Budgetdienst - Anfragebeantwortungen 02.11.2020

Transparenz der Budgetierung der COVID-19-Maßnahmen

Anfragebeantwortung des Budgetdienstes

Überblick

Der Abgeordnete Kai Jan Krainer (SPÖ) ersuchte den Budgetdienst um eine Kurz­studie zur transparenten Budgetierung der im Jahr 2020 beschlossenen COVID‑19-Maßnahmen. In dieser Anfrage­beantwortung werden alle relevanten Maßnahmen zur Krisen­bewältigung, bei denen Mehr­ausgaben erwartet werden, zusammengefasst und in Hinblick auf deren finanziellen Rahmen, derzeitige Inanspruchnahme und Ausnutzungs­grad analysiert. Weiters wird die Transparenz der Budgetierung und der COVID‑19-Berichterstattung beurteilt und Vorschläge für Verbesserungen dargelegt.

Die vollständige Anfragebeantwortung zum Download:

BD - Anfragebeantwortung zur Transparenz der Budgetierung der COVID-19-Maßnahmen / PDF, 1 MB

Kurzfassung

Transparenz der Budgetierung und haushaltsrechtliche Umsetzung der COVID-19-Maßnahmen

Die Transparenz in der Veranschlagung und die haushaltsrechtliche Umsetzung der mit den einzelnen COVID‑19-Gesetzen beschlossenen Maßnahmen unterscheiden sich im Bundes­finanz­gesetz (BFG) 2020 grundlegend von der im Entwurf zum Bundes­finanz­gesetz (BFG‑E) 2021 vorgesehenen Vorgangsweise.

Während durch die COVID‑19-Gesetze die materiell-rechtliche Grundlage für die Maßnahmen geschaffen und zum Teil auch die maximalen Rahmenbeträge festgelegt wurden, ist der mit dem COVID‑19-FondsG vom 15. März 2020 eingerichtete COVID‑19-Krisenbewältigungs­fonds, über den den Ressorts im Wesentlichen die Mittel zur Krisen­bewältigung bereitgestellt werden, im Jahr 2020 das zentrale budgetäre Instrument zur Krisen­bewältigung. Der COVID‑19-Krisenbewältigungs­fonds wurde als Verwaltungs­fonds eingerichtet und wird vom Bundesminister für Finanzen verwaltet, der über die konkreten Zahlungen im Einvernehmen mit dem Vizekanzler entscheidet. Die Mittel aus der Kurzarbeit werden hingegen über die variable Gebarung der UG 20‑Arbeit abgewickelt und deshalb nicht aus dem Krisenbewältigungs­fonds bedeckt. Darüber hinaus werden einzelne Maßnahmen aus den Ressort­budgets finanziert.

Die Auszahlungen, die aus dem Krisenbewältigungs­fonds bedeckt wurden, wurden nicht bei den Ressorts budgetiert, sondern den Ressorts auf deren Antrag über eine Pauschal­ermächtigung im BFG 2020 vom BMF zur Verfügung gestellt. Durch diese Pauschal­ermächtigung war keine ausreichende Transparenz über die Veranschlagung gegeben. Dies war im Hinblick auf die dynamische Entwicklung zu Beginn der COVID‑19-Pandemie im März 2020 noch nachvollziehbar. Allerdings wurde dem Nationalrat vom BMF auch in der Folge, nachdem die Planungs­unsicherheiten seit der Budgeterstellung deutlich abgenommen haben, keine nähere indikative Planung zur Verwendung der Mittel im COVID‑19-Krisenbewältigungs­fonds vorgelegt. Das BMF berichtet ihm jedoch monatlich über die konkreten Mittel­zuweisungen aus dem Krisenbewältigungs­fonds und die von den Ressorts daraus geleisteten Zahlungen.

In das BFRG 2020‑2023 wurde die Überschreitungs­ermächtigung für Mittel aus dem Krisenbewältigungs­fonds bereits eingebaut, weshalb keine Änderung der Obergrenze 2020 erforderlich sein wird. Bis zu den im BFG 2020 festgesetzten Ober­grenzen des Krisenbewältigungs­fonds (20 Mrd. EUR pauschal budgetiert, 8 Mrd. EUR Ermächtigung) ist deshalb kein weiterer Beschluss des Nationalrats für die Mittel­verwendung notwendig. Aufgrund des bisherigen Budget­vollzugs ist ein solcher 2020 aller Voraussicht nach nicht notwendig. Weitere Obergrenzen bzw. Rahmen wurden in einzelnen Materien­gesetzen (z. B. NPO-Unterstützungs­fonds, Härtefallfonds, Kurzarbeit) definiert, die ebenfalls einzuhalten sind. Bei einer Überschreitung werden die einzelnen Gesetze geändert werden müssen. Die Kurzarbeit wurde als variable Gebarung abgebildet, weshalb bei einer Überschreitung der Obergrenzen des BFRG oder des BFG keine Einbindung des Nationalrats erforderlich ist. Die Mittel aus dem Krisenbewältigungs­fonds sind nicht rücklagefähig, was im BFG‑E 2021 dezidiert klar gestellt ist.

