube also, dass es viele Werte in diesem Land gibt, die wir nicht ansatzlos aufs Spiel setzen sollten. Einer dieser Werte ist, dass die Majestät in der Demokratie der Wähler ist. Niemand anderer ist diese Majestät. (Bundesrat Marizzi: Wer hat diese Majestät beleidigt? Wer hat gesagt, als Dritter geht er in Opposition?)

Für den Nationalrat hat sich nach den Wahlen folgender Mandatsstand ergeben: Die Koalitionspartner ÖVP und FPÖ würden gemeinsam auf 104 Mandate kommen, die Sozialdemokratie hat 65 und die Grünen, so glaube ich, 14 Mandate. Das heißt, dass der Sozialdemokratie die Ausgangslage nach der Wahl klar sein musste: Es gibt drei mittelgroße Parteien, von denen sich wohl zwei finden müssen, damit es eine Mehrheit gibt, und wenn es diese Mehrheit gibt, dann ist sie legitim.

Es war die Sozialdemokratische Partei, die gesagt hat: Es gibt die Freiheitlichen, mit denen wir aber eigentlich gar nicht wollen! – Man hört zwar auch anderes, aber bitte. – Das ist auch legitim, wenn man sagt, dass man mit einer Partei keine Koalition eingehen will. Das ist okay. Wenn man dann mit einer anderen, eigentlich der einzig möglichen Partei verhandelt, dann kann man doch davon ausgehen, dass auch diese Partei ihre Verhandlungspositionen vehement vertreten wird. Und wenn das dann zu dem Ergebnis führt, dass man mit den einen gar nicht spricht und die Verhandlungen mit den anderen abbricht und sagt: Nein, wir machen es lieber allein!, dann muss ich sagen, das darf es in einer Demokratie nicht geben. Das kann sich nicht ausgehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Fuchs: Die Sichtweise ist schon ein bisschen beeinträchtigt, glaube ich!)  – Aber ich glaube, klarer als Ihr Blick.

Ich darf die Rechnung noch weiterführen: Wenn man dann bedenkt, dass von den 65 Mandataren der SPÖ im Nationalrat die Anzahl der Gewerkschafter abgezogen, noch ungefähr 45 Mandatare übrig bleiben, die den eigenen Koalitionspakt mitgetragen hätten, dann muss ich sagen: 45 von 183 – das ist schon gewaltig, wie wollen Sie da zu Ihren Mehrheiten kommen?

Der Rechtsstaat ist darauf aufgebaut, dass der Wähler in der Demokratie die Majestät ist, und das spiegelt sich in den Mandaten wider. Andere Momente wie Hausbesetzungen, Drohungen et cetera können kein Äquivalent dazu sein, was der Wähler entschieden hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, wer dieses Land in den letzten Jahrzehnten geführt hat, und ich glaube durchaus, dass diese zwei Kräfte, Sozialdemokratie und Volkspartei, sehr viel für dieses Land geleistet haben. Ich verbeuge mich auch vor den Leistungen der Sozialdemokratie, vor Renner, Schärf, Vranitzky (Bundesrat Marizzi: Kreisky!)  – Kreisky, Herr Marizzi, wie hätte ich den nur vergessen können (Bundesrat Marizzi: Aber Sie haben ihn vergessen!)  –; viele Funktionäre der Sozialdemokratie haben vieles für dieses Land geleistet.

Dass ich den selben Respekt vor den Christdemokraten habe, werden Sie verstehen und wird Sie auch nicht irritieren. Ich stehe auch nicht an, zu sagen, dass auch ich – ich sitze seit einigen Jahren im Bundesrat, in denen die Freiheitliche Partei Oppositionspartei war – mich bei mancher Kritik öfters gefragt habe: Von welchem Land spricht diese Freiheitliche Partei eigentlich? – Aber wenn man nüchtern bleibt und die Spielregeln in der Demokratie betrachtet, dann weiß man, man wird wohl auf der ganzen Welt keine Opposition finden – es zeichnet sich auch bei Ihnen dieser Trend nicht ab –, die die Regierung bedingungslos unterstützt. Wenn ich bedenke, wie oft wir uns gemeinsam όber Emotionen und vermeintliche Untergriffe geδrgert haben, und das dann mit dem Auftritt des Kollegen Konecny vergleiche – roter Kopf, laute Stimme –, dann muss ich sagen, das unterscheidet sich eigentlich nicht von dem, was wir bereits erlebt haben. Das ist bei nüchterner Betrachtung vergleichbar.

Meine Damen und Herren! Ich bin nicht der Verteidiger der Freiheitlichen Partei, die Freiheitliche Partei ist nicht der Verteidiger der Volkspartei. Das sind zwei eigenständige Regierungspartner, aber eines möchte ich schon sagen: Ich habe mich auch schon über die Freiheitliche Partei sehr geärgert, aber ich kann mich nicht erinnern, dass sie versucht hat, außerhalb der parlamentarischen Demokratie Wahlergebnisse zu beeinflussen. Ich erinnere auch an die Aussagen in den letzten Tagen, als die Freiheitlichen gemeint haben: Wenn Rot und Schwarz noch einmal


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zusammengehen, dann gefällt uns das zwar nicht, und zwar im Hinblick auf eine politische Veränderung in diesem Land, aber wir werden die Opposition weiter machen und werden halt das nächste Mal noch stärker werden! – Das ist eine legitime Ansage in der Demokratie, die sich von dem gegenwärtigen Verhalten der Sozialdemokratie – das muss ich sagen – angenehm unterscheidet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es ist sehr wortreich und durchaus ins Detail gehend aufgezeigt worden, dass man in der Genesis des Herrn Dr. Haider, der nun auch seit fast 15 Jahren Parteiobmann der Freiheitlichen Partei ist, durchaus einen Zickzackkurs erkennen kann. Ich stimme dem zu. Ich stimme diesen Widersprüchen, die hier dargestellt worden sind, zu, ich streite die historische Wahrheit im Großen und Ganzen nicht ab, dass das auch als Zickzackkurs interpretiert werden muss. Aber eines möchte ich schon auch sagen: Er ist nicht der Einzige, er ist nicht der Einzige in diesem Land, er ist nicht der Einzige in Europa, und er ist nicht der Einzige auf der Welt. Diesbezüglich sollten wir schon die Kirche im Dorf lassen. (Bundesrätin Fuchs: Bekenntnis ist der erste Schritt zur Besserung! – Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Konecny. )

Herr Konecny! Ich habe einmal Aussagen von Ihnen aus dem Jahr 1968 gelesen; das war auch eine lustige Zitatensammlung, und ich glaube nicht, dass Sie heute noch 100-prozentig dazu stehen. Der Bundesgeschδftsfόhrer der SPΦ hat zu einem Zeitpunkt mit dem Moskauer Boden geschmust, als es die Sowjetunion noch gegeben hat. Ich glaube nicht, dass das jetzt als seine erste Aktion gezählt werden sollte. Bundeskanzler Vranitzky, der sehr viel für dieses Land getan hat, der immerhin wesentlich dazu beigetragen hat, dass es nach Europa gekommen ist, war auch einer, der sich beeilt hat, in dem Regime der DDR noch schnell einmal einen Handshake zu machen, während diese schon beim Zusperren waren. Also man muss auch hier die Kirche im Dorf lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Sie zitieren zu Recht Erhard Busek. Wir können aber genauso zu Recht Helmut Zilk zitieren, der in einer sehr bemerkenswerten Art und Weise als Sozialdemokrat im deutschen Fernsehen reagiert hat und eindeutig das Land vor die Partei gestellt hat. Der heutige Bürgermeister von Wien hat mit seinem Zitat, dass man im Bedarfsfall die Volkspartei in die Regierung zwingen muss, ein gehöriges Schäuferl dazu beigetragen, dass die Funktionäre der Volkspartei immer weniger mit der Sozialdemokratie zusammenarbeiten wollten. Das war ein toller Beitrag des Wiener Bürgermeisters. Aber ich möchte – Kollege Marizzi hat mich vorhin schon ermahnt, Bruno Kreisky nicht zu vergessen – auch Bruno Kreisky zitieren, der einmal gesagt hat, er lasse sich von niemandem verbieten, klüger zu werden. – Das steht auch jedem hier im Raum offen, das schließt auch Herrn Haider und die neue Opposition mit ein. (Bundesrat Prähauser: Ein wahres Wort!)

Eine große Frage stellt sich für mich angesichts der Wucht, mit der die Sozialdemokratie gegen eine Regierung, die noch nicht einmal angelobt ist, vorgeht: Wer in diesem Land hat ein Interesse daran, dass es zu einer Normalisierung kommt? Wer von der Sozialdemokratie ist interessiert daran, dass die Freiheitliche Partei durch die Regierungsverantwortung in Positionen kommt, denen Zähne genommen werden, die nicht die Zustimmung vieler gefunden haben? – Wenn man die Sozialdemokratie dazu einladen würde, eine Freiheitliche Partei nach ihrem Wunsch zu gestalten, dann – den Eindruck habe ich – würde sie sich genau solch eine Partei zusammenbauen, die sich sozusagen in ihren Zitaten abzeichnet. Warum? – Der strategische Politikansatz einiger strategisch durchaus kluger Sozialdemokraten – man muss sich nicht an alles halten, was ein kluger Stratege in der Positionierung plant – war natürlich immer: Wenn die Freiheitliche Partei nicht regierungsfähig ist, dann kann die Macht der Sozialdemokratie länger erhalten bleiben, weil sich die Optionen erübrigen. Und diese Optionslosigkeit, die Tatsache, dass man nur mit den Sozialdemokraten zusammenarbeiten kann, ist das erklärte Ziel. Wenn man all Ihren Reden Glauben schenkt, kommt man zu dem Schluss: Es gibt in Österreich nichts anderes als einen sozialdemokratischen Bundeskanzler! Alles andere darf nicht sein.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Viele von Ihnen verwechseln die Republik mit der Partei! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Das ist mir als gelerntem Wiener übrigens nichts Neues.


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660. Sitzung / Seite 53

In der "neuen Regierung" haben sich zwei im Wesentlichen gleich starke Parteien wieder gefunden. Ich glaube, knapper kann der Abstand wohl nicht sein. Wenn man bedenkt, dass erstens die Freiheitliche Partei nur knapp über 400 Stimmen mehr als die Volkspartei gehabt hat und zweitens die Volkspartei in der zweiten Kammer der Gesetzgebung deutlich stärker ist, so ist es durchaus eine offene Frage, wer in solch einer Partnerschaft den Bundeskanzler stellt. Und natürlich ist es dieser "neuen Regierung" schon positiv anzumerken, dass sie in den Personalfragen nicht diese Probleme gehabt hat wie die Sozialdemokratie. Noch etwas, weil immer wieder gesagt wird – und zwar so, als ob das etwas Unanständiges wäre, als ob das das Schlimmste wäre –, Wolfgang Schüssel wollte nur sein persönliches Ziel, Bundeskanzler zu werden, erreichen: Jeder Spitzenkandidat einer großen Partei hat das legitime Ziel, Bundeskanzler zu werden. No na nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Wie können Sie glauben – es werden jetzt ständig Debatten geführt: Was ist gut für die Partei? Was ist gut für das Land? –, dass eine Partei wie die Volkspartei nicht auch zutiefst davon überzeugt ist, dass es für das Land besser ist, wenn ein Bundeskanzler aus der Volkspartei amtiert und nicht ein sozialdemokratischer Bundeskanzler? (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist wesentlich, festzuhalten, dass es sehr unsachlich wäre, im Rahmen der internationalen Kritik, die gegenwärtig Platz gegriffen hat, herzugehen und zu sagen: Jeder Einzelne dieser Kritiker ist ferngesteuert von der Löwelstraße! – Damit würde man es sich eindeutig zu leicht machen, das ist keine Frage. Aber angesichts dessen, was man hört, was man erfährt und was man sieht, muss ich sagen, es fällt schon sehr schwer zu glauben, dass all das nichts mit der Sozialdemokratie zu tun hat. Dieses anzunehmen fällt sehr schwer. Ich habe – ich habe schon vorhin von der strategischen Positionierung der SPÖ als einzig mögliche Kanzlerpartei gesprochen – den Eindruck, dass bei Ihnen nicht Betroffenheit, sondern nahezu Begeisterung über die Kritik aus dem Ausland herrscht (Bundesrat Gstöttner: Das hat mit Begeisterung überhaupt nichts zu tun! Betroffenheit!) und dass Sie nahezu enttäuscht wären, wenn diese Kritik verstummen würde. Jede zusätzliche Kritik wird von Ihnen wie eine Glückspille aufgenommen, und das – das muss ich sagen – enttäuscht mich als Österreicher sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir nun davon ausgehen, dass wir in dieser Situation, in der wir alle uns jetzt befinden, eine Zukunft finden müssen, dann glaube ich, dass es schon wesentlich ist zu bedenken – auch für die Sozialdemokratie –, dass der Wähler, wenn Sie sich jetzt an die Spitze der Kritik aus dem Ausland stellen, das fürchterlich bestrafen wird. Das ist kein Problem der Regierungsparteien, wir würden darüber, so glaube ich, ganz gut hinwegkommen, ich glaube aber nicht, dass das dem Land helfen würde. Ich glaube, dass es jeder Opposition zusteht, eine kritische Haltung zur Regierung zu haben, und ich glaube, dass jede Opposition auch scharf sein muss. Ich plädiere aber dafür, dass man zur Kenntnis nimmt, dass 32 Prozent der Stimmen zwar viel, aber nicht genug sind, um ein Land alleine regieren zu können.

Deswegen verwahre ich mich gegen diesen Versuch, den Österreicher jetzt umzuinterpretieren. 27 Prozent der Bevölkerung haben die Volkspartei gewählt, und 27 Prozent haben die Freiheitliche Partei gewählt, und diese zwei Parteien gehen eine Koalition miteinander ein. Man kann jetzt nicht sagen, die Österreicher wollen das eigentlich nicht. – Natürlich gibt es Österreicher, die das nicht wollen, aber es gibt eben auch viele Österreicher, die das wollen. Aus den Umfragen, die jetzt gemacht werden – deren Ergebnisse glaube ich auch nicht immer, das sage ich ganz ehrlich dazu, weil wir wissen, dass sie oft falsch sind –, geht zum Beispiel hervor, dass eine deutliche Mehrheit der Österreicher meint, diese Koalition müsse es jetzt geben. Zweifellos gibt es auch Österreicher, die ganz aggressiv meinen, sie solle es nicht geben. Das ist genauso legitim, aber die Mehrheit ist hier in diesem Hohen Haus auch klar.

Ich möchte noch kurz Herrn Zankel aus der "Kleinen Zeitung" zitieren. – Darf ich das? – Ich sehe schon das Licht leuchten. (Vizepräsident Payer nickt mit dem Kopf.) Wunderbar! – Herr Zankel schreibt in der "Kleinen Zeitung":

Der Bundeskanzler meinte, die Boykottdrohung der 14 EU-Regierungen richtet sich nicht gegen das österreichische Volk, sie richtet sich nicht gegen Österreich, sondern nur gegen die Regie


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660. Sitzung / Seite 54

rungsbeteiligung einer gewissen Partei. Diese Unterscheidung ist nicht nachzuvollziehen. Gegen wen, wenn nicht gegen das österreichische Volk, richtet sich diese Drohung? – In Artikel I unserer Bundesverfassung heißt es: "Österreich ist eine demokratisch Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus." – Und zu diesem Recht, das vom Volk ausgeht, gehört es, dass es ein Parlament wählt, auf dessen Mehrheit sich die Regierung stützt. – An sich eine banale Erkenntnis, aber es ist wesentlich, dass sie heute gesagt wird.

Ich möchte zur Abrundung noch sagen: Ich glaube, es ist tatsächlich so, dass die Gefahr besteht, dass jetzt die Emotionen in der österreichischen Bevölkerung hochgespielt werden. Es gibt solche, die diese Zusammenarbeit wollen, und es gibt solche, die diese Zusammenarbeit nicht wollen. Ich glaube, dass es im Interesse dieser Republik notwendig wäre, dass sowohl die Regierungsparteien als auch die Opposition die rot-weiß-rote Fahne im Vordergrund sehen, und dazu sind hoffentlich alle hier im Parlament vertretenen Parteien bereit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.21

Vizepräsident Johann Payer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Brunhilde Fuchs zu Wort gemeldet. Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhaltes zu beschränken.

Ich erteile Frau Bundesrätin Fuchs das Wort. – Bitte.

17.22

Bundesrätin Brunhilde Fuchs (SPÖ, Wien): Herr Bundesrat Himmer hat behauptet, die ÖVP wäre eine große Partei. Ich berichtige: Sie ist eine relativ große Partei. – Noch! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Böhm: Wie die SPÖ!)

17.22

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Robert Aspöck. Herr Bundesrat! Ich erteile Ihnen das Wort.

17.22

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als Anfänger hier im Haus habe ich mir natürlich auch die Begrüßungsworte aufgeschrieben, und da steht – das war schon vor langer Zeit –: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! – Der frenetische Applaus der sozialdemokratischen Fraktion war also weitaus verfrüht. Der Herr Bundeskanzler hat das Haus wohl aus Desinteresse seit längerem wieder verlassen.

Ob das internationale Aufheulen aus Österreich nunmehr bestellt oder nicht bestellt wurde, das bleibe dahingestellt. Man kann nur hoffen, dass die Geschichtsforschung in allerkürzester Zeit völlige Klarheit schaffen wird. Aber letztendlich, so glaube ich, kommt es gar nicht mehr so sehr darauf an. Kollege Dr. Maier von der ÖVP hat es genau auf den Punkt gebracht: Man überschüttet uns Freiheitliche hier in diesem Lande, kübelweise, und spielt dann den Betroffenen, wenn das auch im Ausland gehört wird. Es gibt ein berühmtes Buch, das etwas zu tun hat mit Biedermann, als der man sich gibt, und Brandstifter, der man ist. (Bundesrätin Fuchs: Uns fiele eine solche Ausdrucksweise nicht ein! – Bundesrat Mag. Repar: Ihr Obmann hat von der Beschäftigungspolitik im Dritten Reich gesprochen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! So sehr kämpfen die Sozialdemokraten, so sehr kämpfen Sie mit Ihrer Rolle als Opposition, die Sie nicht akzeptieren können, so sehr kämpfen Sie mit Ihrem Machtverlust, dass Sie eine – wie mir berichtet wurde – seit ewigen Zeiten bestehende Courtoisie in diesem Hause einfach wegwerfen und Jungfernreden schon mit Zwischenrufen überhäufen. Das ist doch herrlich. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Herr Kollege! Benehmen Sie sich ein bisschen jungfräulicher, dann können Sie dieses Recht in Anspruch nehmen!)  – Herr Kollege! Ich glaube, bis jetzt wurde es jedem gewährt. Aber ich verstehe die Aufregung über den Machtverlust, und das Noch-Nicht-Gelernt-Sein in der Oppositionsrolle ist halt so schwierig.


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Wir wundern uns beziehungsweise manche tun so, als ob sie sich wunderten über die Angriffe, die aus dem Ausland kommen. In Wahrheit, meine Damen und Herren, werden und wurden diese Angriffe, wie soeben dargelegt, zum Großteil immer wieder von bestimmten Leuten aus der so genannten linken Reichshälfte – um in alter Sprachform zu reden – produziert und provoziert – so schaut die Tatsache aus –, und zwar nicht von den Freiheitlichen, nicht von der Österreichischen Volkspartei, sondern von Sozialdemokraten, so genannten liberalen Grünen et cetera. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Repar. ) Ganz generell kommen Angriffe einfach von jenen, die von sich selbst einfach behaupten: Wir sind die Guten!, ohne dass das einer Frage unterzogen wird, die sich aber gleichzeitig uns gegenüber einer Sprache bedienen, die menschenverachtender und aggressiver nicht mehr sein kann. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Böhm: Richtig!)

Ich glaube, meine Damen und Herren, zum allgemeinen Lernen, zum Lernen der Oppositionsrolle und des Machtverlustes für die Sozialdemokraten, zugegeben auch zum Lernen der Regierungsverantwortung für uns ist es in erster Linie geboten, sich wieder einmal mit den Grundsätzen der Demokratie auseinander zu setzen und zu hinterfragen: Wie funktioniert denn das?

Ich zitiere: Wer absolute Wahrheit und absolute Werte menschlicher Erkenntnis für verschlossen hält, muss nicht nur die eigene, muss auch die fremde, gegenteilige Meinung zumindest für möglich halten. Darum ist der Relativismus die Weltanschauung, die der demokratische Gedanke voraussetzt. Demokratie schätzt den politischen Willen jedermanns gleich ein, wie sie auch jeden politischen Glauben, jede politische Meinung, deren Ausdruck ja nur der politische Wille ist, gleichermaßen achtet. – Hans Kelsen in seinem Werk "Vom Wesen und Wert der Demokratie". (Bundesrat Meier: Alles richtig!)

Am Ende dieses Kapitels beziehungsweise des Buches geht Kelsen auf eine der größten demokratischen Missentscheidungen in der Weltgeschichte ein. Ich brauche nicht alles zu zitieren, es geht um Barabbas und Christus: ... sicherlich eine mehrheitliche Fehlentscheidung. – Er zieht aber einen ganz anderen Schluss daraus: Vielleicht werden die Gläubigen, die politisch Gläubigen einwenden, dass gerade dieses Beispiel eher gegen als für die Demokratie spreche, und diesen Einwand muss man gelten lassen – freilich nur unter einer Bedingung: wenn die Gläubigen ihrer politischen Wahrheit so gewiss sind wie der Sohn Gottes.

Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei – so hoffe ich zumindest –, sind nicht der Meinung, dass Sie im Besitz der absoluten Wahrheit sind. Denn würde ich dem folgen, dann wären Sie nach den Ausführungen Kelsens ja undemokratisch. Da ich aber überzeugt bin, dass Sie Demokraten sind, ersuche ich Sie, die Spielregeln der Demokratie sine ira et studio ganz einfach jetzt einmal aus der Oppositionsrolle zu akzeptieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.28

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ludwig Bieringer. Ich erteile ihm dieses.

17.29

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute hat die Sozialdemokratische Partei, obwohl sie nach wie vor noch Regierungsverantwortung trägt, die demokratisch schärfste Waffe der Opposition wahrgenommen und eine dringliche Anfrage gestellt. Damit hier kein Missverständnis entsteht: Das ist legitim, das ist auch in Demokratien üblich, unüblich ist lediglich, dass Regierungsparteien dringliche Anfragen stellen. Dennoch hat die Frau Staatssekretärin diese Anfrage sehr eindrucksvoll beantwortet, und dafür möchte ich mich bei Ihnen, geschätzte Frau Staatssekretärin, sehr herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, der Verlust der Macht trifft die Sozialdemokraten am härtesten. Ich will nur drei Beispiele aufzählen.

Erstens: Als es der damalige Bundeskanzler Josef Klaus nach dem 6. März 1966 gewagt hat zu sagen: Wenn keine Regierungsverhandlungen mehr stattfinden können beziehungsweise eine


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660. Sitzung / Seite 56

Regierung der großen Koalition nicht mehr zu Stande kommt, dann wird die ÖVP eine Alleinregierung machen!, war die Folge – das hat Josef Klaus noch einmal wiederholt –, dass er das einzige Mal in seinem Leben Polizeischutz gebraucht hat, weil er sehr viele beunruhigende Anrufe bekommen hat. Ich will hier gar nicht wiedergeben, was der Inhalt dieser Anrufe war.

Zweites Beispiel: Als sich abzeichnete, dass es die österreichische Bevölkerung mit der Wahl des damaligen Präsidentschaftskandidaten der Österreichischen Volkspartei Kurt Waldheim wagen würde, eine sozialistische Domäne, nämlich die Hofburg, zu stürzen, wurde eine braune Vergangenheit konstruiert. Und als sich herausgestellt hat – das wurde nicht von irgendwelchen Österreichern untersucht, sondern von internationalen Fachgremien –, dass nichts und schon gar nichts dran ist, hat man ... (Bundesrat Prähauser: Ein bissel die Wahrheit verfälscht war schon!)

Herr Kollege Prähauser! Du hast das Kunststück fertig gebracht, via "Salzburger Nachrichten" zu verkünden, dass der Tross des Dr. Kurt Waldheim in einem Gasthaus gesessen hätte, ohne die Zeche zu begleichen – es war die "Goldene Gans"; das kannst du in den "Salzburger Nachrichten" nachlesen, ich werde den Artikel vervielfältigen und ihn hier verteilen lassen –, obwohl Kurt Waldheim nie in diesem Gasthaus gewesen ist. Das hast du bis heute nicht widerrufen! Man kann nicht von anderen verlangen, sie sollen etwas widerrufen, wenn man selbst etwas gesagt hat, was nicht in Ordnung ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Das ist völlig aus der Luft gegriffen!)

