Budgetdienst - Anfragebeantwortungen 12.11.2018

Einsparungen in der WFA zum Sozialversicherungs-Organisationsgesetz

Anfragebeantwortung des Budgetdienstes

Überblick

Der Abgeordnete Bruno Rossmann (Liste Pilz) ersuchte den Budget­dienst um eine Kurz­studie zu den Ein­sparungen im Rahmen des Sozial­versicherungs­Organisations­gesetzes (SV­OG) — "Patienten­milliarde". Die Fragestellung zielte auf die Nach­vollziehbarkeit der Darstellung der finanziellen Auswirkungen in der Wirkungs­orientierten Folgen­abschätzung (WFA) der Regierungs­vorlage ab.

Die vollständige Anfragebeantwortung zum Download:

BD - Anfragebeantwortung zur WFA des Sozialversicherungs-Organisationsgesetzes / PDF, 785 KB

Kurzfassung

Der vorliegende Gesetzes­entwurf dient einer umfassenden Organisations­reform des österreichischen Sozial­versicherungs­systems und sieht unter anderem eine Zusammen­führung der derzeit bestehenden Versicherungs­träger von 21 auf 5 (zusätzlich bleiben die Notariats­versicherung als "Versorgungsanstalt" und die derzeit fünf Betriebs­kranken­kassen als betriebliche Wohlfahrts­einrichtungen bestehen), die Umgestaltung des Haupt­verbandes zu einem Dach­verband, eine Senkung der Unfall­versicherungs­beiträge und eine Neu­regelung der Dotierung des Privat­kranken­anstalten-Finanzierungs­fonds (PRIKRAF) vor. In der Wirkungs­orientierten Folgen­abschätzung werden die daraus entstehenden Minder­auf­wendungen für die Sozial­versicherung und den Bund mit insgesamt 1.035 Mio. EUR bis 2023 angegeben. Die Senkung des Beitrags zur gesetzlichen Unfall­versicherung soll bei der Allgemeine Unfall­versicherungs­anstalt (AUVA) zu einem kumulierten Einnahmen­entfall von 589 Mio. EUR führen.

Nach kritischen Anmerkungen im Begutachtungs­verfahren wurde in der WFA zur Regierungs­vorlage die Darstellung der finanziellen Auswirkungen im Vergleich zum Ministerial­entwurf in mehreren Bereichen abgeändert oder ergänzt und die jeweiligen Mehr- und Minder­auf­wendungen teilweise auch inhaltlich umfassender begründet.

Die größte Position bei den finanziellen Auswirkungen sind Minder­auf­wendungen aus einer Effizienz­steigerung der Sozial­versicherungs­träger, durch die das von der Regierung angestrebte Effizienz­potenzial von rd. 1 Mrd. EUR realisiert werden soll. Gegenüber dem Ministerial­entwurf werden die Ein­sparungen bei den Personal- und Sach­auf­wendungen des Verwaltungs­bereichs bereits ab 2020 und damit deutlich früher (im Ministerial­entwurf erst ab 2023) und mit einem linearen Anstieg auf 30 % (anstatt 10 %) auch in deutlich größerer Höhe erwartet (1.050 Mio. EUR gegenüber 351 Mio. EUR). Weder der frühere Beginn noch der höher angenommene Prozent­satz der Ein­sparungen werden in der Regierungs­vorlage begründet. Die Berechnungen zur Effizienz­steigerung sind weiterhin grobe Schätzungen, bei denen die Grund­lagen der Berechnungen allerdings besser dar­gestellt wurden. Ein konkretes Mengen- bzw. Preis­gerüst für die Berechnungen fehlt jedoch weiterhin. Der Fusions­aufwand wird in der WFA zwar angeführt, die finanziellen Aus­wirkungen werden jedoch als gering angesehen und nicht quantifiziert. Im Stellung­nahme­verfahren wurde auf ein Kosten­risiko hingewiesen, das genau beobachtet werden muss.

Die zuletzt erstellten Gesamt­studien zu Effizienz­potenzialen in der Sozial­versicherung gehen durchaus von noch zu realisierenden Skalen­effekten und Fusions­gewinnen aus, bescheinigen der Sozial­versicherung jedoch bereits niedrige oder höchstens durchschnittliche Verwaltungs­kosten und sehen daher vergleichs­weise geringere Einsparungs­möglichkeiten in diesem Bereich.

In der Regierungs­vorlage wurde die Darstellung der weiteren finanziellen Aus­wirkungen deutlich verbessert und ist weit­gehend nach­vollziehbar. Die aus­gewiesenen Beträge sind teilweise unmittelbar aus den gesetzlichen Bestimmungen ableitbar oder können zumindest anhand der Angaben in der WFA und öffentlich verfügbarer Daten plausibilisiert werden. 

Zur Reduktion der Lohn­neben­kosten soll der Beitrag zur gesetzlichen Unfall­versicherung für die bei der AUVA versicherten Unselbständigen ab 1. Jänner 2019 von 1,3 % auf 1,2 % gesenkt werden. Die Senkung des Unfall­versicherungs­beitrages um 0,1 %-Punkte soll im Zeitraum 2019 bis 2023 laut WFA zu einem kumulierten Einnahmen­entfall von 589 Mio. EUR bei der AUVA führen.

Die Minder­auf­wendungen des Bundes von 61 Mio. EUR aus der Nicht­valorisierung der pauschalierten Beihilfe nach § 1a Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz (GSBG) die zu 100 Mio. EUR dem Innovations- und Zielsteuerungs­fonds der ÖGK und zu 30 Mio. EUR der Sozial­versicherungs­anstalt der Selbständigen zugewiesen werden soll, bewirken bei der Kranken­versicherung Minder­einnahmen in gleicher Höhe.

Die Mittel zur Finanzierung der PRIKRAF-Kranken­anstalten werden ab dem Jahr 2019 um 14,7 Mio. EUR erhöht, wodurch für die Sozial­versicherung im Zeitraum 2019 bis 2023 Mehr­auf­wendungen iHv 76,5 Mio. EUR entstehen.

Die WFA zur Regierungs­vorlage führt die Harmonisierung des Leistungs­rechts innerhalb der einzelnen Sozial­versicherungs­träger als eine in den Jahren 2020 bis 2022 umzusetzende Maßnahme an. Es wird erwartet, dass daraus Mehr­auf­wendungen im Leistungs­recht entstehen. Eine valide Schätzung für die Mehr­auf­wendungen könne jedoch nicht abgegeben werden, weil die endgültige Ausgestaltung allfälliger Harmonisierungs­maßnahmen abzuwarten bleibe. Durch das vorgesehene Ziel­steuerungs­system soll jedoch sicher­gestellt werden, dass die durch die Effizienz­steigerung aus der Organisations­reform freiwerdenden Mittel von rd. 1 Mrd. EUR für den Mehr­aufwand aus der Harmonisierung und für verbesserte Leistungen an die Versicherten zur Verfügung gestellt werden. Wegen der grund­sätzlich nachvoll­ziehbaren Unsicherheiten fehlen diese Mehr­auf­wendungen in der WFA und werden daher auch nicht in den Soll‑Ist-Vergleich der interne Ex‑post-Evaluierung einbezogen. Da mit dem Regelungs­vorhaben auch die Steuerungs­möglichkeiten des Bundes ausgeweitet werden, sollten aus Sicht des Budget­dienstes daher Vorkehrungen getroffen werden, dass die angesprochenen Mehr­auf­wendungen aus der Harmonisierung im Leistungs­recht kosten­mäßig erfasst und den Ein­sparungen gegenüber­gestellt werden können.