Diese Form der Budgetierung wird mit dem vorgelegten BFG‑E 2021 wesentlich geändert. Im Entwurf zum Bundes­voranschlag (BVA‑E) 2021 werden die plan- oder abschätzbaren COVID‑19-Krisenausgaben direkt bei den einzelnen Untergliederungen veranschlagt und nur noch für unvorher­gesehene Maßnahmen ist eine Ermächtigung iHv 5,5 Mrd. EUR (davon 4 Mrd. EUR in der UG 45‑Bundes­vermögen für den Fixkosten­zuschuss und 1,5 Mrd. EUR als pauschale Ermächtigung, die analog zur Vorgangsweise 2020 auf Ebene der einzelnen Rubriken jeweils betraglich beschränkt ist) zur Bedeckung dieser Auszahlungen aus dem COVID‑19-Krisenbewältigungs­fonds vorgesehen. Die Transparenz der Budgetierung der Krisenbewältigungs­maßnahmen wird dadurch im Jahr 2021 deutlich verbessert.

Budgetäre Auswirkungen der COVID-19-Maßnahmen

Im Zusammenhang mit der COVID‑19‑Krise wurden im Nationalrat bereits zahlreiche Gesetzes­beschlüsse mit entsprechenden budgetären Auswirkungen gefasst. Dazu zählen insbesondere die 22 COVID‑19‑Gesetze, die als Initiativ­anträge eingebracht wurden und daher keine Wirkungsorientierte Folgen­abschätzung (WFA) mit entsprechenden Angaben zu den finanziellen Auswirkungen der beschlossenen Maßnahmen enthielten. Neben diesen COVID‑19-Gesetzen gibt es eine Reihe weiterer Gesetzes­beschlüsse sowie zahlreiche Verordnungen und Richtlinien, die zur Begrenzung der negativen Folgen der COVID‑19-Pandemie beschlossen bzw. erlassen wurden. Nach den ersten akuten Handlungs­notwendigkeiten im Frühjahr wurden die Gesetzes­entwürfe dann verstärkt als Regierungs­vorlagen eingebracht.

In dieser Anfrage­beantwortung werden alle relevanten Maßnahmen, bei denen Mehr­ausgaben erwartet werden, zusammengefasst und mit den jeweiligen Gesetzes­grundlagen und der Art der Bedeckung (insbesondere aus Krisen­bewältigungs­fonds, variable Gebarung) im Überblick dargestellt. Zum Stand 30. September 2020 wurden die budgetären Rahmen, die geleisteten Auszahlungen/Zahlungs­erleichterungen sowie die für 2021 budgetierten Werte in mehreren Übersichts­tabellen aufgeschlüsselt nach Rubriken, Untergliederungen, Global- und Detailbudgets sowohl für ausgaben­seitige als auch für einnahmen­seitige Maßnahmen zusammengefasst.

Der budgetäre Rahmen bzw. die Planwerte für die ausgewiesenen ausgaben­seitigen Maßnahmen belaufen sich im Zeitraum 2020 bis 2024 auf insgesamt knapp 39 Mrd. EUR, der überwiegende Teil betrifft die Jahre 2020 und 2021. Bei diesem Betrag handelt es sich jedoch um eine Ober­grenze, die aus derzeitiger Sicht bei einzelnen Positionen (Kurz­arbeit, Härtefall­fonds, Fixkosten­zuschuss) vor allem 2020 deutlich unterschritten werden wird. Es sind allerdings auch laufend neue Maßnahmen oder die Erhöhung bestehender Rahmen (z. B. bei der Investitions­prämie) in Diskussion. Da aktuell die Ansteckungs­zahlen stark steigen, könnte der Bedarf bei einzelnen Maßnahmen auch deutlich höher ausfallen als zuletzt erwartet wurde.

Aus dem Krisenbewältigungs­fonds wurden den Ressorts bis Ende September 10,3 Mrd. EUR zur Verfügung gestellt, wobei von den Ressorts erst 2,7 Mrd. EUR ausbezahlt wurden. Das bedeutet, dass für die restlichen 3 Monate des Jahres 2020 ein nicht ausgenutzter Rahmen vorliegt. Das BMF hätte somit am Jahres­ende einen gewissen Spielraum Vorauszahlungen an abwickelnde Stellen zu leisten, der jedoch insofern begrenzt ist, als für 2021 die Mittel zur Krisen­bewältigung im BVA‑E budgetiert werden. Die größten noch nicht ausgenutzten Mittel aus dem Krisen­bewältigungs­fonds betreffen die COFAG-Mittel (insbesondere für den Fixkostenzuschuss) mit 5,7 Mrd. EUR, das Kommunal­investitions­gesetz 2020 (KIG 2020) mit 0,4 Mrd. EUR und den NPO-Unterstützungsfonds mit 0,5 Mrd. EUR.

