Fachinfos - Parlamentsforschung 09.12.2025

"Forschungsjahr im Parlament": Abschlussbericht veröffentlicht

Durch das "Forschungsjahr im Parlament" wird jährlich ein Werkvertrag über eine wissenschaftliche Forschungsarbeit ausgelobt und von einem wissenschaftlichen Beirat ausgewählt. Die Initiative soll eine kritische Auseinandersetzung mit parlamentarischen Wissensressourcen und deren Weiterentwicklung ermöglichen. Der Abschlussbericht des zweiten "Forschungsjahr im Parlament" liegt nun vor:

Abschlussbericht FiP 2024/2025: Josef Lolacher / PDF, 345 KB

Das Forschungsprojekt

Von Oktober 2024 bis September 2025 untersuchte der Forscher der Universität Oxford, wie österreichische Parlamentarierinnen und Parlamentarier öffentliche Meinung und wissenschaftliche Expertise in ihre Entscheidungen einbeziehen. Dazu wurde eine umfassende Abgeordnetenbefragung, qualitative Interviews sowie eine parallele Bevölkerungsumfrage unter 3000 wahlberechtigten Österreicherinnen und Österreichern durchgeführt. Die Studie liefert neue Erkenntnisse über das Repräsentationsverständnis von Politikerinnen und Politikern und das Zusammenspiel von Wissenschaft und Politik.

Gewonnene Erkenntnisse

  • Abgeordnete haben im Vergleich zur Bevölkerung ein höheres Vertrauen in Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: In der Befragung gaben Abgeordnete im Durschnitt ein etwas höheres Vertrauen in "Wissenschaftler im Allgemeinen" an als Bürgerinnen und Bürger. Dabei gab es deutliche Unterschiede entlang der Klubgrenzen: Abgeordnete der Grünen und der NEOS wiesen durchgehend die höchsten Vertrauenswerte auf, während Abgeordnete der FPÖ bei der Befragung das geringste Vertrauen ausdrückten. Abgeordnete von ÖVP und SPÖ ordnen sich mit durchschnittlichen Vertrauenswerten dazwischen ein.
  • Abgeordnete reagieren stärker auf Expertenwissen als auf Informationen zur öffentlichen Meinung: Das im Survey eingebettete Experiment zeigte, dass die befragen Abgeordneten teilweise ihre Position zu einer bestimmten Maßnahme (z. B. einem Mietpreisdeckel) änderten, wenn ihnen wissenschaftliche Expertise präsentiert wurde. Eine solche Positionsänderung trat jedoch kaum ein, wenn ihnen Informationen zur Meinungsverteilung in der Bevölkerung dargelegt wurden.
  • Abgeordnete lehnen technokratische Entscheidungsmodelle klar ab und betonen die Bedeutung demokratischer Verantwortung: Während wissenschaftliche Erkenntnisse für Abgeordnete eine wichtige Ressource darstellen, lehnen sie technokratische Entscheidungsmodelle, in denen die politische Verantwortung primär bei Expertinnen und Experten liegt, deutlich ab. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass im Vergleich dazu in Teilen der Bevölkerung eine deutlich größerer Zustimmung zu technokratischen Positionen besteht.

Das "Forschungsjahr im Parlament" umfasst den österreichischen Teil von Lolachers Dissertationsprojekt "Do Members of Parliament Listen to Experts or Ordinary Citizens? The role of expert knowledge and public opinion in the decision-making of MPs". Dieses ist als länderübergreifende Studie konzipiert und soll im weiteren Verlauf vergleichende Schlussfolgerungen über unterschiedliche parlamentarische Systeme und politische Kulturen in Österreich, Deutschland und Großbritannien ermöglichen.

Josef Lolacher bei der Präsentation der vorläufigen Ergebnisse seines Projekts bei einem internen Seminar im Parlament.

Ausblick: "Forschungsjahr im Parlament" 2025

Das laufende "Forschungsjahr im Parlament" 2025 ging an das Projekt von Julia Rüdiger, in welchem die Kunsthistorikerin anhand des kürzlich renovierten Parlamentsgebäudes ein gewandeltes Verständnis von Demokratie nachvollziehbar machen will. Die Ergebnisse des Projekts werden beim Tag der Parlamentsforschung 2026 vorgestellt.

Das "Forschungsjahr im Parlament", der Tag der Parlamentsforschung sowie die Digitale Bibliographie Parlamentsforschung sind Projekte der Parlamentsforschung der Parlamentsdirektion, die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler fördern und einen kontinuierlichen Austausch von Politik, Verwaltung und Wissenschaft stärken sollen.