Meine Damen und Herren! Heute kommt die gleiche Verschwörertheorie, heute kommt sie genauso wieder über das Ausland hereingespielt. Nur sind heute viele Journalisten schon wachsamer geworden, als das früher der Fall war. Ich werde mir daher erlauben, nicht mehr und nicht weniger zu tun, als den Standpunkt der "Salzburger Nachrichten" vom 2. 2. dieses Jahres zu zitieren. Alexander Purger schreibt unter der Überschrift "Viktor und die Internationale" Folgendes:

"Viktor Klima glaubt also, dass ihn die EU, die derzeit eine erweiterte Sozialistische Internationale darstellt, doch noch auf dem Kanzlersessel festkleben wird. Das sei ihm unbenommen. Der Glaube versetzt Berge, vielleicht schafft er auch noch die Demokratie ab.

Die Unverfrorenheit, mit der hier über die ausländische Bande gespielt wird, überrascht aber doch: Nein, die Kritik der EU richte sich nicht gegen Österreich, sondern bloß gegen die FPÖ, versichert Klima am Dienstag rotäugig. Dem ist – mit Verlaub gesagt – nicht so: In ihrer montägigen Erklärung droht die EU ausdrücklich, dass sie keine österreichischen Kandidaten für internationale Positionen mehr unterstützen wird. Nicht von FPÖ-Kandidaten ist die Rede, sondern von Österreichern – also von einer Menschengruppe, die zu drei Viertel nicht die FPÖ gewählt hat und nur den Fehler aufweist, Österreicher zu Eltern zu haben. Dass die SPÖ eine Antwort auf diese glatt rassistische Erklärung der EU verhindert hat, spricht Bände.

Außerdem muss man sich fragen, wo die EU-Besorgnisträger waren, als der Schlamassel seinen Ausgang nahm. Nämlich als sich Viktor Klima nicht als Parteiobmanns genug erwies, die gesamte SPÖ hinter jenem Pakt zu versammeln, den er selbst mit der ÖVP fertig ausverhandelt hatte. Das – und Klimas im Rückblick lächerliches Beharren auf einen SPÖ-Ministerposten – haben schwarzblau als einzige Option übrig gelassen.

Aber um solche Details kann sich das Ausland nicht kümmern. Schließlich geht es um die Völker-Freundschaft."

Meine Damen und Herren! Dem habe ich an und für sich nichts mehr hinzuzufügen. Nur eines ist mir auch eingefallen, als ich heute die Herren Kollegen Konecny und Prδhauser reden hφrte. Mir ist ein Lied eingefallen, das nicht fόr meine Partei geschrieben wurde. Es lautet: Brόder, hφrt die Signale, auf zum letzten Gefecht ... (Rufe bei der SPÖ: Völker! Völker! Völker! – Bundesrat Prähauser: Man muss es ja nicht kennen!) Brüder, hört die Signale ... (Rufe bei der SPÖ: Völker! Völker! Völker! – Bundesrat Prähauser: Höret die Signale!) Bitte schön: Völker, hört die Signale, auf zum letzten Gefecht!


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Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, dass Sie mit viel Dramatik hier agieren ... (Bundesrat Kone
cny: Erhard Busek hat das noch mitsingen können!) Ich bin nicht verantwortlich für Erhard Busek. Wir haben jetzt einen neuen Parteiobmann, der Wolfgang Schüssel heißt, und er würde so etwas niemals tun! Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Konecny! Erhard Busek in Ehren, aber die Sozialistische Internationale hδtte nicht einmal Erhard Busek singen müssen. Das zu machen, lassen wir Ihnen gerne über, da können Sie dann auch nach Moskau fahren, aber ich würde Sie bitten, nicht den Boden zu küssen. Lassen wir das anderen über, die dazu berufener sind! (Heiterkeit bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben den Herrn Bundeskanzler herzitiert, weil wir von ihm Antworten haben wollten. (Bundesrätin Mag. Trunk: Und wir von Schüssel! – Bundesrat Winter: Hätten Sie ihn etwas gefragt!) Frau Kollegin! Die Mehrheit hat in der Demokratie immer noch Recht, und wenn die Mehrheit etwas beschließt, dann ist es die Mehrheit. Das werden Sie in Zukunft öfter zur Kenntnis nehmen müssen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen nur das eine: Keine Antwort ist auch eine Antwort! Das ist bezeichnend, und jetzt glaube ich, dass all das stimmt, was die Kommentatoren geschrieben haben: Keine Antwort ist auch eine Antwort! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Keine Frage ist gekommen!)

17.38

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Erhard Meier. Ich erteile ihm dieses.

17.38

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! "Der Holocaust ist nicht nur das größte Verbrechen des 20. Jahrhunderts, er ist eine der monströsesten Untaten der Geschichte der Menschheit. Wer das nicht klar und deutlich sagt, ist ungeeignet, öffentliche Verantwortung national oder international zu übernehmen. Er hat in der Politik und in Staatsämtern nichts zu suchen. Wer den Holocaust leugnet oder verharmlost, verfügt nicht über jene humane Grundausstattung, die die Voraussetzung jeder verantwortungsvollen Politik ist.

Ich komme aus einem Land, in dem die Bilanz des Holocaust besonders grauenhaft ist. Bis 1938 lebten in Österreich bis zu 180 000 Juden, innerhalb von einigen Jahren wurden mehr als 60 000 vernichtet und über 100 000 vertrieben. Ich komme aus einem Land, in dem es zwei historische Wahrheiten gibt, die wir unterschiedlich wahrgenommen haben. Was in den Tagen des März 1938 begann, endete für Hunderttausende Österreicher in den Konzentrationslagern, auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkrieges, in den zerbombten Städten in der Heimat.

Aber es gibt auch eine andere historische Wahrheit, eine Wahrheit, die wir lange, viel zu lange nicht wahrnehmen wollten: Viele Bürger meines Landes haben das NS-Regime unterstützt und mitgeholfen, seine Vernichtungsmaschinerie bis zum letzten Tag in Gang zu halten. Zu wenige haben erkannt, was schon Heinrich Heine vor 150 Jahren geschrieben hat, dass zuerst die Bücher brennen, dann die Menschen. Wir haben allen Grund, eine nachdenkliche Generation zu sein." (Beifall bei der SPÖ.)

Das sprach Viktor Klima in Kopenhagen (Bundesrat Konecny: Stockholm!), Entschuldigung, in Stockholm, und Präambel hin oder her, das ist ein Text, dem alle zustimmen können. Sollten Sie daraus etwas interpretieren, würde ich das nicht verstehen.

Es dreht sich – darum habe ich Kopenhagen gesagt – auch um den dänischen Ministerpräsidenten Rasmussen, der zu den Anmerkungen der Presse gesagt hat: "I cannot confirm the content of articles in today‘s Danish press about the meeting yesterday of the Foreign Policy Committee


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of the Parliament of Denmark concerning the situation in Austria. I have not been in contact with the Austrian President and the Austrian Chancellor in this matter."

Darüber schrieb dann die von meinem Namenskollegen Dr. Maier – mit "ai", darin unterscheiden wir uns (Ruf bei der ÖVP: Hoffentlich in anderen Dingen auch!)  – zitierte Zeitung, in der es heißt: Für Westenthaler wird damit nichts anderes behauptet, als dass die höchsten Staatsrepräsentanten Österreichs für die internationale Kritik verantwortlich zeichnen und sich gegen das eigene Land gerichtet haben. – Zitatende. Ich wollte diesen Kontext herstellen, um ihn auch richtig zu interpretieren. (Bundesrat Hagen: Da müssen Sie den "Standard" lesen, da steht es deutlich drinnen!)

Meine Damen und Herren! Das, was Herr Mag. Himmer gesagt hat – ich nehme das als ernste Wortmeldung, auch die Anführung von Persönlichkeiten –, finde ich richtig, und ich möchte diese Anerkennung auch zurückgeben. Ich bitte um Verständnis, wenn ich keine Namen nenne. Man weiß nie, wo man aufhören und anfangen soll. Ich glaube, es hat in allen Parteien sehr positive Persönlichkeiten gegeben. Es hat auch Ausrutscher gegeben. Je größer eine Partei wird, umso eher wird dieses oder jenes, was wir nicht gutheißen können, vorkommen. Ich möchte in diesem Geist den Appell an Sie richten, hier nicht eine gegenseitige Verteufelung vorzunehmen.

Herr Kollege Maier! Sie haben von Abrüsten gesprochen. Ich bin für jegliche Abrüstung, auch militärisch. Aber am besten wäre, wenn gar nicht aufgerüstet würde, denn wer nicht aufrüstet, muss auch nicht abrüsten.

Auch Herr Professor Böhm hat gesagt, es gebe einige verfehlte Äußerungen des FPÖ-Obmannes, und das damit auch zugegeben. Ich finde das in Ordnung. Diese hat es auch irgendwo anders gegeben. Dass wir natürlich mehrere dieser Aussagen zitieren, ist unser Recht und noch gar keine Verteufelung.

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Benita Ferrero-Waldner! Ich möchte Ihnen sagen, dass ich Ihnen nie zutraue, in irgendeiner Weise eine Wortwahl zu treffen, die beleidigend, verletzend oder herabwürdigend wäre. Da gibt es auch viele andere Persönlichkeiten – in allen Parteien. Ich kenne Abgeordnete, aber auch einfache Mitglieder der Österreichischen Volkspartei, auch der Freiheitlichen Partei, mit denen ich in gutem Kontakt bin, die gute Nachbarn sind, mit denen wir reden können. Sie, Frau Staatssekretärin, haben hier an uns den Appell gerichtet, dass wir die Wortwahl sehr genau überlegen sollten. Ich stimme Ihnen in dieser Aussage 100-prozentig zu.

Aber, meine Damen und Herren, es sind wirklich viele problematische Worte gewählt worden – ich zitiere einige, eigentlich wäre es gescheiter, wenn ich jetzt wieder zurück in meine Bankreihe gehen würde –, alle wissen, welche ich meine. Herr Dr. Haider hat gesagt: Die Bundesregierung ist ein rot-schwarzes Narrenschiff. Er hat Österreich als Gaunerrepublik bezeichnet. Er hat gesagt: Die Bundesregierung ist ein Flohzirkus – freiheitliche Aussendung vom 20. 4. 1995. Die Bundesregierung besteht aus Schuften. Die Bundesregierung ist ein drittklassiger Raubritterstadel – freiheitliche Aussendung vom 29. 6. 1987. Die Bundesregierung ist ein Haufen Hühner, die aufgescheucht durch einen Pleitegeier ziellos herumflattern.

Das mit dem Hühnerstall liegt ihm, meine Damen und Herren, denn kürzlich hat er doch auch davon gesprochen. Eigentlich tut es mir leid, dass er es gesagt hat, ich will das gar nicht so sehr als Angriff verstehen. Er hat auf Grund dieser internationalen Kritik gesagt, es herrsche jetzt eine Aufgeregtheit im europäischen Hühnerstall, dabei sei der Fuchs noch gar nicht drinnen. (Bundesrat Prähauser: Das ist eine Drohung!) – Der Hühnerstall ist etwas Abwertendes, da flattern die Hühner herum, das ist also nicht sehr viel. Und der Fuchs – ich nehme an, dass er es selbst ist – sei noch gar nicht drinnen. Der Fuchs frisst normalerweise die Hühner, wenn er im Hühnerstall ist. (Bundesrat Marizzi: Außer er ist Vegetarier!) – Hat er das wirklich vor mit Hilfe von irgendjemand anderen?

Ich könnte mit Zitaten noch weiter fortsetzen. Aussendung des freiheitlichen Pressedienstes vom 30. 1. 1987: Der Bundesrat – wir, meine Damen und Herren! – ist ein Auszugsstüberl, ein


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Wartesaal, eine Schlafkammer der Republik. – Gute Nacht, meine Damen und Herren! Ich erspare Ihnen die weiteren Zitate. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.45

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm dieses.

17.46

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen! Kraftvoll, einstimmig, entschlossen, fast mutig tritt die EU gegen einen Finsterling auf, verteidigt die Demokratie, den Rechtsstaat, die Menschenrechte. Wird hier möglicherweise der Fall Tschetschenien zur Causa gemacht oder gar die Türkei? Wer hebt hier sein hässlich Haupt? Wer versetzt die Gemeinschaft in Angst und Schrecken? Wer alarmiert die Sozialistische Internationale, Herr abwesender Bundeskanzler? – Ich halte das ein bisschen für eine – im sportlichen Sinne gesprochen – Bad-loser-Attitüde. Man muss auch verlieren können und anständig vom Spielfeld treten. Wer ist die vermeintliche Ursache?

Die vermeintliche Ursache – Sie wissen es – ist das kleine, demokratische Österreich. Es treibt die EU zu Reaktionen. Und jetzt beschuldige ich die EU als Ganzes zu Unrecht: Es treibt Persönlichkeiten der EU zu Reaktionen, die Zweifel am Wahrnehmungsvermögen und an der Fähigkeit zur Vorausschau ganzer außenpolitischer Eliten hervorruft. – Einzigartig, unangemessen, überzogen, meine Freunde!

Der dänische Außenminister Rasmussen hat in seinem Lande schon Erklärungsbedarf. Aus seinem streng diskreten außenpolitischen Kreis sickerte es heraus, dass Rasmussen mit Klima und der portugiesischen Präsidentschaft Kontakte hatte. Er wird von seiner Partei beschuldigt, eine sozialdemokratisch-dänische Hilfsaktion zur europäischen Hilfsaktion der Sozialdemokratie ausgebaut zu haben. Wer ist es nun, der hinter dem Ganzen steht? Ist es wirklich so, dass unser Bundeskanzler eine Holocaust-Konferenz zur Rettung innenpolitisch davonschwimmen-der Felle ausgenützt haben sollte? – Dann war es eine Verhöhnung der Holocaust-Opfer. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der portugiesische Präsident – das wurde in den Medien viel zu wenig gesagt – ist nicht nur Regierungschef seines Landes, er ist auch gegenwärtig EU-Präsident und zugleich – das haben wir gehört – Präsident der Sozialistischen Internationale. (Bundesrat Bieringer: Hört! Hört!) Und damit schließt sich der Kreis irgendwo. Es ist, wie ich meine, eine Rettungsaktion für die österreichische sozialdemokratische Regierungsbeteiligung durch die Sozialdemokratie Europas in ihrem Sinne gestartet worden.

In diesem Zusammenhang erklärt sich vielleicht auch, dass der provisorisch amtierende Bundeskanzler und seine Partei einer Erklärung, die sich gegen Pauschal- und Vorverurteilungen Österreichs und dieser möglichen neuen Bundesregierung richtet, unverständlicherweise die Zustimmung verweigerten, obwohl es eine selbstverständliche Aufgabe auch einer provisorischen Bundesregierung und damit insbesondere auch des Bundeskanzlers im Rahmen seiner außenpolitischen Kompetenz ist, Österreich gegen Angriffe aus dem Ausland zu verteidigen. Das hat der Herr Bundeskanzler nicht gemacht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Frage lautet: Hat die Freiheitliche Partei den demokratischen Grundkonsens verlassen? – Nein! Auch der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ist zu entnehmen, dass Bundeskanzler Klima selbst noch vor wenigen Wochen behauptete, dass die Freiheitliche Partei durchaus den demokratischen Grundkonsens einhält. Man kann auch vernehmen, dass Österreich in der Ausländerpolitik nicht weit von der französischen Außenpolitik weg ist, und diese ist beileibe nicht von einer Rechts-Regierung geprägt.

Es erstaunt also. Es erstaunt deshalb, weil wir uns daran gewöhnt haben müssen, dass die Mitgliedsstaaten der EU schon lange nicht mehr souveräne Staaten im klassischen Sinne sind. Keines von ihnen kann seine inneren Verhältnisse nur nach eigenem Gutdünken gestalten. Als Wertegemeinschaft muss die Union die Werte schützen, auf die sie aufbaut. (Bundesrat Meier: Das tut sie!) Einen unverhüllten Eingriff in das demokratische System eines Mitglieds wie jetzt im


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Falle Österreich, die Ächtung einer politischen Partei, die ein Viertel der österreichischen Wähler in einer freien und fairen Wahl mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hat, gab es jedoch noch nie, schreibt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".

Es ist schon erstaunlich, dass bei Parteien und Regierungen Unterschiede in der Bewertung gemacht werden. Zum Beispiel sind in Frankreich die Kommunisten mit in der Regierung: Ist dort die Hungersnot ausgebrochen wie einst in der Sowjetunion, wo die Kommunisten an der Regierung waren? – Oder der ehemalige Kommunist D’Alema in Italien: Hat er seinen Staat in einen Gulag verwandelt? – Oder der ehemalige Grüne und Gegner der NATO Joschka Fischer, der es vor Jahren sehr gerne auf Straßenkämpfe hat ankommen lassen: Hat er dazu beigetragen, Deutschland in eine linksgrüne Diktatur zu treiben? Wo waren die Proteste von den Rechten, von den Linken, von den ach so großen Demokraten, die auch hier im Raume sitzen, als jene an Regierungen beteiligt worden sind? – Es gab sie nicht.

Wir sehen also daraus, es wird eine Hygiene betrieben, die ungerechtfertigt nur eine Gruppierung trifft, die das Sagen hat, und wir meinen, es trifft auch das nur zum Teil zu, dass wir eine Rechtspartei sind. Wir behaupten, wir Freiheitlichen sind die besseren Sozialdemokraten. Das sage ich Ihnen, meine Freunde von den Sozialdemokraten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben heute schon von der verbalen Abrüstung gehört. Ich glaube, das ist richtig. In Ceaux am Genfer See in der Schweiz gab es nach dem Krieg eine internationale Institution, die sich um die moralische Aufrüstung bemühte. Bemühen wir uns um moralische Aufrüstung und um verbale Abrüstung – dann können wir miteinander sehr gut leben! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie Beifall des Bundesrates Gerstl. )

17.54

Vizepräsident Johann Payer: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Michael Strugl. Ich erteile ihm dieses.

17.54

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Ich fasse meine Ausführungen ganz kurz, möchte aber die Zitatenliste des Herrn Bundesrates Meier ergänzen, weil es mir nämlich ein Anliegen und Ernst damit ist, was hier gesagt wurde, dass wir verbal abrüsten sollen, dass wir mit derartigen Aussagen aufhören sollen.

Ich verurteile diese Aussagen, die Sie zitiert haben, genauso wie Sie, möchte aber eine weitere Aussage anfügen, die Bundesrat Drochter in der heutigen Sitzung gemacht hat. Er hat gemeint: Die ÖVP legt sich mit der FPÖ ins Bett, und wer sich mit einem Hund ins Bett legt, darf sich nicht wundern, wenn er mit Flöhen aufsteht. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck. )

Ich glaube, das ist ein Stil und eine Diktion, die einfach nicht in dieses Haus gehören. Ich bin froh, dass die jungen Menschen – es war eine Schulklasse, – die auf den Besucherbänken gesessen sind, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr hier waren, weil ich glaube, dass derartige Aussagen unwürdig für dieses Haus sind.

Ich schließe mich den Ausführungen von Frau Präsidentin Haselbach zu Beginn dieser Sitzung an, die von uns allen eingemahnt hat, dass wir besonnen sein sollen. Auch wenn die Situation zu Aufregung Anlass bietet, wünsche ich mir so wie viele andere hier, dass wir das – egal, in welcher Rolle wir uns hier befinden – auch einhalten. Daher bitte ich: Nehmen wir das ernst! Auch wenn wir all das aufrechnen und abrechnen wollen, meine ich, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen wäre, damit aufzuhören und diesen Ton hier nicht mehr zu pflegen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.56

Vizepräsident Johann Payer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter zu Wort gemeldet.


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Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhaltes zu beschränken.

Ich erteile Herrn Bundesrat Drochter das Wort. – Bitte.

17.57

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe nicht gesagt: Die Österreichische Volkspartei legt sich mit einem Hund ins Bett und muss damit rechnen, wenn sie munter wird, dass sie Flöhe hat. Ich habe hier ein Beispiel angeführt, ich habe gesagt, dass ich schon sehr lange Zeit auf dem Land lebe, und da gibt es das Sprichwort: Wenn man sich mit einem Hund ins Bett legt, muss man damit rechnen, dass man am Morgen Flöhe hat. (Bundesrat Grissemann: Jetzt bekräftigen Sie ja noch, was Sie gesagt haben! – Bundesrat Mag. Gudenus: Sie sind ja ein Sophist! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn sich jemand durch dieses Sprichwort persönlich betroffen fühlt, dann tut es mir Leid. Ich habe noch ein weiteres Sprichwort verwendet und auch betont, dass es sich um ein Sprichwort handelt, das folgendermaßen gelautet hat: So, wie man in den Wald hineinschreit, kommt es auch heraus. (Beifall bei der SPÖ.)

17.58

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Christoph Hagen. Ich erteile ihm dieses.

17.58

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie ein Blitz traf mich gestern eine Überschrift in der "Presse" im Internet, welche lautete: Dänisches Blatt: EU-Protest von Klima bestellt. Noch-Bundeskanzler Klima, der jetzt leider nicht mehr da ist, soll laut dieser Zeitung bei der Holocaust-Konferenz in Stockholm bei sozialdemokratischen Regierungskollegen interveniert und diese aufgerufen haben, im Falle einer Regierungsbeteiligung der FPÖ Österreich zu isolieren und Aktionen gegen unser Land zu unternehmen. Dies hätten drei Abgeordnete der Konferenz unabhängig voneinander ausgesagt. Klima hätte dabei um Schützenhilfe gegen Haider gebeten.

Diese Pressemeldung klang für mich so unwahrscheinlich, dass ich es zuerst gar nicht glauben wollte und es mir auch nicht vorstellen konnte. Gestern Abend schaute ich wieder im Internet nach, was es Neues gibt, und da las ich die Nachricht einer deutschen Presseagentur: Regierungskreise in Paris bestätigen den dänischen Pressebericht. Im Artikel heißt es: Die Information der dänischen Presse, wonach österreichische Regierungsmitglieder die EU-Staaten zu Sanktionen gegen Wien gedrängt hätten, sind in Regierungskreisen in Paris bestätigt worden – und so weiter. Im heutigen "Standard" wird diese angebliche Vorgangsweise unter der Überschrift "Bombe oder Zeitungsente" – wer den Artikel genau gelesen hat, weiß, wovon ich rede – zwar etwas heruntergespielt, jedoch nicht bestritten, sondern durch eine Aussage des dänischen Premiers, durch ein Ausweichmanöver indirekt eher bestätigt.

Diese Sache ist so ungeheuerlich und so unglaublich, dass ich sie lieber nicht glauben würde. Wenn diese Aussage, welche von verschiedenen Regierungskreisen angeblich bestätigt wurde (Bundesrat Meier: Angeblich!), der Wahrheit entspricht, so käme das Verhalten des Bundeskanzlers einem Putsch gegen eine nicht einmal beauftragte Regierung zwischen ÖVP und FPÖ nahe. Das ist schlimm, das muss ich wirklich sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie Beifall des Bundesrates Ledolter. )

Ich bin schockiert über derartige Zeitungsberichte. Ich bin schockiert über Aussagen des Noch-Bundeskanzlers in den letzten Tagen, da er durch diese nur noch Öl ins Feuer goss, statt sich als Feuerwehrmann zu betätigen. Ich bin schockiert darüber, wie uns unser Bundeskanzler im Ausland verteidigt hat – nämlich gar nicht. Er hat auch nicht zur Aufklärung der wirklichen Tatsachen beigetragen. Das ist schockierend!


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Ich bin aber auch schockiert über die Vorgänge in unserem Land seit dem Scheitern der Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ, dass ich dazu neige, diese so genannten Zeitungsberichte beziehungsweise diese so genannte "Zeitungsbombe" zu glauben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.01

Vizepräsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Kollege. (Präsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

18.02

Bundesrat Dr. Klaus Nittmann (Freiheitliche, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Das, was Kollege Meier von der SPÖ gesagt hat, hat mich sehr beeindruckt. Ich denke, es ist Zeit, dass wir zu dem Punkt kommen, an dem wir wirklich mit einer neuen Politik anfangen. Es hat keinen Sinn, gegenseitig auf alle Zeiten irgendwelche Beleidigungen, die einmal gesagt wurden, zurückgenommen wurden, auch ernsthaft zurückgenommen wurden, immer wieder in die politische Diskussion zu werfen, denn das führt in der Bevölkerung zu einer unglaublichen Emotionalisierung, in die wir uns begeben, ohne aus der Vergangenheit gelernt zu haben.