Eine besondere Herausforderung für die haushaltsrechtliche Umsetzung und die Transparenz liegt darin, dass zahlreiche COVID‑19-Maßnahmen, wie insbesondere die Kurzarbeit, die Haftungen, der Härtefall­fonds oder der NPO-Unterstützungs­fonds, nicht in den jeweiligen Ministerien und deren unmittelbar nachgeordneten Dienststellen verwaltet werden, sondern von ausgegliederten Unternehmen wie der aws, der ÖHT, dem AMS und der AMA oder von Interessen­vertretungen wie der Wirtschafts­kammer operativ abgewickelt werden. So erhalten die jeweiligen abwickelnden Stellen in der Regel einen Vorschuss bzw. eine Vorauszahlung, die erst in weiterer Folge an die direkt Betroffenen überwiesen wird, worüber das BMF bisher nicht systematisch berichtete. Werden wesentliche Summen als Vorauszahlungen bereitgestellt, kommt dem Monitoring durch den Nationalrat eine wichtige Rolle zu.

Die einnahmenseitigen Maßnahmen zur Bewältigung der COVID‑19‑Krise setzen sich im Wesentlichen aus Maßnahmen zur Aufrecht­erhaltung der Unternehmens­liquidität, aus Konjunktur­stärkungs­maßnahmen, aus Maßnahmen zur Entlastung von besonders betroffenen Branchen sowie aus sonstigen kleineren steuerlichen Anpassungen im Zusammenhang mit der COVID‑19‑Krise zusammen.

Transparenz der COVID-19-Berichterstattung

Das BMF hat für die Nachverfolgbarkeit der COVID‑19-Gebarungen speziell gekennzeichnete Konten eingerichtet, wodurch die Voraussetzungen für eine gezielte Berichts­legung geschaffen wurden. Betrachtet man jedoch den Umfang der COVID‑19-Gebarungen, wäre in mehreren Untergliederungen die Einrichtung von Detailbudgets, in einzelnen Fällen sogar von Global­budgets sinnvoll gewesen.

Mehrere gesetzliche Regelungen sehen Berichtspflichten an den Budgetausschuss über COVID‑19-Unterstützungs­maßnahmen und deren budgetäre Auswirkungen vor. Durch die monatliche COVID‑19-Berichterstattung konnten einige bedeutende Transparenz­lücken geschlossen werden. Vor dem Hintergrund der betraglich nur auf Rubriken herunter­gebrochenen Überschreitungs­ermächtigung aus dem Krisenbewältigungs­fonds wären jedoch weitere Informationen zielführend, damit der Nationalrat seine Kontroll- und Steuerungs­funktion besser wahrnehmen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Planungs­sicherheit seit dem Beschluss der Einrichtung des Krisenbewältigungs­fonds im April 2020 deutlich erhöht hat und sich die Informations­systeme der Abwicklungs­stellen zwischen­zeitlich konsolidiert haben sollten.

Die Anfragebeantwortung beinhaltet eine Reihe von Vorschlägen zur Erhöhung der Transparenz. Dies betrifft eine detaillierte Darstellung der Adressat:innen der Leistungen vom Bund, eine nachvollziehbare, systematische Bericht­erstattung über die Zahlungsströme der abwickelnden Stellen, eine systematische Übersicht über den Ausnutzungs­stand der unterschiedlichen Rahmen sowie eine Risiko­bericht­erstattung mit Abschätzung der Schadenshöhe und Eintritts­wahrscheinlichkeit.

Aus Sicht des Budgetdienstes sind diese Transparenz­aspekte für den Nationalrat von besonderer Bedeutung und sollten in den Berichten des BMF daher sukzessive verstärkt berücksichtigt werden. Durch die in der COVID‑19-Bericht­erstattung im Monatsbericht September erstmals aufgenommenen zusätzlichen Inhalte und Darstellungen (insbesondere Aufgliederung der Investitions­zuschüsse nach dem KIG 2020, Darstellung der Anträge zum Fixkosten­zuschuss nach Unternehmens­größe und Brache, Darstellungen zu weiteren Fonds und Hilfs­maßnahmen) wurde die Berichts­qualität gesteigert, andere Transparenz­aspekte sind noch nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt.