Budgetdienst - Europäisches Semester 15.11.2024

Aktuelle Themen zur Budgetentwicklung 2024 und 2025

Überblick

Nach den hohen Budgetdefiziten während der COVID‑19- bzw. der Energiekrise bleibt die Budgetlage infolge der schlechten Wirtschafts­lage, den Nachwirkungen des Inflations­schocks und der zuletzt gesetzten budgetären Schwer­punkte (z. B. Klima, Sicherheit, Finanz­ausgleich) weiter angespannt. Darüber hinaus entfielen mit der Abschaffung der kalten Progression und der nun jährlich vorzunehmenden Valorisierung der Sozial­leistungen bisher bestehende implizite Konsolidierungs­mechanismen. Die vorliegende Analyse umfasst einen Überblick zur aktuellen Budget­lage und erläutert daraus entstehende Heraus­forderungen für die Budget­planung ab 2025.

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In den aktuellen Prognosen wird für 2024 ein Maastricht-Defizit zwischen 3,3 % des BIP (BMF) und 3,9 % des BIP (Büro des Fiskalrates) erwartet. Für 2025 wird ein weiterer Anstieg des Defizits prognostiziert. Auch 2026 bleibt es gemäß Europäischer Kommission oberhalb der 3 %-Grenze.

Kurzfassung

Aktuelle Wirtschaftslage

Die österreichische Wirtschaft befindet sich heuer das zweite Jahr in Folge in einer Rezession. Laut WIFO wird die reale Wirtschaftsleistung 2024 um 0,6 % sinken, für 2025 wird dann ein geringes Wachstum von 1,0 % erwartet. Dämpfend auf die Wirtschafts­leistung wirken sich insbesondere die rezessiven Entwicklungen in der Industrie und im Bausektor aus. Vom Privat­konsum gehen trotz der gestiegenen Reallöhne vor allem heuer keine wesentlichen Impulse aus. Das wirtschaftliche Umfeld für die Entwicklung des österreichischen Staats­haushalts in den Jahren 2024 und 2025 ist daher angespannt.

Budgetentwicklung 2024

Der Finanzierungs­haushalt des Bundes weist von Jänner bis September 2024 einen Netto­finanzierungs­bedarf iHv 15,4 Mrd. EUR auf. Die Auszahlungen per Ende September waren um insgesamt 10,1 Mrd. EUR bzw. 13,1 % höher als im Vorjahr, die Einzahlungen verzeichneten einen Zuwachs von 2,2 Mrd. EUR bzw. 3,1 %. Zu besonders starken Auszahlungs­anstiegen führten die steigenden Pensions­ausgaben, der neue Finanzausgleich, der höhere Personal­aufwand und im Rahmen der Budget­erstellung beschlossene Mittel­aufstockungen für einige Schwerpunktbereiche (z. B. Klima, Sicherheit). Einnahmenseitig weisen insbesondere das Umsatzsteuer­aufkommen und die den Immobilien­sektor betreffenden Abgaben eine schwache Entwicklung auf. Die von der Lohnsumme abhängigen Abgaben (v. a. Lohnsteuer) entwickeln sich hingegen weiterhin dynamisch.

Die Rahmenbedingungen für die Budget­entwicklung 2024 haben sich seit der Budget­erstellung im Herbst 2023 deutlich verschlechtert. Dies ist vor allem auf die Verschlechterung der Wirtschaftslage, auf die Verlängerung von Krisen­maßnahmen (z. B. Strompreisbremse, Energie­abgaben­senkung), auf weitere bei der Budget­erstellung noch nicht berücksichtigte Maßnahmen (z. B. höherer Klimabonus, Wohn­baupaket) und die Hochwasser­katastrophe zurückzuführen. Gleichzeitig kommt es in einigen Bereichen zu gegenläufigen Entwicklungen, die sich gegenüber den Erwartungen im Herbst 2023 günstig auf die Budget­entwicklung auswirken. Dies betrifft etwa geringer als erwartete Auszahlungen für die Investitions­prämie oder die Breitbandförderung und höher als erwartete Einzahlungen aus Dividenden sowie aus der Lohnsteuer. In Summe überwiegen die ungünstigen Faktoren, der Netto­finanzierungs­bedarf wird daher aus derzeitiger Sicht höher ausfallen als budgetiert.

Auf gesamtstaatlicher Ebene erwartet das BMF für 2024 derzeit ein Maastricht-Defizit von 3,3 % des BIP, der Fiskalrat geht von 3,9 % des BIP aus. Aus Sicht des Budget­dienstes handelt es sich bei diesen Einschätzungen um eine Untergrenze (BMF) bzw. Obergrenze (Fiskalrat). Die EK rechnet in ihrer zuletzt veröffentlichten Herbst­prognose mit einem Maastricht-Defizit von 3,6 % des BIP. Die öffentliche Schulden­quote wird laut BMF im Jahr 2024 aufgrund des höher erwarteten Defizits und des geringer prognostizierten BIP-Wachstums (BIP-Nenner-Effekt) auf 79,3 % des BIP steigen.

Aktuelle Prognosen zur Entwicklung von Defizit und Schuldenquote ab 2025

Aktuelle Budget­prognosen gehen von einer weiteren Verschlechterung des gesamtstaatlichen Budget­saldos 2025 um 0,1 bis 0,2 %-Punkte im Vergleich zu 2024 aus. Die EK erwartet in ihrer Herbstprognose für 2025 ein Maastricht-Defizit iHv 3,7 % des BIP. Der Fiskalrat ist in seiner Anfang November veröffentlichten Schnell­einschätzung für 2025 mit einem prognostizierten Maastricht-Defizit iHv 4,1 % des BIP etwas pessimistischer. Auch die öffentliche Schulden­quote wird aus derzeitiger Sicht 2025 aufgrund der hohen Defizite und des geringen prognostizierten nominellen BIP‑Wachstums weiter ansteigen.

Die weitere leichte Verschlechterung des Budget­saldos 2025 im Vergleich zu 2024 resultiert aus teils gegenläufigen Effekten, wobei die budgetäre Wirkung der ungünstigen Faktoren überwiegt. Einerseits bewirken insbesondere das Auslaufen der Krisen­maßnahmen und die leichte konjunkturelle Erholung eine Verbesserung des Budgetsaldos. Andererseits führen unter anderem die verzögerte Wirkung der Inflation auf wesentliche Ausgabenbereiche, die Körperschaftsteuer­senkung und das Wohnbaupaket zu einer Verschlechterung des Budgetsaldos.

Für 2026 erwartet die EK derzeit einen leichten Rückgang des Maastricht‑Defizits auf 3,5 % des BIP, die öffentliche Schuldenquote soll leicht um 1 %‑Punkt auf 81,8 % des BIP ansteigen. Das WIFO gelangt zu einer ähnlichen Einschätzung.

Die vorliegenden Budget­prognosen wurden auf Grundlage der aktuellen konjunkturellen Erwartungen und unter der Annahme einer unveränderten Politik (no-policy-change") erstellt. Durch ein Gegensteuern, das zur Einhaltung der EU‑Fiskalregeln erforderlich ist, würde das Budgetdefizit entsprechend gesenkt werden.

EU-Fiskalregeln und der daraus resultierende Konsolidierungsbedarf

In Zusammenhang mit den EU‑Fiskalregeln muss Österreich einen Fiskalstruktur­plan vorlegen, mit dem das Budget­defizit ab 2025 sukzessive reduziert wird, damit die Schulden­quote mittelfristig hinreichend rückläufig ist. Im Juni hat die Europäische Kommission (EK) dazu einen Referenzpfad für den strukturellen Primärsaldo (Maastricht-Defizit bereinigt um konjunkturelle Effekte und Zinsausgaben) übermittelt. Seither haben sich sowohl die wirtschaftlichen als auch die budgetären Rahmen­bedingungen verschlechtert, sodass bei einer Aktualisierung des Referenz­pfads ein höheres Konsolidierungs­erfordernis entsteht. Zudem droht wegen der hohen erwarteten Maastricht-Defizite in den Jahren 2024 und 2025 die Einleitung eines Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (ÜD‑Verfahren). Ein solches ÜD‑Verfahren würde zu einer späteren Anwendung der Schutzklausel zur Schulden­reduktion um 0,5 % des BIP pro Jahr führen, als Ausgangswert würde das Jahr nach der voraussichtlichen Beendigung des ÜD‑Verfahrens dienen.

Der Budgetdienst hat auf Grundlage der aktuellen EK‑Prognose Szenarien berechnet, um eine Abschätzung des aktualisierten Konsolidierungsbedarfs zu ermöglichen. Das Anpassungs­erfordernis beträgt unter der Annahme der Einleitung eines Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit 4,2 Mrd. EUR (0,8 % des BIP) im Jahr 2025 und steigt bis zum Jahr 2028 auf 14,9 Mrd. EUR (2,6 % des BIP). Verpflichtet sich Österreich zur Umsetzung eines den Vorgaben entsprechenden Reform- und Investitionspakets, kann der Anpassungs­zeitraum von vier auf sieben Jahre verlängert werden. In diesem Fall wäre der jährliche Konsolidierungsbedarf geringer, müsste aber bis zum Jahr 2031 fortgesetzt werden. Ohne ÜD‑Verfahren kommt die Schutzklausel zur Schuldenreduktion unmittelbar zur Anwendung und bewirkt einen höheren Gesamtkonsolidierungsbedarf.

Die zur Einhaltung der EU‑Fiskalregeln notwendige Konsolidierung kann sowohl durch Einsparungen gegenüber den bisher geplanten Ausgaben als auch durch Einnahmen­erhöhungen erzielt werden. Sofern zusätzliche Ausgaben oder Einnahmen­senkungen beschlossen werden, müssen deren Kosten durch andere Ausgaben­senkungen bzw. Einnahmen­erhöhungen entsprechend gegenfinanziert werden.

Offene Punkte im EU-Aufbau- und Resilienzplan

Österreich hat im September 2024 einen Antrag auf Auszahlung der Finanzmittel aus der zweiten und dritten Tranche des Aufbau- und Resilienzplans (ARP) an die EK über­mittelt. Beurteilt die EK alle 67 mit den beiden Tranchen verbundenen Meilensteine als erfüllt, würde Österreich aus den Tranchen 1,6 Mrd. EUR erhalten. Mit Stand Ende August waren neben zwei Investitions­vorhaben, die kurz vor Abschluss stehen dürften, insbesondere noch zwei Reform­vorhaben (automatisches Pensionssplitting, verpflichtender Klimacheck für neue Gesetze) offen. Die Nichtumsetzung dieser Reformen dürfte zu deutlichen Mittel­kürzungen führen. Zusätzlich könnte ein weiterer Meilenstein zur Aliquotierung der ersten Pensions­erhöhung aufgrund der erneut beschlossenen Aussetzung dieser Regelung als nicht erfüllt bewertet werden. Laut BMF wurde mit der EK eine Verlängerung des Bewertungs­zeitraums vereinbart.

Öffentliche Finanzen im internationalen Vergleich

Für 2024 und 2025 wird im Euroraum ein aggregiertes Defizit von jeweils 3,1 % des BIP erwartet, dabei liegt das Defizit in sieben Ländern über der 3 % Maastricht-Grenze. Frankreich, die Slowakei und Belgien haben besonders hohe Defizite und wurden zusammen mit Italien und Malta in ein ÜD‑Verfahren aufgenommen. Die Schulden­quote im Euroraum wird 2024 im Aggregat voraus­sichtlich bei 88,1 % des BIP liegen, dies entspricht einem Anstieg um 4,5 %‑Punkte gegenüber dem Vorkrisen­jahr 2019. Besonders stark sind die Schulden­quoten in Finnland, Frankreich und Estland gestiegen, während Griechenland, Zypern, Portugal und Irland signifikante Rückgänge aufweisen.