Niemand hat sich dagegen gewehrt, als der israelische Außenminister Levy beispielsweise gesagt hat: Kampf gegen diesen Schädling, der wieder sein Haupt erhebt! – Der Sanktionsbeschluss der EU, den er verteidigt, sagt er, richte sich gegen diese Plage und gegen diesen Schädling, der wieder sein Haupt erhebt.

Oder: Die Österreicher haben bewiesen, dass sie die ganze Welt betrügen können. Die Zweite Republik sei nach dem Zweiten Weltkrieg in Sünde geboren als Frucht einer historischen Lüge der Alliierten. – Ich verstehe die Sorge, nur dürfen wir auf diese Attacken nicht mit der gleichen Münze antworten.

Ich finde es auch sinnlos – es tut mir auch im Zusammenhang mit Ihrer Rede Leid, denn das, was Sie gesagt haben, trifft den Punkt –, dass Sie dann wieder mit den Zitaten aus der Vergangenheit kommen, denen wir etwas entgegenhalten können. Genauso könnten dann wir Zitate sozialdemokratischer Politiker immer wieder aus dem Sack ziehen und damit aufeinander einprügeln. (Bundesrätin Fuchs: Solche Zitate gibt es bei uns nicht!)

Ich darf nur an Zitate eines Kärntner Landtagsabgeordneten erinnern, der dieses Goebbels-Zitat brachte, das völlig unangebracht war. Es ist doch sinnlos, wenn wir damit weiterarbeiten. (Bundesrat Freiberger: Den gibt es aber nicht mehr! Da hat es Konsequenzen gegeben! – Weitere Zwischenrufe.) – Sie haben völlig recht.

Was muss die Konsequenz sein? – Die Konsequenz muss sein, dass Sie uns die Chance geben, eine gute Regierungspolitik – das, was wir darunter verstehen – zu machen, beurteilen Sie dann diese. Wir versuchen das, und versuchen Sie, die beste Oppositionspolitik zu machen, sodass wir einander wirklich in die Augen sehen können und gemeinsam in einem dialektischen Prozess das Beste für diesen Staat machen. Sagen wir nicht gleich: Weil das von der SPÖ kommt, ist es furchtbar. – Derzeit ist das nur deshalb so, weil die SPÖ nicht damit fertig wird, sich von der Macht zu verabschieden. (Bundesrat Meier: Das haben Sie ja bisher getan, meistens!)

Ja, aber jetzt beginnen wir mit einer neuen Politik. Wir versuchen wirklich – bitte, geben Sie uns die Chance –, eine gute Regierungspolitik zu machen, die Beste nach unseren Möglichkeiten, und machen Sie jetzt Oppositionspolitik; darin werden Sie sich auch einlernen müssen. Geben Sie uns die Chance, wir geben Ihnen die Chance! – Versuchen wir das in diesem Haus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.05

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.


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660. Sitzung / Seite 63

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Dringliche Anfrage

der Bundesrδte Mag. Dietmar Hoscher, Albrecht Konecny und Genossen an den Bundesminister fόr wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Auswirkungen der Regierungsbeteiligung der FPΦ auf den Wirtschaftsstandort Φsterreich – drohender Verlust von Arbeitsplätzen (1681/J-BR/00)

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung der dringlichen Anfrage der Bundesrδte Mag. Hoscher, Professor Konecny und Genossen an den Herrn Bundesminister fόr wirtschaftliche Angelegenheiten.

Da diese Anfrage inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Mag. Hoscher als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

18.06

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Erlauben Sie mir, bevor ich in die Begründung eingehe, noch zwei Feststellungen zu meinen Vorrednern.

Zuerst zu Kollegen Aspöck bezüglich der Zwischenrufe: Lesen Sie die Zwischenrufe Ihrer Fraktion zu meiner Jungfernrede. Ich glaube, es hat uns beiden nicht schlecht getan, dass wir hier gleich voll ins Geschäft eingestiegen sind. (Bundesrat Dr. Aspöck: Ich habe keine Schwierigkeit damit!) – Eben. Ich auch nicht.

Zu dem von mir sehr geschätzten Kollegen Himmer: Er hat gemeint, die Sozialdemokratie würde die Parteipolitik über das Staatsinteresse stellen. Dazu ein kurzes Zitat von der ÖVP-Fraktionschefin im EU-Parlament, die zu dieser ganzen Sache meinte: Ich bin zerrissen. Schüssel darf jetzt nicht in die Knie gehen, denn sonst droht der ÖVP eine Zerreißprobe. Dann steht die Parteispitze und damit Schüssel zur Disposition. – Zitatende. Es stellt sich also die Frage, wem es um Parteipolitik geht.

Nun zum Thema: Ich meine – wir brauchen die Zitate aus der vorhergegangenen Debatte nicht zu wiederholen –, dass wir im Moment sicher eine außenpolitische Krise haben, die wahrscheinlich die größte außenpolitische Krise seit 1945 ist. Die negativen Reaktionen beschränken sich nicht auf die Europäische Union, sondern sie gehen weit darüber hinaus. Sie kommen von den USA, Israel, Norwegen, Polen und so weiter. Dass diese Situation nicht ohne Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und die Wirtschaft bleiben kann, ist wohl klar, ist in jedem Einführungslehrbuch in die Nationalökonomie nachzulesen, wobei wir aber gar nicht diese Lehrbücher brauchen: Da Sie mir vielleicht nicht glauben, zitiere ich die "Presse" vom 2. Februar 2000 – die "Presse" ist nicht gerade das sozialdemokratische Leitorgan in diesem Land. Die "Presse" schreibt also in diesem Leitartikel: Österreich hat in Europa nun jenen Paria-Status, der der Wirtschaft gerade noch gefehlt hat. Wer jetzt behauptet, das werde keine messbaren Auswirkungen auf die Wirtschaft haben, der unterliegt derselben Täuschung wie jene, die glaubten, politisch ohne Rücksicht auf die Meinung der europäischen Verbündeten agieren zu können.

Weiter: Wer glaubt, dass schlechtes Image auf Dauer nicht geschäftsschädigend ist, der möge sich überlegen, wieso große Konzerne Unsummen in Imagewerbung stecken. – Zitatende.

Genau um dieses Image geht es auch, das Österreich derzeit im Ausland hat, das die Wirtschaft mit Sicherheit trifft. Daher war ich auch etwas erstaunt über die erste Reaktion von Bundesminister Farnleitner, der meinte, er sei von der Kritik überrascht. Ich glaube, wir alle sind von der Vehemenz der Kritik überrascht worden. Er meinte aber auch, er sehe im Moment keine


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Indizien dafür, dass es Nachteile für die österreichische Wirtschaft geben werde. Das überrascht mich deswegen sehr, weil ich Minister Farnleitner eigentlich anders kennen gelernt habe.

Zur Struktur der Wirtschaft, um zu verstehen, welche Reaktionen da unter Umständen zu erwar-ten sind: Die Außenhandelsverflechtung mit der EU ist äußerst groß. 69,2 Prozent der Gesamtimporte und 63,3 Prozent der Gesamtexporte werden mit der EU abgewickelt. Ein wesentliches Problem gerade in einem kleinen Land, das eine sehr hohe Außenhandelsverflechtung mit der EU aufweist wie Österreich, ist, dass wir praktisch über keinen Wirtschaftsbereich verfügen, in dem wir eine nicht-substituierbare Marktmacht hätten.

In Zeiten der Globalisierung ist das insofern ein wesentlich stärkeres Problem, als es vielleicht früher der Fall war, da die Konkurrenten relativ rasch agieren und reagieren, wie es auch wir täten und in verschiedenen Bereichen in der Vergangenheit auch getan haben, um Marktanteile abzuwerben. Das geht relativ rasch. Es werden unter Umständen Positionen und Marktanteile verloren gehen, bei denen es sehr lange dauern wird, bis diese wieder erringbar sein werden. Das bedeutet, dass durchaus die reale Gefahr besteht, dass Zehntausende Arbeitsplätze in Gefahr geraten. (Bundesrat Steinbichler: Worauf begründen Ihre ...?) – Wenn Sie mich weiter ausführen lassen, komme ich dazu.

Zum Beispiel die Wirtschaftskammer: Die Wirtschaftskammer sieht bereits die Notwendigkeit, Krisenstäbe einzurichten, Kriseninterventionen zu machen – mit Ausnahme des ÖVP-Spitzenkandidaten für die Wirtschaftskammerwahlen in Salzburg, Buemberger, der in den "Salzburger Nachrichten" mit der "grandiosen" Idee zitiert wird: Dann gehen wir halt aus der EU. – Ob das die Lösung sein wird, lasse ich dahingestellt. Ich meine, die designierte Bundesregierung ist jedenfalls auf dem besten Weg, dieses zu tun.

Massive Auswirkungen wird es insbesondere auf den Tourismus geben. Auch dazu – für den Fall, dass Sie mir nicht glauben – wieder Zitate, etwa von Heinrich Wagner, dem Tourismusdirektor von St. Anton – so nebenbei Tirols längst dienender Tourismusdirektor –, der meinte: Auch jenseits des großen Teiches seien kritische Töne zu hören. Große Reiseveranstalter hätten angekündigt, wesentlich weniger Urlauber nach Österreich zu schicken, wenn eine freiheitliche Regierungbeteiligung zu Stande kommt. – Einer der Hoffnungsmärkte, über den wir in der Österreich-Werbung oft genug gesprochen haben.

Oder: Stefan Kocsi, Generaldirektor von Marriot, meinte, dass sich die heftigen Auslandsreaktionen auf Schwarz-Blau nicht so bald beruhigen werden. Man dürfe die derzeitige öffentliche Stimmung in den USA und in der EU nicht unterschätzen.

Wifo-Chef Helmut Kramer: Die negativen ausländischen Reaktionen auf die FP-Regierungsbeteiligung haben generell negative Auswirkungen auf die Wirtschaft. Kapitalmärkte und der Tourismus werden besonders betroffen sein.

Aussagen, die verschiedentlich auch getätigt werden, nämlich es seien noch keine Stornierungen eingetroffen, es sei alles nicht so schlimm, sind falsch. Erste Stornos gehen ein, es gibt erste Absagen im Fremdenverkehr und schwere Imageschäden für Österreichs Tourismus. Außerdem sind derartige Aussagen auch nicht besonders aussagekräftig, weil wir in den letzten Jahren doch zunehmend bemerkt haben, dass die Korrelation zwischen Frühbuchungen und dem tatsächlichen Urlaubsverhalten im Abnehmen ist. Das heißt, dass eine wesentliche Verhaltensänderung der Touristen Platz gegriffen hat. Es kommt immer mehr zu Spätbuchungen, zu Spontanurlauben, zu Kurzurlauben, sodass im Moment überhaupt noch nicht abschätzbar ist, wie krass die Auswirkungen sein werden. Wie gesagt: Es gibt bereits Stornierungen. (Bundesrat Dr. d'Aron: Sind Sie aus der Branche?) – Ich habe als Wissenschaftler im Tourismusbereich begonnen, ja. (Bundesrätin Haunschmid: Jetzt auch noch?) – Selbstverständlich bin ich jetzt auch noch in der Tourismusbranche. (Bundesrat Dr. d'Aron: Auf der Unternehmerseite!) Ich bin auf der Unternehmerseite in der Tourismusbranche.

Das ist auch – für den Fall, dass Sie mir trotzdem nicht glauben – im Tourismusbericht des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten, der heute zur Verteilung gelangt ist, nachzulesen.


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Der Tropenmediziner-Kongress in Innsbruck wurde abgesagt. (Bundesrätin Schicker: Radiologen-Kongress in Wien!) Weitere besorgte Anfragen bezüglich Kongressen in Wien sind eingegangen. Es wird uns sehr treffen, wenn es Ausfälle im Kongress-Tourismus – nur so nebenbei: ein wesentliches Standbein des Städtetourismus – geben sollte, insbesondere auch deshalb, weil der Kongress-Tourist bekanntermaßen besonders wertschöpfungsintensiv ist, mit Ausgaben in der Höhe von 3 000 S bis 3 500 S pro Nächtigung.

Es gibt bereits massive Anfragen – auch das ist in Reisebüros zu erfahren, wenn Sie "durchtelefonieren" – etwa von Holländern. Wenn die Holländer im Sommertourismus ausbleiben – sie sind nach den Deutschen und den Inländern die drittgrößte Gruppe –, wird das einige krasse Auswirkungen haben. – Das war zum Thema Tourismus.

Nun zur Konsumgüterindustrie. Da Sie mir, wie ich Ihren Blicken entnehme, nicht glauben, bringe ich einige Zitate von Handelsdelegierten dazu.

Frankreich: Wenn sich diese Stimmung fortsetzt, werden Tourismus und Konsumgüterindustrie schwere Einbußen erleiden. Das könne längerfristig auch auf Industriegüter überschwappen.

Der Handelsdelegierte in Großbritannien fürchtet, dass Österreichs Ausfuhren, insbesondere im Konsumgüterbereich, unter den politischen Querelen leiden.

Handelsdelegierter in Belgien: Es wird negative Auswirkungen für die österreichische Wirtschaft im Konsumgüterbereich, insbesondere bei Lebensmitteln und Bekleidung, geben.

Wir haben in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten mühsam, mit großen Anstrengungen und alle gemeinsam erfolgreich dieses berühmte "Ja zu A" aufgebaut. Inzwischen kann das "Ja zu A" zu einem Bumerang werden. Auch das wird von den Handelsdelegierten bestätigt.

Gravierend in Mitleidenschaft gezogen – Professor Kramer hat das auch angeführt – ist der Kapitalmarkt. Erste Probleme an der Börse waren bereits bemerkbar. Aktieneinführungen werden dadurch nicht gerade leichter. Die Aufbringung von Risikokapital für Unternehmen in Österreich ist eines der dringendsten Probleme, deren Lösung ansteht. Es wird nicht unbedingt leichter werden bei der Kapitalbeschaffung, insbesondere auch nicht bei den Konditionen.

Nächster Punkt: Konzessionen. Etliche Unternehmen stehen im europäischen Bereich zu Konzessionserteilungen an. Sie werden nicht im Ernst glauben, dass im Moment irgendeine ausländische Regierung – dies gilt zumindest für den EU-Bereich – einem österreichischen Unternehmen eine Konzession erteilen wird. (Bundesrat Dr. d'Aron: Das wäre aber EU-rechtswidrig!) – Das wäre nicht EU-rechtswidrig, weil sich bei der Vergabe von Konzessionen, etwa im Glücksspielbereich, selbstverständlich österreichische Unternehmen bewerben können. (Bundesrat Dr. d'Aron: Das ist Unsinn!)

Im Teletext war gestern zu lesen: Erste Zweifel an der Triple-A-Fähigkeit Österreichs werden laut. (Bundesrat Dr. Böhm: Ja, wegen der Budgetprobleme! – Bundesrat Weilharter: Adresse Edlinger!) Wenn Sie den Text weiter lesen, steht: auch auf Grund der Querelen, die hier vorhanden sind – so war es zumindest im Teletext zu lesen.

Zinsen für Staatsschulden, Staatsanleihen steigen, ausländische Direktinvestitionen werden hinterfragt. Wieder in Richtung FPÖ, wenn ich etwa an die EU-kritischen Töne denke – wobei man durchaus EU-kritische Töne anbringen kann, warum nicht? –: Die Direktinvestitionen haben sich seit dem Beitritt Österreichs mehr als verdoppelt, und zwar von 1,1 Prozent des BIP auf 2,8 Prozent des BIP. (Bundesrätin Haunschmid: Das gehört an den Herrn Finanzminister gerichtet!)

Nächster Punkt: Wir können froh sein, dass wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt in der Euro-Zone sind. Der Schilling wäre unter massiven Abwertungsdruck gekommen, würden wir nicht drinnen sein – dabei war der Euro immer ein ungeliebtes Kind von Ihnen. Das können Sie sich auch ausrechnen. (Bundesrat Dr. d'Aron: Glauben Sie das wirklich, was Sie sagen?)


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Nächster Punkt: Erklärung der portugiesischen Präsidentschaft. Unter anderem war zu hören: Keine Unterstützung für österreichische Kandidaten in internationalen Organisationen. – Dabei geht es nicht um persönliche Schicksale bei Postenbesetzungen. Wer weiß, wie in Europa, auf dem europäischen Parkett das Lobbying abläuft, kann sich ausrechnen, was passiert, wenn das tatsächlich durchgezogen wird. Dann: Gute Nacht!

Wer seine Augen noch immer vor den Auswirkungen dieses politischen Abenteurertums – etwas anderes ist es nicht – verschließt, tut dies wider besseres Wissen. Ich glaube, niemand kann bestreiten, dass hier Arbeitsplätze in Gefahr sind. Das Wachstum wird unter Druck kommen, damit steigt die Budgetbelastung, damit steigt die Notwendigkeit zusätzlicher Staatseinnahmen. Das wird den privaten Konsum dämpfen, das schlägt wieder auf die Arbeitsplätze zurück. Das heißt, eine unsägliche negative Wirtschaftsspirale steht uns da möglicherweise ins Haus.

Meine Damen und Herren! Wer die Auswirkung dieser Politik auf die Arbeitsplätze negiert, verläßt anerkannte gesellschaftspolitische Grundpositionen. Zu diesen Grundpositionen erlauben Sie mir zum Schluss noch ein Zitat aus einem Brief.

In diesem Brief heißt es: Zur inhaltlichen Frage einer Koalition mit der Haider-FPÖ kann ich Ihnen gerne nochmals bestätigen, dass die Volkspartei auf Grund bestehender Beschlüsse eine derartige Zusammenarbeit ausschließt. Dass es hier abweichende Einzelmeinungen geben kann, ändert nichts an unserer nicht verrückbaren Grundsatzposition. Gezeichnet: Mag. Wilhelm Molterer. (Beifall bei der SPÖ.)

18.18

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.18

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Frau Präsidentin! Geschätzter Bundesrat! Zunδchst eine persφnliche Bemerkung: Ich bin den Bundesrδten Konecny und Hoscher sehr dankbar dafόr, dass sie diese Fragen gestellt haben, da sie mir damit die Mφglichkeit zu einem letztmaligen Auftritt in diesem Kreis geben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Zweiter Punkt: Ich bin viel älter als Kollege Hoscher und darf ein paar Dinge wiederholen, die ich während meiner sehr langen wirtschaftspolitischen Tätigkeit erlebt habe.

Ich habe hier einmal sehr zum Unmut der Kollegin Haunschmid, wenn ich das so sagen darf, gesagt: Ich weiß, dass die Zeitungsartikel von gestern die Reden im Bundesrat von heute sind. Sie werden deswegen nicht besser.

Ich darf zwei, drei Dinge sagen – ich will niemanden beleidigen; ich sage das noch einmal, denn langsam geht es einem auf den Wecker –:

Erster Punkt: Jemand, der wie ich für Investitionspolitik in dem Land verantwortlich ist, hat die Verpflichtung, nicht die Kommentare von hier schreibenden recherchierenden oder nicht recherchierenden Journalisten zu lesen, sondern die Pflicht, mit möglichst vielen Investoren direkt, online zu kommunizieren. Ich habe in den letzten Tagen fast ein Vermögen vertelefoniert und verfaxt, um mit unseren vielen Kunden Kontakt aufzunehmen. Ich darf Ihnen eines sagen: Der Großteil der Investoren, mit denen ich gesprochen habe, liest die Organe nicht, die Sie zitieren, sondern möchte endlich wissen, was in Österreich herauskommt.

Der Faktor, der momentan bei Investoren Frust verursacht, ist, dass Österreich noch keine handlungsfähige Regierung hat und bis gestern kein Regierungsprogramm hatte, das kalkulierbar war.

Ich füge der Fairness halber hinzu, dass mir dieselben Herrschaften gesagt haben, das ursprünglich zwischen SPÖ und ÖVP verhandelte Programm wäre durchaus Standort stützend gewesen. Ich sage das noch einmal dazu, denn wenn Sie sich die Feinjustierungen anschauen,


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werden Sie merken, dass wir uns, mit Ausnahme des Budgets, für keine Benchmarks – auch nicht gegenüber unseren europäischen Nachbarn – und bei niemandem zu entschuldigen brauchen. Österreich liegt in puncto Arbeitsplatzsicherheit, Jugendbeschäftigung, Industrieproduktivität oder Forschungsproduktivität immer im Topcluster der europäischen Länder, und wir brauchen uns von so manchen wirklich keine Lehrstunden erteilen zu lassen. Das möchte ich einmal in aller Deutlichkeit gesagt haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Seinerzeit hatte ich in der Wirtschaftskammer – ich bin eben schon so alt, wie ich bin – die Aufgabe, die Folgen der Waldheim-Krise für die Wirtschaft zu analysieren. Wir haben damals die Handelsdelegierten befragt – und manche sind eben mit manchen Kommentaren so schnell bei der Hand wie schnell schießende emotionelle Persönlichkeiten in Politik und Wirtschaft.

Was die Waldheim-Krise anlangt: Es hat sich damals die Zahl der Nächtigungen von Touristen in Österreich sogar verstärkt – trotz total entgegengesetzter Prognosen. Wir haben damals gesehen, dass in der Investitionsgüterindustrie derartige Stimmungen keinerlei Einfluss haben. Allerdings ist es richtig, dass bei kurzfristigen Konsumgüterkäufen sehr emotional reagiert wird. Ich darf in diesem Zusammenhang erwähnen: Belgien hatte die verrückten Rinder – und in Österreich gab es einen Rückgang beim Rinderkonsum. Dort gab es die so genannten Dioxin-Hendeln – und bei uns gab es einen Rückgang beim Konsum von Hühnern.

So ist es aber: Bei Konsumgütern verhält sich der internationale Markt nicht logisch. Daher noch einmal: Ich glaube, dass es jetzt die wichtigste Aufgabe in meiner Rolle ist, zusammen mit internationalen Investoren jene Netzwerke aufrechtzuerhalten, die die Basis ihrer Entscheidungen darstellen.

Kurz bevor ich hier zu Ihnen in den Bundesrat kam, habe ich noch schnell nachgefragt, wie es der Wiener Börse heute geht. – Die Antwort war: Zwischen 10 Uhr Vormittag und jetzt am Abend haben wir einen fast Ein-Punkte-Anstieg, weil es in der Zwischenzeit große Bestellungen gab. (Bundesrat Marizzi: Aber gestern 2,5 Prozent minus!) Gestern allerdings gab es einen Rückgang.

In einem sollten wir übereinstimmen: Möge unser Land nie so von verrückten Kursentwicklungen abhängig werden, wie das etwa bei den USA der Fall ist, wo, wenn die Arbeitslosenrate sinkt, die Kurse verfallen, und dann, wenn die Arbeitslosigkeit steigt, die Aktienkurse sozusagen fröhliche Urständ‘ feiern. Das wollen wahrscheinlich wir alle nicht – egal, welcher Partei man angehört. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun möchte ich auf die einzelnen Fragen eingehen. – Frau Präsidentin! Wenn Sie mir erlauben, es wird ein bisschen dauern, aber ich glaube, dass dieses Gremium entsprechende Antworten verdient. Ich werde nichts verlesen – Sie brauchen keine Angst zu haben –, sondern möchte nur sicherstellen, dass nicht umsonst Statistiken erarbeitet wurden. (Der Redner hält einige Schriftstücke in die Höhe.)

Die erste Frage, die mir gestellt wurde, lautet: "Wie beurteilen Sie die negativen ausländischen Reaktionen auf eine FP-Regierungsbeteiligung im Hinblick auf den Wirtschaftsstandort Österreich?"

Ich wiederhole noch einmal, dass ich bei wirklich zahlreichen Telefonaten mit Investoren die Antwort erhalten habe: Wir treffen unsere Entscheidungen nicht emotionell. – Im Tourismusbereich ist das anders, das gebe ich zu. Bei den Investoren allerdings spielt das keine Rolle.

Da auch Herren von der ABA hier sitzen, erwähne ich Folgendes: Wir verhandeln im Augenblick mit rund 450 ausländischen Investoren. In den letzten Tagen gab es nur von dreien Alarmsigna-le. Ich betone: nur von dreien. Das heißt, nicht einmal 1 Prozent hat bis jetzt anfragemäßig reagiert.

Es ist unsere Aufgabe, mit all diesen Investoren online zu arbeiten. Ich halte nichts von Plakat-Aktionen, sondern wir arbeiten mit der entscheidenden Online-Information, mit der Betreuung jener 450 Investoren also, mit denen wir im Augenblick in Kontakt sind.


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Ich nenne Ihnen jetzt folgendes Beispiel, auch in Bezug auf Verunsicherung: Da eine amerikanische Firma ein großes Filmprojekt in Österreich hat und es in Amerika Berichte gab, man werde in Wien überfallen, haben wir den Produktionsleiter eingeladen. – Die Fortsetzung dieser Produktion wurde nach dem Wahlausgang wieder zugesagt.

In der Zwischenzeit gibt es die Ankündigung der National-Security-Einrichtung, dass sie allenfalls daran denken, etwas zu tun. Natürlich wird da wieder gefragt, denn es gibt die Regel, dass große Firmen, so beispielsweise die Spielberg Company, dann, wenn es der "Political Correctness" widerspricht, in einem solchen Land nicht drehen dürfen. Es entspricht aber auch der "Political Correctness" der Vereinigten Staaten, zuerst ein Regierungsprogramm zu analysieren und erst dann loszuschießen. Das ist, so glaube ich, einer der wichtigsten Punkte.

Daher noch einmal: Meine Antwort, als ich dazu zum ersten Mal in einem APA-Interview gefragt wurde: Was sagen Sie dazu?, war: keinerlei Reaktion. Wir hatten bis dahin keinerlei Reaktionen darauf.

Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen jetzt auf Grund von Hunderten Telefonaten beziehungsweise Faxschreiben sagen, dass es zwar marginale Reaktionen gibt, jedoch der Großteil sagt: Wir wollen das Ergebnis sehen und dieses analysieren.

Seitens einiger Investoren haben wir die Mitteilung erhalten: Wenn das kommt, was es sowohl in dem einen als auch im anderen Programm in Richtung Flexibilisierung, in Richtung raschere Reaktion im Anlagenrecht, in Richtung Reduktion des Budgetdefizits gibt, indem wir halt wirklich auf der Spender-Seite bleiben, dann wird es sogar positive Reaktionen geben.

Daher würde ich bitten, dass wir mit einer Endbeurteilung, was die Investitionsseite anlangt, einfach noch einige Tage warten. – Die Übersetzung der bisherigen Papiere ins Englische halte ich übrigens für das Wichtigere als das Lesen österreichischer Kommentare in englischer Sprache, so etwa in der "Financial Times". – Das ist unsere Bringschuld, das gebe ich gerne zu. Ich denke aber, dass das locker geht.

Ich sehe daher wirklich keine Ursache, die in Ihrer zweiten Frage geäußerten Zweifel zu bestätigen, sondern sage nur: Wir müssen vorsichtig sein.

Was den Tourismusbereich anlangt, möchte ich jetzt rasch einige Umfragewerte wiedergeben. Wir haben alle Landestourismus-Organisationen befragt, wie es im Augenblick aussieht. Die Antwort aus den meisten Bundesländern war, dass es noch keine nennenswerten Reaktionen gibt. Ich halte hier fest, dass uns Tirol vor wenigen Minuten mitgeteilt hat, dass es noch keine Kündigung dieses einen Kongresses in Innsbruck gibt; das sei lediglich eine Zeitungsente. Es gäbe lediglich Kündigungen von Teilnehmern aus den USA. Das müssen wir deutlich sehen. (Bundesrätin Fuchs: Und der Radiologen-Kongress in Wien?!) – Moment, langsam! Wir reden jetzt von dem auch von meinem Vorredner angesprochenen Innsbrucker Event.

Es muss uns klar sein – das hat auch diese Bundesländer-Liste durchwegs gezeigt –, dass es da eine sensible Buchungslage vor allem bei israelischen und bei bestimmten amerikanischen Käufergruppen gibt. Aber noch einmal: Wir haben in der Zwischenzeit die Erfahrung gemacht, dass Investoren Emissäre zu uns schicken, die schauen, ob in Wien jetzt tatsächlich jeder angegriffen und überfallen wird. – Sie waren gestern nicht dabei. – Aber bis jetzt gab es keinen Anlass dazu.

Ich meine, dass es im Tourismus weit wichtiger ist, ob die Konjunktur in Europa anspringt und Vertrauen in die Wirtschaft besteht. Aber ich möchte nichts ausschließen: Das kann vielleicht einzelne Häuser, die von bestimmten Destinationen besonders abhängig sind, durchaus treffen. Wir haben allerdings bis jetzt schwarz auf weiß von den Tourismus-Organisationen – mit Ausnahme einer Salzburger Meldung, dass eine israelische Pauschalgruppenreise mit der Absage droht –, dass es keine Absagen gibt.

Ich muss auch fairerweise sagen: Wir haben im Haus auch Mitteilungen bekommen, dass etwa Ausstellungen gefährdet sind. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Das Bundesimmobiliendepot würde


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Ausstellungen in Holland und in den USA machen. Dort wurde einmal sicherheitshalber gesagt: Ihr müsst damit rechnen, dass das allenfalls aufgekündigt wird. – Ich habe gestern mit Vertretern der Spanischen Hofreitschule Kontakt aufgenommen, die Auftritte in Antwerpen und Paris plant. Auch dort meinte man: Man werde das sofort kündigen, weil Chirac beziehungsweise die französische Regierung nein sagen wird. – In der Zwischenzeit gibt es jedoch die beruhigende Nachricht: Ihnen sind die weißen Pferde doch etwas wichtiger als dieses Gremium der 14 Parteiobmänner beziehungsweise 12, die da organisiert sind.

Da bin ich also relativ optimistisch, aber es verlangt harte Überzeugungsarbeit in der nächsten Zeit, und ich sage allen, auch meinen Mitarbeitern: Verlasst euch nicht darauf, dass das irgendwo in den Zeitungen steht, sondern das muss direkt vermittelbar sein. Daher bin ich sehr froh darüber, dass die Wirtschaftskammer und die ABA heute eine Direktinformation fertig gestellt haben, dass die Wirtschaftskammer allen EU-Handelsdelegierten gesagt hat, sie sollen nicht Rätsel raten, sondern berichten, was wirklich passiert und weltweit Berichte machen. – Ich sage gleich dazu, dass wir einen großen Teil an Investoren haben, die nicht aus Deutschland kommen.

Zur Frage: Wie beurteilen Sie die Reaktion Jörg Haiders in der "ZiB"? – Der ORF ist jetzt leider schon weg; ich hätte es auch in seiner Anwesenheit gesagt. – Da ich es seit Jahren ablehne, sozusagen mein Lebensgefühl von ORF-Sendungen abhängig zu machen und mir meine Informationen aus Primärquellen, wie etwa Internet oder BBC, hole, schaue ich mir die "ZiB" nie an. Ich gebe das gern zu, und deswegen mag mich der ORF auch nicht besonders.

Ich habe das also nicht gesehen, habe aber nachgelesen, was Jörg Haider gesagt hat. Außerdem: Immer wenn die "ZiB 1" läuft, bin ich meistens noch arbeitend unterwegs. – Ich kann also diese Frage nicht beantworten. Nicht böse sein, aber ich glaube, es soll jeder sagen, was er will. Entscheidend für uns sind Fakten, die auf dem Tisch liegen. Mir wäre auch lieber, Manches würde nicht so gesagt werden; auch von mir selbst. Sie wissen, dass auch ich manchmal eine lockere Zunge habe. Das brauche ich Ihnen hier wohl nicht zu sagen.

Welche Branchen wären am meisten betroffen? – Lassen Sie mich zunächst zum Kapitalmarkt etwas sagen. Man sollte nicht in Sendungen Äußerungen von Firmenexperten bei einem Halbsatz abschneiden; und genau das ist einem Experten gestern in einer Sendung passiert. Er hat gesagt: Das kann eine Rating-Änderung bedeuten – und sein Nachsatz wurde einfach weggeschnitten. Dieser Nachsatz lautete: ... wenn unsere Analysen zeigen, dass sich im internationalen Kapitalmarkt Schwächezeichen Österreichs, mangelnde Flexibilität, hohes Budgetdefizit und ein Nichtlösen des Pensionsproblems, herausstellen beziehungsweise im Vergleich zu anderen Ländern diese nicht adäquat gelöst werden. – Zitatende.

Ich will niemandem etwas unterstellen, aber Zitate sollte man halt nicht in der Hälfte abkürzen. – Ich kann sagen: Wir haben uns diese Nachricht heute von mehreren Menschen bestätigen lassen.

Nächster Punkt: Ich liebe meinen Freund, Professor Kramer, aber Sie wissen, dass die Wirtschaftsforscher im Regelfall erst dann agieren, wenn sie Daten haben. Wir fragen die Betriebe direkt und warten nicht, bis die Wirtschaftsforscher aufgrund von alten Statistiken Prognosen für das nächste Jahr abgeben. Sie sollten mit derartigen Dingen vorsichtiger sein. Natürlich kann es, wenn wir in der Politik daneben hauen, den Kapitalmarkt oder den Tourismus treffen. Ich bin auch sehr unglücklich über manche Funktionäre in diesem Bereich, wenn sie sagen, dann sollen sie eben nicht kommen, wenn sie nicht wollen. Ich würde jetzt justament meinen Gästen in Israel ein Fax schicken und sagen: Das Land ist sicherer, es regnet auch mehr als bei euch, und koscher essen könnt ihr auch, wenn ihr wollt. – Das ist dreimal wichtiger, als wenn sie Herrn Levy zuhören, wie er seine Suaden über Österreich loslässt.

Noch einmal: Ich meine, wir werden an den Effekten und am Ergebnis der ersten 100 oder 150 Tage beurteilt werden, daran, ob dann ein Budget steht, das Vertrauen erweckt, ob tatsächlich die notwendigen Maßnahmen gesetzt werden und ob wir uns nicht selbst – solche Situationen hat es 1960 und 1970 gegeben – plötzlich die Straße als Austragungsort für unsere


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Diskussionen wählen. Ich habe das noch als junger Ökonom als Berater von Josef Klaus und seinem Team erlebt. Damals haben wir auch geglaubt, am nächsten Tag wird der ÖGB auf der Straße sein und sich zu Tode demonstrieren. Was haben wir gemacht? – Wir haben uns zu endlosen Dialogsitzungen zusammengesetzt. Es wird gut sein, wenn man wieder den Dialog, vor allem den parlamentarischen, hochhält.

Letzter Punkt: Welche Auswirkungen werden die negativen ausländischen Reaktionen auf eine Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen auf die Arbeitsplatzsituation in Österreich haben? – Es gibt rund 450 Investitionsprojekte, die im Schnitt etwa 3 000 bis 5 000 Arbeitsplätze bringen könnten. Es gibt zwar einige Großinvestoren, die zögern. Es wurde von Herrn Muzicant, so glaube ich, in der Öffentlichkeit gesagt, dass Coca Cola vielleicht dann nicht investieren wird. Ich kann nur sagen, von den Unternehmen, mit denen wir Kontakt haben, gibt es solche Signale im Augenblick nicht. Der Punkt ist nur, wir sollten eines nicht tun: Wir sollten nicht unsere Standortvorteile, zu denen sozialer Friede und Kultur der Diskussion zählen, nicht in dieser emotionell gefärbten Situation gefährden.

Frau Präsidentin! Ich entschuldige mich, dass ich etwas lange geantwortet habe. Ich möchte mich namens der Investoren ausdrücklich bei Präsidenten Verzetnitsch bedanken, der in seiner ausgewogenen Art am Sonntag in der Fernsehsendung "Zur Sache" internationale Signale gesetzt hat, die uns umgehend zurückgemeldet wurden. Ob ihn das im Inland populär gemacht hat, ist eine zweite Frage. Aber es war sehr gut, dass auch solch moderate Worte gesprochen wurden. Daher möchte ich auch nicht Öl ins Feuer gießen, sondern sagen: Machen wir die Dinge nicht ärger, sondern bleiben wir bei der Faktenanalyse! Dafür ist entscheidend, dass dieses Land rasch eine operative Regierung bekommt, die wieder die Dinge angeht, über die wir jetzt schon zu lange diskutiert haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten von den Freiheitlichen.)

18.33

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Drochter. – Bitte.

18.33

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ihre Antworten waren nicht zu lang. Was ich vielleicht kritisch anmerken möchte, ist, dass sie eher vergangenheitsbezogen gewesen sind. Sie haben hier von Klaus und von Waldheim gesprochen. Ich weiß, Sie haben die Wirtschaftskrise nach Waldheim in der Wirtschaftskammer wirklich sehr professionell gemanagt.

Ich muss aber auch erwähnen, dass Sie, ich glaube, heute zum letzten Mal in Ihrer Funktion als Minister hier sind, Sie werden auch aus der Wirtschaftskammer ausscheiden. Sie haben davon gesprochen, dass es sehr viel Kraft bedarf, um zu verhindern, dass sich bei Anzeichen einer Krise diese ausweitet.

Sie müssen aber auch uns zugestehen, dass wir sensibel sind, wenn der Regierungspartner der Österreichischen Volkspartei, die FPÖ beziehungsweise ihr Vorsitzender Haider bis gestern Aussagen gemacht hat, die die Reputation Österreichs als Wirtschaftsstandort ohne weiteres in Frage stellen können. Ich möchte nicht auf seine Aussagen eingehen – das ist heute schon oft genug gemacht worden –, die diesen Staat, diese Republik, in der er politisch tätig ist, betroffen haben. Ich erlaube mir nur ein Zitat: Die österreichische Nation ist eine Missgeburt. (Bundesrat Mag. Gudenus: Aber was!) Ein Drittel der Beamten arbeitet gar nicht. Ein anderes Drittel schiebt Dienst nach Vorschrift. – Ich zitiere aus dem "Format" vom 27. September 1999. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist falsch! Das "Format" ist ein schlechter Zeuge! – Bundesrat Mag. Gudenus: Nicht genügend! Setzen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann verstehen, Herr Bundesminister, dass Sie vielleicht froh sind, der künftigen FPÖ-ÖVP-Regierung nicht unbedingt angehören zu müssen.


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Sie haben schon erwähnt, dass Sie – ich kann mich gut daran erinnern –, bevor Sie zum Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ernannt wurden, viele Jahre wichtige Funktionen in der Bundeswirtschaftskammer bekleidet haben. In dieser Zeit haben wir gemeinsam die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber – so habe ich das in Erinnerung – vertreten und immer den gemeinsamen Erfolg zum Wohle dieses Landes und vor allem der Menschen dieses Landes angestrebt. Ich sage hier sehr selbstbewusst, es ist uns auch gelungen, diesem Land Wohlstand und Ansehen zu bringen.

Herr Bundesminister! Ich möchte Ihnen wirtschaftliche Kompetenz bestätigen und nicht absprechen. Wäre dies anders, wäre das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Wie die Wirtschaft in Europa und weltweit funktioniert, wissen Sie aus eigener Erfahrung beziehungsweise aus den Informationen, die Sie seit Ihrer Zeit in der Wirtschaftskammer von den Außenstellen regelmäßig über-mittelt bekommen, und von ständigen Kontakten. Ehrlichkeit kann man Ihnen auch nicht absprechen, Herr Bundesminister, das ist nicht bei vielen Politikern der Fall. Sie haben als einziger ÖVP-Minister dieser Bundesregierung, als Sie dazu befragt wurden, gesagt, dass Sie über die Budgetsituation in unserem Land Bescheid gewusst haben.

Sie waren für meine Begriffe in den letzten Tagen etwas zu still – vielleicht mangelt es Ihnen an Mut –, als die Wirtschaft und ihre Interessenvertretungen, die Industriellenvereinigung, die Wirtschaftskammer, vertreten durch Dr. Mitterer, Dkfm. Fritz, Ing. Maderthaner und den Vorsitzenden des Wirtschaftsbundes Dr. Leitl, um Hilfe gerufen haben, als es darum ging, zu verhindern, dass Österreich durch eine FPÖ-ÖVP-Regierung Schaden erleidet. Sie haben für meine Begriffe zu wenig gewarnt und darauf hingewiesen, wie sensibel die Wirtschaft, die Unternehmen, die Konzerne auf politische Instabilität, auf politische Unsicherheit reagieren.

Wir alle, die wir mit beiden Beinen in der Wirtschaft stehen, wissen, dass das Ansehen eines Landes, die Qualifikation der Menschen, Stabilität und Sicherheit immer ganz wesentliche Voraussetzungen dafür sind, dass in Österreich investiert wird, auch von großen Konzernen.

Nicht die großen Unternehmen und Konzerne werden im Falle von Instabilität und weniger Sicherheit Schaden erleiden, denn diese reagieren, wie wir wissen, sehr rasch. Wir leben in einer globalen wirtschaftlichen Welt. Die Geschädigten, die Betroffenen, welche eine versalzene Suppe einer etwaigen Regierung Dr. Haider und Dr. Schüssel auslöffeln werden müssen, sind die von uns und insbesondere von Ihnen immer so gelobten kleineren und mittleren Unternehmer, die Handwerker und auch die Arbeitnehmer. Aus dieser Sorge heraus müssen Sie auch unsere Kritik und unser intensives darauf Aufmerksam-Machen verstehen.

Die künftige Politik der FPÖ-ÖVP-Regierung, die von allen hier anwesenden Bundesräten der Freiheitlichen Partei und der ÖVP mitgetragen wird, hat schon große arbeits- und sozialrechtliche Auswirkungen und auch Auswirkungen auf das Einkommen. Aus dem gemeinsamen ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramm geht hervor, dass einschneidende Verschlechterungen zu erwarten sind. Ich nenne hier nur einige Beispiele: Senkung der Lohnnebenkosten heißt gleich wesentliche Einschnitte in der KV-Politik, zum Beispiel keine flächendeckenden Kollektivvertragsabschlüsse, bei der Abfertigung, beim Urlaub, bei Postensuchtagen und so weiter. In diesen Bereichen wird es laut Regierungsprogramm sehr bewusst gravierende Verschlechterungen geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ob diese Vorhaben in die Tat umgesetzt werden können, hängt in sehr hohem Maße davon ab, wie weit Arbeitnehmer solidarisch sind und die Gewerkschaften gemeinsam mit den Arbeiterkammern diesen Entwicklungen entgegen treten können. Ich persönlich bin da eher optimistisch und hoffe, dass wir die Euphorie der künftigen ÖVP-FPÖ-Regierung hinsichtlich Einschränkung der Arbeitnehmerrechte dämpfen und die Anliegen der Arbeitnehmer gewissenhaft vertreten werden können.

Sie alle hier wissen – Herr Bundesminister, Sie haben es auch erwähnt –, dass es hinsichtlich der österreichischen Wettbewerbsfähigkeit und somit auch für die Wirtschaft wichtiger ist, auf die Lohnstückkosten als auf die Lohnnebenkosten zu achten. Diese sind ein entscheidender Faktor im Wettbewerb, vor allem im internationalen Wettbewerb. Österreich nimmt da einen sehr hohen Rang ein, der sich stetig verbessert. Das ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass


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es doch ein gegenseitiges Verständnis der Sozialpartner gibt, das auch in politisch, in parteipolitisch oder regierungspolitisch schwierigen Zeiten immer wieder gehalten hat.

Da Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, heute den letzten Tag hier sind, erlaube ich mir, auch einige kritische Anmerkungen zu machen. Ich bin eigentlich enttäuscht, dass wir den Kampf gegen die illegale Beschäftigung im vergangenen Jahr verloren haben, der im Interesse der Betriebe, der Arbeitgeber gelegen wäre, da der Schaden, den die Schwarzunternehmer der österreichischen Wirtschaft seit Jahren zufügen, enorm ist. Sie wissen ganz genau, dass diese schwarzen Schafe, diese schwarze Herde in der österreichischen Wirtschaft zu einer krassen Wettbewerbsverzerrung führen und es zu krassen Benachteiligungen jener Arbeitnehmer und Arbeitgeber kommt, die ehrlich und sehr fleißig sind. Es werden keine Steuern und Sozialversicherungsbeträge abgeführt. Der Schaden erreicht Milliardenhöhe, Milliarden, die uns dann im Steuertopf und in den Sozialversicherungstöpfen fehlen. So manche Maßnahme, die Sie heute setzen müssen, wäre uns dadurch erspart geblieben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im letzten SPÖ-ÖVP-Koalitionspakt war auch eine flächendeckende Bemautung von Lkws festgeschrieben und unterschrieben. Diese hätte von Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesminister, umgesetzt werden müssen. Sie ist zu unserem Bedauern nicht umgesetzt worden. Die Pkw-Fahrer müssen immer noch für die Schäden aufkommen, die die Lkws bei täglich steigendem Verkehrsaufkommen verursachen. Damit haben Sie wichtige Investitionen, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und den notwendigen Zufluss budgetärer Mittel in den Ausbau und die Erhaltung des hochrangigen Straßennetzes nicht umgesetzt beziehungsweise verhindert. Ich möchte gar nicht darauf eingehen, wie viele Arbeitskräfte für die Errichtung und den laufenden Betrieb beziehungsweise in der ASFINAG notwendig gewesen wären.

Das zweite Vorhaben, das auch in Ihren Bereich gefallen ist und nicht umgesetzt wurde, obwohl es auch im Regierungsprogramm von SPÖ und ÖVP enthalten war, ist der Ausbau des Fernwärmepotenzials. Auch in diesem Falle wären Investitionen in Höhe von vielen Milliarden Schilling notwendig gewesen, diese hätten ebenfalls zu zusätzlichen Arbeitsplätzen geführt.

Schließen möchte ich aber mit einem Dank für Ihre Beteiligung an den Jugendausbildungspro-grammen, im Rahmen derer wir gemeinsam sehr aktiv gewesen sind und unserer Jugend eine Chance gegeben haben. Ich möchte Ihnen auch im Namen der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion bei Ihrem Rückzug ins Privatleben sehr viel Freude und Erfolg wünschen. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

18.49

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister! Sie haben das Wort.

18.49

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Bundesrat! Frau Präsidentin! Sie werden mir gestatten, einem so alten Kogenossen in der Sozialpartnerschaft auch einen Nachruf zu halten.

Herr Kollege Drochter! Wir hätten viele Probleme in der Koalition nicht gehabt, wenn die Sozialpartner so gewesen wären wie wir vor 20 Jahren. Bis sich jetzt die Sozialpartner überhaupt einen Termin ausmachen können, sind in der EU schon fünf Beschlüsse gefasst. Wir haben heuer im Sommer nicht einmal eine Paritätische Kommission zusammengebracht. Die Stellungnahme der Sozialpartner zu WTO – Seattle bekam ich, als die Europäische Union längst ihre Position abgeschlossen hatte, und sie war nicht einmal einvernehmlich. Man muss auch sehen, wir tragen unser gerüttelt Schuld dazu bei, dass das System nicht mehr funktioniert, weil wir glauben, dass die Zeit wartet, bis sich die Sozialpartner einigen. Das ist leider nicht der Fall.

Ich darf ein Beispiel nennen, und ich bitte Sie, nicht böse zu sein: Wenn es früher "gebrannt" hat, haben sich Sallinger und Benya um halb sieben Uhr in der Früh in der Wirtschaftskammer getroffen. Jetzt sucht man bereits sechs Wochen vorher nach einem Termin, um dann nach 20 Minuten zu sagen, es geht nichts, weil wir eine Urabstimmung gehabt haben. Es haben sich die Zeiten geändert, den früheren Zeiten können wir nur nachweinen. (Bundesrat Drochter: Es


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gibt auch gemeinsame Vorhaben, die unterzeichnet worden sind!) – Ich komme gleich darauf zu sprechen. Ihre Mängelrüge habe ich schon aufmerksam verfolgt.

Das muss ich mir schon auf der Zunge zergehen lassen: Ich bin zum Schwarzarbeitsgesetz gestanden. Meine Damen und Herren! Gesetzgeber sind aber Sie. Frau Lore Hostasch und ich haben ein Projekt gemacht, das in einem Klub keine Zustimmung gefunden hat. (Bundesrat Konecny: Nicht in dem da!) Das war in diesem Fall in unserem. Beim Anlagenrecht sind wir an Ihrer Fraktion, an Ihrem Klub gescheitert. Das können wir einander aufrechnen. Wir haben uns in so vielen Dingen gegenseitig eingebremst, dass ich mich nicht wundere, dass wir einander momentan nicht mehr so gut verstehen, wie wir uns hätten verstehen sollen.

Ich möchte zum Road-Pricing ein ehrliches Wort sagen. Da wurde in der letzten Koalition geschwind ein Gesetz gemacht, ein Termin reingeschrieben: 1. Jänner 1998 Road-Pricing für Lkw, zwei Jahre später für Pkw. Jeder wusste, das geht nicht, es ging auch nicht. Dann haben wir uns in der Regierung gemeinsam auf eine Verschiebung geeinigt. Sie wissen, wie stark beim Road-Pricing für Lkw die Lobbys sind, auch in den Ländern. (Bundesrat Drochter: Vorarlberg!) Langsam. Noch einmal: Ich stehe hier vor dem Gremium der Bundesländer, und ich glaube, es ist zumutbar, dass ein Bundesvollzugsfunktionär wie ich sagt, ich fahre beim Road-Pricing über Bundesländer nicht drüber. Wir haben lang verhandelt. Das hat einen Investitionsstopp bewirkt, und ich bin mit dem Management der ASFINAG heute noch unzufrieden, dass sie beide Investitionsprojekte gestoppt haben, um Druck auf das Road-Pricing zu machen.

Wir haben mit der Vignette genug Lückenschlusspotenzial bekommen. Ich habe jetzt unterschrieben, weil der Rechenkreis der ASFINAG am Ende war. Ich wurde als Wendehals bezeichnet, das brauche ich Ihnen nicht vorzulesen. Ich habe es auch von Dritten gehört, weil ich auch diese Zeitung nicht lese.

Nächster Punkt meiner Mängelrüge: zur Budgetsituation. Nochmals – ich zitiere hier Landeshauptmann Sausgruber aus Vorarlberg –: Ein paar, die sich im Budget auskennen, haben es immer gesagt, da brauche ich gar keine Zahlen von Edlinger zu haben. Wenn ich weiß, dass die Einnahmen im Budget um etwa 2,8 Prozent steigen und die Ausgaben um 3,8 bis 4 Prozent, brauche ich nur multiplizieren zu können, und ich weiß, was mir am Ende der Periode fehlt.

Ich sage es hier zu meiner und Rudolf Edlingers Ehrenrettung: Das Budget 1997 war nicht getürkt, alle Zahlen haben gehalten. Im Doppelbudget 1998/99 liegen wir heuer um 2 Milliarden unter den Prognosen. Wir haben kein verfälschtes Budget gemacht, das kann keine Kritik wegraffen. Die Diskussion ging dann unter Wahlbedingungen in eine andere Richtung.

Aber nochmals: Ich habe gesagt, ich stehe für eine weitere Periode aus familiären Gründen nicht zur Verfügung. Es gebietet einfach der politische Anstand, jenen, die verhandeln, nicht pausenlos dreinzureden. Man muss einmal sagen können: Jetzt reicht’s, und ich bin weg.

Aber ich sage eines: Ich habe es unendlich genossen, auch wenn es wieder ein paar ins schiefe Licht stellen und auf die Ereignisse von Lassing hinweisen, wie das ein Herr hier getan hat.

Ich sage es noch einmal: Glauben Sie uns, dieses Land ist eine Erfolgsstory geworden. Das, was wir jetzt durchmachen, ist eine Sollkrise, die unser mühseliges Konkordanzsystem der Zweiten Republik, im Tempo auf Weltwirtschaft gesehen, so nicht mehr aufrechterhalten lässt. Ich sage das nunmehr, weil die Sozialpartnerschaft meine Lebensgeschichte ist. Wir müssen wieder vifer, schneller und mobiler werden. Es kann der moderne Wettbewerb auf den Konsens von Organisationen nicht mehr warten.

Ein bisschen komme ich mir manchmal vor wie ein übergebliebener Dinosaurier, wenn ich meine Artikel von früher lese und sehe, wie schön es war: Wir haben uns geeinigt, da haben sich die Franzosen noch lange nicht geeinigt und die Italiener auch nicht. Jetzt ist allerdings unser Problem, dass sich die EU in manchen Dingen leider viel zu schnell einigt.

Über den Ausbau der Fernwärme entscheiden, Herr Bundesrat, wirklich die Konsumenten. Die technische Entwicklung geht jetzt dahin, dass man die Gasversorgung schnell ausbaut. Trotz re


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gionaler Widerstände habe ich in meinem Ressort auch Pipelines genehmigt wie etwa in Oberösterreich.

Zweiter Punkt: Die moderne Heizungstechnik macht viel mehr Haushalte unabhängig von Megaheizanlagen, ich denke an die ganze Pellet-Technologie, an die neuen Wärmepumpen und ähnliche Systeme von Ochsner und anderen, der Markt hat sich geändert. Ich glaube nicht mehr an Megasysteme à la Grosny und Wien, sondern es werden wahrscheinlich viel klügere, kleinere, dezentrale Systeme kommen.

Entschuldigen Sie, dass ich so lange geantwortet habe, aber die Chance habe ich nicht mehr. Daher lassen Sie mich noch eines sagen: Schön war es, aber wir werden in Zukunft mehr arbeiten müssen als früher. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

18.55

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Missethon. – Bitte.

18.55

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte auch meinen Dank an den Herrn Bundesminister voranstellen. Sie werden mir abgehen. Mit Ihnen hat man gut kontroversiell diskutieren können, man hat streiten können, nachgegeben haben Sie auch selten, muss ich sagen, aber es war ein gutes Wechselspiel. Ich darf mich auch im Namen der ÖVP-Fraktion für Ihr Wirken hier im Hohen Haus bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte am Erfahrungsbericht aus den Gesprächen mit den Investoren, was die derzeitige politische Situation betrifft, anschließen und das ergänzen und bestärken. Ich habe selbst ein Beratungsunternehmen und habe in den letzten eineinhalb Tage durch halb Europa telefoniert. Die einzige wirklich große Sorge geht dahin, dass eine handlungsfähige stabile Regierung da ist und dass endlich mit der Arbeit begonnen wird. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist richtig!) Das ist eine ganz wesentliche Sicherheit für die Wirtschaft. Dafür haben wir aus meiner Sicht möglichst schnell zu sorgen.

Der Rest, den wir uns quasi dazuinterpretieren – das sage ich als kleiner Regionalpolitiker –, entstammt wahrscheinlich unserem politischen Denken, aber nicht dem Denken in der Wirtschaft, ich sage das sehr bewusst dazu.

Um diese Anfrage in irgendeiner Form auch bewerten und beurteilen zu können: Wir können wahrscheinlich jetzt nicht bewerten, welche Auswirkungen es hat, wenn die Freiheitliche Partei mit in der Regierung ist. Das werden wir dann bewerten können, wenn diese Regierung steht und arbeitet. Dann werden wir in regelmäßigen Abständen bewerten können, welche Auswirkungen das hat. (Bundesrätin Schicker: Aber Befürchtungen kann man aussprechen und ernst nehmen, Herr Kollege!) Befürchtungen kann man aussprechen. Ich möchte aber ergänzen, dass es sich um Ihre Sichtweise handelt. Ich möchte zum einen die Sichtweise der Politik – den Hut habe ich auch auf –, aber auch jene des Unternehmers einbringen.

Für mich handelt es sich in erster Linie um eine sensible politische Situation, und ich hoffe, dass wir danach trachten, diese Situation auf politischer Ebene beruhigen und deeskalieren zu lassen. Sie hat zumindest bis jetzt noch nicht oder nicht intensiv auf den Bereich der Wirtschaft durchgeschlagen. Ich glaube, es wäre sehr wichtig, wenn jede Gruppe in diesem Hohen Haus in ihrem Bereich und in ihren Netzwerken ein Stück zu dieser Deeskalation beitragen würde, das ist meine persönliche Meinung.

Was den Wirtschaftsstandort Österreich allgemein betrifft, schließe ich mich der Meinung des Herrn Ministers an. Ich glaube, dass sich das wirtschaftliche Umfeld durch Globalisierung, durch Internationalisierung, durch Exportverflechtungen so rasch verändert, dass wir mit unseren Interessengemeinschaften zum Teil große Probleme haben, auch in der Beurteilung, was jetzt für die Arbeiter und für die Wirtschaft wichtig ist, und dass wir mit der Gesetzwerdung sehr oft


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schlicht und einfach zu spät dran sind. Für mich persönlich ein sehr wesentlicher Punkt wäre, auch zu hinterfragen und zu reflektieren, ob es in der heutigen Zeit sinnvoll ist, die Differenzierung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufrechtzuerhalten. Wir werden daran gehindert, und zwar wahrscheinlich nur deshalb, weil so große Interessengruppen dahinterstehen. Es ist eher deswegen ein Problem, diesen Konflikt oder diese Differenzierung aufzulösen, weil große Interessengruppen diesen Konflikt nicht auflösen wollen.

Ich begrüße das und muss wirklich sagen, das ist für mich ein wesentlicher Punkt in diesem Regierungsübereinkommen beziehungsweise in der Neugestaltung der Ministerien, nämlich dass alles, was die Arbeitswelt betrifft, in einem Ministerium zusammengefasst wird. Den zukünftigen Konflikt und die zukünftige wichtigere Differenzierung sehe ich eher zwischen jenen Gruppen und Organisationen, die in der Privatwirtschaft arbeiten, und jener Gruppe, die in der öffentlichen Verwaltung arbeitet. Da sehe ich einen möglichen schweren Interessenkonflikt auf uns zukommen.

Einen Punkt noch zu Herrn Kollegen Drochter betreffend Schwarzarbeit. Man spricht heute von einem Schwarzmarktumsatz in der Höhe von 250 Milliarden Schilling im Jahr. Ich glaube, das ist ein Hinweis dafür – das muss man sagen –, dass wir mit der Gesetzgebung und mit der Gestaltung der Arbeitswelt offensichtlich ordentlich daneben liegen. Ich halte auch fest – ich sage das jetzt nicht als Politiker, sondern als Unternehmer, der acht Leute beschäftigt, und als jemand, der jeden Tag darauf achten muss, dass Arbeit da ist –, die Schwierigkeiten für die Unternehmer sind nicht aus dem Wirtschaftsministerium gekommen; die Schwierigkeiten und die vielen Probleme – ich rede jetzt von den kleinen Unternehmern – sind aus dem Sozialministerium gekommen. Ich sage das sehr bewusst dazu. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich meine, dass die derzeitige Bewertung der politischen Situation, was die Finanzmärkte betrifft, eher mit folgendem Umstand zusammenhängt. Das ist auch sehr ausführlich in der heutigen Ausgabe des "WirtschaftsBlatts" gestanden. Heinz Bednar, Währungsanalyst der Bank Austria, hat gesagt: Entscheidend für eine positive Zukunft ist, ob eine schwarz-blaue Regierung das Budget nachhaltig sanieren kann. – Ich glaube, das ist der Punkt. Ich würde es mir sehr wünschen, wenn wir irgendwann in den nächsten Jahren zumindest eine schwarze Null im Budget schreiben könnten. Das erschiene mir als sehr wesentlich.

Aus meiner Sicht sind diese Reformprojekte so rasch wie möglich und ohne Zeitverzögerung zu realisieren. Ich glaube, es wird zu einer neuen Rollenverteilung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und auch deren Vertretern kommen. Ich erhebe jetzt schon ein wenig das Wort für die Tausenden und Hunderttausenden kleineren und mittleren Betriebe. Ich bin seit eineinhalb Jahren im Bundesrat, und bei vielen Dingen, die sozialdemokratische Gewerkschafter gesagt haben, habe ich immer ein wenig das Gefühl gehabt, als sei ich als Unternehmer von Haus aus ein Spekulant, von Haus jemand, der ohnehin nur "obareißt" und seine Mitarbeiter ausnützt. Ich sage – das möchte ich für mein Unternehmen festhalten, weil ich es da beurteilen kann –, ich bin als Chef der oberste Gewerkschafter in meinem Unternehmen. (Bundesrat Freiberger: Das behaupten viele!) Das bin ich auch. Reden Sie mit meinen Mitarbeitern!

Ich kenne wenige kleinere und mittlere Unternehmen, die Betriebsräte haben. Ich sage das sehr offen dazu. (Bundesrat Freiberger: Weil es die Chefs nicht zulassen! Das ist meine Berufserfahrung!)  – Das stimmt nicht. Das ist Ihr Bild. Das ist genau jene Differenzierung, die Ihren Arbeitsplatz in der Arbeiterkammer sichert. (Bundesrat Freiberger: Ich bin nicht in der Arbeiterkammer! – Bundesrätin Haunschmid: Sie müssen uns einmal sehen als Arbeitsplatzsicherer!)

Ich möchte noch kurz zur politischen Situation Stellung nehmen, weil mir das wichtig erscheint. Ich war erschüttert, als der Herr Bundeskanzler keine Antworten auf die sehr konkreten Fragen von Ferry Maier gegeben hat. Ich war erschüttert, denn mir ist es vorige Woche ganz ähnlich gegangen. Der Herr Bundeskanzler war in Stockholm, und einen Tag später hat das Ganze eingesetzt. Es ist sofort das Bild aufgekommen, das ist inszeniert und offensichtlich – das wird in den nächsten Tagen und Monaten zu verifizieren und zu bewerten sein –; da ist wirklich etwas über das sozialistische Netzwerk in Europa gelaufen. Ich sage sehr bewusst auch an dieser


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Stelle dazu: Für mich ist die SPÖ keine Österreich-Partei mehr. Für mich ist die SPÖ ein europäisches Netzwerk mit einer Filiale in Österreich. Bis jetzt war der Filialleiter Herr Klima. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Es macht mir Sorge – ich sage das sehr bewusst heute und hier dazu, damit auch das deponiert ist –, wenn ich den Lebenslauf von Alfred Gusenbauer in der "Kleinen Zeitung" lese. Da steht – ich zitiere –: "1989 wurde Gusenbauer einer der jüngsten Vizepräsidenten der Sozialistischen Internationale und traf noch mit Willy Brandt und Olof Palme zusammen. Auch den portugiesischen Ministerpräsidenten Antonio Guterres kennt er daher. (...) Im internationalen Netzwerk sei er somit drinnen." – Das heißt, offensichtlich hat die Filiale der Sozialdemokratie in Österreich einen neuen Statthalter bekommen.

Ich komme aus einer Region, sehr geehrte Damen und Herren, in der die Sozialisten seit 50 Jahren absolut regieren. Ich kenne das Ergebnis des Gesellschaftsmodells. Ich kenne das Ergebnis. Ich komme aus der Mur-Mürz-Region. Ich komme aus Leoben. Ich komme von dort, wo die Hütte Donawitz und die VOEST-ALPINE Donawitz war. (Bundesrätin Schicker: Ist!)  – Ist. Dort gab es im Jahre 1980 7 000 Mitarbeiter, in Leoben gab es 36 000 Einwohner. Im Jahre 2000 gibt es 1 500 Mitarbeiter, Leoben hat 10 000 Einwohner verloren. Das Interessante dabei ist, dass es heute im Werk Donawitz doppelt so viele Betriebsräte wie im Jahr 1980 gibt. Das ist Machterhaltung, das ist Strukturerhaltung. Die Veränderung, die derzeit in der Obersteiermark passiert, haben wir einzig und allein der Europäischen Union zu verdanken, weil diese nach anderen Kriterien Förderungen vergibt, als es vorher in Österreich der Fall war. Ich sage das sehr bewusst dazu.

Es ist ein Betriebsrat als Nationalratskandidat angetreten – minus 10 Prozent im Bezirk Leoben. Ich glaube, das spricht Bände. Sie hören ... (Bundesrätin Schicker: Und wie viel hat die ÖVP gehabt, Herr Kollege?)  – Wir haben minus 1,5 Prozent gehabt. Aber Sie hören nicht wirklich zu. Bei den Mitarbeitern geht die Post ab, und Sie bekommen das nicht mit. Ich sage Ihnen das in aller Deutlichkeit.

Ich komme noch einmal zur außenpolitischen Situation und dazu, was aus meiner Sicht zu tun wäre. Ich glaube, dass die Regierung sehr rasch und transparent in der Öffentlichkeit agieren und die Reformen, die in diesem Reformpaket fixiert worden sind, sehr schnell durchziehen muss, und zwar mit aller Klarheit, Konsequenz und Transparenz. Wichtig wäre aus meiner Sicht auch noch, dass verschiedene Netzwerke im Ausland aktiviert werden. Ich werde das über mein bescheidenes kleines Netzwerk versuchen. Ich hoffe, die Sozialistische Internationale versucht das über ihr größeres Netzwerk, damit es zu einer Deeskalation kommt. Dann meine ich, wird sich die Situation und all das, was hier an politischem Schaden zugefügt worden ist, in den nächsten Monaten und Jahren wieder beruhigen. – Ich danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

19.08

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. d'Aron. – Bitte.

19.08

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister! Wie es aussieht, werden wir uns hier in diesem Hohen Haus in einer derartigen Konstellation voraussichtlich nicht mehr begegnen. (Bundesminister Dr. Farnleitner: Jetzt weiß ich, warum Sie so fröhlich sind!)  – Das möchte ich gar nicht so sagen.

Wir hatten sicherlich eine Reihe von Auseinandersetzungen, einige waren auch heftiger Natur. Diese hatten Sie auch mit meiner Fraktion, das ergibt sich eben einfach aus der Oppositionssituation heraus. Gestatten Sie mir, dass ich zum Ausdruck bringe, dass wir Sie als eigentlich sehr bemühten Wirtschaftsminister kennen gelernt haben. Ich finde auch Ihre Bemühungen, die Sie unternommen haben, gut; praktisch am Ende Ihrer langjährigen Dienstzeit haben Sie sich noch darum gekümmert, wie es um die Investoren steht. Das finden wir gut. So muss es ein


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Wirtschaftsminister machen, damit eben kein Schaden für unser Land entsteht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei der ÖVP.)

Ich bin hier in einer etwas seltsamen Situation. Es wurde von der SPÖ eine dringliche Anfrage eingebracht. Ich zähle – vielleicht habe ich mich verzählt – ganze vier Bundesrätinnen und Bundesräte von einer Fraktion, die eine dringliche Anfrage eingebracht hat, die also etwas weiterbringen will. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass, wenn die Freiheitliche Partei eine dringliche Anfrage eingebracht hat, eine derart geringe Besetzung gegeben war. Ich frage mich wirklich, was das soll, dass wir uns hier herstellen und diese dringliche Anfrage beantworten, was das noch für einen Sinn hat, sich damit auseinander zu setzen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schicker. ) Es findet hier eine Diskussion statt, es findet hier eine Auseinandersetzung statt; ich frage Sie, mit welchem Ernst Sie diese Auseinandersetzung sehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Das ist offensichtlich Ihr Verständnis vom Bundesrat. Wir haben den Herrn Bundeskanzler gebeten zu kommen. Er ist gekommen, und während wir diskutiert haben, ist er wieder gegangen. Dafür hat er zu Beginn Standing Ovations bekommen. Ich frage mich: Wofür? Ist das Ihr Verständnis von Demokratie, nämlich genau jenes Verständnis, das wir jetzt durch die entsprechenden Medienberichte haben und diesen entnehmen können?

Ich möchte jetzt konkret auf die Anfrage eingehen, weil es Sinn macht, darüber zu reden. Ich persönlich habe den Eindruck, dass diese Anfrage von jemandem verfasst wurde, der unternehmerisch nie tätig war. Worum geht es eigentlich? – Es geht nicht darum, was Herr Bundesrat Drochter gesagt hat: Wie kann man mehr erreichen? Wie können noch mehr Kosten anfallen? – Das ist doch eine Katastrophe für die Wirtschaft. Es ist doch im Grunde genommen kontraproduktiv zu der Anfrage gewesen, sich zu überlegen, wo man noch zusätzliche Kosten für die Wirtschaft erwirtschaften kann. Denn die Wahrheit ist doch Folgende: Nur die Wirtschaft schafft Arbeitsplätze. Arbeitsplätze können niemals von einer Bundesregierung verordnet werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Für einen Unternehmer ist es natürlich ausschließlich die Frage, welche Kosten bei der Erzeugung eines Produktes zunächst einmal anfallen. Da gab es die Diskussion über das One-Stop-Shop-Prinzip, um die Gewerberechtskosten zu reduzieren. Das ist vielleicht trotz der Bemühungen des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten nicht in dem Ausmaß eingetreten, wie wir es uns eigentlich alle gewünscht hätten.

Dann besteht die Kompliziertheit des Arbeitnehmerrechts und des Sozialversicherungsrechts, an der die Sozialdemokraten nicht unschuldig sind. Es gibt das äußerst komplizierte Steuerrecht. Wir haben die gesamte Legislaturperiode dafür gekämpft, dass dieses vereinfacht wird, um auch etwas für die Wirtschaft zu erreichen. Weiters sind die Beziehungen zu den Arbeitnehmern und die Möglichkeit der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen durch intensive Suche zu nennen.

Wir wollten privatwirtschaftliche Strukturen beim Arbeitsmarktservice. Das ist uns in diesem Ausmaß nicht gelungen, und es ist zu hoffen – wir haben das auch vorgesehen –, dass eine neue Regierung, die natürlich mit neuem Schwung, mit neuen Ideen einsteigt, etwas Neues und Besseres für Österreich zusammenbringt.

Ich möchte auch etwas zur Touristik sagen, weil mir das bemerkenswert zu sein scheint. Es wird nicht unterschieden, dass es drei Formen der Touristik gibt, wenn man das regional sieht. Es gibt das Incoming, das heißt vom Ausland nach Österreich herein, die Binnen- oder Inlandstouristik und die Outgoing-Touristik, das sind jene Österreicher oder jene in Österreich ansässigen Personen, die ins Ausland reisen. Diese Bereiche sind immer unterschiedlich zu behandeln.

Wenn im Ausland von einzelnen Ländern negativ über Österreich gesprochen wird, dann denken sich die Österreicher, die am meisten davon betroffen sind, zunächst einmal: Dort möchte ich nicht hinfahren, da bleibe ich lieber in Österreich. – Das ist eine Förderung der Inlandstouristik. Das wurde in der Diskussion vergessen – das kommt vor und wurde nun andiskutiert.


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Dann gibt es den zweiten Bereich, das Incoming. Das Incoming wird von den großen Reiseveranstaltern organisiert. Ich möchte keine Werbung machen, die großen Incoming-Agenturen sind bekannt, Mondial, Österreichisches Verkehrsbüro. Da gibt es eine Liste, wer Incoming in Österreich macht. Und dann gibt es auf der anderen Seite die "Österreich Werbung", die sich darum bemüht.

Es gibt den Präzedenzfall, was geschieht, wenn in einem Land Menschen erschossen werden, die zum Beispiel an einer Exkursion teilnehmen. Das ist in Ägypten passiert. Da gibt es natürlich auch eine Incoming-Touristik, es existieren Stellen auf der ganzen Welt, die sich darum kümmern. Natürlich hat es in diesem Zusammenhang, also bei Mord von Touristen, Stornierungen gegeben. Die Situation, die vor etwa eineinhalb Jahren eingetreten ist, wirkt sich heute in Ägypten überhaupt nicht mehr aus, weil dort sehr gutes Incoming betrieben wurde. Wir sind natürlich auch gefordert, ein gutes Incoming zu machen.

Aber Sie glauben doch nicht im Ernst, dass irgendjemand auf der Welt glaubt, dass in Österreich bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen, dass Gefahr für Leib oder Leben besteht? – Das ist doch überhaupt keine Frage. Die Wahrheit ist die, dass die Welt sieht, bei uns gibt es eine innenpolitische Diskussion. Das hält Leute, die die Destination Österreich im Kopf haben, die den Konsumentscheid schon getroffen haben, nicht davon ab, nach Österreich zu kommen.

Bei der Touristik geht es natürlich auch um die Kosten. Da stellt sich die Frage der Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen europäischen Ländern. Wenn wir günstigere Packages und bessere Preise anbieten, dann sind wir für die großen Agenturen, für die Kongress-Touristik natürlich interessant. Das ist überhaupt keine Frage, da findet die politische Diskussion überhaupt nicht statt.

Ich möchte auch etwas zum Kapitalmarkt sagen. Gestatten Sie mir, Herr Bundesminister, Ihnen meinen Eindruck wiederzugeben. Ich habe noch die Meinung eines amerikanischen Finanzexperten – ich glaube, es war einer von Moodys in New York – im Ohr, der gesagt hat: Natürlich ist es so, dass man lieber in Länder investiert, die keinen sozialistischen oder sozialdemokratischen Bundeskanzler haben. Das ist für Investoren viel interessanter, weil bei diesen Ländern eben eher die Hoffnung besteht, dass das Geld gut angelegt ist. – Das ist eher eine Emotion, die entsteht. Wenn Sie von sozialdemokratischer Seite das bitte zur Kenntnis nehmen könnten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wirtschaft ist ein Bereich, der natürlich emotional ist. Ich fand die Aktion unseres Vizekanzlers Dr. Schüssel bei der letzten Regierungssitzung eigentlich sehr positiv. Das, was er wollte, war, eine neue Emotion zu schaffen, ein öffentliches Marketing zu betreiben und auf Österreich als stabiles Land hinzuweisen. Was ich persönlich nicht verstanden habe, ist, dass die Sozialdemokratische Partei nicht bereit war, bei der letzten Regierungssitzung diese Aktion, dieses öffentliche Marketing, mitzutragen, also etwas für dieses Land zu tun.

Ich meine daher, wenn Sie schon solch eine Anfrage stellen und beim ersten Durchlesen der Eindruck entsteht, dass Sie etwas für die Arbeitnehmer in diesem Land tun wollen, dann tun Sie es tatsächlich. Helfen Sie der Wirtschaft, unterstützen Sie sie nach außen hin, vertreten Sie auch dieses Land! Ich hoffe, dass, wenn die Artikel, die ich heute in der "Presse" gelesen habe, tatsächlich stimmen, Sie auch jene Maßnahmen ergreifen werden, um das, was dort zum Ausdruck gekommen ist, rückgängig zu machen. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

19.18

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Schicker. – Bitte.

19.18

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst ein paar Anmerkungen zu meinen Vorrednern.


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Sehr geehrter Herr Dr. d'Aron! Ich brauche mich nicht zu entschuldigen, wenn ich nicht aus der Wirtschaft komme und mich trotzdem an das Rednerpult begebe, denn ich habe die dringliche Anfrage zum Anlass genommen, um meine Befürchtungen aus der Sicht einer sozialdemokratischen Bundesrätin dem Herrn Wirtschaftsminister vorzubringen. Da brauche ich mir von Ihnen nicht sagen zu lassen, derjenige, der nicht in der Wirtschaft ist, hat nicht das Recht, heute solch eine dringliche Anfrage zu stellen. Herr Dr. d'Aron! Sie haben niemandem vorzuschreiben, wer sich hier an das Rednerpult begeben darf. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. d'Aron: Er hätte das anders geschrieben!)

Zu Kollegen Missethon – der sich leider nicht im Saal befindet –, der aus meinem Bezirk stammt, den ich als Unternehmer sehr schätze und achte, möchte ich Folgendes sagen: Er hat an uns alle zu Beginn seiner Rede appelliert, dass wir mit der jetzt so sensiblen politischen Situation auch als Politiker genauso sensibel umgehen sollen. Wir tun das.

Ich tue das seit fünf Jahren. Seit fünf Jahren bin ich in den Europarat delegiert, und seit fünf Jahren werde ich von Kolleginnen und Kollegen aller Couleurs – nicht nur von der Social Party, nein, auch von der EPP, von den Liberalen, von den Freiheitlichen, die dort einer anderen Fraktion angehören, und so weiter – immer nach der FPÖ, nach den Funktionären der FPÖ gefragt und dazu befragt. (Bundesrat Grissemann: Was sagen Sie?) Ich bin sehr sensibel in meinen Antworten, Herr Dr. d'Aron! Ich habe seit fünf Jahren versucht, auch dort Schadensbegrenzung vorzunehmen.

Es ist sogar so weit gegangen – und zwar schon in den letzten zwei Jahren und nicht erst jetzt bei dieser Regierungsbildung –, dass sich Kolleginnen und Kollegen zu Freiheitlichen aus Österreich nicht an den Tisch gesetzt haben. Ich habe seit dieser Zeit immer wieder versucht, Schadensbegrenzung vorzunehmen (Bundesrat Dr. Böhm: Finden Sie das normal? – Das ist absurd!), bin sensibel mit dieser Frage umgegangen und habe diese Leute aufgeklärt. Soviel zu Ihren Vorwürfen, wir hätten das hochgeschaukelt. Das ist im Ausland schon seit Jahren so üblich – das möchte ich ganz dezidiert hier sagen!

Noch etwas zu Kollegen Missethon – das Positive haben Sie nicht gehört, jetzt müssen Sie das Negative in Kauf nehmen. Herr Kollege Missethon! Sie haben bei Ihren Darstellungen über den Bezirk Leoben, über Donawitz und so weiter auch nur die halbe Wahrheit gesagt. Ihr Vater war ein angesehener Betriebsratsobmann in Donawitz. Sie aber sagen nun, die Anzahl der Betriebsräte und Gewerkschafter hätte sich verdoppelt und verdreifacht. Also wer bitte war denn daran schuld? Haben das etwa die Gewerkschafter gewollt? – Das Werk ist in drei Teile aufgegliedert worden, es ist sozusagen dezentralisiert worden.

Zuerst wurde mit der VOEST-ALPINE Linz zentralisiert, danach wieder dezentralisiert, sodass diese Gesellschaft nun in die Bereiche Stahl – gut florierende –, SchieneN und Austria DRAHT aufgeteilt ist. Es gibt also nun drei eigene Unternehmen, und es ist nur natürlich, dass diese auch in der gewerkschaftlichen Vertretung drei eigene Körperschaften haben, Herr Kollege Missethon! Erkundigen Sie sich bitte! (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Das ist nicht natürlich, dass ...?)  – Das ist nicht natürlich?

Ich bitte Sie! Das sind drei selbständige Firmen, also jeweils eigene Körperschaften. Was Sie gesagt haben, war nur die halbe Wahrheit. Nicht die Zahl der Gewerkschafter hat sich verdreifacht, sondern das große Werk wurde dreigeteilt! Das ist die Wahrheit, und darum gibt es auch mehr Betriebsräte – aber nicht deswegen, weil die Gewerkschaft es so gewollt hat. – Das nur zur Aufklärung.

Sehr geehrter Herr Bundesminister Farnleitner! Diese dringliche Anfrage, die unsere Bundesratsfraktion heute an Sie gerichtet hat, gründet sich vor allem auf – so meine ich, und so meinen wir alle – der legitimen Sorge um die Bewahrung der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreich, damit um die Arbeitsplätze und auch um den Wohlstand in unserem Land.

Machen wir uns nichts vor: Obwohl die ÖVP in dieser neuen, künftig zu bildenden blau-schwarzen Regierung den Bundeskanzler stellt ... (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Das wird dem Land gut tun!)  – Bitte? (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Das wird dem Land gut tun!) Das meinen


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Sie! Aber der Bundeskanzler ist der ÖVP geschenkt worden, Herr Dipl.-Ing. Missethon! Darin sind wir uns doch einig!? (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Sie wollten ihn nicht!) Auf Grund der Stärke wäre er es nicht geworden. Auf Grund der Stärke wäre er es sicher nicht geworden! Also: Es war ein Gegengeschäft – sagen wir es so. In der Steiermark würde man sagen, es war ein Gegengeschäft. Sie sind gut damit gefahren. Aber dafür sind wir jetzt in Österreich isoliert. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Sie haben plakatiert im Wahlkampf: Auf den Kanzler kommt es an! Das müssen wir ernst nehmen!) So ist es! Sie werden den Beweis antreten müssen.

Meine Damen und Herren! Mit welchen Mitteln wird nun in dieser neuen rechtskonservativen Ära versucht, die Arbeitslosenstatistik zu senken? – Ich frage mich das wirklich. Mit welchen Mitteln wird hier gearbeitet? (Bundesrat Dr. Böhm: Belebung der Wirtschaft!)  – Herr Dr. Böhm! Lesen wir einmal nach, was der Chef Ihrer Partei, der Seniorpartei in der blau-schwarzen Koalition, sagte. Jörg Haider hat auf die Frauen bezogen gesagt: Wahlfreiheit der Frau: Entlastung des Arbeitsmarktes dort, wo sich die Frau entschließt, zu Hause zu bleiben. – Zitatende.

Ich glaube, dem braucht man nichts hinzuzufügen. Es handelt sich um ein Zitat des Dr. Haider aus der ORF-Sendung "Sommergespräche" vom 8. August 1999. Das sagt alles!

Herr Wirtschaftsminister! Ich muss Sie in dieser Frage fordern: Wollen Sie verhindern, dass die Frauen an den Herd zurückgedrängt werden, weil es so vielleicht bequemer ist? Werden Sie es verhindern können? Wollen Sie es überhaupt? – Ich hätte gerne Ihre Meinung dazu gehört. (Bundesrätin Mühlwerth: Frauen dürfen nicht zu Hause bleiben wollen! Das dürfen Sie nicht)  – Frau Kollegin! Ich weiß, was ich diesem Satz entnehmen muss, und Sie wissen es auch. Sie dürfen es nur nicht zugeben. Ich weiß es, es tut mir Leid.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie schaut es weiter aus? – Nicht berufstätige Ehefrauen der reichsten Österreicher – dieses Wort gebrauche ich jetzt natürlich sehr gerne – bekommen durch das geplante "Karenzgeld für alle" ein Körberlgeld dazu. Für die Ehefrauen der reichsten Österreicher kann das nur ein Körberlgeld sein! Allein erziehende Frauen sind bei den künftigen Karenzregelungen klar die Benachteiligten. Sie haben keinen Partner, es gibt kein drittes Karenzjahr. Und das soll die soziale Treffsicherheit sein, Herr Dipl.-Ing. Missethon, von der gerade Ihre ÖVP immer redet, die Sie von diesem Pult aus immer vorgetragen haben? – Ich kann nicht glauben, dass das die soziale Treffsicherheit sein soll. Das ist eine wahrlich "christlich-soziale" Politik.

Herr Wirtschaftsminister! Es tut mir Leid, dass ich Ihnen das an Ihrem letzten Tag hier bei uns im Bundesrat vorhalten muss. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Farnleitner. ) Aber das kann keine soziale Treffsicherheit sein! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.  – Bundesrat Weilharter: Frau Minister Hostasch hat sehr viele Fragen offen gelassen! Sie haben Recht!)

Es ist auch absehbar, dass durch das Wegfallen eines eigenen Frauenministeriums die Interessen der Frauen nicht mehr gehört, nicht mehr geschützt und nicht mehr gefördert werden. Viele Frauen- und Mädcheneinrichtungen ... (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. )  – Sie werden sich zu selten dort aufhalten (Bundesrätin Mühlwerth: Ihr SPÖ-Papier zeigt es schon!), ich kenne sie alle, Frau Kollegin! Viele Frauen- und Mädcheneinrichtungen fürchten die Kürzungen der Ermessensausgaben, weil diese Projekte dann "gestorben" sind. Es ist zu befürchten, dass wir frauenpolitisch wieder in die Steinzeit zurückfallen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über die Reaktionen aus dem Ausland ist heute schon sehr viel gesagt worden. Sie unterstreichen unsere Ängste in Bezug auf den Verlust von Arbeitsplätzen, dazu haben auch Sie schon kurz Stellung genommen. Interessant ist dazu auch die Aussage des Leiters der österreichischen Außenhandelsstelle in Paris, der befürchtet, dass die Handelsbeziehungen mit Frankreich unter anderem besonders bei Sportartikeln und der Trachtenmode negative Auswirkungen haben könnten. Man kann nun darüber denken, wie man will, aber es trifft wieder die Wirtschaft in Österreich und damit auch Arbeitsplätze für Frauen. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist absurd! Das ist absolut absurd!)


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Herr Dr. Böhm! Wenn man hört, dass jenseits des goßen Teiches Reiseveranstalter bereits ankündigen, dass wesentlich weniger Urlauber nach Österreich kommen werden, falls eine freiheitliche Regierungsbeteiligung zu Stande kommt, wenn man weiters hört, dass die Tourismusdirektorin von Mayerhofen – das ist Ihr Metier, Frau Kollegin – befürchtet, dass zukünftig wöchentlich 50 bis 80 Urlauber aus Israel ausbleiben werden, und diese Liste von Reaktionen beliebig fortgesetzt werden könnte, dann muss ich Sie, Herr Bundesminister, schon fragen: Schrillen da nicht die Alarmglocken? (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Frau Kollegin, was tut die SPÖ dagegen? Das würde mich interessieren!)

Herr Bundesminister Farnleitner ist immer noch für die Wirtschaft zuständig, und der Tourismus gehört doch zur Wirtschaft, oder nicht? – Herr Dipl.-Ing. Missethon! Sie wissen ganz genau: Wir haben uns in der Steiermark sehr darum bemüht, den Tourismus auf die Beine zu stellen – Wintertourismus, Thermentourismus –, und es ist etwas weitergegangen. Die Steiermark hat einen Platz erreicht ... (Bundesrat Weilharter: Auch beim A1-Ring!)  – Der ist in der Nähe von dir, lieber Kollege Weilharter! Ich lasse dir das Recht darauf. Nimm den A1-Ring – einmal im Jahr! – auch dazu. Die anderen werden zwar wöchentlich, also das ganze Jahr über benutzt, der A1-Ring einmal im Jahr. Aber du sollst auch dein Recht haben!

Es sind jedoch – um auf den Tourismus in der Steiermark zurückzukommen – seitens der Steiermärkischen Landesregierung große Anstrengungen unternommen worden, es ist dabei auch etwas weitergegangen, und ich glaube, wir haben dadurch einen guten Platz innerhalb des österreichischen Fremdenverkehrs erreicht, Herr Bundesminister! (Bundesminister Dr. Farnleitner: Dann seien Sie selbstbewusster!)  – Ich habe Angst um die Arbeitsplätze, wenn jetzt Touristen ausbleiben. Ich habe wirklich Angst! – Dafür zuständig ist der Herr Bundesminister. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: So einfach kann man die Verantwortung nicht abschieben!)

Herr Bundesminister! Mögen Sie auch nicht mehr viele Tage dieser Bundesregierung angehören – vielleicht auch nur mehr wenige Stunden, aber ich möchte da nichts prophezeien –, so darf ich Sie trotzdem nicht aus der Pflicht entlassen, mir darauf zu antworten, und dass Sie meine Befürchtungen ernst nehmen, weil wir alle zusammen Verantwortung zu tragen haben: für die österreichische Wirtschaft und für die Arbeitsplätze!

Die Zitate Ihrer Kollegen im Wirtschaftsbund – Wirtschaftsbund-Obmann Leitl; der Generalsekretär der Industriellenvereinigung plädierte auch für ein rasches Krisenmanagement; Wirtschaftspräsident Maderthaner hat die in Wien tätigen Handelsräte zu Kontaktgesprächen einladen müssen –, all das, so muss ich sagen, sind doch keine positiven Vorzeichen für eine künftige Regierung, wenn sogar aus Ihren Kreisen, aus Ihren Wirtschaftskreisen solche Ankündigungen kommen. Herr Bundesminister! Ich frage Sie: Sind das die positiven Vorzeichen für eine künftige Regierung? – Noch nie ist der internationale gute Ruf Österreichs so gefährdet gewesen wie jetzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Koalitionsabkommen von Blau und Schwarz sieht – so sehen wir es – den Ausverkauf Zigtausender Arbeitsplätze vor. Das ist nicht nur unsozial, es ist beschämend für Österreich! Vor allem Frauen, so befürchte ich, werden unter dieser neuen Regierung sehr zu leiden haben.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich darf Sie noch einmal ersuchen beziehungsweise auffordern, diese unsere Bedenken ernst zu nehmen und etwaige von mir aufgeworfene Fragen zu beantworten. – Die besten Glückwünsche für ein geruhsames Leben in Ihrer Pension hat mein Fraktionskollege Drochter schon überbracht. Ich darf mich den Wünschen anschließen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und Beifall des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. )

19.31

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Sie wollen das Wort? – Bitte, Herr Bundesminister.

19.31

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Frau Präsidentin! Frau Bundesrätin! Ich darf gleich antworten. Zum Ersten: Die meisten Urlauber sind Gott


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sei Dank so selbstbewusst, dass sie sich von keinem ihrer Minister vorschreiben lassen, wo sie hinfahren dürfen! (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Ich darf sagen, wenn Herr Levy empfiehlt, dass Israelis nicht nach Österreich fahren, werden ein paar nicht kommen, und einige andere werden sagen: Was glaubt denn der! – Das habe ich auch gehört.

Der Punkt ist nur: Es müssen jetzt nicht die Kammern – entschuldigen Sie! –, sondern die betroffenen Hoteliers an ihre Stammkunden aus Israel, an ihre angemeldeten Partner sofort schreiben und sagen: Bei uns ist alles ruhig! Sie sind genauso willkommen! Schauen Sie sich das an! Wir haben ein innenpolitisches Theater, das im Ausland so dargestellt wird, als ob wir einen Bürgerkrieg hätten!

Was bildet sich ein belgischer Außenminister ein, zu sagen: Ich fahre nicht nach Österreich Schi fahren, in dem Land kann ich mich nicht bewegen! – Wahrscheinlich kann er nicht Schi fahren. (Heiterkeit bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.) – Entschuldigung, wenn ich das sage!

Ich würde als Minister einem Österreicher sagen: Fahrt nicht in ein Krisengebiet – das ist meine Sorgepflicht –, fahrt nicht dorthin, wo ein Bürgerkrieg ist! – Aber Urlaub in einem Land, in dem ein solch unterhaltsames Polit-Theater wie in Österreich stattfindet, sollten sie machen! Denn was jetzt bei uns im Fernsehen läuft, sehen Sie sonst nicht einmal in Hollywood-Serien. Ich meine das ernst. (Bundesrat Freiberger: So ins Lächerliche würde ich das nicht ziehen!)

Denn nochmals: Wir haben uns um die israelischen Gäste sehr bemüht. Wir wissen, dass Veranstalter in Amerika sehr rasch reagieren. Wenn Leute wegen einer plötzlichen Diskussion über die FPÖ nicht zu einem Radiologen-Kongress kommen, dann hat sich derjenige für den Radiologen-Kongress wahrscheinlich nicht sehr interessiert. Das muss ich wirklich sagen. Wir fahren auch dorthin, wo man uns nicht immer gerne sieht. Ich denke an viele unserer eigenen Auslandsreisen.

Zweiter Punkt: Ich darf ein paar Dinge zu dem sagen, was auf uns zukommt. – Ich bin ein traditioneller Konservativer und habe immer meinen eigenen Ehepartner, über 40 Jahre lang dieselbe Frau, gehabt. Wir haben einen Pakt geschlossen, wir werden miteinander alt. Meine Frau braucht keine Zuschüsse der öffentlichen Hand, wir leben miteinander gut genug. Der heutige Stil aber anders. Ich zitiere eine namhafte Österreicherin, die sagte: Was ihr mit uns treibt, ist ein Wahnsinn; mein Freund zahlt mir nichts und ich werde ihn auch nicht klagen. – Wir bevorschussen es und ich bekomme 18 Milliarden Schilling Vorschussschulden gemeldet. Darauf muss ich sagen: Ein bisschen Verantwortungsethik wäre für manche Zeuger oder Zeugen-Lassende schon notwendig. Man darf nicht alles auf den Staat abschieben! (Bundesrat Dr. Böhm: Richtig! Sehr richtig!)

Ich bin einer anderen Meinung, ich sage nochmals: Mit dem Modell, auf das wir zugehen, soll es möglich werden, dass sich wieder mehr Österreicher zum Kind bekennen. (Beifall des Bundesrates Dr. Böhm. ) Ich wundere mich in manchen Lehrerkonferenzen: Die Lehrer sind 30 oder 40 Jahre alt, keiner hat ein Kind, und sie klagen, dass es keine Kinder gibt. Da sage ich: Zeugt euch eure Schüler selbst – mit allem Respekt! – Entschuldigung, wenn ich so ausfällig werde – ausfällig oder einfällig, wie immer Sie es nennen wollen! Daher noch einmal: Das ist mir ein tiefes Anliegen.

Nächster Punkt: Wissen Sie, was das neue Abfertigungsmodell – Pensionskassen – bedeutet? Regt es Sie nicht auch auf, wie es mich seit Jahrzehnten aufregt, dass ein Großteil der österreichischen Betriebe nie eine Abfertigung zahlt? – Das geht von einem Riesen-Handelsmarkt bis zu vielen Fachgeschäften, die alle Leute rechtzeitig hinauswerfen, damit diese nie einen Abfertigungsanspruch haben. (Bundesrat Dr. Böhm: Richtig!) Diese gewinnen dann im Wettbewerb gegenüber jenen Betrieben, die sich an das Angestelltengesetz halten. Ich finde, dass es wir endlich – wir haben es auch im SPÖ-ÖVP-Programm gehabt – allen, die länger als ein Jahr arbeiten, Ansprüche auf den Lohnbestandteil Abfertigung geben müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Freiberger: Überhaupt bei Selbstkündigung des Arbeitnehmers, weil das ein Lohnbestandteil ist!) Das Problem löst sich mit diesem jetzt im Prinzip von


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allen dreien gemeinsam akzeptierten Pensionskassenmodell-Neu. Der Unfug früher war – nochmals –, dass die Abfertigungsbestandteile zum Eigenkapital der Firma gezählt haben und ein Weggehen oder Davonlaufen geheißen hat, dass man sich selbst "entkapitalisiert". Aber das System hat sich, so glaube ich, überholt. Wir brauchen jetzt etwas anderes, und ich begrüße das sehr.

Noch ein Punkt zu Frankreich: Wir wissen, dass unser Hauptproblem in Frankreich nicht der Wunsch des Herrn Chirac oder von wem immer ist, sondern das Problem ist, dass Frankreich wahrscheinlich im Konsumgütermarkt eine nationalistische Marke in Europa ist. Ich kann Ihnen Firmen nennen. Jüngst habe ich etwa einer sehr bekannten Getränkefirma denselben Rat gegeben, die soeben den Staatspreis bekommen hat. Sie kommen in Frankreich nie dazu. Wir haben in ähnlichen Fällen den Firmen geraten: Eröffnet eine Außenstelle im Elsass, schreibt darauf – ich nenne eine Firma – "Pfanner Alsace", und schon seid ihr plötzlich in den französischen Läden. Steht aber "Autriche" darauf, hat es keine Chance, in einen Laden zu kommen. Daher sollen sie ein bisschen vorsichtiger sein.

Wir selbst, eine ehemals österreichische Firma, erzeugen französische Schi – damit nenne ich "Dynastar". Ich würde schon glauben – jetzt ganz ernst –, wir sind auf dem französischen Markt für die Größe des Marktes viel zu schwach vertreten. Ich habe all meinen Mitarbeitern gesagt: Wir brauchen eine Frankreich-Offensive, weil wir in Frankreich, einfach aus der Tradition der Sprachbarrieren heraus, zu schlecht vertreten sind. Wir haben mit der Binnenmarkt-Offensive, die von mir eingeleitet wurde, in dreieinhalb Jahren um 180 Milliarden Schilling mehr in die EU exportiert. Dort ist unser Heimatmarkt, und dort werden wir uns auch bewähren müssen.

Ein letzter Punkt: Niemand will Frauen zurück an den Herd bringen, glauben Sie mir das! Es schadet überhaupt nichts, wenn sie auch am Herd stehen, das müssen nicht nur die Männer machen. Aber bleiben wir doch dabei: Was wir brauchen, ist endlich auch die bessere Möglichkeit, sich zu Kindern zu bekennen und sich in den wichtigen ersten Lebensjahren um das Kind zu kümmern. Denn das wird uns langfristig fehlen. (Bundesrätin Schicker : ... kann ich mich nicht bekennen!) Aber schauen wir es uns an, was herauskommt. Ich sage noch einmal, ich werde das kritisch aus anderer Distanz betrachten.

Ich bedanke mich auch für Ihre guten Wünsche. Ich muss mich aus anderen Gründen künftig mehr um die Familie kümmern. Glauben Sie nicht, dass deswegen nicht fromme Zurufe kommen! Auch mich plagt manchmal mein vorlautes Goscherl. Ehrlich gesagt wird es Zeit, dass wir ein paar Tabus in dem Land anreden! Es kann nicht sein, dass es in ist, alleinstehend zu sein, sich Kinder anzuschaffen und keinen zu haben, der das mitfinanziert. In meinem Nachbar-Gasthof in Felixdorf gibt es eine Väterberatung darüber, wie man Alimente vermeidet. Dort sitzen sie beieinander, das ist eine Sauerei, und das darf der Staat auf Dauer auch nicht fördern! (Bundesrätin Schicker: Das kann es ja nicht sein!)  – Jetzt hätte ich mich "ausgeschleimt". Ich bitte, mir das nachzusehen. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

19.38

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister! Da ich jetzt von Herrn Vizepräsidenten abgelöst werde, darf ich noch die Gelegenheit wahrnehmen, Ihnen auch von dieser Stelle aus zu danken für Ihre Zeit, die Sie im Bundesrat zugebracht haben. Denn eines muss ich natürlich sagen: Ihre Debattenbeiträge haben immer dafür gesorgt, dass es in unserem Plenum lebhaft wurde. Auch heute war das wieder so. (Allgemeiner Beifall.)

Aber, Herr Bundesminister, in Ihre Amtszeit sind auch Ereignisse gefallen, die echte menschliche Tragödien waren. Ich bin mir sicher, dass das auch für Sie persönlich eine sehr große Belastung war, auch wenn wir hier unter Umständen eine Debatte geführt haben, die vielleicht anderes vermuten ließ. Aber wir alle waren uns dessen bewusst, welche persönliche, menschliche Belastung das auch für Sie ist. Daher wünsche ich Ihnen und Ihrer Gattin, Herr Bundesminister, für die Zukunft eine Zeit ohne Aufregungen und persönlich alles Gute! (Allgemeiner Beifall sowie Standing Ovations bei der ÖVP.)


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Vizepräsident Jürgen Weiss
(den Vorsitz übernehmend): Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Hans Ager das Wort. – Bitte.

19.39

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Lieber noch verbliebener Bundesrat! Es war, so glaube ich, sehr interessant, am heutigen Tag dieses Resümee einer zerbrochenen Ehe mitzuerleben. Ich hoffe nicht, dass daraus ein Rosenkrieg wird, und das glaube ich auch nicht – nach allem, wie die Debatten heute abgelaufen sind.

Es hat meiner Meinung nach am 3. Oktober 1999 durch den Wähler eine Zeitwende gegeben. Ich möchte, weil es heute hier noch nicht durchgeklungen ist, folgende Fakten vorbringen.

Wolfgang Schüssel und die ÖVP-Verhandler – das möchte ich betonen, und ich bitte darum, dass Sie mir auch zuhören, liebe Freunde von der Sozialdemokratischen Partei – haben von Anfang an und bis zum Ende seriös und ernsthaft mit den Sozialdemokraten verhandelt. Denn niemand – ich betone: niemand – auf der ganzen Welt könnte mir weismachen, dass eine Mannschaft bis 2 Uhr in der Früh über die ganzen Weihnachtsfeiertage, über drei Monate Scheinverhandlungen führt. Ich glaube, davon muss man sich einmal verabschieden.

Lob möchte ich von dieser Stelle aus dem Gewerkschafter Nürnberger zollen, der sich für meine Begriffe als Einziger hingestellt hat und nicht unterschrieben hat, was er nicht haben wollte. Letztendlich hätte er das dann auch im Parlament nicht mitgetragen.

Die ÖVP – das betone ich jetzt ganz bewusst, damit das auch einmal klar ist – ist nicht vom Verhandlungstisch aufgestanden und hat nicht gesagt, dass es zu Ende ist, sondern das wart schon ihr, liebe Freunde aus der Sozialdemokratischen Partei – weil das nach außen einfach nicht hinüberkommt! (Bundesrat Gstöttner: Die Vorgeschichte ist auch entscheidend, nicht?)

Ich glaube – das ist meine persönliche Meinung –, damit wäre alles so weitergelaufen wie bisher. Vieles war gut, lieber Hannes, aber einiges ist liegen geblieben. Man hat oft den Eindruck gehabt, dass da und dort die Handbremse angezogen wurde, und das ist natürlich auch für viele Bereiche in der Wirtschaft nicht gut.

Ich habe einen Spruch, übrigens von einem Sozialdemokraten in Deutschland, gelesen, der einmal gesagt hat: Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir nicht mehr lange weitermachen. – Auf dem Weg sind auch wir schon gewesen.

Sprüche möchte ich heute hier keine mehr klopfen, das haben wir schon ausgiebig getan. Interessant war eigentlich nur – das haben wir auch schon gehört –, dass Michael Häupl gesagt hat: Schüssel und die ÖVP zwingen wir ins Koalitionsbett! – Das war, wie man mittlerweile weiß, eine Fehleinschätzung. Mit Zwängen kann man meiner Ansicht nach kein Land regieren und auch keine Zukunft gestalten.

Interessant sind immer wieder die Vergleiche aus der Tierwelt – mit Hunden. Edlinger hat seinen Hund nicht auf unsere Wurst aufpassen lassen, das fällt mir gerade ein, und Kollege Drochter hat den Spruch mit den Flöhen gesagt. Ich darf sagen, ich habe daheim einen wunderschönen Berner Sennenhund. Den muss man auch als Partner hegen und pflegen, und dann hat er keine Flöhe. – Das kann man als Wertschöpfung und Wertschätzung einer Partnerschaft sehen.

Ich teile auch – das muss ich sehr kritisch sagen – die Reaktionen der Landeshauptleute um die Sorge speziell im Tourismus. Da sind wir einer Meinung, das ist eine durch und durch sensible Angelegenheit. Jeder, der Tourismus direkt und nicht allein aus der Sicht des Gastes betreibt, weiss, dass es immer Stornierungen geben wird, ganz gleich, wie die Situation ist. (Bundesrätin Haunschmid: Ja, genau!)

Ich komme damit noch auf eine Situation zu sprechen, in der es Tourismus nach außen und Tourismus nach innen gibt. Tourismus nach außen ist selbstverständlich sehr wichtig, da müssen die Rahmenbedingungen auch in Zukunft stimmen. Aber ein Beispiel darf ich dafür anfüh


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ren, woran der Tourismus meiner Meinung nach am meisten gelitten hat. Das ist ein System des AMS, das nicht funktioniert hat und nicht funktioniert. Ich sage bewusst: nicht die Leute, die dort arbeiten; diese werde ich in Schutz nehmen.

Heute Vormittag war Lore Hostasch hier, daher möchte ich hier öffentlich sagen: Mit ihr hat man immer menschlich reden können und Probleme immer auf menschlicher Basis lösen können. Aber um nur ein Beispiel zu nennen, spreche ich jetzt von Tirol und dem Tourismus, auch vom kleinen Tourismus, weil ich selbst ein kleiner Wirt bin und mit meinem Sohn noch in der Küche stehe – es wird nicht viele Bundesräte geben, die das tun, so nehme ich an. Ich muss sagen, dass am 28. Dezember in Tirol 912 Fachkräfte aus dem Tourismus gestempelt haben, wir alle jedoch Leute gesucht haben, keine gefunden haben und noch immer keine finden. Also, so muss ich sagen, kann das System nicht funktionieren, und wir brauchen ein anderes. – Näher möchte ich darauf nicht eingehen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Payer: Richtig, wir zahlen!)

Nein, das hat mit den Zahlen überhaupt nichts zu tun. Aber wenn Sie mich schon herausfordern, dann sage ich aus meiner Erfahrung einmal frei von der Leber weg: Es gibt meiner Meinung nach ein Drittel der Mitarbeiter im Tourismus, das sind die tragenden Säulen, ohne die der Tourismus und all das gar nicht aufrechtzuerhalten wäre, was wir momentan der Welt bieten – und das ist nicht wenig.

Das zweite Drittel bringen wir aus dem sozialen Liegestuhl nicht heraus. Ich betone das noch einmal: Wir bringen sie nicht heraus aufgrund aller möglichen Dingen wie etwa der Zumutbarkeitsbestimmungen. Dass es niemand zuzumuten ist, irgendwo anders hin arbeiten zu gehen, davon werden wir uns in der heutigen Zeit verabschieden müssen, nachdem alles anders geworden ist.

Das dritte Drittel – das muss ich hier einmal ganz offen sagen – sind arme Teufel, sie sind arbeitsunfähig, sie sind krank, und für sie werden wir einen anderen Platz suchen müssen statt im Arbeitsmarktservice, wo wir sie alle als eine Heerschar den Arbeitssuchenden immer wieder vorführen und wovor jeder schon einen Horror hat. Auch für die Leute selber muss das ein Horror sein. Das muss man auch einmal sagen.

Nun komme ich noch zu einem Thema, zur Sozialpartnerschaft. Ich bestätige hier, dass ich an und für sich ein glühender Verfechter der Sozialpartnerschaft bin. Da bitte ich die Freunde aus der Sozialdemokratischen Partei – das sage ich ganz offen –: Wir werden euch in Zukunft genauso brauchen. Glaubt nicht, dass wir jetzt sortieren, dass wir uns zusammengefunden haben und das jetzt machen! Machen können wir es meiner Ansicht nach in der Sache nur gemeinsam, wenn wir alle an einem Strick ziehen, und das möglichst in die gleiche Richtung! Da werden die einen oder anderen lieb gewordenen Dinge einfach fallen müssen, weil es nicht anders geht. Vor allem müssen wir das Budget in Ordnung bringen, und da beißt sich die Katze immer wieder in den Schwanz. – Darum möchte ich euch bitten.

Wenn ich zum Schluss noch eines sagen darf: Hannes, auch dir vielen herzlichen Dank! Wir haben öfter miteinander zu tun gehabt und sind eigentlich immer recht gut zu Rande gekommen. Ich glaube, es gehört auch zur Politik, dass man sich gegenseitig ein bisschen mag, denn sonst gibt es nur ein Köpfe-Einschlagen, und das hat auch keinen Sinn.

Eines möchte ich hier anbringen, was viele kleine Leute draußen sagen: Dass wir jetzt dreieinhalb Monate lang keine Regierung gehabt haben, ist noch kein Problem gewesen. Im Gegenteil, jetzt sind einmal keine neuen Gesetze gemacht worden, und das ist ein Vorteil für das Land, und kein kleiner! – Das muss man einmal sagen. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Marizzi: Die habt ihr selbst gemacht!)

Zum Schluss – dann höre ich schon auf – werden wir alle gefordert sein, in allen Dingen besonnen zu sein. Niemand braucht eine wahnsinnige Euphorie an den Tag zu legen, aber jeder kleine Funktionär draußen in irgendeiner Kammer oder Institution hat einmal hundert Tage Schonfrist. Ein paar Tage wird schon auch die neue Regierung bekommen, und dann werden wir es gemeinsam schaffen, weil es sich sicherlich lohnt, für unser schönes Land da zu sein und zu kämpfen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

19.48


Bundesrat
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660. Sitzung / Seite 86

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. Ich erteile ihr das Wort.

19.48

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich weiß schon, Vorurteile sind schwerer zu knacken als Atomkerne, aber ich versuche jedenfalls, den Vorurteilen im Tourismusbereich entgegenzutreten. Man muss vorerst einmal schlicht und einfach klarstellen, dass sämtliche Maßnahmen, Anschuldigungen und Vorurteile völlig überzogen sind. Was hier gespielt wurde und wird, ist ein höchst problematisches Spiel. Auch wenn der oder die Ankläger recht hätten, so spielen sie doch mit dem Feuer.

Herr Kollege Hoscher! Sie haben richtig zu zündeln angefangen. Wissen Sie, wenn man einmal mit dem Zündeln anfängt, und wenn es schon ein bisschen glimmt, dann gehört das ganz schnell wieder gelöscht, sonst kann es tatsächlich zu brennen beginnen. Ich bin der Meinung, dass es in der Situation, die jetzt entstanden ist und die in der dringlichen Anfrage geschildert wird, wirklich Zeit ist, das einzudämmen.

Das Schreckliche für mich ist eigentlich, dass ich feststellen musste, dass unter den Anklägern sozusagen die Intriganten im eigenen Land sind. Weil eben diese Ankläger nicht Recht haben, ist es umso problematischer, dass sie wissend – oder hoffentlich unwissend – dieses wunderbare Gastland unberechtigt beschmutzen. Sie merken es vielleicht gar nicht. Sie beschmutzen nicht die Freiheitliche Partei (Bundesrat Prähauser: Die kann man nicht beschmutzen!), nicht die ÖVP, sie beschmutzen ein wunderschönes Land, voll von fleißigen Menschen, seine Produkte, seine Kunst, seine Kultur, seine Tradition und verzerren das Bild eines der herzlichsten, gastfreundschaftlichsten Länder.

Meine Damen und Herren! Touristen und Gäste kommen nicht in ein Urlaubsland, um die politische Situation zu kommentieren. Sie kommen, um die schönsten Tage des Jahres dort zu verbringen. Sie machen sich selbst ein Bild von diesem Land und seinen Menschen. Glauben Sie mir, wer einmal in diesem Land Österreich war, der kommt immer wieder! (Bundesrat Prähauser: Hoffen wir es!)

Ich glaube, es wäre viel angebrachter, wenn wir unser Land endlich einmal nicht nur als eines der schönsten Länder, sondern auch als das wirklich sicherste Urlaubsland auf der Welt vermarkten oder präsentieren. Ich glaube, es wäre richtig, das einmal festzustellen.

Wenn der Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung vom bevorstehenden Schaden für den Tourismus spricht, dann fehlen ihm wahrscheinlich die nötigen Unterlagen, oder er will politisches Kleingeld wechseln. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist für mich verständlich, denn mit nur noch 800 Mitgliedern von 18 000 Beherbergungsbetrieben Österreichs dürfte der Informationsfluss ein bisschen zu gering für ihn sein. Dieser Präsident und mit ihm alle Ankläger und Schwarzmacher, alle, die diese Vorurteile bilden, müssen meine Kollegen aus der Tourismusbranche als sehr schwach einschätzen. Sie – vor allem Sie, meine Damen und Herren von der Sozialistischen Partei – unterschätzen aber die Leistungen, die diese Kollegen erbringen. Sie können übermenschlichen Einsatz leisten, wenn es hart auf hart geht.

Nein, eigentlich muss ich mich jetzt bei Ihnen entschuldigen, meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben diese Leistungen jahrzehntelang eigentlich nicht unterschätzt, sondern Sie haben sich auf diese Leistungen verlassen. Denn wenn diese Leute nicht so tüchtig gewesen wären und nicht diesen Einsatz geleistet hätten, dann hätten sie Ihre Tourismuspolitik wirtschaftlich nicht überlebt. Diese hysterischen Warnungen sollen wahrscheinlich von den Defiziten Ihrer gescheiterten Politik, insbesondere der Finanzpolitik, ablenken.

Meine Damen und Herren! Wenn einer das Kämpfen um das wirtschaftliche Überleben gelernt hat, dann sind es all die vielen Klein- und Mittelbetriebe vor allem der Tourismuswirtschaft und der Nahversorger, mit all ihren immer geringer werdenden Höhen und immer tiefer werdenden Klüften. Wir haben Stürme, Lawinen und viele andere Katastrophen, ja sogar Ihr Sparpaket gemeistert, aber vorwiegend mit Selbsthilfe und selbstlosem Einsatz.


Bundesrat
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660. Sitzung / Seite 87

Liebe Frau Kollegin Schicker! Ihre Sorge wegen der Beschäftigung, wenn der Tourismus schlechter wird, kann ich ein bisschen beruhigen – sie ist leider nicht mehr da, aber geben Sie es ihr weiter. Sie hat noch eine Chance: Wir haben in der Österreich-Werbung noch einen sozialistischen Generaldirektor sitzen, der kann sich jetzt total auf die Schienen werfen und ein ganz tolles "Incoming" machen.

Meine Damen und Herren! Darum sind vereinzelte Stornierungen nicht zu pauschalieren und als totale Tourismuskatastrophe anzukündigen. Nicht die Existenzangst ist zu schüren, sondern wir alle sind gefragt und aufgefordert – alle, meine Damen und Herren! –, dieses wunderbare Land so zu präsentieren und zu bewerten, wie es wirklich ist: das Urlaubsland, nämlich als das Kulturland und das Industrieland! Stellen auch Sie sich schützend vor dieses Land und seine Werte! Bewahren auch Sie dieses Land und all sein Volk vor Verunglimpfung, und schüren Sie nicht den Hass, weil Sie 30-jährige Machtpolitik nicht fair abgeben können! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie können mir glauben: In unseren Touristikern – Betrieben und Mitarbeitern – haben wir hier in Österreich die besten Botschafter unseres Landes. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.55

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Peter Marizzi das Wort. – Bitte.

19.55

Bundesrat Peter Marizzi (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind nicht wehleidig, sondern wir nehmen demokratische Vorgänge zur Kenntnis. Es ist uns klar, dass die Sozialdemokratie in Opposition ist. Es ist uns auch klar, dass wir keine blindwütige Opposition sein werden, sondern wir werden eine sehr kritische, eine sehr beobachtende und, wenn es notwendig ist, eine sehr aktive Opposition sein.

Daher verstehe ich es teilweise nicht, wenn hier ehemalige Oppositionsrednerinnen und -redner fragen: Warum verteidigen Sie dieses schöne Land nicht? – Ich bin lange genug in diesem Haus, dass ich Reden von Oppositionsabgeordneten gehört habe, die ganz anders geklungen haben, als wir heute gesprochen haben. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Haunschmid: Wir haben unser Land immer verteidigt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich auch an die Diskussion über die Sparpakete erinnern. Ich weiß, dass das zwei schwere – sagen wir es einmal verkürzt und brutalisiert – "Hämmer" waren, aber es ist doch gelungen – mit ziemlich großer sozialer Gerechtigkeit und ohne den Wirtschaftsstandort Österreich außer Acht zu lassen –, diese Benchmarks, von denen der Herr Bundesminister heute gesprochen hat, zu erreichen.

Wir stehen nicht an, zu sagen: Wir leben heute in einem guten Land, wir leben in einem wirtschaftlich erfolgreichen Land, wir haben eine der geringsten Arbeitslosenzahlen, und wir leben in einem ruhigen Land. Natürlich gibt es politische Wenden. Sie haben vom Sparpaket gesprochen, Frau Kollegin Haunschmid: Das dritte Sparpaket steht ins Haus.

Jetzt zu Ihnen, Herr Bundesminister! (Bundesrat Dr. Böhm: Das haben Sie notwendig gemacht!) – Das werden wir erst sehen, wie notwendig es war. (Bundesrat Dr. Böhm: Dringend!)

Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Ich schicke einmal voraus, dass wir mit Ihnen im Wirtschaftsausschuss jahrelang ein ausgezeichnetes Verhältnis gehabt haben. Ich bin froh, dass wir gemeinsam für den vierspurigen Ausbau der A 2 gekämpft haben. Ich bin froh, dass es jetzt auch eine Einigung über das Road-Pricing gegeben hat. Übrigens war ich der Meinung – ich habe das im Parlament, im Nationalrat, immer gesagt –, dass Sie bei Lassing weder eine Schuld tragen noch dass irgendetwas an Ihnen haften soll.

Herr Bundesminister! Sie haben heute sehr moderat, sehr salopp und sehr locker gesprochen. Das ist gut so, dass entkrampft wird und dass nicht verbal aufeinander eingedroschen wird. Selbstverständlich haben Sie die Aufgabe, hier politisches – ich sage es jetzt wieder verkürzt


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und brutalisiert – "Valium" einzusetzen. Freilich, wenn man jetzt die Pressemeldungen verfolgt, dann werden Sie sagen: Die Zeitungen von gestern sind die Reden der Bundesräte von heute. Ich werde später darauf zurückkommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in Österreich vielleicht einen Gewöhnungsprozess miterlebt, nämlich einen Gewöhnungsprozess der Wortwahl. Wir sind es zehn Jahre gewohnt – ich will die Zitate, die den ganzen Nachmittag über besprochen worden sind, jetzt nicht wiederholen. Aber, Herr Bundesminister, wer Chirac, die Belgier, Institutionen und Regierungen rhetorisch angreift und wer – sagen wir es offen – mit der Vergangenheit nicht den richtigen Umgang hat, der darf sich nicht wundern, wenn das Ausland so reagiert. Da können wir nicht sagen: Jetzt sind wir beleidigt, weil das Ausland so reagiert, also hat jetzt auf einmal das Ausland Schuld.

Ich will jetzt nicht mehr den Fuchs und die Hühner zitieren, sondern ich werde jetzt zitieren, was über die Wirtschaftskammer beziehungsweise den Wirtschaftsbund in einer morgigen Zeitung zu lesen ist: Im Wirtschaftsbund herrscht allerdings auch Betroffenheit vor, weil man aufgrund der Reaktionen aus dem Ausland langfristige wirtschaftliche negative Auswirkungen befürchtet. – So reagiert in diesem Fall nicht die Sozialdemokratie und auch nicht irgendein Gewerkschafter, sondern der Wirtschaftsbund.

Um bei der Wirtschaftsdebatte zu bleiben: Wenn heute Mittag in der Sonder-ZiB der Moderator gemeint hat, dass ein neues politisches Produkt verkauft wird – die wichtigste Entscheidung ist meines Erachtens getroffen, das heißt, es gibt Blau-Schwarz, denn die Stimmenstärkeren sind die Blauen –, dann kann ich dem hinzufügen: Herr Schüssel hat das so gewollt. Es ist für mich auch eine Sensation, dass der Drittgereihte in der Wählergunst – denn man spricht immer vom Wählerwunsch – den Kanzler stellt. Okay, das mag so sein. Es wird sich zeigen, ob dieses Produkt auch angenommen wird.

Kollege Maier ist jetzt nicht mehr hier. – Natürlich haben wir alle für dieses Land große Verantwortung. Ich habe es schon gesagt: Wir werden keine wild gewordene Opposition sein. Ich nenne jetzt nicht all die Zitate wie jenes vom roten Kutscher, der gegen einen schwarzen ausgetauscht wurde, und so weiter und so weiter. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Außenpolitik, Innenpolitik und EU-Politik sind allerdings letztendlich auch Wirtschaftspolitik. Vielleicht haben Sie Recht, wenn Sie sagen, dass wir keinen Schaden erleiden werden. Wir würden uns darüber freuen, wenn wir aufgrund dieser Regierungsbildung keinen Schaden erleiden.

Wenn der Herr Bundesminister sagt, dass die Kommentatoren in den Zeitungen jetzt etwas herbei schreiben, dann sage ich: Sie sollten die Bemerkung von Claus Raidl, der ein prononcierter Anhänger einer FPÖ-ÖVP-Koalition ist, im "Kurier" von vorgestern genau lesen; ebenso den Kommentar von Lorenz Fritz. Helmut Elsner sagt: Das ist ein Desaster. Der ÖVPler Treichl meint: Die ÖVP muss jetzt die Freiheitliche Partei überdecken. Christoph Leitl hat gesagt – ich zitiere das nicht vollständig –, dass das Fass voll sei.

Herr Bundesminister! Sie haben von der Börse gesprochen. Es stimmt, dass die Börsenkurse heute annähernd um 1 Prozentpunkt gestiegen sind. Gestern gab sie um 2,5 Prozentpunkte nach. Wir wissen, dass das natürlich das Gefälle ist, das innerhalb einer Woche entsteht. Aber wir wissen auch, dass unsere Aktien, unsere Produkte, meistens von großen amerikanischen Pensionsfonds gekauft werden. Wir wissen genau, dass es bei solchen politischen und wirtschaftspolitischen Dingen einen gewissen Sickerprozess gibt. Erst in einigen Wochen, Herr Bundesminister, werden wir sehen, wie sich die Börse tatsächlich entwickelt: Vielleicht haben Sie Recht. Vielleicht habe ich Recht. Wir dürfen jetzt noch nicht bewerten. Ich wüsche mir, dass Sie Recht haben, denn es wäre schlecht, wenn ich Recht hätte.

Es wurde heute schon über das große Zittern im Tourismus gesprochen. – Frau Gürtler, die der Sozialdemokratie in keinster Weise nahe steht, sondern mit Herrn Prinzhorn jagen gegangen ist und in der ÖVP beheimatet ist, befürchtet eine gewaltige Stornierungswelle. (Bundesrat Payer: Sie hat auch unseren Opernballwein verboten!)


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Noch einmal: Herr Kollege Treichl – ein ehemaliger Kollege – sagt, dass wir mächtig unter Druck kommen. Herr Haselsteiner, den man beileibe nicht der SPÖ zuzählen kann, sagt, dass er um die Reputation seiner Produkte zittert. Es erhebt sich jetzt die Frage, wer Recht hat. Ich wünsche mir nicht, dass unsere Sorgen jetzt zu groß sind und dass wir Recht bekommen. Aber denken wir das einmal durch, und diskutieren wir das vielleicht einmal bei anderer Gelegenheit! Dazu wird es noch Gelegenheit geben, wenn die Zahlen und Fakten der nächsten Monate auf dem Tisch liegen, dann wird man sehen, ob alles so wird, wie Sie sich das wünschen.

Ich möchte noch eine Bemerkung zur größten Industriegruppe Österreichs, zur ÖIAG, machen. Ich habe immer gesagt, dass ich als Roter schwarze Zahlen liebe, weil sonst blaue Briefe kommen. Ich habe selbst einige Dinge in der Verstaatlichten miterlebt, und ich weiß, wovon ich rede. Es kommt jetzt möglicherweise tatsächlich zum Totalausverkauf dieser Wirtschaft. Wir werden natürlich wieder valiumisiert, und es wird gesagt werden: 25 Prozent plus eine Aktie werden wir behalten, regt euch nicht auf, und wenn es bei manchen Unternehmungen weniger ist, dann wird auch nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erinnere Sie an das Semperit-Debakel: Zuerst war alles super, die Konzernzentrale ging 1 000 Kilometer nordwärts, ebenso die Forschung und die Entwicklung. Dann haben wir ununterbrochen die Hypothek Traiskirchen mitzuschleppen, und jeden Monat – das wissen wir alle gemeinsam – kommt wieder eine Drohung, 200 Leute werden gekündigt werden, der Standort sei in Gefahr und so weiter. – Ich wünsche mir das für Österreich nicht. Daher müssen wir viele Dinge offener aussprechen. Ein außenpolitischer Schaden – ich male den Teufel jetzt nicht mit Fettkreide an die Wand – kann natürlich auch zum wirtschaftspolitischen Schaden werden. Wir werden jetzt nicht blindwütig darauf los dreschen. Das sind wir der Wirtschaft und unseren Arbeitnehmern schuldig. Aber Sie müssen erst beweisen, was Sie können, so wie wir es gemacht haben. Alle, die in der Politik sind, haben Fehler gemacht. Niemand ist unschuldig. Aber Sie müssen erst beweisen, dass Sie 30 Jahre oder zumindest vier Jahren lang den sozialen Frieden in diesem Land erreichen, so wie wir ihn erreicht haben. Wir haben diesen Aufschwung mit allen Fehlern, die uns als Sozialdemokraten und der ÖVP unterlaufen sind, mitgemacht. Nun ist es an Ihnen.

Eine Oppositionsrolle – ich gebe das zu – ist immer leichter. Wir werden uns jetzt relativ leicht tun. Ich sage Ihnen jetzt aber – das können Sie sich in das politische Stammbuch schreiben –: Wenn durch Ihre Politik in der österreichischen Wirtschaft ganz besonders die kleinen, fleißigen Leute Schaden trifft, dann werden Sie in uns einen erbitterten Gegner haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.08

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Farnleitner das Wort. – Bitte.

20.08

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Hoher Bundesrat! Ich glaube, entscheidend ist – so wie das Herr Bundesrat Missethon auch gesagt hat –, dass nicht nur ich, sondern auch meine Herren von der ABA, meine Herren Sektionschefs mit unseren ausländischen Kontaktpersonen intensivste Informationen darüber pflegen, was in Österreich vor sich geht, was zur Diskussion steht, woran etwas liegt oder woran etwas scheitern könnte. – Das ist der eine Punkt.

Es ist klar, dass jedes Unternehmen mit seinen Kunden reden muss. Herr Bundesrat Marizzi! Ich sage bei allem Respekt: Ich wäre froh, wenn alle Herren, die Sie zitiert haben, die so groß im "Kurier" geredet haben, auch so viel mit ihren ausländischen Kontaktpersonen telefoniert hätten. Darüber wäre ich außerordentlich glücklich, denn es gibt jetzt wirklich das Problem ... (Bundesrat Marizzi: Sagen Sie es ihnen!) – Ich habe das getan. Sie können das auf unserer Homepage lesen.

Ich sage mit allem Respekt, liebe Damen und Herren: Wer heute bei dem internationalen Medienszenario seine Kunden nicht direkt kontaktiert, sondern die Dinge dem Zufall im Zusammen


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hang mit den Ausführungen eines Leitartiklers überlässt, handelt fahrlässig an seinen Mitarbeitern und an seinem Geschäft. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Das sage ich hier, weil ich mir das unbeschadet leisten kann. Diese Alarmsignale in den nationalen Zeitungen nützen überhaupt nichts. Vielmehr müssen die Kunden des Herrn Raidl oder wessen auch immer wissen: Die Produkte aus Mürzzuschlag sind auch unter der neuen Regierung genauso gut. Wir müssen darauf achten, ob es sozialen Frieden gibt, ob wir weiterhin wenig Steuern zahlen und ob die Schul- und Informationssysteme funktionieren. Ich glaube, darauf kommt es an.

Daher nochmals: Ich bin mit allem, was Sie gesagt haben, einverstanden. Ich formuliere manchmal salopp, und ich habe auch heute versucht, nicht mit Valium zu agieren. Denn wenn ich Valium genommen hätte, dann wären Sie mir eingeschlafen. (Bundesrat Marizzi: Ich meinte: Rhetorisches Valium!) Eingeschlafen sind Sie bei mir Gott sei Dank nie! Vielleicht werden Sie mich einmal ein bisschen vermissen, wenn andere zu fad reden.

Nun ein weiterer Punkt, damit wir ein bisschen Adrenalin hineinbringen. Meine Damen und Herren! Zwei Dinge passen mir an beiden Koalitionsabkommen nicht. Wir wissen es aufgrund der schwedischen wie auch der dänischen Erfahrung: Wer einmal sein Budget in Ordnung bringen will und am Schluss jeder Periode immer 1 bis 2 Prozent zu viel herausbekommt, geht in die nächste Periode schon wieder mit einem kleinen Sparpaket. Ich habe gesagt – ich sage es jetzt so, wie ich es in meiner Partei gesagt habe, ein paar davon sitzen da –: Liebe Freunde! Mir wäre es lieber, wir legen einmal etwas mehr zu und liegen dann bei den Defiziten im europäischen Schnitt, denn bei beiden Koalitionsprogrammen werden wir am Schluss um 1 Prozent über dem europäischen Schnitt der Defizite liegen und werden von allen Kapitalmärkten weiterhin kritisiert werden. – Dies ist mein erster Punkt. Das kann ich mir noch von der Seele reden.

Der zweite Punkt ist: Wir sind heute im europäischen Kontext in der Wirtschaft so sehr kontinentalisiert, dass wir unsere engen Wirtschaftsbeziehungen mit EU-Märkten nicht von politischen Kommentaren und Haltungen von Regierungen abhängig machen dürfen. Das ist das Mirakel der Europäischen Union. Manche Parteiführer, rot, schwarz, blau oder welcher Couleur auch immer, muten sich viel mehr Einfluss auf den Bürger und auf die Wirtschaft zu, als sie tatsächlich haben. – Der Punkt ist: Ich halte es sehr mit der Europäischen Kommission, die gesagt hat, dass sie als Hüterin der Verträge darauf achten wird, dass keine europäischen Normen verletzt werden. Diese Außenkontrolle nützt wahrscheinlich manchmal mehr als unsere eigene Selbstkontrolle. Daher will ich noch einmal sagen: Nach allen ökonomischen Benchmarks hatten wir goldene neunziger Jahre.

In wenigen Wochen und Monaten wird dieses Haus steigende Zinsen, steigende Inflation und steigende Erwartungen in vielen Bereichen diskutieren. Daher meine ich, dass es in Zeiten wie diesen ganz gut ist, wenn man sagt: Jetzt haben wir uns einmal ordentlich auseinander geredet und gestritten, verlieren wir aber bitte die Vision nicht. Lassen wir uns als kleine Länder, umgeben von den relativ großen Blöcken in der Europäischen Union, nicht in ein Eck stellen; es könnte dann plötzlich auch anderen genauso ergehen! – Das ist mein Appell an alle, und Sie wissen, mit welcher Begeisterung ich europäischer Minister war.

Ich sage es nochmals: Europa ist ein Wunder, und wir wissen, dass das jetzige Floaten des Euro unseren Export fördert. Wir wissen aber auch, dass das bei sensiblen Produkten wie Tabak, Erdöl et cetera zu Preiseffekten führt. Das muss auch einmal gesagt haben.

Ich sage: Der Standort Österreich ist in Ordnung. Machen wir ihn nicht schlechter, als er ist! Evaluieren Sie ihn gemeinsam mit, wenn die Regierung mit ihren Maßnahmen auch in Ihr Gremium kommt! Denn es kommt darauf an, ob die Verfahren schneller werden, ob die Betriebskosten steigen, ob wir wettbewerbsfähiger werden, ob die Ausbildung leistungsfähiger wird und ob wir das lebenslang begleitende Lernen durchhalten. Wenn dies der Fall ist, dann wird der Standort Österreich nicht in Frage gestellt. Dann werden wir weiterhin ein europäisches Musterland sein, wenn wir auch unseren Budgetfleck eines Tages wegbekommen sollten. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

20.14


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Vizepräsident Jürgen Weiss:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 1548/AB-BR/00

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 1548/AB durch den Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten.

Da die Anfrage und die dazu gehörende Anfragebeantwortung allen Bundesräten zugegangen sind, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Bevor ich dem ersten Redner das Wort erteile, mache ich darauf aufmerksam, dass die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Albert Konecny. Ich erteile es ihm.

20.15

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es geht um eine Vereinigung namens "Austria Nostra", die behauptet hat, im Bereich des ohnehin materiell nicht besonders gesegneten Denkmalschutzes Fruchtbringendes zu vollbringen, in deren Vorstand sich eine Creme von Persönlichkeiten, die mit der ÖVP nicht gerade auf Kriegsfuss gestanden sind, versammelt hat. Diese haben sich in Anbetracht zunehmender wirtschaftlicher Schwierigkeiten schrittweise verflüchtigt. Zu guter Letzt hat dieser Verein einen veritablen Konkurs zuwege gebracht; rechtstechnisch betrachtet war es kein Konkurs, weil dieser mangels Masse abgewiesen wurde.

Dieser Verein hat sich der besonderen Gunst des Unterrichtsministeriums und des Wirtschaftsministeriums erfreut. Das Unterrichtsministerium – diesem Thema hat sich die SPÖ-Bundesratsfraktion in mehreren Anfragen gewidmet – hat zunächst in den Jahren 1994 bis 1997 im Rahmen von Projektsubventionen immerhin die Bagatelle von 3,2 Millionen Schilling hinausgeworfen; anders kann man das wirklich nicht bezeichnen. Ab 1995 sind, weil es offensichtlich keine Projekte mehr zu fördern gab, zunehmend Basissubventionen an die Stelle der Projektsubventionen getreten. 1997 – in einem Jahr! – betrug die Basissubvention von jener Seite – nicht von Ihrer – immerhin 750 000 S. – All das ist meiner Einschätzung nach in höchstem Maße verwerflich. Es hat sich dabei allerdings um Leistungen gehandelt, die, wenn sie auch vergeblich und unzielgerichtet waren, im Subventionsbericht aufschienen und als Subventionen erkennbar waren.

Wir haben an dieses Ministerium, aber auch an Sie, Herr Bundesminister, Anfragen gerichtet, in welcher Form diese Organisation unterstützt wurde. – Sie haben uns in einer Anfragebeantwortung mitgeteilt, dass sich das Bundesministerium lediglich an den Kosten für die Erstellung des "Katalogs der Kulturlandschaften Österreichs" mit einer viertel Million Schilling – auch nicht gerade ein Pappenstiel! – sowie an der Erstellung eines Kongressbandes bezüglich Vorträge und Ergebnisse der Generalversammlung des besagten Vereines in der Höhe von 70 000 S beteiligt hat, wobei diese Unterstützung jedoch nicht in Form von Förderungen gegeben wurde.

Ich habe mir dann in einer weiteren Anfrage zusammen mit meinen Fraktionskollegen gestattet, Sie zu fragen, wie das eigentlich funktioniert, dass man jemandem Geld über den Tisch zuschiebt, ohne ihm eine Förderung zuzuerkennen. Daraufhin sind wir in einer auch sprachlich nicht besonders reizvollen Art und Weise darüber belehrt worden, dass es sich hiebei um Werkleistungen gehandelt hat.

Daraus ergibt sich, dass, wenn eine solche Werkleistung bestellt wird, ein höherrangiges Interesse der Republik an der Erbringung einer solchen Leistung bestehen muss. Sie haben also zu einem Zeitpunkt, als die Leistungsfähigkeit dieses Vereines durch seine fortschreitende finanzielle Aushöhlung bereits sehr gering gewesen sein muss, Leistungen bestellt. Sie haben jetzt


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eine, nämlich das Buch, aufgeblättert. Da mich dieses Thema sehr interessiert – vielleicht interessiert es Sie auch –, habe ich dieses Büchlein um, wenn ich mich recht erinnere, 380 S käuflich erworben, und in diesem Punkt unterscheide ich mich von Ihnen. – Es ist übrigens hundsmiserabel. Aber das ist ein persönliches Urteil, das auszudiskutieren ich nicht beabsichtige.

Ich möchte Sie am Beginn dieser Debatte zunächst ganz schlicht fragen, worin das höherrangige Interesse der Republik an der Verfertigung dieses Bandes, im Besonderen aber an der Herausgabe des Protokolls der Generalversammlung dieses Vereines zum Wert von 70 000 S bestanden hat. Ich bin ein bisschen ein Vereinsmeier, weil viele Aktivitäten recht praktisch und preiswert über Registrierungskosten in der Rechtsform von Vereinen abgewickelt werden können. Sollten Sie mir hier einen ernsten Hinweis geben, dann würde ich meinen, dass es mehrere hundert verdienstvoll tätige Organisationen gibt, die außerordentlich interessante Generalversammlungen abhalten. Wenn man diesen je 70 000 S gibt, um das drucken zu lassen, würden die Betreffenden das sicherlich als eine erfreuliche Unterstützung betrachten. Worin allerdings auch in diesen von mir jetzt fiktiv angeführten Fällen das Interesse der Republik bestehen könnte, das muss ich mich ganz ernstlich fragen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.20

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nunmehr Herrn Bundesminister Dr. Farnleitner das Wort. – Bitte.

20.20

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Da es sich hiebei um Ereignisse handelt, die vor meiner Zeit als Minister liegen, gilt für das, was ich sage, relata refero. Das, was mir gesagt wurde, habe ich beurteilt.

Nun können wir uns in aller intellektueller Brillanz über Bücher unterhalten, die Ihnen gut gefallen, aber unverkäuflich sind. Dem Durchschnittspublikum wird hingegen dieser Katalog gefallen, der bei der Frankfurter Messe anlässlich des Millenniums ein riesiger Erfolg war. Noch einmal: Geschmäcker sind verschieden. (Bundesrat Konecny: Den Verein hat es nicht gerettet!) Jetzt komme ich zu dem Punkt, mit dem ich mich gerne auseinander setze.

Meine Damen und Herren! Reden wir zunächst nicht vom Verein. Der Punkt war: Es gab in meinem Ministerium zu dieser Zeit im Rahmen der Vorbereitung des Millennium-Events das Bemühen und ein hinreichendes Budget, um bestimmte kulturtouristische Aktivitäten in Angriff zu nehmen. Ich erinnere daran, dass zu dieser Zeit der große Slogan die Propagierung der Kulturlandschaft Österreich war und dass die Herrschaften, die dieses Projekt beurteilten, zum Beispiel festgestellt haben, dass erstmals im Tourismus minder belichtete Regionen wie Außerfern oder das Lesachtal in recht geschmackvoller Art dargestellt wurden. Ich sage das einmal aus meiner Beurteilung, wie man zu solchen Bildbändchen auch stehen kann. Viele Leute wissen, dass Bilder oft mehr beeindrucken als manch langer Text, und so gesehen war es sehr beeindruckend. – Das war der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Diejenigen, die damals die Tätigkeit des Vereins zu beurteilen hatten, waren von einem Faktum sehr beeindruckt, das auch mich beim Nachlesen der Protokolle beeindruckte. Es ging damals um die Protokollpublikation der Generalversammlung des Vereins "Europa Nostra". "Europa Nostra" war damals – so stand es auch in den Statuten – eine internationale Organisation von 200 Kulturgutorganisationen mit 150 weiteren angeschlossenen Organisationen, lokalen Autoritäten wie Gemeinden, Universitäten und kulturellen Institutionen. Die Idee bestand darin – das war ein Anliegen dieser dann gescheiterten Vereinigung "Austria Nostra" –, dass man, wenn man in diesem Distributionskreis das Projekt Kulturland Österreich propagieren könnte, Zugänge bekommt, die man sonst – der Preis betrug in der zweiten Version 75 000 S – nur viel teurer erreichen könnte. – Ich kann mir das vorstellen.

Nun ein Grundsatzpunkt zur Förderung schlechthin: Meine Damen und Herren! Wir haben uns in Österreich leider angewöhnt, viele Institutionen zu fördern, die dieses Geld eigentlich nicht brauchen, weil es nur zur Bequemlichkeit beiträgt. Hingegen fördern wir zu wenige Organisationen, die ohne Förderung vielleicht zugrunde gehen. Ich sage noch einmal: Ich bin ein eiserner Anhänger der Venture-Förderung. Wenn bei Förderungen nicht ein Teil der Projekte Pleite geht,


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dann hat man die falschen gefördert, denn die guten brauchen keine Förderungen. Dieses Prinzip haben wir in Österreich leider umgedreht. Wir haben Geld in die gut gehenden Projekte gesteckt, und die, die es gebraucht hätten, haben wir zugrunde gehen lassen.

Nochmals: Es ist in diesem Fall vorgekommen, dass die Vereinigung dann zugrunde gegangen ist. Ich habe das nicht zu beurteilen, ich weiß es aus den Berichten. Wichtig schien mir vielmehr die Frage zu sein: Sind diese beiden Projekte per se förderungswürdig gewesen? – Aus meinem heutigen Sachverstand würde ich sagen: Dieses sehr anspruchsvoll und einladend gemachte Appetithäppchen-Buch für Durchschnittsleser und Durchschnittskonsumenten, mit dem ein Durchbruch bei der Frankfurter Buchmesse erzielt wurde, scheint gut gelungen zu sein. Dass hinterher "Europa Nostra" – Europa wurde unser, aber leider nicht "Europa Nostra" – nicht gut funktioniert hat, bedauern wir auch. Aber für 75 000 S, insgesamt 450 Attraktivscheine, an die Institutionen heranzukommen, schien meinen Vorgängern, den entscheidenden Kolleginnen und Kollegen in der Beamtenschaft, ein interessantes Projekt zu sein.

Wir wollten Sie nicht auf das Glatteis führen, sondern darauf hinweisen, dass die Kulturlandschaft als Botschaft die Stärke unseres Tourismus geworden ist. Dass es Vereinigungen, in die man einmal Geld hineingesteckt hat – auch wenn es 75 000 S sind –, in ein paar Jahren nicht mehr gibt, zeugt von der Schnelllebigkeit der Zeit und der Dynamik. Ich meine aber, es ist in andere Projekte mehr Geld gesteckt worden, aus welchen nichts geworden ist. Ich meine, es war den Versuch wert. Ich glaube nicht, dass es hier um eine bewusste Fehlverwendung von Mitteln gegangen ist. Ich denke, man hat geglaubt, dass sich in diesem Bereich etwas entwickelt, was mehr bringt, als es am Schluss vor allem im zweiten Bereich dann tatsächlich gebracht hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

20.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nochmals Herrn Bundesrat Albrecht Konecny das Wort. – Bitte.

20.24

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): In aller durch die Uhrzeit diktierten Kürze: Herr Bundesminister! Das gilt nicht nur für die Förderung, das gilt auch für die Wirtschaft: Scheitern wird man noch dürfen! Jetzt haben Sie allerdings den richtigen Lapsus Linguae angewendet. Wenn Sie diesen schon in Ihrer Anfragebeantwortung angewendet und es vorher schon so abgewickelt hätten, dann hätte ich mit all dem kein Problem.

Eine Förderung ist eine Förderung, und die hat ein Mascherl. Das Mascherl heißt bei uns Subventionsbericht. – Ich halte es für unzulässig, eine Werkregelung beziehungsweise eine Werklieferung vorzuschieben, die natürlich dort nicht aufscheint, wenn Sie hier mit Recht – ich werfe Ihnen das nicht vor – von einer Unterstützung einer sinnvollen Aktivität sprechen. Es gibt Tausende förderungswürdige und nicht ganz so viele geförderte Aktivitäten in diesem Land. Ich verurteile niemanden, der einmal daneben greift und eine Organisation mit einem guten Projekt fördert, die das dann sozusagen nicht "derreitet" und sich wirtschaftlich dabei übernimmt. Das kann auch vorkommen. Aber wir sollten diese Förderung ehrlicherweise als Förderung bezeichnen.

Dieses Monitum an Ihre Adresse kommt zugegebenermaßen ein bisschen spät, aber ich möchte dieses Monitum an dieses Haus ausdrücklich aussprechen. Wir werden in weiteren Anfragen – solche Gelegenheiten werden sich wieder bieten – darauf besonderen Wert legen, dass, wie ich jetzt bewusst sage, keine Etikettenverschiebung stattfindet. Ich sage vorbehaltlos und bedingungslos ja zur Unterstützung durch die öffentlichen Hand für sinnvolle und nicht von vornherein ausfinanzierte Aktivitäten von privater Seite. Auch da gebe ich Ihnen völlig recht. Es soll dann die milderndsten Umstände, die man sich nur vorstellen kann, geben, wenn eine solche Förderung einmal das Ziel nicht erreicht oder der, der das Projekt betreibt, inhaltlich oder finanziell zu Bruch geht.

Aber ich ersuche dringend darum, dass eine Werklieferung des Bundes nur dann bestellt wird, wenn der Bund tatsächlich etwas braucht, und nicht dann, wenn er ein Projekt unterstützen möchte. Wir kaufen auch nicht Büromaterial – um das sehr vergröbert zu sagen –, um einem


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bestimmten Büromaterialerzeuger, auch wenn er ein österreichischer ist, zu helfen, sondern weil wir es verbrauchen wollen. Das sind zwei verschiedene Hüte, und diese Tschakos sollten wir nicht beliebig durcheinander mischen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.26

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile Herrn Bundesminister Dr. Farnleitner das Wort. – Bitte.

20.26

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Hoher Bundesrat! Herr Präsident! Ich habe tatsächlich einen Lapsus Linguae begangen. Ich hätte auf die juristischen Feinheiten unserer Gesprächsdiskussion eingehen müssen.

Warum wurde der Begriff "Werkleistung" aus haushaltsrechtlichen Gründen gewählt? – Denn das erste Projekt – Sie ersehen das aus der Einleitung – war eigentlich ein gewillkürtes Projekt von drei öffentlichen Institutionen, die sich dieser Einrichtung bedient haben. Es verhielt sich nicht so, dass jemand mit einem Projekt zu uns kam und um eine Subvention bat, sondern die drei, nämlich dieses Bundesministerium, das Ministerium für kulturelle Angelegenheiten und die niederösterreichische Landesregierung, wollten im Bereich der Landeskulturtechnik im Rahmen des Tourismus etwas in Bewegung setzen.

Daher ist der richtige Begriff anzuwenden: Von einer Subvention wird dann gesprochen, wenn jemand ein Projekt bringt und ihm Geld dafür gegeben wird. Diesfalls hat sich aber eine Aktionsgemeinschaft eines honorigen Vereins bedient, der ein honoriges Vorhaben honorig durchführen wollte. Diskutieren wir es auseinander: De facto ist es eine Geldleistung des Bundes gewesen. Es war dies eine initiative Geldleistung des Bundes, weil mit den Millenniumsgeldern, die wir damals aus dem Budget bekamen, etwas begonnen werden sollte. Vielleicht wurde mit diesem Lapsus Linguae correctus nun unsere Sprachbarriere beseitigt, damit wir wieder offen aussprechen können, wovon die Rede ist. Wahr ist: Es war öffentliches Geld, aber diesfalls wurde es verursachend und nicht adjutiv eingesetzt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Ich möchte mich noch einmal für 30 Sekunden zu Wort melden!)

20.28

Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine dritte Wortmeldungen ist nicht möglich, aber Sie können einen Zwischenruf machen. (Bundesrat Konecny: Dann frage ich von hier: Was war mit dem zweiten Fall?)

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt elf Anfragen – 1671/J bis 1681/J – eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 20.30 Uhr